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Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit- stein. Hier reichen die Anfänge einer zentralen Wasserver- sorgung bereits ins 17. Jahrhundert zurück.

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Page 1: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Teil 3

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein

Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen die Anfänge einer zentralen Wasserver-sorgung bereits ins 17. Jahrhundert zurück.

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148 Teil 3 ______________________________________________________________________________

1. Jahre des Aufbruchs

ie Industrialisierung Deutschlands führte zu drama-

tischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen

Veränderungen. Diesem Wandel waren die traditionellen

Infrastrukturen bald nicht mehr gewachsen. Lebten um

1800 noch 90 Prozent der rund 23 Millionen Menschen

in den deutschen Staaten auf dem Land oder in Klein-

städten, sollte das kräftig steigende Bevölkerungswachs-

tum diese Relationen radikal verändern. Von dieser Ent-

wicklung waren vor allem die größeren Städte und die

neuen industriellen Ballungsräume wie das Ruhrgebiet,

Sachsen oder die Rheinprovinz betroffen. Bis 1875 stieg

die Bevölkerungszahl im jungen deutschen Kaiserreich auf

43 Millionen, bis 1914 auf 67 Millionen. Innerhalb eines

Jahrhunderts hatte sich die Bevölkerungszahl also fast

verdreifacht1 – und das, obwohl für den gleichen Zeit-

raum rund sechs Millionen Menschen gezählt wurden, die

Deutschland verlassen hatten.2

Gab es an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert mit

Berlin und Hamburg nur zwei deutsche Städte mit mehr

als 100.000 Einwohnern, sollte es bald erheblich mehr

Großstädte geben. So stieg die Einwohnerzahl in Ham-

burg zwischen 1800 und 1910 von 40.000 auf 443.000,

im gleichen Zeitraum wuchs München von 40.000 auf

596.000 Einwohner. Den größten Sprung machte Berlin.

Zählte man in der Hauptstadt um 1800 noch 172.000

Einwohner, lebten 1870 bereits 800.000 Menschen in der

Stadt. 1900 wurden in der Spreemetropole bereits drei

Millionen Menschen gezählt.3 Dieses enorme Wachstum

stellte die örtlichen Verwaltungen vor ganz neue Proble-

me, die mit den alten Ver- und Entsorgungssystemen

unmöglich aus dem Weg geräumt werden konnten. Den-

noch wurden in den meisten Städten zunächst nicht die

vorrangigen Probleme der Stadthygiene gelöst. Die Ent-

wicklung der Städtetechnik begann nämlich mit dem

Ausbau der Gasversorgung. Diese erfolgte in der Frühzeit

durch private Unternehmen. Nicht selten waren es Eng-

länder, die sich in den deutschen Städten durchsetzten

und ansehnliche Gewinne einstrichen. Der Gasbedarf

nahm ständig zu, nicht nur wegen der hellen Beleuch-

tung, sondern wegen der Vorzüge beim Kochen und

Heizen. Die Nachfrage führte zu einer entsprechend

rücksichtlosen Preispolitik der privaten Investoren. Die

Kommunalverwaltungen reagierten, indem sie entweder

1 Vgl. Kloepfer, Michael, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, Berlin 1994, S. 30. 2 Vgl. Gröttrup, Leistungsverwaltung, S. 7. 3 Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, S. 31.

bestehende Werke aufkauften oder Konkurrenzunter-

nehmen gründeten – auch mit dem Hintergedanken, die

eigenen Finanzen aufzubessern. Diese „Gegenbewegung“

setzte in Preußen bereits sehr früh ein. So gab es bereits

1828 in Minden eine Gasanstalt unter städtischer Regie.

Elberfeld folgte 1837, Berlin 1845. Ein Jahr später schloss

sich Barmen an. 1877 gab es im gesamten Reichsgebiet

schließlich 481 Gaswerke, von denen rund 45 Prozent in

städtischem Besitz waren.4

Auch die Vorgänge in Koblenz stimmen mit den überre-

gionalen Entwicklungen überein. Bereits im Januar 1818

machte ein gewisser Deuster, über den keine weiteren

Details bekannt sind, der Stadt den Vorschlag, unter

seiner Regie eine Gasbeleuchtung einzurichten. Nach

Prüfung der Details durch den Stadtbaumeister Johann

Claudius von Lassaulx und dem prompt folgenden Nega-

tivurteil lehnte schließlich auch der Rat den Vorschlag ab.

Man wollte zunächst die Entwicklung in anderen Kom-

munen abwarten. Dieses typische Verhalten der Stadtvä-

ter sollte sich später erneut am Beispiel von Wasserversor-

gung und Kanalisation wiederholen. Ungeachtet dessen

muss es in der Stadt schon kurze Zeit nach der Ablehnung

kleinere private Anstalten gegeben haben, in denen durch

die Entgasung von Steinkohle Energie für den Eigenbe-

darf gewonnen wurde. Schon Deuster hatte im Gasthof

„Zur Stadt Lüttich“ im Altengraben eine Gasbeleuchtung

einrichten lassen, die aber nicht wirtschaftlich war. Ein

weiterer Anlauf wurde erst 1840 unternommen. Und

wieder war es ein Hotelier, der in der aufstrebenden

Fremdenverkehrsstadt Akzente setzen wollte: Gastwirt

Hoche erhielt für sein Hotel „Bellevue“ am Rheinufer die

Genehmigung, eine entsprechende Einrichtung zu reali-

sieren. Nur ein Jahr später folgte die Bürgergesellschaft

„Casino zu Coblenz“, die ihr Gebäude mit einem der

größten Weinkeller der Stadt „aufwerten“ wollte.

1844 wurden schließlich zwei auswärtige Gesellschaften

aktiv, die jedoch am Veto der Bezirksregierung scheiter-

ten. Es war keine öffentliche Ausschreibung erfolgt. Als

die Ausschreibung endlich erfolgte, meldete sich allein die

französische Gesellschaft „Charles Blanchet, chef de la

compagnie de l’éclairlage par le gaz Blanche frères, Fran-

çois et comp. Paris“. Mit diesem Unternehmen schloss die

Stadt schließlich am 17. Oktober 1845 einen Vertrag auf

25 Jahre. Sofort begann der Grunderwerb für den Bau

einer Gasanstalt auf dem Moselweißer Feld im Bereich

des heutigen Katholischen Klinikums (Haus Marienhof).

4 Vgl. Reulecke, Urbanisierung, S. 57.

D

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 149 ______________________________________________________________________________

Heute gilt der 1. September 1847 als Beginn der Koblen-

zer Gasbeleuchtung. Zufrieden dürfte die Stadt mit dem

französischen Vertragspartner dennoch nicht gewesen

sein. Weil die Pariser Gesellschaft wohl zu finanzschwach

war, verzögerte sich die Ausführung immer wieder. Dafür

spricht auch, dass das Unternehmen bereits 1848 durch

die Lyoner Gasgesellschaft übernommen wurde. Schnell

sollte sich herausstellen, dass die erste Koblenzer Gasver-

sorgung nicht ausbaufähig war. Da nun Erfahrungen aus

anderen preußischen Städten vorlagen, nahmen die Über-

legungen zum Bau eines neuen Gaswerkes deutliche Kon-

turen an. 1869 wurde schließlich in der Laubach ein

neues Gaswerk errichtet. Es nahm am 1. November 1871

den Betrieb auf. Aber auch die neuen Kapazitäten reich-

ten nicht aus. Schließlich errichtete man im Rauental eine

deutlich größere Gasanstalt, die im Dezember 1897 ans

Netz ging. Die Einrichtung in der Laubach blieb bis zum

1. April 1901 in Betrieb. 5

Die beim Aufbau der Gasversorgung gewonnenen Erfah-

rungen sollten in Koblenz und in anderen deutschen

Städten unmittelbar in die Neuorganisation der örtlichen

Trinkwasserversorgung einfließen. Denn längst war es

nicht mehr nur die Dampfmaschine, die die kommunale

Ver- und Entsorgung revolutionierte. Vor allem die zu-

nehmende Verbreitung von Gas-, Diesel- und Elektromo-

toren sollte sich nachhaltig auf den Ausbau der kommu-

nalen Wasserversorgung auswirken. Die entscheidenden

Impulse für die Mechanisierung der kommunalen „Ge-

sundheits-Infrastruktur“ gingen von britischen Ingenieu-

ren aus. Im Inselreich hatte sich die Industrie besonders

schnell entwickelt. Die enormen Fortschritte in die-

sem Bereich verursachten aber auch Probleme, deren

Dimension zunächst niemand erkannte: Abwässer aus

den Fabriken, zusätzlich die von den Menschen in

den übervölkerten Städten erzeugten Mengen von

Abfällen und Fäkalien stellte die Verantwortlichen

vor neue Herausforderungen. Erste Ansätze zur Be-

wältigung der hygienetechnischen Schwierigkeiten

gab es in Schottland. Bereits 1804 wurde das für die

Textilstadt Paisley bestimmte Trinkwasser gefiltert,

1810 folgten die Wasserwerke in Glasgow. Die erste

Pumpstation Europas wurde ebenfalls im Inselreich

entwickelt und gebaut, und zwar in Nottingham.6 Vor

5 Zur Frühgeschichte der Koblenzer Gasversorgung: Dennert, Christian, … und es ward Licht. 150 Jahre Koblenzer Gasgeschichte. Hg. von der Energieversorgung Mittelrhein, Koblenz 1997. 6 Vgl. Föhl, Axel/Manfred Hamm, Die Industriegeschichte des Wassers, Düsseldorf 1985, S. 139f.

dem Hintergrund der Choleraepidemie von 1831, die

allein in London7 50.000 Menschenleben auslöschte,

wurden die Anstrengungen erhöht. Zum technischen

Fortschritt kam seit den 1840er-Jahren eine flankie-

rende Gesundheitsgesetzgebung dazu. Die wiederum

war aus der unter dem Einfluss des Juristen Edwin

Chadwick erstarkten Hygienebewegung (Public

Health Movement) entstanden.8

Auch auf dem Kontinent setzten sich die neuen tech-

nischen Möglichkeiten allmählich durch, egal ob das

wichtigste Lebensmittel aus Seen, Flüssen, Talsperren

oder dem Grundwasser entnommen wurde. In Deutsch-

land wurde die Dampfmaschine für die Wasserversorgung

erstmals 1819 in Magdeburg eingesetzt. Breslau folgte

1827.9 Als erstes Pumpwerk im deutschsprachigen Raum

gilt das von Wien-Heiligenstadt. Dort hatte man 1840

zwei 60-PS-Dampfmaschinen aufgestellt. Richtungswei-

send wurde die Neuordnung von kommunaler Ver- und

Entsorgung nach dem großen Stadtbrand in Hamburg

von 1842. Die neue „Gesundheits-Infrastruktur“ der

Hansestadt sollte jedoch schnell erhebliche Mängel offen-

baren – ebenso wie die in London, die europaweit als

Vorbild galt. Dennoch: Die neue Technik erleichterte es,

die kommunale Wasserversorgung besser und vor allem

gesünder zu machen. Den Anfang machten kleinere Was-

serwerke, die zunächst nur die Aufgabe hatten, Wasser für

die Spülung der offen liegenden Rinnsteine heranzuschaf-

fen. Im Laufe der Zeit entwickelte man ausgeklügelte

Systeme, bei denen immer öfter Grundwasserwerke im

Mittelpunkt standen – und das schon gut zehn Jahre vor

den bahnbrechenden Entdeckungen von Robert Koch.10

Das nun qualitativ hochwertigere Trinkwasser hatte einen

hohen Preis: Waren doch mit dem technischen Fortschritt

gravierende Eingriffe in den natürlichen Wasserhaushalt

verbunden. Friedrich Wissing spricht von einem Raubbau

am Grundwasser, der bis auf den heutigen Tag anhält und

in Zukunft zu erheblichen Problemen führen könnte.11

7 Die britische Hauptstadt hatte damals 1,5 Millionen Einwohner. 8 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 27. 9 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 41. 10 Dazu auch: Hardy, Anne, Trinkwassertheorie und Flussverunreini-gung im 19. Jahrhundert, in: „Ohne Wasser ist kein Heil“. Medizinische und kulturelle Aspekte der Nutzung von Wasser. Hg. von Sylvelyn Hähner-Rombach, Stuttgart 2005, S. 55–66. 11 Vgl. Wissing, Friedrich/Karlfriedrich Hofmann, Wasserreinigung mit Pflanzen. 2., erweiterte Auflage Stuttgart 2002, S. 14f. Dazu auch: Gockel, Bernd, Die Entwicklung der Wasserversorgung im deutschspra-chigen Raum, in: Wasserversorgungsbericht. Hg. vom Bundesministeri-um des Inneren, Teil B: Materialien, Bd. 1: Organismus der Wasserver-sorgung, Berlin, S. 11. Gockel weist auf das Versiegen von Quellen und das Absinken des Grundwassers hin. Diese Entwicklung setzte bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein.

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150 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Bereits 1878 berichtete der europaweit bekannte Ingeni-

eur Ernst Grahn, der später die Pläne für das Koblenzer

Wasserwerk lieferte12, dass in 143 deutschen Städten mit

mehr als 5000 Einwohnern neue Wasserversorgungsan-

lagen gebaut worden waren. Den Anfang machten die

1859 als private Erwerbsbetriebe gegründeten Elbwasser-

werke in Magdeburg und Altona.13 1861 folgte das Ne-

ckarwasserwerk in Stuttgart. In den neu erschlossenen

Versorgungsgebieten konnten für jeden Einwohner täg-

lich 150 Liter Wasser zur Verfügung gestellt werden.14

Weitere Städte sollten folgen, weil die Gesetzgebung auf

Reichs- und Bundesstaatsebene die Gemeinden dazu

verpflichtete, eine einwandfreie Trink- und Nutzwasser-

versorgung zu garantieren. Längst hatte man die volks-

wirtschaftliche Dimension von Epidemien erkannt. Das

wurde bereits bei der Weimarer Cholera-Konferenz vom

28. April 1867 deutlich, die noch ganz unter dem Ein-

druck der verheerenden, von den siegreichen preußischen

Soldaten weitergetragenen Cholerawelle von 1866 stand.

Nun versammelten sich 49 Wissenschaftler aus verschie-

denen europäischen Ländern, wobei sich die klassischen

Kontagonisten und die Anhänger der moderneren „Bo-

dentheorie“ von Max von Pettenkofer gegenüberstanden.

Dem Münchner Professor, der als Begründer der wissen-

schaftlichen Hygiene gilt15, gelang es nicht, die Befürwor-

ter älterer Lehren zu überzeugen.16 Trotz der wissenschaft-

lichen Dissonanzen war die Konferenz ein Erfolg. Wurde

doch einhellig die mangelhafte Hygiene in den Städten an

den Pranger gestellt. Im Protokoll liest sich das so: „Sani-

täre Verbesserungen werden vernachlässigt, das wirkliche

Übel, Schmutz in allen Gestalten, bleibt unbehelligt und

das Geld […] wird an Quarantänebeamte hinausgewor-

fen. […]“17 Diskussionen wie die von Weimar zeigen, dass

die Verbesserung der Stadthygiene im Rahmen von soge-

nannten Assanierungen Aufgabe der öffentlichen Hand

war. War in den ersten Jahren die privatwirtschaftliche

Organisation der Wasserwerke in Deutschland noch

durchaus üblich, geriet sie bis zum Ende des 19. Jahrhun-

12 Schnappauf, Johann, Frühe Wasserversorgung, besonders in Deutsch-land mit Einzelheiten über die Tätigkeit von Jörg Reinhardt für die neue Wasserkunst in Rostock/Mecklenburg [...], Frankfurt 1977, S. 26. 13 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 24. 14 Vgl. Historische Wassertürme. Beiträge zur Technikgeschichte von Wassertechnik und Wasserversorgung. Bearbeitet von Gerhard Meckl u. a., München/Wien 1985, S. 24ff. 15 Vgl. Wieninger, Karl, Max von Pettenkofer. Das Leben eines Wohltä-ters, 1818–1901, München 1987, S. 175. 16 Vgl. Winkle, Stefan, Die letzte entscheidende Auseinandersetzung zwischen Miasmatikern und Kontagonisten in Zusammenhang mit Pettenkofers Boden-Grundwasser-Theorie, o. O., o. J., S. 9, URL: <http://www.collasius.org/WINKLE/04-HTML/miasma-kontagio.dc> (Zugriff am 2. Januar 2007). 17 Verhandlungen der Cholera-Konferenz, S.125f. Zitiert nach Münch, Stadthygiene, S. 29.

derts ins Hintertreffen. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahr-

hunderts waren 94 Prozent aller Wasserwerke kommuna-

les Eigentum. Die wenigen privaten Betriebe schlossen

sich oft zu Versorgungsbetrieben zusammen, die auch

außerhalb der jeweiligen Gemeindegrenzen aktiv wurden.

Ein Beispiel sind die 1887 gegründeten „Wasserwerke für

das nördlich-westfälische Kohlenrevier“, die mit 124

Landgemeinden mittel- bis langfristige Lieferverträge

abgeschlossen hatten.18

Bei allen frühen Wasserwerken und Kanalsystemen in

Deutschland haben Engländer ihre Erfahrungen einge-

bracht. Besonders wichtig wurde William Lindley, ein

Anhänger der Thesen des Juristen Edwin Chadwick, der

ebenso wie die Mitglieder der „Poor Law Commission“

die hygienischen Missstände in den Städten durch massi-

ven Einsatz von moderner Technik lösen wollte.19 Lind-

ley, ein Eisenbahn- und Wasserbauingenieur, war bereits

1834 nach Hamburg gekommen und hatte vier Jahre

später die Projektierung von Eisenbahnlinien übernom-

men. Nach dem großen Brand von 1842 schuf Lindley in

der Hansestadt nicht nur eine zentrale Wasserversorgung,

sondern auch eine zusammenhängende Kanalisation.20

1848 schließlich nahm das Flusswasserwerk bei Ro-

thenburgsort den Betrieb auf. Obwohl in Lindleys

Planungen vorgesehen, verzichtete man auf den

Einbau von Filteranlagen. Diese Entscheidung sollte

verhängnisvoll sein, weil verunreinigtes Flusswasser

eine der Hauptursachen für die rasante Ausbreitung

der Cholera in Hamburg war. Von 1871 bis 1873

und vor allem 1892 wütete die Seuche in der Stadt,

dazu bedrohte Typhus die Bewohner. Erst 1893 ging

man dazu über, filtriertes Wasser zu verteilen.21

Auch wenn das Inselreich seine stadthygienischen

Probleme trotz der neuen Technik lange nicht in

den Griff bekam, gaben britische Ingenieure den

Ton an. Sie wurden quasi zu „Entwicklungshelfern“

für deutsche Kommunen. In den 1860er-Jahren

entschlossen sich viele Städte, Kommissionen zum

„Anschauungsunterricht“ nach England zu schicken.

Dazu kamen seit den 1850er-Jahren Internationale

Hygienekongresse, die sich zu einem Forum zur

Diskussion von aktuellen stadthygienischen Proble-

men entwickelten.22 Die Dominanz der Briten in der

18 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 24. 19 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 39. 20 Vgl. Föhl, Industriegeschichte, S.144ff. 21 Vgl. Historische Wassertürme, S. 26. 22 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 39.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 151 ______________________________________________________________________________

Frühzeit der Assanierung zeigt sich auch am Berliner

Beispiel. Obwohl der heimische Architekt Schramke

bereits 1844 ein erstes Konzept für ein neues Ver-

und Entsorgungskonzept vorgelegt hatte, sollte man

sich schließlich für den „englischen Weg“ entschei-

den. Doch zunächst wurde einmal diskutiert. Acht

Jahre geschah nichts, obwohl die Spreemetropole in

jener Zeit schon rund 400.000 Einwohner zählte.

Auf Drängen des Polizeipräsidenten Hinckeldey so-

wie mit Zustimmung des preußischen Königs Fried-

rich Wilhelm IV. und seiner Minister kam 1852 ein

Vertrag zustande, der einer englischen Kapi-

talgesellschaft auf 25 Jahre das Monopol für die

Sicherstellung der Wasserversorgung übertrug. 1856

eröffnete die „Berlin Waterworks Company“ ein

Werk, das zunächst 300 Haushalte mit Wasser ver-

sorgte. 1862 waren 20.000 Haushalte mit entspre-

chenden Anschlüssen ausgestattet. Zu diesem Zeit-

punkt hatte Berlin bereits 700.000 Einwohner.

Trotz der Verbesserung der hygienischen Verhältnis-

se zeigte sich schnell, dass die neue zentrale Wasser-

versorgung auch Nachteile hatte. Die Umstellung

der Toiletten auf Wasserspülung führte nicht selten

zum Überlaufen der Senkgruben.23

Langfristig gesehen, reichte eine Orientierung am

britischen Vorbild nicht aus, da die Einleitung von

Industrieabfällen in die Flüsse die Wasserqualität

erheblich verschlechterte und die reinen Flusswasser-

werke nicht mehr den aktuellen Anforderungen ent-

sprachen. Dieses Problem hatten deutsche Ingenieure

schon früh erkannt. Sie begannen, eigene Systeme zu

entwickeln. Das neu gewonnene Selbstbewusstsein

dokumentierte sich unter anderem in der Gründung

des „Vereins Deutscher Ingenieure“ (VDI), der sich

bereits 1856 formierte und als Zeichen der allmähli-

chen Loslösung vom englischen Vorbild gesehen wer-

den kann. Nicht umsonst hat Joachim Radkau auf

den „deutschen Weg“ in der Technik hingewiesen.24

Voraussetzung hierfür war eine deutliche Verbesse-

rung der Ingenieurausbildung, die sich zunehmend

akademisierte. Neben den Technischen Hochschulen

entstanden die Ingenieur- und Technikerschulen, die

23 Vgl. Hauser, Susanne, „Reinlichkeit, Ordnung, Schönheit“. Zur Diskussion über Kanalisation im 19. Jahrhundert, in: Die Alte Stadt 4/92, S. 300ff und 311. 24 Vgl. Radkau, Technik, S. 9.

Vorläufer der heutigen Fachhochschulen waren.25 Nur

drei Jahre nach der Etablierung des VDI folgte die

Gründung der Vereinigung der Gasfachleute, die

1870 zum „Verein von Gas- und Wasserfachmännern

Deutschlands“ erweitert wurde.26 Und so ging man

auch in den meisten Städten bis zum Ende des 19.

Jahrhundert dazu über, Trinkwasser nicht mehr di-

rekt aus den Flüssen, sondern aus den Grundwasser-

strömen zu entnehmen. Zu den ersten Städten, die

diese Anlagen einrichteten, gehörten Köln (1868),

Düsseldorf (1870) und Dresden (1875). Im Rhein-

land und in Westfalen wurden in den wasserarmen

Gebieten zwischen 1889 und 1901 außerdem 14

Talsperren geplant. Gesamtinhalt: 82 Millionen Ku-

bikmeter Trinkwasser. In Konstanz nutzte man ab

1904 das Bodenseewasser, in Wien und München

entstanden 1873 bzw. 1886 Quellwasserwerke. Bei

diesen Typen war die Wasserqualität so gut, dass

lange keine Aufbereitungsanlagen gebraucht wurden.27

Um 1900 verfügten schließlich 52 Prozent der 1640

Städte im Deutschen Reich über Wasserwerke, wobei

die 150 größeren Städte komplett an die neuen Ver-

sorgungssysteme angebunden waren. Schlechter sah es

in den 1490 kleineren Städten des Reichsgebiets aus.

Hier lag die Versorgungsquote bei lediglich 42 Pro-

zent.28 Es ist unbestritten, dass die immensen Aufbau-

leistungen einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung

der hygienischen Verhältnisse in den Städten beitru-

gen. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass

damit das Problem der Entsorgung nicht gelöst war.

Mit Recht sehen Franz-Josef Brüggemeier und Tho-

mas Rommelspacher die Entwicklungen der Wende

vom 19. zum 20. Jahrhundert als Ausgangspunkt der

Umweltprobleme der jüngsten Vergangenheit. Der

Grund: Vielerorts musste das kostbare Trinkwasser

aus immer entlegeneren Gebieten herangeschafft

werden. „[…] An die Stelle traditioneller und lokaler

Kreisläufe ist ein von Menschen geschaffener Kreis-

lauf getreten, der sich mittlerweile auf fatale Weise

geschlossen hat: auch die entfernt gelegenen Gebiete

sind von den Folgen der Umweltbelastung betroffen

[…]“, so die beiden Autoren.29

25 Dazu: Lundgreen, Peter, Das Bild des Ingenieurs im 19. Jahrhundert, in: Salewski, Michael/Ilona Stölken-Fitschen (Hg.), Moderne Zeiten: Technik und Zeitgeist im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1994, S. 17–24. 26 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 39 und 41. 27 Vgl. Historische Wassertürme, S. 26. 28 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 26. 29 Vgl. Brüggemeier, Franz-Josef/Thomas Rommelspacher (Hg.), Besieg-te Natur. Geschichte der Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert, Mün-chen 1989, S. 8.

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152 Teil 3 ______________________________________________________________________________

2. Die Vorgeschichte

ie schlechten sanitären Verhältnisse in den Städten

sind vor allem im 19. Jahrhundert entstanden, als

der über eine lange Zeit entwickelte „Organismus“ dem

Bevölkerungswachstum und den neuen wirtschaftlichen

Tatsachen nicht mehr gewachsen war. Angesichts dieser

Entwicklungen wird deutlich, dass es auch in wirtschaft-

lich weniger bedeutenden Städten wie Koblenz allmählich

eng wurde. Trotz dieser Fakten denkt man immer noch

zuerst an mittelalterliche Städte, wenn von verseuchten

Brunnen, schmutzigen Straßen und den immer wieder

einbrechenden Epidemien die Rede ist. Die Antike ist

dagegen mit positiven Vorurteilen belegt.

Dass es im alten Rom aber nicht wesentlich günstiger

aussah, hat Lewis Mumford in drastischer Weise be-

schrieben: Die Stadt am Tiber besaß seit dem sechsten

Jahrhundert einen gewaltigen Abzugkanal – die „Cloaca

Maxima“ – der noch heute in Betrieb ist. Dieser war so

groß, dass er selbst bei einer Bevölkerung von einer Milli-

on Menschen für die Lösung aller Entsorgungsprobleme

ausgereicht hätte. Dennoch wussten die Römer mit diesen

eigentlich guten Voraussetzungen wenig anzufangen. Das

bereits in der Antike hohe technische Niveau wurde selten

in die Praxis umgesetzt. Noch lange deckte die Bevölke-

rung ihren Trinkwasserbedarf aus simplen Brunnen.

Ansätze, das kostbare Nass aus abgelegenen Quellen und

Flüssen heranzuführen, erfolgten erst im Jahre 109 nach

Christus unter der Herrschaft Trajans. Damals brachte

man über ein Aquädukt Trinkwasser in die Stadt.30 Rund

450 Liter Wasser pro Einwohner wurden auf diese Weise

täglich in die Stadt transportiert. Davon versickerten 150

Liter. Ein weiterer nicht unwesentlicher Teil floss in

künstlichen Rinnen oder natürlichen Betten ab. Das

abfließende Wasser wurde zum Abtransport von Unrat

aller Art genutzt.31

Revidieren sollte man auch die Vorstellungen von „mo-

dernen“ gepflegten Straßen. Viele innerstädtische Trassen

im alten Rom waren nicht gepflastert. Anders stellten

sich die Verhältnisse in den wesentlich jüngeren Pro-

vinzstädten dar, die – weil erheblich kleiner – den neues-

ten technischen Errungenschaften schneller und besser

angepasst wurden. Das Beispiel Rom zeigt: Oft waren

oberhalb des ersten Stockwerks die Klosetts überhaupt

30 Zu den sanitären Verhältnissen im alten Rom: Mumford, Lewis, Die Stadt. Geschichte und Ausblick. 3. Auflage, München 1984, S. 252ff. 31 Vgl. Wissing, Wasserreinigung, S. 11.

nicht an die Kanalisation angeschlossen, in den Zinshäu-

sern – jenen Vorläufern der späteren Mietshäuser –, in

denen ein großer Teil der alles andere als wohlhabenden

städtischen Bevölkerung lebte, war das Entsorgungspro-

blem überhaupt nicht gelöst. Der Alltag sah so aus:

Zwar bestand die Möglichkeit, öffentliche Toiletten zu

benutzen, doch entsorgten die meisten Menschen ihren

in Eimer gefüllten Unrat lieber direkt vor der Haustür.

Auch wenn Müllkutscher die Fäkalien in mehr oder

weniger regelmäßigen Abständen fortschafften, be-

stimmten ekelerregende Gerüche das Klima in Roms

Stadtvierteln.

Auch mit der hochgelobten Körperhygiene scheint es

nicht so weit her gewesen zu sein: Privatbäder in den

Häusern bedeuteten einen Luxus für wenige. Dagegen

musste in den Mietskasernen das Wasser mit Eimern in

die Zimmer getragen werden. Die übliche Praxis war

also auch nicht anders als im Mittelalter. Ferner fehlte es

in Rom bei der Beseitigung von Unrat an den wichtigs-

ten Vorsichtsmaßnahmen. Mist und Abfälle wurden

einfach in Löcher wenig außerhalb der Stadt gekippt.

Selbst mehrere Hundert Menschen, die bei den Kämp-

fen in der Arena ums Leben gekommen waren – hat

man in derartige Gruben geworfen. Gleiches galt für

Tiere. Es gab Kampftage, an denen bis zu 5000 Ex-

emplare unterschiedlicher Arten abgeschlachtet wurden.

Die Folge: Nicht nur wegen der Malaria zählten Rom

und die Campagna noch im 19. Jahrhundert zu den

ungesündesten Gebieten der Welt.

Bei der Besetzung der Regionen nördlich der Alpen

setzten die Römer jedoch ihr technisches Wissen in die

Praxis um. Sie gründeten Siedlungen, Städte, Militär-

stützpunkte und landwirtschaftlich genutzte Güter, sie

bauten die Verkehrswege aus. Eine wichtige Rolle spielte

die Schaffung von Wasserversorgungssystemen, die

hohen Qualitätsansprüchen genügen mussten. Aus die-

sem Grunde wurden auch in den germanischen Provin-

zen aufwendige und teuere Fernleitungen gebaut, um

Quellwasser heranzuführen. Selbst wenn Siedlungen an

Flüssen lagen, verzichtete man meist darauf, das Wasser

direkt aus diesen Strömen zu entnehmen. Stattdessen

wurde das Trinkwasser über Holz- oder Tonrohre, gele-

gentlich auch über gemauerte Kanäle herangeführt.

Beispiel hierfür ist die Bonner Fernwasserleitung, die

wahrscheinlich auch noch im Mittelalter genutzt worden

ist. Damit das Trinkwasser in die Stadt gelangen konnte,

hatten die Römer zusätzlich ein größeres obertägiges

D

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 153 ______________________________________________________________________________

Bauwerk errichtet.32 Vor allem in Trier musste man

nicht nur wegen der Thermenanlagen dem ständig stei-

genden Wasserverbrauch gerecht werden. Hatten im ers-

ten Jahrhundert noch Brunnen und ein Vorläufer der

späteren zentralen Wasserversorgung für die Versorgung

ausgereicht, änderte sich das schnell. Spätestens mit dem

Bau der Barbarathermen zu Beginn des zweiten Jahr-

hunderts waren die bestehenden Kapazitäten überlastet.

Man begann, aus dem Ruwertal eine Fernwasserleitung

in die antike Stadt zu führen.33 Die Technik dieser neu-

en Anlage war nördlich der Alpen einzigartig. Die Ein-

wohner Triers bezogen ihr Trinkwasser nämlich nicht

aus einer Quelle, sondern aus dem Nebenfluss der Mo-

sel, der zu diesem Zweck leicht aufgestaut und in einen

Kanal eingeleitet worden war. Für diese Entnahme des

Wassers aus dem Fluss musste ein besonderes Bauwerk

geschaffen werden.

Großen Aufwand betrieben die Römer auch bei der

Errichtung der Fernwasserleitung für Köln, deren erste

Bauphase noch vor dem Jahr 50 nach Christus begann.

Das kostbare Nass wurde aus der Eifel herangeholt,

genauer gesagt aus den Quellen und Bächen am Ost-

hang des Vorgebirges. Der Hauptstrang dieser Leitung

hatte eine Länge von über 95 Kilometern. Zählt man die

Nebenleitungen hinzu, ergibt sich eine Summe von rund

130 Kilometern. Das waren Dimensionen, die nur noch

das römische Karthago übertraf. 34

Um natürliche Hindernisse zu überwinden, errichteten

die Römer auch nördlich der Alpen Tunnel- und Stol-

lenbauten. Vor allem das Neuwieder Becken mit seinen

geologischen Besonderheiten bereitete Schwierigkeiten,

denn während der großen Vulkanausbrüche im Laacher-

See-Gebiet um 9.000 vor Christus waren nicht nur die

Landschaft, sondern auch die Quellen mit Bims ver-

schüttet worden. Die Römer mussten durch diese me-

terhohen Schichten begehbare Stollen mit wasserführen-

den steinernen Rinnen vorantreiben, wenn sie hochwer-

tiges Trinkwasser gewinnen wollten. Derartige Kon-

struktionen kamen aber auch außerhalb des eigentlichen

Vulkangebietes zur Anwendung, so im Falle der römi-

32 Vgl. Grewe, Klaus, Römische Wasserleitungen nördlich der Alpen, in: Mensch und Wasser im Altertum. Die Wasserversorgung antiker Städte, Mainz 1988, S. 45 und 50f. 33 Details über die Ruwertal-Wasserleitung bei: Zenz, Emil, 200 Jahre Trinkwasserversorgung in Trier. 100 Jahre Trierer Wasserwerke, Trier 1984, S. 10ff. 34 Vgl. Grewe, Römische Wasserleitungen, S. 79.

schen Stollenwasserleitung von Brey.35 Die Bergdurch-

tunnelung war der mittlere Abschnitt einer Wasserlei-

tung, deren Ursprung heute nicht mehr bekannt ist. Ein

Teil dieser Anlage wurde 1954 entdeckt und sechs Jahre

später von Archäologen untersucht. Damals legte man

rund 25 Meter der bis zwischen 1,70 und 2,20 Meter

hohen Konstruktion frei.36

Aber auch an anderen Orten in der heutigen Region

Mittelrhein entdeckten die Forscher Reste von römi-

schen Wasserleitungen, so zum Beispiel am Kärlicher

Berg (Mülheim-Kärlich), in Remagen, in Thür (römi-

sche Villa), in Andernach („Im Entenacker“) und in

Miesenheim („Ober der Hoost“). Wie die Wasserversor-

gung im Koblenz des Altertums ausgesehen hat, ist al-

lerdings unbekannt, obwohl die Forscher bei Notgra-

bungen Anfang der 1980er-Jahre in der Kornpfortstraße

Reste einer Wasserleitung fanden, die wahrscheinlich

einen Gutshof versorgt hatte. Woher sie gespeist wurde,

ist heute nicht mehr bekannt.37

Aus Kosten- und Transportgründen nutzten die Römer

nach Möglichkeit die in den einzelnen Regionen typi-

schen Baustoffe. Vielerorts setzte sich eine Kombination

von Stein, Mörtel und Lehm durch. Bei der Herstellung

von Rohren kam darüber hinaus Ton zur Anwendung.

Zur Herstellung von Wasserrohren und -behältern wur-

de Blei verwendet. Bei der Produktion von Bleirohren

nahmen die Römer schnell vom herkömmlichen Guss-

verfahren Abstand. Stattdessen bogen sie längere Blei-

platten in die gewünschte Form und verlöteten die

Naht. Seit der Kaiserzeit waren die Wasserleitungen

nach Durchmessern genormt. Eine für die Römer typi-

sche Errungenschaft im Bauwesen stellte die Produktion

von betonähnlichen Teilen („opus caementarium“) dar. Bei

der Herstellung dieses Baustoffes vermengte man Stein

und Mörtel. Die Mischung hatte nach dem Erhärten

dieselben Eigenschaften wie der heutige Beton. Schalen

verliehen den einzelnen Bauteilen die gewünschte Form.

Diese Schalungen bestanden entweder aus Brettern und

Balken oder aus vorher aufgemauerten Steinen. Auch die

Erfindung des antiken Betons geht nicht auf römische

35 Details über die Anlage und die neuesten archäologischen Ergebnisse in: Römische Wasserleitungen am Mittelrhein. Hg. vom Amt Koblenz der Abteilung Archäologische Denkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz. Bearb. von Hubertus Ritzdorf, Koblenz 2005, S. 21ff. 36 Vgl. Grewe, Römische Wasserleitungen, S. 89ff. 37 Mehr über die Ausgrabungen in Koblenz bei: Wegner, Hans-Helmut, Archäologie in Koblenz, Koblenz 1991, S. 46ff.

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154 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Ursprünge zurück: Schon die Griechen konnten Mauern

aus einer äußeren und inneren Schale aus mörtellos an-

und übereinander gefügten, genau bearbeiteten Stein-

blöcken herstellen. In den zwischen beiden Schalen gele-

genen Mauerkern füllten sie unbearbeitete Steine und

Mörtel. Die Römer entwickelten lediglich diese Technik

weiter, indem sie die Schalen dünner und den Mauerkern,

auf dem die Hauptlast ihrer Konstruktionen ruhte, stabi-

ler ausführten. Alle der Wasserversorgung dienenden

Bauwerke wurden darüber hinaus besonders sorgfältig

verputzt. Mehrere feine Putzschichten sollten die Bildung

von Rissen verhindern. Aber auch Marmor- und Stein-

platten, deren Fugen man mit frostsicherem Mörtel ab-

deckte, kamen zur Anwendung.38

Nach dem Ende des weströmischen Reiches deckten

Oberflächengewässer, Regenwasserreservoire und Brun-

nen den täglichen Trink- und Brauchwasserbedarf.39 Wa-

ren die Folgen dieser Verschlechterung zunächst wenig

fatal, änderte sich das im Verlauf des Mittelalters. Das

Aufblühen des Städtewesens brachte nicht nur eine Kon-

zentration der Bevölkerung in den mehr oder weniger

bedeutenden Zentren, sondern auch eine katastrophale

Verschlechterung der hygienischen Verhältnisse. Eberhard

Isenmann beschreibt die Lebensbedingungen so: „[...]

