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Teil 3
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein
Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen die Anfänge einer zentralen Wasserver-sorgung bereits ins 17. Jahrhundert zurück.
148 Teil 3 ______________________________________________________________________________
1. Jahre des Aufbruchs
ie Industrialisierung Deutschlands führte zu drama-
tischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Veränderungen. Diesem Wandel waren die traditionellen
Infrastrukturen bald nicht mehr gewachsen. Lebten um
1800 noch 90 Prozent der rund 23 Millionen Menschen
in den deutschen Staaten auf dem Land oder in Klein-
städten, sollte das kräftig steigende Bevölkerungswachs-
tum diese Relationen radikal verändern. Von dieser Ent-
wicklung waren vor allem die größeren Städte und die
neuen industriellen Ballungsräume wie das Ruhrgebiet,
Sachsen oder die Rheinprovinz betroffen. Bis 1875 stieg
die Bevölkerungszahl im jungen deutschen Kaiserreich auf
43 Millionen, bis 1914 auf 67 Millionen. Innerhalb eines
Jahrhunderts hatte sich die Bevölkerungszahl also fast
verdreifacht1 – und das, obwohl für den gleichen Zeit-
raum rund sechs Millionen Menschen gezählt wurden, die
Deutschland verlassen hatten.2
Gab es an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert mit
Berlin und Hamburg nur zwei deutsche Städte mit mehr
als 100.000 Einwohnern, sollte es bald erheblich mehr
Großstädte geben. So stieg die Einwohnerzahl in Ham-
burg zwischen 1800 und 1910 von 40.000 auf 443.000,
im gleichen Zeitraum wuchs München von 40.000 auf
596.000 Einwohner. Den größten Sprung machte Berlin.
Zählte man in der Hauptstadt um 1800 noch 172.000
Einwohner, lebten 1870 bereits 800.000 Menschen in der
Stadt. 1900 wurden in der Spreemetropole bereits drei
Millionen Menschen gezählt.3 Dieses enorme Wachstum
stellte die örtlichen Verwaltungen vor ganz neue Proble-
me, die mit den alten Ver- und Entsorgungssystemen
unmöglich aus dem Weg geräumt werden konnten. Den-
noch wurden in den meisten Städten zunächst nicht die
vorrangigen Probleme der Stadthygiene gelöst. Die Ent-
wicklung der Städtetechnik begann nämlich mit dem
Ausbau der Gasversorgung. Diese erfolgte in der Frühzeit
durch private Unternehmen. Nicht selten waren es Eng-
länder, die sich in den deutschen Städten durchsetzten
und ansehnliche Gewinne einstrichen. Der Gasbedarf
nahm ständig zu, nicht nur wegen der hellen Beleuch-
tung, sondern wegen der Vorzüge beim Kochen und
Heizen. Die Nachfrage führte zu einer entsprechend
rücksichtlosen Preispolitik der privaten Investoren. Die
Kommunalverwaltungen reagierten, indem sie entweder
1 Vgl. Kloepfer, Michael, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, Berlin 1994, S. 30. 2 Vgl. Gröttrup, Leistungsverwaltung, S. 7. 3 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 31.
bestehende Werke aufkauften oder Konkurrenzunter-
nehmen gründeten – auch mit dem Hintergedanken, die
eigenen Finanzen aufzubessern. Diese „Gegenbewegung“
setzte in Preußen bereits sehr früh ein. So gab es bereits
1828 in Minden eine Gasanstalt unter städtischer Regie.
Elberfeld folgte 1837, Berlin 1845. Ein Jahr später schloss
sich Barmen an. 1877 gab es im gesamten Reichsgebiet
schließlich 481 Gaswerke, von denen rund 45 Prozent in
städtischem Besitz waren.4
Auch die Vorgänge in Koblenz stimmen mit den überre-
gionalen Entwicklungen überein. Bereits im Januar 1818
machte ein gewisser Deuster, über den keine weiteren
Details bekannt sind, der Stadt den Vorschlag, unter
seiner Regie eine Gasbeleuchtung einzurichten. Nach
Prüfung der Details durch den Stadtbaumeister Johann
Claudius von Lassaulx und dem prompt folgenden Nega-
tivurteil lehnte schließlich auch der Rat den Vorschlag ab.
Man wollte zunächst die Entwicklung in anderen Kom-
munen abwarten. Dieses typische Verhalten der Stadtvä-
ter sollte sich später erneut am Beispiel von Wasserversor-
gung und Kanalisation wiederholen. Ungeachtet dessen
muss es in der Stadt schon kurze Zeit nach der Ablehnung
kleinere private Anstalten gegeben haben, in denen durch
die Entgasung von Steinkohle Energie für den Eigenbe-
darf gewonnen wurde. Schon Deuster hatte im Gasthof
„Zur Stadt Lüttich“ im Altengraben eine Gasbeleuchtung
einrichten lassen, die aber nicht wirtschaftlich war. Ein
weiterer Anlauf wurde erst 1840 unternommen. Und
wieder war es ein Hotelier, der in der aufstrebenden
Fremdenverkehrsstadt Akzente setzen wollte: Gastwirt
Hoche erhielt für sein Hotel „Bellevue“ am Rheinufer die
Genehmigung, eine entsprechende Einrichtung zu reali-
sieren. Nur ein Jahr später folgte die Bürgergesellschaft
„Casino zu Coblenz“, die ihr Gebäude mit einem der
größten Weinkeller der Stadt „aufwerten“ wollte.
1844 wurden schließlich zwei auswärtige Gesellschaften
aktiv, die jedoch am Veto der Bezirksregierung scheiter-
ten. Es war keine öffentliche Ausschreibung erfolgt. Als
die Ausschreibung endlich erfolgte, meldete sich allein die
französische Gesellschaft „Charles Blanchet, chef de la
compagnie de l’éclairlage par le gaz Blanche frères, Fran-
çois et comp. Paris“. Mit diesem Unternehmen schloss die
Stadt schließlich am 17. Oktober 1845 einen Vertrag auf
25 Jahre. Sofort begann der Grunderwerb für den Bau
einer Gasanstalt auf dem Moselweißer Feld im Bereich
des heutigen Katholischen Klinikums (Haus Marienhof).
4 Vgl. Reulecke, Urbanisierung, S. 57.
D
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 149 ______________________________________________________________________________
Heute gilt der 1. September 1847 als Beginn der Koblen-
zer Gasbeleuchtung. Zufrieden dürfte die Stadt mit dem
französischen Vertragspartner dennoch nicht gewesen
sein. Weil die Pariser Gesellschaft wohl zu finanzschwach
war, verzögerte sich die Ausführung immer wieder. Dafür
spricht auch, dass das Unternehmen bereits 1848 durch
die Lyoner Gasgesellschaft übernommen wurde. Schnell
sollte sich herausstellen, dass die erste Koblenzer Gasver-
sorgung nicht ausbaufähig war. Da nun Erfahrungen aus
anderen preußischen Städten vorlagen, nahmen die Über-
legungen zum Bau eines neuen Gaswerkes deutliche Kon-
turen an. 1869 wurde schließlich in der Laubach ein
neues Gaswerk errichtet. Es nahm am 1. November 1871
den Betrieb auf. Aber auch die neuen Kapazitäten reich-
ten nicht aus. Schließlich errichtete man im Rauental eine
deutlich größere Gasanstalt, die im Dezember 1897 ans
Netz ging. Die Einrichtung in der Laubach blieb bis zum
1. April 1901 in Betrieb. 5
Die beim Aufbau der Gasversorgung gewonnenen Erfah-
rungen sollten in Koblenz und in anderen deutschen
Städten unmittelbar in die Neuorganisation der örtlichen
Trinkwasserversorgung einfließen. Denn längst war es
nicht mehr nur die Dampfmaschine, die die kommunale
Ver- und Entsorgung revolutionierte. Vor allem die zu-
nehmende Verbreitung von Gas-, Diesel- und Elektromo-
toren sollte sich nachhaltig auf den Ausbau der kommu-
nalen Wasserversorgung auswirken. Die entscheidenden
Impulse für die Mechanisierung der kommunalen „Ge-
sundheits-Infrastruktur“ gingen von britischen Ingenieu-
ren aus. Im Inselreich hatte sich die Industrie besonders
schnell entwickelt. Die enormen Fortschritte in die-
sem Bereich verursachten aber auch Probleme, deren
Dimension zunächst niemand erkannte: Abwässer aus
den Fabriken, zusätzlich die von den Menschen in
den übervölkerten Städten erzeugten Mengen von
Abfällen und Fäkalien stellte die Verantwortlichen
vor neue Herausforderungen. Erste Ansätze zur Be-
wältigung der hygienetechnischen Schwierigkeiten
gab es in Schottland. Bereits 1804 wurde das für die
Textilstadt Paisley bestimmte Trinkwasser gefiltert,
1810 folgten die Wasserwerke in Glasgow. Die erste
Pumpstation Europas wurde ebenfalls im Inselreich
entwickelt und gebaut, und zwar in Nottingham.6 Vor
5 Zur Frühgeschichte der Koblenzer Gasversorgung: Dennert, Christian, … und es ward Licht. 150 Jahre Koblenzer Gasgeschichte. Hg. von der Energieversorgung Mittelrhein, Koblenz 1997. 6 Vgl. Föhl, Axel/Manfred Hamm, Die Industriegeschichte des Wassers, Düsseldorf 1985, S. 139f.
dem Hintergrund der Choleraepidemie von 1831, die
allein in London7 50.000 Menschenleben auslöschte,
wurden die Anstrengungen erhöht. Zum technischen
Fortschritt kam seit den 1840er-Jahren eine flankie-
rende Gesundheitsgesetzgebung dazu. Die wiederum
war aus der unter dem Einfluss des Juristen Edwin
Chadwick erstarkten Hygienebewegung (Public
Health Movement) entstanden.8
Auch auf dem Kontinent setzten sich die neuen tech-
nischen Möglichkeiten allmählich durch, egal ob das
wichtigste Lebensmittel aus Seen, Flüssen, Talsperren
oder dem Grundwasser entnommen wurde. In Deutsch-
land wurde die Dampfmaschine für die Wasserversorgung
erstmals 1819 in Magdeburg eingesetzt. Breslau folgte
1827.9 Als erstes Pumpwerk im deutschsprachigen Raum
gilt das von Wien-Heiligenstadt. Dort hatte man 1840
zwei 60-PS-Dampfmaschinen aufgestellt. Richtungswei-
send wurde die Neuordnung von kommunaler Ver- und
Entsorgung nach dem großen Stadtbrand in Hamburg
von 1842. Die neue „Gesundheits-Infrastruktur“ der
Hansestadt sollte jedoch schnell erhebliche Mängel offen-
baren – ebenso wie die in London, die europaweit als
Vorbild galt. Dennoch: Die neue Technik erleichterte es,
die kommunale Wasserversorgung besser und vor allem
gesünder zu machen. Den Anfang machten kleinere Was-
serwerke, die zunächst nur die Aufgabe hatten, Wasser für
die Spülung der offen liegenden Rinnsteine heranzuschaf-
fen. Im Laufe der Zeit entwickelte man ausgeklügelte
Systeme, bei denen immer öfter Grundwasserwerke im
Mittelpunkt standen – und das schon gut zehn Jahre vor
den bahnbrechenden Entdeckungen von Robert Koch.10
Das nun qualitativ hochwertigere Trinkwasser hatte einen
hohen Preis: Waren doch mit dem technischen Fortschritt
gravierende Eingriffe in den natürlichen Wasserhaushalt
verbunden. Friedrich Wissing spricht von einem Raubbau
am Grundwasser, der bis auf den heutigen Tag anhält und
in Zukunft zu erheblichen Problemen führen könnte.11
7 Die britische Hauptstadt hatte damals 1,5 Millionen Einwohner. 8 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 27. 9 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 41. 10 Dazu auch: Hardy, Anne, Trinkwassertheorie und Flussverunreini-gung im 19. Jahrhundert, in: „Ohne Wasser ist kein Heil“. Medizinische und kulturelle Aspekte der Nutzung von Wasser. Hg. von Sylvelyn Hähner-Rombach, Stuttgart 2005, S. 55–66. 11 Vgl. Wissing, Friedrich/Karlfriedrich Hofmann, Wasserreinigung mit Pflanzen. 2., erweiterte Auflage Stuttgart 2002, S. 14f. Dazu auch: Gockel, Bernd, Die Entwicklung der Wasserversorgung im deutschspra-chigen Raum, in: Wasserversorgungsbericht. Hg. vom Bundesministeri-um des Inneren, Teil B: Materialien, Bd. 1: Organismus der Wasserver-sorgung, Berlin, S. 11. Gockel weist auf das Versiegen von Quellen und das Absinken des Grundwassers hin. Diese Entwicklung setzte bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein.
150 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Bereits 1878 berichtete der europaweit bekannte Ingeni-
eur Ernst Grahn, der später die Pläne für das Koblenzer
Wasserwerk lieferte12, dass in 143 deutschen Städten mit
mehr als 5000 Einwohnern neue Wasserversorgungsan-
lagen gebaut worden waren. Den Anfang machten die
1859 als private Erwerbsbetriebe gegründeten Elbwasser-
werke in Magdeburg und Altona.13 1861 folgte das Ne-
ckarwasserwerk in Stuttgart. In den neu erschlossenen
Versorgungsgebieten konnten für jeden Einwohner täg-
lich 150 Liter Wasser zur Verfügung gestellt werden.14
Weitere Städte sollten folgen, weil die Gesetzgebung auf
Reichs- und Bundesstaatsebene die Gemeinden dazu
verpflichtete, eine einwandfreie Trink- und Nutzwasser-
versorgung zu garantieren. Längst hatte man die volks-
wirtschaftliche Dimension von Epidemien erkannt. Das
wurde bereits bei der Weimarer Cholera-Konferenz vom
28. April 1867 deutlich, die noch ganz unter dem Ein-
druck der verheerenden, von den siegreichen preußischen
Soldaten weitergetragenen Cholerawelle von 1866 stand.
Nun versammelten sich 49 Wissenschaftler aus verschie-
denen europäischen Ländern, wobei sich die klassischen
Kontagonisten und die Anhänger der moderneren „Bo-
dentheorie“ von Max von Pettenkofer gegenüberstanden.
Dem Münchner Professor, der als Begründer der wissen-
schaftlichen Hygiene gilt15, gelang es nicht, die Befürwor-
ter älterer Lehren zu überzeugen.16 Trotz der wissenschaft-
lichen Dissonanzen war die Konferenz ein Erfolg. Wurde
doch einhellig die mangelhafte Hygiene in den Städten an
den Pranger gestellt. Im Protokoll liest sich das so: „Sani-
täre Verbesserungen werden vernachlässigt, das wirkliche
Übel, Schmutz in allen Gestalten, bleibt unbehelligt und
das Geld […] wird an Quarantänebeamte hinausgewor-
fen. […]“17 Diskussionen wie die von Weimar zeigen, dass
die Verbesserung der Stadthygiene im Rahmen von soge-
nannten Assanierungen Aufgabe der öffentlichen Hand
war. War in den ersten Jahren die privatwirtschaftliche
Organisation der Wasserwerke in Deutschland noch
durchaus üblich, geriet sie bis zum Ende des 19. Jahrhun-
12 Schnappauf, Johann, Frühe Wasserversorgung, besonders in Deutsch-land mit Einzelheiten über die Tätigkeit von Jörg Reinhardt für die neue Wasserkunst in Rostock/Mecklenburg [...], Frankfurt 1977, S. 26. 13 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 24. 14 Vgl. Historische Wassertürme. Beiträge zur Technikgeschichte von Wassertechnik und Wasserversorgung. Bearbeitet von Gerhard Meckl u. a., München/Wien 1985, S. 24ff. 15 Vgl. Wieninger, Karl, Max von Pettenkofer. Das Leben eines Wohltä-ters, 1818–1901, München 1987, S. 175. 16 Vgl. Winkle, Stefan, Die letzte entscheidende Auseinandersetzung zwischen Miasmatikern und Kontagonisten in Zusammenhang mit Pettenkofers Boden-Grundwasser-Theorie, o. O., o. J., S. 9, URL: <http://www.collasius.org/WINKLE/04-HTML/miasma-kontagio.dc> (Zugriff am 2. Januar 2007). 17 Verhandlungen der Cholera-Konferenz, S.125f. Zitiert nach Münch, Stadthygiene, S. 29.
derts ins Hintertreffen. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahr-
hunderts waren 94 Prozent aller Wasserwerke kommuna-
les Eigentum. Die wenigen privaten Betriebe schlossen
sich oft zu Versorgungsbetrieben zusammen, die auch
außerhalb der jeweiligen Gemeindegrenzen aktiv wurden.
Ein Beispiel sind die 1887 gegründeten „Wasserwerke für
das nördlich-westfälische Kohlenrevier“, die mit 124
Landgemeinden mittel- bis langfristige Lieferverträge
abgeschlossen hatten.18
Bei allen frühen Wasserwerken und Kanalsystemen in
Deutschland haben Engländer ihre Erfahrungen einge-
bracht. Besonders wichtig wurde William Lindley, ein
Anhänger der Thesen des Juristen Edwin Chadwick, der
ebenso wie die Mitglieder der „Poor Law Commission“
die hygienischen Missstände in den Städten durch massi-
ven Einsatz von moderner Technik lösen wollte.19 Lind-
ley, ein Eisenbahn- und Wasserbauingenieur, war bereits
1834 nach Hamburg gekommen und hatte vier Jahre
später die Projektierung von Eisenbahnlinien übernom-
men. Nach dem großen Brand von 1842 schuf Lindley in
der Hansestadt nicht nur eine zentrale Wasserversorgung,
sondern auch eine zusammenhängende Kanalisation.20
1848 schließlich nahm das Flusswasserwerk bei Ro-
thenburgsort den Betrieb auf. Obwohl in Lindleys
Planungen vorgesehen, verzichtete man auf den
Einbau von Filteranlagen. Diese Entscheidung sollte
verhängnisvoll sein, weil verunreinigtes Flusswasser
eine der Hauptursachen für die rasante Ausbreitung
der Cholera in Hamburg war. Von 1871 bis 1873
und vor allem 1892 wütete die Seuche in der Stadt,
dazu bedrohte Typhus die Bewohner. Erst 1893 ging
man dazu über, filtriertes Wasser zu verteilen.21
Auch wenn das Inselreich seine stadthygienischen
Probleme trotz der neuen Technik lange nicht in
den Griff bekam, gaben britische Ingenieure den
Ton an. Sie wurden quasi zu „Entwicklungshelfern“
für deutsche Kommunen. In den 1860er-Jahren
entschlossen sich viele Städte, Kommissionen zum
„Anschauungsunterricht“ nach England zu schicken.
Dazu kamen seit den 1850er-Jahren Internationale
Hygienekongresse, die sich zu einem Forum zur
Diskussion von aktuellen stadthygienischen Proble-
men entwickelten.22 Die Dominanz der Briten in der
18 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 24. 19 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 39. 20 Vgl. Föhl, Industriegeschichte, S.144ff. 21 Vgl. Historische Wassertürme, S. 26. 22 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 39.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 151 ______________________________________________________________________________
Frühzeit der Assanierung zeigt sich auch am Berliner
Beispiel. Obwohl der heimische Architekt Schramke
bereits 1844 ein erstes Konzept für ein neues Ver-
und Entsorgungskonzept vorgelegt hatte, sollte man
sich schließlich für den „englischen Weg“ entschei-
den. Doch zunächst wurde einmal diskutiert. Acht
Jahre geschah nichts, obwohl die Spreemetropole in
jener Zeit schon rund 400.000 Einwohner zählte.
Auf Drängen des Polizeipräsidenten Hinckeldey so-
wie mit Zustimmung des preußischen Königs Fried-
rich Wilhelm IV. und seiner Minister kam 1852 ein
Vertrag zustande, der einer englischen Kapi-
talgesellschaft auf 25 Jahre das Monopol für die
Sicherstellung der Wasserversorgung übertrug. 1856
eröffnete die „Berlin Waterworks Company“ ein
Werk, das zunächst 300 Haushalte mit Wasser ver-
sorgte. 1862 waren 20.000 Haushalte mit entspre-
chenden Anschlüssen ausgestattet. Zu diesem Zeit-
punkt hatte Berlin bereits 700.000 Einwohner.
Trotz der Verbesserung der hygienischen Verhältnis-
se zeigte sich schnell, dass die neue zentrale Wasser-
versorgung auch Nachteile hatte. Die Umstellung
der Toiletten auf Wasserspülung führte nicht selten
zum Überlaufen der Senkgruben.23
Langfristig gesehen, reichte eine Orientierung am
britischen Vorbild nicht aus, da die Einleitung von
Industrieabfällen in die Flüsse die Wasserqualität
erheblich verschlechterte und die reinen Flusswasser-
werke nicht mehr den aktuellen Anforderungen ent-
sprachen. Dieses Problem hatten deutsche Ingenieure
schon früh erkannt. Sie begannen, eigene Systeme zu
entwickeln. Das neu gewonnene Selbstbewusstsein
dokumentierte sich unter anderem in der Gründung
des „Vereins Deutscher Ingenieure“ (VDI), der sich
bereits 1856 formierte und als Zeichen der allmähli-
chen Loslösung vom englischen Vorbild gesehen wer-
den kann. Nicht umsonst hat Joachim Radkau auf
den „deutschen Weg“ in der Technik hingewiesen.24
Voraussetzung hierfür war eine deutliche Verbesse-
rung der Ingenieurausbildung, die sich zunehmend
akademisierte. Neben den Technischen Hochschulen
entstanden die Ingenieur- und Technikerschulen, die
23 Vgl. Hauser, Susanne, „Reinlichkeit, Ordnung, Schönheit“. Zur Diskussion über Kanalisation im 19. Jahrhundert, in: Die Alte Stadt 4/92, S. 300ff und 311. 24 Vgl. Radkau, Technik, S. 9.
Vorläufer der heutigen Fachhochschulen waren.25 Nur
drei Jahre nach der Etablierung des VDI folgte die
Gründung der Vereinigung der Gasfachleute, die
1870 zum „Verein von Gas- und Wasserfachmännern
Deutschlands“ erweitert wurde.26 Und so ging man
auch in den meisten Städten bis zum Ende des 19.
Jahrhundert dazu über, Trinkwasser nicht mehr di-
rekt aus den Flüssen, sondern aus den Grundwasser-
strömen zu entnehmen. Zu den ersten Städten, die
diese Anlagen einrichteten, gehörten Köln (1868),
Düsseldorf (1870) und Dresden (1875). Im Rhein-
land und in Westfalen wurden in den wasserarmen
Gebieten zwischen 1889 und 1901 außerdem 14
Talsperren geplant. Gesamtinhalt: 82 Millionen Ku-
bikmeter Trinkwasser. In Konstanz nutzte man ab
1904 das Bodenseewasser, in Wien und München
entstanden 1873 bzw. 1886 Quellwasserwerke. Bei
diesen Typen war die Wasserqualität so gut, dass
lange keine Aufbereitungsanlagen gebraucht wurden.27
Um 1900 verfügten schließlich 52 Prozent der 1640
Städte im Deutschen Reich über Wasserwerke, wobei
die 150 größeren Städte komplett an die neuen Ver-
sorgungssysteme angebunden waren. Schlechter sah es
in den 1490 kleineren Städten des Reichsgebiets aus.
Hier lag die Versorgungsquote bei lediglich 42 Pro-
zent.28 Es ist unbestritten, dass die immensen Aufbau-
leistungen einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung
der hygienischen Verhältnisse in den Städten beitru-
gen. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass
damit das Problem der Entsorgung nicht gelöst war.
Mit Recht sehen Franz-Josef Brüggemeier und Tho-
mas Rommelspacher die Entwicklungen der Wende
vom 19. zum 20. Jahrhundert als Ausgangspunkt der
Umweltprobleme der jüngsten Vergangenheit. Der
Grund: Vielerorts musste das kostbare Trinkwasser
aus immer entlegeneren Gebieten herangeschafft
werden. „[…] An die Stelle traditioneller und lokaler
Kreisläufe ist ein von Menschen geschaffener Kreis-
lauf getreten, der sich mittlerweile auf fatale Weise
geschlossen hat: auch die entfernt gelegenen Gebiete
sind von den Folgen der Umweltbelastung betroffen
[…]“, so die beiden Autoren.29
25 Dazu: Lundgreen, Peter, Das Bild des Ingenieurs im 19. Jahrhundert, in: Salewski, Michael/Ilona Stölken-Fitschen (Hg.), Moderne Zeiten: Technik und Zeitgeist im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1994, S. 17–24. 26 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 39 und 41. 27 Vgl. Historische Wassertürme, S. 26. 28 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 26. 29 Vgl. Brüggemeier, Franz-Josef/Thomas Rommelspacher (Hg.), Besieg-te Natur. Geschichte der Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert, Mün-chen 1989, S. 8.
152 Teil 3 ______________________________________________________________________________
2. Die Vorgeschichte
ie schlechten sanitären Verhältnisse in den Städten
sind vor allem im 19. Jahrhundert entstanden, als
der über eine lange Zeit entwickelte „Organismus“ dem
Bevölkerungswachstum und den neuen wirtschaftlichen
Tatsachen nicht mehr gewachsen war. Angesichts dieser
Entwicklungen wird deutlich, dass es auch in wirtschaft-
lich weniger bedeutenden Städten wie Koblenz allmählich
eng wurde. Trotz dieser Fakten denkt man immer noch
zuerst an mittelalterliche Städte, wenn von verseuchten
Brunnen, schmutzigen Straßen und den immer wieder
einbrechenden Epidemien die Rede ist. Die Antike ist
dagegen mit positiven Vorurteilen belegt.
Dass es im alten Rom aber nicht wesentlich günstiger
aussah, hat Lewis Mumford in drastischer Weise be-
schrieben: Die Stadt am Tiber besaß seit dem sechsten
Jahrhundert einen gewaltigen Abzugkanal – die „Cloaca
Maxima“ – der noch heute in Betrieb ist. Dieser war so
groß, dass er selbst bei einer Bevölkerung von einer Milli-
on Menschen für die Lösung aller Entsorgungsprobleme
ausgereicht hätte. Dennoch wussten die Römer mit diesen
eigentlich guten Voraussetzungen wenig anzufangen. Das
bereits in der Antike hohe technische Niveau wurde selten
in die Praxis umgesetzt. Noch lange deckte die Bevölke-
rung ihren Trinkwasserbedarf aus simplen Brunnen.
Ansätze, das kostbare Nass aus abgelegenen Quellen und
Flüssen heranzuführen, erfolgten erst im Jahre 109 nach
Christus unter der Herrschaft Trajans. Damals brachte
man über ein Aquädukt Trinkwasser in die Stadt.30 Rund
450 Liter Wasser pro Einwohner wurden auf diese Weise
täglich in die Stadt transportiert. Davon versickerten 150
Liter. Ein weiterer nicht unwesentlicher Teil floss in
künstlichen Rinnen oder natürlichen Betten ab. Das
abfließende Wasser wurde zum Abtransport von Unrat
aller Art genutzt.31
Revidieren sollte man auch die Vorstellungen von „mo-
dernen“ gepflegten Straßen. Viele innerstädtische Trassen
im alten Rom waren nicht gepflastert. Anders stellten
sich die Verhältnisse in den wesentlich jüngeren Pro-
vinzstädten dar, die – weil erheblich kleiner – den neues-
ten technischen Errungenschaften schneller und besser
angepasst wurden. Das Beispiel Rom zeigt: Oft waren
oberhalb des ersten Stockwerks die Klosetts überhaupt
30 Zu den sanitären Verhältnissen im alten Rom: Mumford, Lewis, Die Stadt. Geschichte und Ausblick. 3. Auflage, München 1984, S. 252ff. 31 Vgl. Wissing, Wasserreinigung, S. 11.
nicht an die Kanalisation angeschlossen, in den Zinshäu-
sern – jenen Vorläufern der späteren Mietshäuser –, in
denen ein großer Teil der alles andere als wohlhabenden
städtischen Bevölkerung lebte, war das Entsorgungspro-
blem überhaupt nicht gelöst. Der Alltag sah so aus:
Zwar bestand die Möglichkeit, öffentliche Toiletten zu
benutzen, doch entsorgten die meisten Menschen ihren
in Eimer gefüllten Unrat lieber direkt vor der Haustür.
Auch wenn Müllkutscher die Fäkalien in mehr oder
weniger regelmäßigen Abständen fortschafften, be-
stimmten ekelerregende Gerüche das Klima in Roms
Stadtvierteln.
Auch mit der hochgelobten Körperhygiene scheint es
nicht so weit her gewesen zu sein: Privatbäder in den
Häusern bedeuteten einen Luxus für wenige. Dagegen
musste in den Mietskasernen das Wasser mit Eimern in
die Zimmer getragen werden. Die übliche Praxis war
also auch nicht anders als im Mittelalter. Ferner fehlte es
in Rom bei der Beseitigung von Unrat an den wichtigs-
ten Vorsichtsmaßnahmen. Mist und Abfälle wurden
einfach in Löcher wenig außerhalb der Stadt gekippt.
Selbst mehrere Hundert Menschen, die bei den Kämp-
fen in der Arena ums Leben gekommen waren – hat
man in derartige Gruben geworfen. Gleiches galt für
Tiere. Es gab Kampftage, an denen bis zu 5000 Ex-
emplare unterschiedlicher Arten abgeschlachtet wurden.
Die Folge: Nicht nur wegen der Malaria zählten Rom
und die Campagna noch im 19. Jahrhundert zu den
ungesündesten Gebieten der Welt.
Bei der Besetzung der Regionen nördlich der Alpen
setzten die Römer jedoch ihr technisches Wissen in die
Praxis um. Sie gründeten Siedlungen, Städte, Militär-
stützpunkte und landwirtschaftlich genutzte Güter, sie
bauten die Verkehrswege aus. Eine wichtige Rolle spielte
die Schaffung von Wasserversorgungssystemen, die
hohen Qualitätsansprüchen genügen mussten. Aus die-
sem Grunde wurden auch in den germanischen Provin-
zen aufwendige und teuere Fernleitungen gebaut, um
Quellwasser heranzuführen. Selbst wenn Siedlungen an
Flüssen lagen, verzichtete man meist darauf, das Wasser
direkt aus diesen Strömen zu entnehmen. Stattdessen
wurde das Trinkwasser über Holz- oder Tonrohre, gele-
gentlich auch über gemauerte Kanäle herangeführt.
Beispiel hierfür ist die Bonner Fernwasserleitung, die
wahrscheinlich auch noch im Mittelalter genutzt worden
ist. Damit das Trinkwasser in die Stadt gelangen konnte,
hatten die Römer zusätzlich ein größeres obertägiges
D
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 153 ______________________________________________________________________________
Bauwerk errichtet.32 Vor allem in Trier musste man
nicht nur wegen der Thermenanlagen dem ständig stei-
genden Wasserverbrauch gerecht werden. Hatten im ers-
ten Jahrhundert noch Brunnen und ein Vorläufer der
späteren zentralen Wasserversorgung für die Versorgung
ausgereicht, änderte sich das schnell. Spätestens mit dem
Bau der Barbarathermen zu Beginn des zweiten Jahr-
hunderts waren die bestehenden Kapazitäten überlastet.
Man begann, aus dem Ruwertal eine Fernwasserleitung
in die antike Stadt zu führen.33 Die Technik dieser neu-
en Anlage war nördlich der Alpen einzigartig. Die Ein-
wohner Triers bezogen ihr Trinkwasser nämlich nicht
aus einer Quelle, sondern aus dem Nebenfluss der Mo-
sel, der zu diesem Zweck leicht aufgestaut und in einen
Kanal eingeleitet worden war. Für diese Entnahme des
Wassers aus dem Fluss musste ein besonderes Bauwerk
geschaffen werden.
Großen Aufwand betrieben die Römer auch bei der
Errichtung der Fernwasserleitung für Köln, deren erste
Bauphase noch vor dem Jahr 50 nach Christus begann.
Das kostbare Nass wurde aus der Eifel herangeholt,
genauer gesagt aus den Quellen und Bächen am Ost-
hang des Vorgebirges. Der Hauptstrang dieser Leitung
hatte eine Länge von über 95 Kilometern. Zählt man die
Nebenleitungen hinzu, ergibt sich eine Summe von rund
130 Kilometern. Das waren Dimensionen, die nur noch
das römische Karthago übertraf. 34
Um natürliche Hindernisse zu überwinden, errichteten
die Römer auch nördlich der Alpen Tunnel- und Stol-
lenbauten. Vor allem das Neuwieder Becken mit seinen
geologischen Besonderheiten bereitete Schwierigkeiten,
denn während der großen Vulkanausbrüche im Laacher-
See-Gebiet um 9.000 vor Christus waren nicht nur die
Landschaft, sondern auch die Quellen mit Bims ver-
schüttet worden. Die Römer mussten durch diese me-
terhohen Schichten begehbare Stollen mit wasserführen-
den steinernen Rinnen vorantreiben, wenn sie hochwer-
tiges Trinkwasser gewinnen wollten. Derartige Kon-
struktionen kamen aber auch außerhalb des eigentlichen
Vulkangebietes zur Anwendung, so im Falle der römi-
32 Vgl. Grewe, Klaus, Römische Wasserleitungen nördlich der Alpen, in: Mensch und Wasser im Altertum. Die Wasserversorgung antiker Städte, Mainz 1988, S. 45 und 50f. 33 Details über die Ruwertal-Wasserleitung bei: Zenz, Emil, 200 Jahre Trinkwasserversorgung in Trier. 100 Jahre Trierer Wasserwerke, Trier 1984, S. 10ff. 34 Vgl. Grewe, Römische Wasserleitungen, S. 79.
schen Stollenwasserleitung von Brey.35 Die Bergdurch-
tunnelung war der mittlere Abschnitt einer Wasserlei-
tung, deren Ursprung heute nicht mehr bekannt ist. Ein
Teil dieser Anlage wurde 1954 entdeckt und sechs Jahre
später von Archäologen untersucht. Damals legte man
rund 25 Meter der bis zwischen 1,70 und 2,20 Meter
hohen Konstruktion frei.36
Aber auch an anderen Orten in der heutigen Region
Mittelrhein entdeckten die Forscher Reste von römi-
schen Wasserleitungen, so zum Beispiel am Kärlicher
Berg (Mülheim-Kärlich), in Remagen, in Thür (römi-
sche Villa), in Andernach („Im Entenacker“) und in
Miesenheim („Ober der Hoost“). Wie die Wasserversor-
gung im Koblenz des Altertums ausgesehen hat, ist al-
lerdings unbekannt, obwohl die Forscher bei Notgra-
bungen Anfang der 1980er-Jahre in der Kornpfortstraße
Reste einer Wasserleitung fanden, die wahrscheinlich
einen Gutshof versorgt hatte. Woher sie gespeist wurde,
ist heute nicht mehr bekannt.37
Aus Kosten- und Transportgründen nutzten die Römer
nach Möglichkeit die in den einzelnen Regionen typi-
schen Baustoffe. Vielerorts setzte sich eine Kombination
von Stein, Mörtel und Lehm durch. Bei der Herstellung
von Rohren kam darüber hinaus Ton zur Anwendung.
Zur Herstellung von Wasserrohren und -behältern wur-
de Blei verwendet. Bei der Produktion von Bleirohren
nahmen die Römer schnell vom herkömmlichen Guss-
verfahren Abstand. Stattdessen bogen sie längere Blei-
platten in die gewünschte Form und verlöteten die
Naht. Seit der Kaiserzeit waren die Wasserleitungen
nach Durchmessern genormt. Eine für die Römer typi-
sche Errungenschaft im Bauwesen stellte die Produktion
von betonähnlichen Teilen („opus caementarium“) dar. Bei
der Herstellung dieses Baustoffes vermengte man Stein
und Mörtel. Die Mischung hatte nach dem Erhärten
dieselben Eigenschaften wie der heutige Beton. Schalen
verliehen den einzelnen Bauteilen die gewünschte Form.
Diese Schalungen bestanden entweder aus Brettern und
Balken oder aus vorher aufgemauerten Steinen. Auch die
Erfindung des antiken Betons geht nicht auf römische
35 Details über die Anlage und die neuesten archäologischen Ergebnisse in: Römische Wasserleitungen am Mittelrhein. Hg. vom Amt Koblenz der Abteilung Archäologische Denkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz. Bearb. von Hubertus Ritzdorf, Koblenz 2005, S. 21ff. 36 Vgl. Grewe, Römische Wasserleitungen, S. 89ff. 37 Mehr über die Ausgrabungen in Koblenz bei: Wegner, Hans-Helmut, Archäologie in Koblenz, Koblenz 1991, S. 46ff.
154 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Ursprünge zurück: Schon die Griechen konnten Mauern
aus einer äußeren und inneren Schale aus mörtellos an-
und übereinander gefügten, genau bearbeiteten Stein-
blöcken herstellen. In den zwischen beiden Schalen gele-
genen Mauerkern füllten sie unbearbeitete Steine und
Mörtel. Die Römer entwickelten lediglich diese Technik
weiter, indem sie die Schalen dünner und den Mauerkern,
auf dem die Hauptlast ihrer Konstruktionen ruhte, stabi-
ler ausführten. Alle der Wasserversorgung dienenden
Bauwerke wurden darüber hinaus besonders sorgfältig
verputzt. Mehrere feine Putzschichten sollten die Bildung
von Rissen verhindern. Aber auch Marmor- und Stein-
platten, deren Fugen man mit frostsicherem Mörtel ab-
deckte, kamen zur Anwendung.38
Nach dem Ende des weströmischen Reiches deckten
Oberflächengewässer, Regenwasserreservoire und Brun-
nen den täglichen Trink- und Brauchwasserbedarf.39 Wa-
ren die Folgen dieser Verschlechterung zunächst wenig
fatal, änderte sich das im Verlauf des Mittelalters. Das
Aufblühen des Städtewesens brachte nicht nur eine Kon-
zentration der Bevölkerung in den mehr oder weniger
bedeutenden Zentren, sondern auch eine katastrophale
Verschlechterung der hygienischen Verhältnisse. Eberhard
Isenmann beschreibt die Lebensbedingungen so: „[...]
Von Ausnahmen abgesehen waren die Straßen und Gas-
sen schmal und von vorragenden Geschossen teilweise
überbaut. Die unverglasten Fenster waren sehr klein und
blieben, des Gestanks wegen, der auf den Gassen herrsch-
te, und aus Furcht vor Miasmen40 weitgehend verschlossen
[...] Das Zusammenleben spielte sich auf engem Raum in
Einraumgeschossen oder Wohnungen mit nur wenigen
Räumen ab, so dass Kranke kaum isoliert werden konn-
ten. Ungeziefer fand in den Räumen leicht Unterschlupf
und war nur schwer wieder zu entfernen. Betten wurden
oft von mehreren Personen zugleich oder nacheinander
geteilt. Bettwäsche und Leibwäsche waren [...] nur wenig
vorhanden. Die sanitären Anlagen waren, sofern es über-
haupt welche gab, sehr primitiv. Günstiger waren freilich
die Wohn- und Lebensverhältnisse der Oberschicht. Den
Epidemien fielen vor allem Handwerker und Tagelöhner
in den ärmeren Vierteln zum Opfer. In schlecht durchlüf-
teten Gassen verbreiteten Schweinekoben41 vor den Häu-
38 Vgl. Lamprecht, Heinz-Otto: Opus Caementitium. Bautechnik der Römer. 3. überarb. Aufl., Düsseldorf 1987, S. 129ff. 39 Dazu auch: Garbrecht, Günther, Mensch und Wasser im Altertum, in: Mensch und Wasser im Altertrum. Die Wasserversorgung antiker Städte, Mainz 1988 (Geschichte der Wasserversorgung, Bd. 3), S. 205. 40 Nach der im Mittelalter verbreiteten Lehre des griechischen Arztes Hippokrates (etwa 460–370 vor Christus) waren Miasmen die giftigen und ansteckenden Ausdünstungen der Erde. 41 Schweinekoben = Schweineställe.
sern, dort gelagerter Mist, Trester,42 Bauschutt und
Hausmüll einen entsetzlichen Gestank, behinderten den
Verkehr und machten bei Regenfällen aus öffentlichen
Verkehrswegen übel riechende Kloaken. [...]“43
Obwohl die Zusammenhänge zwischen Schmutz und
Krankheiten schon seit der Antike bekannt waren,44 wur-
de der Kampf gegen die fatalen Folgen von verunreinig-
tem Grundwasser für die Gesundheit im Laufe der Jahr-
hunderte nur halbherzig geführt, war es doch vielerorts
üblich, Brunnen direkt neben Latrinen und Abfallgruben
anzulegen.45 Besonders gefährlich konnte es werden, wenn
die Verwesungsstoffe von Leichen in das Grundwasser
einsickerten. Je mehr die Bevölkerung innerhalb der
Stadtmauern zunahm, umso stärker vergrößerte die An-
häufung von Toten das Risiko. Trotz dieser rapiden Ver-
schlechterungen ist es wenig sinnvoll, das Mittelalter aus
hygienegeschichtlicher Sicht als besonders dunkle Epoche
zu bewerten. Lewis Mumford vertritt sogar die Auffas-
sung, dass die Todesfälle in der großen Grippeepidemie
von 1918 Ausmaße erreichten, die an die verheerenden
Folgen der Pest heranreichten.46
In der Tat scheint in kleineren Städten wie Koblenz die
Lage im Mittelalter gar nicht so schlimm gewesen zu sein.