Von Ausnahmen abgesehen waren die Straßen und Gas-

sen schmal und von vorragenden Geschossen teilweise

überbaut. Die unverglasten Fenster waren sehr klein und

blieben, des Gestanks wegen, der auf den Gassen herrsch-

te, und aus Furcht vor Miasmen40 weitgehend verschlossen

[...] Das Zusammenleben spielte sich auf engem Raum in

Einraumgeschossen oder Wohnungen mit nur wenigen

Räumen ab, so dass Kranke kaum isoliert werden konn-

ten. Ungeziefer fand in den Räumen leicht Unterschlupf

und war nur schwer wieder zu entfernen. Betten wurden

oft von mehreren Personen zugleich oder nacheinander

geteilt. Bettwäsche und Leibwäsche waren [...] nur wenig

vorhanden. Die sanitären Anlagen waren, sofern es über-

haupt welche gab, sehr primitiv. Günstiger waren freilich

die Wohn- und Lebensverhältnisse der Oberschicht. Den

Epidemien fielen vor allem Handwerker und Tagelöhner

in den ärmeren Vierteln zum Opfer. In schlecht durchlüf-

teten Gassen verbreiteten Schweinekoben41 vor den Häu-

38 Vgl. Lamprecht, Heinz-Otto: Opus Caementitium. Bautechnik der Römer. 3. überarb. Aufl., Düsseldorf 1987, S. 129ff. 39 Dazu auch: Garbrecht, Günther, Mensch und Wasser im Altertum, in: Mensch und Wasser im Altertrum. Die Wasserversorgung antiker Städte, Mainz 1988 (Geschichte der Wasserversorgung, Bd. 3), S. 205. 40 Nach der im Mittelalter verbreiteten Lehre des griechischen Arztes Hippokrates (etwa 460–370 vor Christus) waren Miasmen die giftigen und ansteckenden Ausdünstungen der Erde. 41 Schweinekoben = Schweineställe.

sern, dort gelagerter Mist, Trester,42 Bauschutt und

Hausmüll einen entsetzlichen Gestank, behinderten den

Verkehr und machten bei Regenfällen aus öffentlichen

Verkehrswegen übel riechende Kloaken. [...]“43

Obwohl die Zusammenhänge zwischen Schmutz und

Krankheiten schon seit der Antike bekannt waren,44 wur-

de der Kampf gegen die fatalen Folgen von verunreinig-

tem Grundwasser für die Gesundheit im Laufe der Jahr-

hunderte nur halbherzig geführt, war es doch vielerorts

üblich, Brunnen direkt neben Latrinen und Abfallgruben

anzulegen.45 Besonders gefährlich konnte es werden, wenn

die Verwesungsstoffe von Leichen in das Grundwasser

einsickerten. Je mehr die Bevölkerung innerhalb der

Stadtmauern zunahm, umso stärker vergrößerte die An-

häufung von Toten das Risiko. Trotz dieser rapiden Ver-

schlechterungen ist es wenig sinnvoll, das Mittelalter aus

hygienegeschichtlicher Sicht als besonders dunkle Epoche

zu bewerten. Lewis Mumford vertritt sogar die Auffas-

sung, dass die Todesfälle in der großen Grippeepidemie

von 1918 Ausmaße erreichten, die an die verheerenden

Folgen der Pest heranreichten.46

In der Tat scheint in kleineren Städten wie Koblenz die

Lage im Mittelalter gar nicht so schlimm gewesen zu sein.

Verheerende Folgen zeitigten hier erst die Seuchen des 16.

und 17. Jahrhunderts.47 Zudem drängte die Obrigkeit seit

dem Spätmittelalter – nicht zuletzt unter dem Eindruck

der großen Pestepidemie von 1348 – darauf, Städte und

Gewässer sauber zu halten. 1388 wurde in England das

erste Gesetz erlassen, das verbot, Schmutz und Abfälle in

Gräben und Flüsse zu werfen. 1404 unternahm der fran-

zösische König Karl Vl. erste Schritte, um die Verschmut-

zung der Seine zu verhindern. Allerdings hatte man in

Paris schon vorher versucht, die hygienischen Verhältnisse

in den Griff zu bekommen. So begann in der Stadt die

Pflasterung der Straßen, nachdem König Philipp lI. Au-

gust angeblich wegen des Gestanks fast in Ohnmacht

gefallen war. Im 14. Jahrhundert folgten Reinigungsvor-

schriften, 1538 verbot Franz I. jegliche Tierhaltung in-

nerhalb der Mauern und zwang seine Untertanen dazu,

42 Trester = Rückstände beim Keltern. 43 Vgl. Isenmann, Eberhard, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 34. Über das Leben in den deutschen Städten des Mittelalters neuerdings: Engel, Evamaria/Frank-Dietrich Jacob, Städtisches Leben im Mittelalter. Schriftquellen und Bildzeugnis-se. Köln/Weimar/Wien 2006. 44 Dazu auch: Illi, Martin, Wasserversorgung in spätmittelalterlichen Städten, in: Die Alte Stadt 3/93, S. 220–228. 45 Vgl. Garbrecht, Wasserversorgung, S. 206. 46 Vgl. Mumford, Die Stadt, S. 340 und 355. 47 Vgl. Illi, Wasserversorgung, S. 226.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 155 ______________________________________________________________________________

Sickergruben anzulegen und die flüssigen Abfälle nur in

die Rinnsteine zu entleeren.48

Das System römischer Wasserbauten blieb nur in Spanien

intakt. Unter arabischer Herrschaft wurde das Netz sogar

erweitert. Anders sah es in Mitteleuropa aus. Hier deck-

ten Brunnen weitestgehend den Bedarf, bei deren Anla-

ge man verschiedene Verfahren anwandte.49 Im Zuge der

archäologischen Untersuchungen in der Altstadt von

Hannover bestand Gelegenheit, die Technik des Brun-

nenbaus zu erforschen.50 Eine außergewöhnliche Stel-

lung außerhalb dieser allgemeinen Entwicklung nahm

Goslar ein. Hier wurde wahrscheinlich schon zu Beginn

des 13. Jahrhunderts ein Rohrsystem zur Heranführung

von Trinkwasser angelegt. Die wichtige Funktion der

Stadt als Aufenthaltsort des Kaisers und ihr auf die nahe

gelegenen Erzvorkommen zurückzuführender Reichtum

legen diese Frühdatierung nahe. Zudem verschmutzte

der Bergbau schon früh das aus mehreren Armen der

Gose entnommene Trinkwasser, was eine Neuorien-

tierung erforderte. Man führte deshalb das Wasser über

Leitungen aus den nicht oder wenig verschmutzten

Abschnitten der Gose heran.51

In einigen Städten machte die Wasserversorgungstechnik

im ausgehenden Mittelalter erhebliche Fortschritte. Hier

wurden durch die Energie des fließenden Wassers große

Räder angetrieben. Die Drehbewegung dieser Räder wirk-

te wiederum auf Druckpumpen, die das Wasser in die

gewünschte Höhe hoben. Dieses System bestand übli-

cherweise aus Wasserrad, Druckpumpe, Druckleitung,

dem oft in einem turmartigen Bauwerk aufgestellten

Behälter und der Entnahmeleitung. Die Leitungen im

Verteilungsnetz bestanden im Normalfall aus Holz, gele-

gentlich aus Ton und nur selten aus Blei oder Stein. Diese

Rohre führten zu Brunnen, aus denen die Bevölkerung

das Wasser schöpfte. Im Lübeck des 16. Jahrhunderts

befanden sich sogar Tanks in den Kellern der Häuser.52

Später ging man noch einen Schritt weiter und platzierte

diese Behälter in den Dachbereichen. Von dort konnte

das Wasser in die verschiedenen Etagen von Gebäuden

gelangen. Für die Wasserbevorratung hatten die Ingenieu-

re des Mittelalters nur wenig getan: Die Leitungen wur-

48 Vgl. Hauser, Reinlichkeit, S. 293. 49 Einen umfassenden Einblick in die Geschichte der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wasserversorgung gibt: Schnappauf, Frühe Wasserversorgung. 50 Näheres bei: Grewe, Wasserversorgung, S. 29ff. 51 Vgl. Grewe, Wasserversorgung, S. 54f. 52 Vgl. Historische Wassertürme, S. 19.

den fast immer auf Durchfluss ausgelegt, sie waren von

den jahreszeitlich bedingten Schwankungen der Wasser-

ergiebigkeit abhängig.53

Da die hölzernen Wasserleitungen recht undicht und

darüber hinaus nur wenig haltbar waren, brachte die

Erfindung der gusseisernen Röhren Anfang des 15. Jahr-

hunderts entscheidende Verbesserungen. Bereits 1412

werden derartige neue Leitungen in Augsburg, 1455 für

Schloss Dillenburg erstmals urkundlich erwähnt. 1522

ließ Kaiser Ferdinand II. in Wien die Siebenbrunner

Wasserleitung aus gusseisernen Rohren herstellen. Sie

versorgte die Hofburg, Klöster und andere Gebäude sowie

den öffentlichen Brunnen auf dem Margarethenplatz. Der

endgültige Durchbruch des neuen Systems gelang im

17. und 18. Jahrhundert, so zum Beispiel 1668 beim Bau

der Wasserleitung für Versailles.54

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit waren die

meisten Wasserleitungen Systeme, die sich an der Nei-

gung des Geländes orientierten. Auf Wasserhebewerke

wurde normalerweise verzichtet. So auch in Lübeck, als

man bereits im 13. Jahrhundert das aufgestaute Wasser

aus der Wakenitz entnahm und mit hölzernen Röhren

in rund 200 Häuser verteilte. Erst 1533 entstand eine so

genannte „Wasserkunst“, wie sie in Augsburg (ab 1460)

und Bremen (ab 1394) längst in Betrieb war.55 Dennoch

blieben Wasserhochbehälter im heutigen Sinne, die zur

Speicherung dienen, bis zum Beginn des 19. Jahrhun-

derts unbekannt.56

53 Vgl. Historische Wassertürme, S. 19. 54 Vgl. Historische Wassertürme, S. 21. 55 Vgl. Details in: Historische Wassertürme, S. 34ff. 56 Vgl. Gockel, Wasserversorgung, S. 7.

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156 Teil 3 ______________________________________________________________________________

3. Frühe Versorgung der Altstadt

in wesentlicher Teil der Koblenzer Trinkwasserver-

sorgung wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

durch private Ziehbrunnen sichergestellt, die sich entwe-

der in den Höfen oder im Inneren der Häuser befanden.

Aber es gab viele Gebäude, die nicht mit derartigen Ein-

richtungen versehen waren. Die Bewohner deckten ihren

Wasserbedarf aus öffentlichen Brunnen. Der wichtigste

dieser Brunnen befand sich auf dem Plan. 1544/1545 ließ

die Stadtverwaltung auch auf dem Florinsmarkt einen

neuen Brunnen graben, doch war seine Ergiebigkeit so

gering, dass er nur kurze Zeit Bestand hatte.57

Da die Brunnen in der Stadt gepflegt werden mussten,

hatten sich die Bewohner von Straßen und Gassen bereits

frühzeitig zu Brunnennachbarschaften zusammenge-

schlossen. Die Gesamtzahl der Gemeinschaften wurde

1789 auf 22 festgelegt. Diese bestanden bis 1854; dann

übernahm die Stadt Unterhaltung und Instandsetzung.58

3.1 Die Suche nach neuen Quellen

Bereits im 16. Jahrhundert scheint man in Koblenz den

Zusammenhang zwischen dem Ausbruch von Seuchen

und der Verschmutzung des Trinkwassers erkannt zu

haben, denn die Stadtväter griffen immer wieder

Pläne auf, eine Wasserleitung einzurichten.59 Erste

Versuche, derartige Pläne zu verwirklichen, wurden

wahrscheinlich schon 1543 unternommen. Für diese

Datierung gibt es schriftliche Anhaltspunkte. So

berichtet zum Beispiel eine Urkunde vom 3. Januar

1554 darüber, dass die Stadt den Brüdern von Eltz

100 Gulden für das Auffinden und die Projektierung

einer Quelle im Wald bei Lay bezahlt hat. Die Kon-

zepte wurden jedoch nie ausgeführt.60

Die Gründe für den Bau von Wasserleitungen sind

nicht nur im hygienischen Bereich zu suchen. Eine

derartige Einrichtung sollte auch die Feuerbekämp-

fung effektiver gestalten. Die Fachwerkhäuser in den

engen Gassen der Altstadt mit ihren Strohdächern

57 Vgl. Hofrichter, Hartmut, Die Entwicklung bis zum Ende des Alten Reiches, in: Geschichte der Stadt Koblenz, Bd. 1. Von den Anfängen bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit, Stuttgart 1992, S. 436. 58 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 280f. Hofrichter, Entwicklung, S. 438. 59 Vgl. Hofrichter, Entwicklung, S. 436f. 60 Dazu auch: Schmidt, Hans Josef, Die Wasserversorgung der Stadt Koblenz. Vortrag im Landeshauptarchiv am 25. Februar, Koblenz 1978 [masch.].

waren ständig vom Funkenflug aus den Kaminen

bedroht und konnten deshalb leicht in Brand gera-

ten. Zwar versuchte der Rat, das Problem durch

entsprechende Verordnungen in den Griff zu be-

kommen, doch zeigten sich die Bürger von diesen

Beschlüssen wenig beeindruckt. Verbote zur Ab-

schaffung von Strohdächern und hölzerner Schorn-

steine mussten im 16. und 17. Jahrhundert mehr-

fach wiederholt werden, bis sie von den Koblenzer

Hauseigentümern befolgt wurden.61

Die Geschichte der frühen Wasserversorgung in

Koblenz ist in der stadtgeschichtlichen Literatur

bislang sehr knapp abgehandelt worden. Eine etwas

ausführlichere Darstellung liefert lediglich Max Bär.

Demnach wurden 1597 und 1598 an den Abhängen

der Karthause im Bereich „Zweibergen“ (am Nord-

hang der Karthause im westlichen Bereich des

Friedhofes), am „Kopfhorn“ (am Osthang der Kar-

thause in der Nähe der Laubach) und am „Pfen-

ningsborn“ (unterhalb der ehemaligen Feste Kaiser

Alexander auf der Karthause) Bohrversuche unter-

nommen, die jedoch erfolglos blieben. Etwa zur

gleichen Zeit hatte man mit den Probebohrungen

oberhalb der Rohrer Höfe in Metternich begonnen

und war dabei auf Quellwasser in einer ausreichen-

den Menge gestoßen. Die Kosten und der Wider-

stand des Landesherrn verhinderten jedoch die Er-

schließung. Erst Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck

griff im Jahre 1683 die Pläne wieder auf, im Bereich

Metternich und Lützelkoblenz folgten Vermessungs-

arbeiten. Zudem stellte der Graubündner Johann

Christof (Christopherus) Sebastiani, der als Bau-

meister in Diensten des Erzbischofs stand, alle vor-

aussichtlichen Kosten schriftlich zusammen. Dabei

blieb es.62

Eine Auswertung der schriftlichen Quellen nahm der

Koblenzer Archivdirektor Dr. Wilhelm Maria Becker

zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor. Sein hand-

schriftlicher Bericht enthält eine erste gründliche

Darstellung der frühen Koblenzer Wasserversor-

gungsgeschichte. Deshalb basieren die Ausführungen

in den folgenden Abschnitten auch auf den Er-

kenntnissen des Koblenzer Archivrates.63 Demnach

61 Vgl. Hofrichter, Entwicklung, S. 437f. 62 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 281f. 63 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz unter besonderer Berücksichtigung der Ableitung von dem ,Castorbrunnen‘ in das ,Deutsche Haus‘.

E

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 157 ______________________________________________________________________________

Abbildung 37: Blick auf Metternich aus Flugrichtung Ost im Sommer 2006.

unternahm man 17 Jahre später einen erneuten Ver-

such, doch noch zu einer Wasserleitung zu kommen.

Der in den Akten der kurtrierischen Kellerei Kob-

lenz erhaltene, von Christian Sintziger unterschrie-

bene Entwurf trägt das Datum 5. Juni 1700 und

nimmt im Wesentlichen die Konzeption von 1683

wieder auf.64 Aber auch diese Planungen scheiterten

bereits im Frühstadium.

Einen großen Schritt weiter kam man in der Mitte

des 18. Jahrhunderts: Am 28. Dezember 1750 wurde

der Beschluss des Trierer Kurfürsten Franz Georg

von Schönborn, eine Wasserleitung für die Nutzung

der Quellen an den „Metternicher Hecken“ und auf

dem Lützeler Petersberg anlegen zu lassen, im Kob-

lenzer Rat verhandelt. Balthasar Neumann legte

später ein Gutachten vor, mit dem sich im Juni 1754

der Rat befasste. Der Baumeister empfahl, das Wasser

von den Metternicher Rohrerhöfen nach Lützel, dann

über die Moselbrücke in die Stadt zu leiten. Ursprüng-

lich war er davon ausgegangen, die Rohre direkt durch

das Bett der Mosel zu legen, um die heutige Altstadt auf

dem kürzesten Wege zu erreichen.65 Nachdem die Fra-

gen zur Finanzierung geklärt waren, begann man im

64 LHA-1C, 2436: Die Akte enthält die Kostenaufstellung des Christian Sinziger vom 5. Juni 1700 und weiteres Material über die Vorgänge bis zum Juni 1790. 65 StaK-623, 1191: Gutachten Balthasar Neumanns, 23. Februar 1750.

Februar 1757 mit dem Bau. Schnell ergaben sich die

ersten Probleme, denn der Boden, durch den die Lei-

tung laufen sollte, war äußerst lehmig. Die Quellen

sprechen von Eulnerlehm (Töpferlehm). Die Schwierig-

keiten häuften sich. Mal war es der Untergrund, mal

misslang der Brand der Tonröhren, schließlich ging das

Geld aus. Die Arbeiten wurden eingestellt.66

Die Bemühungen waren erst nach einem Vorstoß des

letzten Trierer Kurfürsten, Clemens Wenzeslaus von

Sachsen, erfolgreich. Doch dieses Mal stand nicht die

Versorgung der Bürger im Vordergrund, sondern viel-

mehr der Plan zur Anlage des Schlosses.67 Und dieses

brauchte natürlich eine Wasserleitung. Nachdem die

kurtrierischen Landstände, die das Steuerbewilligungs-

recht besaßen, 1777 ihre Beratungen über die Errich-

tung der neuen Residenz abgeschlossen hatten, konnte

der Bau beginnen.

Die entscheidenden Schritte, die schließlich zur Ver-

wirklichung des Wasserleitungsprojektes führten, erfolg-

ten ab Herbst 1780. Die Residenzbau-Kommission

sollte Möglichkeiten erörtern, Hofstall, Küche und an-

dere Bereiche des Schlosses mit Wasser zu versorgen.

66 Vgl. Bär, Geschichte, S. 282. 67 Die Hintergründe zur Entstehung von kurfürstlicher Residenz und Koblenzer Neustadt bringt: v.d. Dollen, Koblenzer Neustadt.

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158 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Da das Kurfürstentum unter chronischer Geldknappheit

litt, dachte man natürlich darüber nach, wie man die

Koblenzer in die Pflicht nehmen konnte. Im Dezember

1780 legte der Hofbrunnenmeister Georg Kirn eine

erste Denkschrift vor. Dieses Gutachten ist heute nicht

mehr erhalten – sein Inhalt ist nur noch über Protokoll-

auszüge und andere Dokumente indirekt zu erschließen.

So viel steht fest: Am Anfang waren nicht die Metterni-

cher Quellen, sondern das „Carlsthal“ war für die künf-

tige Nutzung vorgesehen. Diese Bezeichnung ist verwir-

rend, wird doch das Gebiet in den Urkunden und Akten

des Karthäuserklosters als „Cadenthal“ oder „Kadenthal“

bezeichnet. Im 19. Jahrhundert war der Name „Carden-

thal“ geläufig. Dieses Gelände befand sich nach Angaben

von Dr. Wilhelm Maria Becker am Osthang der Kar-

thause und zog sich bis zur ehemaligen Kaltwasseranstalt

in der Laubach hin. Hier fand der Hofbrunnenmeister

Quellen von solcher Ergiebigkeit, dass sie theoretisch für

die Sicherstellung des Koch- und Trinkwasserbedarfs der

Koblenzer ausreichten. Die ehemals zum Karthäu-

serkloster gehörenden beiden Mühlen standen jedoch

einer Realisierung des Projektes im Wege. Ihnen wäre

im Falle der Verwirklichung des Vorhabens das Wasser

abgegraben worden. Ohnehin waren Quellfassung und

Verlegung von Leitungen sehr teuer. Die Residenz-

Baukommission scheute deswegen eventuell auftretende

Entschädigungsfälle. Sie beauftragte stattdessen Georg

Kirn, die Metternicher Verhältnisse zu untersuchen und

einen Kostenvoranschlag vorzulegen, zumal die dort

befindlichen Quellen eine wesentlich höhere Ergiebig-

keit versprachen. Erste Ergebnisse seiner Untersuchun-

gen legte der Brunnenmeister bereits Ende 1780 in

Form einer Denkschrift vor. Demnach galten die For-

schungen auch der bereits 1598 in die Überlegungen

einbezogenen und 1748 gefassten Quelle in den „Met-

ternicher Hecken“. Diese bezeichnete Kirn in einer

Denkschrift vom 27. März 1783 als Hauptquelle des

„Geisenborns“, die ausreichende Mengen Trinkwasser

liefere und das bei einer Qualität, die der im „Ca-

relsthal“ vorzuziehen sei.68

Bereits in seinem ersten Gutachten kritisierte der Hof-

brunnenmeister die im Auftrage der Stadt vorgenomme-

ne Fassung der Quelle. Nach seiner Ansicht war diese

nicht tief genug untergraben worden, um die für die

Versorgung von Koblenz ausreichenden Wassermengen

zutage zu fördern. Um die Missstände zu beheben,

schlug Kirn vor, einen vier bis fünf Meter langen Gang

68 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

in den Kimmelberg zu treiben. Die hohe Lage der Quel-

le gewährleistete, dass das für den Transport des Wassers

erforderliche Gefälle wesentlich stärker als im „Ca-

relsthal“ war. Darüber hinaus regte der Brunnenmeister

den Bau eines aus Hausteinen gefertigten Sam-

melbeckens am Fuße der Quelle an. Dieses sollte eine

Vorrichtung erhalten, die das Eindringen von Oberflä-

chenwasser und Schmutz verhinderte. Die Ableitung des

Quellwassers in die Stadt sollte auf möglichst geradem

Wege erfolgen und in einem Turm der Koblenzer

Ringmauer gesammelt werden, von wo man es in die

neue Residenz in die Schlossgärten, vielleicht auch in

Brunnen auf einigen öffentlichen Plätzen der Stadt wei-

terleiten wollte. Für den Fall der Verwirklichung der

Leitung schlug Kirn vor, im Bereich der Brunnenstube

am „Geisenborn“ Röhren aus gebranntem Ton zu ver-

wenden. In den anderen Abschnitten eigneten sich nach

der Meinung des Brunnenmeisters gusseiserne und blei-

erne Röhren besser.69

Nach den Vorstellungen Kirns sollte die neue Leitung

zunächst in das Dorf Metternich, anschließend über die

Rohrerhöfe nach Lützel, dann über die Moselbrücke

nach Koblenz geführt werden. In der Stadt selbst war

geplant, das Trinkwasser über die Straße „An der Mosel-

brücke“ zu den „Vier Türmen“, anschließend weiter bis

zur Görgenstraße zu leiten. Über das „Judengässchen“70

wollte man das Quellwasser in den zu Speicherzwecken

umzubauenden ehemaligen Pulverturm71 bringen. Als

Endpunkt war die Neustadt mit dem damals noch im

Bau befindlichen kurfürstlichen Schloss vorgesehen. Die

Mitglieder der Residenzbau-Kommission behandelten

die Denkschrift des Hofbrunnenmeisters in ihrer Sit-

zung vom 31. Januar 1781. Bei der Zusammenkunft

verabschiedete man sich endgültig von der Idee, die

Quellen am Osthang der Karthause zu fassen und in die

Stadt zu leiten. Stattdessen wurden die Mittel zur Ver-

wirklichung des Metternicher Projektes auf 21.000 Taler

erhöht (später stellte sich heraus, dass dieser Betrag viel

zu niedrig war). Dennoch sollte die ganze Angelegenheit

noch einmal vom leitenden Schlossbaumeister François

69 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 70 Früher Rheingässchen, bis vor dem Krieg Balduinstraße. Die Straße befand sich auf Höhe der Tiefgarage des heutigen „Schängel-Centers“. Sie wurde im Krieg fast vollständig zerstört. 71 Der Pulverturm war zwischen 1286 und 1289 erbaut worden. Der viereckige Stadtturm befand sich an der von Balduinstraße, Casinostraße und „Wasserturmsmauer“ (einem Teil der mittelalterlichen Stadtmauer) gebildeten abgestumpften Ecke. Weil er seit dem Ende des 18. Jahrhun-derts neben der Dienstwohnung des Brunnenmeisters ein Wassersam-melbecken enthielt, wurde er als Wasserturm bezeichnet. Im Zuge der Neuordnung der Straßenfluchten beschloss der Stadtrat am 3. Mai 1825, den Bau abzureißen.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 159 ______________________________________________________________________________

Peyre le Jeune behandelt werden. Der Franzose unter-

suchte zusammen mit dem Ingenieurhauptmann Chris-

tian Trosson noch einmal die örtlichen Gegebenheiten

und fertigte ein neues Gutachten an. Darin sprach er

sich dafür aus, sowohl vom Metternicher, als auch vom

Karthäuser Projekt abzurücken. Stattdessen wurde emp-

fohlen, den Bubenheimer Bach zu wählen. Das Wasser

sollte zum Teil über offene Kanäle, teils durch gusseiser-

ne und bleierne Röhren in die Stadt geleitet und in

einem Reservoir gesammelt werden. Das Gutachten fand

bei der Residenzbaukommission wenig Gegenliebe, da

die Mitglieder hinsichtlich der Reinheit des Bachwassers

starke Bedenken hatten. Auch Kirn äußerte sich kritisch

zum Alternativkonzept Peyres. Schließlich beschloss die

Kommission, den Kurfürsten um die Genehmigung zu

bitten, mit dem Hofbrunnenmeister in nähere Verhand-

lungen eintreten zu dürfen. Die Entscheidung zugunsten

des Metternicher Projektes war gefallen.72

3.2 Exkurs: Überfluss in Metternich Es ist kein Zufall, dass bei der Suche nach neuen Wegen

zur Sicherstellung der Koblenzer Trinkwasserversorgung

immer wieder über Metternich gesprochen wurde. In dem

Dorf gestaltete sich die Versorgung mit dem wichtigsten

Lebensmittel ursprünglich so komfortabel, dass man auf

den Bau von Grundwasserbrunnen verzichten konnte.

Metternich wurde ausschließlich über die spätestens seit

1589 bekannten Quellen Geisenborn und Herrenweiher

versorgt. Letzterer lag am westlichen Ende der heutigen

Trierer Straße. Erich Engelke nennt als Höhenangabe

124,88 Meter über Normalnull. An die Quelle erinnern

noch die Straße „Am Herrenweiher“ und der Gemar-

kungsnahme „Am Herrenweiherchen“. Den Geisborn

gibt es dagegen immer noch. Er wird heute als Quelle

Geisenborn von den „Vereinigten Wasserwerken Mittel-

rhein“ (VWM) geführt. Die am Ende der Geisbachstraße

gelegene Quelle wird 1783 erstmals unter dieser Bezeich-

nung genannt. Wahrscheinlich floss das Wasser des Gei-

senborns in einem offenen Bachlauf ab, wofür auch die

Gemarkungsnamen „Im Geisebornsgraben“, „In der Gei-

sebach“, „Auf der Geisebach“ und „Unter dem Bachweg“

sprechen. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Quellwasser

ursprünglich an mehreren Stellen zu Teichen aufgestaut

wurde. Als Beweis führt Erich Engelke die Gemarkungs-

namen „Auf dem hellen Weyer“, „Auf dem untersten

72 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

Weyer“ und „Auf dem obersten Weyer“ hin. Die Frage

nach dem Zweck dieser Teiche kann heute wegen fehlen-

der Quellen nicht mehr beantwortet werden. Dass das

Wasser aufgestaut wurde, um eine Fischzucht zu betrei-

ben oder Mühlen in Gang zu halten, ist aber durchaus

wahrscheinlich – die in der Nähe des Wassers gelegene

Isenburgstraße hieß einmal Mühlweg.73

Das Quellwasser wurde über hölzerne Rinnen oder Röh-

ren ins Dorfinnere von Metternich geleitet. Reste dieser

Rinnen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts bei Bauar-

beiten gefunden. Auf jeden Fall wurde das überschüssige

Wasser hinter dem westlichen Dorfausgang in unmittel-

barer Nähe zur Trierer Landstraße in einen Brandweiher

geleitet.74 „Herrenweiher“ und „Geisenborn“ waren nicht

die einzigen Quellen in Metternich. Bei den Bohrversu-

chen, die sich bis ins Jahr 1543 zurückverfolgen lassen,

entdeckte man noch andere Wasseradern. So wurde man

1598 oberhalb der Rohrer Höfe fündig. Hierbei muss es

sich um mehrere Quellen gehandelt haben, die schließlich

unter der Bezeichnung „Metternicher Hecken“ zusam-

mengefasst wurden. Und genau das Wasser aus diesem

Bereich wurde immer wieder in den frühen Koblenzer

Wasserversorgungsplänen genannt. Allerdings waren die

Kosten für die Erschließung der Wasservorkommen so

hoch, dass der Kurfürst keine Mittel bereitstellte, um das

Projekt auszuführen. Leichter zu erschließen war dagegen

der sogenannte „Pfingstborn“, der nordwestlich des alten

Metternicher Dorfkerns entsprang und heute besser unter

der Bezeichnung „Behälterquelle“ bekannt ist. Die im

Bereich zwischen der Trierer Straße und der Gemarkung

„Auf dem Bienenstück“ befindliche Quelle wird heute

von den VWM für Notsituationen vorgehalten. Sie liegt

114,87 Meter über Normalnull.75

Die kleine Metternicher Gemeinde war ursprünglich so

trinkwasserreich, dass sie keine detaillierten Regelungen

über Wasserrecht und -abgabe brauchte. Das änderte sich

erst 1783, als feststand, dass das Dorf auf Druck des Lan-

desherrn einen Teil seines Wassers nach Koblenz abgeben

musste. Da für die ersten Anschlüsse in der Residenzstadt

streng genommen das Wasser aus dem Geisenborn aus-

reichte, standen Metternich mit dem „Herrenweiher“ und

dem „Pfingstborn“ immer noch zwei Quellen fast voll-

73 Vgl. Engelke, Erich, Von Quellen und Wasserleitungen. Die Metter-nicher Wasserversorgung in Metternich im Spiegel der Jahrhunderte, in: Beiträge zur Ortsgeschichte. Hg. von den Heimatfreunden Metternich, Koblenz 2002, S. 263. 74 Vgl. Engelke, Quellen, S. 263. 75 Vgl. Engelke, Quellen, S. 264 und 266

Page 14: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

160 Teil 3 ______________________________________________________________________________

ständig zur Verfügung.76 Von einer Wassernot konnte

beim besten Willen nicht die Rede sein. Erst im Laufe des

19. Jahrhunderts sollte sich die Lage verschlechtern.

3.3 Die Wasserleitung funktioniert

Obwohl Kurfürst Clemens Wenzeslaus das Metternicher

Wasserleitungsprojekt befürwortete, ruhten in den Jah-

ren 1781 und 1782 die Vorarbeiten für die neue Was-

serversorgung. Die noch erhaltenen schriftlichen Quel-

len nennen keine Gründe für diese Verzögerung. Erst als

Kirn seine Denkschrift vom 27. März 1783 vorlegte, die

unter anderem Angaben über Ergiebigkeit sowie Weite,

Dicke und Länge der zu bestellenden eisernen Röhren

enthielt, befassten sich die Verantwortlichen wieder mit

der Sache. Im Juni 1783 fasste die Geheime Staatskonfe-

renz mehrere Beschlüsse, die endlich sicherstellten, dass

die geplante Wasserleitung auch ausgeführt wurde. Man

übertrug die Ausführung der Arbeit dem Hofbrunnen-

meister und gewährte ihm dafür eine Frist von zwei

Jahren. Zuvor hatte Hofbaumeister Johann Andreas

Gärtner77 die Vorschläge Kirns begrüßt und an dessen

technischen und zeichnerischen Kenntnissen keinen

Zweifel aufkommen lassen. Kirn machte sich sofort

daran, seinen Auftrag zu erfüllen. Schon im Juni 1783

zog er nach Metternich und leitete den Ankauf der für

den Bau der Wasserleitung erforderlichen Grundstücke

in die Wege. Nachdem die eigentumsrechtlichen Hin-

dernisse aus dem Weg geräumt waren, wollte Kirn das

Projekt – wie in seinen Denkschriften vorgestellt – zügig

verwirklichen. Gemäß seiner Pläne wurde das Quellwas-

ser des „Geisenborns“ und des „Herrenweihers“ mittels

Tonrohren in je ein Sammelbecken aus Marmor und aus

Niedermendiger Hausteinen78 geleitet. Der Weiter-

transport auf dem bereits oben beschriebenen Weg er-

folgte durch eiserne Röhren, die unterirdisch verlegt

waren. Zur Speicherung und um den erforderlichen

Druck sicherzustellen, errichtete man drei Wassertürme

und mehrere Wasserschächte. Die drei Türme entstan-

den am Fuße der Metternicher Quellen auf halber Höhe

des Kimmelberges, an den Rohrer Höfen (auf der Süd-

seite der heutigen Trierer Straße im Bereich der Kloster-

76 Vgl. Engelke, Quellen, S. 264 und 266. 77 Johann Andreas Gärtner (1744–1826) war kurfürstlicher Hofbaudi-rektor und Ingenieurhauptmann und Vater des späteren Professors Friedrich von Gärtner, der als bedeutender Architekt und Baumeister in Bayern und in Griechenland wirkte. 78 Ein Haustein ist ein an allen Seiten behauener Naturstein. Er steht im Gegensatz zum unbearbeiteten Bruchstein. Den nach den Erfordernissen des Fugenschnitts von Steinmetzen sorgfältig bearbeiteten Haustein nennt man Werkstein.

brauerei) und in der Nähe der Moselflesche (südwestlich

der Feste Franz). Wie bereits in den Plänen Balthasar

Neumanns vorgesehen, leitete man das Wasser über die

Moselbrücke in die heutige Innenstadt. Die Leitung

wurde unter dem auf der westlichen Seite gelegenen

Fußsteig verlegt. Im „Wasserturm“ ließ Kirn ein Mar-

morbecken anlegen, in dem sich das Wasser sammelte,

bevor es in die Neustadt weiterfloss.79

Die Kosten sprengten den vorgegebenen Rahmen. Der

Hofbrunnenmeister nannte eine Summe von 32.000

Reichstalern. Um die Finanzierung sicherzustellen, woll-

ten der Kurfürst und seine Verwaltung die Stadt ver-

pflichten, einen Beitrag zu leisten. Als Gegenleistung

erhielt der Magistrat die Gelegenheit, fünf Plätze zu

nennen, an denen von der neuen Wasserleitung gespeiste

Brunnen aufgestellt werden sollten. Als potenzielle

Standorte für diese neuen Brunnen waren der heutige

Görresplatz, der Kastorhof, der Plan, der Bacher Pütz

(im Bereich des heutigen Münzplatzes) und der Flo-

rinsmarkt im Gespräch. Obwohl diese Wünsche gar

nicht oder erst viel später in Erfüllung gingen, standen

den Koblenzern eine Kostenbeteiligung in Höhe von

8000 Gulden und zusätzlich Unterhaltungsgebühren

von jährlich 30 Gulden ins Haus.

Der Stadtrat befasste sich mehrfach mit der Angelegen-

heit, denn er sah sich nicht in der Lage, den geforderten

Beitrag zu leisten. Die Räte erkannten schnell, dass man

um die 8000 Gulden nicht herumkommen würde. Also

weigerte man sich, den für die Gemeinde vorgesehenen

Anteil an den Unterhaltungskosten zu tragen. Die

Stadtväter gaben sogar zu erkennen, dass man notfalls

sogar auf das Angebot des Kurfürsten und seiner Hofbe-

hörden verzichten wolle. Am Ende der Verhandlungen

stand ein Kompromiss. Die Einigung kam im Mai und

Juni 1784 zustande. Demnach sollte die Stadt die inzwi-

schen auf 7000 Gulden oder 4666 Reichstaler ermäßigte

Summe in vier Raten zahlen. In der Zwischenzeit hatte

Kirn die Arbeiten an der Wasserleitung weit vorange-

trieben. Neben der Hauptquelle am „Geisborn“ war jetzt

auch die zweite Quelle des so genannten „Brandweihers“

oder „Herrenweihers“ gefasst worden. Darüber hinaus

stellte man die zugehörigen Brunnenstuben und Sam-

melbecken, die Kanäle zur Unterführung von Landstra-

ße und Wegen, die drei Wassertürme mit ihren Kanälen

und sämtliche Wasserschächte in der Stadt fertig. Zu-

79 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

Page 15: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 161 ______________________________________________________________________________

Abbildung 38: Die kurfürstliche Wasserleitung wurde von Metternich über die Balduinbrücke (Alte Moselbrücke) in die Alt-stadt geführt und von dort weiter in die Neustadt und das Kurfürstliche Schloss. Die Leitung diente ursprünglich nur der Versorgung der Residenz. Das Foto entstand im Mai 2006.

dem hatte die kurfürstliche Hütte in Sayn den Guss der

Eisenrohre abgeschlossen.80

Im Zuge der Arbeiten auf der Balduinbrücke sollte Kirn

noch eine Menge Ärger bekommen, weil er dort eine zu

Verteidigungszwecken errichtete Mauer hatte abbrechen

lassen. Obwohl dazu eine Genehmigung des Hofkriegs-

rates vorlag, wurde der Brunnenmeister im September

1785 beschuldigt, bei den Abbruch- und Baumaßnah-

men an den Gewölben der Moselbrücke kaum ersetzbare

Schäden angerichtet zu haben. Erst die Untersuchung

durch zwei Sachverständige entkräftete die Anschuldi-

gungen. Trotz aller Schwierigkeiten nahmen 1785 auch

die Wasserversorgungsanlagen im neuen kurfürstlichen

Schloss deutliche Konturen an. Ausläufe befanden sich

nunmehr in der Küche, in den Spülereien, im „großen

Weinkeller“, im Flaschenkeller, im Waschhaus, in den

drei Pferdeställen und im „großen Hof“. Außerdem be-

gann die Umwandlung des ehemaligen Pulverturmes.

Im Juni 1785 wurde der Steinhauer Johann Bode aus

Balduinstein vertraglich verpflichtet, bis Oktober das

Sammelbecken aus schwarzem Marmor fertigzustellen.

Zu guter Letzt wurden in diesem Jahr die von der Say-

80 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

ner Hütte gelieferten Röhren nicht nur von Metternich

bis Lützel, sondern auch über die Moselbrücke bis zum

Wasserturm gelegt.81

Am 21. August 1785 war es endlich soweit: Die neue

Wasserleitung konnte in Betrieb gehen. Der Hofbrun-

nenmeister erhielt vom Kurfürsten zur Belohnung den

Rang eines Ingenieur-Hauptmanns. Er durfte fortan die

Uniform des Artilleriekorps tragen und sich Brun-

nendirektor nennen. Schließlich wurde Kirn eine Ge-

haltserhöhung von 100 Reichstalern jährlich gewährt,

außerdem die Zusage, dass sein Sohn eines Tages sein

Nachfolger würde. Trotz aller mit dem Wasserleitungs-

bau verbundenen Fortschritte hatte die Koblenzer Be-

völkerung zunächst wenig von der neuen Errungen-

schaft. Diese Feststellung gilt zumindest bis zum Ende

der Ära des letzten Kurfürsten Clemens Wenzeslaus.

Der Wunsch des Rates, fünf Plätze in der heutigen Alt-

stadt mit Quellwasserbrunnen auszustatten, ging nicht

in Erfüllung. Die Gemeinde hatte also nichts anderes

tun können, als einen Teil der Wasserversorgung im

81 Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

Page 16: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

162 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Schloss zu finanzieren. Doch es gab einen kleinen Trost:

Am 23. November 1791 – dem Namenstag des Landes-

herrn – wurde in der Neustadt der erste von der neuen

Wasserleitung gespeiste öffentliche Brunnen in Betrieb

gesetzt. Die in Form eines Obelisken ausgeführte Anlage

hatte vier Ausläufe. Das Wasser wurde in steinernen

Muscheln aufgefangen und in den benachbarten kur-

fürstlichen Bauhof geleitet.82 Dieser erste Brunnen ist

heute noch erhalten. Allerdings musste er im Zuge der

Neuordnung der Verkehrsführung von seinem ehemali-

gen Standort auf dem Clemensplatz entfernt und vor

dem Stadttheater am Deinhardplatz aufgestellt werden.83

3.4 Der weitere Ausbau

In den letzten Oktobertagen des Jahres 1794 endete in

Koblenz die kurtrierische Ära. Französische Revolutions-

truppen besetzten die Stadt. Die Machtübernahme der

neuen Herren bedeutete jedoch nicht das Aus für die

gerade erst geschaffene Quellwasserleitung. Im Gegen-

teil: Immerhin sollten in dieser Zeit zwei der von der

Stadt gewünschten neuen Brunnen errichtet werden. Da

sich die Wasserleitung nicht im städtischen, sondern im

kurtrierischen Besitz befand, nahmen die Franzosen die

Anlage in Besitz und betrachteten sie fortan als Staatsei-

gentum. Änderungen und Erweiterungen mussten von

der französischen Administration genehmigt werden. So

äußerte der Departementsarchitekt George Trosson

keine grundsätzlichen Bedenken, als der Baumwollfabri-

kant Doll am 30. Juni 1803 darum bat, seinen an einer

Ecke der Görgenstraße gelegenen Besitz an die beste-

hende Leitung anzuschließen. Doll musste lediglich die

Kosten übernehmen. Gleiche Bedingungen galten für

den Weingroßkaufmann und Branntweinfabrikanten

Johann Nikolaus Nebel, als dieser im April 1804 eben-

falls sein Haus im Entenpfuhl (Nr. 511, später 12) an-

schließen wollte.84

Überhaupt war der Anschluss von Gebäuden an die

ehemals kurfürstliche Wasserleitung nichts Besonderes.

Archivdirektor Becker beschreibt den Plan, einen den

Zisterziensern zu Marienstatt gehörenden Hof in Met-

ternich durch eine Zweigleitung an den „Herrenweiher“

anzubinden. Obwohl das Projekt tatsächlich ausgeführt

wurde, kann das Jahr der Fertigstellung heute nicht

82 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 83 Vgl. Denkmaltopographie 3.2, S. 112. 84 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

mehr ermittelt werden. Auch für die Innenstadt bestan-

den Erweiterungsabsichten. George Trosson hatte im

April 1804 einen Plan aufgestellt, der die Weiterführung

der kurfürstlichen Wasserleitung aus der Neustadt durch

die Schanzenpforte über den Paradeplatz (Görresplatz)

und die Nagelsgasse auf den Kastorhof vorsah.

Schriftliche Nachrichten, aus denen Details über die

Ausführung der neuen Nebenleitung hervorgehen,

sind nicht mehr erhalten. Aus dem Sitzungsprotokoll

des Koblenzer Munizipalrates vom 26. April 1805

erfahren wir jedoch, dass sich ein Brunnen auf dem

Kastorhof und ein Springbrunnen im Garten der

Präfektur85 bereits in Betrieb befanden. Etwa zur

gleichen Zeit, am 22. Februar 1805, hatte Johann

Nikolaus Nebel, der nicht nur Weinhändler, son-

dern auch Maire (Bürgermeister) der Stadt war, den

Präfekten Mouchard de Chaban um die Erlaubnis

gebeten, auf dem „Place des Grenadiers“ (Plan) ei-

nen Brunnen errichten zu dürfen und diesen an die

Wasserleitung anzuschließen. Zur Anlage dieses

Brunnens sollten Hausteine des Brunnens im Hof

des ehemaligen Kartäuserklosters auf dem Beatus-

berg verwendet werden. Der Präfekt schaltete dar-

aufhin den Departementsarchitekten Trosson zur

Stellungnahme ein. Dennoch fiel zunächst keine

endgültige Entscheidung.86

Der Grund für die Verzögerung war klar: Bereits

1803/1804 hatte man erkannt, dass die Was-

serleitung dringend instand gesetzt werden musste.

Die französische Administration überlegte, wie sie

die erheblichen Kosten am besten auf die Stadt ab-

wälzen konnte. Aus diesem Grunde erstattete Do-

mänendirektor Golbery seiner vorgesetzten Pariser

Behörde, der „Administration de 1‘Enregistrement

et des Domaines“, am 26. Juli 1804 einen ausführli-

chen Bericht. In ihrem Bescheid vom ll. August

1804 entschied diese Behörde, dass die Erhaltung

der ehemaligen Wasserleitung Sache der Gemeinde

war, da diese von der Anlage angeblich am meisten

profitierte. Der Befehl des neuen Präfekten Alexand-

re Lameth an die Stadt, die nach Berechnungen

Trossons 3266 Francs teuren Reparaturen ausführen

zu lassen, folgte am 13. April 1805. Mit diesen An-

ordnungen war die ehemals kurfürstliche Leitung in

85 Die französische Präfektur war im ehemaligen von der Leyenschen Hof an der Ecke Kastorstraße/Kastorhof untergebracht. Mit Ausnahme der St.-Jakobus-Kapelle wurde die Anlage 1944 vollständig zerstört. 86 StaK-623, 1193: Ein erstes schriftliches Konzept für den Vorstoß hatte Maire Nebel am „3. Pluviose 13“ (23. Januar 1804) angefertigt.

Page 17: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 163 ______________________________________________________________________________

Abbildung 39: Der Plan mit dem von Maire Nebel durchgesetzten Brunnen Ende Dezember 2005.

das Eigentum der Stadt Koblenz übergegangen.

Gleichzeitig lehnte die Obrigkeit den Wunsch Ne-

bels ab, einen Brunnen auf dem Plan zu errichten.

Die schwerwiegende, für Koblenz äußerst kost-

spielige Entscheidung der französischen Verwaltung

hätte zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich sowieso

die Finanzierung des Brunnenprojektes unmöglich

gemacht.87

Der Munizipalrat war mit der Entscheidung der

übergeordneten Stellen natürlich alles andere als

einverstanden. In der Sitzung vom 26. April 1805

machte der Rat klar, dass die Stadt gar nicht in der

Lage war, die für die Instandsetzungsarbeiten erfor-

derlichen Mittel bereitzustellen. Man schlug deshalb

vor, die Unterhaltung auf 50 Jahre einem privaten

Partner zu übertragen, der die Ausbesserungen über-

nehmen sollte und dafür von den Einwohnern eine

Abgabe kassieren durfte. Die Stadt war zu diesem

Zeitpunkt eher bereit, die Leitung dem Verfall preis-

zugeben, als sie in Eigenregie zu übernehmen. Doch

der Plan der Gemeinde zur Privatisierung schlug

fehl, denn es fand sich zunächst niemand, der das

87 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

Risiko eingehen wollte. Der Grund für den Misser-

folg lag auf der Hand: Im Falle eines Vertragsab-

schlusses hätte ein Unternehmer nicht nur Unterhalt

und Ausbau übernehmen müssen, sondern wäre auch

verpflichtet gewesen, das Schloss, den Bauhof, den

Clemensbrunnen, den Brunnen auf dem Kastorhof,

den Springbrunnen beim Präfekturgebäude, die

Häuser der Unternehmer Doll und Nebel sowie den

auf dem Plan zu errichtenden Brunnen ausreichend

mit Wasser zu versorgen. Es wäre ihm nur gestattet

worden, das überschüssige Wasser zu verkaufen.88

Verhandlungen zwischen Maire Nebel und dem

neuen Präfekten Alexandre Lameth brachten schließ-

lich eine Veränderung der Bedingungen. Die Kosten

für den Bau und die Unterhaltung von Zweigleitun-

gen sollten fortan die Bewohner und Hauseigentü-

mer in den betroffenen Stadtteilen aufbringen. Für

die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten wollte

man dem ausführenden Privatunternehmer eine Summe

von 2600 Francs zahlen.89 Zudem verpflichtete sich die

Stadt, zur Unterhaltung der Leitung jährlich eine Pau-

88 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 89 Die Stadt und der Präfekt sollten jeweils 1200 Francs, die Unterneh-mer Doll und Nebel je 100 Francs bezahlen.

Page 18: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

164 Teil 3 ______________________________________________________________________________

schale von 400 Francs bereitzustellen. Als Ausgleich für

die Gemeinde stand jetzt der Erlös aus dem Verkauf des

überschüssigen Wassers aus der Metternicher Quelle an

die Hauseigentümer nicht mehr dem künftigen Investor,

sondern der Stadt zu. Der Präfekt war mit dieser Rege-

lung einverstanden und übertrug am 13. April 1805 die

Wasserleitung nun auch offiziell an die Stadt. Am

7. September 1805 schloss Maire Nebel mit dem Unter-

nehmer Ignaz Bracht einen Vertrag über Reparatur und

Wartung. Gültigkeitsdauer: 25 Jahre.90

Die Vereinbarungen schafften den für die Errichtung

des Brunnens auf dem Plan erforderlichen Freiraum.

Maire Nebel musste jedoch die Absicht fallen lassen,

beim Bau der neuen Anlage Steine aus dem ehemaligen

Kartäuserkloster zu verwenden. Präfekt Lameth hatte

sich in seiner Verfügung vom 13. April 1805 ausdrück-

lich gegen derartige Absichten ausgesprochen. Hinzu

kam, dass – obwohl man sich hinsichtlich der Unterhal-

tung der Metternicher Quellleitung geeinigt hatte – die

für die Wasserversorgung bestimmten Mittel angesichts

der prekären Finanzlage der Gemeinde äußerst knapp

waren. Die Bewohner des Bereiches am Plan entschieden

sich deshalb dafür, Geld zuzuschießen, weil sie nicht nur

die Bedeutung des Brunnens für die Trinkwasserversor-

gung, sondern auch für die Brandbekämpfung erkann-

ten. Zudem verteilte Nebel die Last auf alle Einwohner,

indem er die indirekten Steuern leicht erhöhte. Brunnen

und Anschluss an die Wasserleitung wurden schließlich

im Jahre 1806 fertiggestellt.91

Der Brunnen auf dem Plan erfreute sich bei den Kob-

lenzern einer großen Beliebtheit. Man scheint dem

Quellwasser so manche wundersame Wirkung zugetraut

zu haben. In einem undatierten Zeitungsausschnitt heißt

es: „Das Metternicher Quellwasser hatte wegen seiner

Vorzüglichkeit von jeher in unseren Mauern viel Anklang

gefunden. Bei der ,Brunnenkur‘ am frühen Morgen fan-

den sich die alten Koblenzer, mit ihrem Schoppenglas

bewehrt, an der Brunnenmuschel auf dem Plan, wo sie,

ihren Gesundheits-Nektar schlürfend, vorbeidefilierten.

Zudem galt das ,Ploner Quellwasser‘ infolge seiner Kalk-

armut als Quintessenz des Geschmacks bei der Kaffeezu-

bereitung und wurde auch sonstwie als wirksames

,Heilmittel‘ bei Augenerkrankungen hoch geschätzt.“92

90 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 91 LHA-700,56: „Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 92 LHA-701,552: E. Hoewer, Brunnenkultur am „Ploneer Brunne“.

Reparaturen und Erweiterungen verschafften jedoch nur

eine kurze Atempause. Bereits im April 1808 legte der

„Commissaire de Police“ Schmitz dem Präfekten, Adrien

Comte de Lezay-Marnesia, eine Denkschrift vor, in der

Schäden und vor allem der schlechte Zustand des Brun-

nens auf dem Clemensplatz angesprochen wurden.

Demnach waren von den vier nur noch zwei Ausläufe in

Betrieb und zudem die Wassermengen deutlich zurück-

gegangen.93 Ob und wie man diesen Mängeln begegnete,

ist nicht überliefert. So viel ist sicher: Die Probleme mit

dem Wasserdruck blieben bestehen, denn drei Jahre

später beklagte man sich über die schlechte Zuleitung

des Quellwassers in das ehemalige kurfürstliche Schloss,

das während der Zeit der französischen Besatzung als

Kaserne diente. Um die Verhältnisse zu bessern, teilte

Präfekt Jules Doazan den Unternehmern Nebel und von

Nasson (der Nachfolger Dolls) am 25. September 1811

mit, dass die beiden Ableitungen in deren Häuser sofort

gesperrt würden.94

3.5 Der Brunnen auf dem Kastorhof

Jules Doazan hatte wenig Gefallen an dem Brunnen, der

1804/1805 nach Plänen des Departementsarchitekten

Trosson auf dem Kastorplatz errichtet und an die ehe-

mals kurfürstliche Wasserleitung angeschlossen worden

war. 1811 entschloss sich der Präfekt, den Brunnen

durch eine prächtigere Anlage ersetzen zu lassen. Der

Straßen- und Brückenbauingenieur Royer und der pen-

sionierte französische Ingenieur-Offizier Dagobert

Chauchet legten ihre Pläne vor. Fritz Michel und

Hans Bellinghausen nennen darüber hinaus den

Koblenzer Architekten Ferdinand Nebel, der sogar

zwei Entwürfe eingereicht hatte.95 Präfekt Doazan

favorisierte das Konzept Chauchets, obwohl die

Verwirklichung rund 10.000 Francs gekostet hätte.

Der Munizipalrat hingegen sprach sich für das Pro-

jekt Royers aus, das zudem nur 3500 Francs teuer

gewesen wäre. Da die Kommune den Bau finanzie-

ren musste, brachte sie natürlich nur die Kosten für

die billigere Version in den Haushaltsplan ein und

ließ sich diese Entscheidung auch von den über-

geordneten Stellen genehmigen. Trotzdem wollte

der Präfekt seine Vorstellungen auf jeden Fall durch-

93 StaK-623, 1195: Brief des „Commissaire de Police“ an den Präfekten. 94 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 95 Vgl. Michel, Kunstdenkmäler, S. 362. Bellinghausen, Hans (jr.), Der Kastorbrunnen in Koblenz, ein Denkmal europäischer Geschichte, in: Landeskundliche Vierteljahresblätter 3/93, S. 139.

Page 19: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 165 ______________________________________________________________________________

Abbildung 40: Der Kastorplatz mit dem Kastorbrunnen. Die Aufnahme in westlicher Blickrichtung entstand bei den Vorbe-reitungen des Besuchs des deutschen Kaisers Wilhelm II. von 1905.

setzen und wandte sich deswegen an den Minister

des Inneren in Paris und ersuchte diesen, die auf-

wendigeren Planungen Chauchets abzusegnen. Der

Minister legte das Konzept dem Rat für Zivilbauten

vor, der in seiner Sitzung vom 9. März 1812 Be-

stimmungen für die Ausarbeitung eines neuen Planes

aufstellte, nachdem der Architekt François Peyre le

Jeune96 das Konzept Chauchets begutachtet hatte.

Nach Darstellung Dr. Beckers wollte sich der Prä-

fekt mit dieser Entscheidung nicht zufriedengeben.

Anstatt Neuplanungen in Auftrag zu geben, versuch-

te er in seinem Bericht vom 21. April 1812, Ansich-

ten und Auflagen des Zivilbaurates zu entkräften. Er

legte die „alten“ Pläne erneut zur Genehmigung vor

und verkündete, dass man inzwischen mit der Aus-

führung des Brunnens begonnen habe.

In seinem Erlass vom 23. Juni 1812 erteilte der In-

nenminister die endgültige Genehmigung zur Aus-

führung der Planungen Chauchets. Dieser Erfolg

entband Doazan jedoch nicht von der Notwen-

digkeit, sich beim Munizipalrat durchzusetzen. Be-

reits am 28. Februar 1812 wies er den Rat an, den

für die Ausführung des Brunnens in den Haushalt

96 François Peyre le Jeune war leitender Baumeister bei der Errichtung des Kurfürstlichen Schlosses gewesen.

eingebrachten Betrag von 3500 Francs an Chauchet

als Lohn für die bisher erbrachten Leistungen auszu-

zahlen. Zusätzlich forderte er die Bereitstellung

weiterer Mittel durch die Gemeinde.97

Maire Nebel wollte sich nicht ohne Weiteres dem

Willen des Präfekten unterordnen und wies daher

am 30. März 1812 darauf hin, dass es im Falle der

Bereitstellung zusätzlicher Gelder große Schwierig-

keiten geben würde. Doazan ließ sich nicht sonder-

lich beeindrucken und wiederholte seine Weisungen

am 1. April und 2. Juli 1812 noch einmal.

Die Rechnung des Präfekten ging auf: Der Munizi-

palrat entschloss sich dazu, noch einmal 4493 Francs

an Chauchet zu zahlen. In der Zwischenzeit stand

jedoch fest, dass die vom Architekten errechneten

Kosten in Höhe von 9953 Francs zu niedrig ange-

setzt worden waren. In seinem Brief an den Präfek-

ten teilte Chauchet mit, dass er zur Ausführung von

Ergänzungsarbeiten weitere 2.695 Francs benötigen

würde und dass die Stadt diesen Mehrbetrag in den

Haushaltsplan 1814 einbringen müsse. Ob Doazan

diesem Antrag Folge geleistet hat, ist aus den schrift-

lichen Quellen nicht mehr zu ersehen. Fest steht

97 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

Page 20: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

166 Teil 3 ______________________________________________________________________________

jedoch: Am 18. August 1812 sprudelte der Brunnen

anlässlich des Geburtstagsfestes von Kaiser Napoleon

zum ersten Mal. Es ist überliefert, dass anlässlich der

Einweihung aus den Röhren rund 4,8 Hektoliter

Wein flossen.98

Der neue Kastorbrunnen mit seinem Sockel aus

Niedermendiger Basalt wurde mit einer großen Fi-

gurengruppe aus Kalkstein geschmückt, die Rhein

und Mosel symbolisiert. Sie wurde von dem Aache-

ner Bildhauer Rauch (Fritz Michel nennt als Her-

kunftsort Koblenz99) angefertigt und vom Maler

Johann Baptist Bachta (1782–1856) goldbronziert.100

Diese Plastiken hat man aber schon in der Anfangs-

zeit der preußischen Herrschaft wegen der starken

Verwitterung wohl im Zuge der Sanierungsmaßnah-

men von 1817 entfernt.101

An der Ostseite des Kastorbrunnens befindet sich eine

französischsprachige Inschrift, die – frei übersetzt –

lautet: „Jahr 1812. Zur Erinnerung an den Feldzug

gegen die Russen unter der Präfektur von Jules Doa-

zan.“ Berühmt geworden ist der ebenfalls in französi-

scher Sprache angebrachte Zusatz „Gesehen und

genehmigt durch uns, den russischen Kommandan-

ten der Stadt Koblenz am 1. Januar 1814.“ Bislang

hat sich die stadtgeschichtliche Forschung an den

Ausführungen des Chronisten Christian von Stram-

berg orientiert, der die eigentliche Inschrift und die

auf der Westseite des Brunnens befindliche Widmung

an Kaiser Napoleon in das Jahr 1812 datiert hatte.102

Hans Bellinghausen hat in einem Aufsatz von 1993

diese Darstellung bezweifelt. Er verlegt die Anbrin-

gung der Inschrift in den Oktober des Jahres 1813

und stellt diesen Vorgang als Nacht-und-Nebel-

Aktion Chauchets dar. Der Ingenieur soll dabei ei-

genmächtig gehandelt haben, da sich der Präfekt

damals auf einer Inspektionsreise befand. Bel-

linghausen geht ferner davon aus, dass Doazan erst

98 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz: Wahr-scheinlich gleichzeitig mit dem Neubau des Brunnens auf dem Kastor-hof wurde der Garten des ehemaligen Deutschherrenhauses am Zusam-menfluss von Rhein und Mosel an die Wasserleitung angeschlossen – das am Kastorbrunnen nicht benötigte Wasser wurde aufgefangen und in das Gebäude weitergeleitet. 99 Vgl. Michel, Kunstdenkmäler, S. 362. 100 Eine Beschreibung des Brunnens und einen ausführlichen Bericht über die Geschehnisse, die schließlich zur Anbringung der Inschrift führte, bringt: Bellinghausen, 2000 Jahre Koblenz, S. 224f. 101 Dazu: StaK-623, 2431, S. 5ff. Vgl. Michel, Kunstdenkmäler, S. 362. 102 Vgl. Stramberg, Christian von, Coblenz, die Stadt. Historisch und topographisch dargestellt, Bd. 1–4, Koblenz 1851–1853. (Denkwürdi-ger Rheinischer Antiquarius, 1. Abt.), Bd. 2, S. 682.

nach Abschluss des Feldzuges die weiteren Schritte

veranlassen wollte. Bei seiner Rückkehr war der Krieg

aber bereits zuungunsten Frankreichs entschieden,

Chauchet hätte demnach seinem Auftraggeber eine

alles andere als angenehme Überraschung bereitet.103

3.6 Der Streit um das Quellwasser

Auch nach dem Abzug der Franzosen gab es immer

wieder Probleme mit der Wasserleitung. In den Jah-

ren 1816 und 1817 hatte der „Geisborn“ derart an

Ergiebigkeit eingebüßt, dass sich die Verantwortli-

chen in Koblenz überlegten, den Metternicher „Her-

renweiher“ für die Trinkwasserversorgung der Stadt

zu erschließen. Die Rechtsgrundlage zur Umsetzung

dieses Planes war für die Kommune der Beschluss des

französischen Präfekten vom 13. April 1805, mit dem

die ehemals kurfürstliche Leitung an die Gemeinde

übertragen worden war. Der Protest der Metternicher

ließ nicht lange auf sich warten. Man beanspruchte

den „Herrenweiher“ für den Ort und berief sich dabei

auf die Entscheidung der französischen Zentral-

verwaltung vom 19. August 1799. Demnach war der

Weiher dem Dorf zur Anlage einer Zweigleitung

zugesprochen worden.104

Die Königliche Regierung in Koblenz verfügte am 1.

Juli 1819 die Bildung einer Kommission zur Untersu-

chung der schwierigen Verhältnisse. Diesem Gremi-

um gehörten an: Regierungsassessor Heil, Oberbür-

germeister Abundius Maehler, Bürgermeister Freiherr

von Eltz-Rübenach und Ortsvorsteher Nicolaus Ollig

für die Gemeinde Metternich. Als Sachverständige

standen der Hauptmann Jacob von Kirn, der Bauin-

spektor Johann Claudius von Lassaulx und Brunnen-

meister Johann Hermann Kuhl bereit. Die Sitzungen

fanden am 9. und 10. Juli 1819 statt. Während dieser

Zusammenkünfte berichtete der Landwirt Anton

Rath, Inhaber des ehemals der Zisterzienserabtei Ma-

rienstatt gehörenden Hofes, über die Anlage der

Zweigleitung vom „Herrenweiher“ zu seinem Eigen-

tum. Der Amtsbürgermeister Freiherr von Eltz-

Rübenach verwies auf die besondere Bedeutung des

„Pfingstborns“ und des „Herrenweihers“ für das Dorf.

Die Metternicher wollten die „Herrenweiher-Quelle“

auf keinen Fall aufgeben, weil diese nach ihrer An-

103 Vgl. Bellinghausen, Kastorbrunnen, S. 147. 104 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 167 ______________________________________________________________________________

sicht nicht nur für eine hinreichende Wasserversor-

gung unerlässlich war, sondern auch im Brandfall

dringend gebraucht wurde. Diese Darstellung stimm-

te nur bedingt, war doch die „Herrenweiher-Quelle“

die kleinste der drei bereits erschlossenen Met-

ternicher Quellen.105

Auch insgesamt gesehen stand es um die Was-

serversorgung im Dorf Metternich gar nicht so

schlecht: Der Ort wurde über fünf Quellwasserbrun-

nen, einen Weiher und den Brunnen im Hofe des

Bauern Rath mit frischem Wasser versorgt. Für ei-

nen Kompromiss schien keine Chance zu bestehen,

denn auch Abundius Maehler rückte nicht von sei-

nem Standpunkt ab. Die Stadt erhob also weiterhin

einen Alleinanspruch auf die Wasserleitung sowie

die Quellen „Geisenborn“ und „Herrenweiher“. Der

Koblenzer Oberbürgermeister erinnerte an die Be-

schwerden der Anwohner über das Nachlassen des

Clemensbrunnens und den erhöhten Wasserbedarf

militärischer Einrichtungen in der Stadt. Darüber

hinaus wies Maehler darauf hin, dass alle Bemühun-

gen um den Bau eines Brunnens auf dem Florins-

markt wegen der Grundwasserverhältnisse in diesem

Bereich der Altstadt gescheitert waren.106 Den Met-

ternichern war natürlich bestens bekannt, dass man

im Ort auch ohne das Wasser des „Herrenweihers“

hätte auskommen können. Der Freiherr von Eltz-

Rübenach erklärte sich schließlich bereit, gegen eine

angemessene Entschädigung auf den Alleinanspruch

zu verzichten.107

Mit den Verhandlungen im Sommer 1819 war es

nicht getan. Die Auseinandersetzungen dauerten

noch Jahre. Noch 1825 und 1826 befassten sich

weitere Kommissionen mit der Angelegenheit. Bei

den Sitzungen standen ebenfalls die Aufteilung der

Kosten für die Unterhaltung der Wasserleitung auf

der Tagesordnung, denn nicht nur die Gemeinde,

sondern auch der Militärfiskus profitierte von der

Anlage. Es ist nur allzu verständlich, dass die Stadt

auf einer angemessenen Beteiligung des Staates bei

der Aufbringung der erforderlichen Mittel beharrte.

105 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 106 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 107 Der Anschluss der „Herrenweiher-Quelle“ erforderte mehrere bauli-che Veränderungen, so zum Beispiel die Verlegung des Brandweihers.

Eine verbindliche Regelung für alle beteiligten Par-

teien kam erst durch den Vertrag vom 28. November

1826 und das Zusatzabkommen vom 27. September

1828 zustande. Die Vereinbarungen regelten die

Instandsetzungs- und Benutzungsmodalitäten. In

ihrer Übereinkunft mit der Stadt verzichtete die Ge-

meinde Metternich auf ihre Ansprüche am „Herren-

weiher“. Einer Vereinigung der Quelle mit dem

„Geisborn“ stand jetzt nichts mehr im Wege. Im

Gegenzug verpflichteten sich Militärfiskus und

Stadt, eine Abfindung in Höhe von 900 Talern für

die Anlage eines neuen Brandweihers und die Er-

schließung des „Pfingstborns“ zu zahlen. Die Ge-

meinde musste allein 75 Prozent dieser Entschädi-

gungssumme tragen, da das Militär sich verpflichtet

hatte, nur ein Viertel der gesamten Wassermenge für

sich zu beanspruchen. Gleiche Verhältnisse galten

für die Aufteilung der Unterhaltungskosten für die

Wasserleitung.108

Eine Ausnahme bildeten die Zweigleitung ins

Schloss, die Brunnenstube in der Nagelsgasse zur

Versorgung des Generalkommandos im von der

Leyenschen Hof, die Abläufe des Clemens- und

Kastorbrunnens in den Festungsbauhof und in den

Garten des ehemaligen Deutschordenshauses109 sowie

die Nebenleitung in die Zisterne auf der Moselfle-

sche. Hinzu kamen die Zweigleitungen vom Cle-

mensbrunnen in die Militärbäckerei, Proviantamts-

und Ingenieurgebäude. Für diese Anlagen übernahm

das Militär sämtliche Kosten. Für die Unterhaltung

der Brunnen und ihrer Zuleitungen auf dem Plan, in

der Neustadt und auf dem Kastorhof war die Kom-

mune allein verantwortlich.110

Die frühe Diskussion um die Neuordnung der Was-

serversorgung fällt in eine Zeit, in der auch andern-

orts die frühen Quellwasserleitungen nicht den

108 LHA-700,56: Die Metternicher Wasserleitung in Coblenz. 109 Die Leitung in den Garten des früheren Deutschordenshauses hatte man am 1. Januar 1866 aufgegeben. Zu einer Wiederinbetriebnahme kam es im Juni 1990, also nachdem zwei Jahre zuvor das Staatsarchiv in die Anlage eingezogen war. 110 StaK-623, 2432: Auszug aus dem Ratsprotokoll, 8. September 1834; StaK-623, 1195: Brief der jüdischen Gemeinde an den Präfekten, 20. Dezember 1810. Das jüdische Frauenbad in der Balduinstraße durfte nachts mit Wasser aus der Leitung gefüllt werden. Die jüdische Ge-meinde musste dafür 35 Taler im Jahr zahlen. Die Stadt erhielt 75 Prozent der Gebühr, den Rest der Militärfiskus. Die im August 1820 verlängerte Konzession (vgl. LHA-441, 2921, S. 1, 5 und 7ff) bestand bis 1834. Im September jenes Jahres teilte die jüdische Gemeinde mit, dass sie des Wassers aus der Leitung nicht mehr bedürfe. Der vorhande-ne Ziehbrunnen war durch eine Druckpumpe ersetzt worden.

Page 22: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

168 Teil 3 ______________________________________________________________________________

„modernen“ Bedürfnissen in den nun stärker wach-

senden deutschen Städten genügten. So machten

sich um 1825 auch in Frankfurt Mängel an der frü-

hen Quellwasserleitung bemerkbar, die damals be-

reits seit rund 200 Jahren bestand. Der in städti-

schen Diensten stehende Chaussee-, Weg- und Brü-

ckenbauinspektor Philipp Jakob Hoffmann wurde

beauftragt, ein Gutachten anzufertigen, das den Bau

einer neuen, ergiebigeren Quellwasserleitung vorbe-

reiten sollte. Der angeforderte Bericht lag 1827 vor.

Ein Jahr später begann der Bau der Leitung aus dem

Knoblauchsfeld. 1834 war das Projekt abgeschlos-

sen.111 Dagegen musste man sich in Koblenz weiter-

hin mit Provisorien begnügen, weil die Topografie

der Umgebung die Suche nach einer geeigneten

ergiebigen Quelle unmöglich machte. Man bedenke:

Zu dieser Zeit war es technisch noch nicht möglich,

einwandfrei funktionierende Grundwasserwerke zu

bauen. Sogar im fortschrittlichen England entnahm

man das Trinkwasser noch direkt aus den Flüssen –

mit dramatischen Folgen. 1831 starben allein in

London 50.000 Menschen an der Cholera.112

Aber nicht nur in den großen deutschen Städten wie

Frankfurt zeigte sich, dass die bekannten Quellwas-

servorkommen mir fortschreitender Urbanisierung

nicht mehr ausreichten. Die Verhältnisse in Metter-

nich, das lange Jahre keine Wasserprobleme gekannt

hatte, beweisen, wie der allzu sorglose Umgang mit

den vorhandenen Resourcen zu neuen Schwierigkei-

ten führen konnte. Kaum waren die Auseinander-

setzungen zwischen Gemeinde, Stadt und Militärfis-

kus beigelegt, nahmen im Dorf die Klagen über den

Wassermangel zu. 1837 genehmigte der Metternicher

Gemeinderat schließlich Mittel, damit weitere Quellen

aufgespürt werden konnten. Die Suche nach neuen Was-

servorkommen blieb lange erfolglos. Auch in den folgen-

den Jahrzehnten sollte Wassermangel zu einem der gro-

ßen Probleme Metternichs werden, das sich immer mehr

zum Wohnvorort von Koblenz und zum Industriestand-

ort mit bedeutenden Betrieben entwickeln sollte. Mit dem

Wachstum der Gemeinde und einem veränderten Hygie-

nebewusstsein ging ein erheblich steigender Wasserbedarf

einher. Gleichzeitig ging aber die Ergiebigkeit der örtli-

chen Quellen zurück. Trotzdem verhielt man sich so, als

ob der einstige Wasserreichtum weiter bestehen würde.

Man dachte nicht daran, Sammelbecken oder Reservoire

111 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 167. 112 Vgl. Bauer, Im Bauch, S. 170.

für das Quellwasser anzulegen. Das ungenutzte Wasser

aus den Brunnenstöcken floss einfach in den Chaussee-

graben (später Trierer Straße) ab. Immerhin gab es einen

Abnehmer für das überschüssige Wasser. Es war die Ei-

senbahnbauverwaltung, die am Ort eine eigene Ziegelei

unterhielt.113 Ein Schritt, das Versorgungsproblem in den

Griff zu bekommen, waren Neubau und Erweiterung des

Wasserleitungsnetzes, die schließlich 1861 begannen.

Damals wurden auch die alten Bleiröhren durch gussei-

serne Leitungen ersetzt. Das Material lieferte die Kölner

Maschinen-Bau-Actien-Gesellschaft.114

Ebenfalls ins Jahr 1861 fiel der erneute Versuch der Ge-

meinde Metternich, weitere Quellen aufzuspüren. Man

bat den Landrat, den Franzosen Abbé Richard anzufor-

dern. Der bekannte Wünschelrutengänger war auf Bitten

des Landratsamtes nach Koblenz gekommen, um in der

Region tätig zu werden. Richard wurde in Metternich

fündig. Er entdeckte eine neue Quelle im Bereich der

Gemarkung Herderswiese, die in das Netz eingebunden

wurde und Weihnachten 1861 in Betrieb ging. Die Ge-

meinde hatte Zeit gewonnen. Und so beschloss der

örtliche Rat erst im Mai 1866, drei der vier öffentlichen

Laufbrunnen mit Zisternen auszustatten, um das über-

schüssige Wasser auffangen zu können.115

113 Metternich war einst Standort bedeutender Ziegeleien. 114 Vgl. Engelke, Quellen, S. 269. 115 Vgl. Engelke, Quellen, S. 270.

Page 23: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 169 ______________________________________________________________________________

Abbildung 41: Auch nach Inbetriebnahme des ersten Koblenzer Wasserwerks auf dem Oberwerth hatten viele Haushalte kei-nen direkten Zugang zur neuen zentralen Wasserversorgung. Trink- und Brauchwasser konnten daher noch lange über die Wasserwagen bezogen werden. Die undatierte Aufnahme könnte beim Festzug zum 75-jährigen Bestehen des Koblenzer Ver-eins der Fuhrunternehmer entstanden sein. Der Zug von 1920 wurde vom städtischen Fuhrpark unterstützt.

4. Ziehbrunnen und Wasserwerk

ie Trinkwasserversorgung durch Ziehbrunnen

brachte viele Unannehmlichkeiten mit sich.

Die Beseitigung von Eis im Brunnenschacht in der

kalten Jahreszeit war noch das geringste Übel. Im-

mer wieder rissen Zugseile und Ketten, die Achsen

der Brunnenrollen brachen: Schäden, die eine be-

sondere Gefahr für Kinder darstellten. Immerhin

wog eine Messingrolle 20 Pfund, das Gewicht der

Eimer war ebenfalls nicht zu unterschätzen, Belas-

tungen, die ein Kind ohne Weiteres in die Tiefe

ziehen konnten! Der Ausspruch „das Kind ist in den

Brunnen gefallen“ und Nürnberger Quellen über

beim Wasserschöpfen tödlich verunglückte Personen

sind ein Beweis dafür, dass diese Ausführungen kei-

ne Theorie sind.116 Vor diesen Hintergründen wird

es klar, warum man sich schon lange vor dem Ein-

setzen der Hygienediskussion im 19. Jahrhundert

um die Verbesserung der Zustände und die Ergän-

zung der Brunnen durch Wasserleitungssysteme

bemühte. In Koblenz trug die noch aus kurfürst-

116 Vgl. Kluge, Wassernöte, S. 16.

licher Zeit stammende Metternicher Wasserleitung

mit ihren öffentlichen Entnahmestellen zur Verbes-

serung der Wasserversorgung bei. Darüber hinaus

bestanden – zumindest ab 1848 – auf dem Plan und

auf dem Clemensplatz zwei Zisternen zur Aufnahme

von Regenwasser. Dies geht aus einem Schreiben des

Brunnenmeisters Joseph Kuhl an Oberbürgermeister

Friedrich Wilhelm Alexander Bachem hervor.117

Auch wenn im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts

immer mehr Wasserwerke ans Netz gingen, wurde

der Löwenanteil des Wasserbedarfs nach wie vor

über die Grundwasserbrunnen gedeckt. In den

1890er-Jahren waren 60 Prozent der Bewohner im-

mer noch nicht an die neuen Wasserversorgungs-

systeme angeschlossen.118 Diese Feststellung galt im

Großen und Ganzen auch für Koblenz. In der Stadt

lässt sich der Standort der öffentlichen Brunnen

mithilfe einer ergänzten Reproduktion des Plans

117 StaK-623, 5791: Brief, 2. September 1848. Aus der Akte geht hervor, dass die Zisterne auf dem Plan bereits 1849 so undicht war, dasss sie das Wasser nicht mehr halten konnte. Bevor es zur Reparatur der Anlage kam, musste die Angelegenheit vor Gericht geklärt werden, das sich der Erbauer der Zisterne weigerte, die Arbeiten unentgeltlich auszuführen. 118 Vgl. Reulecke, Urbanisierung, S. 60.