Verheerende Folgen zeitigten hier erst die Seuchen des 16.
und 17. Jahrhunderts.47 Zudem drängte die Obrigkeit seit
dem Spätmittelalter – nicht zuletzt unter dem Eindruck
der großen Pestepidemie von 1348 – darauf, Städte und
Gewässer sauber zu halten. 1388 wurde in England das
erste Gesetz erlassen, das verbot, Schmutz und Abfälle in
Gräben und Flüsse zu werfen. 1404 unternahm der fran-
zösische König Karl Vl. erste Schritte, um die Verschmut-
zung der Seine zu verhindern. Allerdings hatte man in
Paris schon vorher versucht, die hygienischen Verhältnisse
in den Griff zu bekommen. So begann in der Stadt die
Pflasterung der Straßen, nachdem König Philipp lI. Au-
gust angeblich wegen des Gestanks fast in Ohnmacht
gefallen war. Im 14. Jahrhundert folgten Reinigungsvor-
schriften, 1538 verbot Franz I. jegliche Tierhaltung in-
nerhalb der Mauern und zwang seine Untertanen dazu,
42 Trester = Rückstände beim Keltern. 43 Vgl. Isenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 34. Über das Leben in den deutschen Städten des Mittelalters neuerdings: Engel, Evamaria/Frank-Dietrich Jacob, Städtisches Leben im Mittelalter. Schriftquellen und Bildzeugnis-se. Köln/Weimar/Wien 2006. 44 Dazu auch: Illi, Martin, Wasserversorgung in spätmittelalterlichen Städten, in: Die Alte Stadt 3/93, S. 220–228. 45 Vgl. Garbrecht, Wasserversorgung, S. 206. 46 Vgl. Mumford, Die Stadt, S. 340 und 355. 47 Vgl. Illi, Wasserversorgung, S. 226.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 155 ______________________________________________________________________________
Sickergruben anzulegen und die flüssigen Abfälle nur in
die Rinnsteine zu entleeren.48
Das System römischer Wasserbauten blieb nur in Spanien
intakt. Unter arabischer Herrschaft wurde das Netz sogar
erweitert. Anders sah es in Mitteleuropa aus. Hier deck-
ten Brunnen weitestgehend den Bedarf, bei deren Anla-
ge man verschiedene Verfahren anwandte.49 Im Zuge der
archäologischen Untersuchungen in der Altstadt von
Hannover bestand Gelegenheit, die Technik des Brun-
nenbaus zu erforschen.50 Eine außergewöhnliche Stel-
lung außerhalb dieser allgemeinen Entwicklung nahm
Goslar ein. Hier wurde wahrscheinlich schon zu Beginn
des 13. Jahrhunderts ein Rohrsystem zur Heranführung
von Trinkwasser angelegt. Die wichtige Funktion der
Stadt als Aufenthaltsort des Kaisers und ihr auf die nahe
gelegenen Erzvorkommen zurückzuführender Reichtum
legen diese Frühdatierung nahe. Zudem verschmutzte
der Bergbau schon früh das aus mehreren Armen der
Gose entnommene Trinkwasser, was eine Neuorien-
tierung erforderte. Man führte deshalb das Wasser über
Leitungen aus den nicht oder wenig verschmutzten
Abschnitten der Gose heran.51
In einigen Städten machte die Wasserversorgungstechnik
im ausgehenden Mittelalter erhebliche Fortschritte. Hier
wurden durch die Energie des fließenden Wassers große
Räder angetrieben. Die Drehbewegung dieser Räder wirk-
te wiederum auf Druckpumpen, die das Wasser in die
gewünschte Höhe hoben. Dieses System bestand übli-
cherweise aus Wasserrad, Druckpumpe, Druckleitung,
dem oft in einem turmartigen Bauwerk aufgestellten
Behälter und der Entnahmeleitung. Die Leitungen im
Verteilungsnetz bestanden im Normalfall aus Holz, gele-
gentlich aus Ton und nur selten aus Blei oder Stein. Diese
Rohre führten zu Brunnen, aus denen die Bevölkerung
das Wasser schöpfte. Im Lübeck des 16. Jahrhunderts
befanden sich sogar Tanks in den Kellern der Häuser.52
Später ging man noch einen Schritt weiter und platzierte
diese Behälter in den Dachbereichen. Von dort konnte
das Wasser in die verschiedenen Etagen von Gebäuden
gelangen. Für die Wasserbevorratung hatten die Ingenieu-
re des Mittelalters nur wenig getan: Die Leitungen wur-
48 Vgl. Hauser, Reinlichkeit, S. 293. 49 Einen umfassenden Einblick in die Geschichte der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wasserversorgung gibt: Schnappauf, Frühe Wasserversorgung. 50 Näheres bei: Grewe, Wasserversorgung, S. 29ff. 51 Vgl. Grewe, Wasserversorgung, S. 54f. 52 Vgl. Historische Wassertürme, S. 19.
den fast immer auf Durchfluss ausgelegt, sie waren von
den jahreszeitlich bedingten Schwankungen der Wasser-
ergiebigkeit abhängig.53
Da die hölzernen Wasserleitungen recht undicht und
darüber hinaus nur wenig haltbar waren, brachte die
Erfindung der gusseisernen Röhren Anfang des 15. Jahr-
hunderts entscheidende Verbesserungen. Bereits 1412
werden derartige neue Leitungen in Augsburg, 1455 für
Schloss Dillenburg erstmals urkundlich erwähnt. 1522
ließ Kaiser Ferdinand II. in Wien die Siebenbrunner
Wasserleitung aus gusseisernen Rohren herstellen. Sie
versorgte die Hofburg, Klöster und andere Gebäude sowie
den öffentlichen Brunnen auf dem Margarethenplatz. Der
endgültige Durchbruch des neuen Systems gelang im
17. und 18. Jahrhundert, so zum Beispiel 1668 beim Bau
der Wasserleitung für Versailles.54
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit waren die
meisten Wasserleitungen Systeme, die sich an der Nei-
gung des Geländes orientierten. Auf Wasserhebewerke
wurde normalerweise verzichtet. So auch in Lübeck, als
man bereits im 13. Jahrhundert das aufgestaute Wasser
aus der Wakenitz entnahm und mit hölzernen Röhren
in rund 200 Häuser verteilte. Erst 1533 entstand eine so
genannte „Wasserkunst“, wie sie in Augsburg (ab 1460)
und Bremen (ab 1394) längst in Betrieb war.55 Dennoch
blieben Wasserhochbehälter im heutigen Sinne, die zur
Speicherung dienen, bis zum Beginn des 19. Jahrhun-
derts unbekannt.56
53 Vgl. Historische Wassertürme, S. 19. 54 Vgl. Historische Wassertürme, S. 21. 55 Vgl. Details in: Historische Wassertürme, S. 34ff. 56 Vgl. Gockel, Wasserversorgung, S. 7.
156 Teil 3 ______________________________________________________________________________
3. Frühe Versorgung der Altstadt
in wesentlicher Teil der Koblenzer Trinkwasserver-
sorgung wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
durch private Ziehbrunnen sichergestellt, die sich entwe-
der in den Höfen oder im Inneren der Häuser befanden.
Aber es gab viele Gebäude, die nicht mit derartigen Ein-
richtungen versehen waren. Die Bewohner deckten ihren
Wasserbedarf aus öffentlichen Brunnen. Der wichtigste
dieser Brunnen befand sich auf dem Plan. 1544/1545 ließ
die Stadtverwaltung auch auf dem Florinsmarkt einen
neuen Brunnen graben, doch war seine Ergiebigkeit so
gering, dass er nur kurze Zeit Bestand hatte.57
Da die Brunnen in der Stadt gepflegt werden mussten,
hatten sich die Bewohner von Straßen und Gassen bereits
frühzeitig zu Brunnennachbarschaften zusammenge-
schlossen. Die Gesamtzahl der Gemeinschaften wurde
1789 auf 22 festgelegt. Diese bestanden bis 1854; dann
übernahm die Stadt Unterhaltung und Instandsetzung.58
3.1 Die Suche nach neuen Quellen
Bereits im 16. Jahrhundert scheint man in Koblenz den
Zusammenhang zwischen dem Ausbruch von Seuchen
und der Verschmutzung des Trinkwassers erkannt zu
haben, denn die Stadtväter griffen immer wieder
Pläne auf, eine Wasserleitung einzurichten.59 Erste
Versuche, derartige Pläne zu verwirklichen, wurden
wahrscheinlich schon 1543 unternommen. Für diese
Datierung gibt es schriftliche Anhaltspunkte. So
berichtet zum Beispiel eine Urkunde vom 3. Januar
1554 darüber, dass die Stadt den Brüdern von Eltz
100 Gulden für das Auffinden und die Projektierung
einer Quelle im Wald bei Lay bezahlt hat. Die Kon-
zepte wurden jedoch nie ausgeführt.60
Die Gründe für den Bau von Wasserleitungen sind
nicht nur im hygienischen Bereich zu suchen. Eine
derartige Einrichtung sollte auch die Feuerbekämp-
fung effektiver gestalten. Die Fachwerkhäuser in den
engen Gassen der Altstadt mit ihren Strohdächern
57 Vgl. Hofrichter, Hartmut, Die Entwicklung bis zum Ende des Alten Reiches, in: Geschichte der Stadt Koblenz, Bd. 1. Von den Anfängen bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit, Stuttgart 1992, S. 436. 58 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 280f. Hofrichter, Entwicklung, S. 438. 59 Vgl. Hofrichter, Entwicklung, S. 436f. 60 Dazu auch: Schmidt, Hans Josef, Die Wasserversorgung der Stadt Koblenz. Vortrag im Landeshauptarchiv am 25. Februar, Koblenz 1978 [masch.].
waren ständig vom Funkenflug aus den Kaminen
bedroht und konnten deshalb leicht in Brand gera-
ten. Zwar versuchte der Rat, das Problem durch
entsprechende Verordnungen in den Griff zu be-
kommen, doch zeigten sich die Bürger von diesen
Beschlüssen wenig beeindruckt. Verbote zur Ab-
schaffung von Strohdächern und hölzerner Schorn-
steine mussten im 16. und 17. Jahrhundert mehr-
fach wiederholt werden, bis sie von den Koblenzer
Hauseigentümern befolgt wurden.61
Die Geschichte der frühen Wasserversorgung in
Koblenz ist in der stadtgeschichtlichen Literatur
bislang sehr knapp abgehandelt worden. Eine etwas
ausführlichere Darstellung liefert lediglich Max Bär.
Demnach wurden 1597 und 1598 an den Abhängen
der Karthause im Bereich „Zweibergen“ (am Nord-
hang der Karthause im westlichen Bereich des
Friedhofes), am „Kopfhorn“ (am Osthang der Kar-
thause in der Nähe der Laubach) und am „Pfen-
ningsborn“ (unterhalb der ehemaligen Feste Kaiser
Alexander auf der Karthause) Bohrversuche unter-
nommen, die jedoch erfolglos blieben. Etwa zur
gleichen Zeit hatte man mit den Probebohrungen
oberhalb der Rohrer Höfe in Metternich begonnen
und war dabei auf Quellwasser in einer ausreichen-
den Menge gestoßen. Die Kosten und der Wider-
stand des Landesherrn verhinderten jedoch die Er-
schließung. Erst Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck
griff im Jahre 1683 die Pläne wieder auf, im Bereich
Metternich und Lützelkoblenz folgten Vermessungs-
arbeiten. Zudem stellte der Graubündner Johann
Christof (Christopherus) Sebastiani, der als Bau-
meister in Diensten des Erzbischofs stand, alle vor-
aussichtlichen Kosten schriftlich zusammen. Dabei
blieb es.62
Eine Auswertung der schriftlichen Quellen nahm der
Koblenzer Archivdirektor Dr. Wilhelm Maria Becker
zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor. Sein hand-
schriftlicher Bericht enthält eine erste gründliche
Darstellung der frühen Koblenzer Wasserversor-
gungsgeschichte. Deshalb basieren die Ausführungen
in den folgenden Abschnitten auch auf den Er-
kenntnissen des Koblenzer Archivrates.63 Demnach
61 Vgl. Hofrichter, Entwicklung, S. 437f. 62 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 281f. 63 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz unter besonderer Berücksichtigung der Ableitung von dem ,Castorbrunnen‘ in das ,Deutsche Haus‘.
E
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 157 ______________________________________________________________________________
Abbildung 37: Blick auf Metternich aus Flugrichtung Ost im Sommer 2006.
unternahm man 17 Jahre später einen erneuten Ver-
such, doch noch zu einer Wasserleitung zu kommen.
Der in den Akten der kurtrierischen Kellerei Kob-
lenz erhaltene, von Christian Sintziger unterschrie-
bene Entwurf trägt das Datum 5. Juni 1700 und
nimmt im Wesentlichen die Konzeption von 1683
wieder auf.64 Aber auch diese Planungen scheiterten
bereits im Frühstadium.
Einen großen Schritt weiter kam man in der Mitte
des 18. Jahrhunderts: Am 28. Dezember 1750 wurde
der Beschluss des Trierer Kurfürsten Franz Georg
von Schönborn, eine Wasserleitung für die Nutzung
der Quellen an den „Metternicher Hecken“ und auf
dem Lützeler Petersberg anlegen zu lassen, im Kob-
lenzer Rat verhandelt. Balthasar Neumann legte
später ein Gutachten vor, mit dem sich im Juni 1754
der Rat befasste. Der Baumeister empfahl, das Wasser
von den Metternicher Rohrerhöfen nach Lützel, dann
über die Moselbrücke in die Stadt zu leiten. Ursprüng-
lich war er davon ausgegangen, die Rohre direkt durch
das Bett der Mosel zu legen, um die heutige Altstadt auf
dem kürzesten Wege zu erreichen.65 Nachdem die Fra-
gen zur Finanzierung geklärt waren, begann man im
64 LHA-1C, 2436: Die Akte enthält die Kostenaufstellung des Christian Sinziger vom 5. Juni 1700 und weiteres Material über die Vorgänge bis zum Juni 1790. 65 StaK-623, 1191: Gutachten Balthasar Neumanns, 23. Februar 1750.
Februar 1757 mit dem Bau. Schnell ergaben sich die
ersten Probleme, denn der Boden, durch den die Lei-
tung laufen sollte, war äußerst lehmig. Die Quellen
sprechen von Eulnerlehm (Töpferlehm). Die Schwierig-
keiten häuften sich. Mal war es der Untergrund, mal
misslang der Brand der Tonröhren, schließlich ging das
Geld aus. Die Arbeiten wurden eingestellt.66
Die Bemühungen waren erst nach einem Vorstoß des
letzten Trierer Kurfürsten, Clemens Wenzeslaus von
Sachsen, erfolgreich. Doch dieses Mal stand nicht die
Versorgung der Bürger im Vordergrund, sondern viel-
mehr der Plan zur Anlage des Schlosses.67 Und dieses
brauchte natürlich eine Wasserleitung. Nachdem die
kurtrierischen Landstände, die das Steuerbewilligungs-
recht besaßen, 1777 ihre Beratungen über die Errich-
tung der neuen Residenz abgeschlossen hatten, konnte
der Bau beginnen.
Die entscheidenden Schritte, die schließlich zur Ver-
wirklichung des Wasserleitungsprojektes führten, erfolg-
ten ab Herbst 1780. Die Residenzbau-Kommission
sollte Möglichkeiten erörtern, Hofstall, Küche und an-
dere Bereiche des Schlosses mit Wasser zu versorgen.
66 Vgl. Bär, Geschichte, S. 282. 67 Die Hintergründe zur Entstehung von kurfürstlicher Residenz und Koblenzer Neustadt bringt: v.d. Dollen, Koblenzer Neustadt.
158 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Da das Kurfürstentum unter chronischer Geldknappheit
litt, dachte man natürlich darüber nach, wie man die
Koblenzer in die Pflicht nehmen konnte. Im Dezember
1780 legte der Hofbrunnenmeister Georg Kirn eine
erste Denkschrift vor. Dieses Gutachten ist heute nicht
mehr erhalten – sein Inhalt ist nur noch über Protokoll-
auszüge und andere Dokumente indirekt zu erschließen.
So viel steht fest: Am Anfang waren nicht die Metterni-
cher Quellen, sondern das „Carlsthal“ war für die künf-
tige Nutzung vorgesehen. Diese Bezeichnung ist verwir-
rend, wird doch das Gebiet in den Urkunden und Akten
des Karthäuserklosters als „Cadenthal“ oder „Kadenthal“
bezeichnet. Im 19. Jahrhundert war der Name „Carden-
thal“ geläufig. Dieses Gelände befand sich nach Angaben
von Dr. Wilhelm Maria Becker am Osthang der Kar-
thause und zog sich bis zur ehemaligen Kaltwasseranstalt
in der Laubach hin. Hier fand der Hofbrunnenmeister
Quellen von solcher Ergiebigkeit, dass sie theoretisch für
die Sicherstellung des Koch- und Trinkwasserbedarfs der
Koblenzer ausreichten. Die ehemals zum Karthäu-
serkloster gehörenden beiden Mühlen standen jedoch
einer Realisierung des Projektes im Wege. Ihnen wäre
im Falle der Verwirklichung des Vorhabens das Wasser
abgegraben worden. Ohnehin waren Quellfassung und
Verlegung von Leitungen sehr teuer. Die Residenz-
Baukommission scheute deswegen eventuell auftretende
Entschädigungsfälle. Sie beauftragte stattdessen Georg
Kirn, die Metternicher Verhältnisse zu untersuchen und
einen Kostenvoranschlag vorzulegen, zumal die dort
befindlichen Quellen eine wesentlich höhere Ergiebig-
keit versprachen. Erste Ergebnisse seiner Untersuchun-
gen legte der Brunnenmeister bereits Ende 1780 in
Form einer Denkschrift vor. Demnach galten die For-
schungen auch der bereits 1598 in die Überlegungen
einbezogenen und 1748 gefassten Quelle in den „Met-
ternicher Hecken“. Diese bezeichnete Kirn in einer
Denkschrift vom 27. März 1783 als Hauptquelle des
„Geisenborns“, die ausreichende Mengen Trinkwasser
liefere und das bei einer Qualität, die der im „Ca-
relsthal“ vorzuziehen sei.68
Bereits in seinem ersten Gutachten kritisierte der Hof-
brunnenmeister die im Auftrage der Stadt vorgenomme-
ne Fassung der Quelle. Nach seiner Ansicht war diese
nicht tief genug untergraben worden, um die für die
Versorgung von Koblenz ausreichenden Wassermengen
zutage zu fördern. Um die Missstände zu beheben,
schlug Kirn vor, einen vier bis fünf Meter langen Gang
68 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
in den Kimmelberg zu treiben. Die hohe Lage der Quel-
le gewährleistete, dass das für den Transport des Wassers
erforderliche Gefälle wesentlich stärker als im „Ca-
relsthal“ war. Darüber hinaus regte der Brunnenmeister
den Bau eines aus Hausteinen gefertigten Sam-
melbeckens am Fuße der Quelle an. Dieses sollte eine
Vorrichtung erhalten, die das Eindringen von Oberflä-
chenwasser und Schmutz verhinderte. Die Ableitung des
Quellwassers in die Stadt sollte auf möglichst geradem
Wege erfolgen und in einem Turm der Koblenzer
Ringmauer gesammelt werden, von wo man es in die
neue Residenz in die Schlossgärten, vielleicht auch in
Brunnen auf einigen öffentlichen Plätzen der Stadt wei-
terleiten wollte. Für den Fall der Verwirklichung der
Leitung schlug Kirn vor, im Bereich der Brunnenstube
am „Geisenborn“ Röhren aus gebranntem Ton zu ver-
wenden. In den anderen Abschnitten eigneten sich nach
der Meinung des Brunnenmeisters gusseiserne und blei-
erne Röhren besser.69
Nach den Vorstellungen Kirns sollte die neue Leitung
zunächst in das Dorf Metternich, anschließend über die
Rohrerhöfe nach Lützel, dann über die Moselbrücke
nach Koblenz geführt werden. In der Stadt selbst war
geplant, das Trinkwasser über die Straße „An der Mosel-
brücke“ zu den „Vier Türmen“, anschließend weiter bis
zur Görgenstraße zu leiten. Über das „Judengässchen“70
wollte man das Quellwasser in den zu Speicherzwecken
umzubauenden ehemaligen Pulverturm71 bringen. Als
Endpunkt war die Neustadt mit dem damals noch im
Bau befindlichen kurfürstlichen Schloss vorgesehen. Die
Mitglieder der Residenzbau-Kommission behandelten
die Denkschrift des Hofbrunnenmeisters in ihrer Sit-
zung vom 31. Januar 1781. Bei der Zusammenkunft
verabschiedete man sich endgültig von der Idee, die
Quellen am Osthang der Karthause zu fassen und in die
Stadt zu leiten. Stattdessen wurden die Mittel zur Ver-
wirklichung des Metternicher Projektes auf 21.000 Taler
erhöht (später stellte sich heraus, dass dieser Betrag viel
zu niedrig war). Dennoch sollte die ganze Angelegenheit
noch einmal vom leitenden Schlossbaumeister François
69 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 70 Früher Rheingässchen, bis vor dem Krieg Balduinstraße. Die Straße befand sich auf Höhe der Tiefgarage des heutigen „Schängel-Centers“. Sie wurde im Krieg fast vollständig zerstört. 71 Der Pulverturm war zwischen 1286 und 1289 erbaut worden. Der viereckige Stadtturm befand sich an der von Balduinstraße, Casinostraße und „Wasserturmsmauer“ (einem Teil der mittelalterlichen Stadtmauer) gebildeten abgestumpften Ecke. Weil er seit dem Ende des 18. Jahrhun-derts neben der Dienstwohnung des Brunnenmeisters ein Wassersam-melbecken enthielt, wurde er als Wasserturm bezeichnet. Im Zuge der Neuordnung der Straßenfluchten beschloss der Stadtrat am 3. Mai 1825, den Bau abzureißen.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 159 ______________________________________________________________________________
Peyre le Jeune behandelt werden. Der Franzose unter-
suchte zusammen mit dem Ingenieurhauptmann Chris-
tian Trosson noch einmal die örtlichen Gegebenheiten
und fertigte ein neues Gutachten an. Darin sprach er
sich dafür aus, sowohl vom Metternicher, als auch vom
Karthäuser Projekt abzurücken. Stattdessen wurde emp-
fohlen, den Bubenheimer Bach zu wählen. Das Wasser
sollte zum Teil über offene Kanäle, teils durch gusseiser-
ne und bleierne Röhren in die Stadt geleitet und in
einem Reservoir gesammelt werden. Das Gutachten fand
bei der Residenzbaukommission wenig Gegenliebe, da
die Mitglieder hinsichtlich der Reinheit des Bachwassers
starke Bedenken hatten. Auch Kirn äußerte sich kritisch
zum Alternativkonzept Peyres. Schließlich beschloss die
Kommission, den Kurfürsten um die Genehmigung zu
bitten, mit dem Hofbrunnenmeister in nähere Verhand-
lungen eintreten zu dürfen. Die Entscheidung zugunsten
des Metternicher Projektes war gefallen.72
3.2 Exkurs: Überfluss in Metternich Es ist kein Zufall, dass bei der Suche nach neuen Wegen
zur Sicherstellung der Koblenzer Trinkwasserversorgung
immer wieder über Metternich gesprochen wurde. In dem
Dorf gestaltete sich die Versorgung mit dem wichtigsten
Lebensmittel ursprünglich so komfortabel, dass man auf
den Bau von Grundwasserbrunnen verzichten konnte.
Metternich wurde ausschließlich über die spätestens seit
1589 bekannten Quellen Geisenborn und Herrenweiher
versorgt. Letzterer lag am westlichen Ende der heutigen
Trierer Straße. Erich Engelke nennt als Höhenangabe
124,88 Meter über Normalnull. An die Quelle erinnern
noch die Straße „Am Herrenweiher“ und der Gemar-
kungsnahme „Am Herrenweiherchen“. Den Geisborn
gibt es dagegen immer noch. Er wird heute als Quelle
Geisenborn von den „Vereinigten Wasserwerken Mittel-
rhein“ (VWM) geführt. Die am Ende der Geisbachstraße
gelegene Quelle wird 1783 erstmals unter dieser Bezeich-
nung genannt. Wahrscheinlich floss das Wasser des Gei-
senborns in einem offenen Bachlauf ab, wofür auch die
Gemarkungsnamen „Im Geisebornsgraben“, „In der Gei-
sebach“, „Auf der Geisebach“ und „Unter dem Bachweg“
sprechen. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Quellwasser
ursprünglich an mehreren Stellen zu Teichen aufgestaut
wurde. Als Beweis führt Erich Engelke die Gemarkungs-
namen „Auf dem hellen Weyer“, „Auf dem untersten
72 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
Weyer“ und „Auf dem obersten Weyer“ hin. Die Frage
nach dem Zweck dieser Teiche kann heute wegen fehlen-
der Quellen nicht mehr beantwortet werden. Dass das
Wasser aufgestaut wurde, um eine Fischzucht zu betrei-
ben oder Mühlen in Gang zu halten, ist aber durchaus
wahrscheinlich – die in der Nähe des Wassers gelegene
Isenburgstraße hieß einmal Mühlweg.73
Das Quellwasser wurde über hölzerne Rinnen oder Röh-
ren ins Dorfinnere von Metternich geleitet. Reste dieser
Rinnen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts bei Bauar-
beiten gefunden. Auf jeden Fall wurde das überschüssige
Wasser hinter dem westlichen Dorfausgang in unmittel-
barer Nähe zur Trierer Landstraße in einen Brandweiher
geleitet.74 „Herrenweiher“ und „Geisenborn“ waren nicht
die einzigen Quellen in Metternich. Bei den Bohrversu-
chen, die sich bis ins Jahr 1543 zurückverfolgen lassen,
entdeckte man noch andere Wasseradern. So wurde man
1598 oberhalb der Rohrer Höfe fündig. Hierbei muss es
sich um mehrere Quellen gehandelt haben, die schließlich
unter der Bezeichnung „Metternicher Hecken“ zusam-
mengefasst wurden. Und genau das Wasser aus diesem
Bereich wurde immer wieder in den frühen Koblenzer
Wasserversorgungsplänen genannt. Allerdings waren die
Kosten für die Erschließung der Wasservorkommen so
hoch, dass der Kurfürst keine Mittel bereitstellte, um das
Projekt auszuführen. Leichter zu erschließen war dagegen
der sogenannte „Pfingstborn“, der nordwestlich des alten
Metternicher Dorfkerns entsprang und heute besser unter
der Bezeichnung „Behälterquelle“ bekannt ist. Die im
Bereich zwischen der Trierer Straße und der Gemarkung
„Auf dem Bienenstück“ befindliche Quelle wird heute
von den VWM für Notsituationen vorgehalten. Sie liegt
114,87 Meter über Normalnull.75
Die kleine Metternicher Gemeinde war ursprünglich so
trinkwasserreich, dass sie keine detaillierten Regelungen
über Wasserrecht und -abgabe brauchte. Das änderte sich
erst 1783, als feststand, dass das Dorf auf Druck des Lan-
desherrn einen Teil seines Wassers nach Koblenz abgeben
musste. Da für die ersten Anschlüsse in der Residenzstadt
streng genommen das Wasser aus dem Geisenborn aus-
reichte, standen Metternich mit dem „Herrenweiher“ und
dem „Pfingstborn“ immer noch zwei Quellen fast voll-
73 Vgl. Engelke, Erich, Von Quellen und Wasserleitungen. Die Metter-nicher Wasserversorgung in Metternich im Spiegel der Jahrhunderte, in: Beiträge zur Ortsgeschichte. Hg. von den Heimatfreunden Metternich, Koblenz 2002, S. 263. 74 Vgl. Engelke, Quellen, S. 263. 75 Vgl. Engelke, Quellen, S. 264 und 266
160 Teil 3 ______________________________________________________________________________
ständig zur Verfügung.76 Von einer Wassernot konnte
beim besten Willen nicht die Rede sein. Erst im Laufe des
19. Jahrhunderts sollte sich die Lage verschlechtern.
3.3 Die Wasserleitung funktioniert
Obwohl Kurfürst Clemens Wenzeslaus das Metternicher
Wasserleitungsprojekt befürwortete, ruhten in den Jah-
ren 1781 und 1782 die Vorarbeiten für die neue Was-
serversorgung. Die noch erhaltenen schriftlichen Quel-
len nennen keine Gründe für diese Verzögerung. Erst als
Kirn seine Denkschrift vom 27. März 1783 vorlegte, die
unter anderem Angaben über Ergiebigkeit sowie Weite,
Dicke und Länge der zu bestellenden eisernen Röhren
enthielt, befassten sich die Verantwortlichen wieder mit
der Sache. Im Juni 1783 fasste die Geheime Staatskonfe-
renz mehrere Beschlüsse, die endlich sicherstellten, dass
die geplante Wasserleitung auch ausgeführt wurde. Man
übertrug die Ausführung der Arbeit dem Hofbrunnen-
meister und gewährte ihm dafür eine Frist von zwei
Jahren. Zuvor hatte Hofbaumeister Johann Andreas
Gärtner77 die Vorschläge Kirns begrüßt und an dessen
technischen und zeichnerischen Kenntnissen keinen
Zweifel aufkommen lassen. Kirn machte sich sofort
daran, seinen Auftrag zu erfüllen. Schon im Juni 1783
zog er nach Metternich und leitete den Ankauf der für
den Bau der Wasserleitung erforderlichen Grundstücke
in die Wege. Nachdem die eigentumsrechtlichen Hin-
dernisse aus dem Weg geräumt waren, wollte Kirn das
Projekt – wie in seinen Denkschriften vorgestellt – zügig
verwirklichen. Gemäß seiner Pläne wurde das Quellwas-
ser des „Geisenborns“ und des „Herrenweihers“ mittels
Tonrohren in je ein Sammelbecken aus Marmor und aus
Niedermendiger Hausteinen78 geleitet. Der Weiter-
transport auf dem bereits oben beschriebenen Weg er-
folgte durch eiserne Röhren, die unterirdisch verlegt
waren. Zur Speicherung und um den erforderlichen
Druck sicherzustellen, errichtete man drei Wassertürme
und mehrere Wasserschächte. Die drei Türme entstan-
den am Fuße der Metternicher Quellen auf halber Höhe
des Kimmelberges, an den Rohrer Höfen (auf der Süd-
seite der heutigen Trierer Straße im Bereich der Kloster-
76 Vgl. Engelke, Quellen, S. 264 und 266. 77 Johann Andreas Gärtner (1744–1826) war kurfürstlicher Hofbaudi-rektor und Ingenieurhauptmann und Vater des späteren Professors Friedrich von Gärtner, der als bedeutender Architekt und Baumeister in Bayern und in Griechenland wirkte. 78 Ein Haustein ist ein an allen Seiten behauener Naturstein. Er steht im Gegensatz zum unbearbeiteten Bruchstein. Den nach den Erfordernissen des Fugenschnitts von Steinmetzen sorgfältig bearbeiteten Haustein nennt man Werkstein.
brauerei) und in der Nähe der Moselflesche (südwestlich
der Feste Franz). Wie bereits in den Plänen Balthasar
Neumanns vorgesehen, leitete man das Wasser über die
Moselbrücke in die heutige Innenstadt. Die Leitung
wurde unter dem auf der westlichen Seite gelegenen
Fußsteig verlegt. Im „Wasserturm“ ließ Kirn ein Mar-
morbecken anlegen, in dem sich das Wasser sammelte,
bevor es in die Neustadt weiterfloss.79
Die Kosten sprengten den vorgegebenen Rahmen. Der
Hofbrunnenmeister nannte eine Summe von 32.000
Reichstalern. Um die Finanzierung sicherzustellen, woll-
ten der Kurfürst und seine Verwaltung die Stadt ver-
pflichten, einen Beitrag zu leisten. Als Gegenleistung
erhielt der Magistrat die Gelegenheit, fünf Plätze zu
nennen, an denen von der neuen Wasserleitung gespeiste
Brunnen aufgestellt werden sollten. Als potenzielle
Standorte für diese neuen Brunnen waren der heutige
Görresplatz, der Kastorhof, der Plan, der Bacher Pütz
(im Bereich des heutigen Münzplatzes) und der Flo-
rinsmarkt im Gespräch. Obwohl diese Wünsche gar
nicht oder erst viel später in Erfüllung gingen, standen
den Koblenzern eine Kostenbeteiligung in Höhe von
8000 Gulden und zusätzlich Unterhaltungsgebühren
von jährlich 30 Gulden ins Haus.
Der Stadtrat befasste sich mehrfach mit der Angelegen-
heit, denn er sah sich nicht in der Lage, den geforderten
Beitrag zu leisten. Die Räte erkannten schnell, dass man
um die 8000 Gulden nicht herumkommen würde. Also
weigerte man sich, den für die Gemeinde vorgesehenen
Anteil an den Unterhaltungskosten zu tragen. Die
Stadtväter gaben sogar zu erkennen, dass man notfalls
sogar auf das Angebot des Kurfürsten und seiner Hofbe-
hörden verzichten wolle. Am Ende der Verhandlungen
stand ein Kompromiss. Die Einigung kam im Mai und
Juni 1784 zustande. Demnach sollte die Stadt die inzwi-
schen auf 7000 Gulden oder 4666 Reichstaler ermäßigte
Summe in vier Raten zahlen. In der Zwischenzeit hatte
Kirn die Arbeiten an der Wasserleitung weit vorange-
trieben. Neben der Hauptquelle am „Geisborn“ war jetzt
auch die zweite Quelle des so genannten „Brandweihers“
oder „Herrenweihers“ gefasst worden. Darüber hinaus
stellte man die zugehörigen Brunnenstuben und Sam-
melbecken, die Kanäle zur Unterführung von Landstra-
ße und Wegen, die drei Wassertürme mit ihren Kanälen
und sämtliche Wasserschächte in der Stadt fertig. Zu-
79 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 161 ______________________________________________________________________________
Abbildung 38: Die kurfürstliche Wasserleitung wurde von Metternich über die Balduinbrücke (Alte Moselbrücke) in die Alt-stadt geführt und von dort weiter in die Neustadt und das Kurfürstliche Schloss. Die Leitung diente ursprünglich nur der Versorgung der Residenz. Das Foto entstand im Mai 2006.
dem hatte die kurfürstliche Hütte in Sayn den Guss der
Eisenrohre abgeschlossen.80
Im Zuge der Arbeiten auf der Balduinbrücke sollte Kirn
noch eine Menge Ärger bekommen, weil er dort eine zu
Verteidigungszwecken errichtete Mauer hatte abbrechen
lassen. Obwohl dazu eine Genehmigung des Hofkriegs-
rates vorlag, wurde der Brunnenmeister im September
1785 beschuldigt, bei den Abbruch- und Baumaßnah-
men an den Gewölben der Moselbrücke kaum ersetzbare
Schäden angerichtet zu haben. Erst die Untersuchung
durch zwei Sachverständige entkräftete die Anschuldi-
gungen. Trotz aller Schwierigkeiten nahmen 1785 auch
die Wasserversorgungsanlagen im neuen kurfürstlichen
Schloss deutliche Konturen an. Ausläufe befanden sich
nunmehr in der Küche, in den Spülereien, im „großen
Weinkeller“, im Flaschenkeller, im Waschhaus, in den
drei Pferdeställen und im „großen Hof“. Außerdem be-
gann die Umwandlung des ehemaligen Pulverturmes.
Im Juni 1785 wurde der Steinhauer Johann Bode aus
Balduinstein vertraglich verpflichtet, bis Oktober das
Sammelbecken aus schwarzem Marmor fertigzustellen.
Zu guter Letzt wurden in diesem Jahr die von der Say-
80 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
ner Hütte gelieferten Röhren nicht nur von Metternich
bis Lützel, sondern auch über die Moselbrücke bis zum
Wasserturm gelegt.81
Am 21. August 1785 war es endlich soweit: Die neue
Wasserleitung konnte in Betrieb gehen. Der Hofbrun-
nenmeister erhielt vom Kurfürsten zur Belohnung den
Rang eines Ingenieur-Hauptmanns. Er durfte fortan die
Uniform des Artilleriekorps tragen und sich Brun-
nendirektor nennen. Schließlich wurde Kirn eine Ge-
haltserhöhung von 100 Reichstalern jährlich gewährt,
außerdem die Zusage, dass sein Sohn eines Tages sein
Nachfolger würde. Trotz aller mit dem Wasserleitungs-
bau verbundenen Fortschritte hatte die Koblenzer Be-
völkerung zunächst wenig von der neuen Errungen-
schaft. Diese Feststellung gilt zumindest bis zum Ende
der Ära des letzten Kurfürsten Clemens Wenzeslaus.
Der Wunsch des Rates, fünf Plätze in der heutigen Alt-
stadt mit Quellwasserbrunnen auszustatten, ging nicht
in Erfüllung. Die Gemeinde hatte also nichts anderes
tun können, als einen Teil der Wasserversorgung im
81 Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
162 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Schloss zu finanzieren. Doch es gab einen kleinen Trost:
Am 23. November 1791 – dem Namenstag des Landes-
herrn – wurde in der Neustadt der erste von der neuen
Wasserleitung gespeiste öffentliche Brunnen in Betrieb
gesetzt. Die in Form eines Obelisken ausgeführte Anlage
hatte vier Ausläufe. Das Wasser wurde in steinernen
Muscheln aufgefangen und in den benachbarten kur-
fürstlichen Bauhof geleitet.82 Dieser erste Brunnen ist
heute noch erhalten. Allerdings musste er im Zuge der
Neuordnung der Verkehrsführung von seinem ehemali-
gen Standort auf dem Clemensplatz entfernt und vor
dem Stadttheater am Deinhardplatz aufgestellt werden.83
3.4 Der weitere Ausbau
In den letzten Oktobertagen des Jahres 1794 endete in
Koblenz die kurtrierische Ära. Französische Revolutions-
truppen besetzten die Stadt. Die Machtübernahme der
neuen Herren bedeutete jedoch nicht das Aus für die
gerade erst geschaffene Quellwasserleitung. Im Gegen-
teil: Immerhin sollten in dieser Zeit zwei der von der
Stadt gewünschten neuen Brunnen errichtet werden. Da
sich die Wasserleitung nicht im städtischen, sondern im
kurtrierischen Besitz befand, nahmen die Franzosen die
Anlage in Besitz und betrachteten sie fortan als Staatsei-
gentum. Änderungen und Erweiterungen mussten von
der französischen Administration genehmigt werden. So
äußerte der Departementsarchitekt George Trosson
keine grundsätzlichen Bedenken, als der Baumwollfabri-
kant Doll am 30. Juni 1803 darum bat, seinen an einer
Ecke der Görgenstraße gelegenen Besitz an die beste-
hende Leitung anzuschließen. Doll musste lediglich die
Kosten übernehmen. Gleiche Bedingungen galten für
den Weingroßkaufmann und Branntweinfabrikanten
Johann Nikolaus Nebel, als dieser im April 1804 eben-
falls sein Haus im Entenpfuhl (Nr. 511, später 12) an-
schließen wollte.84
Überhaupt war der Anschluss von Gebäuden an die
ehemals kurfürstliche Wasserleitung nichts Besonderes.
Archivdirektor Becker beschreibt den Plan, einen den
Zisterziensern zu Marienstatt gehörenden Hof in Met-
ternich durch eine Zweigleitung an den „Herrenweiher“
anzubinden. Obwohl das Projekt tatsächlich ausgeführt
wurde, kann das Jahr der Fertigstellung heute nicht
82 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 83 Vgl. Denkmaltopographie 3.2, S. 112. 84 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
mehr ermittelt werden. Auch für die Innenstadt bestan-
den Erweiterungsabsichten. George Trosson hatte im
April 1804 einen Plan aufgestellt, der die Weiterführung
der kurfürstlichen Wasserleitung aus der Neustadt durch
die Schanzenpforte über den Paradeplatz (Görresplatz)
und die Nagelsgasse auf den Kastorhof vorsah.
Schriftliche Nachrichten, aus denen Details über die
Ausführung der neuen Nebenleitung hervorgehen,
sind nicht mehr erhalten. Aus dem Sitzungsprotokoll
des Koblenzer Munizipalrates vom 26. April 1805
erfahren wir jedoch, dass sich ein Brunnen auf dem
Kastorhof und ein Springbrunnen im Garten der
Präfektur85 bereits in Betrieb befanden. Etwa zur
gleichen Zeit, am 22. Februar 1805, hatte Johann
Nikolaus Nebel, der nicht nur Weinhändler, son-
dern auch Maire (Bürgermeister) der Stadt war, den
Präfekten Mouchard de Chaban um die Erlaubnis
gebeten, auf dem „Place des Grenadiers“ (Plan) ei-
nen Brunnen errichten zu dürfen und diesen an die
Wasserleitung anzuschließen. Zur Anlage dieses
Brunnens sollten Hausteine des Brunnens im Hof
des ehemaligen Kartäuserklosters auf dem Beatus-
berg verwendet werden. Der Präfekt schaltete dar-
aufhin den Departementsarchitekten Trosson zur
Stellungnahme ein. Dennoch fiel zunächst keine
endgültige Entscheidung.86
Der Grund für die Verzögerung war klar: Bereits
1803/1804 hatte man erkannt, dass die Was-
serleitung dringend instand gesetzt werden musste.
Die französische Administration überlegte, wie sie
die erheblichen Kosten am besten auf die Stadt ab-
wälzen konnte. Aus diesem Grunde erstattete Do-
mänendirektor Golbery seiner vorgesetzten Pariser
Behörde, der „Administration de 1‘Enregistrement
et des Domaines“, am 26. Juli 1804 einen ausführli-
chen Bericht. In ihrem Bescheid vom ll. August
1804 entschied diese Behörde, dass die Erhaltung
der ehemaligen Wasserleitung Sache der Gemeinde
war, da diese von der Anlage angeblich am meisten
profitierte. Der Befehl des neuen Präfekten Alexand-
re Lameth an die Stadt, die nach Berechnungen
Trossons 3266 Francs teuren Reparaturen ausführen
zu lassen, folgte am 13. April 1805. Mit diesen An-
ordnungen war die ehemals kurfürstliche Leitung in
85 Die französische Präfektur war im ehemaligen von der Leyenschen Hof an der Ecke Kastorstraße/Kastorhof untergebracht. Mit Ausnahme der St.-Jakobus-Kapelle wurde die Anlage 1944 vollständig zerstört. 86 StaK-623, 1193: Ein erstes schriftliches Konzept für den Vorstoß hatte Maire Nebel am „3. Pluviose 13“ (23. Januar 1804) angefertigt.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 163 ______________________________________________________________________________
Abbildung 39: Der Plan mit dem von Maire Nebel durchgesetzten Brunnen Ende Dezember 2005.
das Eigentum der Stadt Koblenz übergegangen.
Gleichzeitig lehnte die Obrigkeit den Wunsch Ne-
bels ab, einen Brunnen auf dem Plan zu errichten.
Die schwerwiegende, für Koblenz äußerst kost-
spielige Entscheidung der französischen Verwaltung
hätte zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich sowieso
die Finanzierung des Brunnenprojektes unmöglich
gemacht.87
Der Munizipalrat war mit der Entscheidung der
übergeordneten Stellen natürlich alles andere als
einverstanden. In der Sitzung vom 26. April 1805
machte der Rat klar, dass die Stadt gar nicht in der
Lage war, die für die Instandsetzungsarbeiten erfor-
derlichen Mittel bereitzustellen. Man schlug deshalb
vor, die Unterhaltung auf 50 Jahre einem privaten
Partner zu übertragen, der die Ausbesserungen über-
nehmen sollte und dafür von den Einwohnern eine
Abgabe kassieren durfte. Die Stadt war zu diesem
Zeitpunkt eher bereit, die Leitung dem Verfall preis-
zugeben, als sie in Eigenregie zu übernehmen. Doch
der Plan der Gemeinde zur Privatisierung schlug
fehl, denn es fand sich zunächst niemand, der das
87 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
Risiko eingehen wollte. Der Grund für den Misser-
folg lag auf der Hand: Im Falle eines Vertragsab-
schlusses hätte ein Unternehmer nicht nur Unterhalt
und Ausbau übernehmen müssen, sondern wäre auch
verpflichtet gewesen, das Schloss, den Bauhof, den
Clemensbrunnen, den Brunnen auf dem Kastorhof,
den Springbrunnen beim Präfekturgebäude, die
Häuser der Unternehmer Doll und Nebel sowie den
auf dem Plan zu errichtenden Brunnen ausreichend
mit Wasser zu versorgen. Es wäre ihm nur gestattet
worden, das überschüssige Wasser zu verkaufen.88
Verhandlungen zwischen Maire Nebel und dem
neuen Präfekten Alexandre Lameth brachten schließ-
lich eine Veränderung der Bedingungen. Die Kosten
für den Bau und die Unterhaltung von Zweigleitun-
gen sollten fortan die Bewohner und Hauseigentü-
mer in den betroffenen Stadtteilen aufbringen. Für
die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten wollte
man dem ausführenden Privatunternehmer eine Summe
von 2600 Francs zahlen.89 Zudem verpflichtete sich die
Stadt, zur Unterhaltung der Leitung jährlich eine Pau-
88 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 89 Die Stadt und der Präfekt sollten jeweils 1200 Francs, die Unterneh-mer Doll und Nebel je 100 Francs bezahlen.