D

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170 Teil 3 ______________________________________________________________________________

bestimmen, den der Notar und Geometer Johann

Peter Dilbecker 1794/1795 anfertigte.119 Demnach

befanden sich Brunnen vor den Häusern Altengra-

ben 8120, Altenhof 7, Firmungstraße 17, Löhrstraße

3, unter der Mehlwaage im Haus Kornpfortstraße

19, in der Görgengasse, in St. Görgen, am südlichen

Rand des heutigen Münzplatzes (ehemals Bachemer

Pütz), in der Pfuhlgasse, am Plan sowie in der Wei-

ßer- und Wöllersgasse. Weitere Brunnen lagen im

Maisengässchen, im Dreitaubengässchen,121 an der

Ecke Nagelsgasse/Kastorhof, im Jesuitengässchen, in

der Rheinstraße unterhalb der ehemaligen Karmeli-

terkirche und in der Clemensstraße.122

Benutzung und Unterhaltung der öffentlichen

Brunnen waren ähnlich wie Genossenschaften orga-

nisiert. Die Bewohner einer Straße hatten sich zu-

sammengeschlossen, um die Brunnen auf eigene

Kosten zu unterhalten oder gegebenenfalls neu anzu-

legen. Gelegentlich erhielten sie städtische Zuschüs-

se. Alt- und Jungmeister leiteten diese Brunnen-

nachbarschaften. Einnahmen und Ausgaben wurden

in kleinen Büchern verzeichnet. Diese enthalten

auch die Namen der Brunnenmeister und Angaben

über die durchgeführten Reinigungsarbeiten. Derar-

tige Aufzeichnungen sind zum Beispiel noch für die

Görgengasse123 und das Maisengässchen124 erhalten.

Das bis in das Mittelalter zurückreichende System

der Brunnennachbarschaften blieb noch lange beste-

hen, auch wenn nach 1820 die Umstellung der

Ziehbrunnen auf den Betrieb mit Handpumpen er-

folgte. Weil die Modernisierungen erhebliche Kosten

verursachten, gewährte die Stadt Zuschüsse.125 Um-

wandlungen der bestehenden Einrichtungen vollzo-

gen sich 1825 in der Nagelsgasse, 1832 auf dem

Fruchtmarkt (Florinsmarkt), 1833 im Altengraben,

1834 in der Clemensstraße und auf dem Gemüse-

markt (ein Teil des heutigen Münzplatzes) sowie

1836 auf dem Altenhof und in der Görgengasse.

1837 folgten die Mehl- und Wöllersgasse, 1839 die

119 Reproduktion und Original befinden sich im Stadtarchiv Koblenz. 120 Der Einfachheit halber werden an dieser Stelle die heutigen Hausnummern genannt. 121 Beide Gassen waren Nebengassen der Kastorstraße und existieren heute nicht mehr. 122 Vgl. Schmidt, Wasserversorgung. 123 StaK-623, 2637: Brunnenbuch aus der Görgengasse (1726–1854). 124 StaK-623, 2638: Brunnenbuch der Nachbarschaft des Brunnens in der Meisgengasse (1741–1821). Die Schreibweise für das Maisengäss-chen ist in den schriftlichen Quellen nicht einheitlich geregelt. 125 StaK-623, 5741: Brunnen und Wasserleitungen.

Kornpforte, 1851 das Dreitaubengässchen (eine Sei-

tengasse der Kastorstraße). Die Umstellung verlief

allerdings nicht immer reibungslos. 1835 verklagte

die Brunnennachbarschaft der Löhrstraße die Stadt

wegen der Verlegung „ihres“ Brunnens.126 Noch vor

der Mitte des 19. Jahrhunderts löste sich das jahr-

hundertealte System der Brunnennachbarschaften

allmählich auf. Immer mehr Hausbewohner weiger-

ten sich, ihren Beitrag zu leisten. Aus diesem Grund

beschlossen die Stadtverordneten am 21. Dezember

1853, die Unterhaltung der Brunnen zu übernehmen

und einen entsprechenden Vertrag mit einem Privat-

unternehmer abzuschließen.127 Diese Vereinbarung

kam Anfang 1854 zustande. Partner der Gemeinde

wurden die Gebrüder Zilken und der Pumpenma-

cher Mannebach.128 Schon 1852 waren – mit Aus-

nahme des Maisengässchens – alle Brunnen auf

Pumpbetrieb umgestellt worden.129

4.1 Die Pumpstation Oberwerth

Der steigende Wasserverbrauch führte vor dem Hinter-

grund des neuen Hygienebewusstseins dazu, dass auch in

Koblenz der Ruf nach einer modernen Wasserversorgung

immer lauter wurde. Doch noch gab es zu den Brunnen

mit Handpumpenbetrieb keine Alternative. Es gab weit

und breit keine ergiebigen Quellen, die die aufstrebende

Provinzhauptstadt hätte ausreichend versorgen können.

Deswegen fanden die im „Deutschen Verein für öffentli-

che Gesundheitspflege“ (DVföG) vor allem auf den Jah-

restagungen von 1876 und 1877 geführten Debatten über

das optimale Trinkwasser in Koblenz keine große Reso-

nanz. In diesen Versammlungen hatte man eindeutig dem

Quellwasser den Vorzug vor dem Uferfiltrat gegeben. Der

Begriff „Quellwasser“ war für die Mitglieder der DVföG

ein Sammelbegriff für genau das Trinkwasser, das aus

tiefen Gesteinsschichten gewonnen wurde.130

In Koblenz war das Quellwasser aus Metternich sogar

gehörig in Misskredit gekommen – nicht etwa, weil das

Wasserdargebot erheblich gesunken war. Vielmehr wur-

den immer mehr Zweifel an der Qualität des Trinkwas-

sers geäußert.

126 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 280. Die Details sind enthalten in: StaK-623, 2301: Der Rechtsstreit der Stadt Koblenz gegen die Nachbar-schaft des Brunnens auf der Löhr. 127 Vgl. Bär, Geschichte Koblenz, S. 281. 128 StaK-623, 5791: Nicht datierter Vertragsentwurf. 129 StaK-623, 5791: Brunnen in Koblenz (Verzeichnis). 130 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 55.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 171 ______________________________________________________________________________

Abbildung 42: Im Bassenheimer Hof befanden sich ursprünglich nicht nur Pfandhaus und Sparkasse, sondern auch die Sammel-stelle für Kehricht- und Wasserwagen (zur Sprengung der Straßen) der Stadt Koblenz. Das Foto entstand 1898.

Bereits 1859 hatte Dr. Friedrich Albert Erlenmeyer aus

Bendorf eine Studie über die Verbreitung der Idiotie in

der Region vorgestellt, die er im Wesentlichen auf die

Eigenschaften des Trinkwassers zurückführte.131 Der Me-

diziner meinte damit den endemischen und epidemischen

Kretinismus nach Kropfbildung. Erlenmeyer stellte fest,

dass der Kreis Koblenz neben einem Gebiet rund um den

Laacher See die höchste Rate dieser Krankheiten in der

Rheinprovinz aufwies. In Zahlen hieß das: Auf dem Nie-

derwerth kamen 70 „Idioten“ auf 1000 Einwohner, in

Metternich 69. Laut Erlenmeyer könne das Trinkwasser

bei der Kropfbildung eine Rolle spielen.132 Dieser Zu-

sammenhang ist auch aus heutiger Sicht nicht abwegig.

Bekanntlich gilt der Jodmangel im Trinkwasser und in

Nahrungsmitteln im Binnenland auch heute noch als

Hauptursache für Schilddrüsenerkrankungen. Da man in

Koblenz reichlich Erfahrungen mit fehlgeschlagenen

Schürfungen und Bohrungen hatte, wandte man sich

an einen Experten, der in ganz Europa Erfahrungen

131 Vgl. Engelke, Quellen, S. 273: Trinkwasser und Kretinismus. Natur-historischer Verein der preußischen Rheinlande und Westfalen. Bericht über die 16. General-Versammlung zu Bonn. In: Kölnische Zeitung, 24. Juni 1859. 132 Vgl. Engelke, Quellen, S. 273.

gesammelt hatte – Ernst Grahn (1836–1906). Der

Ingenieur war 20 Jahre lang Direktor der Krupp’schen

Wasserwerke gewesen, die er weitgehend selbst aufgebaut

und organisiert hatte. Sein Engagement bewirkte den

Zusammenschluss des Gas- und Wasserfachs im Deut-

schen Verein von Gas- und Wasserfachmännern

(DVGW) 1870 und die Gründung der gemeinsamen

Fachzeitschrift GWF. Im Laufe seines Berufslebens war

der Ingenieur für mehr als 70 Städte im In- und Aus-

land, darunter zum Beispiel Wien, Budapest und

Triest, als Berater tätig. In seinem zweibändigen Werk

„Die Wasserversorgung im Deutschen Reich und einigen

Nachbarländern“ sollte er später auf 1400 Seiten Angaben

über Entstehung, Entwicklung und Art der Wasserversor-

gungsanlagen zusammenstellen.133

Bei der DVföG war Ernst Grahn kein Unbekannter: Er

war der prominenteste Sprecher derjenigen, die bei der

Versammlung 1876 gegen die „Quellwasser-Resolution“

gestimmt hatten. Ernst Grahn stellte sich somit an die

Seite der finanzschwachen Kommunen, deren geologische

Verhältnisse zudem nicht geeignet waren, eine auf Quell-

133 Vgl. Schnappauf, Frühe Wasserversorgung, S. 26.

Page 26: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

172 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 43: Die nach Plänen des Ingenieurs Ernst Grahn errichtete Pumpstation I, die 1886 fertiggestellt wurde. Das Hochwasserfoto stammt von 1929. Es ist die einzige erhaltene Einzelaufnahme des frühen Koblenzer Wasserwerks.

wasser basierende Trinkwasserversorgung aufzubauen.134

Der Maschinenbauingenieur betonte sogar, dass der

schädliche Einfluss des Wassers noch nie einwandfrei

bewiesen werden konnte und erklärte 1877 in der „Deut-

schen Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspfle-

ge“ (DVÖG): „[…] Fast alle über diesen Gegenstand

aufgestellten Beobachtungen sind entweder unsicher oder

zu neu und zu wenig umfassend, um daraus sichere

Schlüsse ziehen zu können. […]“135 Ernst Grahns klares

Votum für Grundwasserwerke kam nicht von ungefähr:

Inzwischen war es Ingenieuren wie Adolf Thiem (1836–

1908) gelungen, diesen neuen Typ auf konstruktiv sichere

Grundlagen zu stellen.136

Ernst Grahn war der richtige Mann, um sich mit den

besonderen topografischen Verhältnissen in Koblenz

auseinanderzusetzen. Es sollte sich bald auszahlen, dass

die Stadtväter Grahn engagiert hatten. Doch noch war es

nicht so weit. Bevor man in Koblenz daran ging, für die

134 Vgl. Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 55. 135 Vgl. Ernst Grahn in DVÖG 9/1877. Zitiert nach Büschenfeld, Flüsse und Kloaken, S. 56. 136 Gockel, Wasserversorgung, S. 23.

Bevölkerung eine zentrale Wasserversorgung zu schaffen,

kümmerte man sich erst einmal um die Rheinanlagen, die

so etwas wie ein neues Markenzeichen der Residenzstadt

geworden waren, das viele Touristen anzog. Nach einem

Bericht des städtischen Brunnenmeisters H. J. Kuhl hatte

man dort bereits im Frühjahr 1870 rund 100 Bewässe-

rungsstellen und einige Brunnen fertiggestellt. Durch das

Herausputzen ihrer Anlagen wollten sich die Verantwort-

lichen von ihrer besten Seite zeigen – immerhin stand der

Besuch des preußischen Königs bevor.137

Anlass für wesentlich größer angelegte Planungen gaben

schließlich die Streitigkeiten zwischen Kommune und

dem Militärfiskus wegen der Nutzung der alten kurfürst-

lichen Metternicher Wasserleitung. Die Fortifikations-

verwaltung wollte sich mit der im November 1826 ver-

einbarten Aufteilung des Quellwassers nicht mehr zufrie-

dengeben und beanspruchte fortan die Hälfte der Was-

sermenge. 1877/78 begannen die Verhandlungen. Um

künftige Auseinandersetzungen zu vermeiden, leiteten die

137 LHA-655,18, 1072: Brief Kuhls an die Bürgermeisterei Koblenz-Land, 30. April 1870.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 173 ______________________________________________________________________________

Abbildung 44: Die 1904 vollendete Pumpstation II. Das Gebäude auf dem südlichen Oberwerth steht noch heute.

Stadtväter gleichzeitig die Einrichtung einer zentralen

kommunalen Trinkwasserversorgung in die Wege. Schon

1876 hatte der Ingenieur Adolf Krackow, vormals Direk-

tor des Koblenzer Gaswerkes, laut über den Bau eines

Wasserwerkes nachgedacht. Die Verwaltung beauftragte

schließlich die Rheinische Wasserwerksgesellschaft in

Bonn, südlich der Horchheimer Brücke auf dem Ober-

werth Probebohrungen vorzunehmen.138 Diese erfolgten

im November 1879 und sollten verlässliche Daten liefern,

die für den Bau eines modernen Grundwasserwerkes

unerlässlich waren. Ein Versuchsbrunnen war so ergiebig,

dass die Stadt den Bau einer Pumpstation ins Auge fass-

te.139 Schließlich wurde der Ingenieur H. Grunder mit

einem „Vorproject zur Wasserversorgung“ beauftragt. Das

1882 erstellte Gutachten enthielt Untersuchungen zur

geologischen Situation, eine Beurteilung der Trinkwas-

serqualität und natürlich auch Kostenvoranschläge.140

138 LHA-539,1, 498: Brief des Koblenzer Oberbürgermeisters Karl Heinrich Lottner an die Bezirksregierung, 11. Juli 1879. 139 Einsmann, Hermann Ludwig, Die Wasserversorgung der Stadt Coblenz, in: Deutschlands Städtebau – Coblenz. Anlässlich der rheini-schen Jahrtausendfeier im Auftrage des Oberbürgermeisters Dr. [Karl] Russell bearbeitet von Dr. [Hans] Bellinghausen. 2. Auflage, Koblenz 1925, S. 136. 140 StaK, KH-84: Vorproject zur Wasserversorgung der Stadt Coblenz.

Bei den Planungen für das neue Wasserversorgungssystem

wurden die in Koblenz zahlreich vorhandenen militäri-

schen Bauten nicht berücksichtigt. Auch versuchte das

Militär nicht, auf die Vorbereitungen der Kommune

Einfluss zu nehmen. Der Grund hierfür dürfte in der

Tatsache zu suchen sein, dass die meisten Soldaten nach

wie vor in den zahlreichen Befestigungsanlagen unterge-

bracht waren, die von Anfang an ihre eigenen Anlagen zur

Trinkwassergewinnung hatten. Die Festungswerke besa-

ßen in der Regel Brunnen und Zisternen, in einigen Fäl-

len auch eigene Wasserleitungen, wie die Beispiele Fes-

tung Ehrenbreitstein und Feste Franz im heutigen Stadt-

teil Lützel zeigen. Für Letztere musste das Militär 1881

auf eigene Kosten eine neue Leitung legen, weil das

Brunnenwasser durch die unzureichende Abwasserentsor-

gung verseucht war. Die Situation sollte sich erst in den

ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ändern, als die Versor-

gungsengpässe in den militärischen Anlagen immer grö-

ßer wurden. Im Falle der Feste Alexander auf der Kar-

thause brachten städtische und private Wasserwagen das

Trinkwasser. Bis 1914 wurde die Festung an das kommu-

nale Wasserversorgungsnetz angeschlossen.141

141 Vgl. Tippach, Koblenz, S. 146ff.

Page 28: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

174 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Tabelle 5: Wasserversorgungssysteme im Regierungs- bezirk Koblenz. Gemeinden (Auswahl), Baujahr und Versorgungstyp nach Ernst Grahn.

Gemeinde Baujahr Typ Ahrweiler 1893 Quellwasser Altenkirchen 1890 Quellwasser Altwied 1890 Quellwasser Andernach 1882 (Umbau) Quellwasser Bendorf 1895 Grundwasser Betzdorf 1891–1893 Quellwasser Boppard 1894–1895 Quellwasser

Grundwasser St. Goar 1892 Quellwasser Heddesdorf 1891–1892 Quellwasser Horchheim 1880 Quellwasser Cochem 1881 Quellwasser

(Gefälleleitung ohne Reservoir)

Kreuznach 1888–1890 Quellwasser Linz 1884 Quellwasser Mayen 1886 Quellwasser Münstermaifeld 1893 Grundwasser Neuwied 1884 Versorgung aus

dem Wiedbach Remagen 1884 Quellwasser Simmern 1880 Quellwasser Sinzig 1887 Grundwasser Weißenthurm 1894? Grundwasser Wetzlar 1883–1894 Quellwasser Koblenz 1885–1886 Grundwasser

Als es um die Ausführung des neuen Trinkwasserver-

sorgungssystems für Koblenz ging, trat Ingenieur

Grunder übrigens nicht mehr in Erscheinung. Man

wollte von Anfang an die Ausführungsplanung einem

besonders erfahrenen Fachmann übertragen – ein

weiteres Argument, das für Ernst Grahn sprach. Nach

seinem Ausscheiden aus den Krupp-Werken ließ sich

der frühere Direktor 1883 für sechs Jahre als beraten-

der Ingenieur in der Koblenzer Mainzer Straße 28

nieder, wo er sich den Entwürfen für die Wasserver-

sorgung in der Stadt an Rhein und Mosel widmete.142

Nur ein Jahr später legte er seinen „Erläuterungsbe-

richt zum Projecte für das Wasserwerk“ vor.143 Zu

dieser Zeit war in Trier bereits die erste Pumpstation

in Betrieb genommen worden.

Auch Ernst Grahn bewertete das Rheinufer auf der

Insel Oberwerth für den Bau einer Pumpstation als

bestens geeignet. In seinem Bericht sprach er sich

dafür aus, das Wasser „aus dem Kiesbette des Rheins“

über Brunnen zu entnehmen. Den neuesten techni-

schen Standards entsprechend, entschied man sich

wegen der bei einer Direktentnahme des Wassers zu

erwartenden hygienischen Probleme und der jahres-

zeitlich bedingten Temperaturschwankungen für die

Uferfiltration und gegen eine direkte Entnahme des

Wassers aus dem Rhein. Abgesehen von dieser natür-

lichen Filtration gab es noch keine Möglichkeiten der

Wasseraufbereitung. Zur Zeit der Erbauung des Kob-

lenzer Werks war die Qualität des Flusswassers am

Mittelrhein noch nicht so schlecht, dass ernsthafte

Gefahren für die Gesundheit zu erwarten waren. Au-

ßerdem waren die technischen Möglichkeiten der

Trinkwasseraufbereitung damals noch begrenzt. Erst

drei Jahre nach der Eröffnung des Wasserwerks in

Koblenz begann die Firma Siemens und Halske mit

dem ersten größeren Versuch zur Wasserdesinfektion

unter Einsatz von Ozon. Eine entsprechende Anlage

wurde 1898 schließlich zuerst im Seebad Blankenber-

ge installiert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgten

Paderborn und Wiesbaden (1901/1902). Richtig

durchsetzen sollte sich die Aufbereitung mithilfe von

Ozon jedoch nicht. Einerseits waren wegen des Beige-

142 Einen Abriss über das Leben und Wirken Ernst Grahns gibt: Gockel, Bernd, Ernst Grahn – ein in die Zukunft wirkender Mann, in: Gas- und Wasserfach, Heft 1969/10, S. 254–257. Vgl. auch StaK-623, Nr. 4489, Blatt 233: Fremdartige Requisitionen (Gasfabrik Budapest). 143 Grahn, Ernst, Die Wasserversorgung der Stadt Coblenz. Bericht über die diesjährigen Vorarbeiten verbunden mit dem Erläuterungsberichte zum Projecte für das Wasserwerk. Der städtischen Wasserleitungs-Commission erstattet von E[rnst] Grahn, Civil-Ingenieur, Koblenz 1884.

schmacks die Vorbehalte gegen eine chemische Aufbe-

reitung des Trinkwassers damals noch groß, anderer-

seits scheute man die hohen Kosten. Schließlich setzte

sich die billigere Chlorung des Wassers durch. Das

Verfahren war in den USA entwickelt worden und

kam 1911 zum ersten Mal in Mülheim an der Ruhr

zum Einsatz. Bis 1940 sollten erst 30 Prozent der

deutschen Wasserwerke mit Systemen zur Chlorung

ausgestattet sein.144

In Koblenz vollendete man das Wasserwerk in den

Jahren 1885 und 1886. Das erscheint relativ spät.

Man sollte bei dieser Einschätzung allerdings nicht

vergessen, dass zu dieser Zeit auch in größeren deut-

schen Städten das Wasserversorgungsproblem nur

unwesentlich früher gelöst worden war. Ein promi-

nentes Beispiel hierfür ist München. Zwar gab es dort

bereits 1854 eine Teilversorgung von Stadtteilen mit

Quellwasser, doch die Vollendung einer zentralen

Versorgung aus dem Mangfalltal sollte sich bis 1884

hinziehen. In der bayerischen Hauptstadt hatte man

nämlich ein ganz typisches Problem: Man musste das

144 Vgl. Münch, Stadthygiene, S.43f.

Page 29: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 175 ______________________________________________________________________________

Abbildung 45: Die vier Pumpstationen des Koblenzer Wasserwerks „Oberwerth“ Anfang 1925.

Quellwasser über kilometerlange Zuleitungen in die

Stadt führen.145 Ludwigshafen, das Ende des 19. Jahr-

hunderts mit rund 40.000 Einwohnern nur geringfü-

gig größer war als Koblenz, brauchte mit seinem Was-

serversorgungssystem sogar noch länger als die preu-

ßische Provinzhauptstadt, was sicherlich auch daran

lag, dass sich der Gemeinderat lange gegen die Ange-

bote möglicher Privatinvestoren widersetzte. Erst im

Oktober 1895 wurde ein Grundwasserwerk in Betrieb

genommen, das mit einer Tagesabgabe von lediglich

2600 Kubikmetern nur halb so leistungsfähig war wie

die Koblenzer Anlage. In der Folgezeit musste die

Wasserversorgung der aufstrebenden Industriestadt

laufend ausgebaut werden.146 Vergleicht man die Ent-

wicklungen in Koblenz mit denen im Regierungsbe-

zirk, stellt sich schnell heraus, dass die Stadt im Ge-

meindevergleich recht gut abschnitt. Legt man die

Aufstellung von Ernst Grahn von 1898 zugrunde, auf

der auch Tabelle 5 basiert147, fällt auf, dass sich im

Bezirk das Grundwasser immer noch nicht durchge-

setzt hatte. Die deutliche Mehrheit der Gemeinden

setzte nach wie vor auf Quellwasserleitungen, die zum

145 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 186ff. 146 Dazu: Vogt, Manfred/Horst. W. Müller. Trinkwasser für Ludwigs-hafen 1895–1995. Hg. von den Technischen Werken Ludwigshafen, Abt. Wasserversorgung, Ludwigshafen 1995. 147 Grahn, Ernst, Die Wasserversorgung im Deutschen Reiche sowie einigen Nachbarländern. 2 Bde., Berlin 1898–1902, S. 376ff.

Teil schon seit Jahrzehnten bekannt waren. Dies dürf-

te nicht nur an der örtlichen Versorgungssituation

gelegen haben, sondern am „Imageproblem“, das

Grundwasserwerke vor allem in ländlichen Regionen

noch lange haben sollten – was später noch am Stol-

zenfelser Beispiel gezeigt wird.

Laut Abrechnung im Verwaltungsbericht 1888/89

betrugen die Gesamtkosten für das erste Koblenzer

Wasserwerk und seine Anbindung 987.673 Mark.148

Das neue Wasserversorgungssystem wurde schließlich

in der Festschrift zur 27. Hauptversammlung des

Vereins Deutscher Ingenieure in Koblenz vorge-

stellt.149 Das neue Wasserwerk wurde als kommunaler

Regiebetrieb eröffnet, wie es in der Zeit vor dem

Ersten Weltkrieg die Regel war. Abgerechnet wurde

über einen Sonderhaushaltsplan, der mit dem Kom-

munalhaushaltsplan synchronisiert war.150 Da es viele

fachliche Parallelen zur Gasversorgung gab, lag es

nahe, an die Spitze der Wasserwerksverwaltung den

Direktor der kommunalen Gasversorgung zu stellen.

Zudem war das neue System so überschaubar dimen-

sioniert, dass sich die Einrichtung einer eigenen Ge-

sellschaft noch erübrigte. Eine private Alternative

148 Vgl. Berichte über die Verwaltung und den Stand der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Coblenz 1888/1889, S. 48. 149 Vgl. Grahn, Pumpstation. 150 Vgl. Krabbe, Kommunalpolitik, S. 21.

Page 30: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

176 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 47: Maschinenanlage des Pumpwerks II.

Abbildung 48: Maschinenanlage des Pumpwerks III.

Abbildung 46: Maschinenanlage des Pumpwerks I.

stand erst gar nicht zur Debatte. Wie in vielen ande-

ren Städten auch, hatte man mit der Privatisierung

nicht unbedingt gute Erfahrungen gemacht. Gerade

im Bereich der Gasversorgung hatten sich auswärtige

Unternehmen als wenig geeignet erwiesen, dem stei-

genden Energiebedarf gerecht zu werden und gleich-

zeitig eine attraktive Preisgestaltung zu bieten. Hin-

tergrund: Kostenintensive Investitionen sollten nach

Möglichkeit vermieden werden. Schließlich hatte man

sich auch in Koblenz dazu entschieden, die Gasver-

sorgung in die eigene Hand zu nehmen. Auch in

anderen rheinischen Gemeinden wurde dieses Verfah-

ren seit den 1860er-Jahren zur Norm, wobei Essen,

Elberfeld und Düsseldorf den Anfang machten. Köln

folgte 1873, Barmen 1876.151

Die Motive, das neue kommunale Wasserwerk dem

städtischen Gaswerk anzugliedern, dürften auch einen

sozialen Hintergrund gehabt haben – auch wenn in

Koblenz nicht so offen wie in anderen Städten dar-

über gesprochen wurde. Anders der Düsseldorfer

Oberbürgermeister Ludwig Hammers (1822–1902)

der bereits 1866 forderte, „[…] schon der ärmeren

151 Vgl. Lenger, Bürgertum, S. 137.

Klassen wegen die Herbeischaffung eines so unent-

behrlichen Bedürfnisses nicht an Private überlassen,

sondern seitens der Gemeinde dafür gesorgt werden

solle. […]“152 In Koblenz erfüllte man genau diese

Forderung. E. Bentzen, der 1884 Paul Friedrich

Thieme153 als Direktor des städtischen Gaswerks abge-

löst hatte, leitete auch das neue Koblenzer Wasser-

werk, das mit der besonderen topografischen Lage der

Stadt und den daraus resultierenden Höhenunter-

schieden fertig werden musste. Zu diesem Zweck war

für den weiteren Weg des Wassers eine Hochdrucklei-

tung zu einem am Fuße der Karthause gelegenen

Hochreservoir erbaut worden, um das kostbare Nass

von dort in ein ringförmiges, die ganze Stadt erschlie-

ßendes Versorgungssystem einzuleiten.154

Welche bescheidene Kapazität das frühe Wasserver-

sorgungssystem aus heutiger Sicht hatte, wird an

folgenden Angaben Bentzens deutlich: Das Werk

konnte täglich eine Wassermenge von maximal 6000

Kubikmetern fördern. Der Karthäuser Hochbehälter

– nicht zu verwechseln mit dem erst in jüngerer Zeit

abgebrochenen Eisenbahn-Wasserturm am Fuße der

Feste Konstantin – fasste sogar nur 2400 Kubikmeter.

Die Verteilungsleitung im Stadtgebiet hatte zunächst

eine Länge von insgesamt 27 Kilometern und war mit

220 Feuerlöschhydranten versehen. In den folgenden

Jahren wurden die neuen Stadtteile schrittweise an

das neue Versorgungssystem angeschlossen. Sogar das

Restaurationsgebäude auf dem Rittersturz im Stadt-

wald erhielt einen eigenen Anschluss. Bis 1925 sollte

152 Vgl. Lenger, Bürgertum, S. 143. 153 StaK-623, 4405: Paul Friedrich Thieme war als Nachfolger des Ingenieurs Krackow seit 1874 im Amt. 154 Vgl. Grahn, Ernst, Die Pumpstation der Stadt Coblenz. Entworfen und gebaut von E[rnst], Civil-Ingenieur in Koblenz. Zur Festschrift der 27. Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure in Coblenz 1886, Köln 1886 (in StaK KH-84).

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 177 ______________________________________________________________________________

das Leitungsnetz auf 92 Kilometer gewachsen sein.

Auch die neuen Stadtteile waren längst in das Netz

eingebunden. So sorgte eine Druckerhöhungsstation

dafür, dass auch in Lützel der Wasserdruck stimmte.

Ohne eine solche Anlage wäre es nicht möglich ge-

wesen, den für eine reibungslose Wasserversorgung

der Stadtteile erforderlichen Druck zu gewährleisten.

Um auf Katastrophenfälle besser vorbereitet zu sein,

wurden in das Versorgungssystem auch 631 Feuer-

löschhydranten und 603 Absperrschieber integriert.155

Die eigentliche Versorgung im ersten Koblenzer Was-

serwerk erfolgte zunächst über den ehemaligen Ver-

suchsbrunnen, der 14 Meter tief war und einen

Durchmesser von drei Metern hatte, sowie einen

weiteren Brunnen von ähnlichen Dimensionen. Die

Pumpstation war mit drei durch Gasmotoren ange-

triebenen Kolbenpumpen ausgestattet. Die Leistung

der aus der Gasmotorenfabrik Deutz stammenden

Maschinen lag bei jeweils rund 30 Kilowatt (40 PS).

Das zum Betrieb erforderliche Gas lieferte das damals

noch bestehende kleine Gaswerk in der Laubach.156

Die neue Pumpstation muss mit größter Präzision

errichtet worden sein. Bei der 45. Jahresversammlung

des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachleu-

ten in Koblenz (1905) schwärmte Direktor Bentzen:

„Ich habe das Wasserwerk jetzt ca. 20 Jahre in Betrieb

und bin einer Lage zu sagen, daß so ein meisterhaftes

Wasserwerk hier angelegt ist, wie ich ein besseres nie

gesehen habe. Ein Beweis hierfür dürfte auch sein,

dass ich in den 20 Jahren nicht ein einziges Mal ge-

zwungen war, mich an die Fabriken zu wenden. Die

Reparaturen, die selbstverständlich mit der Zeit nötig

waren und ja immer vorkommen, haben wir mit un-

seren eigenen Leuten vorgenommen. Das ist meiner

Auffassung nach zugleich ein Beweis für die Güte der

Lieferungen.157

155 StaK-623, 5508: Erste Pläne zum Anschluss des Rittersturzes wurden bereits 1890 aufgestellt. Die Maßnahme wurde allerdings erst mit der Errichtung eines weiteren Pumpwerkes 1904 in Angriff genommen. 156 Vgl. Einsmann, Wasserversorgung, S. 136f. Vgl. auch Bentzen, E., Die Gas- und Wasserwerke der Stadt Koblenz, in: Schilling’s Journal für Gasbeleuchtung und verwandte Beleuchtungs-arten sowie für die Wasserversorgung. Organ des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern. Herausgegeben von Dr. H. Bunte in Karlsruhe, München/Berlin 1905, S. 753–757. 157 Bentzen, Gas- und Wasserwerke, S. 757.

4.2 Die weitere Entwicklung

Der hohe Qualitätsstandard, den Ernst Grahn von

Anfang gefordert und verwirklicht hatte, änderte

jedoch nichts daran, dass wegen der Eingemeindung

ehemals selbstständiger Gemeinden nach Koblenz

Erweiterungen fällig wurden. 1903 begann die Stadt

– ohne zunächst eine baupolizeiliche Genehmigung

zu besitzen!158 – mit der Erweiterung der

Grahn’schen Anlage durch die Kesselbrunnen IIl

und IV sowie durch ein zusätzliches Pumpwerk mit

einer Stundenleistung von 450 Kubikmetern. Der

Generatorraum mit Turmausbau nahm am 11. No-

vember 1904 den Betrieb auf.159 Seine drei Deutz-

Motoren mit einer Leistung von jeweils 37,5 Kilo-

watt (50 PS) waren für den Betrieb mit Leucht- und

Sauggas ausgelegt. Viel Freude hatte man mit dem

neuen Werk jedoch nicht. Der Stadtbaurat und

Wasserwerksdirektor Hermann Ludwig Einsmann

(1880–1955) schrieb 1925: „[…] Leider wurden bei

dieser Erweiterung die Fortschritte der Wissenschaft

und die Erfahrungen, die die Zwischenzeit gebracht

hatte, nicht berücksichtigt, sodaß das neu begonne-

ne Werk nicht gleich dem ersten ein Meisterstück

genannt werden kann. […]“160 Gründe für dieses

harte Urteil nannte Einsmann nicht. Fest steht, dass

das Pumpwerk II nicht ausreichte, um den Wasser-

bedarf in der wachsenden Stadt zu decken. Schließ-

lich musste man drei Filterbrunnen und die mit zwei

Dieselmotoren ausgestattete Pumpstation III hinzu-

fügen. Die Leistung der Maschinen lag bei jeweils

105 Kilowatt (140 PS).161 Im Februar 1916 war die

Erweiterung abgeschlossen. Sie kam rechtzeitig, um

die Wasserversorgung für die Koblenzer Kranken-

häuser und Lazarette zu sichern.162

Bedingt durch die wirtschaftlichen und materiellen

Auswirkungen des Ersten Weltkrieges wurde die

Pflege des Wasserwerkes stark vernachlässigt, sodass

ein Rückgang der Kapazitäten nicht lange auf sich

warten ließ. Diese Vernachlässigung lag vielleicht

nicht nur an den damaligen Verhältnissen im Rhein-

land, sondern vielleicht an der Tatsache, dass nach

158 StaK, Fach 63: Pumpstation Oberwerth: Meldung 16. März 1904. 159 Bericht über die Verwaltung 1904, S. 74. StaK, Fach 63: Meldung, 21. Juli 1905. Die Inbetriebnahme erfolgte ohne Schlussabnahme durch die Baupolizeibehörde. 160 Einsmann, Wasserversorgung, S. 136. 161 Vgl. Einsmann, Wasserversorgung, S. 137. 162 StaK, Fach 63: Bauantrag, 28. Dezember 1915.

Page 32: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

178 Teil 3 ______________________________________________________________________________

dem Ausscheiden des Direktors Karch, der Nachfol-

ger von Bentzen war, das Wasserwerk einige Zeit

ohne Führung auskommen musste. Die undankbare

Aufgabe, Gas- und Wasserwerk kommissarisch zu

verwalten, fiel dann dem Oberingenieur Johannes

Wienke zu, der im April 1918 in städtische Dienste

eingetreten war.163 Im Sommer 1919 war die Füh-

rungsmannschaft des städtischen Gas- und Wasser-

werkes wieder komplett. Zu dieser Zeit trat Her-

mann Ludwig Einsmann seinen Dienst an. Der ehe-

malige Oberingenieur der „Gas- und Wasserwerke

Halle an der Saale“ hatte an der Technischen Hoch-

schule Karlsruhe studiert und sich als Konstrukteur

bei der Werkserweiterung in Halle einen Namen

gemacht. Er blieb bis zum März 1945 im Dienst.164

Die amerikanische Besatzung165 drängte 1919 auf die

Errichtung einer vierten Pumpstation mit einer Leis-

tung von 250 Kubikmetern in der Stunde. Aller-

dings liefen die Dieselmotoren sehr unbeständig,

sodass man bereits in den Jahren 1920 und 1921

umfassende Umbauten an den bestehenden Statio-

nen vornahm. Trotz aller Maßnahmen gab es nur

wenig Spielraum. Im Sommer steigerte sich der Ta-

gesverbrauch in Koblenz auf rund 20.000 Kubikme-

ter – das Wasserwerk hatte die Grenze seiner Leis-

tungsfähigkeit erreicht.166 Die Wasserqualität scheint

zu diesem Zeitpunkt allerdings noch weitgehend in

Ordnung gewesen zu sein. Noch 1925 schrieb Her-

mann Ludwig Einsmann: „[…] Ungeachtet der

technischen Mängel des alten Werkes liefert das

Coblenzer Wasserwerk ein hygienisch vollkommen

einwandfreies Trinkwasser, das überdies der Kon-

trolle des Medizinal-Untersuchungsamtes untersteht.

Selbst bei Hochwasser ist das Trinkwasser frei von

schädlichen Keimen. Die von der Natur so sehr

bevorzugte Stadt Coblenz kann somit durstigen

Seelen nicht nur eine vorzügliche Flasche Rhein-

oder Moselwein vorsetzen, sondern auch einen guten

Tropfen Wasser.“167 Ungeachtet dessen zog man zu

diesem Zeitpunkt neue Erweiterungsmaßnahmen im

Bereich Oberwerth Süd in Betracht. Um diesen

163 StaK-623, 3236: Personalakte des Oberingenieurs Wienke. Wienke wurde später zum Direktor befördert. Er ging am 31. Dezember 1951 in den Ruhestand. 164 StaK-623, 3241: Personalakte des Direktors Einsmann. 165 Aus Furcht vor einer Sabotage der Wasserleitung hatten US-Soldaten ihr Lager direkt am Wasserwerk auf dem Oberwerth aufgeschlagen, Auch nach der Einnahme der Stadt im März 1945 wählten die Ameri-kaner diesen Standort. 166 Vgl. Einsmann, Wasserversorgung, S. 137. 167 Einsmann, Wasserversorgung, S. 137.

Bereich für den Ausbau der Trinkwassergewinnung

zu sichern, verbot nun die Verwaltung die Errich-

tung neuer Gebäude und erließ eine „Polizeiverord-

nung zur Sicherung des Wasserwerks auf dem Ober-

werth“. lm Wasserschutzgebiet waren fortan „die

Ablagerung von Abfallstoffen aller Art, von Müll, Keh-

richt, Mist und sonstigem Unrat, das Düngen mit derar-

tigen Stoffen, die Vornahme menschlicher Entleerungen

jeder Art, jede Verunreinigung durch menschliche oder

tierische Exkremente, das Halten und Weiden von Vieh,

das Reiten, das Befahren mit Tierfuhrwerk und das

Umherlaufen mit Tieren aller Art“ strengstens verbo-

ten.168 Trotz der Vorbereitung wurde schon allein aus

finanziellen Gründen aus der Erweiterung nicht. Al-

lerdings beschritt man Ende der 1920er-Jahre auf

dem Gebiet der Wasseraufbereitung neue Wege.

Überprüfungen hatten – anders als noch in den

optimistischen Ausführungen von Ludwig Eins-

mann zu lesen – ergeben, dass die Uferfiltration

nicht immer eine ausreichende bakterielle Reini-

gung des Wassers gewährleistete. Aus diesem

Grunde waren die Ingenieure bereits frühzeitig

dazu übergegangen, das geförderte Wasser mit

Chlorgas zu behandeln, um für die Bevölkerung

kein Gesundheitsrisiko entstehen zu lassen.169

Dass man fortan noch genauer auf die hygienischen

Verhältnisse in den Wasserwerken achtete, hatte

gute Gründe; erst 1926 war in Hannover eine Ty-

phusepidemie ausgebrochen. Die Verwaltung sah

sich nun gezwungen, auch die Trinkwasserversor-

gung in Preußen einer verschärften Überwachung

zu unterziehen. Der zuständige Kreisarzt hatte En-

de 1926 auch im Bereich des Wasserwerkes auf

dem Oberwerth gravierende Mängel festgestellt.

Bedenklich waren vor allem die in nächster Nähe

der Pumpbrunnen bestehenden großen Spiel- und

Sportplätze, auf denen sich regelmäßig größere

Ansammlungen von Zuschauern einfanden.170 Im

Zuge der bereits oben genannten Polizeiverordnung

wurde dieser Missstand jedoch durch Einzäunun-

gen und durch die Ausweisung eines Wasserschutz-

gebietes behoben. Auch von den in den Rhein ein-

geleiteten Abwässern war zum damaligen Zeitpunkt

keine Gefahr für das Koblenzer Trinkwasser zu er-

168 StaK-623; 4110: Polizeiverordnung zur Sicherung des Wasserwerks Oberwerth, 28. September 1927, § 1. 169 StaK-623, 9153: Ergebnisprotokoll über die außerordentliche hygie-nische Nachprüfung des Wasserwerkes, 29. Juni 1927. 170 LHA-539,1, 491, S. 1–3: Bericht, 11. November 1926.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 179 ______________________________________________________________________________

warten. Im August 1925 hatte die „Preußische

Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygie-

ne“ in Berlin festgestellt: „Die Abwässer von

Coblenz werden durch das Wasser der Mosel ver-

deckt, so dass sich die Abwässer nicht bemerkbar

machen. Auch unterhalb der Stadt Bonn war ein

nennenswerter Einfluss der Abwässer auf den Rhein

bei den bisherigen Untersuchungen in chemischer

Beziehung nicht festzustellen.“ Die Gutachter füg-

ten jedoch warnend hinzu: „Trotzdem ist es als

wahrscheinlich anzunehmen, dass durch die ober-

halb zugeführten Abwässer der beiden genannten

Städte wie auch im allgemeinen die der vielen klei-

neren Verschmutzungsquellen für die flussabwärts

allmählich zunehmenden Verunreinigungen des

Rheins vorbereitet werden.“171

Trotz aller Untersuchungen und Schutzmaßnah-

men war die Hauptgefahr für das Wasserwerk nicht

beseitigt: verunreinigtes Hochwasser, das bei ex-

trem hohen Pegelständen des Rheins in Brunnen

und Maschinenräume einzudringen drohte. So

wurde während der Hochwasserkatastrophe vom

Januar 1920 die Bevölkerung dazu aufgefordert,

Leitungswasser vor dem Gebrauch abzukochen.172

Am 19. Januar meldete die „Coblenzer Volkszei-

tung“: „Der hohe Wasserstand am Wasserwerk hat

zur Folge gehabt, dass geringe Mengen der dort

verwendeten Teeröle, die in den Brunnen einge-

drungen waren, sich dem Wasser mitgeteilt haben.

Dadurch hat das Wasser einen Geruch und Ge-

schmack angenommen. Das Wasser, das zur Zeit

ohnehin bekanntlich abgekocht werden muß, ist

nicht gesundheitsschädlich, wenn auch Geruch und

Geschmack durch das Abkochen nicht verschwin-

den. Mit dem bisher üblichen Chloren steht der

Mangel nicht in Verbindung.“173 Während der

Hochwasserkatastrophe wurde die Bevölkerung

über Trinkwassertanks versorgt, die auf Lastwagen

montiert worden waren. Für die Menschen in der

Altstadt stand immer noch das Wasser aus der alten

kurfürstlichen Wasserleitung bereit.174

Ein Ausbau des Wasserwerks und die Schaffung

moderner Klärvorrichtungen waren in Koblenz ange-

171 LHA-539,1, 491, S. 8: Gutachten, 25. August 1925. 172 Coblenzer Volkszeitung, 12. Januar 1920. 173 Coblenzer Volkszeitung, 19. Januar 1920. 174 Coblenzer Volkszeitung, 19. Januar 1920.

sichts der schwierigen politischen und wirt-

schaftlichen Verhältnisse jener Zeit nur schwer mög-

lich. Zuschüsse des Reichs waren nicht zu erwarten,

da die öffentlichen Mittel zu dieser Zeit in den Auf-

bau zentraler Wasserversorgungssysteme in die länd-

lichen Regionen flossen. Anders sah es im Bereich

der Verwaltung aus. Hatte die Stadt bereits Anfang

1887 mit der Aufstellung einer für Gas- und Was-

serwerk gemeinsamen Geschäftsordnung die Grund-

lage für die Kontrolle von Technik und Verwaltung

durch die Gemeinde geschaffen,175 rückte man 1930

endgültig von diesem Modell ab. War bereits 1928

mit der Gründung der „Gasfernversorgung Mittel-

rhein“ – heute Energieversorgung Mittelrhein

(EVM) – die Gasversorgung einer privatrechtlich

organisierten Gesellschaft übertragen worden, folgte

nun das Wasserwerk. Am 29. Oktober 1930 machte

die Stadt das Unternehmen zur Betriebsführerin für

die Wasserversorgung und schloss mit ihm einen

Vertrag, der unter anderem folgende Bestimmungen

enthielt:

• Die Gasfernversorgung Mittelrhein war als

Betriebs- und Geschäftsführerin für alle

Einrichtungen der ehemals kommunal ver-

walteten Wasserversorgung zuständig.

• Die Wasserversorgungsanlagen mit den da-

zugehörigen Grundstücken, dem gesamten

Leitungsnetz und allem sonstigen Zubehör

blieben Eigentum der Stadt.

• Die Betriebsführerin sollte alle künftigen

Erweiterungen durchführen. Auch bei die-

sen Neuanlagen sollte die Stadt Eigentüme-

rin bleiben. Alle Investitionen mussten aus

der Wasserwerkskasse finanziert werden.

Erst wenn diese Mittel nicht ausreichten,

war die Stadt verpflichtet, die erforderlichen

Mittel zur Verfügung zu stellen.

• Die Betriebsführerin übernahm die Ver-

pflichtung, die Anlagen gegen Erstattung

der Kosten pfleglich zu behandeln und be-

triebsfähig zu erhalten.

• Die Gasfernversorgung Mittelrhein über-

nahm das ehemals in Diensten der Stadt

stehende Wasserwerkspersonal.

175 StaK-623, 4405: „Geschäftsordnung für die Direction der städtischen Gas- und Wasserwerke“, 12. Januar 1887.

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180 Teil 3 ______________________________________________________________________________

• Die Beschlussfassung über die das Wasser-

werk berührenden Dinge lag weiterhin bei

den „verfassungsmäßigen Instanzen“ der

Stadt.

• Sämtliche Erweiterungen und Neubauten

bedurften der Genehmigung des Wasser-

werksausschusses und der Stadtverordneten-

versammlung in Koblenz, soweit es sich

nicht um die Herstellung von Hausan-

schlüssen handelte.176

Die Entscheidung war nicht ungewöhnlich. Sie fiel

in eine Zeit, in der man einige Organisationsmuster

der frühen Leistungsverwaltung infrage stellte und

damit begann, die kommunale Ver- und Entsorgung

in Eigenbetrieben neu zu ordnen. Diese Reprivatisie-

rungen erfolgten meistens in Form von Aktiengesell-

schaften (AG) oder Gesellschaften mit beschränkter

Haftung (GmbH), wobei die Kommunen Mehr-

heitsgesellschafter blieben. Die erste Stadt, die nach

diesem Muster verfuhr, war seit den frühen 20er-

Jahren Königsberg. Treibende Kraft war Oberbür-

germeister Hans Lohmeyer, der von 1919 bis 1933

an der Spitze der örtlichen Stadtverwaltung stand.177

Die Reprivatisierungen jener Zeit sind aber nur zum

Teil darauf zurückzuführen, dass die einzelnen Be-

reiche der Leistungsverwaltung zunehmend kriti-

scher betrachtet wurden. Es ging nämlich auch dar-

um, der Notverordnungspolitik von Reichskanzler

Heinrich Brüning zuvorzukommen, der 1931 die

Kommunen schließlich völlig von den Kapitalmärk-

ten abschnitt, indem er Sparkassen und Kreditinsti-

tuten untersagte, Städte und Gemeinden zu unter-

stützen. Diese reagierten mit der Gründung eigener,

aber privatrechtlich organisierter Unternehmen, die

voll handlungsfähig waren und somit in den Genuss

der für Ausbau und Unterhalt der Netze erforderli-

chen Kredite zu kamen.178

Koblenz hatte zur Zeit der Übertragung der Be-

triebsführung der Wasserversorgung an die Gasfern-

versorgung Mittelrhein rund 59.000 Einwohner. Die

Dimensionen des Systems waren damals noch relativ

überschaubar. 1929 förderten die Pumpwerke auf

dem Oberwerth zusammen eine Tagesmenge von

176 StaK-623, 9067: Vertrag zwischen der Stadt Koblenz und der Gas-fernversorgung Mittelrhein (Abschrift). 177 Vgl. Krabbe, Kommunalverwaltung, S. 21. 178 Vgl. Münch, Stadthygiene, S. 79.

maximal 18.000 Kubikmetern. Davon wurden rund

3000 bis 4000 Kubikmeter an den Zweckverband

der Gemeinden Kesselheim und St. Sebastian abge-

geben. Die gleiche Menge wurde in das bis 1937

selbstständige Pfaffendorf „exportiert“. Der durch-

schnittliche Wasserbrauch lag bei aus heutiger Sicht

erstaunlich hohen 195 Litern pro Tag und Kopf. In

Spitzenzeiten konnte der Durchschnitt sogar auf 300

Liter pro Kopf und Tag steigen. Das städtische Tief-

bauamt begründete die Werte, die erheblich über

den heutigen Pro-Kopf-Verbrauchswerten liegen,

mit dem enormen Wasserbedarf der zahlreichen

Weinkellereien in der Stadt. Außerdem hob die

Abteilung Kanal hervor, dass die örtlichen Kasernen

mit umfangreichen Badeeinrichtungen ausgerüstet

seien. Dagegen spielten Industrie und Gewerbe beim

Wasserverbrauch nur eine untergeordnete Rolle,

auch wenn es in der Stadt durchaus Maschinen- und

Gerätefabriken gab. Dagegen zählte der städtische

Schlachthof zu den Einrichtungen, die extrem viel

Wasser benötigten.179

5. Ehrenbreitstein

hrenbreitstein ist wohl der Koblenzer Stadtteil,

in dem die Geschichte einer funktionsfähigen

zentralen Wasserversorgung am weitesten zurück-

reicht. Bereits in einer Kellereirechnung des Jahres

1629 ist von der Renovierung einer großen Zisterne

und dem Bau einer neuen Leitung mit Tonröhren

die Rede. Das benötigte Wasser lieferten in der Ge-

markung des Dorfes Arenberg gelegene Quellen. Die

Burg Ehrenbreitstein scheint bereits in der ersten

Hälfte des 16. Jahrhunderts über ein Röhrensystem

mit Wasser versorgt worden zu sein.180 Die erste

Quellfassung für zivile Zwecke soll zwischen 1670

und 1680 erfolgt sein. Eine erste Leitung begann in

den „Daubachs Wiesen“ im Bereich der heute noch

so benannten Kniebreche (auf dem Weg in die heu-

tigen Stadtteile Niederberg und Arenberg). Sie er-

hielt ihr Wasser aus zwei Quellkammern. Bereits in

den frühen Aufzeichnungen wird eine zusätzliche

Brunnenstube im Bereich der „Korn’s Quellen“ im

Mühlental erwähnt.181

179 Vgl. Brix, Josef/Karl Imhoff/R. Weldert (Hg.), Die Stadtentwässerung in Deutschland. 2. Bde., Jena 1934. Bd. 1, S. 497. 180 Michel, Fritz, Der Ehrenbreitstein, Koblenz 1933, S. 23. 181 LHA-441, 24933: Abschrift Garnisons-Baubezirk Koblenz, 15. Ok-tober 1888. Bericht über die Untersuchung der Ehrenbreitsteiner Was-

E

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 181 ______________________________________________________________________________

Abbildung 49: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreitstein im Frühjahr 2006.

Aus der stadtteilgeschichtlichen Literatur ist nur

wenig über die frühere Ehrenbreitsteiner Wasserver-

sorgung zu erfahren. Von ihr ist meistens nur indi-

rekt die Rede, vor allem dann, wenn es um die Bür-

gerhäuser im Stadtteil und ihre Bewohner geht. Ein

Beispiel sind die beiden Barockhäuser Friedrich-

Wilhelm-Straße 160/161, die von 1703 bis 1705 im

Auftrage des Festungskommandanten Heinrich

Klein erbaut wurden. Durch diese Häuser ging die

Wasserleitung, die Kurfürst Johann Hugo von Ors-

beck vom Helfenstein durch die Kellereibotsgasse

zum Kapuzinerkloster und den beiden Kameralhäu-

sern in der Kirchstraße (heute Humboldtstraße)

hatte legen lassen.182 Später baute der Brunnenmeis-

ter Maximilian Heinrich Ludwig Philippard eine

Abzweigung von der Wasserleitung in ein 1725 in

der Hofstraße errichtetes Haus – das spätere Ge-

serleitung aus der „Daubachs-Wiese“ und der „Korn’s Quelle“ (ein-schließlich einer genauen Beschreibung der Nebenleitungen). Die Korn’s Quelle lag vermutlich im Bereich der Straße vor dem späteren Sauerwassertor (Arenberger Straße). 182 Vgl. Wagner, Johann Jacob, Coblenz-Ehrenbreitstein. Biographische Nachrichten über einige ältere Coblenzer und Ehrenbreitsteiner Famili-en, Koblenz 1923, S. 160. Schwickerath, Marianne, Wo stand eigentlich die Philippsburg? Die ehemalige kurfürstliche Residenz in Ehrenbreit-stein. 2. Auflage, Koblenz 1999, S. 167.

burtshaus des Romantikers Clemens Brentano.183

Direkt am Anfang der nassauischen Zeit (1802)

begann auch die Fassung und Ableitung einer Aren-

berger Quelle in die Brunnenstube. Von dieser gin-

gen mehrere Abzweigungen aus. Eine führte in das

einst kurfürstliche Dikasterialgebäude und in die

Pagerie, eine weitere in das Hofstallgebäude und in

den Hofgarten. Auch der Junkerhof und andere

Ehrenbreitsteiner Häuser profitierten von der Neue-

rung. Eine besondere Bedeutung kam dem soge-

nannten Trottschen Hause zu, denn hier befand sich

ein „Wasserregulativ“. Dabei handelte es sich um ein

großes Bassin im ersten Stock des Hauses, aus dem

noch mehrere andere Bauten ihr Wasser erhielten –

und das, obwohl das Gebäude einzustürzen drohte.

Der schwere bleierne Wasserbehälter war in einem

dem Haus angebautem Turm untergebracht. Über

und unter diesem Reservoir befanden sich die Räum-

lichkeiten von Behörden.184

183 Vgl. Wagner, Biographische Nachrichten, S. 120f. 184 Vgl. Wagner, Biographische Nachrichten, S. 120f.

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182 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 50: Das nördliche Koblenzer Stadtgebiet mit der Festung Ehrenbreitstein im Frühjahr 2006.

5.1 Die ersten Quellwasserleitungen Obwohl Ehrenbreitstein mit Johann Jacob Kirn

einen erfahrenen Experten für die Aufrechterhaltung

der öffentlichen Wasserversorgung hatte, waren die

Verhältnisse im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts

alles andere als ideal. Am 4. Juli 1835 schrieb der

Bürgermeister von Ehrenbreitstein: „[...] Seit mehre-

ren Jahren sind die hiesigen Wasserleitungen in

einem solchen mangelhaften Zustand, dass ungeach-

tet der so reichhaltigen Quellen die öffentlichen

Brunnen, besonders bei anhaltenden Regengüssen,

längere Zeit nicht benutzt werden können. [...]“185

Schon einen Tag vorher hatte Kirn die Begründung

dieses Missstandes geliefert. In seinem Brief an die

Königliche Regierung hieß es: „[...] Bekanntlich

werden die zwei oberen Quellen der dahiesigen Was-

serleitungen, an dem alten Wege nach Arenberg in

der sogenannten Kniebreche [...] gefaßt und durch

Thönerne Röhren ohnweit der Brunnenstub der

Korns-Mühle vorbei gefürt. Dieser Theil der Röhr-

leitung ist aber bekanntlich schon seit 20 bis 30

Jahren in sehr schlechtem Zustand [...] Diesem Um-

185 LHA-441, 24919: Die Unterhaltung der Wasserleitungen in Ehren-breitstein.

stande, der nun größer und bedenklicher ist, als

wirklich dadurch die Einwohner der Straße genötigt

sind, an zu wenig gebrauchte und aber mit schlech-

tem oder verdorbenem Wasser angefüllten Zug-

Brunnen, ihre Zuflucht zu nehmen [...] ist aber

nicht anderes abzuhelfen als mit der Aufgrabung der

alten Wasserleitung durch die Daubachs-Wiese und

Ergänzung der da befindlichen Brunnen-Röhr – oder

besser [...] und gewisser anzurathen durch Legung

einer neuen Eysen Röhrleitung. [...]“186

Eigentümer der Wasserleitung, die ihre Anfänge

noch unter den Trierer Kurfürsten genommen hatte,

wurde nach dem kurzen nassauischen Zwischenspiel

Preußen als Rechtsnachfolger dieser beiden Staaten.

Bis 1848 sah es so aus, dass die Stadt Ehrenbreit-

stein keine eigene Wasserleitung hatte. Gemeinde

und Privatleute hatten ein gewisses Nutzungsrecht.

Zu den Nutznießern gehörte auch die jüdische Ge-

meinde, die das für das Frauenbad in der Kellerei-

botsgasse benötigte Wasser aus der fiskalischen Lei-

tung bezog.187 Der Staat gab das überschüssige Was-

186 LHA-441, 24919: Brief Kirns vom 3. Juni 1825. 187 LHA-441, 13845: „Bericht über die Administration- und Rechtsange-legenheiten der fiscalischen Wasserleitung in Ehrenbreitstein“ vom 2. November 1841: Brief der Regierung an den Landrat, 24. März 1841.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 183 ______________________________________________________________________________

Abbildung 51: Ehrenbreitstein mit den Nachbarstadtteilen und den Quellgebieten. Das Foto entstand im Mai 2006.

ser zunächst nicht ab, sondern sammelte es im

Mühlteich an der „Korn’s Mühle“. Dieser auf Dauer

unhaltbare Zustand verbesserte sich mit einer Verfü-

gung der Königlichen Regierung vom 21. Juni 1858

wesentlich. Fortan war es der Stadt Ehrenbreitstein

(widerruflich) gestattet, das ablaufende Quellwasser

aufzufangen und in einer besonderen Wasserleitung

fortzuleiten.188

Nach dem Tode Kirns übernahm Johann Langenbach

einen wichtigen Part beim Ausbau der Ehrenbreitsteiner

Wasserversorgung. Wie aus einem Brief des Brunnen-

meisters vom 21. September 1850 hervorgeht, wurden die

Wasserleitungen aus den Quellen „Daubachs Wiesen“

und „Korn’s Quellen“ gespeist. Aus einer Beschreibung

vom 11. August 1818 ist zu entnehmen, dass die Dauba-

cher Leitung an einer Stelle begann, die Kniebreche ge-

188 LHA-441, 24933: Brief Wasserbauinspektion an die Koblenzer Bezirksregierung, 2. Januar 1889.

nannt wurde und als Straßenname auch heute noch be-

steht. Diese Leitung wurde von insgesamt drei Quellen

gespeist. Sie lieferte das Wasser in Brunnen und Häuserre-

servoire. Das Wasser lief entweder durch tönerne oder

gusseiserne Röhren. Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die

Leitung insgesamt 32 „Ausläufe“. Die Nutzungsrechte

musste sich die Stadt Ehrenbreitstein allerdings mit dem

Militärfiskus teilen. Erst 1910 trat der Staat seine Hälfte

an den Daubachquellen an die Kommune ab.189

5.2 Trinkwasser für die Festung Die Ver- und Entsorgung in den zahlreichen militärischen

Gebäuden in Koblenz ist ein besonderes und vor allem

umfangreiches Kapitel in der Stadtgeschichte. Da in die-

ser Studie die kommunalen Projekte im Vordergrund

189 LHA-441, 24918: Die Unterhaltung der Wasserleitung zu Ehren-breitstein.

Page 38: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

184 Teil 3 ______________________________________________________________________________

stehen, kann dieser große Bereich nur angeschnitten wer-

den. Exemplarisch werden an dieser Stelle die wichtigsten

Fakten der Trinkwasserversorgung der Festung Ehren-

breitstein vorgestellt.

Bereits im Jahr 1160 ließ der Trierer Erzbischof Hillin

(1152–1169) auf dem Ehrenbreitstein eine Zisterne bau-

en. Es ist unbekannt, ob die Burg damals einen Brunnen

besaß. Ungeklärt ist die Frage, wie die neue Zisterne

gefüllt wurde. Auf jeden Fall wird die Wasserversorgung

auf der Burg Ehrenbreitstein im 15. Jahrhundert als unzu-

reichend bezeichnet. Diese Tatsache spricht für das Vor-

handensein von lediglich einer Regenwasserzisterne. Und

so ließ Erzbischof Johannes II. von Baden (1456–1503)

von 1481 bis 1483 einen Brunnen bauen. In rund 57

Metern Tiefe entdeckte man schließlich tief im Fels eine

ergiebige Quelle. Trotz dieser deutlichen Verbesserungen

reichten die Kapazitäten schnell nicht mehr aus, weil die

Burg Ehrenbreitstein zu Beginn des 16. Jahrhunderts

erheblich ausgebaut wurde. Unter Erzbischof Richard von

Greiffenclau (1511–1531) wandelte sich die Burg zur

Festung. Dort wurden nun Soldaten stationiert, um die

Geschütze zu bedienen. Angesichts des steigenden Bedarfs

ging man dazu über, von außerhalb Wasser in die Festung

zu leiten. Zu diesem Zweck fasste man eine Quelle, die

wahrscheinlich in der Arenberger Gemarkung lag. Von

1528 an stellte Meister Wilhelm von der Tocken Gehölz

und Eisenwerk für eine hölzerne, mit Eisen verstärkte

Leitung her. Er errichtete auch das erforderliche Mauer-

werk. Meister Velten Ulner aus Lützel lieferte schließlich

die tönernen Brunnenröhren. Spätestens 1535 war das

Werk vollendet. Damals wurde im Festungshof ein von

der neuen Leitung gespeister Fließbrunnen errichtet.190

Im Dreißigjährigen Krieg musste die Wasserversorgung

der Festung erneut verbessert werden. 1628 wurde nicht

nur die große Zisterne saniert, sondern auch eine weitere

Wasserleitung gelegt, die ihr Wasser wohl aus einer weite-

ren Quelle in der Nähe des heutigen Stadtteils Arenberg

bezog. Weitere Baumaßnahmen folgten zu Beginn des 18.

Jahrhunderts. Im Sommer 1710 fasste der kurtrierische

Hofbrunnenmeister Max Heinrich Phillippart eine 600

Meter nördlich der Festung gelegene Quelle. Doch auch

diese Maßnahme reichte nicht aus, sodass der Baumeister

schließlich die Leitung verlegte. Das Wasser wurde nun

190 Vgl. Böckling, Manfred/Erich Engelke, Die Wasserversorgung und Schienenfahrt auf der Festung Ehrenbreitstein. Konzept für eine the-menorientierte Spezialführung. Erarbeitet für den Besucherdienst des Landesamtes für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Koblenz 1995 [masch.], S. 5f.

vom Eselsbach bei Arenberg herangeführt. Zu diesem

Zweck plante Hofbaumeister Josef Honorius Ravensteyn

einen Minengang, der dann in den Fels gesprengt wurde.

Durch den neuen Gang wurden eiserne Röhren gelegt.

Die Tatsache, dass Trinkwasser von außen herangeführt

werden musste, offenbart eine Schwäche der Festung

Ehrenbreitstein. Dies zeigte sich bei der Belagerung der

kurtrierischen Anlage durch französische Truppen in den

Jahren von 1794 bis 1799. Die Franzosen konnten da-

mals problemlos die Wasserversorgung unterbrechen.191

Aus diesem Grund wurde während der Belagerung 1797

eine zweite Zisterne angelegt. Darüber hinaus waren 1795

und 1796 auf dem Festungsgelände in einem Minengang

und in Neudorf nördlich der Festung zwei weitere Quel-

len entdeckt worden.192

Beim Neuaufbau der 1801 von den Franzosen gespreng-

ten Festung wurde die Wasserversorgung von Anfang an

besser geplant. Zwar musste man das Trinkwasser immer

noch von den Quellen in der Nähe heranführen, doch

wurden nun die Speicherkapazitäten erheblich vergrößert.

Bereits 1816 machte man sich in den Ruinen der kur-

fürstlichen Festung auf die Suche nach den alten Brunnen

und Zisternen, um diese in das Versorgungssystem der

neuen Anlage zu integrieren. Im Gesamtplan zum Wie-

deraufbau auf dem Ehrenbreitstein von 1820 wurden

schließlich auch die Eckpunkte der Wasserversorgung

festgelegt.193 Sechs Jahre später war das neue Wasserver-

sorgungssystem der Festung fertiggestellt, die ihrerseits für

eine Kapazität von 1500 Soldaten und 80 Geschützen

ausgelegt war.194 Eine der nun genutzten Quellen befand

sich am westlichen Rand des Plateaus vor der Festung.

Nördlich der kleinen Gemeinde Neudorf am östlichen

Rand des Festungsplateaus fasste man eine weitere Quelle.

191 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt, 18. Dezem-ber 1926. So war die erste Wasserleitung vom Riddelsborn bereits 1794 vom französischen Militär zerstört worden. 192 Vgl. Böckling, Manfred, Branntwein, Pulver, Rinder und Zisternen. Aspekte der Versorgung der preußischen Festung Ehrenbreitstein, in: Neue Forschungen zur Festung Koblenz und Ehrenbreitstein, Bd. 2. Hg. von Burgen, Schlösser, Altertümer Rheinland-Pfalz und der Deut-schen Gesellschaft für Festungsforschung, Regensburg 2006, S. 94. 193 Zum Wiederaufbau: Koblenzer Festungsbau: Baukonstruktive Me-thoden und Praktiken im frühen 19. Jahrhundert, in: Neumann, Hans-Rudolf (Bearb.), Erhalt und Nutzung klassizistischer Großfestungen. Tagungsband. Internationale Fachtagung vom 8. bis 11. Juni 2005 veranstaltet von der Landeshauptstadt Magdeburg, Stadtplanungsamt, und der Hochschule Magdeburg-Stendal, Fachbereich Bauwesen. Hg. von der Landeshauptstadt Magdeburg, Mainz 2006, S. 111–122. Als erstes Bauwerk der „neuen“ Festung Ehrenbreitstein wurde die Contre-garde links realisiert. Die Grundsteinlegung auf dem Oberehrenbreit-stein erfolgte am 6. Juni 1817. 194 Siehe auch Böckling, Branntwein, S. 94: Der Wasserbedarf in der Festung wurde ursprünglich mit 5,2 Liter Wasser pro Mann und Tag berechnet. Um 1900 ging man von einem täglichen Wasserbedarf pro Kopf von 50 Litern aus. Pro Pferd wurden 100 Liter einkalkuliert.

Page 39: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 185 ______________________________________________________________________________

Abbildung 52: Arenberg im Frühjahr 2006 mit der ungefähren Richtungsangabe der Quellgebiete.

Südlich von Neudorf kamen dann noch der „Süße Born“

und dem „Kühle Born“ dazu. Es ist wahrscheinlich, dass

man zu dieser Zeit auch die Quellen genutzt hatte, die

während der langen Belagerung entdeckt worden waren.195

Vom westlichen Rand des Festungsplateaus im Bereich

des Nöllenkopfs führte ein unterirdischer Gang in die

Festung, die darüber hinaus über einen Kanal mit den

Neudorfer Quellen verbunden war. Beide Anlagen verei-

nigten sich am Festungsglacis. Von dort aus führte eine

Röhrenleitung zum Turm „Ungenannt“ im nördlichen

Eingangsbereich der Festung, wo das Wasser in einer

Zisterne im Graben des Turms gesammelt wurde. Dieser

Graben war bereits 1819 in den Felsen gesprengt worden.

Neben dieser Sammelstelle wurde später eine dampfbe-

triebene Druckpumpe installiert. Um die gesamte Anlage

auch im Kriegsfall ausreichend mit Trinkwasser zu versor-

gen, wurde 1838 darüber hinaus auf dem Niederehren-

breitstein ein Brunnen gebohrt. Zwei Jahre später war ein

Druckwerk fertiggestellt, mit dessen Hilfe das Wasser in

die höher gelegenen Bereiche der Festung gehoben wer-

den konnte.196

195 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt in Berlin vom 18. Dezember 1926. 196 Vgl. Böckling, Wasserversorgung Festung, S. 9 und 11f: Die durch das Hinaufpumpen des Wassers gewonnene Fallhöhe erlaubte es, das Wasser durch Röhren in verschiedene Teil der Festung fließen zu lassen.

Ähnlich wie in Koblenz bestanden auch in Ehren-

breitstein Nutzungsvereinbarungen über das aus den

Quellen der Umgebung stammende Wasser zwischen

Staat, Gemeinde und Militärfiskus. Über die Kos-

tenbeteiligung gab es allerdings immer wieder Diffe-

renzen zwischen Gemeinde und Militär. Als zum

Beispiel bei der Überwölbung des Wambaches und

der Verlegung einer Rohrleitung an einem Gebäude

Schäden entstanden waren, verweigerte die Kom-

mandantur von Koblenz und Ehrenbreitstein eine

Beteiligung an der Begleichung der Schäden. Der

Grund: Aus der Wambach-Leitung wurde nur ein

militärisch genutztes Gebäude versorgt. Dagegen

standen sieben zivile Gebäude.

Die Kommandantur wies – wohl in Erinnerung des

Trinkwassermangels in der Garnison vom Mai

1823197 – darauf hin, dass sie kaum die Hälfte des ihr

rechtlich zustehenden Wassers beanspruchte. In der

Tat bestand zwischen Gemeinde und Militärfiskus

die Vereinbarung, dass beide Partner jeweils 50 Pro-

Auf seinem Weg füllte das Wasser neun Zisternen der Festung. Diese Sammelbauwerke waren entweder in die Gebäude integriert oder in den Felsen eingetieft. 197 LHA-441, 24919: Brief der Kommandantur an die Königliche Regie-rung Koblenz, 28. Mai 1823.

Page 40: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

186 Teil 3 ______________________________________________________________________________

zent des Wassers erhalten sollten. Jedoch hatte sich

die Kommandantur verpflichtet, die Hälfte der Un-

terhaltungskosten der Leitung von der Daubachs-

quelle und von der Korn’s Quelle zu tragen.198 Be-

sondere Abmachungen bestanden für die Festungs-

anlagen. Zur Sicherung der Versorgung hatte die

Militärverwaltung das Recht, das Wasser aus dem

von der Riddelsbornquelle gespeisten Eselsbach „[...]

zu ihren Zwecken zu benutzen, nach Guthalten die

früher bestandene Wasserleitung von derselben wie-

derherzustellen [...]“ Der Fiskus besaß außerdem die

Eigentumsrechte auf die zur ehemaligen Leitung er-

bauten Kanäle und sollte auch noch „[...] gewisse

Rechte auf diejenigen Terrainstellen haben, unter

welchen die Canäle liegen oder die Röhrleitung

gelegen hat. [...]“199

Die ständigen Reibereien mit der Zivilgemeinde führten

dazu, dass das Militär immer wieder versuchte, die Was-

serversorgung der rechtsrheinischen Festungswerke auf

eine solidere technische und rechtliche Grundlage zu

stellen. Es gab nämlich akuten Handlungsbedarf. Trotz

der Quellenerschließung und der aufwendigen Baumaß-

nahmen reichte das Wasserdargebot für den Ehrenbreit-

stein nicht aus, zumal neue Festungsbauten wie die Arz-

heimer Schanze (1866/67) errichtet wurden. Im Cholera-

jahr 1866 kaufte die Fortifikation Koblenz von der Witwe

Johann Schneider ein südlich von Arenberg gelegenes

Grundstück mit der sogenannten Riddelsbornquelle, die

in den Eselsbach floss. Die dortigen Mühlenbesitzer er-

hielten eine einmalige Abfindung. Die Verbindung zur

Festung wurde über eine neue Leitung hergestellt, wobei

ein unterirdischer Kanal der 1794 zerstörten alten Rid-

delsborn-Leitung einbezogen werden konnte. Im Zuge

der weiteren Verstärkung der Festungswerke auf der rech-

ten Rheinseite sollte sich herausstellen, dass die Kapazitä-

ten der Riddelsbornquelle nicht ausreichten. Der Militär-

fiskus schloss deshalb 1893 einen Vertrag auf 30 Jahre mit

der Gemeinde Arzheim. Gegen Zahlung eines jährlichen

Pauschalbetrages von 666,67 Mark wurde dem Militär

gestattet, eine fiskalische Leitung an das Arzheimer Was-

serversorgungssystem anzuschließen. Die Vereinbarung

198 LHA-441, 24918: Brief der Kommandantur an die Bezirksregierung. Brief Bezirksregierung an das preußische Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, 4. November 1850 (Konzept). BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regie-rungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt vom 18. Dezember 1926. 199 LHA-441, 24919: Brief Huenes an die Königliche Regierung Kob-lenz, 18. Juli 1833.

ermöglichte es, den Wassermangel in den Festungswerken

Rheinhell und Asterstein zu beheben.200

Um die Wasserversorgung für den Ehrenbreitstein lang-

fristig zu sichern, schloss die Fortifikation Koblenz mit

der Gemeinde Arenberg 1909 einen Vertrag über die

Nutzung der sogenannten „Meerkatzquelle“. Das Wasser

aus dieser Quelle wurde zunächst zu einem Waldstück

beim Kloster Arenberg geleitet, wo sich bereits zwei Was-

ser-Hochbehälter der Gemeinde Arenberg befanden. Um

die Versorgung für die Festung sicherer zu machen, ließ

die Militärverwaltung an gleicher Stelle einen eigenen

Hochbehälter errichten. Von dort wurde eine einfache

Fließleitung zur Festung gelegt, die in etwa parallel zur

alten „Riddelsborn-Leitung“ lief.201 Die Baumaßnahme

zahlte sich aus: Indem einfach das Gefälle erhöht wurde,

stieg auch der Wasserdruck deutlich.202

Mit der Zeit stellte sich heraus, dass die neue Anbindung

nicht mehr erforderlich war, obwohl die „Meerkatzquelle“

als Hauptversorgungsquelle der rechtsrheinischen Befesti-

gungen eingeplant war. Die Festung Ehrenbreitstein

wurde in das öffentliche Wasserversorgungssystem von

Arenberg eingebunden. Der Betrieb der verschiedenen

Zisternen auf dem Festungsgelände war bereits 1912

entfallen.203 Der Wasserverbrauch war genau festgelegt,

durfte aber im Brandfall überschritten werden. Die Ver-

einbarung zwischen Gemeinde und Militär führte dazu,

dass auch die Riddelsbornquelle nicht mehr für die Ver-

sorgung des Ehrenbreitsteins benötigt wurde. Und so

erhielt die Stadt Ehrenbreitstein bereits 1910 das Recht,

das Überlaufbecken der Riddelsbornquelle zu nutzen, die

vom Militär nur noch für die Versorgung des Forts Aster-

stein benötigt wurde.204

Der Riddelsborn fließt in den Eselsbach. Von dort wurde

das Wasser über ein Pumpwerk im Fort Asterstein ver-

teilt, das darüber hinaus über die Arzheimer Wasserlei-

tung versorgt wurde. Das Überlaufwasser aus der Riddels-

born-Quelle wurde unentgeltlich an die Kommune abge-

geben. Auf Verlangen der amerikanischen Besatzung

200 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt in Berlin vom 18. Dezember 1926. 201 Die einfache Fließleitung war nur bis 1920 in Betrieb, obwohl der Vertrag zwischen der Fortifikation Koblenz und der Gemeinde Arenberg eine Nutzung der „Meerkatzquelle“ bis zum 31. März 1943 vorsah. 202 Vgl. Böckling, Wasserversorgung Festung, S. 9. 203 Vgl. Böckling, Branntwein, S. 96: Ausgenommen waren die Zisternen Niederer Schlosshof, Südtraverse, Südlicher Abschnitt und Helfenstein, die für die Notversorgung vorgehalten wurden. 204 Vgl. Böckling, Wasserversorgung Festung, S. 11.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 187 ______________________________________________________________________________

musste der Staat schließlich das gesamte Wasser aus der

Riddelsbornquelle an die Stadt Ehrenbreitstein abtreten,

um die örtliche Wasserversorgung abzusichern. 1920

wurde die ausschließlich vom Militär genutzte neuere

Riddelsborn-Leitung ganz vom Netz genommen und

trockengelegt. Die neue Anbindung an die Wasserversor-

gung von Arzheim war so gut, dass das Wasser aus den

dortigen Quellen dreimal gereicht hätte, um den Bedarf

in den von der Besatzung genutzten Festungsbauten zu

decken.205 Man bedenke: Zu dieser Zeit hatten die preußi-

schen Festungsanlagen längst ihre strategische Bedeutung

verloren. Ihnen drohte sogar die Schleifung gemäß den

Bestimmungen des Versailler Vertrages, die in Koblenz

aus denkmalpflegerischen Gründen nur in Teilen vollzo-

gen wurde.

Die Stadt Ehrenbreitstein unternahm schließlich einen

Vorstoß, die Riddelsbornquelle vollständig zu erwerben.

Sie erklärte sich in ihrem Schreiben an das Reichsvermö-

gensamt vom 26. Oktober 1926 grundsätzlich bereit, die

Riddelsbornquelle in ihr Eigentum zu überführen. Als

Gegenleistung wollte die Stadt das Wassergeld für die von

der Gemeinde versorgten reichseigenen Liegenschaften

ermäßigen. Im Reichsvermögensamt stand man dem

Vorschlag grundsätzlich positiv gegenüber. Schließlich

wurden die Verhandlungen über die Details eingeleitet.