164 Teil 3 ______________________________________________________________________________
schale von 400 Francs bereitzustellen. Als Ausgleich für
die Gemeinde stand jetzt der Erlös aus dem Verkauf des
überschüssigen Wassers aus der Metternicher Quelle an
die Hauseigentümer nicht mehr dem künftigen Investor,
sondern der Stadt zu. Der Präfekt war mit dieser Rege-
lung einverstanden und übertrug am 13. April 1805 die
Wasserleitung nun auch offiziell an die Stadt. Am
7. September 1805 schloss Maire Nebel mit dem Unter-
nehmer Ignaz Bracht einen Vertrag über Reparatur und
Wartung. Gültigkeitsdauer: 25 Jahre.90
Die Vereinbarungen schafften den für die Errichtung
des Brunnens auf dem Plan erforderlichen Freiraum.
Maire Nebel musste jedoch die Absicht fallen lassen,
beim Bau der neuen Anlage Steine aus dem ehemaligen
Kartäuserkloster zu verwenden. Präfekt Lameth hatte
sich in seiner Verfügung vom 13. April 1805 ausdrück-
lich gegen derartige Absichten ausgesprochen. Hinzu
kam, dass – obwohl man sich hinsichtlich der Unterhal-
tung der Metternicher Quellleitung geeinigt hatte – die
für die Wasserversorgung bestimmten Mittel angesichts
der prekären Finanzlage der Gemeinde äußerst knapp
waren. Die Bewohner des Bereiches am Plan entschieden
sich deshalb dafür, Geld zuzuschießen, weil sie nicht nur
die Bedeutung des Brunnens für die Trinkwasserversor-
gung, sondern auch für die Brandbekämpfung erkann-
ten. Zudem verteilte Nebel die Last auf alle Einwohner,
indem er die indirekten Steuern leicht erhöhte. Brunnen
und Anschluss an die Wasserleitung wurden schließlich
im Jahre 1806 fertiggestellt.91
Der Brunnen auf dem Plan erfreute sich bei den Kob-
lenzern einer großen Beliebtheit. Man scheint dem
Quellwasser so manche wundersame Wirkung zugetraut
zu haben. In einem undatierten Zeitungsausschnitt heißt
es: „Das Metternicher Quellwasser hatte wegen seiner
Vorzüglichkeit von jeher in unseren Mauern viel Anklang
gefunden. Bei der ,Brunnenkur‘ am frühen Morgen fan-
den sich die alten Koblenzer, mit ihrem Schoppenglas
bewehrt, an der Brunnenmuschel auf dem Plan, wo sie,
ihren Gesundheits-Nektar schlürfend, vorbeidefilierten.
Zudem galt das ,Ploner Quellwasser‘ infolge seiner Kalk-
armut als Quintessenz des Geschmacks bei der Kaffeezu-
bereitung und wurde auch sonstwie als wirksames
,Heilmittel‘ bei Augenerkrankungen hoch geschätzt.“92
90 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 91 LHA-700,56: „Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 92 LHA-701,552: E. Hoewer, Brunnenkultur am „Ploneer Brunne“.
Reparaturen und Erweiterungen verschafften jedoch nur
eine kurze Atempause. Bereits im April 1808 legte der
„Commissaire de Police“ Schmitz dem Präfekten, Adrien
Comte de Lezay-Marnesia, eine Denkschrift vor, in der
Schäden und vor allem der schlechte Zustand des Brun-
nens auf dem Clemensplatz angesprochen wurden.
Demnach waren von den vier nur noch zwei Ausläufe in
Betrieb und zudem die Wassermengen deutlich zurück-
gegangen.93 Ob und wie man diesen Mängeln begegnete,
ist nicht überliefert. So viel ist sicher: Die Probleme mit
dem Wasserdruck blieben bestehen, denn drei Jahre
später beklagte man sich über die schlechte Zuleitung
des Quellwassers in das ehemalige kurfürstliche Schloss,
das während der Zeit der französischen Besatzung als
Kaserne diente. Um die Verhältnisse zu bessern, teilte
Präfekt Jules Doazan den Unternehmern Nebel und von
Nasson (der Nachfolger Dolls) am 25. September 1811
mit, dass die beiden Ableitungen in deren Häuser sofort
gesperrt würden.94
3.5 Der Brunnen auf dem Kastorhof
Jules Doazan hatte wenig Gefallen an dem Brunnen, der
1804/1805 nach Plänen des Departementsarchitekten
Trosson auf dem Kastorplatz errichtet und an die ehe-
mals kurfürstliche Wasserleitung angeschlossen worden
war. 1811 entschloss sich der Präfekt, den Brunnen
durch eine prächtigere Anlage ersetzen zu lassen. Der
Straßen- und Brückenbauingenieur Royer und der pen-
sionierte französische Ingenieur-Offizier Dagobert
Chauchet legten ihre Pläne vor. Fritz Michel und
Hans Bellinghausen nennen darüber hinaus den
Koblenzer Architekten Ferdinand Nebel, der sogar
zwei Entwürfe eingereicht hatte.95 Präfekt Doazan
favorisierte das Konzept Chauchets, obwohl die
Verwirklichung rund 10.000 Francs gekostet hätte.
Der Munizipalrat hingegen sprach sich für das Pro-
jekt Royers aus, das zudem nur 3500 Francs teuer
gewesen wäre. Da die Kommune den Bau finanzie-
ren musste, brachte sie natürlich nur die Kosten für
die billigere Version in den Haushaltsplan ein und
ließ sich diese Entscheidung auch von den über-
geordneten Stellen genehmigen. Trotzdem wollte
der Präfekt seine Vorstellungen auf jeden Fall durch-
93 StaK-623, 1195: Brief des „Commissaire de Police“ an den Präfekten. 94 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 95 Vgl. Michel, Kunstdenkmäler, S. 362. Bellinghausen, Hans (jr.), Der Kastorbrunnen in Koblenz, ein Denkmal europäischer Geschichte, in: Landeskundliche Vierteljahresblätter 3/93, S. 139.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 165 ______________________________________________________________________________
Abbildung 40: Der Kastorplatz mit dem Kastorbrunnen. Die Aufnahme in westlicher Blickrichtung entstand bei den Vorbe-reitungen des Besuchs des deutschen Kaisers Wilhelm II. von 1905.
setzen und wandte sich deswegen an den Minister
des Inneren in Paris und ersuchte diesen, die auf-
wendigeren Planungen Chauchets abzusegnen. Der
Minister legte das Konzept dem Rat für Zivilbauten
vor, der in seiner Sitzung vom 9. März 1812 Be-
stimmungen für die Ausarbeitung eines neuen Planes
aufstellte, nachdem der Architekt François Peyre le
Jeune96 das Konzept Chauchets begutachtet hatte.
Nach Darstellung Dr. Beckers wollte sich der Prä-
fekt mit dieser Entscheidung nicht zufriedengeben.
Anstatt Neuplanungen in Auftrag zu geben, versuch-
te er in seinem Bericht vom 21. April 1812, Ansich-
ten und Auflagen des Zivilbaurates zu entkräften. Er
legte die „alten“ Pläne erneut zur Genehmigung vor
und verkündete, dass man inzwischen mit der Aus-
führung des Brunnens begonnen habe.
In seinem Erlass vom 23. Juni 1812 erteilte der In-
nenminister die endgültige Genehmigung zur Aus-
führung der Planungen Chauchets. Dieser Erfolg
entband Doazan jedoch nicht von der Notwen-
digkeit, sich beim Munizipalrat durchzusetzen. Be-
reits am 28. Februar 1812 wies er den Rat an, den
für die Ausführung des Brunnens in den Haushalt
96 François Peyre le Jeune war leitender Baumeister bei der Errichtung des Kurfürstlichen Schlosses gewesen.
eingebrachten Betrag von 3500 Francs an Chauchet
als Lohn für die bisher erbrachten Leistungen auszu-
zahlen. Zusätzlich forderte er die Bereitstellung
weiterer Mittel durch die Gemeinde.97
Maire Nebel wollte sich nicht ohne Weiteres dem
Willen des Präfekten unterordnen und wies daher
am 30. März 1812 darauf hin, dass es im Falle der
Bereitstellung zusätzlicher Gelder große Schwierig-
keiten geben würde. Doazan ließ sich nicht sonder-
lich beeindrucken und wiederholte seine Weisungen
am 1. April und 2. Juli 1812 noch einmal.
Die Rechnung des Präfekten ging auf: Der Munizi-
palrat entschloss sich dazu, noch einmal 4493 Francs
an Chauchet zu zahlen. In der Zwischenzeit stand
jedoch fest, dass die vom Architekten errechneten
Kosten in Höhe von 9953 Francs zu niedrig ange-
setzt worden waren. In seinem Brief an den Präfek-
ten teilte Chauchet mit, dass er zur Ausführung von
Ergänzungsarbeiten weitere 2.695 Francs benötigen
würde und dass die Stadt diesen Mehrbetrag in den
Haushaltsplan 1814 einbringen müsse. Ob Doazan
diesem Antrag Folge geleistet hat, ist aus den schrift-
lichen Quellen nicht mehr zu ersehen. Fest steht
97 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
166 Teil 3 ______________________________________________________________________________
jedoch: Am 18. August 1812 sprudelte der Brunnen
anlässlich des Geburtstagsfestes von Kaiser Napoleon
zum ersten Mal. Es ist überliefert, dass anlässlich der
Einweihung aus den Röhren rund 4,8 Hektoliter
Wein flossen.98
Der neue Kastorbrunnen mit seinem Sockel aus
Niedermendiger Basalt wurde mit einer großen Fi-
gurengruppe aus Kalkstein geschmückt, die Rhein
und Mosel symbolisiert. Sie wurde von dem Aache-
ner Bildhauer Rauch (Fritz Michel nennt als Her-
kunftsort Koblenz99) angefertigt und vom Maler
Johann Baptist Bachta (1782–1856) goldbronziert.100
Diese Plastiken hat man aber schon in der Anfangs-
zeit der preußischen Herrschaft wegen der starken
Verwitterung wohl im Zuge der Sanierungsmaßnah-
men von 1817 entfernt.101
An der Ostseite des Kastorbrunnens befindet sich eine
französischsprachige Inschrift, die – frei übersetzt –
lautet: „Jahr 1812. Zur Erinnerung an den Feldzug
gegen die Russen unter der Präfektur von Jules Doa-
zan.“ Berühmt geworden ist der ebenfalls in französi-
scher Sprache angebrachte Zusatz „Gesehen und
genehmigt durch uns, den russischen Kommandan-
ten der Stadt Koblenz am 1. Januar 1814.“ Bislang
hat sich die stadtgeschichtliche Forschung an den
Ausführungen des Chronisten Christian von Stram-
berg orientiert, der die eigentliche Inschrift und die
auf der Westseite des Brunnens befindliche Widmung
an Kaiser Napoleon in das Jahr 1812 datiert hatte.102
Hans Bellinghausen hat in einem Aufsatz von 1993
diese Darstellung bezweifelt. Er verlegt die Anbrin-
gung der Inschrift in den Oktober des Jahres 1813
und stellt diesen Vorgang als Nacht-und-Nebel-
Aktion Chauchets dar. Der Ingenieur soll dabei ei-
genmächtig gehandelt haben, da sich der Präfekt
damals auf einer Inspektionsreise befand. Bel-
linghausen geht ferner davon aus, dass Doazan erst
98 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz: Wahr-scheinlich gleichzeitig mit dem Neubau des Brunnens auf dem Kastor-hof wurde der Garten des ehemaligen Deutschherrenhauses am Zusam-menfluss von Rhein und Mosel an die Wasserleitung angeschlossen – das am Kastorbrunnen nicht benötigte Wasser wurde aufgefangen und in das Gebäude weitergeleitet. 99 Vgl. Michel, Kunstdenkmäler, S. 362. 100 Eine Beschreibung des Brunnens und einen ausführlichen Bericht über die Geschehnisse, die schließlich zur Anbringung der Inschrift führte, bringt: Bellinghausen, 2000 Jahre Koblenz, S. 224f. 101 Dazu: StaK-623, 2431, S. 5ff. Vgl. Michel, Kunstdenkmäler, S. 362. 102 Vgl. Stramberg, Christian von, Coblenz, die Stadt. Historisch und topographisch dargestellt, Bd. 1–4, Koblenz 1851–1853. (Denkwürdi-ger Rheinischer Antiquarius, 1. Abt.), Bd. 2, S. 682.
nach Abschluss des Feldzuges die weiteren Schritte
veranlassen wollte. Bei seiner Rückkehr war der Krieg
aber bereits zuungunsten Frankreichs entschieden,
Chauchet hätte demnach seinem Auftraggeber eine
alles andere als angenehme Überraschung bereitet.103
3.6 Der Streit um das Quellwasser
Auch nach dem Abzug der Franzosen gab es immer
wieder Probleme mit der Wasserleitung. In den Jah-
ren 1816 und 1817 hatte der „Geisborn“ derart an
Ergiebigkeit eingebüßt, dass sich die Verantwortli-
chen in Koblenz überlegten, den Metternicher „Her-
renweiher“ für die Trinkwasserversorgung der Stadt
zu erschließen. Die Rechtsgrundlage zur Umsetzung
dieses Planes war für die Kommune der Beschluss des
französischen Präfekten vom 13. April 1805, mit dem
die ehemals kurfürstliche Leitung an die Gemeinde
übertragen worden war. Der Protest der Metternicher
ließ nicht lange auf sich warten. Man beanspruchte
den „Herrenweiher“ für den Ort und berief sich dabei
auf die Entscheidung der französischen Zentral-
verwaltung vom 19. August 1799. Demnach war der
Weiher dem Dorf zur Anlage einer Zweigleitung
zugesprochen worden.104
Die Königliche Regierung in Koblenz verfügte am 1.
Juli 1819 die Bildung einer Kommission zur Untersu-
chung der schwierigen Verhältnisse. Diesem Gremi-
um gehörten an: Regierungsassessor Heil, Oberbür-
germeister Abundius Maehler, Bürgermeister Freiherr
von Eltz-Rübenach und Ortsvorsteher Nicolaus Ollig
für die Gemeinde Metternich. Als Sachverständige
standen der Hauptmann Jacob von Kirn, der Bauin-
spektor Johann Claudius von Lassaulx und Brunnen-
meister Johann Hermann Kuhl bereit. Die Sitzungen
fanden am 9. und 10. Juli 1819 statt. Während dieser
Zusammenkünfte berichtete der Landwirt Anton
Rath, Inhaber des ehemals der Zisterzienserabtei Ma-
rienstatt gehörenden Hofes, über die Anlage der
Zweigleitung vom „Herrenweiher“ zu seinem Eigen-
tum. Der Amtsbürgermeister Freiherr von Eltz-
Rübenach verwies auf die besondere Bedeutung des
„Pfingstborns“ und des „Herrenweihers“ für das Dorf.
Die Metternicher wollten die „Herrenweiher-Quelle“
auf keinen Fall aufgeben, weil diese nach ihrer An-
103 Vgl. Bellinghausen, Kastorbrunnen, S. 147. 104 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 167 ______________________________________________________________________________
sicht nicht nur für eine hinreichende Wasserversor-
gung unerlässlich war, sondern auch im Brandfall
dringend gebraucht wurde. Diese Darstellung stimm-
te nur bedingt, war doch die „Herrenweiher-Quelle“
die kleinste der drei bereits erschlossenen Met-
ternicher Quellen.105
Auch insgesamt gesehen stand es um die Was-
serversorgung im Dorf Metternich gar nicht so
schlecht: Der Ort wurde über fünf Quellwasserbrun-
nen, einen Weiher und den Brunnen im Hofe des
Bauern Rath mit frischem Wasser versorgt. Für ei-
nen Kompromiss schien keine Chance zu bestehen,
denn auch Abundius Maehler rückte nicht von sei-
nem Standpunkt ab. Die Stadt erhob also weiterhin
einen Alleinanspruch auf die Wasserleitung sowie
die Quellen „Geisenborn“ und „Herrenweiher“. Der
Koblenzer Oberbürgermeister erinnerte an die Be-
schwerden der Anwohner über das Nachlassen des
Clemensbrunnens und den erhöhten Wasserbedarf
militärischer Einrichtungen in der Stadt. Darüber
hinaus wies Maehler darauf hin, dass alle Bemühun-
gen um den Bau eines Brunnens auf dem Florins-
markt wegen der Grundwasserverhältnisse in diesem
Bereich der Altstadt gescheitert waren.106 Den Met-
ternichern war natürlich bestens bekannt, dass man
im Ort auch ohne das Wasser des „Herrenweihers“
hätte auskommen können. Der Freiherr von Eltz-
Rübenach erklärte sich schließlich bereit, gegen eine
angemessene Entschädigung auf den Alleinanspruch
zu verzichten.107
Mit den Verhandlungen im Sommer 1819 war es
nicht getan. Die Auseinandersetzungen dauerten
noch Jahre. Noch 1825 und 1826 befassten sich
weitere Kommissionen mit der Angelegenheit. Bei
den Sitzungen standen ebenfalls die Aufteilung der
Kosten für die Unterhaltung der Wasserleitung auf
der Tagesordnung, denn nicht nur die Gemeinde,
sondern auch der Militärfiskus profitierte von der
Anlage. Es ist nur allzu verständlich, dass die Stadt
auf einer angemessenen Beteiligung des Staates bei
der Aufbringung der erforderlichen Mittel beharrte.
105 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 106 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 107 Der Anschluss der „Herrenweiher-Quelle“ erforderte mehrere bauli-che Veränderungen, so zum Beispiel die Verlegung des Brandweihers.
Eine verbindliche Regelung für alle beteiligten Par-
teien kam erst durch den Vertrag vom 28. November
1826 und das Zusatzabkommen vom 27. September
1828 zustande. Die Vereinbarungen regelten die
Instandsetzungs- und Benutzungsmodalitäten. In
ihrer Übereinkunft mit der Stadt verzichtete die Ge-
meinde Metternich auf ihre Ansprüche am „Herren-
weiher“. Einer Vereinigung der Quelle mit dem
„Geisborn“ stand jetzt nichts mehr im Wege. Im
Gegenzug verpflichteten sich Militärfiskus und
Stadt, eine Abfindung in Höhe von 900 Talern für
die Anlage eines neuen Brandweihers und die Er-
schließung des „Pfingstborns“ zu zahlen. Die Ge-
meinde musste allein 75 Prozent dieser Entschädi-
gungssumme tragen, da das Militär sich verpflichtet
hatte, nur ein Viertel der gesamten Wassermenge für
sich zu beanspruchen. Gleiche Verhältnisse galten
für die Aufteilung der Unterhaltungskosten für die
Wasserleitung.108
Eine Ausnahme bildeten die Zweigleitung ins
Schloss, die Brunnenstube in der Nagelsgasse zur
Versorgung des Generalkommandos im von der
Leyenschen Hof, die Abläufe des Clemens- und
Kastorbrunnens in den Festungsbauhof und in den
Garten des ehemaligen Deutschordenshauses109 sowie
die Nebenleitung in die Zisterne auf der Moselfle-
sche. Hinzu kamen die Zweigleitungen vom Cle-
mensbrunnen in die Militärbäckerei, Proviantamts-
und Ingenieurgebäude. Für diese Anlagen übernahm
das Militär sämtliche Kosten. Für die Unterhaltung
der Brunnen und ihrer Zuleitungen auf dem Plan, in
der Neustadt und auf dem Kastorhof war die Kom-
mune allein verantwortlich.110
Die frühe Diskussion um die Neuordnung der Was-
serversorgung fällt in eine Zeit, in der auch andern-
orts die frühen Quellwasserleitungen nicht den
108 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 109 Die Leitung in den Garten des früheren Deutschordenshauses hatte man am 1. Januar 1866 aufgegeben. Zu einer Wiederinbetriebnahme kam es im Juni 1990, also nachdem zwei Jahre zuvor das Staatsarchiv in die Anlage eingezogen war. 110 StaK-623, 2432: Auszug aus dem Ratsprotokoll, 8. September 1834; StaK-623, 1195: Brief der jüdischen Gemeinde an den Präfekten, 20. Dezember 1810. Das jüdische Frauenbad in der Balduinstraße durfte nachts mit Wasser aus der Leitung gefüllt werden. Die jüdische Ge-meinde musste dafür 35 Taler im Jahr zahlen. Die Stadt erhielt 75 Prozent der Gebühr, den Rest der Militärfiskus. Die im August 1820 verlängerte Konzession (vgl. LHA-441, 2921, S. 1, 5 und 7ff) bestand bis 1834. Im September jenes Jahres teilte die jüdische Gemeinde mit, dass sie des Wassers aus der Leitung nicht mehr bedürfe. Der vorhande-ne Ziehbrunnen war durch eine Druckpumpe ersetzt worden.
168 Teil 3 ______________________________________________________________________________
„modernen“ Bedürfnissen in den nun stärker wach-
senden deutschen Städten genügten. So machten
sich um 1825 auch in Frankfurt Mängel an der frü-
hen Quellwasserleitung bemerkbar, die damals be-
reits seit rund 200 Jahren bestand. Der in städti-
schen Diensten stehende Chaussee-, Weg- und Brü-
ckenbauinspektor Philipp Jakob Hoffmann wurde
beauftragt, ein Gutachten anzufertigen, das den Bau
einer neuen, ergiebigeren Quellwasserleitung vorbe-
reiten sollte. Der angeforderte Bericht lag 1827 vor.
Ein Jahr später begann der Bau der Leitung aus dem
Knoblauchsfeld. 1834 war das Projekt abgeschlos-
sen.111 Dagegen musste man sich in Koblenz weiter-
hin mit Provisorien begnügen, weil die Topografie
der Umgebung die Suche nach einer geeigneten
ergiebigen Quelle unmöglich machte. Man bedenke:
Zu dieser Zeit war es technisch noch nicht möglich,
einwandfrei funktionierende Grundwasserwerke zu
bauen. Sogar im fortschrittlichen England entnahm
man das Trinkwasser noch direkt aus den Flüssen –
mit dramatischen Folgen. 1831 starben allein in
London 50.000 Menschen an der Cholera.112
Aber nicht nur in den großen deutschen Städten wie
Frankfurt zeigte sich, dass die bekannten Quellwas-
servorkommen mir fortschreitender Urbanisierung
nicht mehr ausreichten. Die Verhältnisse in Metter-
nich, das lange Jahre keine Wasserprobleme gekannt
hatte, beweisen, wie der allzu sorglose Umgang mit
den vorhandenen Resourcen zu neuen Schwierigkei-
ten führen konnte. Kaum waren die Auseinander-
setzungen zwischen Gemeinde, Stadt und Militärfis-
kus beigelegt, nahmen im Dorf die Klagen über den
Wassermangel zu. 1837 genehmigte der Metternicher
Gemeinderat schließlich Mittel, damit weitere Quellen
aufgespürt werden konnten. Die Suche nach neuen Was-
servorkommen blieb lange erfolglos. Auch in den folgen-
den Jahrzehnten sollte Wassermangel zu einem der gro-
ßen Probleme Metternichs werden, das sich immer mehr
zum Wohnvorort von Koblenz und zum Industriestand-
ort mit bedeutenden Betrieben entwickeln sollte. Mit dem
Wachstum der Gemeinde und einem veränderten Hygie-
nebewusstsein ging ein erheblich steigender Wasserbedarf
einher. Gleichzeitig ging aber die Ergiebigkeit der örtli-
chen Quellen zurück. Trotzdem verhielt man sich so, als
ob der einstige Wasserreichtum weiter bestehen würde.
Man dachte nicht daran, Sammelbecken oder Reservoire
111 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 167. 112 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 170.
für das Quellwasser anzulegen. Das ungenutzte Wasser
aus den Brunnenstöcken floss einfach in den Chaussee-
graben (später Trierer Straße) ab. Immerhin gab es einen
Abnehmer für das überschüssige Wasser. Es war die Ei-
senbahnbauverwaltung, die am Ort eine eigene Ziegelei
unterhielt.113 Ein Schritt, das Versorgungsproblem in den
Griff zu bekommen, waren Neubau und Erweiterung des
Wasserleitungsnetzes, die schließlich 1861 begannen.
Damals wurden auch die alten Bleiröhren durch gussei-
serne Leitungen ersetzt. Das Material lieferte die Kölner
Maschinen-Bau-Actien-Gesellschaft.114
Ebenfalls ins Jahr 1861 fiel der erneute Versuch der Ge-
meinde Metternich, weitere Quellen aufzuspüren. Man
bat den Landrat, den Franzosen Abbé Richard anzufor-
dern. Der bekannte Wünschelrutengänger war auf Bitten
des Landratsamtes nach Koblenz gekommen, um in der
Region tätig zu werden. Richard wurde in Metternich
fündig. Er entdeckte eine neue Quelle im Bereich der
Gemarkung Herderswiese, die in das Netz eingebunden
wurde und Weihnachten 1861 in Betrieb ging. Die Ge-
meinde hatte Zeit gewonnen. Und so beschloss der
örtliche Rat erst im Mai 1866, drei der vier öffentlichen
Laufbrunnen mit Zisternen auszustatten, um das über-
schüssige Wasser auffangen zu können.115
113 Metternich war einst Standort bedeutender Ziegeleien. 114 Vgl. Engelke, Quellen, S. 269. 115 Vgl. Engelke, Quellen, S. 270.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 169 ______________________________________________________________________________
Abbildung 41: Auch nach Inbetriebnahme des ersten Koblenzer Wasserwerks auf dem Oberwerth hatten viele Haushalte kei-nen direkten Zugang zur neuen zentralen Wasserversorgung. Trink- und Brauchwasser konnten daher noch lange über die Wasserwagen bezogen werden. Die undatierte Aufnahme könnte beim Festzug zum 75-jährigen Bestehen des Koblenzer Ver-eins der Fuhrunternehmer entstanden sein. Der Zug von 1920 wurde vom städtischen Fuhrpark unterstützt.
4. Ziehbrunnen und Wasserwerk
ie Trinkwasserversorgung durch Ziehbrunnen
brachte viele Unannehmlichkeiten mit sich.
Die Beseitigung von Eis im Brunnenschacht in der
kalten Jahreszeit war noch das geringste Übel. Im-
mer wieder rissen Zugseile und Ketten, die Achsen
der Brunnenrollen brachen: Schäden, die eine be-
sondere Gefahr für Kinder darstellten. Immerhin
wog eine Messingrolle 20 Pfund, das Gewicht der
Eimer war ebenfalls nicht zu unterschätzen, Belas-
tungen, die ein Kind ohne Weiteres in die Tiefe
ziehen konnten! Der Ausspruch „das Kind ist in den
Brunnen gefallen“ und Nürnberger Quellen über
beim Wasserschöpfen tödlich verunglückte Personen
sind ein Beweis dafür, dass diese Ausführungen kei-
ne Theorie sind.116 Vor diesen Hintergründen wird
es klar, warum man sich schon lange vor dem Ein-
setzen der Hygienediskussion im 19. Jahrhundert
um die Verbesserung der Zustände und die Ergän-
zung der Brunnen durch Wasserleitungssysteme
bemühte. In Koblenz trug die noch aus kurfürst-
116 Vgl. Kluge, Wassernöte, S. 16.
licher Zeit stammende Metternicher Wasserleitung
mit ihren öffentlichen Entnahmestellen zur Verbes-
serung der Wasserversorgung bei. Darüber hinaus
bestanden – zumindest ab 1848 – auf dem Plan und
auf dem Clemensplatz zwei Zisternen zur Aufnahme
von Regenwasser. Dies geht aus einem Schreiben des
Brunnenmeisters Joseph Kuhl an Oberbürgermeister
Friedrich Wilhelm Alexander Bachem hervor.117
Auch wenn im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
immer mehr Wasserwerke ans Netz gingen, wurde
der Löwenanteil des Wasserbedarfs nach wie vor
über die Grundwasserbrunnen gedeckt. In den
1890er-Jahren waren 60 Prozent der Bewohner im-
mer noch nicht an die neuen Wasserversorgungs-
systeme angeschlossen.118 Diese Feststellung galt im
Großen und Ganzen auch für Koblenz. In der Stadt
lässt sich der Standort der öffentlichen Brunnen
mithilfe einer ergänzten Reproduktion des Plans
117 StaK-623, 5791: Brief, 2. September 1848. Aus der Akte geht hervor, dass die Zisterne auf dem Plan bereits 1849 so undicht war, dasss sie das Wasser nicht mehr halten konnte. Bevor es zur Reparatur der Anlage kam, musste die Angelegenheit vor Gericht geklärt werden, das sich der Erbauer der Zisterne weigerte, die Arbeiten unentgeltlich auszuführen. 118 Vgl. Reulecke, Urbanisierung, S. 60.
D
170 Teil 3 ______________________________________________________________________________
bestimmen, den der Notar und Geometer Johann
Peter Dilbecker 1794/1795 anfertigte.119 Demnach
befanden sich Brunnen vor den Häusern Altengra-
ben 8120, Altenhof 7, Firmungstraße 17, Löhrstraße
3, unter der Mehlwaage im Haus Kornpfortstraße
19, in der Görgengasse, in St. Görgen, am südlichen
Rand des heutigen Münzplatzes (ehemals Bachemer
Pütz), in der Pfuhlgasse, am Plan sowie in der Wei-
ßer- und Wöllersgasse. Weitere Brunnen lagen im
Maisengässchen, im Dreitaubengässchen,121 an der
Ecke Nagelsgasse/Kastorhof, im Jesuitengässchen, in
der Rheinstraße unterhalb der ehemaligen Karmeli-
terkirche und in der Clemensstraße.122
Benutzung und Unterhaltung der öffentlichen
Brunnen waren ähnlich wie Genossenschaften orga-
nisiert. Die Bewohner einer Straße hatten sich zu-
sammengeschlossen, um die Brunnen auf eigene
Kosten zu unterhalten oder gegebenenfalls neu anzu-
legen. Gelegentlich erhielten sie städtische Zuschüs-
se. Alt- und Jungmeister leiteten diese Brunnen-
nachbarschaften. Einnahmen und Ausgaben wurden
in kleinen Büchern verzeichnet. Diese enthalten
auch die Namen der Brunnenmeister und Angaben
über die durchgeführten Reinigungsarbeiten. Derar-
tige Aufzeichnungen sind zum Beispiel noch für die
Görgengasse123 und das Maisengässchen124 erhalten.
Das bis in das Mittelalter zurückreichende System
der Brunnennachbarschaften blieb noch lange beste-
hen, auch wenn nach 1820 die Umstellung der
Ziehbrunnen auf den Betrieb mit Handpumpen er-
folgte. Weil die Modernisierungen erhebliche Kosten
verursachten, gewährte die Stadt Zuschüsse.125 Um-
wandlungen der bestehenden Einrichtungen vollzo-
gen sich 1825 in der Nagelsgasse, 1832 auf dem
Fruchtmarkt (Florinsmarkt), 1833 im Altengraben,
1834 in der Clemensstraße und auf dem Gemüse-
markt (ein Teil des heutigen Münzplatzes) sowie
1836 auf dem Altenhof und in der Görgengasse.
1837 folgten die Mehl- und Wöllersgasse, 1839 die
119 Reproduktion und Original befinden sich im Stadtarchiv Koblenz. 120 Der Einfachheit halber werden an dieser Stelle die heutigen Hausnummern genannt. 121 Beide Gassen waren Nebengassen der Kastorstraße und existieren heute nicht mehr. 122 Vgl. Schmidt, Wasserversorgung. 123 StaK-623, 2637: Brunnenbuch aus der Görgengasse (1726–1854). 124 StaK-623, 2638: Brunnenbuch der Nachbarschaft des Brunnens in der Meisgengasse (1741–1821). Die Schreibweise für das Maisengäss-chen ist in den schriftlichen Quellen nicht einheitlich geregelt. 125 StaK-623, 5741: Brunnen und Wasserleitungen.
Kornpforte, 1851 das Dreitaubengässchen (eine Sei-
tengasse der Kastorstraße). Die Umstellung verlief
allerdings nicht immer reibungslos. 1835 verklagte
die Brunnennachbarschaft der Löhrstraße die Stadt
wegen der Verlegung „ihres“ Brunnens.126 Noch vor
der Mitte des 19. Jahrhunderts löste sich das jahr-
hundertealte System der Brunnennachbarschaften
allmählich auf. Immer mehr Hausbewohner weiger-
ten sich, ihren Beitrag zu leisten. Aus diesem Grund
beschlossen die Stadtverordneten am 21. Dezember
1853, die Unterhaltung der Brunnen zu übernehmen
und einen entsprechenden Vertrag mit einem Privat-
unternehmer abzuschließen.127 Diese Vereinbarung
kam Anfang 1854 zustande. Partner der Gemeinde
wurden die Gebrüder Zilken und der Pumpenma-
cher Mannebach.128 Schon 1852 waren – mit Aus-
nahme des Maisengässchens – alle Brunnen auf
Pumpbetrieb umgestellt worden.129
4.1 Die Pumpstation Oberwerth
Der steigende Wasserverbrauch führte vor dem Hinter-
grund des neuen Hygienebewusstseins dazu, dass auch in
Koblenz der Ruf nach einer modernen Wasserversorgung
immer lauter wurde. Doch noch gab es zu den Brunnen
mit Handpumpenbetrieb keine Alternative. Es gab weit
und breit keine ergiebigen Quellen, die die aufstrebende
Provinzhauptstadt hätte ausreichend versorgen können.
Deswegen fanden die im „Deutschen Verein für öffentli-
che Gesundheitspflege“ (DVföG) vor allem auf den Jah-
restagungen von 1876 und 1877 geführten Debatten über
das optimale Trinkwasser in Koblenz keine große Reso-
nanz. In diesen Versammlungen hatte man eindeutig dem
Quellwasser den Vorzug vor dem Uferfiltrat gegeben. Der
Begriff „Quellwasser“ war für die Mitglieder der DVföG
ein Sammelbegriff für genau das Trinkwasser, das aus
tiefen Gesteinsschichten gewonnen wurde.130
In Koblenz war das Quellwasser aus Metternich sogar
gehörig in Misskredit gekommen – nicht etwa, weil das
Wasserdargebot erheblich gesunken war. Vielmehr wur-
den immer mehr Zweifel an der Qualität des Trinkwas-
sers geäußert.
126 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 280. Die Details sind enthalten in: StaK-623, 2301: Der Rechtsstreit der Stadt Koblenz gegen die Nachbar-schaft des Brunnens auf der Löhr. 127 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 281. 128 StaK-623, 5791: Nicht datierter Vertragsentwurf. 129 StaK-623, 5791: Brunnen in Koblenz (Verzeichnis). 130 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 55.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 171 ______________________________________________________________________________
Abbildung 42: Im Bassenheimer Hof befanden sich ursprünglich nicht nur Pfandhaus und Sparkasse, sondern auch die Sammel-stelle für Kehricht- und Wasserwagen (zur Sprengung der Straßen) der Stadt Koblenz. Das Foto entstand 1898.
Bereits 1859 hatte Dr. Friedrich Albert Erlenmeyer aus
Bendorf eine Studie über die Verbreitung der Idiotie in
der Region vorgestellt, die er im Wesentlichen auf die
Eigenschaften des Trinkwassers zurückführte.131 Der Me-
diziner meinte damit den endemischen und epidemischen
Kretinismus nach Kropfbildung. Erlenmeyer stellte fest,
dass der Kreis Koblenz neben einem Gebiet rund um den
Laacher See die höchste Rate dieser Krankheiten in der
Rheinprovinz aufwies. In Zahlen hieß das: Auf dem Nie-
derwerth kamen 70 „Idioten“ auf 1000 Einwohner, in
Metternich 69. Laut Erlenmeyer könne das Trinkwasser
bei der Kropfbildung eine Rolle spielen.132 Dieser Zu-
sammenhang ist auch aus heutiger Sicht nicht abwegig.
Bekanntlich gilt der Jodmangel im Trinkwasser und in
Nahrungsmitteln im Binnenland auch heute noch als
Hauptursache für Schilddrüsenerkrankungen. Da man in
Koblenz reichlich Erfahrungen mit fehlgeschlagenen
Schürfungen und Bohrungen hatte, wandte man sich
an einen Experten, der in ganz Europa Erfahrungen
131 Vgl. Engelke, Quellen, S. 273: Trinkwasser und Kretinismus. Natur-historischer Verein der preußischen Rheinlande und Westfalen. Bericht über die 16. General-Versammlung zu Bonn. In: Kölnische Zeitung, 24. Juni 1859. 132 Vgl. Engelke, Quellen, S. 273.
gesammelt hatte – Ernst Grahn (1836–1906). Der
Ingenieur war 20 Jahre lang Direktor der Krupp’schen
Wasserwerke gewesen, die er weitgehend selbst aufgebaut
und organisiert hatte. Sein Engagement bewirkte den
Zusammenschluss des Gas- und Wasserfachs im Deut-
schen Verein von Gas- und Wasserfachmännern
(DVGW) 1870 und die Gründung der gemeinsamen
Fachzeitschrift GWF. Im Laufe seines Berufslebens war
der Ingenieur für mehr als 70 Städte im In- und Aus-
land, darunter zum Beispiel Wien, Budapest und
Triest, als Berater tätig. In seinem zweibändigen Werk
„Die Wasserversorgung im Deutschen Reich und einigen
Nachbarländern“ sollte er später auf 1400 Seiten Angaben
über Entstehung, Entwicklung und Art der Wasserversor-
gungsanlagen zusammenstellen.133
Bei der DVföG war Ernst Grahn kein Unbekannter: Er
war der prominenteste Sprecher derjenigen, die bei der
Versammlung 1876 gegen die „Quellwasser-Resolution“
gestimmt hatten. Ernst Grahn stellte sich somit an die
Seite der finanzschwachen Kommunen, deren geologische
Verhältnisse zudem nicht geeignet waren, eine auf Quell-
133 Vgl. Schnappauf, Frühe Wasserversorgung, S. 26.
172 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 43: Die nach Plänen des Ingenieurs Ernst Grahn errichtete Pumpstation I, die 1886 fertiggestellt wurde. Das Hochwasserfoto stammt von 1929. Es ist die einzige erhaltene Einzelaufnahme des frühen Koblenzer Wasserwerks.
wasser basierende Trinkwasserversorgung aufzubauen.134
Der Maschinenbauingenieur betonte sogar, dass der
schädliche Einfluss des Wassers noch nie einwandfrei
bewiesen werden konnte und erklärte 1877 in der „Deut-
schen Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspfle-
ge“ (DVÖG): „[…] Fast alle über diesen Gegenstand
aufgestellten Beobachtungen sind entweder unsicher oder
zu neu und zu wenig umfassend, um daraus sichere
Schlüsse ziehen zu können. […]“135 Ernst Grahns klares
Votum für Grundwasserwerke kam nicht von ungefähr:
Inzwischen war es Ingenieuren wie Adolf Thiem (1836–
1908) gelungen, diesen neuen Typ auf konstruktiv sichere
Grundlagen zu stellen.136
Ernst Grahn war der richtige Mann, um sich mit den
besonderen topografischen Verhältnissen in Koblenz
auseinanderzusetzen. Es sollte sich bald auszahlen, dass
die Stadtväter Grahn engagiert hatten. Doch noch war es
nicht so weit. Bevor man in Koblenz daran ging, für die
134 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 55. 135 Vgl. Ernst Grahn in DVÖG 9/1877. Zitiert nach Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 56. 136 Gockel, Wasserversorgung, S. 23.
Bevölkerung eine zentrale Wasserversorgung zu schaffen,
kümmerte man sich erst einmal um die Rheinanlagen, die
so etwas wie ein neues Markenzeichen der Residenzstadt
geworden waren, das viele Touristen anzog. Nach einem
Bericht des städtischen Brunnenmeisters H. J. Kuhl hatte
man dort bereits im Frühjahr 1870 rund 100 Bewässe-
rungsstellen und einige Brunnen fertiggestellt. Durch das
Herausputzen ihrer Anlagen wollten sich die Verantwort-
lichen von ihrer besten Seite zeigen – immerhin stand der
Besuch des preußischen Königs bevor.137
Anlass für wesentlich größer angelegte Planungen gaben
schließlich die Streitigkeiten zwischen Kommune und
dem Militärfiskus wegen der Nutzung der alten kurfürst-
lichen Metternicher Wasserleitung. Die Fortifikations-
verwaltung wollte sich mit der im November 1826 ver-
einbarten Aufteilung des Quellwassers nicht mehr zufrie-
dengeben und beanspruchte fortan die Hälfte der Was-
sermenge. 1877/78 begannen die Verhandlungen. Um
künftige Auseinandersetzungen zu vermeiden, leiteten die
137 LHA-655,18, 1072: Brief Kuhls an die Bürgermeisterei Koblenz-Land, 30. April 1870.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 173 ______________________________________________________________________________
Abbildung 44: Die 1904 vollendete Pumpstation II. Das Gebäude auf dem südlichen Oberwerth steht noch heute.
Stadtväter gleichzeitig die Einrichtung einer zentralen
kommunalen Trinkwasserversorgung in die Wege. Schon
1876 hatte der Ingenieur Adolf Krackow, vormals Direk-
tor des Koblenzer Gaswerkes, laut über den Bau eines
Wasserwerkes nachgedacht. Die Verwaltung beauftragte
schließlich die Rheinische Wasserwerksgesellschaft in
Bonn, südlich der Horchheimer Brücke auf dem Ober-
werth Probebohrungen vorzunehmen.138 Diese erfolgten
im November 1879 und sollten verlässliche Daten liefern,
die für den Bau eines modernen Grundwasserwerkes
unerlässlich waren. Ein Versuchsbrunnen war so ergiebig,
dass die Stadt den Bau einer Pumpstation ins Auge fass-
te.139 Schließlich wurde der Ingenieur H. Grunder mit
einem „Vorproject zur Wasserversorgung“ beauftragt. Das
1882 erstellte Gutachten enthielt Untersuchungen zur
geologischen Situation, eine Beurteilung der Trinkwas-
serqualität und natürlich auch Kostenvoranschläge.140
138 LHA-539,1, 498: Brief des Koblenzer Oberbürgermeisters Karl Heinrich Lottner an die Bezirksregierung, 11. Juli 1879. 139 Einsmann, Hermann Ludwig, Die Wasserversorgung der Stadt Coblenz, in: Deutschlands Städtebau – Coblenz. Anlässlich der rheini-schen Jahrtausendfeier im Auftrage des Oberbürgermeisters Dr. [Karl] Russell bearbeitet von Dr. [Hans] Bellinghausen. 2. Auflage, Koblenz 1925, S. 136. 140 StaK, KH-84: Vorproject zur Wasserversorgung der Stadt Coblenz.