Die Behörde hatte erkannt, dass die Riddelsbornquelle für

das Reich nur noch einen geringen Wert besaß.206

Trotz der entscheidenden Verbesserungen in der Wasser-

versorgung der Festung Ehrenbreitstein lebte die Besat-

zung auch weiterhin sehr spartanisch. Allerdings gab es

für sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Möglich-

keit, die Körperpflege zu verbessern, weil 1884 im Turm

„Ungenannt“ eine Badeanstalt eingerichtet wurde.207 In

der „Langen Linie“ sollte kurz vor Ausbruch des Ersten

Weltkrieges eine weitere Badeanstalt dazukommen. Dage-

gen hatte man bis 1918 auf den Einbau von Toiletten mit

205 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt in Berlin vom 18. Dezember 1926. 206 BA R133, Nr. 96: Bericht des Regierungsrates Dr. Jonen und des Regierungsbaumeisters Naud an das Reichsvermögensamt in Berlin vom 18. Dezember 1926. Als reichseigene Gebäude in der Stadt Ehrenbreit-stein werden im Bericht die Häuser an der Großen Bleiche, das Militär-lazarett im Teichert (der heute noch bestehende Martin-Gropius-Bau), das Traindepot, das Pageriegebäude, das Offizierskasino, das Proviant-amt und die Münzkaserne genannt. Über den Ausgang der Verhandlun-gen sagt der Bericht jedoch nichts. 207 Siehe auch Böckling, Branntwein, S. 97: Zuvor mussten Wasserschüs-seln in den Stuben für die morgendliche Hygiene genügen. Im Sommer nutzten die Soldaten allerdings mindestens zwei Mal pro Woche eine Badeanstalt am Rhein.

Wasserspülung verzichtet. Erst die amerikanische Besat-

zung setzte gegen den Widerstand der deutschen Behör-

den eine „Nachrüstung“ durch. Der Grund dafür, dass

sich die Verwaltung widersetzte, war einleuchtend: Die

Festung war nicht an die Kanalisation angeschlossen. Erst

1990 sollte der Ehrenbreitstein in das Koblenzer Kanal-

system eingebunden werden.208

5.3 Kurort mit Brunnen und Bädern?

Kohlensäuregashaltiges Wasser war schon früh wegen

seiner Frische und seines Wohlgeschmacks beliebt. Es war

aber keine Alternative zu dem aus Brunnen gewonnenen

Trinkwasser, weil es für die Menschen einfach zu teuer

war. Das „Sauerwasser“ wurde eher als Heilwasser gese-

hen.209 Auch in Ehrenbreitstein gibt es eine solche Sauer-

wasserquelle: den „Dähler Born“. Dieser Mineralbrunnen

spielte aber nur lokal eine gewisse Rolle, weil er weder

qualitativ noch quantitativ eine Konkurrenz zu den gro-

ßen Quellen in Eifel und Taunus darstellte, die die Vor-

aussetzungen für die im 19. und 20. Jahrhundert aufblü-

hende Mineralwasserindustrie sein sollten. Allerdings war

die Ehrenbreitsteiner Quelle schon sehr lange bekannt,

worauf auch der Name hinweist. Darin steckt das Wort

„Dahl“, was für den alten Namen „Tal“ steht, den die

kleine Residenzstadt einst führte.

Das Wort „Born“ entstand im Mittelalter aus dem Wort

„Bronn“, das ursprünglich genau die Stellen bezeichnete,

an denen Wasser aus dem Boden trat oder in kleine Fluss-

läufe abfloss. Mit Sicherheit lässt sich die Geschichte des

Dähler Borns bis weit in das Mittelalter zurückverfolgen.

Allerdings war das Quellwasser ursprünglich nicht unter

der heutigen Bezeichnung bekannt.

Die Quelle wird zum ersten Mal 1327 „als Schwalborn“

urkundlich genannt, dürfte aber in Wirklichkeit noch viel

älter sein. Denn neben der Quelle hatte ein gewisser Rit-

ter Heinrich seinen Sitz. Er wird bereits 1294 erstmals

genannt.210 Später fügte Heinrich seinen Namen den

Zusatz von „Schwalborn“ an. Die älteste Quellfassung

wurde 1837 entdeckt, sie bestand wohl – wie in der gan-

208 Vgl. Böckling, Wasserversorgung Festung, S. 16ff. 209 Grundlegend zum Thema: Schneider, Konrad, „stets in frischer Füllung“. Zur Mineralwasserabfüllung vom 16. Jahrhundert bis in die Zeit des industriellen Füllbetriebs, in: Jahrbuch für westdeutsche Lan-desgeschichte 31/2005, S. 203-255. 210 Vgl. Michel, Kunstdenkmäler, S. 458. Kallenbach, Sanierung Ehren-breitstein, S. 271.

Page 42: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

188 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 53: Das Brunnenhaus des Dähler Borns mit der Pächterwohnung im Sommer 2005.

zen Region üblich – aus Basaltlava, die üblicherweise von

Niedermendig am Laacher See stammte. Die Erdarbeiten

am Dähler Born waren damals nötig, um die Quelle neu

zu fassen. Es waren Klagen laut geworden, dass weder die

Qualität des Wassers noch dessen Schüttung ausreichten.

Und da man verhindern wollte, dass sich „süßes“, unrei-

nes Oberflächenwasser mit dem kohlensäurehaltigen

reinen Wasser aus tieferen Erdschichten vereinigte, führte

man umfassende Arbeiten aus.

Die Koordination und die kaufmännische Überwachung

des Projektes übernahm der für die Wasserversorgung in

der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein zuständige Ingeni-

eurhauptmann Johann Jacob Kirn, der in seiner Aufstel-

lung vom 15. Juli 1837 bemerkte, dass die Stadt für Pla-

nung und Ausführung des Projektes den Wasserbaumeis-

ter van den Bergh211 gewonnen hatte. Unter seiner Lei-

tung hatten die Arbeiten bereits am 26. April begonnen.

In einem ersten Schritt wurde ein neuer Kanal angelegt,

mit dessen Hilfe das Brunnenwasser umgeleitet wurde.

Nun war der Weg frei, die eigentliche Quelle neu zu

fassen. Darüber hinaus wurde eine Ableitung für das

211 Herkunft und Qualifikation van Berghs sind aus den Akten im Stadtarchiv nicht eindeutig rekonstruierbar.

überschüssige Wasser in den Wambach angelegt, der

durch die gleichnamige Straße floss. Denn der „Sauer-

brunnen“ war nicht die einzige Quelle im Obertal. Eine

Situationsskizze zeigt, dass sich in unmittelbarer Nähe des

„Dähler Borns“ eine „kalte Quelle“ befand, aus der man

wohl das Wasser zum Reinigen der Tonkrüge bezog.

Die wichtigsten Maßnahmen erfolgten im Bereich der

Hygiene. Der Brunnen, der ursprünglich nur von Mauern

und dem recht kleinen Brunnenhaus umgeben war, wur-

de endlich mit einer leichten Konstruktion überdacht.

Darüber hinaus wurde eine Pumpanlage für die Füllung

der Krüge installiert. Das unhygienische manuelle Abfül-

len der Gefäße entfiel somit.212

Dass die Arbeiten ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt

ausgeführt wurden, war kein Zufall. In dieser Zeit träum-

te man in der einstigen kurtrierischen Residenzstadt da-

von, eine bedeutende Bäderstadt mit heilsamen warmen

und kalten Quellen zu werden. Hintergrund: Nachdem

die Kurfürsten die Stadt verlassen hatten, ging ihre ur-

sprüngliche Bedeutung verloren. Man brauchte einen

Ersatz – auch wenn das preußische Militär zunehmend

eine Rolle spielte. Hoffnungen machte man sich zudem

212 StaK-655,10, 578: Aufstellung Johann Jacob Kirns,15. Juli 1837.

Page 43: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 189 ______________________________________________________________________________

deshalb, weil der bekannte Geologe Christian Leopold

von Buch (1774–1853) im August 1834 Ehrenbreitstein

besucht und eine realistische Chance gesehen hatte, im

Dahl auf Thermalquellen zu stoßen.213

Der Optimismus von Buchs, der auch heute noch als

bedeutendster Geologe seiner Zeit gilt, war nicht unbe-

gründet. Das schon im Mittelalter als Kurort geschätzte

Bad Ems mit seinen 17 Quellen war nicht weit entfernt.

Und die geologischen Zusammenhänge zwischen Ehren-

breitstein, den heutigen Koblenzer Höhenstadtteilen und

den Gemeinden an der Lahn waren bekannt. Entspre-

chend schnell handelten die Ehrenbreitsteiner Stadtväter.

Bereits im Herbst 1834 wurde der Bonner Oberbergrat

Oeynhausen mit einem Vorgutachten beauftragt. Er

schätzte die Grundkosten für eine Bohrung nach heißen

Quellen auf rund 4000 Taler. Das erschien ein hoher

Preis, weil der Oberbergrat, der quasi als beratender Inge-

nieur die Bohrungen vorbereiten sollte, von Anfang an für

eine Gestängebohrung plädierte.214 Doch die kommuna-

len Kassen waren leer, die Stadt Ehrenbreitstein konnte

nur 2000 Taler für diesen Zweck zur Verfügung stellen.215

Bürgermeister Johann Jakob Josef von Eyss, der sage und

schreibe 42 Jahre an der Spitze der örtlichen Kommunal-

verwaltung stand, wollte schließlich das Projekt über eine

Aktiengesellschaft finanzieren, über die Bürger das nötige

Geld einbringen sollten. Im Februar 1836 wurde ein

entsprechender Aufruf veröffentlicht.216 Die Resonanz war

überraschend groß. Nach der Empfehlung des hoch ange-

sehenen Geologen glaubten viele an den Erfolg des Pro-

jektes und eine Zukunft Ehrenbreitsteins als Bäderstadt.

Bereits am 23. Februar 1836 gab es eine Gesellschaftsord-

nung. Noch wichtiger schien ein Vertrag mit der Stadt zu

sein, der das gleiche Datum trägt. In dem Kontrakt ver-

pflichtete sich die Stadt, den Grund und Boden für die

Errichtung von „Badgebäuden“ abzutreten. Für den Fall,

dass man auf „kaltes Wasser“ stoßen würde, sollte die

Gesellschaft einen Teil des Wassers als Entschädigung an

die Kommune abtreten.217

Am 28. April 1836 brachte die neue Aktiengesellschaft

schließlich ihre Statuten auf den Weg.218 Mehr als 190

213 StaK-655,10, 583: Abschrift des Briefs Christian Leopold von Buchs von Heidelberg nach Ehrenbreitstein vom 13. August 1834. 214 StaK-655,10, 580: Bericht Oeynhausens, 29. Januar 1837, 215 StaK-655,10, 583: Aufstellung Oeynhausens, 24. November 1834. 216 StaK, 655-10, 583: Aufruf vom 23. Februar 1836. 217 StaK-655,10, 587: Aktiensammlung. 218 StaK, 655-10, 579: Statuten der Aktiengesellschaft, 28. April 1836.

Aktionäre glaubten an die Zukunft Ehrenbreitsteins als

Stadt der Bäder und stiegen in die Gesellschaft ein. Unter

den Aktionären befanden sich illustre Namen wie der der

Fabrikantenfamilie d’Ester, der die Sayner Hütte und eine

Lederfabrikation in Vallendar gehörte.219 Vor diesem

Hintergrund wird deutlich, warum die Stahlwerke im

heutigen Bendorfer Stadtteil Sayn mit Aufträgen zur

Herstellung der Bohrausrüstung bedacht wurden. Die

engen Verbindungen erklären auch, dass Oberinspektor

Althans als „Vorgesetzter“ Kirns’ quasi eine Aufsichts-

funktion über die Bohrungen erhielt. Er war der Familie

d’Ester freundschaftlich verbunden. Es steht zwar nicht in

den Quellen, doch dürften die d’Esters als „Gegenleis-

tung“ dafür gesorgt haben, dass das erforderliche Kapital

von 10.000 Talern bereits – wie Ingenieurhauptmann von

Kirn in seinem Tagebuch bemerkt – in der zweiten Gene-

ralversammlung der zu gründenden Aktiengesellschaft am

1. April 1836 komplett war.220

Die Suche nach den warmen Quellen begann im Januar

1837 in der nach Arenberg führenden Kniebreche. Zu-

nächst wurde ein Brunnen „auf 10 Fuß Tiefe und viersei-

tig 10 Fuß Breite“ gegraben und ausgemauert. Doch

richtig kam man nicht voran, weil „Berater“ Oeynhausen

anderweitig verpflichtet war und sich wohl auch unglück-

lich darüber zeigte, dass seine Empfehlung einer Gestän-

gebohrung nicht aufgenommen wurde. Schließlich über-

nahm Oberinspektor Althans auch offiziell die Leitung

der Bohrversuche. Die Bohrspitzen kamen indessen weiter

aus Bonn, der Rest wurde dagegen in der Sayner „Ma-

schinenfabrik“ hergestellt und vorbereitet.221 Die weiteren

Schritte sind in den Tagebüchern und Akten über die

Bohrversuche, die heute im Stadtarchiv Koblenz aufbe-

wahrt werden, sehr gut dokumentiert. Exemplarisch seien

an dieser Stelle die Aufzeichnungen von Althans und von

Kirns für das Jahr 1839 genannt. Darin werden exakt

Bohrfortschritte und Rückschläge dokumentiert. Dem-

nach begannen ernsthafte Bohrversuche erst am 7. No-

vember 1837. Entgegen der Empfehlungen des Oberberg-

rates Oeynhausen hatte man sich aus Kostengründen

gegen das Bohren mit Gestängen und für das billigere

Verfahren mit Seilwinden entschieden. Entsprechend

langsam ging es voran. Schiefer- und Grauwacke-

Desgl. in StaK-655,10, 583. Darin auch Genehmigung des Oberpräsi-denten Ernst von Bodelschwingh vom 5. August 1836. 219 StaK, 655,10, 587: Liste der Aktionäre der Aktiengesellschaft. 220 StaK-655, 10, 584: Tagebuch der Ehrenbreitsteiner Bohrversuche für das Jahr 1837, S. 1. 221StaK-655, 10, 584: Tagebuch der Ehrenbreitsteiner Bohrversuche für das Jahr 1837, S. 3f.

Page 44: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

190 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Schichten konnten nur mit Mühe und vor allem mit

hohem Verschleiß bewältigt werden. Am 20. Juni 1838

wurde gerade mal eine Tiefe von 103 Fuß erreicht, was in

etwa 32,82 Metern entsprach. Anfang Januar hatte man

eine Tiefe von 150 Fuß erreicht.222

Auch zwei Jahre nach Beginn der Bohrungen gerieten die

Arbeiten immer wieder ins Stocken. Anfang Februar 1839

mussten sich Althans und Kirn mit der mangelnden Güte

der Bohrer auseinandersetzen, die von der „Maschinen-

fabrik“ an der Sayner Hütte geliefert wurden. Die Fabrik

beeilte sich, eine verbesserte Qualität der Bohrer zu versi-

chern. Doch das Problem blieb. Schließlich zog man

sogar in Betracht, die Bohrstelle zu verlegen.223 Die langen

Unterbrechungen führten schließlich dazu, dass man am

Ende doch zur Gestängebohrung überging, wobei sich der

Beginn der Umstellung trotz der detaillierten Tagebuch-

aufzeichnungen nicht exakt datieren lässt. Die begleiten-

den Skizzen lassen jedoch darauf schließen, dass die Um-

stellung im Laufe des Jahres 1839 erfolgte. Die Bohrge-

sellschaft stand nämlich allmählich unter Erfolgsdruck,

weil einzelne Aktionäre spätestens im Frühjahr 1839

damit begannen, unangenehme Fragen zu stellen. Es kam

nicht von ungefähr, dass sich am 28. Juni ein anonymer

Aktionär in der Rhein- und Mosel-Zeitung zu Wort mel-

dete.224 Doch es gelang, die Aktionäre zu beschwichtigen.

Wie die Rhein- und Moselzeitung meldete, war man in

der Aktionärsversammlung vom 27. Mai 1840 mit dem

Fortgang der Arbeiten sehr zufrieden. Man strebte eine

Bohrtiefe von rund 600 Fuß an. Immerhin hatte man bis

Ende Dezember 1840 eine Tiefe von 252 Fuß (= 80,3

Meter) erreicht.225

Auch in den folgenden Jahren schwankten die Aktionäre

zwischen Hoffen und Bangen. Da man im Verlauf der

Bohrungen auch auf gasführende Schichten gestoßen war,

ging man fest vom Erfolg des Unternehmens aus. Nur so

ist es zu erklären, dass die Suche nach heißen und kalten

Quellen zehn Jahre lang aufrechterhalten werden konnte.

Und man stieß in immer größere Tiefen vor. Das geht aus

der Einladung des Bürgermeisters von Eyß hervor, der in

seiner Eigenschaft als Sekretär des Vorstandes der Direk-

tion für den 30. Mai 1844 zu einer Generalversammlung

einlud. In der Ergänzung zur Bekanntmachung hieß es:

222 StaK-655,10, 585: Tagebuch der Ehrenbreitsteiner Bohrversuche für das Jahr 1839, S. 5f. und S. 9. 223 StaK-655,10, 581: Korrespondenz vom 8. Februar, 14 März, 10. April und 22. Juni 1839. 224 StaK-655,10, 585: Abschrift des Zeitungsberichtes, 28. Juni 1839. 225 StaK-655,10, 586: Tagebuch der Ehrenbreitsteiner Bohrversuche für das Jahr 1839. Aufzeichnungen für Mai und Dezember.

„[…] Die Herren Aktionaire der Gesellschaft der Bohr-

versuche zu Ehrenbreitstein werden darauf aufmerksam

gemacht, dass man in einer Tiefe von 619 Fuß 4 Zoll auf

eine Quelle gestoßen ist, die sich als ein Eisen-Säuerling

erwiesen hat und deren nähere Bestandteile jetzt näher

geprüft werden. Auf diese Weise ist also die Ansicht des

Hrn. Von Buch, in dessen Gutachten ein solcher Säuer-

ling vorhergesag wurde, zur Freude der Gesellschaft bisher

vollkommen gerechtfertigt. […]“226

Die Bohrungen sorgten übrigens auch überregional für

Aufsehen. Sogar der bekannte Naturforscher und Geograf

Alexander Freiherr von Humboldt (1769–1859) fand sich

im Rahmen seines Besuchs bei der ebenso bekannten

Familie Mendelssohn in Horchheim am 29. August 1845

an der Bohrstelle ein und hatte „[…] die Bohrversuche

beehrt und sehr befriedigend sich ausgesprochen.227 Doch

der Besuch von bedeutenden Wissenschaftlern und Inge-

nieuren, die sogar bis aus Skandinavien angereist waren,

änderte nichts an der Tatsache, dass die Stimmung in

Ehrenbreitstein immer schlechter wurde. „Wie nur dem

Kopf nicht alle Hoffnung schwinde, der immerfort an

sich schon Zeuge bleibt. Mit gieriger Hand nach Schätzen

gräbt. Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet“, no-

tierte der resignierende Ingenieurhauptmann Kirn Anfang

April 1845.228 Etwas hoffnungsvoller hörten sich dagegen

die Berichte in der Tagespresse an, wie folgender Aus-

schnitt zeigt: „[…] Die öffentlichen Blätter haben bereits

öfter Mittheilungen über den Fortgang und die Erfolge

der hiesigen Bohrversuche nach Mineralquellen enthalten,

und das auswärtige Publikum hat immer mit der größten

Spannung die Nachrichten darüber verfolgt, was außer

der Bedeutung, die dieses Unternehmen für den hiesigen

Platz an sich schon einnimmt, ein hinlängliches Zeugniß

dafür liefert, welches Interesse dasselbe in Hinsicht auf die

Wissenschaft und Kunst bietet. Freilich haben sich dabei

mitunter bedeutende Schwierigkeiten entgegengestellt

und es gehörte viel Kraft und Ausdauer dazu, um den

Muth nicht sinken zu lassen und solche zu beseitigen,

allein desto ehrenvoller wird auch, im Falle dass ge-

wünschte Resultat erlangt wird, solches für die Unter-

nehmer sein. Wenn wie nun bereits mehrfach Erschei-

nungen bemerken, welche uns zu günstigen Hoffnungen

berechtigen, so mag solches jetzt um so mehr der Fall

sein, als erst in letztvergangenen Tagen auf der ersunke-

nen Sohlen-Teufe in 680 bis 683 Fuß [= rund 216 Meter]

226 StaK-655,10, 811: Öffentliche Bekanntmachung, 3. Mai 1844. 227 StaK-655,10, 113: Bohrversuche. Eintrag im beiliegenden Fremden-buch, S. 29, 29. August 1845. 228 StaK-655, 10, 113: Bemerkung Kirns, 9. April 1845.

Page 45: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 191 ______________________________________________________________________________

in hängender Formation eine Quelle von 13 Grad Réau-

mur [= 16,25 Grad Celsius] erbohrt wurde, die einstwei-

len auf der Seite des Bohrstocks nach einem Abzugskanal

eingeleitet worden ist. Bei der chemischen Untersuchung

des Wassers fand sich, dass dasselbe eine Menge fester

alkalischer Bestandteile, dagegen gar keine Eisentheile

enthielt. Ein solches Phänomen ist von großer Wichtig-

keit und aller Beachtung werth, und wir glauben daher

mit Gewissheit erwarten zu können, dass in der auf den

26. d. M. anberaumten General-Versammlung die Aktio-

näre gewiß keine Bedenken tragen werden, durch Zeich-

nung neuer Beiträge die Fortsetzung des Unernehmens zu

sichern, um nicht im entgegengesetzten Falle durch leich-

tes Aufgeben desselben, so bedeutende Geldsummen und

so viele gemachte praktische Erfahrungen, die zur Förde-

rung desselben für die Zukunft so wichtig sind, nutzlos

gehen zu lassen. […]“229

In der Tat brachte die Generalversammlung den ge-

wünschten Erfolg. Noch einmal waren die Aktionäre

bereit, neue Anteile zu zeichnen. In der Presse heißt es

dazu: „[…] Trotz mancher böswilligen Anfeindungen in

verschiedenen öffentlichen Blättern haben die Actionäre

der Gesellschaft für die Bohrversuche nach Mineralquel-

len in Ehrenbreitstein die Fortsetzung des Unternehmens

und die Zeichnung neuer Beiträge mit entschiedener

Stimmenmehrheit votiert, auch die fernere Leitung der

Versuche dem seitherigen Vorsteher dem vormals kurtrie-

reischen Ingenieurhauptmann von Kirn abermals anver-

traut, um demselben so eine Anerkennung für unerschul-

dete Verfolgungen zu gewähren. […]“230

Die mit großem Aufwand betriebenen Bohrungen brach-

ten am Ende doch keinen Erfolg, weil man die Kosten für

die Erschließung der bei den Bohrungen angeschnittenen

Mineralquelle scheute. Wie aus dem Schriftverkehr zwi-

schen Gemeinde, Aktiengesellschaft und übergeordneten

Behörden hervorgeht, ruhten die Arbeiten im Februar

1847. Zu diesem Zeitpunkt waren die zur Verfügung

stehenden Mittel ausgeschöpft. Zudem blieb die erhoffte

Unterstützung durch den preußischen Staat aus. Schließ-

lich ließ das Interesse der Aktionäre an den Bohrungen

derart nach, dass sie schließlich eingestellt wurden.231 Der

Dähler Born floss unterdessen weiter. Allerdings hatte sich

229 StaK-655,10, 811: Zeitungsausschnitt, 9. Mai 1845. Provenienz unklar, wahrscheinlich Rhein- und Mosel-Zeitung. 230 StaK-655,10, 811: Nicht näher datierter Zeitungsausschnitt unklarer Provenienz (Juni 1845). 231 Dazu: Schriftverkehr in StaK-655, 10, 113.

inzwischen herausgestellt, dass die Maßnahmen zur Neu-

fassung und Überdachung der Quelle von 1837 unzurei-

chend waren. Man entschied sich im November 1882

noch einmal zu einer umfassenden Brunnensanierung und

legte die Auftragsvergabe auf den 16. Januar 1883 fest.232

Die Entscheidung kam nicht von ungefähr. Immer wieder

hatten sich die Pächter über die mangelnde Güte und

Qualität des Sauerbrunnens beklagt, die in keinem Ver-

hältnis zur hohen Pacht stand. Im Juni 1883 war die

Brunnensanierung weitgehend abgeschlossen. In der

Bürgermeisterei stellte man zufrieden einen „gesteigerten

Consum“ fest.233

Die Baumaßnahmen waren recht umfangreich. Man

wollte nicht mehr hinnehmen, dass der Brunnen immer

noch offen stand.234 Aus diesem Grunde wurde das Bassin

tiefergelegt und zugemauert. Das Wasser sollte fortan

über seitlich angebrachte Röhren entnommen werden. In

dieser Zeit wurde wohl die gesamte Entnahmestelle über-

wölbt und damit das schmale Haus der Brunnenpächter

nach hinten verlängert. Trotz der umfangreichen Maß-

nahmen häuften sich die Klagen der Pächter, deren Ver-

hältnis zur Stadt Ehrenbreitstein auf Grundlage der Poli-

zeiverordnung vom 1. Oktober 1858 geregelt war. So

stellte der Pächter Steireif am 4. Juli 1884 fest, dass wegen

der andauernden Hitze die Ergiebigkeit des Mineralbrun-

nens so weit zurückgegangen war, dass kein Wasser mehr

abgegeben werden konnte. Steireifs Nachfolger Johann

Schuy legte am 26. August 1896 nach und bemängelte

einen „schlaffen Geschmack“, der so gravierend war, dass

Krüge nicht für den Versand fertig gemacht werden

konnten. Einer Intensivierung der Reinigung wollten sich

die Pächter aber wegen der hohen Betriebskosten von

vornherein entziehen.235

Was sich zunächst wie eine Ausrede anhört, erscheint bei

näherer Betrachtung verständlich. Zu Beginn des

20. Jahrhunderts kam es immer öfter vor, dass Pacht und

Betriebskosten die Einnahmen aus der Mineralwasserab-

gabe überstiegen. Dies geht aus einer Aufstellung des

Pächters Johann Schuy für die Jahre von 1896 bis 1911

hervor.236 Noch einmal versuchte die Stadt, dem Bedeu-

232 Stak-655.10, 577: Protokollauszug der Sitzung des Gemeinderates am 16. November 1882. 233 StaK-655,10, 866: „Zeitungsbericht“ der Bürgermeisterei für das zweite Quartal 1883, 14. Juni 1883. 234 Die Krüge wurden mit langen Stangen an der offenen Quelle gefüllt. 235 StaK-655,10, 577: Schriftverkehr zwischen den Pächtern und der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein. 236 StaK-655,10, 569: Schriftverkehr zwischen dem Pächter Johann Schuy und der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein.

Page 46: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

192 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 54: Das Innere des Brunnenhauses mit dem „Dähler Born“ im Sommer 2005.

tungsverlust durch kleinere Baumaßnahmen zu begegnen,

die 1918 geplant und durchgerechnet wurden.237 Im Zuge

dieser Arbeiten erhielt der „Dähler Born“ im Wesentli-

chen seine heutige Gestalt. Die Maßnahmen konnten den

weiteren Bedeutungsverlust des Brunnens nicht verhin-

dern. Die übermächtige Konkurrenz der ergiebigeren

Quellen in der Eifel und in Hessen war zu groß. Immer-

hin wurde noch in den 1930er-Jahren das Quellwasser aus

dem Dahl in zylinderförmigen Steinzeugflaschen ausgelie-

fert. Und das, obwohl sich der industrielle Abfüllbetrieb

und der Einsatz von billigeren und hygienischen Glasfla-

schen längst durchgesetzt hatten.

Eine Zäsur markierte der Zweite Weltkrieg. Mit der ers-

ten Sanierung des Quellhauses im Obertal 1970 kehrte

der Dähler Born wieder ins allgemeine Bewusstsein zu-

rück. Seit der zweiten Renovierung des Gebäudes in den

Jahren 1994 und 1995 ist es wieder üblich, gelegentlich

Dähler Wasser im Steinzeugkrug zu servieren.

237 StaK-655,10, 569: Aufstellung des Ehrenbreitsteiner Gemeindebau-meisters, 3. Oktober 1918.

5.4 Qualitätsproblem beim Grundwasser

Die Qualität des Ehrenbreitsteiner Quellwassers

muss im Großen und Ganzen zufriedenstellend ge-

wesen sein. Trotzdem gab es keinen Grund, die Un-

tersuchung des wichtigsten Lebensmittels zu ver-

nachlässigen. Gerade am Ende des 19. Jahrhunderts

wurden angesichts der noch nicht lange zurücklie-

genden Choleraepidemien immer wieder Untersu-

chungen an Ort und Stelle vorgenommen. Im

Herbst 1899 berichtet ein Mitarbeiter der Behörde:

„[...] Bei der Untersuchung der Kornschen Brunnen-

stube fand sich an der Oberfläche des Wassers die

flockenartige Ausscheidung vor, welche schon früher

als unschädlich betrachtet worden ist. Aus dem

Quellenzuflussrohr in der Südostecke der Brunnen-

stube ragte etwa 16 cm lang ein weißes, tropfsteinar-

tiges Gebilde in das Wasserbecken hinein [...]“238

Das auf diesen Bericht folgende Gutachten des

Chemikers Dr. Samelson brachte Klarheit über die

Wassergüte: Die aus dem Zuleitungsrohr hervorge-

wachsene Absetzung enthielt neben Kalk, Magnesi-

um, Eisen- und Tonerdesalzen auch eine beträchtli-

che Menge Bleisalz, die als gesundheitsschädlich

238 LHA-441, 24932: Bericht, 23. Oktober 1899.

Page 47: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 193 ______________________________________________________________________________

eingestuft wurde.239 In den folgenden Wochen wurde

die Garnisonsverwaltung in die Angelegenheit ein-

gebunden. Am 24. November 1899 folgte zusammen

mit dem „Brunnenmacher“ Friedrich Wilhelm Lan-

genbach ein weiterer Ortstermin. Ergebnis: „[...]

Das Brunnenwasser ist so klar, sodass durch dasselbe

die Fugen der Fliesen erkennbar sind. In das Bassin

wird von vier Röhren aus ebenso viel Quellen Was-

ser zugeleitet. Aus einer dieser Röhren soll tropf-

steinartig fester Schlamm herausgeragt haben, wel-

cher bei der Untersuchung [...] sich als bleihaltig

erwiesen hätte. Jetzt waren nur noch geringe festsit-

zende Krusten im Inneren des Rohres bemerkbar.

[...]“240 Fazit: Die Einschätzung, das Ehrenbreitstei-

ner Quellwasser sei gesundheitsschädlich, war ver-

früht. Das Quellwasser und auch das Wasser des in

der Nähe gelegenen Mühlenbaches enthielten keine

nennenswerten Mengen an Bleisalzen. Dennoch

konnte die Situation in der Brunnenstube nicht

mehr hingenommen werden. Und das betraf nicht

nur die verkrustete Zuleitung: Die Belüftung dieser

Kammer war schlecht. Außerdem bestand bei schwe-

ren Regenfällen die Gefahr, dass das Wasser des

stark verunreinigten Mühlenbachs in „Korn’s Quel-

len“ lief.241 Das war auch der Grund, warum die

Behörden keine Entwarnung gaben. So heißt es im

Bericht des Oberstabsarztes Hünermann: „[...] Es

lässt sich nicht übersehen, ob der Bleigehalt des

Quellwassers nicht zeitweise so stark wird, dass hier-

durch der Genuss des Wassers Gesundheitsstörungen

hervorruft. Aber auch hiervon abgesehen, besteht

jedenfalls die große Gefahr, dass wie im Jahre

1893/94, als die Kornsquellen in Folge der Verun-

reinigung der Brunnenstube die Ursache für eine

größere Typhusepidemie bei der Militär- und Civil-

bevölkerung wurden, auch jetzt das Wasser der fiska-

lischen Leitung durch beigemengte Schmutzstoffe

zur Ursache der heftigsten Krankheiten wird. [...]“242

Die scheinbar drohenden Gefahren waren der An-

lass, im Folgejahr erneut Untersuchungen vorzu-

nehmen. Doch sowohl für die Daubachquellen als

auch für die „Korn’s Quelle“ gaben die Behörden

239 LHA-441, 24932: Bericht der Wasserbauinspektion Mosel, 10. November 1899. 240 LHA-441, 24932: Bericht des Korpsapothekers Dr. Oster vom Dezember 1899. 241 LHA-441, 24932: Bericht Oberstabsarzt Hünermann, hygienisch-bakteriologische Untersuchungsstation Koblenz, 1. Dezember 1899. 242 LHA-441, 24932: Bericht Oberstabsarzt Hünermann.

Entwarnung. Nennenswerte Ablagerungen wurden

nicht mehr gefunden, das Trinkwasser wurde als

unbedenklich eingestuft. Gleiches galt für die Brun-

nenstube Mühlenbach. Allerdings regte man damals

an, das Wasser im Mühlgraben durch eine geschlos-

sene Leitung fließen zu lassen, um Verunreinigungen

der benachbarten Quellen künftig auszuschließen.243

In den Blickpunkt geriet auch der Mühlenbach

selbst. Er sollte „abgedichtet“ werden, um die Trink-

wasserversorgung nicht zu gefährden. Auch die

Brunnenstube, in der sich das Wasser aus den

Korn’schen Quellen vereinigte, geriet nun in den

Mittelpunkt der Kritik. Sie befand sich nämlich in

einem inzwischen dicht bebauten Gebiet im Bereich

einer großen Verkehrsstraße (der ehemaligen Bun-

desstraße 49 und heutigen L 127 in Richtung Nie-

derberg). Außerdem lagen in der unmittelbaren

Nachbarschaft zwei Kirchhöfe. Und: Das Quellwas-

ser lief durch Bleiröhren, was alles andere als förder-

lich für die Gesundheit war. Man entschied sich

zunächst dafür, die Korn’schen Quellen von der

Trinkwasserversorgung auszuschließen. Besser sah es

im Falle der Daubachquellen aus. Hier waren sich

alle beteiligten Behörden darüber einig, dass dort in

puncto Wasserqualität nichts einzuwenden war,

nachdem der „Königliche Garnisonsarzt von

Coblenz und Ehrenbreitstein“ chemische und bakte-

riologische Analysen veranlasst hatte.244

Die Behörden entschieden sich letzten Endes dafür,

die Korn’schen Quellen am Netz zu lassen, da „[...]

inzwischen seitens der Stadt der Mühlbachabfluss

auf der ganzen Chausseestrecke von der Bürgermeis-

terei bis zum Mühlbachthal in einem genügend wei-

ten Cementrohrkanal gefaßt worden [war], so daß

Nachtheile durch den Mühlenbach nicht mehr ent-

stehen [konnten] [...]“245 Schließlich war im Laufe

des Jahres 1901 die in der Nähe der Chaussee nach

Niederberg befindliche Brunnenstube umfassend

saniert worden, sodass vorerst keine Gefahr mehr für

die Gesundheit von Bürgern und Soldaten be-

243 LHA-441, 24932: Bericht der hygienisch-bakteriologischen Unter-suchungsstation Koblenz, 1. Februar 1900. 244 LHA-441, 24932: Bericht der hygienisch-bakteriologischen Untersuchungsstation Koblenz, 1. Februar 1900. 245 LHA-441, 24932: Intendantur 8. Armeekorps an die Bezirksregie-rung, 1. Dezember 1900.

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194 Teil 3 ______________________________________________________________________________

stand.246 Und endlich war der Mühlteich an der

Quellstube vorbeigeführt worden.247

Schließlich befasste man sich auch eingehend mit

den Daubachquellen. Dort hatte im Sommer 1903

ein Gewitterregen die Quellstube der unteren Dau-

bachquelle so stark mit Niederschlagwasser aus dem

höher gelegenen Gelände überflutet, dass das Wasser

der fiskalischen Leitung stark getrübt war. Um eine

Wiederholung derartiger Vorkommnisse zu verhin-

dern, war der abfallende Rand des Weges an der

„Kniebreche“ durch Steinpackungen erhöht und

waren das Gewölbe und die Außenwände der Quell-

stube durch Zementputz abgedichtet worden.248

Die Aufgabe der über viele Jahrzehnte genutzten

Quelle und der fiskalischen Wasserleitung stand

nicht zur Debatte, weil lange nicht zufriedenstellend

geklärt war, ob die inzwischen von der Stadt Ehren-

breitstein errichtete und das nach mehreren Verzö-

gerungen am 1. September 1899 in Betrieb genom-

mene kleine Wasserwerk249 überhaupt eine ausrei-

chende Wasserqualität gewährleisten konnte. Grund

zum Misstrauen gab es genug. Hatte man doch

schon bereits Erfahrungen mit Krankheiten ge-

macht, die wahrscheinlich auf verunreinigtes Trink-

wasser zurückzuführen waren. So erinnerte Pfarrer

Johann Jacob Wagner, der sich in zahlreichen ge-

druckten und ungedruckten Schriften als Ortschro-

nist betätigt hatte, an den „Unterleibstyphus“, der

von Juli bis September 1891 in der Stadt wütete.

Der Ausbruch dieser gefährlichen Krankheit war

damals zum Anlass genommen worden, den Bau

einer neuen Pumpstation ins Auge zu fassen. Die

schließlich am Ausgang des Teicherts errichtete

Anlage war ein Projekt der Gemeinde – das freilich

von Anfang an zu klein dimensioniert war. Da man

das Uferfiltrat auch an die Nachbargemeinde Pfaf-

fendorf verkaufen wollte, nahm man Ende 1900 eine

weitere Motorpumpe in Betrieb. Angenehmer Ne-

beneffekt: Man hatte jetzt eine Ersatzmaschine für

246 LHA-441, 24932: Königliche Wasser-Bauinspektion Mosel. Abschrift, Ende 1901. 247 LHA-441, 13846: Bericht der hygienisch-bakteriologischen Untersu-chungsstation Koblenz, 22. Dezember 1903. 248 LHA-441, 24918: Brief Kommandantur an Bezirksregierung; Brief der Bezirksregierung an das preußische Ministerium für Handel, Gewer-be und öffentliche Arbeiten, 4. November 1850 (Konzept). 249 Zur Datierung: Stak-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Eh-renbreitstein für das dritte Quartal 1899.

den Fall, dass die erste Pumpe ausfiel.250 Die Aussage

des Ortschronisten Johann Jacob Pfarrer Wagners,

das Wasser sei direkt dem Rhein entnommen, ist

falsch. Nach den schlimmen Erfahrungen der Ham-

burger Cholera-Epidemien war man im ganzen

Reichsgebiet schon längere Zeit zur Grundwasserge-

winnung übergegangen, wie das Wasserwerk „Ober-

werth“ am linken Rheinufer beweist. Und so nennt

auch Hermann Salomon 1906 ein Ehrenbreitsteiner

Pumpwerk, das Wasser aus einem Grundwasser-

brunnen entnahm, der 40 Meter vom Rheinufer

entfernt gelegen war.251

Die Qualität des gewonnenen Uferfiltrats muss al-

lerdings bedenklich gewesen sein. Johann Jacob

Wagner ging richtigerweise davon aus, dass die Eh-

renbreitsteiner Typhusepidemie von 1908 in engem

Zusammenhang mit dem kommunalen Grundwas-

serwerk stand, das sehr klein war und – wie es da-

mals noch die Regel war – auch keine Anlagen zur

Wasseraufbereitung besaß. In der Zeit von Juni bis

September erkrankten 162 Zivilisten und 86 Ange-

hörige des örtlichen Militärs an Typhus. Zehn Zivi-

listen und fünf Soldaten starben.252 Der erneute Aus-

bruch der Seuche hatte Konsequenzen: Die Pump-

station im Teichert wurde außer Betrieb gesetzt. Die

Stadtväter entschlossen sich, die Pumpstation wieder

aufzugeben und sich auf die Suche nach neuen Mög-

lichkeiten zu machen, das Quellwasser in der nähe-

ren Umgebung zu nutzen.253

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges war das

Ehrenbreitsteiner Wasserversorgungssystem in drei

Zonen aufgeteilt. Die obere Zone wurde aus dem

Hochbehälter der Gemeinde Arzheim versorgt. Die

mittlere Zone erhielt ihren Zufluss aus der „Riddels-

bornquelle“, die einen weiteren, auf dem Asterstein

gelegenen Hochbehälter speiste. Die Versorgung der

unteren Zone erfolgte über die Daubachsquelle mit

dem dazugehörigen Hochbehälter. Untere und mitt-

lere Zone waren miteinander verbunden, sodass bei

250 StaK-655, 10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein für das vierte Quartal 1900, 19. Dezember 1900. 251 Vgl. Salomon, Hermann, Die städtische Abwässerbeseitigung in Deutschland. 2. Bde., Jena 1906/1907. Bd. 1, S. 146. 252 StaK-655,10, 860: Bericht der Bürgermeisterei Ehrenbreitstein über das dritte Quartal 1908, 17. September 1908. Im Bericht für das zweite Quartal vom 17. Juni 1908 war nur von jeweils zwei Typhus- und Diphtheriefällen die Rede. 253 Vgl. Wagner, Johann Jacob, Die neuere Pfarrgeschichte Ehrenbreit-steins vom Untergang des Kurstaates bis zum Untergang des deutschen Kaiserreichs [masch.], Ehrenbreitstein o. J.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 195 ______________________________________________________________________________

eintretendem Wassermangel ein gewisser Ausgleich

erzielt wurde. Die „Korn’s Quelle“ scheint damals

ihre ursprüngliche Bedeutung verloren zu haben –

wenn sie überhaupt noch genutzt wurde.254

Auch wenn die geschilderte Zoneneinteilung auf den

ersten Blick überzeugend wirken mag, hatte Ehren-

breitstein fortwährend unter Wassermangel zu lei-

den. Immer wieder mussten die Stadt Koblenz und

vor allem Arzheim einspringen. Als die Bomben des

Krieges auch das Notsystem gefährdeten, waren die

Verantwortlichen gezwungen, die Sache völlig neu

zu überdenken. Doch mit diesem Problem stand

Ehrenbreitstein nicht allein. Die ganzen 1930er-

Jahre waren vor allem in den kleinen und ländlichen

Gemeinden des Regierungsbezirks Koblenz (heute

Region Mittelrhein) von einem regelrechten Was-

sernotstand betroffen.

6. Die Not der 30er-Jahre

ie Recherchen über die Anfänge der zentralen

Wasserversorgungen in den ehemals noch

selbstständigen Koblenzer Stadtteilen bereite große

Schwierigkeiten. Oft fehlen geeignete Unterlagen.

Auch die Akten der den kommunalen Verwaltungen

übergeordneten Behörden geben in vielen Fällen

wenig her. Zwar wurden besonders zu Beginn unse-

res Jahrhunderts im Regierungsbezirk Koblenz vie-

lerorts Wasserversorgungsanlagen gebaut, doch war-

teten die meisten Gemeinden nicht bis zur endgülti-

gen Bewilligung staatlicher Unterstützungen. Die

Bezirksregierung Koblenz hatte nämlich mit den

Herstellern von Gussröhren so große Vergünstigun-

gen ausgehandelt, dass es nicht selten ungünstiger

gewesen wäre, Beihilfen aus dem so genannten

„Westfonds“ abzuwarten. Dieser Fonds war im Ers-

ten Weltkrieg als wichtigstes Instrument landwirt-

schaftlicher Hilfe eigentlich für den Zweck geschaf-

fen worden, die Versorgung der Bevölkerung mit

Nahrungsmitteln in der preußischen Rheinprovinz

zu stabilisieren.255 Die Übereinkünfte mit dem „Guß-

röhrensyndicat“ verloren jedoch 1908 ihre Gültig-

keit. Die Gemeinden wollten die ihnen verbleibende

relativ kurze Frist nutzen, denn sie konnten nie si-

254 LHA-539,1, 1051: Brief Wasserwirtschaftsamt an die Bezirksregie-rung, 11. Januar 1932. 255 Grundsätzlich auch: Flach, Weimarer Zeit.

cher sein, öffentliche Zuschüsse zu erhalten. Ergeb-

nis: Details über die örtlichen Wasserversorgungs-

systeme enthalten wahrscheinlich nur Privatakten,

während die Unterlagen der Behörden lediglich Be-

zuschussungsangelegenheiten behandelten.256

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts verbesser-

te sich die Wasserversorgungssituation im Regie-

rungsbezirk Koblenz merklich. Dies galt in besonde-

rem Maße für die Orte links und rechts des Rheins

auf der Strecke zwischen Bingerbrück und Koblenz.

Auch in den Dörfern wurde das Wasser nicht direkt

aus dem Rhein entnommen, sodass Katastrophen

wie in Hamburg und Gelsenkirchen ausblieben.257

Dennoch waren die Bedingungen alles andere als

ideal. In den Gemeinden mit zentraler Was-

serversorgung stellte sich schnell heraus, dass die

Technik dem ständig steigenden Wasserbedarf ent-

weder nicht gewachsen oder hoffnungslos veraltet

war. Diese Einschätzung bestätigt ein Artikel in der

„Kölnischen Zeitung“ vom Frühjahr 1930. Darin

heißt es: „Trotz des Fortschritts , den die zentrale

Wasserversorgung durch so genannte Gruppenwas-

serwerke auch in den ländlichen Teilen der Rhein-

provinz durch die gute Wirkung des Westfonds

und die bedeutenden Zuschüsse der Provinzial-

Feuerversicherung im Laufe des letzten Jahrhun-

derts genommen hat, bleibt in Zukunft noch viel

zu tun. Von den rund 3,4 Millionen Einwohnern

der Provinz, die in den Landstreifen wohnen, sind

heute noch 900.000 Einwohner ohne jede zentrale

Wasserversorgung. Hinzu kommen noch die Land-

bewohner, deren Wasserversorgung wegen des un-

zulänglichen Zustandes der bestehenden Wasserlei-

tungen der Verbesserung bedarf [...] So sind zum

Beispiel im Regierungsbezirk Koblenz 131 und im

Regierungsbezirk 119 Gemeinden vorhanden, de-

ren Wasserleitung der Erneuerung bedarf. Der

Regierungspräsident schätzt die Kosten für die

Sanierung solcher Leitungen in seinem Bezirk auf

etwa 2,5 Millionen Mark. Aufgrund seines Wun-

sches, den die Vertreter der Staatsregierung auf der

Westfonds-Konferenz am 4. April 1929 äußerten,

hat die Provinzialverwaltung eine Zusammenstel-

lung der Wasserleitungspläne gemacht, für die ein

fertiger und ausgearbeiteter und von den zuständi-

256 LHK-403, 7756, S. 393ff: Brief der Königlichen Regierung Koblenz an das Oberpräsidium der Rheinprovinz vom 19. August 1907. 257 LHA-403, 8800, S. 15: Aufstellung Bezirksregierung, 30. April 1907.

D

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196 Teil 3 ______________________________________________________________________________

gen behördlichen Stellen ordnungsgemäß geprüfter

Bauplan bereits vorliegt oder bis zum 1. Oktober

1930 vorgelegt werden kann, Es handelt sich um

nahezu 400 Pläne mit einer Gesamtbaukostensum-

me (ohne Hausanschlüsse) von rund 30,5 Millio-

nen Mark. Nach Fertigstellung dieser Pläne würden

annähernd 320.000 Einwohner neu versorgt sein.

Dann bleibt aber immer noch ein großer Teil der

Provinz ohne Wasserversorgung, vor allem die Hö-

hengebiete. Die vollständige Versorgung sämtlicher

Landkreise würde sich einschließlich der 30,5 Mil-

lionen Mark auf rund 100 Millionen Mark belau-

fen [...]“258

Die Forderung der Kölnischen Zeitung nach mehr

öffentlichen Mitteln war wirkungslos. Es fehlte ein-

fach das Geld. Bereits 1929 hatte der Provin-

zialausschuss nüchtern festgestellt, dass wegen der

enormen finanziellen Schwierigkeiten die Verwirkli-

chung der zentralen Wassersorgung im ländlichen

Raum auf wachsende Probleme stößt. Die Mitglieder

des Ausschusses waren sich darüber im Klaren, dass

die für diesen Zweck im Westfonds vorgesehenen

Mittel nicht ausreichten. Weitere staatliche Zu-

schüsse zu erhalten, war aber angesichts der schwie-

rigen wirtschaftlichen Lage der damaligen Zeit nur

schwer möglich. Besonders betroffen von den Folgen

dieses chronischen Geldmangels waren die „klein-

bäuerlichen Notstandsgebiete der Eifel und des

Hochwaldes“.259 Diese Einschätzung belegen die zu

Beginn des Jahres 1929 für den Regierungsbezirk

Koblenz ermittelten Daten. Von den 800.608 Ein-

wohnern des Bezirks konnten 327.000 von einer

zentralen Wasserversorgung bestenfalls träumen. Das

Fehlen geeigneter Vorrichtungen sollte sich im

Sommer 1929 rächen. Quellen und Brunnen trock-

neten aus, vor allem in den Höhengebieten litten die

Menschen unter diesem chronischen Wasserman-

gel.260

Da wegen der fehlenden Mittel viele Projekte nicht

verwirklicht werden konnten oder sich ihre Umset-

zung über Jahre hinauszögerte, schien die Einrich-

258 Kölnische Zeitung vom 12. April 1930. Ausschnitt des Artikels in: LHA, Best. 403, 15479, S. 247. 259 LHA-403, 1579, S. 315: Bericht und Antrag des Provinzialausschus-ses über den derzeitigen Stand der ländlichen Wasserversorgung in der Rheinprovinz und über die weitere Förderung von ländlichen Wasser-versorgungsanlagen (1929). 260 LHA-403,15539, S. 251: Aufstellung vom 10. Januar 1929.

tung eines Wasserleitungsfonds sinnvoll.261 Zusätz-

lich forderte Anfang Februar 1930 das Trierer Re-

gierungspräsidium „[...] daß es den Gemeinden er-

möglicht wird, verbilligte und möglichst langfristige

Darlehen aufzunehmen. Ohne diese Voraussetzung

wird die Finanzierung überhaupt unmöglich. Da die

Gemeinden die erforderlichen Kredite bei den in

Betracht kommenden Landesbanken und Sparkassen

derzeit nicht erhalten und die heute üblichen hohen

Zinsen nicht mehr tragen können, so müßte ihnen

neben den Zuschüssen die Möglichkeit gegeben

werden, die erforderlichen Darlehen zu vier Prozent

Zinsen und mit einer Tilgungsfrist von 40 Jahren,

die etwa der Lebensdauer einer wirtschaftsmäßig

gebauten und unterhaltenden Wasserleitung ent-

spricht, beim Staate, Reich, Provinz, Landesversiche-

rungsanstalt usw. aufnehmen. Dadurch würden sich

die erforderlichen Zuschüsse ganz wesentlich herab-

mindern lassen [...]“262

In einem Brief vom Februar 1930 erläuterte der

Koblenzer Regierungspräsident Walter von Sybel die

schlechte Situation in den Höhenlagen der Rhein-

provinz: „In diesen Höhenlagen gibt es wenig

Grundwasser und infolgedessen wenige nachhaltige

Brunnen. Deshalb muß das Wasser von einer mehr

oder weniger weit entfernten Quelle, meist aus dem

Tale herangeholt werden. Im Sommer versagen auch

diese Quellen und dann kann es vorkommen, daß

ein Bauer weite Wege fahren muß, um die notwen-

dige Wassermenge für seinen Haushalt zu finden.

Daß ein rationeller Landwirtschaftsbetrieb unter

solchen Umständen nicht möglich ist, leuchtet ein.

Diese besonderen geologischen und hydrologischen

Verhältnisse in der Rheinprovinz sind der Grund,

weshalb gerade von hier aus immer wieder dringend

der Bau von Wasserleitungen gefordert wird und

hier auch vom Staate, wie von der Provinz Abhilfe

erwartet wird [...] In der Wassernot bleibt schließ-

lich dem Bauer nichts anderes übrig, als Wasser aus

den offenen Bächen, Teichen oder flachen Brunnen

zu entnehmen, die fast immer verseucht sind und

sehr oft unmittelbar neben Dungstätten liegen. Als

Folge treten dann die so häufigen Typhusfälle ein.

[...]“263 Regierungspräsident Walter von Sybel füge

261 LHA-403, 15550, S. 19: Denkschrift über die Förderung von ländli-chen Wasserversorgungen aus dem sogenannten Westprogramm. 262 LHA-403, 15550, S. 59–61: Anlage Denkschrift, 4. Februar 1930. 263 LHA-403, 15539, S. 636f: Bezirksregierung an Oberpräsidium, 3. Februar 1930.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 197 ______________________________________________________________________________

am 18. Februar hinzu: „[...] Der Regierungsbezirk

Koblenz hat mit Ausnahme eines Teiles des Kreises

Neuwied nur Höhengebiete. Eifel, Hunsrück und

Westerwald sowie der Kreis Wetzlar zeigen überall

die gleichen schwierigen Wasserverhältnisse. Auch

im Kreise Neuwied ist nur das sogenannte Neuwie-

der Becken zum Flachland zu rechnen. Hier befin-

den sich einige Gemeinden, die mit einwandfreien

Brunnen versorgt werden. Überall aber, wo in den

Höhengebieten Zentralwasserleitungen noch nicht

gebaut sind, ist die Wasserversorgung hygienisch

nicht so einwandfrei. Die vorhandenen Brunnen

sind infolge der langjährigen Durchsetzung des Bo-

dens mit Jauche verseucht und werden für den

menschlichen Genuß nur in Anspruch genommen,

weil anderes Wasser nicht vorhanden ist. Im Som-

mer versiegen sie vielfach ganz. [...]“264

Noch unter dem Eindruck der Typhusepidemie von

1926, die Hannover besonders schwer getroffen hat-

te, machte man sich auf die Suche nach neuen Quel-

len. Da viele dabei nicht gerade mit wissenschaftli-

chen Methoden vorgingen und Wünschelrutengän-

ger in dieser Zeit auch im Regierungsbezirk Koblenz

ihr Unwesen trieben, sah sich der Münchner „Ver-

band zur Klärung der Wünschelrutenfrage“ 1928

genötigt, die Behörden in der Region zu warnen.

Dieser Verband stellte fest: „[...] Leider wachsen die

Ausgaben, von Rutengängern erwachsen, von Jahr zu

Jahr, ohne oft den geringsten Gewinn zu erbringen.

Bei den Ausgaben vieler Gemeinden spielen diese

spekulativ angelegten Gelder für Bohrungen nach

Wasser und Mineralquellen vor allem eine erdrü-

ckende Rolle. Es gibt momentan eine Reihe von

Beispielen, wo wieder Hunderttausende für solche

Zwecke ausgegeben werden. [...]“265

264 LHA-403, 15539, S. 651. 265 LHA-539,1, 491: Wasserleitungen im Regierungsbezirk Koblenz. Brief, 20. Juli 1928.

7. Die rechtsrheinischen Orte

n Koblenz und Umgebung wird heute die Ver-

sorgung mit Trinkwasser über ein leistungsfähi-

ges Verbundsystem hergestellt. Zur Untersuchung

der Geschichte der Wasserversorgung in der Pro-

vinzhauptstadt und ihrer späteren Stadtteile ist es

erforderlich, auch einen Blick auf die Nachbarge-

meinden zu werfen. Dabei geht es nicht nur um die

heutigen Stadtteile, sondern auch um die auch heu-

te noch selbstständigen Gemeinden, die über dieses

Verbundsystem versorgt werden.

7.1 Vallendar und Weitersburg Vallendar gehörte zu den Gemeinden am Mittel-

rhein, deren Trinkwasserbedarf überwiegend aus

Quellleitungen gedeckt wurde. Bevor es Wasserwerk

und Hausanschlüsse gab, hatte man auch in dieser

mittelrheinischen Stadt die Brunnen auf Pum-

penbetrieb umgestellt. Gegen Ende des 19. Jahr-

hunderts gab es am Ort 13 Pumpen. Am besten

waren Löhr- und Hellenstraße ausgestattet. Hier

standen jeweils drei Pumpen. Für die Instandhaltung

dieser Anlagen hatte die Kommune einen Privatun-

ternehmer engagiert.266

Wie in vielen anderen Orten Deutschlands be-

standen auch in Vallendar unterschiedliche An-

sichten darüber, wie die Wasserversorgung der Zu-

kunft auszusehen habe. Die beiden Alternativen

hießen Quellwasserleitung oder Grundwasserwerk.

Die Stadtväter favorisierten die letztere Lösung –

eine Entscheidung, die sich später nicht gerade als

glücklich herausstellen sollte. Bereits 1873 hatten

sich die Stadtverordneten mit den Kostenvoran-

schlägen für eine Pumpstation zu befassen, die

Trinkwasser aus dem den Rhein begleitenden

Grundwasserstrom fördern sollte.267

Das erste Projekt scheiterte jedoch, Spuren, die über

den weiteren Lauf der Dinge Aufschluss geben könn-

ten, verlieren sich in den Akten. Erst in der zweiten

Hälfte der 1890er-Jahre werden die Informationen

wieder konkreter. Wir erfahren, dass damals die

266 LHA-655,43, 888: Vertrag, 1. Juli 1884 267 LHA-655,43, 680: Wasserleitung Vallendar.

I

Page 52: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

198 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 55: Blick auf Vallendar und die Nachbargemeinden im Sommer 2005.

Arbeiten zur Errichtung der lange geplanten Pump-

station im vollen Gange waren. Wer jetzt denkt, alle

Vallendarer hätten sich jetzt über den Aufbau einer

modernen zentralen Wasserleitung gefreut, täuscht

sich. Im Juli 1897 ging bei der Bürgermeisterei Val-

lendar ein Brief ein, in dem sich etliche Bürger ge-

gen die Fortsetzung der Arbeiten aussprachen. Der

Grund: Sie hielten die Quellen an der Schnatzen-

mühle (unterhalb des Wüstenhofes) für viel geeigne-

ter und forderten deshalb die Gemeinde auf, die

zuvor ergebnislos abgebrochenen Verhandlungen mit

den Grundstückseigentümern, den Eheleuten Hein-

rich Krämer und deren Schwiegersohn Heinrich

Hoffmann, wieder aufzunehmen.268

Das Protestschreiben der Bürger war kein „Aus-

reißer“, hatte sich doch schon Monate zuvor die Dis-

kussion um den Aufbau der Vallendarer Wasserlei-

tung als Politikum ersten Ranges erwiesen. Bei einer

Bürgerversammlung fasste das Ratsmitglied Walter

Bender die Vorgänge der damals jüngsten Vergangen-

heit zusammen. Demnach erblickte das „Schmerzens-

kind Pumpstation“ am 12. März 1897 auf dem Bür-

268 LHA-655,43, 680: Brief, 31. Juli 1897.

germeisteramt das Licht der Welt. In einer geheimen

Stadtratssitzung wurde dann die Ausführung des Pro-

jektes beschlossen – ein für die Bürgerschaft unerhör-

ter Vorgang, denn das geplante Wasserwerk betraf

schließlich alle Vallendarer. Bei dieser Sitzung der

Stadtverordneten legte der Bürgermeister einen Kos-

tenvoranschlag mit einer Höchstgrenze von 12.000

Mark vor, der sich – wie binnen kürzester Zeit deut-

lich wurde – als Fehlkalkulation entpuppte. Bender

stellte bei der Bürgerversammlung klar, dass es sinn-

voller gewesen wäre, die Quellen an der Schnat-

zenmühle anzukaufen. Der Eigentümer der Mühle

hatte das Gelände (einschließlich Mühle) der Stadt

zum Preis von 29.000 Mark angeboten, war aber auch

zu anderen Lösungen bereit. Unter anderem stand zur

Debatte, das aus den Quellen zu liefernde Wasser

zum Preis von einem Pfennig pro Kubikmeter an die

Gemeinde abzutreten. Bender als Beschwerdeführer

witterte einen Skandal, weil das Projekt Quellwasser-

leitung bereits Anfang März ohne nähere Angaben

seitens der Gemeinde fallen gelassen worden war. Die

Stadtverordneten verhielten sich entsprechend und

entschieden sich bei vier Gegenstimmen für die Aus-

führung eines Grundwasserwerkes.

Page 53: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 199 ______________________________________________________________________________

Bender nannte vor allem persönliche Abneigungen

einiger Gemeindevertreter als Gründe für das Schei-

tern der Verhandlungen mit dem „Schnatzenmüller“.

Die „Strafe“ für dieses Vorgehen folgte sofort. Schon

frühzeitig war der für die Pumpstation gesteckte fi-

nanzielle Rahmen völlig zusammengebrochen. Das

Werk befand sich im Sommer 1897 noch im Bau,

und trotzdem war die nach oben korigierte Kosten-

schwelle in Höhe von 20.000 Mark schon erreicht.

Hinzu sollten Betriebskosten in Höhe von 2000 bis

4000 Mark jährlich kommen, was einer weiteren

schweren Belastung für den Stadtsäckel gleichkam.269

Der Widerstand der Bürger nutzte nichts. Im Herbst

1897 nahm das neue Pumpwerk den Betrieb auf. Die

Station lag an der nach Bendorf führenden Chaussee

(heute Bundesstraße 42). Planung und Bauleitung

hatte Emil Steinkamm, eigentlich Ingenieur am Apol-

linarisbrunnen, übernommen. Der Bau bestand aus

zwei Räumen und einem Souterrain. Der Antrieb der

Pumpen erfolgte über zwei 10 PS starke Benzinmoto-

ren. Der 14 Meter tiefe Brunnen bedingte, die Pumpe

acht Meter tiefer zu legen als den auf dem Flur der

Station stehenden Motor. Zu diesem Zweck war ein

mit einer steinernen Treppe versehener separater

Pumpenschacht angelegt worden, einerseits, damit

der Maschinenwärter bequem und gefahrlos an die

Pumpe gelangen konnte, und andererseits, damit der

im Pumpenschacht niedergeteufte Brunnen stets ge-

schlossen blieb, um das Eindringen von Schmutz und

Öl in das Wasser auszuschließen.270

Mit Gesamtkosten in Höhe von 20.344 Mark über-

traf der Bau der Pumpstation schließlich den ur-

sprünglichen Ansatz bei Weitem. Auf den ersten Blick

schienen somit diejenigen Bürger im Recht zu sein,

die sich an den Protesten beteiligt hatten. Betrachtet

man die Angelegenheit jedoch genauer, wird man

feststellen, dass der Entscheidung der Stadtväter ge-

naue Überlegungen vorausgegangen waren. Außerdem

konnten Verwaltung und Stadtverordnete auf schlech-

te Erfahrungen mit der Kapazität einer Quellwasser-

leitung aus dem Meerbachtal verweisen. Diese war

nämlich 1891 von der Firma Scheven in Bochum

angelegt worden und in ihrer Ergiebigkeit in relativ

269 LHA-65,43, 680: Niederschrift der Vallendarer Bürgerversammlung vom 25. Juli 1897. 270 LHA-65,43, 680: Beschreibung des neuen Wasserwerks der Stadt Vallendar durch den Ingenieur Steinkamm, 23. Oktober 1897.

kurzer Zeit von 300 auf 100 Kubikmeter täglich zu-

rückgegangen. Da immerhin 3800 Menschen von

dieser Wasserleitung abhängig waren und der Wasser-

bedarf auf einfache Weise nicht gedeckt werden

konnte, entschlossen sich die Verantwortlichen in der

Gemeinde zur Flucht nach vorne, indem sie das

Grundwasserwerk anlegen ließen.271 Schnell sollte sich

jedoch die unzureichende Dimensionierung des Was-

serwerks herausstellen. War es 1898 nur ein Erweite-

rungsbau für eine Personalwohnung – sie wurde übri-

gens nach Plänen des Koblenzer Architekten Otto

Nebel hergestellt – nahm man Anfang des 20. Jahr-

hunderts die ersten kleineren technischen Änderun-

gen vor. Als dann noch der Anschluss der kleineren

Nachbargemeinden zur Debatte stand, war die Kapa-

zität des Werkes schnell erschöpft. Dieses befand sich

nämlich unmittelbar neben dem Schlachthof, eine

Erweiterung musste also ausgeschlossen werden. Aber

immerhin: Gesundheitliche Bedenken bestanden

nicht. Zum einen wurde das Grundwasser in einer

Entfernung, von 100 Metern vom Rhein entnommen,

zum anderen war der Brunnen in den Felsen abge-

teuft. Außerdem ergaben die chemischen Untersu-

chungen durch den örtlichen Apotheker und die Be-

hörden keine Beanstandungen. Aber trotzdem: Die

350 Kubikmeter Wasser, die täglich aus Grund- und

Quellwasserleitung gefördert wurden, sollten auf

Dauer nicht ausreichen.272

Im April 1907 legte der Ingenieur Heinrich Scheven

seinen Erweiterungsplan vor.273 Für die Gewinnung

zusätzlichen Trinkwassers eigneten sich seines Erach-

tens nur die Quellen im Wüstenbachtal, und zwar die

Quelle am „Kreuzbauer Bur“ (185 Meter über Nor-

malnull), die so genannten „Sieben Quellen“ (143,5

Meter über NN) und die bereits gefasste Quelle an

der Schnatzenmühle (131,5 Meter über NN). Die

schon bestehenden Hochbehälter in Vallendar (80

Meter über NN), Mallendar (80 Meter über NN) und

in Weitersburg (185 Meter über NN) reichten nach

Einschätzung des Ingenieurs völlig aus. Demnach war

271 LHA-655,43, 680: Brief des Bürgermeisters an die Bezirksregierung und den Landrat, Dezember 1897 (Konzept). 272 LHA-655,43, 680: Ergebnis der am 5. Juli (1905?) vorgenommenen Besichtigung der Wasserleitung zu Vallendar. 273 Erläuterungsbericht zum Entwurfe einer Erweiterung des Wasserkes der Stadt Vallendar. Heinrich Scheven. Technisches Bureau. Projektie-rung und Ausführung von Zentralwasserversorgungs- Kanalisations- und Beleuchtungsanlagen. Spezialität: Filtration und Enteisung von Trink- und Nutzwasser. Begründet 1874 in Bochum. Düsseldorf, Hohenzol-lernstraße 23, 13. April 1907.

Page 54: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

200 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 56: Die Gemeinde Weitersburg, ihre Anbindung und die Nachbarstädte Bendorf und Neuwied (Stadtteil Engers).

es nur erforderlich, das Wasser der neu gefassten

Quelle in „geschlossenen Gussrohrleitungen“ bis zur

Quelle an der Schnatzenmühle abzuleiten und hier an

die bestehende, nach dem Hochbehälter Vallendar

führende Rohrleitung anzuschließen. Da die Wasser-

menge (465 Kubikmeter in 24 Stunden) den Höchst-

bedarf von etwa 5.800 Menschen deckte und die

Verwaltung die damalige Vallendarer Bevölkerungs-

zahl auf lediglich „4900 Seelen“ schätzte, schienen die

Kapazitäten für die nächsten Jahre auszureichen,

sodass die Pumpstation nicht mehr betrieben werden

musste. Auch in Mallendar und Weitersburg erlaub-

ten die neu zu erschließenden Quellen die Deckung

des täglichen Trinkwasserbedarfs. Allerdings musste

im letztgenannten Ort der Hochbehälter auf eine

Höhe von 203 Metern über Normalnull verlegt wer-

den, um das für die Versorgung des Dorfes nötige

Gefälle künstlich zu erzeugen.274

Scheven lieferte zusammen mit seinem Erläuterungs-

bericht auch einen Bericht über den Zustand der

neuen Quellen. Demnach traten diese aus Klüften des

devonischen Schiefers aus. Das Wasser aus dem

„Kreuzbauer-Bur“ war schon vor Erstellung des Gut-

274 Vgl. Erläuterungsbericht Wasserwerk Vallendar, S. 2ff.

achtens chemisch untersucht worden. Ergebnis: eine

hervorragende Wasserqualität. Etwas anders sah es im

Falle der „Sieben Quellen“ aus. Hier fehlte eine bak-

teriologische Untersuchung, weil die erforderlichen

Aufräumarbeiten noch vorgenommen werden muss-

ten. Der mündlichen Überlieferung zufolge war der

„Kreuzbauer Bur“ ursprünglich als geschlossene Quel-

le zutage getreten, floss aber nun in zwei Armen. Vor

dem ergiebigeren Quellenarm sollte eine Quellenstu-

be gebaut werden. Für den schwächeren Arm sah

Scheven die Anlage einer Sickerleitung aus Tonroh-

ren vor. Das in die Schlitze dieser Rohre sickernde

Quellwasser sollte ebenfalls in das örtliche Leitungs-

netz eingespeist werden.275

Obwohl Scheven seine Planungen weit vorange-

trieben hatte, sahen die Verantwortlichen in Verwal-

tung und Rat zunächst von einer Realisierung des

Projektes ab. Dennoch war die Sache nicht vom

Tisch. Im Herbst 1912 mussten die Stadtverordne-

ten über verschiedene Quellnutzungskonzepte bera-

ten, weil sich die Güte des Wassers aus den damals

genutzten Meerbachquellen als alles andere als un-

275 Vgl. Erläuterungsbericht Wasserwerk Vallendar, S. 6ff.

Page 55: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 201 ______________________________________________________________________________

bedenklich erwies und die Schließung durch die

Gesundheitspolizei drohte. Zudem waren die Ma-

schinen der bestehenden Pumpstation wenig leis-

tungsfähig und drohten jederzeit auszufallen. Zur

Diskussion stand erneut die Erschließung der Quel-

len im Wüstenbachtal – sie konnten durch die Quel-

len des schmalen Grabens und des „Kreuzbauer Bur“

verstärkt werden –, die Quellen „aufm Pedel“, die

Fehrbachquelle sowie das Wasser aus Borndell und

Katzenloch in der Nähe der Schnatzenmühle.

Als Gutachter wurde Friedrich Wilhelm Langenbach

gehört, ein Unternehmer für Wasserversorgungs-

anlagen aus Ehrenbreitstein. Dieser empfahl eine

Nutzung der an der Schnatzenmühle gelegenen

Quellen. Diese waren nach seiner Ansicht ausrei-

chend ergiebig. Zudem hatten die Mühleneigentü-

mer und seine Frau die Quellen erneut zum Kauf

angeboten.276 Langenbach nahm schließlich im Ge-

biet „Borndell-Katzenloch“ Projektierungsarbeiten

vor. Zur Nutzung der Quellen für die Vallendarer

Wasserversorgung kam es jedoch nicht, weil sich die

Stadtverordneten nicht über ein gemeinsames Vor-

gehen einigen konnten. Der Spezialist für Trinkwas-

sererschließung hatte somit das Nachsehen. Er lief

bis zu seinem Tode im Jahre 1920 den von ihm in

Rechnung gestellten Beträgen hinterher, ohne von

der Gemeinde einen Pfennig erhalten zu haben.277

Aus den Akten der späten 1920er- und frühen

1930er-Jahre erfahren wir, warum sich die Stadt bei

der Umsetzung von Erweiterungen schwertat. Die

Gemeinde war verschuldet, sodass niemand Kosten

für weitere Quellfassungen und neue Pumpanlagen-

verantworten wollte. Zudem war 1905 mit Mallen-

dar ein nicht gerade finanzstarker Ort eingemeindet

worden. Die Initiative zur Eingemeindung ging von

der kleinen Gemeinde aus, weil sie die großen ver-

sorgungstechnischen Aufgaben der Zukunft nicht

alleine bewältigen konnte. Noch in den Akten des

Oberpräsidiums von 1929 wird das Dorf als sehr

arm bezeichnet. Aber immerhin hatte man zu dieser

Zeit die Hälfte des Ortes an das Vallendarer Versor-

gungsnetz angeschlossen. Die übrigen Bewohner

mussten sich jedoch noch mit qualitativ schlechtem

Brunnenwasser begnügen. Deshalb sollte auch noch

276 LHA-655,43, 872: Sitzung der Stadtverordneten, 25. November 1912. 277 LHA-655,43, 872: Mahnung Langenbachs 1919 und 1920.

der Rest des Ortes an die Vallendarer Wasserleitung

angeschlossen werden.278 Dieser Plan wurde 1930 in

die Tat umgesetzt. Die Maßnahme kostete insgesamt

12.667 Reichsmark. Der Staat gewährte eine Beihilfe

in Höhe von nur 2000 Reichsmark.279

Lange Zeit schien die Lage in Weitersburg noch

schlechter. In dem verschuldeten Dorf lebten über-

wiegend Kleinbauern und Arbeiter, von denen viele

erwerbslos waren. Die Wasserversorgung erfolgte

dort über Hausbrunnen und durch einen Weiher.

Wasser für die Brandbekämpfung fehlte meist völ-

lig.280 Das Wasser der Brunnen erwies sich zudem als

gesundheitsschädlich: Es hatte einen zu hohen

Chlorgehalt. Da sich in unmittelbarer Nähe des

Dorfes keine geeigneten Quellen befanden, empfah-

len die übergeordneten Behörden bereits im Jahre

1906, den Ort einfach an die Vallendarer Wasserlei-

tung anzuschließen. Es sollte allerdings noch fast 25

Jahre dauern, bis wirklich etwas geschah. Erst 1930

und 1931 stellten Staat und Provinz Zuschüsse in

Höhe von insgesamt 8.000 Mark bereit, sodass die

Realisierung des Vorhabens beginnen konnte.281 Erst

1934 wurde die Maßnahme abgeschlossen. Die Kos-

ten für die Gemeinde lagen bei 94.000 Reichsmark,

abzüglich 15.000 Reichsmark Westhilfe und 10.200

Reichsmark für die Hausanschlüsse.282

Fazit: Die Vallendarer Wasserversorgung war in den

ersten Jahren unseres Jahrhunderts relativ leistungs-

fähig. Da man jedoch immer ins Auge gefasst hatte,

die Nachbargemeinden ebenfalls zu berücksichtigen,

empfahlen die Behörden, die zentrale Wasserversor-

gung noch weiter auszubauen, auch wenn das zu-

nächst noch funktionsfähige Pumpwerk die Sicher-

stellung des Trinkwasserbedarfs garantierte. Immer-

hin gab es 1912 schon 6659 Meter Leitungsrohre,

dazu 26 Schieber und 53 Hydranten. 396 Anschlüsse

waren damals bereits vorhanden.283 Trotzdem waren

auch in Vallendar die Verhältnisse alles andere als

ideal. Bereits im November 1912 nannte die örtliche

Presse Zahlen, die belegen, dass die lokale Wasser-

versorgung an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit

278 LHA-403, 15479, S. 71: Aufstellung vom 24. Dezember 1929. 279 LHA-539,1, 1051: Vermerk des Bürgermeisters, 29. August 1930. 280 LHA-403, 15479, S. 69: Aufstellung, 24. Dezember 1929. 281 LHA-539,1, 1049: Verwendungsbescheinigungen, 14. Oktober 1930 und 6. Juli 1931. 282 LHA-539,1, 1051: Abschrift der Bezirksregierung, 12. Juli 1934. 283 LHA-655,43, 872: Denkschrift 1906.

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202 Teil 3 ______________________________________________________________________________

gestoßen war. Die Pumpstation lieferte täglich nur

zwischen 80 und 100 Kubikmeter, die alte „Meer-

bachquelle“ nur 100 bis 120 Kubikmeter Wasser.

Außerdem waren die jährlichen Betriebskosten mit

bis zu 6000 Mark äußerst hoch.284 Dennoch ließ die

Stadt die bereits oben erwähnte Erschließung der

Quellen an der Schnatzenmühle nicht ausführen,

obwohl sich die Mitarbeiter der geologischen Lan-

desanstalt nach einer Ortsbegehung dafür ausgespro-

chen hatten, die bestehende Anlage zu schließen und

stattdessen alle anderen Möglichkeiten zur Sicher-

stellung der Quellwasserversorgung zu prüfen.285 Ein

Gutachten von 1920 zeigt jedoch, dass die Quellen

an der Schnatzenmühle erschlossen worden sind.

Darüber hinaus war die Pumpstation am Schlacht-

hof noch in Betrieb.286

Auch mit der Abführung des Schmutzwassers sah es

nicht gut aus. Lange sah sich die Stadt Vallendar,

schon allein aus finanziellen Gründen, außerstande,

eine Kanalisation zu bauen. Das änderte sich erst im

April 1936, als die Gemeinde endlich die erforderli-

chen Schritte unternehmen wollte. Zuvor hatte man

sich lediglich mit der Einfassung der durch das

Stadtgebiet fließenden Bachläufe befasst.287

7.2 Die Verhältnisse in Urbar

Die Wasserversorgung von Urbar erfolgte ur-

sprünglich durch mehrere Haus- und Gemeinde-

brunnen, die ihr Wasser zu einem Teil aus zwei mit

einer Handpumpe versehenen Sammelbehältern,

zum anderen Teil über eine Leitung aus einer im

Tongrubengebiet entspringenden Quelle beim Hol-

denberger Hof erhielten. Da die meisten Brunnen

wegen der nahe gelegenen Dunggruben verunreinigt

waren, in der trockenen Jahreszeit oft ausfielen und

die Brunnenwasserleitung die erforderlichen Mengen

nicht liefern konnte, musste der Gemeinderat zur

Tat schreiten.288 Seine Mitglieder beschlossen im Mai

1908, die im Eigentum der Witwe von Josef

284 LHA-655,43, 872: General-Anzeiger. Ausschnitt des Artikels vom 15. November 1912. 285 LHA-655, 43, 872: General-Anzeiger. Ausschnitt des Artikels vom 15. November 1912. 286 LHA-655, 43, 872: Gutachten des Ingenieurs Breitung, 27. Novem-ber 1920. 287 LHA-539,1, Nr. 647: Kanalisierungen in Vallendar. 288 EVM-Hausakten: Prüfungsbemerkungen der Königlichen Versuchs- und Prüfanstalt für Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung Berlin, 17. Juni 1908.