Bei den Planungen für das neue Wasserversorgungssystem
wurden die in Koblenz zahlreich vorhandenen militäri-
schen Bauten nicht berücksichtigt. Auch versuchte das
Militär nicht, auf die Vorbereitungen der Kommune
Einfluss zu nehmen. Der Grund hierfür dürfte in der
Tatsache zu suchen sein, dass die meisten Soldaten nach
wie vor in den zahlreichen Befestigungsanlagen unterge-
bracht waren, die von Anfang an ihre eigenen Anlagen zur
Trinkwassergewinnung hatten. Die Festungswerke besa-
ßen in der Regel Brunnen und Zisternen, in einigen Fäl-
len auch eigene Wasserleitungen, wie die Beispiele Fes-
tung Ehrenbreitstein und Feste Franz im heutigen Stadt-
teil Lützel zeigen. Für Letztere musste das Militär 1881
auf eigene Kosten eine neue Leitung legen, weil das
Brunnenwasser durch die unzureichende Abwasserentsor-
gung verseucht war. Die Situation sollte sich erst in den
ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ändern, als die Versor-
gungsengpässe in den militärischen Anlagen immer grö-
ßer wurden. Im Falle der Feste Alexander auf der Kar-
thause brachten städtische und private Wasserwagen das
Trinkwasser. Bis 1914 wurde die Festung an das kommu-
nale Wasserversorgungsnetz angeschlossen.141
141 Vgl. Tippach, Koblenz, S. 146ff.
174 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Tabelle 5: Wasserversorgungssysteme im Regierungs- bezirk Koblenz. Gemeinden (Auswahl), Baujahr und Versorgungstyp nach Ernst Grahn.
Gemeinde Baujahr Typ Ahrweiler 1893 Quellwasser Altenkirchen 1890 Quellwasser Altwied 1890 Quellwasser Andernach 1882 (Umbau) Quellwasser Bendorf 1895 Grundwasser Betzdorf 1891–1893 Quellwasser Boppard 1894–1895 Quellwasser
Grundwasser St. Goar 1892 Quellwasser Heddesdorf 1891–1892 Quellwasser Horchheim 1880 Quellwasser Cochem 1881 Quellwasser
(Gefälleleitung ohne Reservoir)
Kreuznach 1888–1890 Quellwasser Linz 1884 Quellwasser Mayen 1886 Quellwasser Münstermaifeld 1893 Grundwasser Neuwied 1884 Versorgung aus
dem Wiedbach Remagen 1884 Quellwasser Simmern 1880 Quellwasser Sinzig 1887 Grundwasser Weißenthurm 1894? Grundwasser Wetzlar 1883–1894 Quellwasser Koblenz 1885–1886 Grundwasser
Als es um die Ausführung des neuen Trinkwasserver-
sorgungssystems für Koblenz ging, trat Ingenieur
Grunder übrigens nicht mehr in Erscheinung. Man
wollte von Anfang an die Ausführungsplanung einem
besonders erfahrenen Fachmann übertragen – ein
weiteres Argument, das für Ernst Grahn sprach. Nach
seinem Ausscheiden aus den Krupp-Werken ließ sich
der frühere Direktor 1883 für sechs Jahre als beraten-
der Ingenieur in der Koblenzer Mainzer Straße 28
nieder, wo er sich den Entwürfen für die Wasserver-
sorgung in der Stadt an Rhein und Mosel widmete.142
Nur ein Jahr später legte er seinen „Erläuterungsbe-
richt zum Projecte für das Wasserwerk“ vor.143 Zu
dieser Zeit war in Trier bereits die erste Pumpstation
in Betrieb genommen worden.
Auch Ernst Grahn bewertete das Rheinufer auf der
Insel Oberwerth für den Bau einer Pumpstation als
bestens geeignet. In seinem Bericht sprach er sich
dafür aus, das Wasser „aus dem Kiesbette des Rheins“
über Brunnen zu entnehmen. Den neuesten techni-
schen Standards entsprechend, entschied man sich
wegen der bei einer Direktentnahme des Wassers zu
erwartenden hygienischen Probleme und der jahres-
zeitlich bedingten Temperaturschwankungen für die
Uferfiltration und gegen eine direkte Entnahme des
Wassers aus dem Rhein. Abgesehen von dieser natür-
lichen Filtration gab es noch keine Möglichkeiten der
Wasseraufbereitung. Zur Zeit der Erbauung des Kob-
lenzer Werks war die Qualität des Flusswassers am
Mittelrhein noch nicht so schlecht, dass ernsthafte
Gefahren für die Gesundheit zu erwarten waren. Au-
ßerdem waren die technischen Möglichkeiten der
Trinkwasseraufbereitung damals noch begrenzt. Erst
drei Jahre nach der Eröffnung des Wasserwerks in
Koblenz begann die Firma Siemens und Halske mit
dem ersten größeren Versuch zur Wasserdesinfektion
unter Einsatz von Ozon. Eine entsprechende Anlage
wurde 1898 schließlich zuerst im Seebad Blankenber-
ge installiert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgten
Paderborn und Wiesbaden (1901/1902). Richtig
durchsetzen sollte sich die Aufbereitung mithilfe von
Ozon jedoch nicht. Einerseits waren wegen des Beige-
142 Einen Abriss über das Leben und Wirken Ernst Grahns gibt: Gockel, Bernd, Ernst Grahn – ein in die Zukunft wirkender Mann, in: Gas- und Wasserfach, Heft 1969/10, S. 254–257. Vgl. auch StaK-623, Nr. 4489, Blatt 233: Fremdartige Requisitionen (Gasfabrik Budapest). 143 Grahn, Ernst, Die Wasserversorgung der Stadt Coblenz. Bericht über die diesjährigen Vorarbeiten verbunden mit dem Erläuterungsberichte zum Projecte für das Wasserwerk. Der städtischen Wasserleitungs-Commission erstattet von E[rnst] Grahn, Civil-Ingenieur, Koblenz 1884.
schmacks die Vorbehalte gegen eine chemische Aufbe-
reitung des Trinkwassers damals noch groß, anderer-
seits scheute man die hohen Kosten. Schließlich setzte
sich die billigere Chlorung des Wassers durch. Das
Verfahren war in den USA entwickelt worden und
kam 1911 zum ersten Mal in Mülheim an der Ruhr
zum Einsatz. Bis 1940 sollten erst 30 Prozent der
deutschen Wasserwerke mit Systemen zur Chlorung
ausgestattet sein.144
In Koblenz vollendete man das Wasserwerk in den
Jahren 1885 und 1886. Das erscheint relativ spät.
Man sollte bei dieser Einschätzung allerdings nicht
vergessen, dass zu dieser Zeit auch in größeren deut-
schen Städten das Wasserversorgungsproblem nur
unwesentlich früher gelöst worden war. Ein promi-
nentes Beispiel hierfür ist München. Zwar gab es dort
bereits 1854 eine Teilversorgung von Stadtteilen mit
Quellwasser, doch die Vollendung einer zentralen
Versorgung aus dem Mangfalltal sollte sich bis 1884
hinziehen. In der bayerischen Hauptstadt hatte man
nämlich ein ganz typisches Problem: Man musste das
144 Vgl. Münch, Stadthygiene, S.43f.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 175 ______________________________________________________________________________
Abbildung 45: Die vier Pumpstationen des Koblenzer Wasserwerks „Oberwerth“ Anfang 1925.
Quellwasser über kilometerlange Zuleitungen in die
Stadt führen.145 Ludwigshafen, das Ende des 19. Jahr-
hunderts mit rund 40.000 Einwohnern nur geringfü-
gig größer war als Koblenz, brauchte mit seinem Was-
serversorgungssystem sogar noch länger als die preu-
ßische Provinzhauptstadt, was sicherlich auch daran
lag, dass sich der Gemeinderat lange gegen die Ange-
bote möglicher Privatinvestoren widersetzte. Erst im
Oktober 1895 wurde ein Grundwasserwerk in Betrieb
genommen, das mit einer Tagesabgabe von lediglich
2600 Kubikmetern nur halb so leistungsfähig war wie
die Koblenzer Anlage. In der Folgezeit musste die
Wasserversorgung der aufstrebenden Industriestadt
laufend ausgebaut werden.146 Vergleicht man die Ent-
wicklungen in Koblenz mit denen im Regierungsbe-
zirk, stellt sich schnell heraus, dass die Stadt im Ge-
meindevergleich recht gut abschnitt. Legt man die
Aufstellung von Ernst Grahn von 1898 zugrunde, auf
der auch Tabelle 5 basiert147, fällt auf, dass sich im
Bezirk das Grundwasser immer noch nicht durchge-
setzt hatte. Die deutliche Mehrheit der Gemeinden
setzte nach wie vor auf Quellwasserleitungen, die zum
145 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 186ff. 146 Dazu: Vogt, Manfred/Horst. W. Müller. Trinkwasser für Ludwigs-hafen 1895–1995. Hg. von den Technischen Werken Ludwigshafen, Abt. Wasserversorgung, Ludwigshafen 1995. 147 Grahn, Ernst, Die Wasserversorgung im Deutschen Reiche sowie einigen Nachbarländern. 2 Bde., Berlin 1898–1902, S. 376ff.
Teil schon seit Jahrzehnten bekannt waren. Dies dürf-
te nicht nur an der örtlichen Versorgungssituation
gelegen haben, sondern am „Imageproblem“, das
Grundwasserwerke vor allem in ländlichen Regionen
noch lange haben sollten – was später noch am Stol-
zenfelser Beispiel gezeigt wird.
Laut Abrechnung im Verwaltungsbericht 1888/89
betrugen die Gesamtkosten für das erste Koblenzer
Wasserwerk und seine Anbindung 987.673 Mark.148
Das neue Wasserversorgungssystem wurde schließlich
in der Festschrift zur 27. Hauptversammlung des
Vereins Deutscher Ingenieure in Koblenz vorge-
stellt.149 Das neue Wasserwerk wurde als kommunaler
Regiebetrieb eröffnet, wie es in der Zeit vor dem
Ersten Weltkrieg die Regel war. Abgerechnet wurde
über einen Sonderhaushaltsplan, der mit dem Kom-
munalhaushaltsplan synchronisiert war.150 Da es viele
fachliche Parallelen zur Gasversorgung gab, lag es
nahe, an die Spitze der Wasserwerksverwaltung den
Direktor der kommunalen Gasversorgung zu stellen.
Zudem war das neue System so überschaubar dimen-
sioniert, dass sich die Einrichtung einer eigenen Ge-
sellschaft noch erübrigte. Eine private Alternative
148 Vgl. Berichte über die Verwaltung und den Stand der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Coblenz 1888/1889, S. 48. 149 Vgl. Grahn, Pumpstation. 150 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 21.
176 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 47: Maschinenanlage des Pumpwerks II.
Abbildung 48: Maschinenanlage des Pumpwerks III.
Abbildung 46: Maschinenanlage des Pumpwerks I.
stand erst gar nicht zur Debatte. Wie in vielen ande-
ren Städten auch, hatte man mit der Privatisierung
nicht unbedingt gute Erfahrungen gemacht. Gerade
im Bereich der Gasversorgung hatten sich auswärtige
Unternehmen als wenig geeignet erwiesen, dem stei-
genden Energiebedarf gerecht zu werden und gleich-
zeitig eine attraktive Preisgestaltung zu bieten. Hin-
tergrund: Kostenintensive Investitionen sollten nach
Möglichkeit vermieden werden. Schließlich hatte man
sich auch in Koblenz dazu entschieden, die Gasver-
sorgung in die eigene Hand zu nehmen. Auch in
anderen rheinischen Gemeinden wurde dieses Verfah-
ren seit den 1860er-Jahren zur Norm, wobei Essen,
Elberfeld und Düsseldorf den Anfang machten. Köln
folgte 1873, Barmen 1876.151
Die Motive, das neue kommunale Wasserwerk dem
städtischen Gaswerk anzugliedern, dürften auch einen
sozialen Hintergrund gehabt haben – auch wenn in
Koblenz nicht so offen wie in anderen Städten dar-
über gesprochen wurde. Anders der Düsseldorfer
Oberbürgermeister Ludwig Hammers (1822–1902)
der bereits 1866 forderte, „[…] schon der ärmeren
151 Vgl. Lenger, Bürgertum, S. 137.
Klassen wegen die Herbeischaffung eines so unent-
behrlichen Bedürfnisses nicht an Private überlassen,
sondern seitens der Gemeinde dafür gesorgt werden
solle. […]“152 In Koblenz erfüllte man genau diese
Forderung. E. Bentzen, der 1884 Paul Friedrich
Thieme153 als Direktor des städtischen Gaswerks abge-
löst hatte, leitete auch das neue Koblenzer Wasser-
werk, das mit der besonderen topografischen Lage der
Stadt und den daraus resultierenden Höhenunter-
schieden fertig werden musste. Zu diesem Zweck war
für den weiteren Weg des Wassers eine Hochdrucklei-
tung zu einem am Fuße der Karthause gelegenen
Hochreservoir erbaut worden, um das kostbare Nass
von dort in ein ringförmiges, die ganze Stadt erschlie-
ßendes Versorgungssystem einzuleiten.154
Welche bescheidene Kapazität das frühe Wasserver-
sorgungssystem aus heutiger Sicht hatte, wird an
folgenden Angaben Bentzens deutlich: Das Werk
konnte täglich eine Wassermenge von maximal 6000
Kubikmetern fördern. Der Karthäuser Hochbehälter
– nicht zu verwechseln mit dem erst in jüngerer Zeit
abgebrochenen Eisenbahn-Wasserturm am Fuße der
Feste Konstantin – fasste sogar nur 2400 Kubikmeter.
Die Verteilungsleitung im Stadtgebiet hatte zunächst
eine Länge von insgesamt 27 Kilometern und war mit
220 Feuerlöschhydranten versehen. In den folgenden
Jahren wurden die neuen Stadtteile schrittweise an
das neue Versorgungssystem angeschlossen. Sogar das
Restaurationsgebäude auf dem Rittersturz im Stadt-
wald erhielt einen eigenen Anschluss. Bis 1925 sollte
152 Vgl. Lenger, Bürgertum, S. 143. 153 StaK-623, 4405: Paul Friedrich Thieme war als Nachfolger des Ingenieurs Krackow seit 1874 im Amt. 154 Vgl. Grahn, Ernst, Die Pumpstation der Stadt Coblenz. Entworfen und gebaut von E[rnst], Civil-Ingenieur in Koblenz. Zur Festschrift der 27. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure in Coblenz 1886, Köln 1886 (in StaK KH-84).
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 177 ______________________________________________________________________________
das Leitungsnetz auf 92 Kilometer gewachsen sein.
Auch die neuen Stadtteile waren längst in das Netz
eingebunden. So sorgte eine Druckerhöhungsstation
dafür, dass auch in Lützel der Wasserdruck stimmte.
Ohne eine solche Anlage wäre es nicht möglich ge-
wesen, den für eine reibungslose Wasserversorgung
der Stadtteile erforderlichen Druck zu gewährleisten.
Um auf Katastrophenfälle besser vorbereitet zu sein,
wurden in das Versorgungssystem auch 631 Feuer-
löschhydranten und 603 Absperrschieber integriert.155
Die eigentliche Versorgung im ersten Koblenzer Was-
serwerk erfolgte zunächst über den ehemaligen Ver-
suchsbrunnen, der 14 Meter tief war und einen
Durchmesser von drei Metern hatte, sowie einen
weiteren Brunnen von ähnlichen Dimensionen. Die
Pumpstation war mit drei durch Gasmotoren ange-
triebenen Kolbenpumpen ausgestattet. Die Leistung
der aus der Gasmotorenfabrik Deutz stammenden
Maschinen lag bei jeweils rund 30 Kilowatt (40 PS).
Das zum Betrieb erforderliche Gas lieferte das damals
noch bestehende kleine Gaswerk in der Laubach.156
Die neue Pumpstation muss mit größter Präzision
errichtet worden sein. Bei der 45. Jahresversammlung
des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachleu-
ten in Koblenz (1905) schwärmte Direktor Bentzen:
„Ich habe das Wasserwerk jetzt ca. 20 Jahre in Betrieb
und bin einer Lage zu sagen, daß so ein meisterhaftes
Wasserwerk hier angelegt ist, wie ich ein besseres nie
gesehen habe. Ein Beweis hierfür dürfte auch sein,
dass ich in den 20 Jahren nicht ein einziges Mal ge-
zwungen war, mich an die Fabriken zu wenden. Die
Reparaturen, die selbstverständlich mit der Zeit nötig
waren und ja immer vorkommen, haben wir mit un-
seren eigenen Leuten vorgenommen. Das ist meiner
Auffassung nach zugleich ein Beweis für die Güte der
Lieferungen.157
155 StaK-623, 5508: Erste Pläne zum Anschluss des Rittersturzes wurden bereits 1890 aufgestellt. Die Maßnahme wurde allerdings erst mit der Errichtung eines weiteren Pumpwerkes 1904 in Angriff genommen. 156 Vgl. Einsmann, Wasserversorgung, S. 136f. Vgl. auch Bentzen, E., Die Gas- und Wasserwerke der Stadt Koblenz, in: Schilling’s Journal für Gasbeleuchtung und verwandte Beleuchtungs-arten sowie für die Wasserversorgung. Organ des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern. Herausgegeben von Dr. H. Bunte in Karlsruhe, München/Berlin 1905, S. 753–757. 157 Bentzen, Gas- und Wasserwerke, S. 757.
4.2 Die weitere Entwicklung
Der hohe Qualitätsstandard, den Ernst Grahn von
Anfang gefordert und verwirklicht hatte, änderte
jedoch nichts daran, dass wegen der Eingemeindung
ehemals selbstständiger Gemeinden nach Koblenz
Erweiterungen fällig wurden. 1903 begann die Stadt
– ohne zunächst eine baupolizeiliche Genehmigung
zu besitzen!158 – mit der Erweiterung der
Grahn’schen Anlage durch die Kesselbrunnen IIl
und IV sowie durch ein zusätzliches Pumpwerk mit
einer Stundenleistung von 450 Kubikmetern. Der
Generatorraum mit Turmausbau nahm am 11. No-
vember 1904 den Betrieb auf.159 Seine drei Deutz-
Motoren mit einer Leistung von jeweils 37,5 Kilo-
watt (50 PS) waren für den Betrieb mit Leucht- und
Sauggas ausgelegt. Viel Freude hatte man mit dem
neuen Werk jedoch nicht. Der Stadtbaurat und
Wasserwerksdirektor Hermann Ludwig Einsmann
(1880–1955) schrieb 1925: „[…] Leider wurden bei
dieser Erweiterung die Fortschritte der Wissenschaft
und die Erfahrungen, die die Zwischenzeit gebracht
hatte, nicht berücksichtigt, sodaß das neu begonne-
ne Werk nicht gleich dem ersten ein Meisterstück
genannt werden kann. […]“160 Gründe für dieses
harte Urteil nannte Einsmann nicht. Fest steht, dass
das Pumpwerk II nicht ausreichte, um den Wasser-
bedarf in der wachsenden Stadt zu decken. Schließ-
lich musste man drei Filterbrunnen und die mit zwei
Dieselmotoren ausgestattete Pumpstation III hinzu-
fügen. Die Leistung der Maschinen lag bei jeweils
105 Kilowatt (140 PS).161 Im Februar 1916 war die
Erweiterung abgeschlossen. Sie kam rechtzeitig, um
die Wasserversorgung für die Koblenzer Kranken-
häuser und Lazarette zu sichern.162
Bedingt durch die wirtschaftlichen und materiellen
Auswirkungen des Ersten Weltkrieges wurde die
Pflege des Wasserwerkes stark vernachlässigt, sodass
ein Rückgang der Kapazitäten nicht lange auf sich
warten ließ. Diese Vernachlässigung lag vielleicht
nicht nur an den damaligen Verhältnissen im Rhein-
land, sondern vielleicht an der Tatsache, dass nach
158 StaK, Fach 63: Pumpstation Oberwerth: Meldung 16. März 1904. 159 Bericht über die Verwaltung 1904, S. 74. StaK, Fach 63: Meldung, 21. Juli 1905. Die Inbetriebnahme erfolgte ohne Schlussabnahme durch die Baupolizeibehörde. 160 Einsmann, Wasserversorgung, S. 136. 161 Vgl. Einsmann, Wasserversorgung, S. 137. 162 StaK, Fach 63: Bauantrag, 28. Dezember 1915.
178 Teil 3 ______________________________________________________________________________
dem Ausscheiden des Direktors Karch, der Nachfol-
ger von Bentzen war, das Wasserwerk einige Zeit
ohne Führung auskommen musste. Die undankbare
Aufgabe, Gas- und Wasserwerk kommissarisch zu
verwalten, fiel dann dem Oberingenieur Johannes
Wienke zu, der im April 1918 in städtische Dienste
eingetreten war.163 Im Sommer 1919 war die Füh-
rungsmannschaft des städtischen Gas- und Wasser-
werkes wieder komplett. Zu dieser Zeit trat Her-
mann Ludwig Einsmann seinen Dienst an. Der ehe-
malige Oberingenieur der „Gas- und Wasserwerke
Halle an der Saale“ hatte an der Technischen Hoch-
schule Karlsruhe studiert und sich als Konstrukteur
bei der Werkserweiterung in Halle einen Namen
gemacht. Er blieb bis zum März 1945 im Dienst.164
Die amerikanische Besatzung165 drängte 1919 auf die
Errichtung einer vierten Pumpstation mit einer Leis-
tung von 250 Kubikmetern in der Stunde. Aller-
dings liefen die Dieselmotoren sehr unbeständig,
sodass man bereits in den Jahren 1920 und 1921
umfassende Umbauten an den bestehenden Statio-
nen vornahm. Trotz aller Maßnahmen gab es nur
wenig Spielraum. Im Sommer steigerte sich der Ta-
gesverbrauch in Koblenz auf rund 20.000 Kubikme-
ter – das Wasserwerk hatte die Grenze seiner Leis-
tungsfähigkeit erreicht.166 Die Wasserqualität scheint
zu diesem Zeitpunkt allerdings noch weitgehend in
Ordnung gewesen zu sein. Noch 1925 schrieb Her-
mann Ludwig Einsmann: „[…] Ungeachtet der
technischen Mängel des alten Werkes liefert das
Coblenzer Wasserwerk ein hygienisch vollkommen
einwandfreies Trinkwasser, das überdies der Kon-
trolle des Medizinal-Untersuchungsamtes untersteht.
Selbst bei Hochwasser ist das Trinkwasser frei von
schädlichen Keimen. Die von der Natur so sehr
bevorzugte Stadt Coblenz kann somit durstigen
Seelen nicht nur eine vorzügliche Flasche Rhein-
oder Moselwein vorsetzen, sondern auch einen guten
Tropfen Wasser.“167 Ungeachtet dessen zog man zu
diesem Zeitpunkt neue Erweiterungsmaßnahmen im
Bereich Oberwerth Süd in Betracht. Um diesen
163 StaK-623, 3236: Personalakte des Oberingenieurs Wienke. Wienke wurde später zum Direktor befördert. Er ging am 31. Dezember 1951 in den Ruhestand. 164 StaK-623, 3241: Personalakte des Direktors Einsmann. 165 Aus Furcht vor einer Sabotage der Wasserleitung hatten US-Soldaten ihr Lager direkt am Wasserwerk auf dem Oberwerth aufgeschlagen, Auch nach der Einnahme der Stadt im März 1945 wählten die Ameri-kaner diesen Standort. 166 Vgl. Einsmann, Wasserversorgung, S. 137. 167 Einsmann, Wasserversorgung, S. 137.
Bereich für den Ausbau der Trinkwassergewinnung
zu sichern, verbot nun die Verwaltung die Errich-
tung neuer Gebäude und erließ eine „Polizeiverord-
nung zur Sicherung des Wasserwerks auf dem Ober-
werth“. lm Wasserschutzgebiet waren fortan „die
Ablagerung von Abfallstoffen aller Art, von Müll, Keh-
richt, Mist und sonstigem Unrat, das Düngen mit derar-
tigen Stoffen, die Vornahme menschlicher Entleerungen
jeder Art, jede Verunreinigung durch menschliche oder
tierische Exkremente, das Halten und Weiden von Vieh,
das Reiten, das Befahren mit Tierfuhrwerk und das
Umherlaufen mit Tieren aller Art“ strengstens verbo-
ten.168 Trotz der Vorbereitung wurde schon allein aus
finanziellen Gründen aus der Erweiterung nicht. Al-
lerdings beschritt man Ende der 1920er-Jahre auf
dem Gebiet der Wasseraufbereitung neue Wege.
Überprüfungen hatten – anders als noch in den
optimistischen Ausführungen von Ludwig Eins-
mann zu lesen – ergeben, dass die Uferfiltration
nicht immer eine ausreichende bakterielle Reini-
gung des Wassers gewährleistete. Aus diesem
Grunde waren die Ingenieure bereits frühzeitig
dazu übergegangen, das geförderte Wasser mit
Chlorgas zu behandeln, um für die Bevölkerung
kein Gesundheitsrisiko entstehen zu lassen.169
Dass man fortan noch genauer auf die hygienischen
Verhältnisse in den Wasserwerken achtete, hatte
gute Gründe; erst 1926 war in Hannover eine Ty-
phusepidemie ausgebrochen. Die Verwaltung sah
sich nun gezwungen, auch die Trinkwasserversor-
gung in Preußen einer verschärften Überwachung
zu unterziehen. Der zuständige Kreisarzt hatte En-
de 1926 auch im Bereich des Wasserwerkes auf
dem Oberwerth gravierende Mängel festgestellt.
Bedenklich waren vor allem die in nächster Nähe
der Pumpbrunnen bestehenden großen Spiel- und
Sportplätze, auf denen sich regelmäßig größere
Ansammlungen von Zuschauern einfanden.170 Im
Zuge der bereits oben genannten Polizeiverordnung
wurde dieser Missstand jedoch durch Einzäunun-
gen und durch die Ausweisung eines Wasserschutz-
gebietes behoben. Auch von den in den Rhein ein-
geleiteten Abwässern war zum damaligen Zeitpunkt
keine Gefahr für das Koblenzer Trinkwasser zu er-
168 StaK-623; 4110: Polizeiverordnung zur Sicherung des Wasserwerks Oberwerth, 28. September 1927, § 1. 169 StaK-623, 9153: Ergebnisprotokoll über die außerordentliche hygie-nische Nachprüfung des Wasserwerkes, 29. Juni 1927. 170 LHA-539,1, 491, S. 1–3: Bericht, 11. November 1926.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 179 ______________________________________________________________________________
warten. Im August 1925 hatte die „Preußische
Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygie-
ne“ in Berlin festgestellt: „Die Abwässer von
Coblenz werden durch das Wasser der Mosel ver-
deckt, so dass sich die Abwässer nicht bemerkbar
machen. Auch unterhalb der Stadt Bonn war ein
nennenswerter Einfluss der Abwässer auf den Rhein
bei den bisherigen Untersuchungen in chemischer
Beziehung nicht festzustellen.“ Die Gutachter füg-
ten jedoch warnend hinzu: „Trotzdem ist es als
wahrscheinlich anzunehmen, dass durch die ober-
halb zugeführten Abwässer der beiden genannten
Städte wie auch im allgemeinen die der vielen klei-
neren Verschmutzungsquellen für die flussabwärts
allmählich zunehmenden Verunreinigungen des
Rheins vorbereitet werden.“171
Trotz aller Untersuchungen und Schutzmaßnah-
men war die Hauptgefahr für das Wasserwerk nicht
beseitigt: verunreinigtes Hochwasser, das bei ex-
trem hohen Pegelständen des Rheins in Brunnen
und Maschinenräume einzudringen drohte. So
wurde während der Hochwasserkatastrophe vom
Januar 1920 die Bevölkerung dazu aufgefordert,
Leitungswasser vor dem Gebrauch abzukochen.172
Am 19. Januar meldete die „Coblenzer Volkszei-
tung“: „Der hohe Wasserstand am Wasserwerk hat
zur Folge gehabt, dass geringe Mengen der dort
verwendeten Teeröle, die in den Brunnen einge-
drungen waren, sich dem Wasser mitgeteilt haben.
Dadurch hat das Wasser einen Geruch und Ge-
schmack angenommen. Das Wasser, das zur Zeit
ohnehin bekanntlich abgekocht werden muß, ist
nicht gesundheitsschädlich, wenn auch Geruch und
Geschmack durch das Abkochen nicht verschwin-
den. Mit dem bisher üblichen Chloren steht der
Mangel nicht in Verbindung.“173 Während der
Hochwasserkatastrophe wurde die Bevölkerung
über Trinkwassertanks versorgt, die auf Lastwagen
montiert worden waren. Für die Menschen in der
Altstadt stand immer noch das Wasser aus der alten
kurfürstlichen Wasserleitung bereit.174
Ein Ausbau des Wasserwerks und die Schaffung
moderner Klärvorrichtungen waren in Koblenz ange-
171 LHA-539,1, 491, S. 8: Gutachten, 25. August 1925. 172 Coblenzer Volkszeitung, 12. Januar 1920. 173 Coblenzer Volkszeitung, 19. Januar 1920. 174 Coblenzer Volkszeitung, 19. Januar 1920.
sichts der schwierigen politischen und wirt-
schaftlichen Verhältnisse jener Zeit nur schwer mög-
lich. Zuschüsse des Reichs waren nicht zu erwarten,
da die öffentlichen Mittel zu dieser Zeit in den Auf-
bau zentraler Wasserversorgungssysteme in die länd-
lichen Regionen flossen. Anders sah es im Bereich
der Verwaltung aus. Hatte die Stadt bereits Anfang
1887 mit der Aufstellung einer für Gas- und Was-
serwerk gemeinsamen Geschäftsordnung die Grund-
lage für die Kontrolle von Technik und Verwaltung
durch die Gemeinde geschaffen,175 rückte man 1930
endgültig von diesem Modell ab. War bereits 1928
mit der Gründung der „Gasfernversorgung Mittel-
rhein“ – heute Energieversorgung Mittelrhein
(EVM) – die Gasversorgung einer privatrechtlich
organisierten Gesellschaft übertragen worden, folgte
nun das Wasserwerk. Am 29. Oktober 1930 machte
die Stadt das Unternehmen zur Betriebsführerin für
die Wasserversorgung und schloss mit ihm einen
Vertrag, der unter anderem folgende Bestimmungen
enthielt:
• Die Gasfernversorgung Mittelrhein war als
Betriebs- und Geschäftsführerin für alle
Einrichtungen der ehemals kommunal ver-
walteten Wasserversorgung zuständig.
• Die Wasserversorgungsanlagen mit den da-
zugehörigen Grundstücken, dem gesamten
Leitungsnetz und allem sonstigen Zubehör
blieben Eigentum der Stadt.
• Die Betriebsführerin sollte alle künftigen
Erweiterungen durchführen. Auch bei die-
sen Neuanlagen sollte die Stadt Eigentüme-
rin bleiben. Alle Investitionen mussten aus
der Wasserwerkskasse finanziert werden.
Erst wenn diese Mittel nicht ausreichten,
war die Stadt verpflichtet, die erforderlichen
Mittel zur Verfügung zu stellen.
• Die Betriebsführerin übernahm die Ver-
pflichtung, die Anlagen gegen Erstattung
der Kosten pfleglich zu behandeln und be-
triebsfähig zu erhalten.
• Die Gasfernversorgung Mittelrhein über-
nahm das ehemals in Diensten der Stadt
stehende Wasserwerkspersonal.
175 StaK-623, 4405: „Geschäftsordnung für die Direction der städtischen Gas- und Wasserwerke“, 12. Januar 1887.
180 Teil 3 ______________________________________________________________________________
• Die Beschlussfassung über die das Wasser-
werk berührenden Dinge lag weiterhin bei
den „verfassungsmäßigen Instanzen“ der
Stadt.
• Sämtliche Erweiterungen und Neubauten
bedurften der Genehmigung des Wasser-
werksausschusses und der Stadtverordneten-
versammlung in Koblenz, soweit es sich
nicht um die Herstellung von Hausan-
schlüssen handelte.176
Die Entscheidung war nicht ungewöhnlich. Sie fiel
in eine Zeit, in der man einige Organisationsmuster
der frühen Leistungsverwaltung infrage stellte und
damit begann, die kommunale Ver- und Entsorgung
in Eigenbetrieben neu zu ordnen. Diese Reprivatisie-
rungen erfolgten meistens in Form von Aktiengesell-
schaften (AG) oder Gesellschaften mit beschränkter
Haftung (GmbH), wobei die Kommunen Mehr-
heitsgesellschafter blieben. Die erste Stadt, die nach
diesem Muster verfuhr, war seit den frühen 20er-
Jahren Königsberg. Treibende Kraft war Oberbür-
germeister Hans Lohmeyer, der von 1919 bis 1933
an der Spitze der örtlichen Stadtverwaltung stand.177
Die Reprivatisierungen jener Zeit sind aber nur zum
Teil darauf zurückzuführen, dass die einzelnen Be-
reiche der Leistungsverwaltung zunehmend kriti-
scher betrachtet wurden. Es ging nämlich auch dar-
um, der Notverordnungspolitik von Reichskanzler
Heinrich Brüning zuvorzukommen, der 1931 die
Kommunen schließlich völlig von den Kapitalmärk-
ten abschnitt, indem er Sparkassen und Kreditinsti-
tuten untersagte, Städte und Gemeinden zu unter-
stützen. Diese reagierten mit der Gründung eigener,
aber privatrechtlich organisierter Unternehmen, die
voll handlungsfähig waren und somit in den Genuss
der für Ausbau und Unterhalt der Netze erforderli-
chen Kredite zu kamen.178
Koblenz hatte zur Zeit der Übertragung der Be-
triebsführung der Wasserversorgung an die Gasfern-
versorgung Mittelrhein rund 59.000 Einwohner. Die
Dimensionen des Systems waren damals noch relativ
überschaubar. 1929 förderten die Pumpwerke auf
dem Oberwerth zusammen eine Tagesmenge von
176 StaK-623, 9067: Vertrag zwischen der Stadt Koblenz und der Gas-fernversorgung Mittelrhein (Abschrift). 177 Vgl. Krabbe, Kommunalverwaltung, S. 21. 178 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 79.
maximal 18.000 Kubikmetern. Davon wurden rund
3000 bis 4000 Kubikmeter an den Zweckverband
der Gemeinden Kesselheim und St. Sebastian abge-
geben. Die gleiche Menge wurde in das bis 1937
selbstständige Pfaffendorf „exportiert“. Der durch-
schnittliche Wasserbrauch lag bei aus heutiger Sicht
erstaunlich hohen 195 Litern pro Tag und Kopf. In
Spitzenzeiten konnte der Durchschnitt sogar auf 300
Liter pro Kopf und Tag steigen. Das städtische Tief-
bauamt begründete die Werte, die erheblich über
den heutigen Pro-Kopf-Verbrauchswerten liegen,
mit dem enormen Wasserbedarf der zahlreichen
Weinkellereien in der Stadt. Außerdem hob die
Abteilung Kanal hervor, dass die örtlichen Kasernen
mit umfangreichen Badeeinrichtungen ausgerüstet
seien. Dagegen spielten Industrie und Gewerbe beim
Wasserverbrauch nur eine untergeordnete Rolle,
auch wenn es in der Stadt durchaus Maschinen- und
Gerätefabriken gab. Dagegen zählte der städtische
Schlachthof zu den Einrichtungen, die extrem viel
Wasser benötigten.179
5. Ehrenbreitstein
hrenbreitstein ist wohl der Koblenzer Stadtteil,
in dem die Geschichte einer funktionsfähigen
zentralen Wasserversorgung am weitesten zurück-
reicht. Bereits in einer Kellereirechnung des Jahres
1629 ist von der Renovierung einer großen Zisterne
und dem Bau einer neuen Leitung mit Tonröhren
die Rede. Das benötigte Wasser lieferten in der Ge-
markung des Dorfes Arenberg gelegene Quellen. Die
Burg Ehrenbreitstein scheint bereits in der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts über ein Röhrensystem
mit Wasser versorgt worden zu sein.180 Die erste
Quellfassung für zivile Zwecke soll zwischen 1670
und 1680 erfolgt sein. Eine erste Leitung begann in
den „Daubachs Wiesen“ im Bereich der heute noch
so benannten Kniebreche (auf dem Weg in die heu-
tigen Stadtteile Niederberg und Arenberg). Sie er-
hielt ihr Wasser aus zwei Quellkammern. Bereits in
den frühen Aufzeichnungen wird eine zusätzliche
Brunnenstube im Bereich der „Korn’s Quellen“ im
Mühlental erwähnt.181
179 Vgl. Brix, Josef/Karl Imhoff/R. Weldert (Hg.), Die Stadtentwässerung in Deutschland. 2. Bde., Jena 1934. Bd. 1, S. 497. 180 Michel, Fritz, Der Ehrenbreitstein, Koblenz 1933, S. 23. 181 LHA-441, 24933: Abschrift Garnisons-Baubezirk Koblenz, 15. Ok-tober 1888. Bericht über die Untersuchung der Ehrenbreitsteiner Was-
E
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 181 ______________________________________________________________________________
Abbildung 49: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreitstein im Frühjahr 2006.
Aus der stadtteilgeschichtlichen Literatur ist nur
wenig über die frühere Ehrenbreitsteiner Wasserver-
sorgung zu erfahren. Von ihr ist meistens nur indi-
rekt die Rede, vor allem dann, wenn es um die Bür-
gerhäuser im Stadtteil und ihre Bewohner geht. Ein
Beispiel sind die beiden Barockhäuser Friedrich-
Wilhelm-Straße 160/161, die von 1703 bis 1705 im
Auftrage des Festungskommandanten Heinrich
Klein erbaut wurden. Durch diese Häuser ging die
Wasserleitung, die Kurfürst Johann Hugo von Ors-
beck vom Helfenstein durch die Kellereibotsgasse
zum Kapuzinerkloster und den beiden Kameralhäu-
sern in der Kirchstraße (heute Humboldtstraße)
hatte legen lassen.182 Später baute der Brunnenmeis-
ter Maximilian Heinrich Ludwig Philippard eine
Abzweigung von der Wasserleitung in ein 1725 in
der Hofstraße errichtetes Haus – das spätere Ge-
serleitung aus der „Daubachs-Wiese“ und der „Korn’s Quelle“ (ein-schließlich einer genauen Beschreibung der Nebenleitungen). Die Korn’s Quelle lag vermutlich im Bereich der Straße vor dem späteren Sauerwassertor (Arenberger Straße). 182 Vgl. Wagner, Johann Jacob, Coblenz-Ehrenbreitstein. Biographische Nachrichten über einige ältere Coblenzer und Ehrenbreitsteiner Famili-en, Koblenz 1923, S. 160. Schwickerath, Marianne, Wo stand eigentlich die Philippsburg? Die ehemalige kurfürstliche Residenz in Ehrenbreit-stein. 2. Auflage, Koblenz 1999, S. 167.
burtshaus des Romantikers Clemens Brentano.183
Direkt am Anfang der nassauischen Zeit (1802)
begann auch die Fassung und Ableitung einer Aren-
berger Quelle in die Brunnenstube. Von dieser gin-
gen mehrere Abzweigungen aus. Eine führte in das
einst kurfürstliche Dikasterialgebäude und in die
Pagerie, eine weitere in das Hofstallgebäude und in
den Hofgarten. Auch der Junkerhof und andere
Ehrenbreitsteiner Häuser profitierten von der Neue-
rung. Eine besondere Bedeutung kam dem soge-
nannten Trottschen Hause zu, denn hier befand sich
ein „Wasserregulativ“. Dabei handelte es sich um ein
großes Bassin im ersten Stock des Hauses, aus dem
noch mehrere andere Bauten ihr Wasser erhielten –
und das, obwohl das Gebäude einzustürzen drohte.
Der schwere bleierne Wasserbehälter war in einem
dem Haus angebautem Turm untergebracht. Über
und unter diesem Reservoir befanden sich die Räum-
lichkeiten von Behörden.184
183 Vgl. Wagner, Biographische Nachrichten, S. 120f. 184 Vgl. Wagner, Biographische Nachrichten, S. 120f.
182 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 50: Das nördliche Koblenzer Stadtgebiet mit der Festung Ehrenbreitstein im Frühjahr 2006.
5.1 Die ersten Quellwasserleitungen Obwohl Ehrenbreitstein mit Johann Jacob Kirn
einen erfahrenen Experten für die Aufrechterhaltung
der öffentlichen Wasserversorgung hatte, waren die
Verhältnisse im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts
alles andere als ideal. Am 4. Juli 1835 schrieb der
Bürgermeister von Ehrenbreitstein: „[...] Seit mehre-
ren Jahren sind die hiesigen Wasserleitungen in
einem solchen mangelhaften Zustand, dass ungeach-
tet der so reichhaltigen Quellen die öffentlichen
Brunnen, besonders bei anhaltenden Regengüssen,
längere Zeit nicht benutzt werden können. [...]“185
Schon einen Tag vorher hatte Kirn die Begründung
dieses Missstandes geliefert. In seinem Brief an die
Königliche Regierung hieß es: „[...] Bekanntlich
werden die zwei oberen Quellen der dahiesigen Was-
serleitungen, an dem alten Wege nach Arenberg in
der sogenannten Kniebreche [...] gefaßt und durch
Thönerne Röhren ohnweit der Brunnenstub der
Korns-Mühle vorbei gefürt. Dieser Theil der Röhr-
leitung ist aber bekanntlich schon seit 20 bis 30
Jahren in sehr schlechtem Zustand [...] Diesem Um-
185 LHA-441, 24919: Die Unterhaltung der Wasserleitungen in Ehren-breitstein.
stande, der nun größer und bedenklicher ist, als
wirklich dadurch die Einwohner der Straße genötigt
sind, an zu wenig gebrauchte und aber mit schlech-
tem oder verdorbenem Wasser angefüllten Zug-
Brunnen, ihre Zuflucht zu nehmen [...] ist aber
nicht anderes abzuhelfen als mit der Aufgrabung der
alten Wasserleitung durch die Daubachs-Wiese und
Ergänzung der da befindlichen Brunnen-Röhr – oder
besser [...] und gewisser anzurathen durch Legung
einer neuen Eysen Röhrleitung. [...]“186
Eigentümer der Wasserleitung, die ihre Anfänge
noch unter den Trierer Kurfürsten genommen hatte,
wurde nach dem kurzen nassauischen Zwischenspiel
Preußen als Rechtsnachfolger dieser beiden Staaten.
Bis 1848 sah es so aus, dass die Stadt Ehrenbreit-
stein keine eigene Wasserleitung hatte. Gemeinde
und Privatleute hatten ein gewisses Nutzungsrecht.
Zu den Nutznießern gehörte auch die jüdische Ge-
meinde, die das für das Frauenbad in der Kellerei-
botsgasse benötigte Wasser aus der fiskalischen Lei-
tung bezog.187 Der Staat gab das überschüssige Was-
186 LHA-441, 24919: Brief Kirns vom 3. Juni 1825. 187 LHA-441, 13845: „Bericht über die Administration- und Rechtsange-legenheiten der fiscalischen Wasserleitung in Ehrenbreitstein“ vom 2. November 1841: Brief der Regierung an den Landrat, 24. März 1841.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 183 ______________________________________________________________________________
Abbildung 51: Ehrenbreitstein mit den Nachbarstadtteilen und den Quellgebieten. Das Foto entstand im Mai 2006.
ser zunächst nicht ab, sondern sammelte es im
Mühlteich an der „Korn’s Mühle“. Dieser auf Dauer
unhaltbare Zustand verbesserte sich mit einer Verfü-
gung der Königlichen Regierung vom 21. Juni 1858
wesentlich. Fortan war es der Stadt Ehrenbreitstein
(widerruflich) gestattet, das ablaufende Quellwasser
aufzufangen und in einer besonderen Wasserleitung
fortzuleiten.188
Nach dem Tode Kirns übernahm Johann Langenbach
einen wichtigen Part beim Ausbau der Ehrenbreitsteiner
Wasserversorgung. Wie aus einem Brief des Brunnen-
meisters vom 21. September 1850 hervorgeht, wurden die
Wasserleitungen aus den Quellen „Daubachs Wiesen“
und „Korn’s Quellen“ gespeist. Aus einer Beschreibung
vom 11. August 1818 ist zu entnehmen, dass die Dauba-
cher Leitung an einer Stelle begann, die Kniebreche ge-
188 LHA-441, 24933: Brief Wasserbauinspektion an die Koblenzer Bezirksregierung, 2. Januar 1889.
nannt wurde und als Straßenname auch heute noch be-
steht. Diese Leitung wurde von insgesamt drei Quellen
gespeist. Sie lieferte das Wasser in Brunnen und Häuserre-
servoire. Das Wasser lief entweder durch tönerne oder
gusseiserne Röhren. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die
Leitung insgesamt 32 „Ausläufe“. Die Nutzungsrechte
musste sich die Stadt Ehrenbreitstein allerdings mit dem
Militärfiskus teilen. Erst 1910 trat der Staat seine Hälfte
an den Daubachquellen an die Kommune ab.189
5.2 Trinkwasser für die Festung Die Ver- und Entsorgung in den zahlreichen militärischen
Gebäuden in Koblenz ist ein besonderes und vor allem
umfangreiches Kapitel in der Stadtgeschichte. Da in die-
ser Studie die kommunalen Projekte im Vordergrund
189 LHA-441, 24918: Die Unterhaltung der Wasserleitung zu Ehren-breitstein.
184 Teil 3 ______________________________________________________________________________
stehen, kann dieser große Bereich nur angeschnitten wer-
den. Exemplarisch werden an dieser Stelle die wichtigsten
Fakten der Trinkwasserversorgung der Festung Ehren-
breitstein vorgestellt.
Bereits im Jahr 1160 ließ der Trierer Erzbischof Hillin
(1152–1169) auf dem Ehrenbreitstein eine Zisterne bau-
en. Es ist unbekannt, ob die Burg damals einen Brunnen
besaß. Ungeklärt ist die Frage, wie die neue Zisterne
gefüllt wurde. Auf jeden Fall wird die Wasserversorgung
auf der Burg Ehrenbreitstein im 15. Jahrhundert als unzu-
reichend bezeichnet. Diese Tatsache spricht für das Vor-
handensein von lediglich einer Regenwasserzisterne. Und
so ließ Erzbischof Johannes II. von Baden (1456–1503)
von 1481 bis 1483 einen Brunnen bauen. In rund 57
Metern Tiefe entdeckte man schließlich tief im Fels eine
ergiebige Quelle. Trotz dieser deutlichen Verbesserungen
reichten die Kapazitäten schnell nicht mehr aus, weil die
Burg Ehrenbreitstein zu Beginn des 16. Jahrhunderts
erheblich ausgebaut wurde. Unter Erzbischof Richard von
Greiffenclau (1511–1531) wandelte sich die Burg zur
Festung. Dort wurden nun Soldaten stationiert, um die
Geschütze zu bedienen. Angesichts des steigenden Bedarfs
ging man dazu über, von außerhalb Wasser in die Festung
zu leiten. Zu diesem Zweck fasste man eine Quelle, die
wahrscheinlich in der Arenberger Gemarkung lag. Von
1528 an stellte Meister Wilhelm von der Tocken Gehölz
und Eisenwerk für eine hölzerne, mit Eisen verstärkte
Leitung her. Er errichtete auch das erforderliche Mauer-
werk. Meister Velten Ulner aus Lützel lieferte schließlich
die tönernen Brunnenröhren. Spätestens 1535 war das
Werk vollendet. Damals wurde im Festungshof ein von
der neuen Leitung gespeister Fließbrunnen errichtet.190
Im Dreißigjährigen Krieg musste die Wasserversorgung
der Festung erneut verbessert werden. 1628 wurde nicht
nur die große Zisterne saniert, sondern auch eine weitere
Wasserleitung gelegt, die ihr Wasser wohl aus einer weite-
ren Quelle in der Nähe des heutigen Stadtteils Arenberg
bezog. Weitere Baumaßnahmen folgten zu Beginn des 18.
Jahrhunderts. Im Sommer 1710 fasste der kurtrierische
Hofbrunnenmeister Max Heinrich Phillippart eine 600
Meter nördlich der Festung gelegene Quelle. Doch auch
diese Maßnahme reichte nicht aus, sodass der Baumeister
schließlich die Leitung verlegte. Das Wasser wurde nun
190 Vgl. Böckling, Manfred/Erich Engelke, Die Wasserversorgung und Schienenfahrt auf der Festung Ehrenbreitstein. Konzept für eine the-menorientierte Spezialführung. Erarbeitet für den Besucherdienst des Landesamtes für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Koblenz 1995 [masch.], S. 5f.
vom Eselsbach bei Arenberg herangeführt. Zu diesem
Zweck plante Hofbaumeister Josef Honorius Ravensteyn
einen Minengang, der dann in den Fels gesprengt wurde.
Durch den neuen Gang wurden eiserne Röhren gelegt.
Die Tatsache, dass Trinkwasser von außen herangeführt
werden musste, offenbart eine Schwäche der Festung
Ehrenbreitstein. Dies zeigte sich bei der Belagerung der
kurtrierischen Anlage durch französische Truppen in den
Jahren von 1794 bis 1799. Die Franzosen konnten da-
mals problemlos die Wasserversorgung unterbrechen.191
Aus diesem Grund wurde während der Belagerung 1797
eine zweite Zisterne angelegt. Darüber hinaus waren 1795
und 1796 auf dem Festungsgelände in einem Minengang
und in Neudorf nördlich der Festung zwei weitere Quel-
len entdeckt worden.192
Beim Neuaufbau der 1801 von den Franzosen gespreng-
ten Festung wurde die Wasserversorgung von Anfang an
besser geplant. Zwar musste man das Trinkwasser immer
noch von den Quellen in der Nähe heranführen, doch
wurden nun die Speicherkapazitäten erheblich vergrößert.
Bereits 1816 machte man sich in den Ruinen der kur-
fürstlichen Festung auf die Suche nach den alten Brunnen
und Zisternen, um diese in das Versorgungssystem der
neuen Anlage zu integrieren. Im Gesamtplan zum Wie-
deraufbau auf dem Ehrenbreitstein von 1820 wurden
schließlich auch die Eckpunkte der Wasserversorgung
festgelegt.193 Sechs Jahre später war das neue Wasserver-
sorgungssystem der Festung fertiggestellt, die ihrerseits für
eine Kapazität von 1500 Soldaten und 80 Geschützen
ausgelegt war.194 Eine der nun genutzten Quellen befand
sich am westlichen Rand des Plateaus vor der Festung.
Nördlich der kleinen Gemeinde Neudorf am östlichen
Rand des Festungsplateaus fasste man eine weitere Quelle.
191 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt, 18. Dezem-ber 1926. So war die erste Wasserleitung vom Riddelsborn bereits 1794 vom französischen Militär zerstört worden. 192 Vgl. Böckling, Manfred, Branntwein, Pulver, Rinder und Zisternen. Aspekte der Versorgung der preußischen Festung Ehrenbreitstein, in: Neue Forschungen zur Festung Koblenz und Ehrenbreitstein, Bd. 2. Hg. von Burgen, Schlösser, Altertümer Rheinland-Pfalz und der Deut-schen Gesellschaft für Festungsforschung, Regensburg 2006, S. 94. 193 Zum Wiederaufbau: Koblenzer Festungsbau: Baukonstruktive Me-thoden und Praktiken im frühen 19. Jahrhundert, in: Neumann, Hans-Rudolf (Bearb.), Erhalt und Nutzung klassizistischer Großfestungen. Tagungsband. Internationale Fachtagung vom 8. bis 11. Juni 2005 veranstaltet von der Landeshauptstadt Magdeburg, Stadtplanungsamt, und der Hochschule Magdeburg-Stendal, Fachbereich Bauwesen. Hg. von der Landeshauptstadt Magdeburg, Mainz 2006, S. 111–122. Als erstes Bauwerk der „neuen“ Festung Ehrenbreitstein wurde die Contre-garde links realisiert. Die Grundsteinlegung auf dem Oberehrenbreit-stein erfolgte am 6. Juni 1817. 194 Siehe auch Böckling, Branntwein, S. 94: Der Wasserbedarf in der Festung wurde ursprünglich mit 5,2 Liter Wasser pro Mann und Tag berechnet. Um 1900 ging man von einem täglichen Wasserbedarf pro Kopf von 50 Litern aus. Pro Pferd wurden 100 Liter einkalkuliert.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 185 ______________________________________________________________________________
Abbildung 52: Arenberg im Frühjahr 2006 mit der ungefähren Richtungsangabe der Quellgebiete.
Südlich von Neudorf kamen dann noch der „Süße Born“
und dem „Kühle Born“ dazu. Es ist wahrscheinlich, dass
man zu dieser Zeit auch die Quellen genutzt hatte, die
während der langen Belagerung entdeckt worden waren.195
Vom westlichen Rand des Festungsplateaus im Bereich
des Nöllenkopfs führte ein unterirdischer Gang in die
Festung, die darüber hinaus über einen Kanal mit den
Neudorfer Quellen verbunden war. Beide Anlagen verei-
nigten sich am Festungsglacis. Von dort aus führte eine
Röhrenleitung zum Turm „Ungenannt“ im nördlichen
Eingangsbereich der Festung, wo das Wasser in einer
Zisterne im Graben des Turms gesammelt wurde. Dieser
Graben war bereits 1819 in den Felsen gesprengt worden.
Neben dieser Sammelstelle wurde später eine dampfbe-
triebene Druckpumpe installiert. Um die gesamte Anlage
auch im Kriegsfall ausreichend mit Trinkwasser zu versor-
gen, wurde 1838 darüber hinaus auf dem Niederehren-
breitstein ein Brunnen gebohrt. Zwei Jahre später war ein
Druckwerk fertiggestellt, mit dessen Hilfe das Wasser in
die höher gelegenen Bereiche der Festung gehoben wer-
den konnte.196
195 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt in Berlin vom 18. Dezember 1926. 196 Vgl. Böckling, Wasserversorgung Festung, S. 9 und 11f: Die durch das Hinaufpumpen des Wassers gewonnene Fallhöhe erlaubte es, das Wasser durch Röhren in verschiedene Teil der Festung fließen zu lassen.
Ähnlich wie in Koblenz bestanden auch in Ehren-
breitstein Nutzungsvereinbarungen über das aus den
Quellen der Umgebung stammende Wasser zwischen
Staat, Gemeinde und Militärfiskus. Über die Kos-
tenbeteiligung gab es allerdings immer wieder Diffe-
renzen zwischen Gemeinde und Militär. Als zum
Beispiel bei der Überwölbung des Wambaches und
der Verlegung einer Rohrleitung an einem Gebäude
Schäden entstanden waren, verweigerte die Kom-
mandantur von Koblenz und Ehrenbreitstein eine
Beteiligung an der Begleichung der Schäden. Der
Grund: Aus der Wambach-Leitung wurde nur ein
militärisch genutztes Gebäude versorgt. Dagegen
standen sieben zivile Gebäude.
Die Kommandantur wies – wohl in Erinnerung des
Trinkwassermangels in der Garnison vom Mai
1823197 – darauf hin, dass sie kaum die Hälfte des ihr
rechtlich zustehenden Wassers beanspruchte. In der
Tat bestand zwischen Gemeinde und Militärfiskus
die Vereinbarung, dass beide Partner jeweils 50 Pro-
Auf seinem Weg füllte das Wasser neun Zisternen der Festung. Diese Sammelbauwerke waren entweder in die Gebäude integriert oder in den Felsen eingetieft. 197 LHA-441, 24919: Brief der Kommandantur an die Königliche Regie-rung Koblenz, 28. Mai 1823.
186 Teil 3 ______________________________________________________________________________
zent des Wassers erhalten sollten. Jedoch hatte sich
die Kommandantur verpflichtet, die Hälfte der Un-
terhaltungskosten der Leitung von der Daubachs-
quelle und von der Korn’s Quelle zu tragen.198 Be-
sondere Abmachungen bestanden für die Festungs-
anlagen. Zur Sicherung der Versorgung hatte die
Militärverwaltung das Recht, das Wasser aus dem
von der Riddelsbornquelle gespeisten Eselsbach „[...]
zu ihren Zwecken zu benutzen, nach Guthalten die
früher bestandene Wasserleitung von derselben wie-
derherzustellen [...]“ Der Fiskus besaß außerdem die
Eigentumsrechte auf die zur ehemaligen Leitung er-
bauten Kanäle und sollte auch noch „[...] gewisse
Rechte auf diejenigen Terrainstellen haben, unter
welchen die Canäle liegen oder die Röhrleitung
gelegen hat. [...]“199
Die ständigen Reibereien mit der Zivilgemeinde führten
dazu, dass das Militär immer wieder versuchte, die Was-
serversorgung der rechtsrheinischen Festungswerke auf
eine solidere technische und rechtliche Grundlage zu
stellen. Es gab nämlich akuten Handlungsbedarf. Trotz
der Quellenerschließung und der aufwendigen Baumaß-
nahmen reichte das Wasserdargebot für den Ehrenbreit-
stein nicht aus, zumal neue Festungsbauten wie die Arz-
heimer Schanze (1866/67) errichtet wurden. Im Cholera-
jahr 1866 kaufte die Fortifikation Koblenz von der Witwe
Johann Schneider ein südlich von Arenberg gelegenes
Grundstück mit der sogenannten Riddelsbornquelle, die
in den Eselsbach floss. Die dortigen Mühlenbesitzer er-
hielten eine einmalige Abfindung. Die Verbindung zur
Festung wurde über eine neue Leitung hergestellt, wobei
ein unterirdischer Kanal der 1794 zerstörten alten Rid-
delsborn-Leitung einbezogen werden konnte. Im Zuge
der weiteren Verstärkung der Festungswerke auf der rech-
ten Rheinseite sollte sich herausstellen, dass die Kapazitä-
ten der Riddelsbornquelle nicht ausreichten. Der Militär-
fiskus schloss deshalb 1893 einen Vertrag auf 30 Jahre mit
der Gemeinde Arzheim. Gegen Zahlung eines jährlichen
Pauschalbetrages von 666,67 Mark wurde dem Militär
gestattet, eine fiskalische Leitung an das Arzheimer Was-
serversorgungssystem anzuschließen. Die Vereinbarung
198 LHA-441, 24918: Brief der Kommandantur an die Bezirksregierung. Brief Bezirksregierung an das preußische Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, 4. November 1850 (Konzept). BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regie-rungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt vom 18. Dezember 1926. 199 LHA-441, 24919: Brief Huenes an die Königliche Regierung Kob-lenz, 18. Juli 1833.
ermöglichte es, den Wassermangel in den Festungswerken
Rheinhell und Asterstein zu beheben.200
Um die Wasserversorgung für den Ehrenbreitstein lang-
fristig zu sichern, schloss die Fortifikation Koblenz mit
der Gemeinde Arenberg 1909 einen Vertrag über die
Nutzung der sogenannten „Meerkatzquelle“. Das Wasser
aus dieser Quelle wurde zunächst zu einem Waldstück
beim Kloster Arenberg geleitet, wo sich bereits zwei Was-
ser-Hochbehälter der Gemeinde Arenberg befanden. Um
die Versorgung für die Festung sicherer zu machen, ließ
die Militärverwaltung an gleicher Stelle einen eigenen
Hochbehälter errichten. Von dort wurde eine einfache
Fließleitung zur Festung gelegt, die in etwa parallel zur
alten „Riddelsborn-Leitung“ lief.201 Die Baumaßnahme
zahlte sich aus: Indem einfach das Gefälle erhöht wurde,
stieg auch der Wasserdruck deutlich.202
Mit der Zeit stellte sich heraus, dass die neue Anbindung
nicht mehr erforderlich war, obwohl die „Meerkatzquelle“
als Hauptversorgungsquelle der rechtsrheinischen Befesti-
gungen eingeplant war. Die Festung Ehrenbreitstein
wurde in das öffentliche Wasserversorgungssystem von
Arenberg eingebunden. Der Betrieb der verschiedenen
Zisternen auf dem Festungsgelände war bereits 1912
entfallen.203 Der Wasserverbrauch war genau festgelegt,
durfte aber im Brandfall überschritten werden. Die Ver-
einbarung zwischen Gemeinde und Militär führte dazu,
dass auch die Riddelsbornquelle nicht mehr für die Ver-
sorgung des Ehrenbreitsteins benötigt wurde. Und so
erhielt die Stadt Ehrenbreitstein bereits 1910 das Recht,
das Überlaufbecken der Riddelsbornquelle zu nutzen, die
vom Militär nur noch für die Versorgung des Forts Aster-
stein benötigt wurde.204
Der Riddelsborn fließt in den Eselsbach. Von dort wurde
das Wasser über ein Pumpwerk im Fort Asterstein ver-
teilt, das darüber hinaus über die Arzheimer Wasserlei-
tung versorgt wurde. Das Überlaufwasser aus der Riddels-
born-Quelle wurde unentgeltlich an die Kommune abge-
geben. Auf Verlangen der amerikanischen Besatzung
200 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt in Berlin vom 18. Dezember 1926. 201 Die einfache Fließleitung war nur bis 1920 in Betrieb, obwohl der Vertrag zwischen der Fortifikation Koblenz und der Gemeinde Arenberg eine Nutzung der „Meerkatzquelle“ bis zum 31. März 1943 vorsah. 202 Vgl. Böckling, Wasserversorgung Festung, S. 9. 203 Vgl. Böckling, Branntwein, S. 96: Ausgenommen waren die Zisternen Niederer Schlosshof, Südtraverse, Südlicher Abschnitt und Helfenstein, die für die Notversorgung vorgehalten wurden. 204 Vgl. Böckling, Wasserversorgung Festung, S. 11.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 187 ______________________________________________________________________________
musste der Staat schließlich das gesamte Wasser aus der
Riddelsbornquelle an die Stadt Ehrenbreitstein abtreten,
um die örtliche Wasserversorgung abzusichern. 1920
wurde die ausschließlich vom Militär genutzte neuere
Riddelsborn-Leitung ganz vom Netz genommen und
trockengelegt. Die neue Anbindung an die Wasserversor-
gung von Arzheim war so gut, dass das Wasser aus den
dortigen Quellen dreimal gereicht hätte, um den Bedarf
in den von der Besatzung genutzten Festungsbauten zu
decken.205 Man bedenke: Zu dieser Zeit hatten die preußi-
schen Festungsanlagen längst ihre strategische Bedeutung
verloren. Ihnen drohte sogar die Schleifung gemäß den
Bestimmungen des Versailler Vertrages, die in Koblenz
aus denkmalpflegerischen Gründen nur in Teilen vollzo-
gen wurde.
Die Stadt Ehrenbreitstein unternahm schließlich einen
Vorstoß, die Riddelsbornquelle vollständig zu erwerben.
Sie erklärte sich in ihrem Schreiben an das Reichsvermö-
gensamt vom 26. Oktober 1926 grundsätzlich bereit, die
Riddelsbornquelle in ihr Eigentum zu überführen. Als
Gegenleistung wollte die Stadt das Wassergeld für die von
der Gemeinde versorgten reichseigenen Liegenschaften
ermäßigen. Im Reichsvermögensamt stand man dem
Vorschlag grundsätzlich positiv gegenüber. Schließlich
wurden die Verhandlungen über die Details eingeleitet.
Die Behörde hatte erkannt, dass die Riddelsbornquelle für
das Reich nur noch einen geringen Wert besaß.206
Trotz der entscheidenden Verbesserungen in der Wasser-
versorgung der Festung Ehrenbreitstein lebte die Besat-
zung auch weiterhin sehr spartanisch. Allerdings gab es
für sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Möglich-
keit, die Körperpflege zu verbessern, weil 1884 im Turm
„Ungenannt“ eine Badeanstalt eingerichtet wurde.207 In
der „Langen Linie“ sollte kurz vor Ausbruch des Ersten
Weltkrieges eine weitere Badeanstalt dazukommen. Dage-
gen hatte man bis 1918 auf den Einbau von Toiletten mit
205 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt in Berlin vom 18. Dezember 1926. 206 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt in Berlin vom 18. Dezember 1926. Als reichseigene Gebäude in der Stadt Ehrenbreit-stein werden im Bericht die Häuser an der Großen Bleiche, das Militär-lazarett im Teichert (der heute noch bestehende Martin-Gropius-Bau), das Traindepot, das Pageriegebäude, das Offizierskasino, das Proviant-amt und die Münzkaserne genannt. Über den Ausgang der Verhandlun-gen sagt der Bericht jedoch nichts. 207 Siehe auch Böckling, Branntwein, S. 97: Zuvor mussten Wasserschüs-seln in den Stuben für die morgendliche Hygiene genügen. Im Sommer nutzten die Soldaten allerdings mindestens zwei Mal pro Woche eine Badeanstalt am Rhein.
Wasserspülung verzichtet. Erst die amerikanische Besat-
zung setzte gegen den Widerstand der deutschen Behör-
den eine „Nachrüstung“ durch. Der Grund dafür, dass
sich die Verwaltung widersetzte, war einleuchtend: Die
Festung war nicht an die Kanalisation angeschlossen. Erst
1990 sollte der Ehrenbreitstein in das Koblenzer Kanal-
system eingebunden werden.208
5.3 Kurort mit Brunnen und Bädern?
Kohlensäuregashaltiges Wasser war schon früh wegen
seiner Frische und seines Wohlgeschmacks beliebt. Es war
aber keine Alternative zu dem aus Brunnen gewonnenen
Trinkwasser, weil es für die Menschen einfach zu teuer
war. Das „Sauerwasser“ wurde eher als Heilwasser gese-
hen.209 Auch in Ehrenbreitstein gibt es eine solche Sauer-
wasserquelle: den „Dähler Born“. Dieser Mineralbrunnen
spielte aber nur lokal eine gewisse Rolle, weil er weder
qualitativ noch quantitativ eine Konkurrenz zu den gro-
ßen Quellen in Eifel und Taunus darstellte, die die Vor-
aussetzungen für die im 19. und 20. Jahrhundert aufblü-
hende Mineralwasserindustrie sein sollten. Allerdings war
die Ehrenbreitsteiner Quelle schon sehr lange bekannt,
worauf auch der Name hinweist. Darin steckt das Wort
„Dahl“, was für den alten Namen „Tal“ steht, den die
kleine Residenzstadt einst führte.
Das Wort „Born“ entstand im Mittelalter aus dem Wort
„Bronn“, das ursprünglich genau die Stellen bezeichnete,
an denen Wasser aus dem Boden trat oder in kleine Fluss-
läufe abfloss. Mit Sicherheit lässt sich die Geschichte des
Dähler Borns bis weit in das Mittelalter zurückverfolgen.
Allerdings war das Quellwasser ursprünglich nicht unter
der heutigen Bezeichnung bekannt.
Die Quelle wird zum ersten Mal 1327 „als Schwalborn“
urkundlich genannt, dürfte aber in Wirklichkeit noch viel
älter sein. Denn neben der Quelle hatte ein gewisser Rit-
ter Heinrich seinen Sitz. Er wird bereits 1294 erstmals
genannt.210 Später fügte Heinrich seinen Namen den
Zusatz von „Schwalborn“ an. Die älteste Quellfassung
wurde 1837 entdeckt, sie bestand wohl – wie in der gan-
208 Vgl. Böckling, Wasserversorgung Festung, S. 16ff. 209 Grundlegend zum Thema: Schneider, Konrad, „stets in frischer Füllung“. Zur Mineralwasserabfüllung vom 16. Jahrhundert bis in die Zeit des industriellen Füllbetriebs, in: Jahrbuch für westdeutsche Lan-desgeschichte 31/2005, S. 203-255. 210 Vgl. Michel, Kunstdenkmäler, S. 458. Kallenbach, Sanierung Ehren-breitstein, S. 271.
188 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 53: Das Brunnenhaus des Dähler Borns mit der Pächterwohnung im Sommer 2005.
zen Region üblich – aus Basaltlava, die üblicherweise von
Niedermendig am Laacher See stammte. Die Erdarbeiten
am Dähler Born waren damals nötig, um die Quelle neu
zu fassen. Es waren Klagen laut geworden, dass weder die
Qualität des Wassers noch dessen Schüttung ausreichten.
Und da man verhindern wollte, dass sich „süßes“, unrei-
nes Oberflächenwasser mit dem kohlensäurehaltigen
reinen Wasser aus tieferen Erdschichten vereinigte, führte
man umfassende Arbeiten aus.
Die Koordination und die kaufmännische Überwachung
des Projektes übernahm der für die Wasserversorgung in
der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein zuständige Ingeni-
eurhauptmann Johann Jacob Kirn, der in seiner Aufstel-
lung vom 15. Juli 1837 bemerkte, dass die Stadt für Pla-
nung und Ausführung des Projektes den Wasserbaumeis-
ter van den Bergh211 gewonnen hatte. Unter seiner Lei-
tung hatten die Arbeiten bereits am 26. April begonnen.
In einem ersten Schritt wurde ein neuer Kanal angelegt,
mit dessen Hilfe das Brunnenwasser umgeleitet wurde.
Nun war der Weg frei, die eigentliche Quelle neu zu
fassen. Darüber hinaus wurde eine Ableitung für das
211 Herkunft und Qualifikation van Berghs sind aus den Akten im Stadtarchiv nicht eindeutig rekonstruierbar.
überschüssige Wasser in den Wambach angelegt, der
durch die gleichnamige Straße floss. Denn der „Sauer-
brunnen“ war nicht die einzige Quelle im Obertal. Eine
Situationsskizze zeigt, dass sich in unmittelbarer Nähe des
„Dähler Borns“ eine „kalte Quelle“ befand, aus der man
wohl das Wasser zum Reinigen der Tonkrüge bezog.
Die wichtigsten Maßnahmen erfolgten im Bereich der
Hygiene. Der Brunnen, der ursprünglich nur von Mauern
und dem recht kleinen Brunnenhaus umgeben war, wur-
de endlich mit einer leichten Konstruktion überdacht.
Darüber hinaus wurde eine Pumpanlage für die Füllung
der Krüge installiert. Das unhygienische manuelle Abfül-
len der Gefäße entfiel somit.212
Dass die Arbeiten ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt
ausgeführt wurden, war kein Zufall. In dieser Zeit träum-
te man in der einstigen kurtrierischen Residenzstadt da-
von, eine bedeutende Bäderstadt mit heilsamen warmen
und kalten Quellen zu werden. Hintergrund: Nachdem
die Kurfürsten die Stadt verlassen hatten, ging ihre ur-
sprüngliche Bedeutung verloren. Man brauchte einen
Ersatz – auch wenn das preußische Militär zunehmend
eine Rolle spielte. Hoffnungen machte man sich zudem
212 StaK-655,10, 578: Aufstellung Johann Jacob Kirns,15. Juli 1837.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 189 ______________________________________________________________________________
deshalb, weil der bekannte Geologe Christian Leopold
von Buch (1774–1853) im August 1834 Ehrenbreitstein
besucht und eine realistische Chance gesehen hatte, im
Dahl auf Thermalquellen zu stoßen.213
Der Optimismus von Buchs, der auch heute noch als
bedeutendster Geologe seiner Zeit gilt, war nicht unbe-
gründet. Das schon im Mittelalter als Kurort geschätzte
Bad Ems mit seinen 17 Quellen war nicht weit entfernt.
Und die geologischen Zusammenhänge zwischen Ehren-
breitstein, den heutigen Koblenzer Höhenstadtteilen und
den Gemeinden an der Lahn waren bekannt. Entspre-
chend schnell handelten die Ehrenbreitsteiner Stadtväter.
Bereits im Herbst 1834 wurde der Bonner Oberbergrat
Oeynhausen mit einem Vorgutachten beauftragt. Er
schätzte die Grundkosten für eine Bohrung nach heißen
Quellen auf rund 4000 Taler. Das erschien ein hoher
Preis, weil der Oberbergrat, der quasi als beratender Inge-
nieur die Bohrungen vorbereiten sollte, von Anfang an für
eine Gestängebohrung plädierte.214 Doch die kommuna-
len Kassen waren leer, die Stadt Ehrenbreitstein konnte
nur 2000 Taler für diesen Zweck zur Verfügung stellen.215
Bürgermeister Johann Jakob Josef von Eyss, der sage und
schreibe 42 Jahre an der Spitze der örtlichen Kommunal-
verwaltung stand, wollte schließlich das Projekt über eine
Aktiengesellschaft finanzieren, über die Bürger das nötige
Geld einbringen sollten. Im Februar 1836 wurde ein
entsprechender Aufruf veröffentlicht.216 Die Resonanz war
überraschend groß. Nach der Empfehlung des hoch ange-
sehenen Geologen glaubten viele an den Erfolg des Pro-
jektes und eine Zukunft Ehrenbreitsteins als Bäderstadt.
Bereits am 23. Februar 1836 gab es eine Gesellschaftsord-
nung. Noch wichtiger schien ein Vertrag mit der Stadt zu
sein, der das gleiche Datum trägt. In dem Kontrakt ver-
pflichtete sich die Stadt, den Grund und Boden für die
Errichtung von „Badgebäuden“ abzutreten. Für den Fall,
dass man auf „kaltes Wasser“ stoßen würde, sollte die
Gesellschaft einen Teil des Wassers als Entschädigung an
die Kommune abtreten.217
Am 28. April 1836 brachte die neue Aktiengesellschaft
schließlich ihre Statuten auf den Weg.218 Mehr als 190
213 StaK-655,10, 583: Abschrift des Briefs Christian Leopold von Buchs von Heidelberg nach Ehrenbreitstein vom 13. August 1834. 214 StaK-655,10, 580: Bericht Oeynhausens, 29. Januar 1837, 215 StaK-655,10, 583: Aufstellung Oeynhausens, 24. November 1834. 216 StaK, 655-10, 583: Aufruf vom 23. Februar 1836. 217 StaK-655,10, 587: Aktiensammlung. 218 StaK, 655-10, 579: Statuten der Aktiengesellschaft, 28. April 1836.
Aktionäre glaubten an die Zukunft Ehrenbreitsteins als
Stadt der Bäder und stiegen in die Gesellschaft ein. Unter
den Aktionären befanden sich illustre Namen wie der der
Fabrikantenfamilie d’Ester, der die Sayner Hütte und eine
Lederfabrikation in Vallendar gehörte.219 Vor diesem
Hintergrund wird deutlich, warum die Stahlwerke im
heutigen Bendorfer Stadtteil Sayn mit Aufträgen zur
Herstellung der Bohrausrüstung bedacht wurden. Die
engen Verbindungen erklären auch, dass Oberinspektor
Althans als „Vorgesetzter“ Kirns’ quasi eine Aufsichts-
funktion über die Bohrungen erhielt. Er war der Familie
d’Ester freundschaftlich verbunden. Es steht zwar nicht in
den Quellen, doch dürften die d’Esters als „Gegenleis-
tung“ dafür gesorgt haben, dass das erforderliche Kapital
von 10.000 Talern bereits – wie Ingenieurhauptmann von
Kirn in seinem Tagebuch bemerkt – in der zweiten Gene-
ralversammlung der zu gründenden Aktiengesellschaft am
1. April 1836 komplett war.220
Die Suche nach den warmen Quellen begann im Januar
1837 in der nach Arenberg führenden Kniebreche. Zu-
nächst wurde ein Brunnen „auf 10 Fuß Tiefe und viersei-
tig 10 Fuß Breite“ gegraben und ausgemauert. Doch
richtig kam man nicht voran, weil „Berater“ Oeynhausen
anderweitig verpflichtet war und sich wohl auch unglück-
lich darüber zeigte, dass seine Empfehlung einer Gestän-
gebohrung nicht aufgenommen wurde. Schließlich über-
nahm Oberinspektor Althans auch offiziell die Leitung
der Bohrversuche. Die Bohrspitzen kamen indessen weiter
aus Bonn, der Rest wurde dagegen in der Sayner „Ma-
schinenfabrik“ hergestellt und vorbereitet.221 Die weiteren
Schritte sind in den Tagebüchern und Akten über die
Bohrversuche, die heute im Stadtarchiv Koblenz aufbe-
wahrt werden, sehr gut dokumentiert. Exemplarisch seien
an dieser Stelle die Aufzeichnungen von Althans und von
Kirns für das Jahr 1839 genannt. Darin werden exakt
Bohrfortschritte und Rückschläge dokumentiert. Dem-
nach begannen ernsthafte Bohrversuche erst am 7. No-
vember 1837. Entgegen der Empfehlungen des Oberberg-
rates Oeynhausen hatte man sich aus Kostengründen
gegen das Bohren mit Gestängen und für das billigere
Verfahren mit Seilwinden entschieden. Entsprechend
langsam ging es voran. Schiefer- und Grauwacke-
Desgl. in StaK-655,10, 583. Darin auch Genehmigung des Oberpräsi-denten Ernst von Bodelschwingh vom 5. August 1836. 219 StaK, 655,10, 587: Liste der Aktionäre der Aktiengesellschaft. 220 StaK-655, 10, 584: Tagebuch der Ehrenbreitsteiner Bohrversuche für das Jahr 1837, S. 1. 221StaK-655, 10, 584: Tagebuch der Ehrenbreitsteiner Bohrversuche für das Jahr 1837, S. 3f.
190 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Schichten konnten nur mit Mühe und vor allem mit
hohem Verschleiß bewältigt werden. Am 20. Juni 1838
wurde gerade mal eine Tiefe von 103 Fuß erreicht, was in
etwa 32,82 Metern entsprach. Anfang Januar hatte man
eine Tiefe von 150 Fuß erreicht.222
Auch zwei Jahre nach Beginn der Bohrungen gerieten die
Arbeiten immer wieder ins Stocken. Anfang Februar 1839
mussten sich Althans und Kirn mit der mangelnden Güte
der Bohrer auseinandersetzen, die von der „Maschinen-
fabrik“ an der Sayner Hütte geliefert wurden. Die Fabrik
beeilte sich, eine verbesserte Qualität der Bohrer zu versi-
chern. Doch das Problem blieb. Schließlich zog man
sogar in Betracht, die Bohrstelle zu verlegen.223 Die langen
Unterbrechungen führten schließlich dazu, dass man am
Ende doch zur Gestängebohrung überging, wobei sich der
Beginn der Umstellung trotz der detaillierten Tagebuch-
aufzeichnungen nicht exakt datieren lässt. Die begleiten-
den Skizzen lassen jedoch darauf schließen, dass die Um-
stellung im Laufe des Jahres 1839 erfolgte. Die Bohrge-
sellschaft stand nämlich allmählich unter Erfolgsdruck,
weil einzelne Aktionäre spätestens im Frühjahr 1839
damit begannen, unangenehme Fragen zu stellen. Es kam
nicht von ungefähr, dass sich am 28. Juni ein anonymer
Aktionär in der Rhein- und Mosel-Zeitung zu Wort mel-
dete.224 Doch es gelang, die Aktionäre zu beschwichtigen.
Wie die Rhein- und Moselzeitung meldete, war man in
der Aktionärsversammlung vom 27. Mai 1840 mit dem
Fortgang der Arbeiten sehr zufrieden. Man strebte eine
Bohrtiefe von rund 600 Fuß an. Immerhin hatte man bis
Ende Dezember 1840 eine Tiefe von 252 Fuß (= 80,3
Meter) erreicht.225
Auch in den folgenden Jahren schwankten die Aktionäre
zwischen Hoffen und Bangen. Da man im Verlauf der
Bohrungen auch auf gasführende Schichten gestoßen war,
ging man fest vom Erfolg des Unternehmens aus. Nur so
ist es zu erklären, dass die Suche nach heißen und kalten
Quellen zehn Jahre lang aufrechterhalten werden konnte.
Und man stieß in immer größere Tiefen vor. Das geht aus
der Einladung des Bürgermeisters von Eyß hervor, der in
seiner Eigenschaft als Sekretär des Vorstandes der Direk-
tion für den 30. Mai 1844 zu einer Generalversammlung
einlud. In der Ergänzung zur Bekanntmachung hieß es:
222 StaK-655,10, 585: Tagebuch der Ehrenbreitsteiner Bohrversuche für das Jahr 1839, S. 5f. und S. 9. 223 StaK-655,10, 581: Korrespondenz vom 8. Februar, 14 März, 10. April und 22. Juni 1839. 224 StaK-655,10, 585: Abschrift des Zeitungsberichtes, 28. Juni 1839. 225 StaK-655,10, 586: Tagebuch der Ehrenbreitsteiner Bohrversuche für das Jahr 1839. Aufzeichnungen für Mai und Dezember.
„[…] Die Herren Aktionaire der Gesellschaft der Bohr-
versuche zu Ehrenbreitstein werden darauf aufmerksam
gemacht, dass man in einer Tiefe von 619 Fuß 4 Zoll auf
eine Quelle gestoßen ist, die sich als ein Eisen-Säuerling
erwiesen hat und deren nähere Bestandteile jetzt näher
geprüft werden. Auf diese Weise ist also die Ansicht des
Hrn. Von Buch, in dessen Gutachten ein solcher Säuer-
ling vorhergesag wurde, zur Freude der Gesellschaft bisher
vollkommen gerechtfertigt. […]“226
Die Bohrungen sorgten übrigens auch überregional für
Aufsehen. Sogar der bekannte Naturforscher und Geograf
Alexander Freiherr von Humboldt (1769–1859) fand sich
im Rahmen seines Besuchs bei der ebenso bekannten
Familie Mendelssohn in Horchheim am 29. August 1845
an der Bohrstelle ein und hatte „[…] die Bohrversuche
beehrt und sehr befriedigend sich ausgesprochen.227 Doch
der Besuch von bedeutenden Wissenschaftlern und Inge-
nieuren, die sogar bis aus Skandinavien angereist waren,
änderte nichts an der Tatsache, dass die Stimmung in
Ehrenbreitstein immer schlechter wurde. „Wie nur dem
Kopf nicht alle Hoffnung schwinde, der immerfort an
sich schon Zeuge bleibt. Mit gieriger Hand nach Schätzen
gräbt. Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet“, no-
tierte der resignierende Ingenieurhauptmann Kirn Anfang
April 1845.228 Etwas hoffnungsvoller hörten sich dagegen
die Berichte in der Tagespresse an, wie folgender Aus-
schnitt zeigt: „[…] Die öffentlichen Blätter haben bereits
öfter Mittheilungen über den Fortgang und die Erfolge
der hiesigen Bohrversuche nach Mineralquellen enthalten,
und das auswärtige Publikum hat immer mit der größten
Spannung die Nachrichten darüber verfolgt, was außer
der Bedeutung, die dieses Unternehmen für den hiesigen
Platz an sich schon einnimmt, ein hinlängliches Zeugniß
dafür liefert, welches Interesse dasselbe in Hinsicht auf die
Wissenschaft und Kunst bietet. Freilich haben sich dabei
mitunter bedeutende Schwierigkeiten entgegengestellt
und es gehörte viel Kraft und Ausdauer dazu, um den
Muth nicht sinken zu lassen und solche zu beseitigen,
allein desto ehrenvoller wird auch, im Falle dass ge-
wünschte Resultat erlangt wird, solches für die Unter-
nehmer sein. Wenn wie nun bereits mehrfach Erschei-
nungen bemerken, welche uns zu günstigen Hoffnungen
berechtigen, so mag solches jetzt um so mehr der Fall
sein, als erst in letztvergangenen Tagen auf der ersunke-
nen Sohlen-Teufe in 680 bis 683 Fuß [= rund 216 Meter]
226 StaK-655,10, 811: Öffentliche Bekanntmachung, 3. Mai 1844. 227 StaK-655,10, 113: Bohrversuche. Eintrag im beiliegenden Fremden-buch, S. 29, 29. August 1845. 228 StaK-655, 10, 113: Bemerkung Kirns, 9. April 1845.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 191 ______________________________________________________________________________
in hängender Formation eine Quelle von 13 Grad Réau-
mur [= 16,25 Grad Celsius] erbohrt wurde, die einstwei-
len auf der Seite des Bohrstocks nach einem Abzugskanal
eingeleitet worden ist. Bei der chemischen Untersuchung
des Wassers fand sich, dass dasselbe eine Menge fester
alkalischer Bestandteile, dagegen gar keine Eisentheile
enthielt. Ein solches Phänomen ist von großer Wichtig-
keit und aller Beachtung werth, und wir glauben daher
mit Gewissheit erwarten zu können, dass in der auf den
26. d. M. anberaumten General-Versammlung die Aktio-
näre gewiß keine Bedenken tragen werden, durch Zeich-
nung neuer Beiträge die Fortsetzung des Unernehmens zu
sichern, um nicht im entgegengesetzten Falle durch leich-
tes Aufgeben desselben, so bedeutende Geldsummen und
so viele gemachte praktische Erfahrungen, die zur Förde-
rung desselben für die Zukunft so wichtig sind, nutzlos
gehen zu lassen. […]“229
In der Tat brachte die Generalversammlung den ge-
wünschten Erfolg. Noch einmal waren die Aktionäre
bereit, neue Anteile zu zeichnen. In der Presse heißt es
dazu: „[…] Trotz mancher böswilligen Anfeindungen in
verschiedenen öffentlichen Blättern haben die Actionäre
der Gesellschaft für die Bohrversuche nach Mineralquel-
len in Ehrenbreitstein die Fortsetzung des Unternehmens
und die Zeichnung neuer Beiträge mit entschiedener
Stimmenmehrheit votiert, auch die fernere Leitung der
Versuche dem seitherigen Vorsteher dem vormals kurtrie-
reischen Ingenieurhauptmann von Kirn abermals anver-
traut, um demselben so eine Anerkennung für unerschul-
dete Verfolgungen zu gewähren. […]“230
Die mit großem Aufwand betriebenen Bohrungen brach-
ten am Ende doch keinen Erfolg, weil man die Kosten für
die Erschließung der bei den Bohrungen angeschnittenen
Mineralquelle scheute. Wie aus dem Schriftverkehr zwi-
schen Gemeinde, Aktiengesellschaft und übergeordneten
Behörden hervorgeht, ruhten die Arbeiten im Februar
1847. Zu diesem Zeitpunkt waren die zur Verfügung
stehenden Mittel ausgeschöpft. Zudem blieb die erhoffte
Unterstützung durch den preußischen Staat aus. Schließ-
lich ließ das Interesse der Aktionäre an den Bohrungen
derart nach, dass sie schließlich eingestellt wurden.231 Der
Dähler Born floss unterdessen weiter. Allerdings hatte sich
229 StaK-655,10, 811: Zeitungsausschnitt, 9. Mai 1845. Provenienz unklar, wahrscheinlich Rhein- und Mosel-Zeitung. 230 StaK-655,10, 811: Nicht näher datierter Zeitungsausschnitt unklarer Provenienz (Juni 1845). 231 Dazu: Schriftverkehr in StaK-655, 10, 113.
inzwischen herausgestellt, dass die Maßnahmen zur Neu-
fassung und Überdachung der Quelle von 1837 unzurei-
chend waren. Man entschied sich im November 1882
noch einmal zu einer umfassenden Brunnensanierung und
legte die Auftragsvergabe auf den 16. Januar 1883 fest.232
Die Entscheidung kam nicht von ungefähr. Immer wieder
hatten sich die Pächter über die mangelnde Güte und
Qualität des Sauerbrunnens beklagt, die in keinem Ver-
hältnis zur hohen Pacht stand. Im Juni 1883 war die
Brunnensanierung weitgehend abgeschlossen. In der
Bürgermeisterei stellte man zufrieden einen „gesteigerten
Consum“ fest.233
Die Baumaßnahmen waren recht umfangreich. Man
wollte nicht mehr hinnehmen, dass der Brunnen immer
noch offen stand.234 Aus diesem Grunde wurde das Bassin
tiefergelegt und zugemauert. Das Wasser sollte fortan
über seitlich angebrachte Röhren entnommen werden. In
dieser Zeit wurde wohl die gesamte Entnahmestelle über-
wölbt und damit das schmale Haus der Brunnenpächter
nach hinten verlängert. Trotz der umfangreichen Maß-
nahmen häuften sich die Klagen der Pächter, deren Ver-
hältnis zur Stadt Ehrenbreitstein auf Grundlage der Poli-
zeiverordnung vom 1. Oktober 1858 geregelt war. So
stellte der Pächter Steireif am 4. Juli 1884 fest, dass wegen
der andauernden Hitze die Ergiebigkeit des Mineralbrun-
nens so weit zurückgegangen war, dass kein Wasser mehr
abgegeben werden konnte. Steireifs Nachfolger Johann
Schuy legte am 26. August 1896 nach und bemängelte
einen „schlaffen Geschmack“, der so gravierend war, dass
Krüge nicht für den Versand fertig gemacht werden
konnten. Einer Intensivierung der Reinigung wollten sich
die Pächter aber wegen der hohen Betriebskosten von
vornherein entziehen.235
Was sich zunächst wie eine Ausrede anhört, erscheint bei
näherer Betrachtung verständlich. Zu Beginn des
20. Jahrhunderts kam es immer öfter vor, dass Pacht und
Betriebskosten die Einnahmen aus der Mineralwasserab-
gabe überstiegen. Dies geht aus einer Aufstellung des
Pächters Johann Schuy für die Jahre von 1896 bis 1911
hervor.236 Noch einmal versuchte die Stadt, dem Bedeu-
232 Stak-655.10, 577: Protokollauszug der Sitzung des Gemeinderates am 16. November 1882. 233 StaK-655,10, 866: „Zeitungsbericht“ der Bürgermeisterei für das zweite Quartal 1883, 14. Juni 1883. 234 Die Krüge wurden mit langen Stangen an der offenen Quelle gefüllt. 235 StaK-655,10, 577: Schriftverkehr zwischen den Pächtern und der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein. 236 StaK-655,10, 569: Schriftverkehr zwischen dem Pächter Johann Schuy und der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein.
192 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 54: Das Innere des Brunnenhauses mit dem „Dähler Born“ im Sommer 2005.
tungsverlust durch kleinere Baumaßnahmen zu begegnen,
die 1918 geplant und durchgerechnet wurden.237 Im Zuge
dieser Arbeiten erhielt der „Dähler Born“ im Wesentli-
chen seine heutige Gestalt. Die Maßnahmen konnten den
weiteren Bedeutungsverlust des Brunnens nicht verhin-
dern. Die übermächtige Konkurrenz der ergiebigeren
Quellen in der Eifel und in Hessen war zu groß. Immer-
hin wurde noch in den 1930er-Jahren das Quellwasser aus
dem Dahl in zylinderförmigen Steinzeugflaschen ausgelie-
fert. Und das, obwohl sich der industrielle Abfüllbetrieb
und der Einsatz von billigeren und hygienischen Glasfla-
schen längst durchgesetzt hatten.
Eine Zäsur markierte der Zweite Weltkrieg. Mit der ers-
ten Sanierung des Quellhauses im Obertal 1970 kehrte
der Dähler Born wieder ins allgemeine Bewusstsein zu-
rück. Seit der zweiten Renovierung des Gebäudes in den
Jahren 1994 und 1995 ist es wieder üblich, gelegentlich
Dähler Wasser im Steinzeugkrug zu servieren.
237 StaK-655,10, 569: Aufstellung des Ehrenbreitsteiner Gemeindebau-meisters, 3. Oktober 1918.
5.4 Qualitätsproblem beim Grundwasser
Die Qualität des Ehrenbreitsteiner Quellwassers
muss im Großen und Ganzen zufriedenstellend ge-
wesen sein. Trotzdem gab es keinen Grund, die Un-
tersuchung des wichtigsten Lebensmittels zu ver-
nachlässigen. Gerade am Ende des 19. Jahrhunderts
wurden angesichts der noch nicht lange zurücklie-
genden Choleraepidemien immer wieder Untersu-
chungen an Ort und Stelle vorgenommen. Im
Herbst 1899 berichtet ein Mitarbeiter der Behörde:
„[...] Bei der Untersuchung der Kornschen Brunnen-
stube fand sich an der Oberfläche des Wassers die
flockenartige Ausscheidung vor, welche schon früher
als unschädlich betrachtet worden ist. Aus dem
Quellenzuflussrohr in der Südostecke der Brunnen-
stube ragte etwa 16 cm lang ein weißes, tropfsteinar-
tiges Gebilde in das Wasserbecken hinein [...]“238
Das auf diesen Bericht folgende Gutachten des
Chemikers Dr. Samelson brachte Klarheit über die
Wassergüte: Die aus dem Zuleitungsrohr hervorge-
wachsene Absetzung enthielt neben Kalk, Magnesi-
um, Eisen- und Tonerdesalzen auch eine beträchtli-
che Menge Bleisalz, die als gesundheitsschädlich
238 LHA-441, 24932: Bericht, 23. Oktober 1899.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 193 ______________________________________________________________________________
eingestuft wurde.239 In den folgenden Wochen wurde
die Garnisonsverwaltung in die Angelegenheit ein-
gebunden. Am 24. November 1899 folgte zusammen
mit dem „Brunnenmacher“ Friedrich Wilhelm Lan-
genbach ein weiterer Ortstermin. Ergebnis: „[...]
Das Brunnenwasser ist so klar, sodass durch dasselbe
die Fugen der Fliesen erkennbar sind. In das Bassin
wird von vier Röhren aus ebenso viel Quellen Was-
ser zugeleitet. Aus einer dieser Röhren soll tropf-
steinartig fester Schlamm herausgeragt haben, wel-
cher bei der Untersuchung [...] sich als bleihaltig
erwiesen hätte. Jetzt waren nur noch geringe festsit-
zende Krusten im Inneren des Rohres bemerkbar.
[...]“240 Fazit: Die Einschätzung, das Ehrenbreitstei-
ner Quellwasser sei gesundheitsschädlich, war ver-
früht. Das Quellwasser und auch das Wasser des in
der Nähe gelegenen Mühlenbaches enthielten keine
nennenswerten Mengen an Bleisalzen. Dennoch
konnte die Situation in der Brunnenstube nicht
mehr hingenommen werden. Und das betraf nicht
nur die verkrustete Zuleitung: Die Belüftung dieser
Kammer war schlecht. Außerdem bestand bei schwe-
ren Regenfällen die Gefahr, dass das Wasser des
stark verunreinigten Mühlenbachs in „Korn’s Quel-
len“ lief.241 Das war auch der Grund, warum die
Behörden keine Entwarnung gaben. So heißt es im
Bericht des Oberstabsarztes Hünermann: „[...] Es
lässt sich nicht übersehen, ob der Bleigehalt des
Quellwassers nicht zeitweise so stark wird, dass hier-
durch der Genuss des Wassers Gesundheitsstörungen
hervorruft. Aber auch hiervon abgesehen, besteht
jedenfalls die große Gefahr, dass wie im Jahre
1893/94, als die Kornsquellen in Folge der Verun-
reinigung der Brunnenstube die Ursache für eine
größere Typhusepidemie bei der Militär- und Civil-
bevölkerung wurden, auch jetzt das Wasser der fiska-
lischen Leitung durch beigemengte Schmutzstoffe
zur Ursache der heftigsten Krankheiten wird. [...]“242
Die scheinbar drohenden Gefahren waren der An-
lass, im Folgejahr erneut Untersuchungen vorzu-
nehmen. Doch sowohl für die Daubachquellen als
auch für die „Korn’s Quelle“ gaben die Behörden
239 LHA-441, 24932: Bericht der Wasserbauinspektion Mosel, 10. November 1899. 240 LHA-441, 24932: Bericht des Korpsapothekers Dr. Oster vom Dezember 1899. 241 LHA-441, 24932: Bericht Oberstabsarzt Hünermann, hygienisch-bakteriologische Untersuchungsstation Koblenz, 1. Dezember 1899. 242 LHA-441, 24932: Bericht Oberstabsarzt Hünermann.
Entwarnung. Nennenswerte Ablagerungen wurden
nicht mehr gefunden, das Trinkwasser wurde als
unbedenklich eingestuft. Gleiches galt für die Brun-
nenstube Mühlenbach. Allerdings regte man damals
an, das Wasser im Mühlgraben durch eine geschlos-
sene Leitung fließen zu lassen, um Verunreinigungen
der benachbarten Quellen künftig auszuschließen.243
In den Blickpunkt geriet auch der Mühlenbach
selbst. Er sollte „abgedichtet“ werden, um die Trink-
wasserversorgung nicht zu gefährden. Auch die
Brunnenstube, in der sich das Wasser aus den
Korn’schen Quellen vereinigte, geriet nun in den
Mittelpunkt der Kritik. Sie befand sich nämlich in
einem inzwischen dicht bebauten Gebiet im Bereich
einer großen Verkehrsstraße (der ehemaligen Bun-
desstraße 49 und heutigen L 127 in Richtung Nie-
derberg). Außerdem lagen in der unmittelbaren
Nachbarschaft zwei Kirchhöfe. Und: Das Quellwas-
ser lief durch Bleiröhren, was alles andere als förder-
lich für die Gesundheit war. Man entschied sich
zunächst dafür, die Korn’schen Quellen von der
Trinkwasserversorgung auszuschließen. Besser sah es
im Falle der Daubachquellen aus. Hier waren sich
alle beteiligten Behörden darüber einig, dass dort in
puncto Wasserqualität nichts einzuwenden war,
nachdem der „Königliche Garnisonsarzt von
Coblenz und Ehrenbreitstein“ chemische und bakte-
riologische Analysen veranlasst hatte.244
Die Behörden entschieden sich letzten Endes dafür,
die Korn’schen Quellen am Netz zu lassen, da „[...]
inzwischen seitens der Stadt der Mühlbachabfluss
auf der ganzen Chausseestrecke von der Bürgermeis-
terei bis zum Mühlbachthal in einem genügend wei-
ten Cementrohrkanal gefaßt worden [war], so daß
Nachtheile durch den Mühlenbach nicht mehr ent-
stehen [konnten] [...]“245 Schließlich war im Laufe
des Jahres 1901 die in der Nähe der Chaussee nach
Niederberg befindliche Brunnenstube umfassend
saniert worden, sodass vorerst keine Gefahr mehr für
die Gesundheit von Bürgern und Soldaten be-
243 LHA-441, 24932: Bericht der hygienisch-bakteriologischen Unter-suchungsstation Koblenz, 1. Februar 1900. 244 LHA-441, 24932: Bericht der hygienisch-bakteriologischen Untersuchungsstation Koblenz, 1. Februar 1900. 245 LHA-441, 24932: Intendantur 8. Armeekorps an die Bezirksregie-rung, 1. Dezember 1900.
194 Teil 3 ______________________________________________________________________________
stand.246 Und endlich war der Mühlteich an der
Quellstube vorbeigeführt worden.247
Schließlich befasste man sich auch eingehend mit
den Daubachquellen. Dort hatte im Sommer 1903
ein Gewitterregen die Quellstube der unteren Dau-
bachquelle so stark mit Niederschlagwasser aus dem
höher gelegenen Gelände überflutet, dass das Wasser
der fiskalischen Leitung stark getrübt war. Um eine
Wiederholung derartiger Vorkommnisse zu verhin-
dern, war der abfallende Rand des Weges an der
„Kniebreche“ durch Steinpackungen erhöht und
waren das Gewölbe und die Außenwände der Quell-
stube durch Zementputz abgedichtet worden.248
Die Aufgabe der über viele Jahrzehnte genutzten
Quelle und der fiskalischen Wasserleitung stand
nicht zur Debatte, weil lange nicht zufriedenstellend
geklärt war, ob die inzwischen von der Stadt Ehren-
breitstein errichtete und das nach mehreren Verzö-
gerungen am 1. September 1899 in Betrieb genom-
mene kleine Wasserwerk249 überhaupt eine ausrei-
chende Wasserqualität gewährleisten konnte. Grund
zum Misstrauen gab es genug. Hatte man doch
schon bereits Erfahrungen mit Krankheiten ge-
macht, die wahrscheinlich auf verunreinigtes Trink-
wasser zurückzuführen waren. So erinnerte Pfarrer
Johann Jacob Wagner, der sich in zahlreichen ge-
druckten und ungedruckten Schriften als Ortschro-
nist betätigt hatte, an den „Unterleibstyphus“, der
von Juli bis September 1891 in der Stadt wütete.
Der Ausbruch dieser gefährlichen Krankheit war
damals zum Anlass genommen worden, den Bau
einer neuen Pumpstation ins Auge zu fassen. Die
schließlich am Ausgang des Teicherts errichtete
Anlage war ein Projekt der Gemeinde – das freilich
von Anfang an zu klein dimensioniert war. Da man
das Uferfiltrat auch an die Nachbargemeinde Pfaf-
fendorf verkaufen wollte, nahm man Ende 1900 eine
weitere Motorpumpe in Betrieb. Angenehmer Ne-
beneffekt: Man hatte jetzt eine Ersatzmaschine für
246 LHA-441, 24932: Königliche Wasser-Bauinspektion Mosel. Abschrift, Ende 1901. 247 LHA-441, 13846: Bericht der hygienisch-bakteriologischen Untersu-chungsstation Koblenz, 22. Dezember 1903. 248 LHA-441, 24918: Brief Kommandantur an Bezirksregierung; Brief der Bezirksregierung an das preußische Ministerium für Handel, Gewer-be und öffentliche Arbeiten, 4. November 1850 (Konzept). 249 Zur Datierung: Stak-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Eh-renbreitstein für das dritte Quartal 1899.
den Fall, dass die erste Pumpe ausfiel.250 Die Aussage
des Ortschronisten Johann Jacob Pfarrer Wagners,
das Wasser sei direkt dem Rhein entnommen, ist
falsch. Nach den schlimmen Erfahrungen der Ham-
burger Cholera-Epidemien war man im ganzen
Reichsgebiet schon längere Zeit zur Grundwasserge-
winnung übergegangen, wie das Wasserwerk „Ober-
werth“ am linken Rheinufer beweist. Und so nennt
auch Hermann Salomon 1906 ein Ehrenbreitsteiner
Pumpwerk, das Wasser aus einem Grundwasser-
brunnen entnahm, der 40 Meter vom Rheinufer
entfernt gelegen war.251
Die Qualität des gewonnenen Uferfiltrats muss al-
lerdings bedenklich gewesen sein. Johann Jacob
Wagner ging richtigerweise davon aus, dass die Eh-
renbreitsteiner Typhusepidemie von 1908 in engem
Zusammenhang mit dem kommunalen Grundwas-
serwerk stand, das sehr klein war und – wie es da-
mals noch die Regel war – auch keine Anlagen zur
Wasseraufbereitung besaß. In der Zeit von Juni bis
September erkrankten 162 Zivilisten und 86 Ange-
hörige des örtlichen Militärs an Typhus. Zehn Zivi-
listen und fünf Soldaten starben.252 Der erneute Aus-
bruch der Seuche hatte Konsequenzen: Die Pump-
station im Teichert wurde außer Betrieb gesetzt. Die
Stadtväter entschlossen sich, die Pumpstation wieder
aufzugeben und sich auf die Suche nach neuen Mög-
lichkeiten zu machen, das Quellwasser in der nähe-
ren Umgebung zu nutzen.253
Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war das
Ehrenbreitsteiner Wasserversorgungssystem in drei
Zonen aufgeteilt. Die obere Zone wurde aus dem
Hochbehälter der Gemeinde Arzheim versorgt. Die
mittlere Zone erhielt ihren Zufluss aus der „Riddels-
bornquelle“, die einen weiteren, auf dem Asterstein
gelegenen Hochbehälter speiste. Die Versorgung der
unteren Zone erfolgte über die Daubachsquelle mit
dem dazugehörigen Hochbehälter. Untere und mitt-
lere Zone waren miteinander verbunden, sodass bei
250 StaK-655, 10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das vierte Quartal 1900, 19. Dezember 1900. 251 Vgl. Salomon, Hermann, Die städtische Abwässerbeseitigung in Deutschland. 2. Bde., Jena 1906/1907. Bd. 1, S. 146. 252 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein über das dritte Quartal 1908, 17. September 1908. Im Bericht für das zweite Quartal vom 17. Juni 1908 war nur von jeweils zwei Typhus- und Diphtheriefällen die Rede. 253 Vgl. Wagner, Johann Jacob, Die neuere Pfarrgeschichte Ehrenbreit-steins vom Untergang des Kurstaates bis zum Untergang des deutschen Kaiserreichs [masch.], Ehrenbreitstein o. J.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 195 ______________________________________________________________________________
eintretendem Wassermangel ein gewisser Ausgleich
erzielt wurde. Die „Korn’s Quelle“ scheint damals
ihre ursprüngliche Bedeutung verloren zu haben –
wenn sie überhaupt noch genutzt wurde.254
Auch wenn die geschilderte Zoneneinteilung auf den
ersten Blick überzeugend wirken mag, hatte Ehren-
breitstein fortwährend unter Wassermangel zu lei-
den. Immer wieder mussten die Stadt Koblenz und
vor allem Arzheim einspringen. Als die Bomben des
Krieges auch das Notsystem gefährdeten, waren die
Verantwortlichen gezwungen, die Sache völlig neu
zu überdenken. Doch mit diesem Problem stand
Ehrenbreitstein nicht allein. Die ganzen 1930er-
Jahre waren vor allem in den kleinen und ländlichen
Gemeinden des Regierungsbezirks Koblenz (heute
Region Mittelrhein) von einem regelrechten Was-
sernotstand betroffen.
6. Die Not der 30er-Jahre
ie Recherchen über die Anfänge der zentralen
Wasserversorgungen in den ehemals noch
selbstständigen Koblenzer Stadtteilen bereite große
Schwierigkeiten. Oft fehlen geeignete Unterlagen.
Auch die Akten der den kommunalen Verwaltungen
übergeordneten Behörden geben in vielen Fällen
wenig her. Zwar wurden besonders zu Beginn unse-
res Jahrhunderts im Regierungsbezirk Koblenz vie-
lerorts Wasserversorgungsanlagen gebaut, doch war-
teten die meisten Gemeinden nicht bis zur endgülti-
gen Bewilligung staatlicher Unterstützungen. Die
Bezirksregierung Koblenz hatte nämlich mit den
Herstellern von Gussröhren so große Vergünstigun-
gen ausgehandelt, dass es nicht selten ungünstiger
gewesen wäre, Beihilfen aus dem so genannten
„Westfonds“ abzuwarten. Dieser Fonds war im Ers-
ten Weltkrieg als wichtigstes Instrument landwirt-
schaftlicher Hilfe eigentlich für den Zweck geschaf-
fen worden, die Versorgung der Bevölkerung mit
Nahrungsmitteln in der preußischen Rheinprovinz
zu stabilisieren.255 Die Übereinkünfte mit dem „Guß-
röhrensyndicat“ verloren jedoch 1908 ihre Gültig-
keit. Die Gemeinden wollten die ihnen verbleibende
relativ kurze Frist nutzen, denn sie konnten nie si-
254 LHA-539,1, 1051: Brief Wasserwirtschaftsamt an die Bezirksregie-rung, 11. Januar 1932. 255 Grundsätzlich auch: Flach, Weimarer Zeit.
cher sein, öffentliche Zuschüsse zu erhalten. Ergeb-
nis: Details über die örtlichen Wasserversorgungs-
systeme enthalten wahrscheinlich nur Privatakten,
während die Unterlagen der Behörden lediglich Be-
zuschussungsangelegenheiten behandelten.256
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts verbesser-
te sich die Wasserversorgungssituation im Regie-
rungsbezirk Koblenz merklich. Dies galt in besonde-
rem Maße für die Orte links und rechts des Rheins
auf der Strecke zwischen Bingerbrück und Koblenz.
Auch in den Dörfern wurde das Wasser nicht direkt
aus dem Rhein entnommen, sodass Katastrophen
wie in Hamburg und Gelsenkirchen ausblieben.257
Dennoch waren die Bedingungen alles andere als
ideal. In den Gemeinden mit zentraler Was-
serversorgung stellte sich schnell heraus, dass die
Technik dem ständig steigenden Wasserbedarf ent-
weder nicht gewachsen oder hoffnungslos veraltet
war. Diese Einschätzung bestätigt ein Artikel in der
„Kölnischen Zeitung“ vom Frühjahr 1930. Darin
heißt es: „Trotz des Fortschritts , den die zentrale
Wasserversorgung durch so genannte Gruppenwas-
serwerke auch in den ländlichen Teilen der Rhein-
provinz durch die gute Wirkung des Westfonds
und die bedeutenden Zuschüsse der Provinzial-
Feuerversicherung im Laufe des letzten Jahrhun-
derts genommen hat, bleibt in Zukunft noch viel
zu tun. Von den rund 3,4 Millionen Einwohnern
der Provinz, die in den Landstreifen wohnen, sind
heute noch 900.000 Einwohner ohne jede zentrale
Wasserversorgung. Hinzu kommen noch die Land-
bewohner, deren Wasserversorgung wegen des un-
zulänglichen Zustandes der bestehenden Wasserlei-
tungen der Verbesserung bedarf [...] So sind zum
Beispiel im Regierungsbezirk Koblenz 131 und im
Regierungsbezirk 119 Gemeinden vorhanden, de-
ren Wasserleitung der Erneuerung bedarf. Der
Regierungspräsident schätzt die Kosten für die
Sanierung solcher Leitungen in seinem Bezirk auf
etwa 2,5 Millionen Mark. Aufgrund seines Wun-
sches, den die Vertreter der Staatsregierung auf der
Westfonds-Konferenz am 4. April 1929 äußerten,
hat die Provinzialverwaltung eine Zusammenstel-
lung der Wasserleitungspläne gemacht, für die ein
fertiger und ausgearbeiteter und von den zuständi-
256 LHK-403, 7756, S. 393ff: Brief der Königlichen Regierung Koblenz an das Oberpräsidium der Rheinprovinz vom 19. August 1907. 257 LHA-403, 8800, S. 15: Aufstellung Bezirksregierung, 30. April 1907.
D
196 Teil 3 ______________________________________________________________________________
gen behördlichen Stellen ordnungsgemäß geprüfter
Bauplan bereits vorliegt oder bis zum 1. Oktober
1930 vorgelegt werden kann, Es handelt sich um
nahezu 400 Pläne mit einer Gesamtbaukostensum-
me (ohne Hausanschlüsse) von rund 30,5 Millio-
nen Mark. Nach Fertigstellung dieser Pläne würden
annähernd 320.000 Einwohner neu versorgt sein.
Dann bleibt aber immer noch ein großer Teil der
Provinz ohne Wasserversorgung, vor allem die Hö-
hengebiete. Die vollständige Versorgung sämtlicher
Landkreise würde sich einschließlich der 30,5 Mil-
lionen Mark auf rund 100 Millionen Mark belau-
fen [...]“258
Die Forderung der Kölnischen Zeitung nach mehr
öffentlichen Mitteln war wirkungslos. Es fehlte ein-
fach das Geld. Bereits 1929 hatte der Provin-
zialausschuss nüchtern festgestellt, dass wegen der
enormen finanziellen Schwierigkeiten die Verwirkli-
chung der zentralen Wassersorgung im ländlichen
Raum auf wachsende Probleme stößt. Die Mitglieder
des Ausschusses waren sich darüber im Klaren, dass
die für diesen Zweck im Westfonds vorgesehenen
Mittel nicht ausreichten. Weitere staatliche Zu-
schüsse zu erhalten, war aber angesichts der schwie-
rigen wirtschaftlichen Lage der damaligen Zeit nur
schwer möglich. Besonders betroffen von den Folgen
dieses chronischen Geldmangels waren die „klein-
bäuerlichen Notstandsgebiete der Eifel und des
Hochwaldes“.259 Diese Einschätzung belegen die zu
Beginn des Jahres 1929 für den Regierungsbezirk
Koblenz ermittelten Daten. Von den 800.608 Ein-
wohnern des Bezirks konnten 327.000 von einer
zentralen Wasserversorgung bestenfalls träumen. Das
Fehlen geeigneter Vorrichtungen sollte sich im
Sommer 1929 rächen. Quellen und Brunnen trock-
neten aus, vor allem in den Höhengebieten litten die
Menschen unter diesem chronischen Wasserman-
gel.260
Da wegen der fehlenden Mittel viele Projekte nicht
verwirklicht werden konnten oder sich ihre Umset-
zung über Jahre hinauszögerte, schien die Einrich-
258 Kölnische Zeitung vom 12. April 1930. Ausschnitt des Artikels in: LHA, Best. 403, 15479, S. 247. 259 LHA-403, 1579, S. 315: Bericht und Antrag des Provinzialausschus-ses über den derzeitigen Stand der ländlichen Wasserversorgung in der Rheinprovinz und über die weitere Förderung von ländlichen Wasser-versorgungsanlagen (1929). 260 LHA-403,15539, S. 251: Aufstellung vom 10. Januar 1929.
tung eines Wasserleitungsfonds sinnvoll.261 Zusätz-
lich forderte Anfang Februar 1930 das Trierer Re-
gierungspräsidium „[...] daß es den Gemeinden er-
möglicht wird, verbilligte und möglichst langfristige
Darlehen aufzunehmen. Ohne diese Voraussetzung
wird die Finanzierung überhaupt unmöglich. Da die
Gemeinden die erforderlichen Kredite bei den in
Betracht kommenden Landesbanken und Sparkassen
derzeit nicht erhalten und die heute üblichen hohen
Zinsen nicht mehr tragen können, so müßte ihnen
neben den Zuschüssen die Möglichkeit gegeben
werden, die erforderlichen Darlehen zu vier Prozent
Zinsen und mit einer Tilgungsfrist von 40 Jahren,
die etwa der Lebensdauer einer wirtschaftsmäßig
gebauten und unterhaltenden Wasserleitung ent-
spricht, beim Staate, Reich, Provinz, Landesversiche-
rungsanstalt usw. aufnehmen. Dadurch würden sich
die erforderlichen Zuschüsse ganz wesentlich herab-
mindern lassen [...]“262
In einem Brief vom Februar 1930 erläuterte der
Koblenzer Regierungspräsident Walter von Sybel die
schlechte Situation in den Höhenlagen der Rhein-
provinz: „In diesen Höhenlagen gibt es wenig
Grundwasser und infolgedessen wenige nachhaltige
Brunnen. Deshalb muß das Wasser von einer mehr
oder weniger weit entfernten Quelle, meist aus dem
Tale herangeholt werden. Im Sommer versagen auch
diese Quellen und dann kann es vorkommen, daß
ein Bauer weite Wege fahren muß, um die notwen-
dige Wassermenge für seinen Haushalt zu finden.
Daß ein rationeller Landwirtschaftsbetrieb unter
solchen Umständen nicht möglich ist, leuchtet ein.
Diese besonderen geologischen und hydrologischen
Verhältnisse in der Rheinprovinz sind der Grund,
weshalb gerade von hier aus immer wieder dringend
der Bau von Wasserleitungen gefordert wird und
hier auch vom Staate, wie von der Provinz Abhilfe
erwartet wird [...] In der Wassernot bleibt schließ-
lich dem Bauer nichts anderes übrig, als Wasser aus
den offenen Bächen, Teichen oder flachen Brunnen
zu entnehmen, die fast immer verseucht sind und
sehr oft unmittelbar neben Dungstätten liegen. Als
Folge treten dann die so häufigen Typhusfälle ein.
[...]“263 Regierungspräsident Walter von Sybel füge
261 LHA-403, 15550, S. 19: Denkschrift über die Förderung von ländli-chen Wasserversorgungen aus dem sogenannten Westprogramm. 262 LHA-403, 15550, S. 59–61: Anlage Denkschrift, 4. Februar 1930. 263 LHA-403, 15539, S. 636f: Bezirksregierung an Oberpräsidium, 3. Februar 1930.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 197 ______________________________________________________________________________
am 18. Februar hinzu: „[...] Der Regierungsbezirk
Koblenz hat mit Ausnahme eines Teiles des Kreises
Neuwied nur Höhengebiete. Eifel, Hunsrück und
Westerwald sowie der Kreis Wetzlar zeigen überall
die gleichen schwierigen Wasserverhältnisse. Auch
im Kreise Neuwied ist nur das sogenannte Neuwie-
der Becken zum Flachland zu rechnen. Hier befin-
den sich einige Gemeinden, die mit einwandfreien
Brunnen versorgt werden. Überall aber, wo in den
Höhengebieten Zentralwasserleitungen noch nicht
gebaut sind, ist die Wasserversorgung hygienisch
nicht so einwandfrei. Die vorhandenen Brunnen
sind infolge der langjährigen Durchsetzung des Bo-
dens mit Jauche verseucht und werden für den
menschlichen Genuß nur in Anspruch genommen,
weil anderes Wasser nicht vorhanden ist. Im Som-
mer versiegen sie vielfach ganz. [...]“264
Noch unter dem Eindruck der Typhusepidemie von
1926, die Hannover besonders schwer getroffen hat-
te, machte man sich auf die Suche nach neuen Quel-
len. Da viele dabei nicht gerade mit wissenschaftli-
chen Methoden vorgingen und Wünschelrutengän-
ger in dieser Zeit auch im Regierungsbezirk Koblenz
ihr Unwesen trieben, sah sich der Münchner „Ver-
band zur Klärung der Wünschelrutenfrage“ 1928
genötigt, die Behörden in der Region zu warnen.
Dieser Verband stellte fest: „[...] Leider wachsen die
Ausgaben, von Rutengängern erwachsen, von Jahr zu
Jahr, ohne oft den geringsten Gewinn zu erbringen.
Bei den Ausgaben vieler Gemeinden spielen diese
spekulativ angelegten Gelder für Bohrungen nach
Wasser und Mineralquellen vor allem eine erdrü-
ckende Rolle. Es gibt momentan eine Reihe von
Beispielen, wo wieder Hunderttausende für solche
Zwecke ausgegeben werden. [...]“265
264 LHA-403, 15539, S. 651. 265 LHA-539,1, 491: Wasserleitungen im Regierungsbezirk Koblenz. Brief, 20. Juli 1928.
7. Die rechtsrheinischen Orte
n Koblenz und Umgebung wird heute die Ver-
sorgung mit Trinkwasser über ein leistungsfähi-
ges Verbundsystem hergestellt. Zur Untersuchung
der Geschichte der Wasserversorgung in der Pro-
vinzhauptstadt und ihrer späteren Stadtteile ist es
erforderlich, auch einen Blick auf die Nachbarge-
meinden zu werfen. Dabei geht es nicht nur um die
heutigen Stadtteile, sondern auch um die auch heu-
te noch selbstständigen Gemeinden, die über dieses
Verbundsystem versorgt werden.
7.1 Vallendar und Weitersburg Vallendar gehörte zu den Gemeinden am Mittel-
rhein, deren Trinkwasserbedarf überwiegend aus
Quellleitungen gedeckt wurde. Bevor es Wasserwerk
und Hausanschlüsse gab, hatte man auch in dieser
mittelrheinischen Stadt die Brunnen auf Pum-
penbetrieb umgestellt. Gegen Ende des 19. Jahr-
hunderts gab es am Ort 13 Pumpen. Am besten
waren Löhr- und Hellenstraße ausgestattet. Hier
standen jeweils drei Pumpen. Für die Instandhaltung
dieser Anlagen hatte die Kommune einen Privatun-
ternehmer engagiert.266
Wie in vielen anderen Orten Deutschlands be-
standen auch in Vallendar unterschiedliche An-
sichten darüber, wie die Wasserversorgung der Zu-
kunft auszusehen habe. Die beiden Alternativen
hießen Quellwasserleitung oder Grundwasserwerk.
Die Stadtväter favorisierten die letztere Lösung –
eine Entscheidung, die sich später nicht gerade als
glücklich herausstellen sollte. Bereits 1873 hatten
sich die Stadtverordneten mit den Kostenvoran-
schlägen für eine Pumpstation zu befassen, die
Trinkwasser aus dem den Rhein begleitenden
Grundwasserstrom fördern sollte.267
Das erste Projekt scheiterte jedoch, Spuren, die über
den weiteren Lauf der Dinge Aufschluss geben könn-
ten, verlieren sich in den Akten. Erst in der zweiten
Hälfte der 1890er-Jahre werden die Informationen
wieder konkreter. Wir erfahren, dass damals die
266 LHA-655,43, 888: Vertrag, 1. Juli 1884 267 LHA-655,43, 680: Wasserleitung Vallendar.
I
198 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 55: Blick auf Vallendar und die Nachbargemeinden im Sommer 2005.
Arbeiten zur Errichtung der lange geplanten Pump-
station im vollen Gange waren. Wer jetzt denkt, alle
Vallendarer hätten sich jetzt über den Aufbau einer
modernen zentralen Wasserleitung gefreut, täuscht
sich. Im Juli 1897 ging bei der Bürgermeisterei Val-
lendar ein Brief ein, in dem sich etliche Bürger ge-
gen die Fortsetzung der Arbeiten aussprachen. Der
Grund: Sie hielten die Quellen an der Schnatzen-
mühle (unterhalb des Wüstenhofes) für viel geeigne-
ter und forderten deshalb die Gemeinde auf, die
zuvor ergebnislos abgebrochenen Verhandlungen mit
den Grundstückseigentümern, den Eheleuten Hein-
rich Krämer und deren Schwiegersohn Heinrich
Hoffmann, wieder aufzunehmen.268
Das Protestschreiben der Bürger war kein „Aus-
reißer“, hatte sich doch schon Monate zuvor die Dis-
kussion um den Aufbau der Vallendarer Wasserlei-
tung als Politikum ersten Ranges erwiesen. Bei einer
Bürgerversammlung fasste das Ratsmitglied Walter
Bender die Vorgänge der damals jüngsten Vergangen-
heit zusammen. Demnach erblickte das „Schmerzens-
kind Pumpstation“ am 12. März 1897 auf dem Bür-
268 LHA-655,43, 680: Brief, 31. Juli 1897.
germeisteramt das Licht der Welt. In einer geheimen
Stadtratssitzung wurde dann die Ausführung des Pro-
jektes beschlossen – ein für die Bürgerschaft unerhör-
ter Vorgang, denn das geplante Wasserwerk betraf
schließlich alle Vallendarer. Bei dieser Sitzung der
Stadtverordneten legte der Bürgermeister einen Kos-
tenvoranschlag mit einer Höchstgrenze von 12.000
Mark vor, der sich – wie binnen kürzester Zeit deut-
lich wurde – als Fehlkalkulation entpuppte. Bender
stellte bei der Bürgerversammlung klar, dass es sinn-
voller gewesen wäre, die Quellen an der Schnat-
zenmühle anzukaufen. Der Eigentümer der Mühle
hatte das Gelände (einschließlich Mühle) der Stadt
zum Preis von 29.000 Mark angeboten, war aber auch
zu anderen Lösungen bereit. Unter anderem stand zur
Debatte, das aus den Quellen zu liefernde Wasser
zum Preis von einem Pfennig pro Kubikmeter an die
Gemeinde abzutreten. Bender als Beschwerdeführer
witterte einen Skandal, weil das Projekt Quellwasser-
leitung bereits Anfang März ohne nähere Angaben
seitens der Gemeinde fallen gelassen worden war. Die
Stadtverordneten verhielten sich entsprechend und
entschieden sich bei vier Gegenstimmen für die Aus-
führung eines Grundwasserwerkes.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 199 ______________________________________________________________________________
Bender nannte vor allem persönliche Abneigungen
einiger Gemeindevertreter als Gründe für das Schei-
tern der Verhandlungen mit dem „Schnatzenmüller“.
Die „Strafe“ für dieses Vorgehen folgte sofort. Schon
frühzeitig war der für die Pumpstation gesteckte fi-
nanzielle Rahmen völlig zusammengebrochen. Das
Werk befand sich im Sommer 1897 noch im Bau,
und trotzdem war die nach oben korigierte Kosten-
schwelle in Höhe von 20.000 Mark schon erreicht.
Hinzu sollten Betriebskosten in Höhe von 2000 bis
4000 Mark jährlich kommen, was einer weiteren
schweren Belastung für den Stadtsäckel gleichkam.269
Der Widerstand der Bürger nutzte nichts. Im Herbst
1897 nahm das neue Pumpwerk den Betrieb auf. Die
Station lag an der nach Bendorf führenden Chaussee
(heute Bundesstraße 42). Planung und Bauleitung
hatte Emil Steinkamm, eigentlich Ingenieur am Apol-
linarisbrunnen, übernommen. Der Bau bestand aus
zwei Räumen und einem Souterrain. Der Antrieb der
Pumpen erfolgte über zwei 10 PS starke Benzinmoto-
ren. Der 14 Meter tiefe Brunnen bedingte, die Pumpe
acht Meter tiefer zu legen als den auf dem Flur der
Station stehenden Motor. Zu diesem Zweck war ein
mit einer steinernen Treppe versehener separater
Pumpenschacht angelegt worden, einerseits, damit
der Maschinenwärter bequem und gefahrlos an die
Pumpe gelangen konnte, und andererseits, damit der
im Pumpenschacht niedergeteufte Brunnen stets ge-
schlossen blieb, um das Eindringen von Schmutz und
Öl in das Wasser auszuschließen.270
Mit Gesamtkosten in Höhe von 20.344 Mark über-
traf der Bau der Pumpstation schließlich den ur-
sprünglichen Ansatz bei Weitem. Auf den ersten Blick
schienen somit diejenigen Bürger im Recht zu sein,
die sich an den Protesten beteiligt hatten. Betrachtet
man die Angelegenheit jedoch genauer, wird man
feststellen, dass der Entscheidung der Stadtväter ge-
naue Überlegungen vorausgegangen waren. Außerdem
konnten Verwaltung und Stadtverordnete auf schlech-
te Erfahrungen mit der Kapazität einer Quellwasser-
leitung aus dem Meerbachtal verweisen. Diese war
nämlich 1891 von der Firma Scheven in Bochum
angelegt worden und in ihrer Ergiebigkeit in relativ
269 LHA-65,43, 680: Niederschrift der Vallendarer Bürgerversammlung vom 25. Juli 1897. 270 LHA-65,43, 680: Beschreibung des neuen Wasserwerks der Stadt Vallendar durch den Ingenieur Steinkamm, 23. Oktober 1897.
kurzer Zeit von 300 auf 100 Kubikmeter täglich zu-
rückgegangen. Da immerhin 3800 Menschen von
dieser Wasserleitung abhängig waren und der Wasser-
bedarf auf einfache Weise nicht gedeckt werden
konnte, entschlossen sich die Verantwortlichen in der
Gemeinde zur Flucht nach vorne, indem sie das
Grundwasserwerk anlegen ließen.271 Schnell sollte sich
jedoch die unzureichende Dimensionierung des Was-
serwerks herausstellen. War es 1898 nur ein Erweite-
rungsbau für eine Personalwohnung – sie wurde übri-
gens nach Plänen des Koblenzer Architekten Otto
Nebel hergestellt – nahm man Anfang des 20. Jahr-
hunderts die ersten kleineren technischen Änderun-
gen vor. Als dann noch der Anschluss der kleineren
Nachbargemeinden zur Debatte stand, war die Kapa-
zität des Werkes schnell erschöpft. Dieses befand sich
nämlich unmittelbar neben dem Schlachthof, eine
Erweiterung musste also ausgeschlossen werden. Aber
immerhin: Gesundheitliche Bedenken bestanden
nicht. Zum einen wurde das Grundwasser in einer
Entfernung, von 100 Metern vom Rhein entnommen,
zum anderen war der Brunnen in den Felsen abge-
teuft. Außerdem ergaben die chemischen Untersu-
chungen durch den örtlichen Apotheker und die Be-
hörden keine Beanstandungen. Aber trotzdem: Die
350 Kubikmeter Wasser, die täglich aus Grund- und
Quellwasserleitung gefördert wurden, sollten auf
Dauer nicht ausreichen.272
Im April 1907 legte der Ingenieur Heinrich Scheven
seinen Erweiterungsplan vor.273 Für die Gewinnung
zusätzlichen Trinkwassers eigneten sich seines Erach-
tens nur die Quellen im Wüstenbachtal, und zwar die
Quelle am „Kreuzbauer Bur“ (185 Meter über Nor-
malnull), die so genannten „Sieben Quellen“ (143,5
Meter über NN) und die bereits gefasste Quelle an
der Schnatzenmühle (131,5 Meter über NN). Die
schon bestehenden Hochbehälter in Vallendar (80
Meter über NN), Mallendar (80 Meter über NN) und
in Weitersburg (185 Meter über NN) reichten nach
Einschätzung des Ingenieurs völlig aus. Demnach war
271 LHA-655,43, 680: Brief des Bürgermeisters an die Bezirksregierung und den Landrat, Dezember 1897 (Konzept). 272 LHA-655,43, 680: Ergebnis der am 5. Juli (1905?) vorgenommenen Besichtigung der Wasserleitung zu Vallendar. 273 Erläuterungsbericht zum Entwurfe einer Erweiterung des Wasserkes der Stadt Vallendar. Heinrich Scheven. Technisches Bureau. Projektie-rung und Ausführung von Zentralwasserversorgungs- Kanalisations- und Beleuchtungsanlagen. Spezialität: Filtration und Enteisung von Trink- und Nutzwasser. Begründet 1874 in Bochum. Düsseldorf, Hohenzol-lernstraße 23, 13. April 1907.
200 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 56: Die Gemeinde Weitersburg, ihre Anbindung und die Nachbarstädte Bendorf und Neuwied (Stadtteil Engers).
es nur erforderlich, das Wasser der neu gefassten
Quelle in „geschlossenen Gussrohrleitungen“ bis zur
Quelle an der Schnatzenmühle abzuleiten und hier an
die bestehende, nach dem Hochbehälter Vallendar
führende Rohrleitung anzuschließen. Da die Wasser-
menge (465 Kubikmeter in 24 Stunden) den Höchst-
bedarf von etwa 5.800 Menschen deckte und die
Verwaltung die damalige Vallendarer Bevölkerungs-
zahl auf lediglich „4900 Seelen“ schätzte, schienen die
Kapazitäten für die nächsten Jahre auszureichen,
sodass die Pumpstation nicht mehr betrieben werden
musste. Auch in Mallendar und Weitersburg erlaub-
ten die neu zu erschließenden Quellen die Deckung
des täglichen Trinkwasserbedarfs. Allerdings musste
im letztgenannten Ort der Hochbehälter auf eine
Höhe von 203 Metern über Normalnull verlegt wer-
den, um das für die Versorgung des Dorfes nötige
Gefälle künstlich zu erzeugen.274
Scheven lieferte zusammen mit seinem Erläuterungs-
bericht auch einen Bericht über den Zustand der
neuen Quellen. Demnach traten diese aus Klüften des
devonischen Schiefers aus. Das Wasser aus dem
„Kreuzbauer-Bur“ war schon vor Erstellung des Gut-
274 Vgl. Erläuterungsbericht Wasserwerk Vallendar, S. 2ff.
achtens chemisch untersucht worden. Ergebnis: eine
hervorragende Wasserqualität. Etwas anders sah es im
Falle der „Sieben Quellen“ aus. Hier fehlte eine bak-
teriologische Untersuchung, weil die erforderlichen
Aufräumarbeiten noch vorgenommen werden muss-
ten. Der mündlichen Überlieferung zufolge war der
„Kreuzbauer Bur“ ursprünglich als geschlossene Quel-
le zutage getreten, floss aber nun in zwei Armen. Vor
dem ergiebigeren Quellenarm sollte eine Quellenstu-
be gebaut werden. Für den schwächeren Arm sah
Scheven die Anlage einer Sickerleitung aus Tonroh-
ren vor. Das in die Schlitze dieser Rohre sickernde
Quellwasser sollte ebenfalls in das örtliche Leitungs-
netz eingespeist werden.275
Obwohl Scheven seine Planungen weit vorange-
trieben hatte, sahen die Verantwortlichen in Verwal-
tung und Rat zunächst von einer Realisierung des
Projektes ab. Dennoch war die Sache nicht vom
Tisch. Im Herbst 1912 mussten die Stadtverordne-
ten über verschiedene Quellnutzungskonzepte bera-
ten, weil sich die Güte des Wassers aus den damals
genutzten Meerbachquellen als alles andere als un-
275 Vgl. Erläuterungsbericht Wasserwerk Vallendar, S. 6ff.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 201 ______________________________________________________________________________
bedenklich erwies und die Schließung durch die
Gesundheitspolizei drohte. Zudem waren die Ma-
schinen der bestehenden Pumpstation wenig leis-
tungsfähig und drohten jederzeit auszufallen. Zur
Diskussion stand erneut die Erschließung der Quel-
len im Wüstenbachtal – sie konnten durch die Quel-
len des schmalen Grabens und des „Kreuzbauer Bur“
verstärkt werden –, die Quellen „aufm Pedel“, die
Fehrbachquelle sowie das Wasser aus Borndell und
Katzenloch in der Nähe der Schnatzenmühle.
Als Gutachter wurde Friedrich Wilhelm Langenbach
gehört, ein Unternehmer für Wasserversorgungs-
anlagen aus Ehrenbreitstein. Dieser empfahl eine
Nutzung der an der Schnatzenmühle gelegenen
Quellen. Diese waren nach seiner Ansicht ausrei-
chend ergiebig. Zudem hatten die Mühleneigentü-
mer und seine Frau die Quellen erneut zum Kauf
angeboten.276 Langenbach nahm schließlich im Ge-
biet „Borndell-Katzenloch“ Projektierungsarbeiten
vor. Zur Nutzung der Quellen für die Vallendarer
Wasserversorgung kam es jedoch nicht, weil sich die
Stadtverordneten nicht über ein gemeinsames Vor-
gehen einigen konnten. Der Spezialist für Trinkwas-
sererschließung hatte somit das Nachsehen. Er lief
bis zu seinem Tode im Jahre 1920 den von ihm in
Rechnung gestellten Beträgen hinterher, ohne von
der Gemeinde einen Pfennig erhalten zu haben.277
Aus den Akten der späten 1920er- und frühen
1930er-Jahre erfahren wir, warum sich die Stadt bei
der Umsetzung von Erweiterungen schwertat. Die
Gemeinde war verschuldet, sodass niemand Kosten
für weitere Quellfassungen und neue Pumpanlagen-
verantworten wollte. Zudem war 1905 mit Mallen-
dar ein nicht gerade finanzstarker Ort eingemeindet
worden. Die Initiative zur Eingemeindung ging von
der kleinen Gemeinde aus, weil sie die großen ver-
sorgungstechnischen Aufgaben der Zukunft nicht
alleine bewältigen konnte. Noch in den Akten des
Oberpräsidiums von 1929 wird das Dorf als sehr
arm bezeichnet. Aber immerhin hatte man zu dieser
Zeit die Hälfte des Ortes an das Vallendarer Versor-
gungsnetz angeschlossen. Die übrigen Bewohner
mussten sich jedoch noch mit qualitativ schlechtem
Brunnenwasser begnügen. Deshalb sollte auch noch
276 LHA-655,43, 872: Sitzung der Stadtverordneten, 25. November 1912. 277 LHA-655,43, 872: Mahnung Langenbachs 1919 und 1920.
der Rest des Ortes an die Vallendarer Wasserleitung
angeschlossen werden.278 Dieser Plan wurde 1930 in
die Tat umgesetzt. Die Maßnahme kostete insgesamt
12.667 Reichsmark. Der Staat gewährte eine Beihilfe
in Höhe von nur 2000 Reichsmark.279
Lange Zeit schien die Lage in Weitersburg noch
schlechter. In dem verschuldeten Dorf lebten über-
wiegend Kleinbauern und Arbeiter, von denen viele
erwerbslos waren. Die Wasserversorgung erfolgte
dort über Hausbrunnen und durch einen Weiher.
Wasser für die Brandbekämpfung fehlte meist völ-
lig.280 Das Wasser der Brunnen erwies sich zudem als
gesundheitsschädlich: Es hatte einen zu hohen
Chlorgehalt. Da sich in unmittelbarer Nähe des
Dorfes keine geeigneten Quellen befanden, empfah-
len die übergeordneten Behörden bereits im Jahre
1906, den Ort einfach an die Vallendarer Wasserlei-
tung anzuschließen. Es sollte allerdings noch fast 25
Jahre dauern, bis wirklich etwas geschah. Erst 1930
und 1931 stellten Staat und Provinz Zuschüsse in
Höhe von insgesamt 8.000 Mark bereit, sodass die
Realisierung des Vorhabens beginnen konnte.281 Erst
1934 wurde die Maßnahme abgeschlossen. Die Kos-
ten für die Gemeinde lagen bei 94.000 Reichsmark,
abzüglich 15.000 Reichsmark Westhilfe und 10.200
Reichsmark für die Hausanschlüsse.282
Fazit: Die Vallendarer Wasserversorgung war in den
ersten Jahren unseres Jahrhunderts relativ leistungs-
fähig. Da man jedoch immer ins Auge gefasst hatte,
die Nachbargemeinden ebenfalls zu berücksichtigen,
empfahlen die Behörden, die zentrale Wasserversor-
gung noch weiter auszubauen, auch wenn das zu-
nächst noch funktionsfähige Pumpwerk die Sicher-
stellung des Trinkwasserbedarfs garantierte. Immer-
hin gab es 1912 schon 6659 Meter Leitungsrohre,
dazu 26 Schieber und 53 Hydranten. 396 Anschlüsse
waren damals bereits vorhanden.283 Trotzdem waren
auch in Vallendar die Verhältnisse alles andere als
ideal. Bereits im November 1912 nannte die örtliche
Presse Zahlen, die belegen, dass die lokale Wasser-
versorgung an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit
278 LHA-403, 15479, S. 71: Aufstellung vom 24. Dezember 1929. 279 LHA-539,1, 1051: Vermerk des Bürgermeisters, 29. August 1930. 280 LHA-403, 15479, S. 69: Aufstellung, 24. Dezember 1929. 281 LHA-539,1, 1049: Verwendungsbescheinigungen, 14. Oktober 1930 und 6. Juli 1931. 282 LHA-539,1, 1051: Abschrift der Bezirksregierung, 12. Juli 1934. 283 LHA-655,43, 872: Denkschrift 1906.
202 Teil 3 ______________________________________________________________________________
gestoßen war. Die Pumpstation lieferte täglich nur
zwischen 80 und 100 Kubikmeter, die alte „Meer-
bachquelle“ nur 100 bis 120 Kubikmeter Wasser.
Außerdem waren die jährlichen Betriebskosten mit
bis zu 6000 Mark äußerst hoch.284 Dennoch ließ die
Stadt die bereits oben erwähnte Erschließung der
Quellen an der Schnatzenmühle nicht ausführen,
obwohl sich die Mitarbeiter der geologischen Lan-
desanstalt nach einer Ortsbegehung dafür ausgespro-
chen hatten, die bestehende Anlage zu schließen und
stattdessen alle anderen Möglichkeiten zur Sicher-
stellung der Quellwasserversorgung zu prüfen.285 Ein
Gutachten von 1920 zeigt jedoch, dass die Quellen
an der Schnatzenmühle erschlossen worden sind.
Darüber hinaus war die Pumpstation am Schlacht-
hof noch in Betrieb.286
Auch mit der Abführung des Schmutzwassers sah es
nicht gut aus. Lange sah sich die Stadt Vallendar,
schon allein aus finanziellen Gründen, außerstande,
eine Kanalisation zu bauen. Das änderte sich erst im
April 1936, als die Gemeinde endlich die erforderli-
chen Schritte unternehmen wollte. Zuvor hatte man
sich lediglich mit der Einfassung der durch das
Stadtgebiet fließenden Bachläufe befasst.287
7.2 Die Verhältnisse in Urbar
Die Wasserversorgung von Urbar erfolgte ur-
sprünglich durch mehrere Haus- und Gemeinde-
brunnen, die ihr Wasser zu einem Teil aus zwei mit
einer Handpumpe versehenen Sammelbehältern,
zum anderen Teil über eine Leitung aus einer im
Tongrubengebiet entspringenden Quelle beim Hol-
denberger Hof erhielten. Da die meisten Brunnen
wegen der nahe gelegenen Dunggruben verunreinigt
waren, in der trockenen Jahreszeit oft ausfielen und
die Brunnenwasserleitung die erforderlichen Mengen
nicht liefern konnte, musste der Gemeinderat zur
Tat schreiten.288 Seine Mitglieder beschlossen im Mai
1908, die im Eigentum der Witwe von Josef
284 LHA-655,43, 872: General-Anzeiger. Ausschnitt des Artikels vom 15. November 1912. 285 LHA-655, 43, 872: General-Anzeiger. Ausschnitt des Artikels vom 15. November 1912. 286 LHA-655, 43, 872: Gutachten des Ingenieurs Breitung, 27. Novem-ber 1920. 287 LHA-539,1, Nr. 647: Kanalisierungen in Vallendar. 288 EVM-Hausakten: Prüfungsbemerkungen der Königlichen Versuchs- und Prüfanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung Berlin, 17. Juni 1908.
Doetsch befindlichen beiden Quellen zum Preis von
12.000 Mark anzukaufen.289 Zuvor hatte der Ge-
meindebaumeister Scheer sein Konzept für die Reali-
sierung vorgestellt, das auch verwirklicht werden
sollte. Da das Dorf kaum in der Lage war, die Ver-
wirklichung des Projektes zu finanzieren, hoffte man
auf einen Zuschuss der Rheinprovinz in Höhe von
einem Drittel der Gesamtkosten. Der Großteil des
Betrages sollte über zinsvergünstigte Kredite der
Versicherungsanstalt Rheinprovinz oder der Landes-
bank bezahlt werden.290
Die Entscheidung zum Bau der Quellwasserleitung
kam aufgrund eines Gutachtens des Johannes Spo-
nagel zustande. Demnach lagen die Quellen in un-
mittelbarer Nähe der „Doet’schen Mühle“ auf der
nördlichen Seite des Mallendarer Bachtales. Diese
traten an einem Abhang aus den Fugen freiliegender
Schieferschichten und bildeten einen natürlichen
Abfluss. Zudem empfahl der Gutachter, im einein-
halb Kilometer oberhalb der Mühle gelegenen Nie-
derschlagsgebiet zwischen Hümmerich und dem
Eisenköppel Bug (in Richtung Simmern-Neuhäusel)
einen Brunnen anzulegen und diesen an die geplante
Wasserleitung anzuschließen. Auch erinnerte Spona-
gel an die Möglichkeit, ebenso Mallendar zu versor-
gen.291 Letztgenannte Empfehlung wurde aber nicht
umgesetzt, obwohl der Gemeinderat am 21. Juli
1908 hinsichtlich der Mitversorgung von Mallendar
positiv entschieden hatte, was angesichts eines Rei-
seberichtes des Regierungspräsidenten vom Mai
1908 etwas überrascht. Darin hieß es nämlich: „[...]
Die Gemeinde wird an die Ausführung ohne Rück-
sicht auf die Gemeinde Vallendar heranzugehen ha-
ben, wozu sie auch gewillt ist. Es sind zunächst die
hochgelegenen Quellen bei der Dötschmühle in
Aussicht zu nehmen, da diese für den Bedarf der
Gemeinde anscheinend genügend Wasser liefern
und wie dasselbe von dort mit natürlichem Gefälle
dem Orte zugeführt werden kann. [...]“292 Die Quel-
le wurde schon seit August 1904 beobachtet. Das
289 EVM-Hausakten: Der offizielle Vertragsabschluss erfolgte erst am 17. Mai 1909. 290 EVM-Hausakten: Auszug aus dem Verhandlungsbuch des Gemeinde-rates, 15. Mai 1908; Entwurf des Antrages auf Genehmigung von Provinzialbeihilfen, 20. Mai 1908. 291 EVM-Hausakten: „Gutachten über die Möglichkeit der Wasserver-sorgung der Gemeinden Urbar und Vallendar. Johannes Sponagel, Wasserversorgung Andernach, 24. April 1908.“ 292 EVM-Hausakten: Regierungspräsident an den Landrat am 2. Mai 1908: „Reisebericht über die am 2. April stattgefundene Besichtigung der Vorarbeiten und der Quelle für die Wasserleitung Urbar.“
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 203 ______________________________________________________________________________
ganze Jahr hindurch lieferte sie eine gleich bleibende
Wassermenge in einer Größenordnung von 80 Ku-
bikmetern in 24 Stunden. Das war für die Deckung
des Bedarfs in Urbar bestens geeignet. Die Gemein-
de benötigte damals nur 70 Kubikmeter täglich,
wobei in den Sommermonaten natürlich Schwan-
kungen möglich waren. Ein Gutachten Sponagels
bestätigte die Eignung der Quelle, sodass die Ver-
waltung deshalb empfahl, umgehend mit den Bauar-
beiten zu beginnen.293 Doch daraus wurde zunächst
nichts. Im Protokoll des Gemeinderates vom 27. Juli
1908 heißt es demzufolge: „[...] Da über den Antrag
auf Bewilligung einer Beihülfe zum Bau einer Was-
serleitung bis jetzt eine Entscheidung nicht ergangen
ist, andererseits der Wassermangel im Ort so groß
ist, daß die Wasserleitung in diesem Jahr wenn ir-
gendwie möglich ausgeführt werden muß, bittet der
Gemeinderat, dahin zu wirken, daß mit dem Bau der
Leitung auch schon vor der Entscheidung über den
Beihülfsantrag begonnen werden kann, ohne das
hierdurch der Antrag aussichtslos wird. Zugleich
beschließt der Gemeinderat die Aufgrabung der
Hauptquelle bei der Doet’schen Mühle behufs end-
gültiger Fassung derselben fortzusetzen und zu be-
endigen. [...]“294
Der Gemeinderat konnte sich bemühen, wie er woll-
te, der Verwaltungsweg musste strikt eingehalten
werden. Die vorgesetzten Behörden durften erst über
die Gewährung von Beihilfen entscheiden, wenn das
Projekt und vorgesehene Materialien von der König-
lichen Versuchs- und Materialprüfanstalt untersucht
worden waren. Außerdem musste die Westfondskon-
ferenz eine Entscheidung fällen. Diese langwierige
Prozedur verzögerte auch die Bewilligung eines zins-
günstigen Darlehens.295 Die Gemeindeväter sahen
sich zum schnellen Handeln genötigt und nahmen
im Frühjahr 1909 bei der Sparkasse Ehrenbreitstein
einen Kredit in Höhe von 4000 Mark auf, der bin-
nen Jahresfrist zurückbezahlt werden musste.296 End-
lich konnte es vorangehen, zumal die Westfondkon-
ferenz am 3. April 1909 eine Beihilfe von 7000
293 EVM-Hausakten: Reisebericht des Regierungsrates von Guerard, des Regierungs- und Baurates Lieber, des Bürgermeisters von Ehrenbreit-stein und des Bachmeisters Scheer, 28. April 1908. 294 EVM-Hausakten: Auszug aus dem Verhandlungsbuch des Gemeinderates von Urbar. 295 EVM-Hausakten: Regierungspräsident August von Hövel, 31. August 1908. 296 EVM-Hausakten: Schuldschein, 19. April 1908.
Mark genehmigt hatte.297 Auch die anderen Geld-
quellen flossen. Durch die Entscheidung des Minis-
ters für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom
5. Mai 1909 und den Beschluss des Provinzialaus-
schusses der Rheinprovinz war der Gemeinde aus
dem Fonds zur Förderung der Land- und Forstwirt-
schaft ein Zuschuss in Höhe von 13.000 Mark be-
willigt worden. Die Zahlung sollte allerdings erst
nach Ausführung des Projektes erfolgen.298
Am 29. Juli 1909 gab der Urbarer Gemeinderat
grünes Licht für die Durchführung der Schürfungs-
und Quellfassungsarbeiten unter der Aufsicht des
Gemeindebaumeisters Scheer. Wermutstropfen für
die Hauseigentümer: Der Rat erklärte sich ebenfalls
mit einer Polizeiverordnung über den Zwangsan-
schluss von Gebäuden einverstanden. Außerdem
sollte die alte Quelle am Burgfelsenweg – sie wurde
über ein notdürftig hergestelltes Rohrnetz bereits für
die Wasserversorgung des Ortes genutzt – in den
neuen Hochbehälter geleitet und Wasserzähler soll-
ten installiert werden.299
Im Herbst 1909 war das Werk schließlich vollendet.
Kosten: 58.000 Mark. Immendorf, das ebenfalls an
die neu erschlossenen Quellen angeschlossen wurde,
musste – einschließlich der Zuschüsse – 36.000
Mark aufbringen.300 Die Baumeister hatten gut ge-
wirtschaftet. Denn die Mittel reichten auch für die
Ausführung der Hausanschlüsse aus, was ursprüng-
lich auf Kosten der Anlieger geschehen sollte.301
Schnell sollte sich jedoch zeigen, dass die Kapazitä-
ten der Quellen überschätzt worden waren. Bereits
nach zwei Jahren herrschte in Urbar akuter Wasser-
mangel. Die Not war auf die extrem trockenen
Sommer der Jahre 1911 und 1912 zurückzuführen.
Der Gemeinderat hatte sich deshalb dafür entschie-
den, auch noch die Quellen auf der „Doet’schen
Wiese“ zu erwerben.302
297 EVM-Hausakten: Regierungspräsident an Landrat Franz Andreas von Barton, 30. April 1909. 298 EVM-Hausakten: Präsident der Rheinprovinz, Dr. Clemens Freiherr von Schorlemer-Lüser, an Landeshauptmann der Rheinprovinz, 27. Mai 1909. 299 EVM-Hausakten: Auszug aus dem Verhandlungsbuch des Gemeinde-rates von Urbar; Brief des Bauwartes Kraft an Bürgermeister Vacano zu Ehrenbreitstein, 23. September 1909. 300 EVM-Hausakten: Brief des Bauwarts Kraft an Bürgermeister Vacano, 6. November 1909. 301 EVM-Hausakten: Auszug Gemeinderatsprotokoll, 31. Mai 1910. 302 EVM-Hausakten: Briefe des Hauptmanns an das Bürgermeisteramt Ehrenbreitstein, 30. August 1912, und Konzept für die Erwiderung auf das Schreibens (undatiert).
204 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 57: Die heutigen Koblenzer Stadtteile Arenberg und Immendorf im Frühjahr 2006.
Eine Erschließung der Neuerwerbung schien jedoch
zunächst nicht notwendig, da die Kapazität der an-
deren Quellen wieder zugenommen hatte und au-
ßerdem die Nachbargemeinde Simmern (Wes-
terwald) den Überlauf ihrer Wasserleitung gegen
eine einmalige Entschädigung von 15.000 Mark
abgeben wollte.303 Angesichts der Tatsache, dass ein
Auffinden weiterer ergiebiger Quellen nicht zu er-
warten war, empfahl die Berliner Königliche Geolo-
gische Landesanstalt, „[...] eine Grundwasserfassung
im oberen Lauf des Mallendarer Tales ins Auge“ zu
fassen. Geeignet erschienen hierzu das Gebiet der
Mündung des Mosbaches in der Gemarkung Sim-
mern (Westerwald) in den Mallendarer Bach oder
das Gebiet in der Nähe der Immendorfer Mühle.304
Die Urbarer nahmen jedoch am Ende keine der
beiden sich bietenden Alternativen an. Sie entschlos-
sen sich zur Erschließung einer der im Sommer er-
worbenen Quellen – diese lagen ebenfalls in der
Nähe des Mallendarer Baches –, obwohl das König-
303 EVM-Hausakten: Brief der Gemeinde Simmern an die Amtsbürger-meisterei Ehrenbreitstein, 6. August 1912. 304 EVM: Geologisches Gutachten zur Wasserversorgung von Urbar, 8. Oktober 1912.
liche Medizinaluntersuchungsamt zunächst Beein-
trächtigungen der Wasserqualität festgestellt hatte.305
Diese Verunreinigungen scheinen jedoch nur von
vorübergehender Natur gewesen zu sein, sodass man
sich zum Bau eines kleinen Behälters und zur An-
schaffung einer Benzinmotorpumpe entschloss.306
7.3 Wasserversorgung in Arenberg
Zwar wird in den alten Akten ihre Lage nicht näher
bezeichnet, doch ist davon auszugehen, dass die im
Bereich des erst 1970 nach Koblenz eingemeindeten
Dorfes Arenberg gelegenen Quellen bereits in kur-
fürstlicher Zeit für die Wasserversorgung der Resi-
denzstadt Ehrenbreitstein eine gewisse Rolle spiel-
ten. Es wird sich dabei wohl um die „Riddelsborn-
quelle“ gehandelt haben, die bereits im 17. Jahrhun-
dert erstmals im Schrifttum genannt wurde. Gegen
Ende des 19. Jahrhunderts entschlossen sich die
Arenberger zum Bau einer eigenen Wasserleitung.
305 EVM Hausakten: Gutachten vom 29. Oktober 1912. 306 EVM-Hausakten: Auszüge aus den Verhandlungsbüchern des Ge-meinderates, 3./17. Oktober 1912; Erläuterungsbericht, 14. Januar 1912.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 205 ______________________________________________________________________________
Die für die Versorgung des kleinen Dorfes vorgese-
henen Quellen entsprangen – wie es in einer schrift-
lichen Übereinkunft heißt – im „Distrikt 4
Deutschordenshecke“. Sie befanden sich aber nicht
im Gemeindeeigentum, sondern gehörtem dem
Forstfiskus. Für die Verpachtungsverhandlungen war
damals noch die Bezirksregierung in Wiesbaden
zuständig, was an die hessische Vergangenheit der
rechten Rheinseite erinnert. Der Vertrag wurde am
24. August geschlossen und galt – rückwirkend zum
l. April 1895 – für einen Zeitraum von 50 Jahren.307
Auch für die Wasserversorgung der Festung Eh-
renbreitstein besaß das Arenberger Wasser eine gro-
ße Bedeutung. 1909 hatte nämlich das Mili-
tärbauamt Koblenz I mit der Gemeinde einen Ver-
trag über die Zuführung des erforderlichen Trink-
wassers ausgehandelt.308 Darin verpflichtete sich das
Dorf, das aus den Quellen „in der Meerkatz“ ent-
nommene Wasser dem oberhalb von Arenberg gele-
genen Hochbehälter zuzuführen, von wo es in die
Festung weitergeleitet wurde. Die täglich zu liefern-
de Wassermenge betrug 50 Kubikmeter. Der Preis
wurde auf zehn Pfennig pro Kubikmeter festgesetzt.
Diese Abmachungen überdauerten sogar den Zwei-
ten Weltkrieg. Dann schlossen das Land Rheinland-
Pfalz und die Gemeinde einen neuen Vertrag, der
die alten Vereinbarungen ablöste.309 Ebenfalls eng
verbunden mit den Arenberger Quellen ist die Was-
serversorgungsgeschichte der unmittelbar benachbar-
ten Gemeinde Immendorf. Zur Nutzung der damals
noch ausreichenden Trinkwasservorkommen des
Nachbardorfes hatten sich die Verantwortlichen im
Frühjahr 1905 zum Bau einer neuen Wasserleitung
durchgerungen. Im Oktober 1907 kam es zwischen
beiden Gemeinden zur vertraglichen Einigung.310
Wegen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten
schlossen sie jedoch die gleichzeitige Errichtung ei-
ner Kanalisation von vornherein aus.311
307 EVM-Hausakten: Vertrag, 24. August 1896. 308 EVM-Hausakten: „2. Ausfertigung des Vertrages zwischen dem Herrn Bürgermeister Vacano zu Ehrenbreistein und dem Ortsvorsteher Klee von Arenberg im Landkreise Coblenz einerseits und dem Militär-Bauamt Koblenz I im Auftrage der königlichen Intendantur des VIII. Armeekorps zu Koblenz, vorbehaltlich deren Genehmigung andererseits, 20. Februar 1909. 309 EVM-Hausakten: Bezirksregierung an Bürgermeister Stadt und Amt Vallendar, 24. Juni 1949. 310 EVM-Hausakten: Vertrag zwischen den Gemeinden Arenberg und Immendorf, 30. Oktober 1907. 311 LHA-539,1, 548: Die Kanalisation von Immendorf.
Um 1900 schienen die Arenberger Quellen noch so
ergiebig zu sein, dass man ohne größere Bedenken
weitere Anschlüsse genehmigte. Die Gemeinde er-
wartete dadurch zusätzliche Einnahmen. So wurde
das Dominikanerinnenkloster an den Rohrstrang
angeschlossen.312 Schon 1900 hatte die Blei- und
Zinkgrube Mühlenbach313 im Mühlental die Geneh-
migung erhalten, ein von der Gemeinde nicht ge-
nutztes Quellbassin, gelegen auf dem sogenannten
„Kissel“, für ihre Zwecke zu nutzen.314
Probleme bereitete dagegen die Wasserversorgung
der an der Straße nach Arenberg gelegenen Gemein-
de Niederberg. Aus diesem Grunde machte der Me-
liorats-Baubeamte der preußischen Rheinprovinz
den Vorschlag, die geplante Wasserleitung für den
Ort mit der für Arenberg und Immendorf zu verbin-
den. Der Beamte hatte in einem Gutachten erklärt,
dass eine in Arenberg bereits gefasste Quelle auch
den Bedarf in Niederberg decken könnte.315 Diese
Idee wurde jedoch nicht verwirklicht. Stattdessen
kam es später zum Bau der Gemeindewasserleitung
von Arzheim nach Niederberg (siehe unten). Trotz
dieser letztendlich einigermaßen zufriedenstellenden
Lösung bestand in der im Bereich der Straße nach
Ehrenbreitstein gelegenen neuen Siedlung Wasser-
not. Einige Siedler hatten sogar einen Brunnen ge-
graben. Dieser war jedoch wegen der unhaltbaren
hygienischen Zustände ein Dorn im Auge der Behör-
den. Um die Sache zu bereinigen, schlug das Wasser-
wirtschaftsamt der Bezirksregierung vor, die neue
Siedlung entweder an die Gemeindewasserleitung
Arzheim-Niederberg oder aber an die Trinkwasserver-
sorgung der Stadt Ehrenbreitstein anzuschließen.
Letztere Möglichkeit schien umso empfehlenswerter,
weil die Siedlung für das Versorgungssystem in der
früheren Residenzstadt keine Belastung darstellte und
ein Druckverlust ausgeschlossen werden konnte.316
312 EVM-Hausakten: Vertrag zwischen der Gemeinde Arenberg und dem Dominikanerinnenkloster (undatierte Abschrift). 313 Zur Geschichte der Blei- und Zinkgrube: Schäfer, Helmut M., Die Grube Mühlenbach bei Koblenz-Arenberg, Koblenz 1991. 314 EVM-Hausakten: Vertrag zwischen der Gemeinde Arenberg und der „Aktiengesellschaft für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation zu Stolberg und in Westfalen zu Aachen“, 13. Juni 1900. 315 LHA-403, 7758: Die Anlage von Wasserleitungen 1908/1909: Schreiben des preußischen Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten an das Oberpräsidium in Koblenz vom 9. März 1909. 316 LHA-539,1, 1051: Wasserwirtschaftsamt an Bezirksregierung, 11. Januar 1932.
206 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 58: Blick auf den heutigen Stadtteil Horchheim im Sommer 2005.
7.4 Wasserprobleme in Arzheim Arzheim wurde ursprünglich von den „Wintersborner
Quellen“ im Wald oberhalb der Gemeinde mit
Trinkwasser versorgt. Die erste Wasserleitung des
Dorfes wurde bereits 1909 nach dem Plan des Eh-
renbreitsteiner Gemeindebaumeisters erweitert.317 Die
Arzheimer Quellen lieferten eine Wassermenge von
500 Kubikmetern pro Tag, also wesentlich mehr, als
der Ort zur Deckung des eigenen Bedarfs benötigte.
Zur Speicherung des Trinkwassers diente ein Hoch-
behälter mit einem Fassungsvermögen von 180 Ku-
bikmetern. Er war am Hang des Steinerkopfes un-
terhalb des Forsthauses gelegen.
Im Herbst 1942 gingen die Quellen zunächst stark
zurück, um dann ein Jahr später völlig zu versiegen.
Die Schuld an dieser für die Gemeinde katastropha-
len Lage trug die im Mühlental zwischen Arzheim
und Arenberg gelegene Grube Mühlenbach. Die
Betreiber hatten zum besseren Abtransport der in
der Grube gewonnenen Erze in 110 Meter Tiefe
317 LHA-539,1, 1051: Wasserwirtschaftsamt Koblenz an die Bezirksregie-rung, 15. April 1944.
einen Stollen gegraben, der in Nievern an der Lahn
enden sollte. Oberhalb dieses Ortes befanden sich
die Aufbereitungswerke der Grubengesellschaft. In
diesem Stollen zeigte sich nach einiger Zeit ein im-
mer stärkerer Wassereinbruch, der nachher so im-
mens wurde, dass die Stollenarbeiten am Arzheimer
Ende eingestellt und der Durchbruch von der Lahn
her vorgenommen werden musste. Menge des Was-
sers: 2000 Kubikmeter täglich. Den Arzheimern war
also im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abge-
graben worden.318
Das Ausbleiben des Wassers hatte für den kleinen
Ort verheerende Folgen. Immerhin lieferten die
Quellen für die Bewohner jährlich eine Wassermen-
ge von 16.000 Kubikmetern, was schon allein dem
Dorf Einnahmen in Höhe von 4.800 Reichsmark
bescherte. Zusätzlich „exportierte“ die Gemeinde das
kostbare Nass nach Koblenz. Geschäftsgrundlage
war ein am 16. Juli 1938 zwischen beiden Kommu-
nen auf 30 Jahre geschlossener Vertrag. Darin bestä-
tigte die Stadt eine Mindestabnahme von jährlich
318 LHA-539,1, 1051: Amtsbürgermeisterei an Bezirksregierung, 8. März 1944; EVM-Hausakten, Brief, 8. März 1944.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 207 ______________________________________________________________________________
60.000 Kubikmetern zum Preis von 13 Pfennig pro
Kubikmeter. Das von Arzheim bezogene Wasser
wurde zur teilweisen Versorgung der ehemals selbst-
ständigen Orte Ehrenbreitstein, Pfaffendorf, Nie-
derberg und Neudorf verwendet, die 1937 einge-
meindet worden waren. Die Übereinkunft hatte für
die Gemeinde viele Vorteile, denn sie musste sich
nicht verpflichten, den Bau neuer Leitungen mitzu-
finanzieren. Außerdem waren im Falle von Quell-
schürfungen weitere Zahlungen seitens der Stadt
Koblenz zu erwarten. Auch musste die Stadt die
Kosten für Reparaturen der nach Koblenz führenden
Leitungen tragen.319 Mit dem Zurückgehen der
Quellen ab Mai 1943 änderte sich die Situation
grundlegend. Arzheim sah sich gezwungen, die Was-
serabgabe nach Koblenz einzuschränken. Kommune
und die Energieversorgung Mittelrhein (EVM) als
Betriebsführerin der Wasserversorgung bestanden
auf Einhaltung bestehender Vereinbarungen, weil
die Wasserversorgung von Niederberg und des un-
terhalb der Festung Ehrenbreitstein gelegenen Neu-
dorf auf dem Spiel stand – beide neuen Stadtteile
hatten damals noch keine Verbindung zum Koblen-
zer Wasserversorgungsnetz. Das Problem sollte vo-
rübergehend wie folgt gelöst werden: Die Gemeinde
Arzheim sollte an die Stadt so viel Wasser liefern,
dass die Wasserversorgung von Niederberg und
Neudorf gewährleistet war. Umgekehrt konnte aus
anderen Koblenzer Stadtteilen problemlos Zu-
schusswasser nach Arzheim geführt werden. Zudem
bestand die Möglichkeit, Ehrenbreitstein über die
Arenberger Leitung zu versorgen.320 Diese Regelung
sollte nicht lange Bestand haben. Schon Ende Sep-
tember 1943 war die Wasserversorgung einiger
rechtsrheinischer Gemeinden völlig zusammen-
gebrochen,321 sodass der gesamte Bedarf – auch der
von Arzheim – über das Koblenzer Versorgungssys-
tem sichergestellt werden musste. Bis Ende Oktober
wurden die Behelfsmaßnahmen fertiggestellt.322
319 EVM-Hausakten: Vertrag zwischen der Gemeinde Arzheim und der Stadt Koblenz, 16. Juli 1938 bzw. 31. Juli 1938. EVM-Hausakten: Niederschrift, 26. Januar 1944: Die Stadt hatte damals an die Gemeinde Arzheim 4000 Mark für die Schürfrechte bezahlt. 320 EVM-Hausakten: Aktennotiz, 5. Mai 1943. 321 EVM-Hausakten: Brief des Bürgermeisters der Stadt und des Amtes Vallendar, Hillebrand an Direktor Ficke von der Stolberg-Zink AG, Bad Ems, 29. September 1943. 322 EVM-Hausakten: Brief der EVM an Stadtverwaltung Koblenz vom 25. Oktober 1943.
Der Ausfall der mit dem Trinkwasser verbundenen
Einnahmen bedeutete für Arzheim eine finanzielle
Katastrophe: war die kleine Gemeinde doch nicht
mehr in der Lage, ihren laufenden Haushaltsplan
zum Ausgleich zu bringen. Vor diesem Hintergrund
mussten die Gemeindesteuern erheblich erhöht wer-
den, zumal eine Entschädigung seitens der Gruben-
betreiber nicht in Aussicht stand. Folglich musste
die Stadt Koblenz einspringen. Zu diesem Zweck
hatte die Kommune im Blindtal unterhalb des
Friedhofes eine behelfsmäßige Pumpstation – sie
wurde Anfang der 1950er-Jahre neu gebaut – errich-
tet, die das Wasser aus dem Koblenzer Leitungsnetz
(vom Hochbehälter Kratzkopf kommend) in das
Dorf hinaufpumpte. Die Pumpe im Blindtal förderte
zehn Kubikmeter stündlich, wobei zu berücksichti-
gen war, dass Teile von Ehrenbreitstein und Pfaf-
fendorf mitversorgt werden mussten. Fazit: Eine
wirksame Brandbekämpfung war nicht möglich,
zumal die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der
elektrischen Pumpe im Falle eines Bombenangriffs
ständig stieg. Deshalb wurde das aus der Grube
Mühlenbach anfallende Wasser ebenfalls den Prob-
lembereichen zugeführt.323 Dennoch war die Versor-
gungssituation nach Ausfall der Arzheimer Quellen
kritisch. Nach dem Luftangriff vom 19. Juli 1944
brach die Zuführung vorübergehend zusammen,
sodass das Dorf über Arenberg notdürftig mitver-
sorgt werden musste.324
323 LHA-539,1, 1051: Amtsbürgermeisterei Vallendar an Bezirksregie-rung, 8. März 1944. EVM-Hausakten: Aktennotiz, 15. Dezember 1943. 324 EVM-Hausakten: Brief des Bürgermeisters von Stadt und Amt Val-lendar, Hillebrand, an den Direktor Arbeitsamt Koblenz, 20. Juli 1944.
208 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 59: Die Gemeinde St. Sebastian im Landkreis Mayen-Koblenz im Sommer 2006.
7.5 Horchheim und Pfaffendorf
Eine Aufstellung vom Frühjahr 1907 nennt für beide
Orte Quellwasserleitungen.325 In Pfaffendorf wurde
das Rohrnetz aus der „Bienhornquelle“ und der
„Tunnelquelle“ an der Ravensteynstraße gespeist, in
Horchheim von den Quellen „Weitenborn“ und
„Bauerswiese“. Wegen der schlechten Ergiebigkeit
musste die Stadt Koblenz fast immer über eine Lei-
tung auf der Horchheimer Eisenbahnbrücke zusätz-
liches Wasser liefern. Auch Ehrenbreitstein erhielt
auf diese Weise einen Teil seines Wassers. Für die
tief liegenden Teile von Horchheim und Pfaffendorf
wurde das Wasser unmittelbar den Ortsleitungen
zugeführt, während das für die höher gelegenen
Bereiche von Pfaffendorf und Ehrenbreitstein be-
stimmte Wasser über das Zwischenpumpwerk „Bä-
chelstraße“ in Horchheim über die Kasernen in den
Hochbehälter „Kratzkopf“ gedrückt wurde, von wo
aus das Wasser in die beiden Orte gelangte.326
325 LHA-403, 8800, S. 34/35: Aufstellung der Königlichen Regierung Koblenz. 30. April 1907. 326 LHA-403, 539,1, 1051: Wasserversorgung rechtsrheinischer Gebiete. Aufstellung ohne Datum (wahrscheinlich Oktober 1944).
8. Die linksrheinischen Nachbarn
om urbanisierten Dorf bis hin zur traditions-
reichen ländlichen Gemeinde: Diese Orte ha-
ben gemeinsam, dass sie sich erstaunlich lange gegen
eine Eingemeindung nach Koblenz widersetzten.
Der Preis war hoch: Die Gemeinden konnten zwar
auf staatliche Zuschüsse hoffen, mussten aber den
größten Teil der Ausgaben für die neuen Wasserver-
sorgungssysteme selbst finanzieren. In den folgenden
Abschnitten soll die unterschiedliche Entwicklung in
den an den Koblenzer Stadtbezirk grenzenden links-
rheinischen Gemeinden geschildert werden.
8.1 Von Kesselheim bis Kaltenengers
1929 zählte man in Kesselheim, St. Sebastian und
Kaltenengers zusammen 4129 Einwohner, darüber
hinaus 640 Stück Großvieh. Die Bevölkerung in den
Dörfern setzte sich zum Großteil aus Landwirten,
Gemüsegärtnern und Arbeitern zusammen. Land-
wirtschaft und Gemüsebau waren hoch entwickelt.
Der Wasserleitungsbau wurde somit zur Lebensfrage
für die von der allgemeinen Arbeitslosigkeit jener
Zeit stark betroffenen Gemeinde.
V
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 209 ______________________________________________________________________________
Durch die Extremhochwasser der 20er-Jahre waren
nämlich viele Brunnen verseucht worden.327 Um die
geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Was-
serversorgung für alle Beteiligten finanziell tragbar
zu machen, erhielt man im Herbst 1929 eine Beihil-
fe aus dem Westfonds in Höhe von 30.000 Reichs-
mark,328 also zu einem Zeitpunkt, als der Aufbau
einer zentralen Wasserversorgung in den betroffenen
Gemeinden weitgehend abgeschlossen war.329 Bereits
früher hatten die Gemeinden Hilfen beantragt, denn
immerhin lief das rund 285.000 Mark teure gemein-
same Versorgungsprojekt (eine andere Quelle nennt
eine niedrigere Summe in Höhe von 225.700
Mark)330 in der Sparte „Notbaumaßnahme“. Darle-
hen stellte neben der staatlichen Erwerbslosenfürsor-
ge vor allem die Kreissparkasse Koblenz-Land zur
Verfügung. Die Verwirklichung der Pläne wurde
1926 in Angriff genommen, im Januar 1927 begann
der Bau der Pumpstation Kaltenengers. Bis dahin
war auch der Stadtteil Kesselheim, damals noch
eigenständige Gemeinde, durch private Einzelbrun-
nen mit Handpumpen versorgt worden. 1926 be-
gann auch in diesem Dorf die Verlegung des Rohr-
netzes.331 Dabei wurde der Ort mit einer Was-
serleitung an die Gemeinde St. Sebastian ange-
schlossen. Beide Dörfer wurden aus dem Brunnen
des Wasserwerkes Kaltenengers versorgt. Die Was-
serversorgung von Kesselheim wurde im Krieg bei
Beschädigungen des Versorgungsnetzes durch die
privaten Brunnen aufrechtgehalten. Die Transport-
leitung zwischen den Gemeinden St. Sebastian und
Kesselheim diente bis 1976 als einzige Versorgungs-
zuleitung zum Verteilungsnetz Kesselheim.332
8.2 Kapellen-Stolzenfels
Kapellen-Stolzenfels war eine arme, auf den Frem-
denverkehr angewiesene Gemeinde mit gänzlich
unzureichender Wasserversorgung. Die Verwaltung
empfahl daher aus gesundheitlichen, vor allem aber
aus wirtschaftlichen Gründen den Ausbau der
Trinkwasserversorgung.333
327 LHA-403, 14480, S. 507: Auflistung für das Rechnungsjahr 1928. 328 LHA-539,1, 1049: Verwendungsbescheinigung, 12. September 1929. 329 LHA-403, 15539, S. 110f: Aufstellung, 10. Januar 1929. 330 LHA-539, 1, 1051: Verwendungsbescheinigung, 9. August 1929. 331 LHA-539,1,447: Die Wasserversorgungsanlagen des Zweckverbandes Kaltenengers. 332 Die Angaben stammen aus den Hausakten der EVM. 333 LHA-403, 15539, S. 134f: Aufstellung, 10. Januar 1929.
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts dachte man
daher über den Bau einer Wasserleitung nach. Da
die Gemeinde jedoch keine eigene Quelle hatte, kam
für sie nur die Erschließung des ganz in der Nähe
gelegenen Gründgesbaches im Koblenzer Stadtwald
infrage. Bereits im Februar 1901 erteilte die Stadt-
verwaltung Koblenz die Genehmigung, in dem ins
Auge gefassten Distrikt die notwendigen Vorarbeiten
durchführen zu lassen. Doch dabei blieb es. Lange
wurde diskutiert und geplant. Greifbare Ergebnisse
gab es nicht.334 Gut zehn Jahre später kam wieder
Bewegung in die Sache. Allerdings war von einem
Anschluss der Gemeinde an den Gründgesbach die-
ses Mal nicht die Rede. Im April 1912 stellte der
Bürgermeister von Koblenz-Land nüchtern fest:
„[...] die Gemeinde Capellen [...] hatte seither eine
völlig unzureichende Wasserversorgung, da die drei
vorhandenen Gemeindebrunnen nicht dauernd die
hinreichenden Wassermengen für den täglichen
Bedarf, noch viel weniger im Brandfalle genügendes
Löschwasser lieferten. Teilweise war das Wasser auch
so verunreinigt, daß es von den Einwohnern nicht
verwendet werden konnte. [...]“335 Eine Lösung des
Problems lag scheinbar auf der Hand, denn die
Nachbargemeinde Rhens hatte zwei Jahre zuvor eine
zentrale Wasserversorgung eingerichtet, deren Über-
schüsse ohne Weiteres an den Ort Kapellen abgege-
ben werden konnten. Die Gesamtkosten der Weiter-
führung der Wasserleitung nach Kapellen hätten
8.000 Mark betragen, die acht Unterflurhydranten
für Feuerlöschzwecke eingeschlossen.336 Später ent-
schloss man sich, die sich bietende Möglichkeit in
die Praxis umzusetzen. Mitte März 1913 machte der
Gemeinderat Nägel mit Köpfen und beschloss, die
erforderlichen Zuleitungen herzustellen und verab-
schiedete eine Gebührenordnung. Hauseigentümern,
die sich dieser Entscheidung nicht fügen wollten,
drohte, das sie die Kosten für den Anschluss an die
Hauptrohrleitungen selbst tragen mussten.337
Trotz der Wasserknappheit wehrten sich die Bürger
gegen den Plan der Gemeinde, die Häuser des Ortes
an die Rhenser Wasserleitung anschließen zu lassen.
Die Dorfbewohner wollten sich diese Zwangsmaß-
334 LHA, 655, 18, 829: Stadtverwaltung Koblenz an die Bürgermeisterei Koblenz-Land, 22. Februar 1901. 335 LHA-655, 18, 1129: Bericht des Bürgermeisters Koblenz-Land vom 19. April 1912. 336 LHA-655, 18, 1129: Bericht des Bürgermeisters Koblenz-Land vom 19. April 1912. 337 LHA-655, 18, 1129: Gemeinderatsbeschluss, 15. März 1913.
210 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 60: Schloss und Stadtteil Stolzenfels im Sommer 2006.
nahme natürlich nicht gefallen lassen und beschwer-
ten sich beim Landrat über das Vorgehen des Ge-
meinderates und des Bürgermeisters Koblenz-Land.
Sie bemängelten, dass der Anschluss an die Rhenser
Wasserleitung erfolge, obwohl bereits Vorarbeiten
zur Nutzung einer ortsnahen Quelle durchgeführt
worden waren. Dieses Wasser wäre nach ihrer An-
sicht besser und vor allem billiger als das aus dem
Nachbarort gewesen.338 Die Beschwerde nutzte je-
doch nichts. Am 9. Juni 1913 erteilte das Landes-
bauamt die Genehmigung für die Verlängerung der
Rhenser Wasserleitung nach Kapellen – selbstver-
ständlich auf Kosten der Gemeinde.339
Die unzufriedenen Hauseigentümer gaben jedoch
nicht auf. Sie erreichten, dass eine Bürgerver-
sammlung angesetzt wurde. Diese Zusammenkunft
ist aus der „Coblenzer Volkszeitung“ überliefert. Der
Artikel lautet: „[...] Der Leiter der Versammlung,
Bürgermeister Effelsberg, entwarf zunächst ein äu-
ßerst trauriges Bild der Wasserversorgung in hiesi-
gem Orte durch die vier Ortsbrunnen. Eine Erlö-
sung aus dieser Wassernot könne nur eine Wasserlei-
tung bringen. Zu einer solchen besitze die Gemeinde
Kapellen jedoch keine Quellen in ihrer Gemarkung,
weshalb der hiesige Gemeinderat beschlossen habe,
dem hiesigen Orte das Wasser aus der Rhenser Was-
serleitung zuzuführen. Leider seien die Kapeller so
undankbar und ständen dieser Wasserversorgung
338 LHA, 655, 18, 1129: „Bitte der Einwohner um die Unterstützung in der Bestrebung nach Beschaffung einer eigenen Wasserleitung und um Schutz gegen Zwangsmaßregeln wegen dem Anschluß an eine fremde Wasserleitung“, 7. Mai 1913. 339 LHA-65, 18, 1129: Genehmigung, 9. Juni 1913. Auszüge aus den Gemeinderatsprotokollen, 28. März und 2. April 1913.
ablehnend gegenüber, indem sie an die bereits geleg-
te Rohrleitung keinen Anschluß nähmen. Er sei
deswegen gezwungen, jetzt Zwangsmaßnahmen an-
zuwenden und zwar damit, daß sich später anschlie-
ßende Hausbesitzer die Kosten des Anschlusses
selbst bezahlen [...]“ Außerdem drohte der Bürger-
meister mit Geldstrafen und der Schließung der öf-
fentlichen Brunnen.340
In der gleichen Versammlung nannten die Haus-
besitzer die Gründe, warum sie gegen den Anschluss
an die Rhenser Wasserleitung waren. Ihrer Ansicht
nach war das Wasser für Kapellen unbrauchbar, da
sich in Kapellen – dem Schlusspunkt der Rhenser
Wasserleitung – in den Rohren zuviel Schlamm
absetzte. Dadurch werde das Wasser trüb und zum
Trinken und Kochen ungeeignet. Auch die Hausei-
gentümer, die schon in den Genuss der neuen Anla-
ge gekommen waren, weigerten sich aus ebendiesen
Gründen, die geforderten Abgaben zu entrichten.
Andere wiederum hatten zwar einen Anschluss zu
ihren Häusern herstellen, aber keine Hausleitungen
legen lassen.341 Die widerspenstigen Bürger erinner-
ten daran, „[...] daß auf Grund früherer Vorarbeiten
zur Erschließung einer Quelle [Gründgesbach!] in
unmittelbarer Nähe des Ortes Kapellen festgestellt
worden sei, dass genügend gutes Wasser dort zu
einer eigenen, sich billig stellenden Wasserleitung
vorhanden sei und daß man erwarte, daß diese Lei-
tung ausgeführt würde. Bei dieser eigenen Leitung
würden vorgesehenen Wasserabgaben ausreichen zur
340 Coblenzer Volkszeitung, 1. August 1913. 341 Coblenzer Volkszeitung, 1. August 1913.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 211 ______________________________________________________________________________
Abbildung 61: Bubenheim, Rübenach und Metternich im Sommer 2006.
Verzinsung und Amortisierung des Anlagekapitals,
so daß der Ort später ein billiges Wasser hätte, was
bei der Leitung aus Rhens nie eintreten würde. [...]342
Bürgermeister Effelsberg versprach jedoch, das Was-
ser aus der bei Kapellen gelegenen Quelle zu einem
späteren Zeitpunkt dem örtlichen Rohrnetz zuzu-
führen. Aber auch diese Aussicht stieß bei den Ver-
sammlungsteilnehmern auf wenig Gegenliebe. Sie
nannten technische Gründe, die angeblich gegen die
Realisierung dieses Vorhabens sprachen. Die Was-
serzuleitung von Rhens erfolgte nämlich von Süden
her, wogegen das Quellwasser aus nördlicher Rich-
tung herbeigeschafft werden musste. Es reichte nach
ihrer Meinung nicht aus, die Leitung am in Rich-
tung Rhens gelegenen Ende einfach „dichtzuma-
chen“, weil auf diese Weise das Problem der Ver-
schlammung der Leitung nicht gelöst werden konn-
te.343 Doch alle Bürgerproteste halfen nichts. Wie
geplant wurde Kapellen an die Rhenser Wasserlei-
tung angeschlossen. Bereits im September 1913 war
das Werk vollendet. Die schlechten Vorahnungen
der Hauseigentümer erfüllten sich, denn es stellte
sich im Laufe der Zeit heraus, dass die Verantwortli-
342 Coblenzer Volkszeitung, 1. August 1913. 343 Coblenzer Volkszeitung, 1. August 1913.
chen in der Gemeinde Kapellen einen schweren
Fehler begangen hatten. In der kleinen Nachbarstadt
versagte nämlich Anfang der 30er-Jahre das beste-
hende, eigentlich noch relativ neue Wasserversor-
gungssystem. Durch neue Quellen, Pumpanlagen
und Verlegung neuer Rohre musste eine Erweiterung
der bisherigen Wasserleitung vorgenommen werden,
was praktisch einer Neuanlage gleichkam. Der Bau
war vor allem deshalb dringend erforderlich, weil
infolge der engen Bauweise und der Lagerung der
Erntevorräte in den Wohnhäusern und Höfen ein
erhöhter Feuerschutz erforderlich wurde.344
Angesichts der sich allmählich abzeichnenden prob-
lematischen Situation hatten sich die Ver-
antwortlichen in Kapellen wieder auf den Gründges-
bach zurückbesonnen. Von 1929 an nutzte die Ge-
meinde für ihre Trinkwasserversorgung endlich das
Wasser dieses Baches, der im Koblenzer Stadtwald
entspringt. Gleichzeitig hatte man die Wasserleitung
ausgebaut.345 Darüber hinaus wurde Schloss Stolzen-
fels von einer eigenen Quelle und einem Hochbehäl-
344 LHA-403, 15479, S. 425: Zusammenstellung für den Regierungsbe-zirk Koblenz für das Rechnungsjahr 1931. 345 LHA-539,1, 1051: Brief des Landrates an den Vorsitzenden des Kreisausschusses, 31. Dezember 1929. Die Provinzial-Versiche-rungsanstalt hatte einen Zuschuss von 3000 Mark bewilligt.
212 Teil 3 ______________________________________________________________________________
ter mit einem Fassungsvermögen von 80 Kubikme-
tern versorgt.346 Die „neuen“ Anlagen erwiesen sich
jedoch bald als zu klein. Deswegen entschloss sich
die Gemeinde Anfang 1935 zur Anlage eines „Re-
serve-Wasserbassins“.347
Über die Nutzung des Gründgesbaches schlossen damals
Stadt Koblenz und die Gemeinde 1929 einen Vertrag ab.
Zur Nutzung dieses Bachwassers wurde eine Kiesfilteran-
lagc hergestellt, die ebenfalls auf städtischem Gelände lag.
Diese Filteranlage reinigte das Wasser allerdings nur me-
chanisch. Diese Art der Wasseraufbereitung erwies sich als
sehr unzureichend, insbesondere nach starken Regenfäl-
len. Die zuständige Gesundheitsbehörde beanstandete
deshalb noch vor dem Krieg, die Wasserversorgung immer
wieder.348
8.3 Metternich
Das 1937 nach Koblenz eingemeindete Metternich hatte
noch bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges den
Charakter eines Vororts, obwohl sich dort namhafte In-
dustriegebiete angesiedelt hatten. Die Gemeinde betrieb
sogar seit 1906 ein eigenes Gaswerk. Und so lebten in
dem früheren Dorf zunehmend Arbeiter, was aber zu
diesem Zeitpunkt noch nicht bedeutete, dass die Land-
wirtschaft ihre Rolle einbüßte.349 Der wirtschaftliche
Wandel, vor allem aber das Aufblühen der Ziegelindustrie
Ende des 19. Jahrhunderts wirkte sich unmittelbar auf die
Wasserversorgung der Bevölkerung aus. Die Situation war
so angespannt, dass man sich bei der Genehmigung neuer
Anschlüsse zurückhielt. Risiken anderer Art für die
Wasserversorgung der Bevölkerung brachte die zuneh-
mende Industrialisierung, besonders die Ziegelindustrie.
Und so wurden in den Jahren 1900 und 1914 sowohl der
Antrag der Gebrüder Rödig als auch das Vorhaben der
Brüder Nikolaus und Peter Poetsch zur Errichtung weite-
rer Ziegeleien abgelehnt.350 In jene Zeit fällt auch der
Beginn der wissenschaftlichen Messung der örtlichen
Quellkapazitäten. Am 29. November 1913 präsentierte
der Geheime Oberbergrat von Dassel schließlich ein Gut-
346 LHA-539,1, 1051: Brief des Direktors der Staatlichen Schlösser und Burgen an das Wasserwirtschaftsamt Koblenz, 11. Februar 1944. 347 LHA, 655,18, 1130: Beratung der Gemeindeältesten in Kapellen-Stolzenfels, 11. Januar 1935. 348 LHA-655,18, 522: Bericht des Staatlichen Medizinal-Untersuchungs-amtes Koblenz, 29. April 1930. 349 Zur wirtschaftlichen Situation in Metternich: Kleber, Hans-Peter, Vom Dorf zum Industriestandort, in: Beiträge zur Ortsgeschichte. Hg. von den Heimatfreunden Metternich, Koblenz 2002, S. 277–311. 350 Vgl. Engelke, Quellen, S. 274.
achten, das sich genau mit der Versorgungssituation in
Metternich auseinandersetzte. Demnach bestanden auf
dem Gebiet der Gemeinde sechs Quellen: Dazu gehörten
auch Geisenborn- und Herrenweiherquelle, deren Trink-
wasser damals komplett in das Koblenzer Netz eingespeist
wurde. Dazu kamen die Pfingstquelle (Behälterquelle)
und die sogenannte Neue Quelle. Diese Quellen sollten
die Versorgung Metternichs sicherstellen. Allerdings wur-
de die Herrenweiherquelle später Zug um Zug aufgege-
ben wurde. Eine weitere Quelle befand sich in Privatbesitz
von Max Weidtmann. Der pensionierte Regierungsbau-
meister nutzte seit 1912 mit Genehmigung der Gemeinde
eine in der Nähe seines Hauses entspringende Quelle.
Weidtmann hatte sogar eine kleine Pumpstation errichten
lassen, die von einer Windturbine angetrieben wurde.351
Ungachtet der knappen Ressourcen wurde in den Jahren
von 1908 bis 1911 im Auftrag der Gemeinde eine neue
Wasserleitung verlegt. Im Zuge dieser Arbeiten wurden
alle Metternicher Haushalte an das Netz angeschlossen.
Nach dem Ersten Weltkrieg sollten sich neue Engpässe
zeigen, weil die Zahl der zu versorgenden Einwohner
weiter zunahm. Dazu kam, dass die in der Metternicher
Gemarkung stationierten Besatzungstruppen versorgt
werden mussten. 1922 nahm die Gemeinde schließlich
Verhandlungen mit der Stadt Koblenz auf. Das Ziel: Der
Anschluss Metternichs an das Grundwasserwerk Ober-
werth durch eine Druckwasserleitung. Eine Vereinbarung
zwischen den beiden Kommunen kam aber nicht zustan-
de.352 Da auch in Koblenz die Besatzungstruppen versorgt
werden mussten, waren die Kapazitäten begrenzt.
Der letzte Versuch, in Metternich neue Quellen aufzufin-
den, fällt in das Jahr 1923. Die Bemühungen scheiterten.
Und neue Verhandlungen mit der Stadt Koblenz standen
nicht zur Debatte. Die logische Konsequenz war der
Aufbau einer eigenen Versorgung mit Grundwasser, zu-
mal die Ergiebigkeit der Metternicher Quellen immer
weiter nachließ. Nach intensiven chemischen Untersu-
chungen353 entstand am Moselufer ein gemeindeeige-
nes Grundwasserwerk. Die Gemeinde musste Inves-
titionen in Höhe von 23.200 Reichsmark allein
bewältigen. Mit Ausnahme einer Beihilfe der Pro-
vinzial-Feuerversicherungsanstalt in Höhe von 1000
Reichsmark waren keine Zuschüsse zu erwarten.354
351 Vgl. Engelke, Quellen, S. 275. 352 Vgl. Engelke, Quellen, S. 276. 353 LHA-655,18, 1302: Gutachten des Medizinalrates Dr. Steinebach, 26. April 1929. 354 LHA-539,1, 1049: Verwendungsbescheinigung, 23. Januar 1932.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 213 ______________________________________________________________________________
Abbildung 62: Der Koblenzer Stadtteil Güls im Sommer 2006.
Die Anlage wurde in unmittelbarer Nähe des Gaswerkes
am Moselufer gebaut und bereits im September 1929 in
Betrieb genommen. Um weiteren Versorgungsschwierig-
keiten aus dem Weg zu gehen, entschloss sich die Ge-
meindevertretung zur Aufstellung einer zweiten Pumpe.
Diese nahm im Oktober 1930 die Arbeit auf. Die Investi-
tion lohnte sich, weil die Ergiebigkeit der Quellen inzwi-
schen so weit nachgelassen hatte, dass fast der gesamte
Wasserbedarf in Metternich durch das neue Pumpwerk
gedeckt werden musste.355
Das vom Pumpwerk geförderte Wasser konnte entweder
unmittelbar in die Wasserleitung abgegeben oder in den
Hochbehälter „Auf der Hohl“ in der oberen Trierer Stra-
ße befördert werden. Das Vorhandensein einer ausrei-
chenden Wassermenge in diesem Hochbehälter kon-
trollierte eine Meldeanlage im Pumpwerk automatisch.
Dessen Pumpen wurden von zwei Deutzer Gasmotoren
angetrieben.356 Die Technik war zur damaligen Zeit
355 LHA-538, 1, 1051: Brief des Bürgermeisters Koblenz-Land an das Kulturbauamt, 20. Januar 1932. LHA-655,18, Nr. 1302: Erläuterungs-bericht für die Erweiterung der Wasserversorgungsanlage der Gemeinde Metternich. 356 LHA-539, 1, 1051: Brief des Bürgermeisters Koblenz-Land an das Kulturbauamt, 20. Januar 1932.
hochmodern und ein für die Gemeinde Metternich kaum
erschwinglicher Luxus.
Wie schwer man sich mit der Unterhaltung der Pumpsta-
tion tat, zeigt ein Schreiben des Gemeindevorstandes von
Metternich an die Bürgermeisterei Koblenz-Land vom
Januar 1932. Darin heißt es: „[...] Die katastrophale
Lage der Gemeinde Metternich ist hinreichend
bekannt. Die Wohlfahrtsaufwendungen steigen
von Tag zu Tag, die Steuereinnahmen verringern
sich gleichzeitig mit der Steuerkraft der wenigen
zahlungsfähigen Bürger immer mehr. Die Einnah-
men des Wasserwerks sind zur Bestreitung der Be-
triebsausgaben kaum ausreichend, besonders da
die Unterhaltungskosten für das schon alte, repa-
raturbedürftige Rohrnetz sehr hoch sind. [...]“357
Der Zweite Weltkrieg brachte natürlich auch Erschwer-
nisse und Zerstörungen für den Stadtteil Metternich, das
wegen seiner Nähe zur Koblenzer Innenstadt immer wie-
der der Gefahr ausgesetzt war, im größeren Umfange
bombardiert zu werden. Auch wenn den Stadtteil nicht
dasselbe schlimme Schicksal ereilte wie die Koblenzer
357 LHA-539, 1, 1051: Brief der Gemeindeverwaltung, 20. Januar 1932.
214 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Innenstadt, brach die Wasserversorgung streckenweise
zusammen. Der Wiederaufbau gelang dennoch erstaun-
lich schnell. Allerdings sollte das Metternicher Wasser-
werk keine Zukunft haben. Es galt als veraltet, zudem
waren die Betriebskosten relativ hoch.
Das Hauptproblem war jedoch, dass die Pumpstation
mitten in einem Mischgebiet mit unterschiedlichen wirt-
schaftlichen Nutzungen stand. In unmittelbarer Nachbar-
schaft gab es eine Gerberei, zwei Metallgießereien und
einen landwirtschaftlichen Betrieb. Dazu kamen ein Gast-
ronomiebetrieb, eine Badeanstalt und das Bootshaus des
Arbeiter-Sportvereins. Auch das Gaswerk war nicht weit
entfernt. In der Nachbarschaft befand sich bis 1930 die
Ringofenziegelei Peters.358 Schließlich machten die am
Moselufer notwendigen Verkehrswege die Ausweisung
von Wasserschutzgebieten unmöglich. Alles in allem
waren das die Hauptargumente, die zur Schließung des
Metternicher Wasserwerks und die Anbindung des neuen
Stadtteils an das Koblenzer Wasserversorgungssytem
führten. Etwas anders sah die Situation im Falle der Quel-
len aus. Die Geisenbornquelle und Reste der 1944 zer-
störten ehemaligen kurfürstlichen Wasserleitung wurden
bereits ab 1948 wiederhergerichtet. Bei der Erschließung
des neuen Wohngebietes Eulenhorst speiste sie immer
noch 360 Kubikmeter täglich in das Rohrnetz ein. Erst
1986 wurde sie wegen erhöhten Nitratgehalts umgeleitet,
jedoch ebenso wie die Behälterquelle („Pfingstborn“) als
Reserveleitung vorgehalten.359
8.4 Güls Wie auch in anderen Dörfern versorgten sich die
Einwohner in Güls lange Zeit mit Wasser aus Zieh-
brunnen. Diese mittelalterlich anmutenden Zustän-
de wurden mit der Errichtung von vier Gemeinde-
pumpen schrittweise beseitigt. Nach und nach stellte
man auch die Gülser Privatbrunnen auf Pumpbe-
trieb um. Genutzt wurde das Grundwasser, Bean-
standungen hinsichtlich der Qualität gab es kaum.
Auch die vor dem Hintergrund der Hamburger Cho-
leraepidemie von 1892 durchgeführten Un-
tersuchungen stellten diese Einschätzungen nicht
infrage. Trotzdem scheint die Situation nicht so
rosig gewesen zu sein, zumal es im Ort keine Kanali-
sation, sondern nur gepflasterte Rinnen in den
358 Vgl. Kleber, Industriestandort, S. 217 ff. 359 EVM-Hausakten. Hauszeitschrift 21/89.
Straßen zur Ableitung des Oberflächenwassers gab.360
Noch 1904 bemängelten Mitarbeiter des Ober-
präsidiums die hohe Kindersterblichkeit. Auch ist
von einem Typhusfall die Rede.361
Genauere Informationen über Sozialstruktur, Wirt-
schaft und Hygiene im Ort gibt eine Aufstellung des
Koblenzer Oberpräsidiums vom November 1902.
Darin heißt es: „Die Einwohnerschaft besteht aus
landwirtschaftlichen Tagelöhnern, Kleinbauern,
kleinen Gewerbetreibenden und Handwerkern.
Industrielle Anlagen sind nicht vorhanden, ob-
gleich ansteckende Krankheiten seit 1898, in wel-
chem Jahre zahlreiche Fälle von Scharlach und
Diphtherie zu verzeichnen waren, seuchenartig
nicht aufgetreten sind, kann der Zustand der Be-
völkerung nicht als günstig bezeichnet werden.
Die Zahl der Sterbefälle betrug im Durchschnitt
56 Erwachsene, die der Kinder unter 14 Jahren
allein 36. Da die klimatischen Verhältnisse des
Ortes im Allgemeinen nichts zu wünschen übrig
lassen, kann der schlechte Gesundheitszustand in
der Hauptursache nur auf die mangelhafte Versor-
gung des Ortes mit Trinkwasser zurückgeführt
werden. Die Bewohner sind zur Deckung ihres
Bedarfs an Trink- und Gebrauchswasser auf vor-
handene Tiefbrunnen angewiesen und benutzen
das in geringer Tiefe vorhandene Grundwasser. Es
sind fünf öffentliche und 89 Privatbrunnen vor-
handen, deren Wasser sowohl nach Güte als auch
nach Menge den in gesundheitlicher Hinsicht zu
stellenden Anforderungen nicht entspricht. Die
Brunnen liegen meistens im Bereiche von Jauche-
gruben. Ihr Wasser ist nicht nur im Laufe der Zeit
durchfließenden Tagewassers, sondern auch dem
Zuflusse von Jauche ausgesetzt. In trockenen Zei-
ten herrscht Wassermangel. [...]“362
Trotz der widrigen Umstände waren viele Gülser alles
andere als begeistert, als man daranging, den Bau
einer Wasserleitung zu planen. Sie befürchteten die
hohen Kosten, obwohl dem zuständigen preußischen
Ministerium bereits 1902 ein Antrag auf einen staatli-
chen Zuschuss in Höhe von 10.000 Mark vorlag.363
360 LHA-539, 1, 549: Die Kanalisation in Güls. 361 LHA-403, 7753: Verzeichnis der Anträge auf Gewährung von Beihil-fen zum Bau von Wasserleitungen, 1903/1904. 362 LHA-403, 7763: Verzeichnis der von den Regierungspräsidenten beantragten Beihilfen zur Anlage von Wasserleitungen, S. 160ff. 363 Vgl. Möhlig, Karl, Die Gemeindebrunnen in Alt-Güls, in: Brunnen-buch. Hg. anlässlich der Eröffnung des Gülser Dorfbrunnens. Ein Beitrag zur Geschichte des Stadtteils Güls, Koblenz 1989, S. 27ff.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 215 ______________________________________________________________________________
Abbildung 63: Der Moselstadtteil Lay im Sommer 2006.
Aufbauend auf den Planungen verhandelten am
15. Januar 1903 acht Gülser Bürger und Grund-
eigentümer die Möglichkeit, die Wasserfassungen in
den Sosemer Wiesen und am Schleiderborn anzule-
gen, einen Hochbehälter am Schleiderkopf zu erstel-
len und die Verlegung der Versorgungsleitungen in
ihren Grundstücken zu dulden.364 In der Folge ent-
stand die erste zentrale Versorgung für Güls mit
Quellwasser, Gussrohre wurden verlegt. Im Einzelnen
waren dies 2,1 Kilometer für Quellleitungen, 1,2
Kilometer vom Hochbehälter bis in die Ortslage und
zur Verteilung im Ort 4,2 Kilometer mit 61 Hydran-
ten. Die Finanzierung brachte für die Gülser nicht die
befürchteten Belastungen. Die Gemeinde nahm bei
der Landesbank einen Kredit in Höhe von 90.000
Mark auf.365 Größter Wert wurde dabei dem notwen-
digen Ausbau der „Sickergalerien“ beigemessen, eben-
so dem Hochbehälter am Schleiderkopf, der mit ei-
nem Fassungsvermögen von 100 Kubikmetern Inhalt
ausgelegt wurde. Auch heute noch sind diese Quell-
fassungen in Betrieb, und Teile der Quellzuleitungcn
von 1903 dienen nach 85 Jahren Betriebszeit immer
noch der Wassergewinnung.
In der Vergangenheit kam es wiederholt zu kritischen
Situationen in der Wasserversorgung, so am 16. Mai
1932, als nach einem Wolkenbruch am Pfingstmon-
tag Wasser in die Quellfassungen von Schleiderborn
und Sosem eindrang. Die Quellsammelstuben waren
364 Die Details über die Geschichte der Gülser Wasserversorgung wurden entnommen aus: Heuser, Trinkwasser, S. 7ff. 365 LHA-403, 7753: Verzeichnis der Anträge auf Gewährung von Beihil-fen zum Bau von Wasserleitungen.
verschlammt, ebenso die Rohrleitungen bis hin in den
Behälter Schleiderkopf. Wegen der verunreinigten
Quellen musste die Bevölkerung ein wochenlanges
Abkochgebot befolgen, um hygienische Beein-
trächtigungen zu vermeiden. Auch im Zweiten Welt-
krieg wurde die Wasserversorgung erheblich beein-
trächtigt. Die Hauptfallleitung zum Ort wurde
mehrmals zerstört, und auch in der Ortslage selbst
waren alle Leitungen betroffen, sodass es der Ge-
meinde Güls nicht mehr gelang, die Wasserversor-
gung selbstständig aufrechtzuerhalten.
Der nach der Erweiterung von 1955 noch bis 1976
betriebene alte Hochbehälter ist heute nicht mehr
erhalten. 1968/69 mussten Teile der Quelle Schlei-
derborn nach Beeinträchtigungen durch den benach-
barten Kiesabbau außer Betrieb genommen werden,
da ständige Trübfärbungen, aber auch erhebliche
bakteriologische Verunreinigungen auftraten.
8.5 Bisholder
Langsamer verlief die Entwicklung in Bisholder. Der
auf der Hochebene am Moseltal oberhalb von Güls
gelegene kleine Ort mit nur 148 Einwohnern war sehr
arm. Die Zwerggemeinde konnte sich wirtschaftlich
nicht mehr halten und sollte auf Betreiben des Land-
rates nach Güls eingemeindet werden. Diese Gemein-
de verlangte jedoch den Aufbau einer zentralen Was-
serversorgung für Bisholder. Dazu wären aber Beihil-
fen und ein Darlehen notwendig gewesen.366
366 LHA-403, 15480, S. 513: Auflistung für das Rechnungsjahr 1928.
216 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Der Bau der Wasserleitung verzögerte sich deshalb
immer wieder, weil die Zuschüsse nicht flossen und
man wegen der geringen Leistungsfähigkeit von
Bisholder keine Beschleunigung der Angelegenheit
erwarten konnte. Erst nach dem Problemsommer
1928 kam Bewegung in die Sache. Die bereits
bestehenden Entwürfe wurden wesentlich verändert,
die Ausführung für das kommende Jahr in Aussicht
gestellt. Im Dezember 1929 war das Werk
weitestgehend vollendet. Außerdem hatte der Staat
der Gemeinde Zuschüsse von insgesamt mehr als
7000 Reichsmark gewährt.367
8.6 Moselweiß
Die Geschichte der Wasserversorgung in Moselweiß
ist schnell erzählt. Das Dorf gehörte von 1902 an zu
Koblenz und wurde – wie ein Blick in die Verwal-
tungsberichte aus den ersten Jahren des 20. Jahrhun-
derts zeigt – relativ früh an das städtische Versor-
gungsnetz angeschlossen. Ein erster Antrag zum An-
schluss an die neue Koblenzer Wasserleitung, war
schon 1895 erfolgt. Noch früher, nämlich im März
1888, hatte Georg Schmitzer die Genehmigung erhal-
ten, eine eigene Wasserleitung zu errichten, die „an
den nach dem Kemperhofe führenden Weg liegenden
Hydranten angeschlossen werden sollte“.368
8.7 Lay
Über die erste Wasserleitung in Lay gibt es nur sehr
knappe Informationen. So enthält zum Beispiel ein
Brief des preußischen Ministeriums für Landwirt-
schaft, Domänen und Forsten an das Oberpräsidium
vom 24. April 1908 einen Hinweis auf die hohen
Kosten der Vorarbeiten wegen der erforderlichen
Schürfungen und Tiefbohrungen.369 Auch in den Be-
zuschussungslisten für die Jahre 1907 und 1908 wer-
den Projekte in Lay benannt.370
367 LHA-539, 1, 1049: Bewilligungsbescheide, Dezember 1929 bis Februar 1930. LHA-539, 1, 1049: Brief des Amtsbürgermeisters in Winningen an die Vorgängerbehörde des späteren Wasserwirtschaftsam-tes, 28. November 1929. 368 LHA-655, 18, 1072: Gesuch, 8. März 1888. 369 LHA-403, 7757: Anlage von Wasserleitungen 1907/1908, S. 275. 370 LHA-403, 7757, S. 227.
8.8 Bubenheim und Rübenach
Nach einem Vertrag von 1919 hatte Bubenheim 5000
Mark an Rübenach gezahlt und damit für alle Zeiten
das Recht des Überlaufs erworben.371 Der Gemeinde
standen nämlich keine eigenen Quellen zur Verfü-
gung, sodass sie auf das Entgegenkommen des Nach-
bardorfs angewiesen war. Der Vertrag war übrigens
nachts um drei Uhr in einer Gaststätte zustande ge-
kommen und musste daher noch nachträglich aner-
kannt werden.372
Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte es sich jedoch,
dass es in Rübenach kaum möglich war, den eigenen
Wasserbedarf zu decken. Die Ergiebigkeit der ge-
meindeeigenen Quellen war zurückgegangen, umge-
kehrt proportional nahm die Bevölkerung zu. Fortan
war es kaum mehr möglich, Bubenheim mit Wasser
zu beliefern. Der Bubenheimer Gemeinderat unter
Führung von Bürgermeister Casper war daher be-
strebt, durch Bohrungen innerhalb des Ortes Wasser-
quellen zu finden, die eine Selbstversorgung ermög-
lichten. Im Sommer 1951 hatte man Erfolg: Auf dem
Platz des ehemaligen Gemeindebrunnens wurde eine
Wasserader entdeckt, die nur 90 Meter vom bestehen-
den Rohrsystem entfernt lag.373 Die Verantwortlichen
entschlossen sich zur Anlage eines 24 Meter tiefen
Brunnens, der Anfang 1952 fertiggestellt wurde. Mit der
Abteufung dieses Brunnens war auch der Bau eines
kleinen Wasserwerkes mit einer elektrischen Kreisel-
pumpe verbunden.374 Der Probelauf begann im Januar
1952. Bis das neue Werk jedoch die Wasserversorgung
im ganzen Ort sicherstellte, sollte es noch einige Monate
dauern. Noch im März wurde der Großteil des Dorfes
weiterhin über Rübenach beliefert.375
371 Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, 24. Juli 1951. 372 Rhein-Post, 31. Januar 1952. 373 Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, 16. August 1951. 374 Rhein-Post, 3. März 1952. 375 Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, 7. März 1952.
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 217 ______________________________________________________________________________
Abbildung 64: Oberlahnstein im Sommer 1998. Gegenüber: der Koblenzer Stadtteil Stolzenfels.
9. Lahnstein
uch der Wasserbedarf der Bewohner von Ober-
und Niederlahnstein wurde in früheren Zeiten
durch Brunnen gedeckt. Um 1820 nahm Oberlahn-
stein seinen Bürgern die Sorge um das Trinkwasser
ab. Die Stadt ließ vier neue Brunnen anlegen, in
der Junkersgasse, am Viehtor, am Pfarrhaus (jetzt
Rathaus) und an der späteren Steinschule. Auch am
„Mineralschwefelbrunnen oberhalb der Stadt“ ent-
stand in dieser Zeit ein Brunnen. 1844 wurden am
Viehtor Ziehbrunnen und am Rathausbrunnen
Doppelpumpen installiert.
Der Rathausbrunnen hat eine große Tradition, die
bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts zurückreicht.
1844 vernichtete ein Feuer den Holzaufbau, 1937
stellte man den heutigen Aufbau nach einem alten
Stich in den ursprünglichen Maßen wieder her. Ge-
legentlich dient er immer noch als „Weinbrun-
nen“.376 Bei den Brunnen in Nieder- und Oberlahn-
stein handelte es sich zumeist um Sauerbrunnen.
Die Stadt ließ deshalb immer wieder nach „süßen
Quellen“ suchen. Seit 1738 ist auch eine Quelle am
Spießborn im Stadtwald bekannt. 1855 wurde sie
neu hergerichtet und in Gegenwart vieler Lahnstei-
ner vom Pfarrer eingesegnet. Für das Vieh legte
man ebenfalls eine Leitung an. Auch wurde der
Weiher wiederhergestellt.377
376 Alle Angaben zur Lahnsteiner Wasserversorgung wurden übernom-men aus: Lahnstein, 125 Jahre Gasversorgung, 100 Jahre Wasserversorgung. 377 Zur Geschichte der Wasserversorgung in Lahnstein: Geschichte der Stadt Lahnstein. Von Fritz Michel, weitergeführt von Peter Bucher. Hg. im Auftrag der Stadt Lahnstein von Franz-Josef Heyen, Lahnstein 1982, S. 123 und 222f. Geschichte der Stadt Niederlahnstein. Von Fritz Michel, Niederlahnstein 1954, S. 71.
A
218 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 65: Blick auf Niederlahnstein (Bildmitte) im Sommer 1998.
9.1 Wasserwerk Oberlahnstein
Nachdem die Bürger am Rhein-Lahn-Eck bereits
ein Vierteljahrhundert lang das in der Wilhelmstra-
ße erzeugte Gas zu Koch- und Beleuchtungszwe-
cken benutzt hatten, erbaute 1889/90 der Ingenieur
Max Hessemer aus Bad Ems im Auftrag der Stadt
Oberlahnstein auf dem Hafendamm an der Lahn-
mündung ein Wasserwerk. Er betrieb es bis 1898 in
eigener Regie.
Aus alten kolorierten Zeichnungen, die sich im Ar-
chiv der Stadt Lahnstein befinden und hand-
schriftliche Sichtvermerke der Königlich Preu-
ßischen Regierungsbehörde in Wiesbaden tragen,
wissen wir genau, wie diese Anlage damals aussah:
Der Brunnen war neun Meter tief und in unmittel-
barer Nähe des Rheines angelegt. Das Gebäude ent-
hielt neben einer Werkstatt und einer Wohnung für
den Maschinenmeister eine Halle mit einem 4,50
Meter tiefen, wasserdichten Schacht, über dem zwei
Gasmotoren betrieben wurden. Die beiden Aggrega-
te waren durch die Deutzer Gasmotorenfabrik gelie-
fert worden und hatten eine Leistung von zehn „ef-
fektiven Pferdestärken“ bei 140 Umdrehungen in
der Minute. Das für den Betrieb benötigte Leuchtgas
wurde über eine 700 Meter lange Gussrohrleitung
herangeschafft. Die ganze Anlage hatte für die dama-
lige Zeit bereits eine enorme Leistungsfähigkeit. Sie
konnte 60 Kubikmeter Wasser in den Hochbehälter
am Friedhofsberghang pumpen. Dieser lag 2.300
Meter entfernt und 60 Meter höher als das Wasser-
werk am Hafen. Nicht ohne Grund waren die Stadt-
väter auf das Wasserwerk dermaßen stolz, dass sie
1896 aus Anlass des Nassauschen Städtetages, der in
Oberlahnstein stattfand, eine Festschrift mit dem
Titel „Die Pumpstation für das Wasserwerk in Ober-
lahnstein“ drucken ließen. Darin wurde die gesamte
Anlage in allen Einzelheiten beschrieben.
9.2 Trinkwasser in Niederlahnstein
Über die Wasserversorgung in Niederlahnstein lie-
gen nur wenige ausführliche Quellen vor. Fritz Mi-
chel erwähnt in seiner Stadtgeschichte, dass hier
1888 eine erste Wasserleitung angelegt wurde. Auch
hier war Max Flessemer aus Bad Ems der ausfüh-
rende Ingenieur. Im Gegensatz zu Oberlahnstein
handelte es sich hier um eine Quellwasserleitung,
die eine Quelle im Walddistrikt „Bug“ speiste. Erst
als sich herausstellte, dass die neue Einrichtung we-
Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 219 ______________________________________________________________________________
gen des steigenden Trinkwasserbedarfs nicht mehr
genügte, entschied man sich für den Bau eines
Grundwasserwerkes. Dieses wurde 1895 von der
Ehrenbreitsteiner Firma Lenarz an der Lahn „Unter
Bee“ errichtet.
Die Quelle Bug befindet sich oberhalb der Ru-
pertsklamm und trägt wegen ihrer guten Was-
serqualität – wenn auch im bescheidenen Maße –
auch heute noch zur Wasserversorgung von Lahn-
stein bei. Die Gemarkung „Unter Bee“ deutete dar-
auf hin, dass der Standort dieses ersten Nieder-
lahnsteiner Wasserwerkes derselbe ist, an dem noch
in jüngerer Vergangenheit das Wasserwerk an der
Emser Landstraße betrieben wurde.
9.3 Friedrichssegen
Über die Ursprünge der Wasserversorgung im
Ortsteil Friedrichssegen gibt es nur spärliche In-
formationen. Der Ort bestand im vergangenen
Jahrhundert aus vier kleinen Ansiedlungen, die
durch den Bergbau in diesem Seitental der Lahn
entstanden waren. Der Grubenbetrieb bestimmte
hier das Leben der Menschen. Bereits 1882 wurde
eine Wasserversorgung eingerichtet, bei der das
Wasser von den Quellfassungen über zwei Sammel-
behälter in das Ortsnetz eingespeist wurde. Welche
Quellen benutzt wurden und wo der Standort der
Sammelbehälter lag, ist nicht festgehalten. Jedoch
ist es durchaus denkbar, dass die in Friedrichssegen
stillgelegten Wasserversorgungseinrichtungen in der
oberen Erzbachstraße mit den historischen Anlagen
identisch sind.
9.4 Die weitere Entwicklung
Seit dem 1. Januar 1943 liegt die Betriebsführung
der Oberlahnsteiner Wasserversorgung in den Hän-
den der Energieversorgung Mittelrhein. Schon vor-
her, und zwar 1938, war die alte Pumpstation an
der Lahnmündung infolge der Hafenveränderung
geschlossen worden. Erst 1956 folgte der Abbruch.
In der Nähe der Martinsburg entstand ein neuer
Brunnen. Ebenfalls 1956 wurde in der Grenbach
über einem 1938 errichteten Schachtbrunnen ein
weiteres Pumpwerk gebaut. Die Entwicklung der
Wasserversorgung hielt Schritt mit der Ausdehnung
der beiden Städte diesseits und jenseits der Lahn-
mündung. Dies bedurfte oftmals großer An-
strengungen. So wurden im Laufe der Jahre einige
neue Brunnen niedergebracht, um den Wasserbe-
darf der Bevölkerung zu decken. Gebäude und An-
lagen wurden errichtet, um das gewonnene Wasser
aufzubereiten, neue Hochbehälter gebaut, um den
Bürgern auch an entlegenen Stellen der Stadt fri-
sches Trinkwasser mit ausreichendem Druck anbie-
ten zu können.
Der Zweite Weltkrieg hinterließ auch an den Was-
serversorgungsanlagen in Oberlahnstein seine Spu-
ren. Viele Leitungen wurden zerstört und mussten
unter damals schwierigen wirtschaftlichen Verhält-
nissen oftmals notdürftig repariert werden. Neben
den Kriegsschäden machten sich auch allmählich
Alterserscheinungen an den Hauptrohren bemerk-
bar. Vor allem in den 50er- und 60er-Jahren stan-
den die Sanierungsarbeiten im Vordergrund. Fast
das ganze Ortsnetz wurde im Laufe der Jahre durch
neue Leitungen ersetzt.
Mit dem Zusammenschluss der beiden Städte Ober-
und Niederlahnstein zur Stadt Lahnstein erfolgte
auch die Verbindung der Wasserleitungssysteme
durch eine Brückenleitung. Auch die Ortsversor-
gung von Friedrichssegen wurde über eine Zubrin-
gerleitung an den Stadtteil Oberlahnstein ange-
schlossen. Diese Maßnahme war nur im Zuge der
Erschließung des Kurgebietes auf der Lahnhöhe
möglich. Gemeinsam mit dem Ausbau der Wasser-
versorgung für diesen hoch gelegenen Stadtteil
wurde der Hochbehälter „Lahnhöll“ mit 800 Ku-
bikmetern Inhalt errichtet, der auch Trink- und
Brauchwasser für den Stadtteil Friedrichssegen vor-
hält. Mit einer Trinkwasserleitung durch den „Süß-
grund“ und zwei Druckminderschächten wurde die
Wasserversorgung sichergestellt (1973/74).
220 Teil 3 ______________________________________________________________________________
Abbildung 66: Das 1787 im Auftrag des kurfürstlichen Hofrates Franz Joseph Schmitz nach Plänen von Peter Joseph Krahe unter Leitung von Johann Andreas Gaertner vollendete Stadttheater im Mai 2007. Davor der am 23. November 1791 eingeweihte Brunnenobelisk der kurfürstlichen Wasserleitung. Der „Clemensbrunnen“ wurde 1970 an seinen heutigen Standort versetzt.