Doetsch befindlichen beiden Quellen zum Preis von

12.000 Mark anzukaufen.289 Zuvor hatte der Ge-

meindebaumeister Scheer sein Konzept für die Reali-

sierung vorgestellt, das auch verwirklicht werden

sollte. Da das Dorf kaum in der Lage war, die Ver-

wirklichung des Projektes zu finanzieren, hoffte man

auf einen Zuschuss der Rheinprovinz in Höhe von

einem Drittel der Gesamtkosten. Der Großteil des

Betrages sollte über zinsvergünstigte Kredite der

Versicherungsanstalt Rheinprovinz oder der Landes-

bank bezahlt werden.290

Die Entscheidung zum Bau der Quellwasserleitung

kam aufgrund eines Gutachtens des Johannes Spo-

nagel zustande. Demnach lagen die Quellen in un-

mittelbarer Nähe der „Doet’schen Mühle“ auf der

nördlichen Seite des Mallendarer Bachtales. Diese

traten an einem Abhang aus den Fugen freiliegender

Schieferschichten und bildeten einen natürlichen

Abfluss. Zudem empfahl der Gutachter, im einein-

halb Kilometer oberhalb der Mühle gelegenen Nie-

derschlagsgebiet zwischen Hümmerich und dem

Eisenköppel Bug (in Richtung Simmern-Neuhäusel)

einen Brunnen anzulegen und diesen an die geplante

Wasserleitung anzuschließen. Auch erinnerte Spona-

gel an die Möglichkeit, ebenso Mallendar zu versor-

gen.291 Letztgenannte Empfehlung wurde aber nicht

umgesetzt, obwohl der Gemeinderat am 21. Juli

1908 hinsichtlich der Mitversorgung von Mallendar

positiv entschieden hatte, was angesichts eines Rei-

seberichtes des Regierungspräsidenten vom Mai

1908 etwas überrascht. Darin hieß es nämlich: „[...]

Die Gemeinde wird an die Ausführung ohne Rück-

sicht auf die Gemeinde Vallendar heranzugehen ha-

ben, wozu sie auch gewillt ist. Es sind zunächst die

hochgelegenen Quellen bei der Dötschmühle in

Aussicht zu nehmen, da diese für den Bedarf der

Gemeinde anscheinend genügend Wasser liefern

und wie dasselbe von dort mit natürlichem Gefälle

dem Orte zugeführt werden kann. [...]“292 Die Quel-

le wurde schon seit August 1904 beobachtet. Das

289 EVM-Hausakten: Der offizielle Vertragsabschluss erfolgte erst am 17. Mai 1909. 290 EVM-Hausakten: Auszug aus dem Verhandlungsbuch des Gemeinde-rates, 15. Mai 1908; Entwurf des Antrages auf Genehmigung von Provinzialbeihilfen, 20. Mai 1908. 291 EVM-Hausakten: „Gutachten über die Möglichkeit der Wasserver-sorgung der Gemeinden Urbar und Vallendar. Johannes Sponagel, Wasserversorgung Andernach, 24. April 1908.“ 292 EVM-Hausakten: Regierungspräsident an den Landrat am 2. Mai 1908: „Reisebericht über die am 2. April stattgefundene Besichtigung der Vorarbeiten und der Quelle für die Wasserleitung Urbar.“

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 203 ______________________________________________________________________________

ganze Jahr hindurch lieferte sie eine gleich bleibende

Wassermenge in einer Größenordnung von 80 Ku-

bikmetern in 24 Stunden. Das war für die Deckung

des Bedarfs in Urbar bestens geeignet. Die Gemein-

de benötigte damals nur 70 Kubikmeter täglich,

wobei in den Sommermonaten natürlich Schwan-

kungen möglich waren. Ein Gutachten Sponagels

bestätigte die Eignung der Quelle, sodass die Ver-

waltung deshalb empfahl, umgehend mit den Bauar-

beiten zu beginnen.293 Doch daraus wurde zunächst

nichts. Im Protokoll des Gemeinderates vom 27. Juli

1908 heißt es demzufolge: „[...] Da über den Antrag

auf Bewilligung einer Beihülfe zum Bau einer Was-

serleitung bis jetzt eine Entscheidung nicht ergangen

ist, andererseits der Wassermangel im Ort so groß

ist, daß die Wasserleitung in diesem Jahr wenn ir-

gendwie möglich ausgeführt werden muß, bittet der

Gemeinderat, dahin zu wirken, daß mit dem Bau der

Leitung auch schon vor der Entscheidung über den

Beihülfsantrag begonnen werden kann, ohne das

hierdurch der Antrag aussichtslos wird. Zugleich

beschließt der Gemeinderat die Aufgrabung der

Hauptquelle bei der Doet’schen Mühle behufs end-

gültiger Fassung derselben fortzusetzen und zu be-

endigen. [...]“294

Der Gemeinderat konnte sich bemühen, wie er woll-

te, der Verwaltungsweg musste strikt eingehalten

werden. Die vorgesetzten Behörden durften erst über

die Gewährung von Beihilfen entscheiden, wenn das

Projekt und vorgesehene Materialien von der König-

lichen Versuchs- und Materialprüfanstalt untersucht

worden waren. Außerdem musste die Westfondskon-

ferenz eine Entscheidung fällen. Diese langwierige

Prozedur verzögerte auch die Bewilligung eines zins-

günstigen Darlehens.295 Die Gemeindeväter sahen

sich zum schnellen Handeln genötigt und nahmen

im Frühjahr 1909 bei der Sparkasse Ehrenbreitstein

einen Kredit in Höhe von 4000 Mark auf, der bin-

nen Jahresfrist zurückbezahlt werden musste.296 End-

lich konnte es vorangehen, zumal die Westfondkon-

ferenz am 3. April 1909 eine Beihilfe von 7000

293 EVM-Hausakten: Reisebericht des Regierungsrates von Guerard, des Regierungs- und Baurates Lieber, des Bürgermeisters von Ehrenbreit-stein und des Bachmeisters Scheer, 28. April 1908. 294 EVM-Hausakten: Auszug aus dem Verhandlungsbuch des Gemeinderates von Urbar. 295 EVM-Hausakten: Regierungspräsident August von Hövel, 31. August 1908. 296 EVM-Hausakten: Schuldschein, 19. April 1908.

Mark genehmigt hatte.297 Auch die anderen Geld-

quellen flossen. Durch die Entscheidung des Minis-

ters für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom

5. Mai 1909 und den Beschluss des Provinzialaus-

schusses der Rheinprovinz war der Gemeinde aus

dem Fonds zur Förderung der Land- und Forstwirt-

schaft ein Zuschuss in Höhe von 13.000 Mark be-

willigt worden. Die Zahlung sollte allerdings erst

nach Ausführung des Projektes erfolgen.298

Am 29. Juli 1909 gab der Urbarer Gemeinderat

grünes Licht für die Durchführung der Schürfungs-

und Quellfassungsarbeiten unter der Aufsicht des

Gemeindebaumeisters Scheer. Wermutstropfen für

die Hauseigentümer: Der Rat erklärte sich ebenfalls

mit einer Polizeiverordnung über den Zwangsan-

schluss von Gebäuden einverstanden. Außerdem

sollte die alte Quelle am Burgfelsenweg – sie wurde

über ein notdürftig hergestelltes Rohrnetz bereits für

die Wasserversorgung des Ortes genutzt – in den

neuen Hochbehälter geleitet und Wasserzähler soll-

ten installiert werden.299

Im Herbst 1909 war das Werk schließlich vollendet.

Kosten: 58.000 Mark. Immendorf, das ebenfalls an

die neu erschlossenen Quellen angeschlossen wurde,

musste – einschließlich der Zuschüsse – 36.000

Mark aufbringen.300 Die Baumeister hatten gut ge-

wirtschaftet. Denn die Mittel reichten auch für die

Ausführung der Hausanschlüsse aus, was ursprüng-

lich auf Kosten der Anlieger geschehen sollte.301

Schnell sollte sich jedoch zeigen, dass die Kapazitä-

ten der Quellen überschätzt worden waren. Bereits

nach zwei Jahren herrschte in Urbar akuter Wasser-

mangel. Die Not war auf die extrem trockenen

Sommer der Jahre 1911 und 1912 zurückzuführen.

Der Gemeinderat hatte sich deshalb dafür entschie-

den, auch noch die Quellen auf der „Doet’schen

Wiese“ zu erwerben.302

297 EVM-Hausakten: Regierungspräsident an Landrat Franz Andreas von Barton, 30. April 1909. 298 EVM-Hausakten: Präsident der Rheinprovinz, Dr. Clemens Freiherr von Schorlemer-Lüser, an Landeshauptmann der Rheinprovinz, 27. Mai 1909. 299 EVM-Hausakten: Auszug aus dem Verhandlungsbuch des Gemeinde-rates von Urbar; Brief des Bauwartes Kraft an Bürgermeister Vacano zu Ehrenbreitstein, 23. September 1909. 300 EVM-Hausakten: Brief des Bauwarts Kraft an Bürgermeister Vacano, 6. November 1909. 301 EVM-Hausakten: Auszug Gemeinderatsprotokoll, 31. Mai 1910. 302 EVM-Hausakten: Briefe des Hauptmanns an das Bürgermeisteramt Ehrenbreitstein, 30. August 1912, und Konzept für die Erwiderung auf das Schreibens (undatiert).

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204 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 57: Die heutigen Koblenzer Stadtteile Arenberg und Immendorf im Frühjahr 2006.

Eine Erschließung der Neuerwerbung schien jedoch

zunächst nicht notwendig, da die Kapazität der an-

deren Quellen wieder zugenommen hatte und au-

ßerdem die Nachbargemeinde Simmern (Wes-

terwald) den Überlauf ihrer Wasserleitung gegen

eine einmalige Entschädigung von 15.000 Mark

abgeben wollte.303 Angesichts der Tatsache, dass ein

Auffinden weiterer ergiebiger Quellen nicht zu er-

warten war, empfahl die Berliner Königliche Geolo-

gische Landesanstalt, „[...] eine Grundwasserfassung

im oberen Lauf des Mallendarer Tales ins Auge“ zu

fassen. Geeignet erschienen hierzu das Gebiet der

Mündung des Mosbaches in der Gemarkung Sim-

mern (Westerwald) in den Mallendarer Bach oder

das Gebiet in der Nähe der Immendorfer Mühle.304

Die Urbarer nahmen jedoch am Ende keine der

beiden sich bietenden Alternativen an. Sie entschlos-

sen sich zur Erschließung einer der im Sommer er-

worbenen Quellen – diese lagen ebenfalls in der

Nähe des Mallendarer Baches –, obwohl das König-

303 EVM-Hausakten: Brief der Gemeinde Simmern an die Amtsbürger-meisterei Ehrenbreitstein, 6. August 1912. 304 EVM: Geologisches Gutachten zur Wasserversorgung von Urbar, 8. Oktober 1912.

liche Medizinaluntersuchungsamt zunächst Beein-

trächtigungen der Wasserqualität festgestellt hatte.305

Diese Verunreinigungen scheinen jedoch nur von

vorübergehender Natur gewesen zu sein, sodass man

sich zum Bau eines kleinen Behälters und zur An-

schaffung einer Benzinmotorpumpe entschloss.306

7.3 Wasserversorgung in Arenberg

Zwar wird in den alten Akten ihre Lage nicht näher

bezeichnet, doch ist davon auszugehen, dass die im

Bereich des erst 1970 nach Koblenz eingemeindeten

Dorfes Arenberg gelegenen Quellen bereits in kur-

fürstlicher Zeit für die Wasserversorgung der Resi-

denzstadt Ehrenbreitstein eine gewisse Rolle spiel-

ten. Es wird sich dabei wohl um die „Riddelsborn-

quelle“ gehandelt haben, die bereits im 17. Jahrhun-

dert erstmals im Schrifttum genannt wurde. Gegen

Ende des 19. Jahrhunderts entschlossen sich die

Arenberger zum Bau einer eigenen Wasserleitung.

305 EVM Hausakten: Gutachten vom 29. Oktober 1912. 306 EVM-Hausakten: Auszüge aus den Verhandlungsbüchern des Ge-meinderates, 3./17. Oktober 1912; Erläuterungsbericht, 14. Januar 1912.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 205 ______________________________________________________________________________

Die für die Versorgung des kleinen Dorfes vorgese-

henen Quellen entsprangen – wie es in einer schrift-

lichen Übereinkunft heißt – im „Distrikt 4

Deutschordenshecke“. Sie befanden sich aber nicht

im Gemeindeeigentum, sondern gehörtem dem

Forstfiskus. Für die Verpachtungsverhandlungen war

damals noch die Bezirksregierung in Wiesbaden

zuständig, was an die hessische Vergangenheit der

rechten Rheinseite erinnert. Der Vertrag wurde am

24. August geschlossen und galt – rückwirkend zum

l. April 1895 – für einen Zeitraum von 50 Jahren.307

Auch für die Wasserversorgung der Festung Eh-

renbreitstein besaß das Arenberger Wasser eine gro-

ße Bedeutung. 1909 hatte nämlich das Mili-

tärbauamt Koblenz I mit der Gemeinde einen Ver-

trag über die Zuführung des erforderlichen Trink-

wassers ausgehandelt.308 Darin verpflichtete sich das

Dorf, das aus den Quellen „in der Meerkatz“ ent-

nommene Wasser dem oberhalb von Arenberg gele-

genen Hochbehälter zuzuführen, von wo es in die

Festung weitergeleitet wurde. Die täglich zu liefern-

de Wassermenge betrug 50 Kubikmeter. Der Preis

wurde auf zehn Pfennig pro Kubikmeter festgesetzt.

Diese Abmachungen überdauerten sogar den Zwei-

ten Weltkrieg. Dann schlossen das Land Rheinland-

Pfalz und die Gemeinde einen neuen Vertrag, der

die alten Vereinbarungen ablöste.309 Ebenfalls eng

verbunden mit den Arenberger Quellen ist die Was-

serversorgungsgeschichte der unmittelbar benachbar-

ten Gemeinde Immendorf. Zur Nutzung der damals

noch ausreichenden Trinkwasservorkommen des

Nachbardorfes hatten sich die Verantwortlichen im

Frühjahr 1905 zum Bau einer neuen Wasserleitung

durchgerungen. Im Oktober 1907 kam es zwischen

beiden Gemeinden zur vertraglichen Einigung.310

Wegen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten

schlossen sie jedoch die gleichzeitige Errichtung ei-

ner Kanalisation von vornherein aus.311

307 EVM-Hausakten: Vertrag, 24. August 1896. 308 EVM-Hausakten: „2. Ausfertigung des Vertrages zwischen dem Herrn Bürgermeister Vacano zu Ehrenbreistein und dem Ortsvorsteher Klee von Arenberg im Landkreise Coblenz einerseits und dem Militär-Bauamt Koblenz I im Auftrage der königlichen Intendantur des VIII. Armeekorps zu Koblenz, vorbehaltlich deren Genehmigung andererseits, 20. Februar 1909. 309 EVM-Hausakten: Bezirksregierung an Bürgermeister Stadt und Amt Vallendar, 24. Juni 1949. 310 EVM-Hausakten: Vertrag zwischen den Gemeinden Arenberg und Immendorf, 30. Oktober 1907. 311 LHA-539,1, 548: Die Kanalisation von Immendorf.

Um 1900 schienen die Arenberger Quellen noch so

ergiebig zu sein, dass man ohne größere Bedenken

weitere Anschlüsse genehmigte. Die Gemeinde er-

wartete dadurch zusätzliche Einnahmen. So wurde

das Dominikanerinnenkloster an den Rohrstrang

angeschlossen.312 Schon 1900 hatte die Blei- und

Zinkgrube Mühlenbach313 im Mühlental die Geneh-

migung erhalten, ein von der Gemeinde nicht ge-

nutztes Quellbassin, gelegen auf dem sogenannten

„Kissel“, für ihre Zwecke zu nutzen.314

Probleme bereitete dagegen die Wasserversorgung

der an der Straße nach Arenberg gelegenen Gemein-

de Niederberg. Aus diesem Grunde machte der Me-

liorats-Baubeamte der preußischen Rheinprovinz

den Vorschlag, die geplante Wasserleitung für den

Ort mit der für Arenberg und Immendorf zu verbin-

den. Der Beamte hatte in einem Gutachten erklärt,

dass eine in Arenberg bereits gefasste Quelle auch

den Bedarf in Niederberg decken könnte.315 Diese

Idee wurde jedoch nicht verwirklicht. Stattdessen

kam es später zum Bau der Gemeindewasserleitung

von Arzheim nach Niederberg (siehe unten). Trotz

dieser letztendlich einigermaßen zufriedenstellenden

Lösung bestand in der im Bereich der Straße nach

Ehrenbreitstein gelegenen neuen Siedlung Wasser-

not. Einige Siedler hatten sogar einen Brunnen ge-

graben. Dieser war jedoch wegen der unhaltbaren

hygienischen Zustände ein Dorn im Auge der Behör-

den. Um die Sache zu bereinigen, schlug das Wasser-

wirtschaftsamt der Bezirksregierung vor, die neue

Siedlung entweder an die Gemeindewasserleitung

Arzheim-Niederberg oder aber an die Trinkwasserver-

sorgung der Stadt Ehrenbreitstein anzuschließen.

Letztere Möglichkeit schien umso empfehlenswerter,

weil die Siedlung für das Versorgungssystem in der

früheren Residenzstadt keine Belastung darstellte und

ein Druckverlust ausgeschlossen werden konnte.316

312 EVM-Hausakten: Vertrag zwischen der Gemeinde Arenberg und dem Dominikanerinnenkloster (undatierte Abschrift). 313 Zur Geschichte der Blei- und Zinkgrube: Schäfer, Helmut M., Die Grube Mühlenbach bei Koblenz-Arenberg, Koblenz 1991. 314 EVM-Hausakten: Vertrag zwischen der Gemeinde Arenberg und der „Aktiengesellschaft für Bergbau, Blei- und Zinkfabrikation zu Stolberg und in Westfalen zu Aachen“, 13. Juni 1900. 315 LHA-403, 7758: Die Anlage von Wasserleitungen 1908/1909: Schreiben des preußischen Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten an das Oberpräsidium in Koblenz vom 9. März 1909. 316 LHA-539,1, 1051: Wasserwirtschaftsamt an Bezirksregierung, 11. Januar 1932.

Page 60: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

206 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 58: Blick auf den heutigen Stadtteil Horchheim im Sommer 2005.

7.4 Wasserprobleme in Arzheim Arzheim wurde ursprünglich von den „Wintersborner

Quellen“ im Wald oberhalb der Gemeinde mit

Trinkwasser versorgt. Die erste Wasserleitung des

Dorfes wurde bereits 1909 nach dem Plan des Eh-

renbreitsteiner Gemeindebaumeisters erweitert.317 Die

Arzheimer Quellen lieferten eine Wassermenge von

500 Kubikmetern pro Tag, also wesentlich mehr, als

der Ort zur Deckung des eigenen Bedarfs benötigte.

Zur Speicherung des Trinkwassers diente ein Hoch-

behälter mit einem Fassungsvermögen von 180 Ku-

bikmetern. Er war am Hang des Steinerkopfes un-

terhalb des Forsthauses gelegen.

Im Herbst 1942 gingen die Quellen zunächst stark

zurück, um dann ein Jahr später völlig zu versiegen.

Die Schuld an dieser für die Gemeinde katastropha-

len Lage trug die im Mühlental zwischen Arzheim

und Arenberg gelegene Grube Mühlenbach. Die

Betreiber hatten zum besseren Abtransport der in

der Grube gewonnenen Erze in 110 Meter Tiefe

317 LHA-539,1, 1051: Wasserwirtschaftsamt Koblenz an die Bezirksregie-rung, 15. April 1944.

einen Stollen gegraben, der in Nievern an der Lahn

enden sollte. Oberhalb dieses Ortes befanden sich

die Aufbereitungswerke der Grubengesellschaft. In

diesem Stollen zeigte sich nach einiger Zeit ein im-

mer stärkerer Wassereinbruch, der nachher so im-

mens wurde, dass die Stollenarbeiten am Arzheimer

Ende eingestellt und der Durchbruch von der Lahn

her vorgenommen werden musste. Menge des Was-

sers: 2000 Kubikmeter täglich. Den Arzheimern war

also im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abge-

graben worden.318

Das Ausbleiben des Wassers hatte für den kleinen

Ort verheerende Folgen. Immerhin lieferten die

Quellen für die Bewohner jährlich eine Wassermen-

ge von 16.000 Kubikmetern, was schon allein dem

Dorf Einnahmen in Höhe von 4.800 Reichsmark

bescherte. Zusätzlich „exportierte“ die Gemeinde das

kostbare Nass nach Koblenz. Geschäftsgrundlage

war ein am 16. Juli 1938 zwischen beiden Kommu-

nen auf 30 Jahre geschlossener Vertrag. Darin bestä-

tigte die Stadt eine Mindestabnahme von jährlich

318 LHA-539,1, 1051: Amtsbürgermeisterei an Bezirksregierung, 8. März 1944; EVM-Hausakten, Brief, 8. März 1944.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 207 ______________________________________________________________________________

60.000 Kubikmetern zum Preis von 13 Pfennig pro

Kubikmeter. Das von Arzheim bezogene Wasser

wurde zur teilweisen Versorgung der ehemals selbst-

ständigen Orte Ehrenbreitstein, Pfaffendorf, Nie-

derberg und Neudorf verwendet, die 1937 einge-

meindet worden waren. Die Übereinkunft hatte für

die Gemeinde viele Vorteile, denn sie musste sich

nicht verpflichten, den Bau neuer Leitungen mitzu-

finanzieren. Außerdem waren im Falle von Quell-

schürfungen weitere Zahlungen seitens der Stadt

Koblenz zu erwarten. Auch musste die Stadt die

Kosten für Reparaturen der nach Koblenz führenden

Leitungen tragen.319 Mit dem Zurückgehen der

Quellen ab Mai 1943 änderte sich die Situation

grundlegend. Arzheim sah sich gezwungen, die Was-

serabgabe nach Koblenz einzuschränken. Kommune

und die Energieversorgung Mittelrhein (EVM) als

Betriebsführerin der Wasserversorgung bestanden

auf Einhaltung bestehender Vereinbarungen, weil

die Wasserversorgung von Niederberg und des un-

terhalb der Festung Ehrenbreitstein gelegenen Neu-

dorf auf dem Spiel stand – beide neuen Stadtteile

hatten damals noch keine Verbindung zum Koblen-

zer Wasserversorgungsnetz. Das Problem sollte vo-

rübergehend wie folgt gelöst werden: Die Gemeinde

Arzheim sollte an die Stadt so viel Wasser liefern,

dass die Wasserversorgung von Niederberg und

Neudorf gewährleistet war. Umgekehrt konnte aus

anderen Koblenzer Stadtteilen problemlos Zu-

schusswasser nach Arzheim geführt werden. Zudem

bestand die Möglichkeit, Ehrenbreitstein über die

Arenberger Leitung zu versorgen.320 Diese Regelung

sollte nicht lange Bestand haben. Schon Ende Sep-

tember 1943 war die Wasserversorgung einiger

rechtsrheinischer Gemeinden völlig zusammen-

gebrochen,321 sodass der gesamte Bedarf – auch der

von Arzheim – über das Koblenzer Versorgungssys-

tem sichergestellt werden musste. Bis Ende Oktober

wurden die Behelfsmaßnahmen fertiggestellt.322

319 EVM-Hausakten: Vertrag zwischen der Gemeinde Arzheim und der Stadt Koblenz, 16. Juli 1938 bzw. 31. Juli 1938. EVM-Hausakten: Niederschrift, 26. Januar 1944: Die Stadt hatte damals an die Gemeinde Arzheim 4000 Mark für die Schürfrechte bezahlt. 320 EVM-Hausakten: Aktennotiz, 5. Mai 1943. 321 EVM-Hausakten: Brief des Bürgermeisters der Stadt und des Amtes Vallendar, Hillebrand an Direktor Ficke von der Stolberg-Zink AG, Bad Ems, 29. September 1943. 322 EVM-Hausakten: Brief der EVM an Stadtverwaltung Koblenz vom 25. Oktober 1943.

Der Ausfall der mit dem Trinkwasser verbundenen

Einnahmen bedeutete für Arzheim eine finanzielle

Katastrophe: war die kleine Gemeinde doch nicht

mehr in der Lage, ihren laufenden Haushaltsplan

zum Ausgleich zu bringen. Vor diesem Hintergrund

mussten die Gemeindesteuern erheblich erhöht wer-

den, zumal eine Entschädigung seitens der Gruben-

betreiber nicht in Aussicht stand. Folglich musste

die Stadt Koblenz einspringen. Zu diesem Zweck

hatte die Kommune im Blindtal unterhalb des

Friedhofes eine behelfsmäßige Pumpstation – sie

wurde Anfang der 1950er-Jahre neu gebaut – errich-

tet, die das Wasser aus dem Koblenzer Leitungsnetz

(vom Hochbehälter Kratzkopf kommend) in das

Dorf hinaufpumpte. Die Pumpe im Blindtal förderte

zehn Kubikmeter stündlich, wobei zu berücksichti-

gen war, dass Teile von Ehrenbreitstein und Pfaf-

fendorf mitversorgt werden mussten. Fazit: Eine

wirksame Brandbekämpfung war nicht möglich,

zumal die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der

elektrischen Pumpe im Falle eines Bombenangriffs

ständig stieg. Deshalb wurde das aus der Grube

Mühlenbach anfallende Wasser ebenfalls den Prob-

lembereichen zugeführt.323 Dennoch war die Versor-

gungssituation nach Ausfall der Arzheimer Quellen

kritisch. Nach dem Luftangriff vom 19. Juli 1944

brach die Zuführung vorübergehend zusammen,

sodass das Dorf über Arenberg notdürftig mitver-

sorgt werden musste.324

323 LHA-539,1, 1051: Amtsbürgermeisterei Vallendar an Bezirksregie-rung, 8. März 1944. EVM-Hausakten: Aktennotiz, 15. Dezember 1943. 324 EVM-Hausakten: Brief des Bürgermeisters von Stadt und Amt Val-lendar, Hillebrand, an den Direktor Arbeitsamt Koblenz, 20. Juli 1944.

Page 62: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

208 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 59: Die Gemeinde St. Sebastian im Landkreis Mayen-Koblenz im Sommer 2006.

7.5 Horchheim und Pfaffendorf

Eine Aufstellung vom Frühjahr 1907 nennt für beide

Orte Quellwasserleitungen.325 In Pfaffendorf wurde

das Rohrnetz aus der „Bienhornquelle“ und der

„Tunnelquelle“ an der Ravensteynstraße gespeist, in

Horchheim von den Quellen „Weitenborn“ und

„Bauerswiese“. Wegen der schlechten Ergiebigkeit

musste die Stadt Koblenz fast immer über eine Lei-

tung auf der Horchheimer Eisenbahnbrücke zusätz-

liches Wasser liefern. Auch Ehrenbreitstein erhielt

auf diese Weise einen Teil seines Wassers. Für die

tief liegenden Teile von Horchheim und Pfaffendorf

wurde das Wasser unmittelbar den Ortsleitungen

zugeführt, während das für die höher gelegenen

Bereiche von Pfaffendorf und Ehrenbreitstein be-

stimmte Wasser über das Zwischenpumpwerk „Bä-

chelstraße“ in Horchheim über die Kasernen in den

Hochbehälter „Kratzkopf“ gedrückt wurde, von wo

aus das Wasser in die beiden Orte gelangte.326

325 LHA-403, 8800, S. 34/35: Aufstellung der Königlichen Regierung Koblenz. 30. April 1907. 326 LHA-403, 539,1, 1051: Wasserversorgung rechtsrheinischer Gebiete. Aufstellung ohne Datum (wahrscheinlich Oktober 1944).

8. Die linksrheinischen Nachbarn

om urbanisierten Dorf bis hin zur traditions-

reichen ländlichen Gemeinde: Diese Orte ha-

ben gemeinsam, dass sie sich erstaunlich lange gegen

eine Eingemeindung nach Koblenz widersetzten.

Der Preis war hoch: Die Gemeinden konnten zwar

auf staatliche Zuschüsse hoffen, mussten aber den

größten Teil der Ausgaben für die neuen Wasserver-

sorgungssysteme selbst finanzieren. In den folgenden

Abschnitten soll die unterschiedliche Entwicklung in

den an den Koblenzer Stadtbezirk grenzenden links-

rheinischen Gemeinden geschildert werden.

8.1 Von Kesselheim bis Kaltenengers

1929 zählte man in Kesselheim, St. Sebastian und

Kaltenengers zusammen 4129 Einwohner, darüber

hinaus 640 Stück Großvieh. Die Bevölkerung in den

Dörfern setzte sich zum Großteil aus Landwirten,

Gemüsegärtnern und Arbeitern zusammen. Land-

wirtschaft und Gemüsebau waren hoch entwickelt.

Der Wasserleitungsbau wurde somit zur Lebensfrage

für die von der allgemeinen Arbeitslosigkeit jener

Zeit stark betroffenen Gemeinde.

V

Page 63: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 209 ______________________________________________________________________________

Durch die Extremhochwasser der 20er-Jahre waren

nämlich viele Brunnen verseucht worden.327 Um die

geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Was-

serversorgung für alle Beteiligten finanziell tragbar

zu machen, erhielt man im Herbst 1929 eine Beihil-

fe aus dem Westfonds in Höhe von 30.000 Reichs-

mark,328 also zu einem Zeitpunkt, als der Aufbau

einer zentralen Wasserversorgung in den betroffenen

Gemeinden weitgehend abgeschlossen war.329 Bereits

früher hatten die Gemeinden Hilfen beantragt, denn

immerhin lief das rund 285.000 Mark teure gemein-

same Versorgungsprojekt (eine andere Quelle nennt

eine niedrigere Summe in Höhe von 225.700

Mark)330 in der Sparte „Notbaumaßnahme“. Darle-

hen stellte neben der staatlichen Erwerbslosenfürsor-

ge vor allem die Kreissparkasse Koblenz-Land zur

Verfügung. Die Verwirklichung der Pläne wurde

1926 in Angriff genommen, im Januar 1927 begann

der Bau der Pumpstation Kaltenengers. Bis dahin

war auch der Stadtteil Kesselheim, damals noch

eigenständige Gemeinde, durch private Einzelbrun-

nen mit Handpumpen versorgt worden. 1926 be-

gann auch in diesem Dorf die Verlegung des Rohr-

netzes.331 Dabei wurde der Ort mit einer Was-

serleitung an die Gemeinde St. Sebastian ange-

schlossen. Beide Dörfer wurden aus dem Brunnen

des Wasserwerkes Kaltenengers versorgt. Die Was-

serversorgung von Kesselheim wurde im Krieg bei

Beschädigungen des Versorgungsnetzes durch die

privaten Brunnen aufrechtgehalten. Die Transport-

leitung zwischen den Gemeinden St. Sebastian und

Kesselheim diente bis 1976 als einzige Versorgungs-

zuleitung zum Verteilungsnetz Kesselheim.332

8.2 Kapellen-Stolzenfels

Kapellen-Stolzenfels war eine arme, auf den Frem-

denverkehr angewiesene Gemeinde mit gänzlich

unzureichender Wasserversorgung. Die Verwaltung

empfahl daher aus gesundheitlichen, vor allem aber

aus wirtschaftlichen Gründen den Ausbau der

Trinkwasserversorgung.333

327 LHA-403, 14480, S. 507: Auflistung für das Rechnungsjahr 1928. 328 LHA-539,1, 1049: Verwendungsbescheinigung, 12. September 1929. 329 LHA-403, 15539, S. 110f: Aufstellung, 10. Januar 1929. 330 LHA-539, 1, 1051: Verwendungsbescheinigung, 9. August 1929. 331 LHA-539,1,447: Die Wasserversorgungsanlagen des Zweckverbandes Kaltenengers. 332 Die Angaben stammen aus den Hausakten der EVM. 333 LHA-403, 15539, S. 134f: Aufstellung, 10. Januar 1929.

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts dachte man

daher über den Bau einer Wasserleitung nach. Da

die Gemeinde jedoch keine eigene Quelle hatte, kam

für sie nur die Erschließung des ganz in der Nähe

gelegenen Gründgesbaches im Koblenzer Stadtwald

infrage. Bereits im Februar 1901 erteilte die Stadt-

verwaltung Koblenz die Genehmigung, in dem ins

Auge gefassten Distrikt die notwendigen Vorarbeiten

durchführen zu lassen. Doch dabei blieb es. Lange

wurde diskutiert und geplant. Greifbare Ergebnisse

gab es nicht.334 Gut zehn Jahre später kam wieder

Bewegung in die Sache. Allerdings war von einem

Anschluss der Gemeinde an den Gründgesbach die-

ses Mal nicht die Rede. Im April 1912 stellte der

Bürgermeister von Koblenz-Land nüchtern fest:

„[...] die Gemeinde Capellen [...] hatte seither eine

völlig unzureichende Wasserversorgung, da die drei

vorhandenen Gemeindebrunnen nicht dauernd die

hinreichenden Wassermengen für den täglichen

Bedarf, noch viel weniger im Brandfalle genügendes

Löschwasser lieferten. Teilweise war das Wasser auch

so verunreinigt, daß es von den Einwohnern nicht

verwendet werden konnte. [...]“335 Eine Lösung des

Problems lag scheinbar auf der Hand, denn die

Nachbargemeinde Rhens hatte zwei Jahre zuvor eine

zentrale Wasserversorgung eingerichtet, deren Über-

schüsse ohne Weiteres an den Ort Kapellen abgege-

ben werden konnten. Die Gesamtkosten der Weiter-

führung der Wasserleitung nach Kapellen hätten

8.000 Mark betragen, die acht Unterflurhydranten

für Feuerlöschzwecke eingeschlossen.336 Später ent-

schloss man sich, die sich bietende Möglichkeit in

die Praxis umzusetzen. Mitte März 1913 machte der

Gemeinderat Nägel mit Köpfen und beschloss, die

erforderlichen Zuleitungen herzustellen und verab-

schiedete eine Gebührenordnung. Hauseigentümern,

die sich dieser Entscheidung nicht fügen wollten,

drohte, das sie die Kosten für den Anschluss an die

Hauptrohrleitungen selbst tragen mussten.337

Trotz der Wasserknappheit wehrten sich die Bürger

gegen den Plan der Gemeinde, die Häuser des Ortes

an die Rhenser Wasserleitung anschließen zu lassen.

Die Dorfbewohner wollten sich diese Zwangsmaß-

334 LHA, 655, 18, 829: Stadtverwaltung Koblenz an die Bürgermeisterei Koblenz-Land, 22. Februar 1901. 335 LHA-655, 18, 1129: Bericht des Bürgermeisters Koblenz-Land vom 19. April 1912. 336 LHA-655, 18, 1129: Bericht des Bürgermeisters Koblenz-Land vom 19. April 1912. 337 LHA-655, 18, 1129: Gemeinderatsbeschluss, 15. März 1913.

Page 64: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

210 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 60: Schloss und Stadtteil Stolzenfels im Sommer 2006.

nahme natürlich nicht gefallen lassen und beschwer-

ten sich beim Landrat über das Vorgehen des Ge-

meinderates und des Bürgermeisters Koblenz-Land.

Sie bemängelten, dass der Anschluss an die Rhenser

Wasserleitung erfolge, obwohl bereits Vorarbeiten

zur Nutzung einer ortsnahen Quelle durchgeführt

worden waren. Dieses Wasser wäre nach ihrer An-

sicht besser und vor allem billiger als das aus dem

Nachbarort gewesen.338 Die Beschwerde nutzte je-

doch nichts. Am 9. Juni 1913 erteilte das Landes-

bauamt die Genehmigung für die Verlängerung der

Rhenser Wasserleitung nach Kapellen – selbstver-

ständlich auf Kosten der Gemeinde.339

Die unzufriedenen Hauseigentümer gaben jedoch

nicht auf. Sie erreichten, dass eine Bürgerver-

sammlung angesetzt wurde. Diese Zusammenkunft

ist aus der „Coblenzer Volkszeitung“ überliefert. Der

Artikel lautet: „[...] Der Leiter der Versammlung,

Bürgermeister Effelsberg, entwarf zunächst ein äu-

ßerst trauriges Bild der Wasserversorgung in hiesi-

gem Orte durch die vier Ortsbrunnen. Eine Erlö-

sung aus dieser Wassernot könne nur eine Wasserlei-

tung bringen. Zu einer solchen besitze die Gemeinde

Kapellen jedoch keine Quellen in ihrer Gemarkung,

weshalb der hiesige Gemeinderat beschlossen habe,

dem hiesigen Orte das Wasser aus der Rhenser Was-

serleitung zuzuführen. Leider seien die Kapeller so

undankbar und ständen dieser Wasserversorgung

338 LHA, 655, 18, 1129: „Bitte der Einwohner um die Unterstützung in der Bestrebung nach Beschaffung einer eigenen Wasserleitung und um Schutz gegen Zwangsmaßregeln wegen dem Anschluß an eine fremde Wasserleitung“, 7. Mai 1913. 339 LHA-65, 18, 1129: Genehmigung, 9. Juni 1913. Auszüge aus den Gemeinderatsprotokollen, 28. März und 2. April 1913.

ablehnend gegenüber, indem sie an die bereits geleg-

te Rohrleitung keinen Anschluß nähmen. Er sei

deswegen gezwungen, jetzt Zwangsmaßnahmen an-

zuwenden und zwar damit, daß sich später anschlie-

ßende Hausbesitzer die Kosten des Anschlusses

selbst bezahlen [...]“ Außerdem drohte der Bürger-

meister mit Geldstrafen und der Schließung der öf-

fentlichen Brunnen.340

In der gleichen Versammlung nannten die Haus-

besitzer die Gründe, warum sie gegen den Anschluss

an die Rhenser Wasserleitung waren. Ihrer Ansicht

nach war das Wasser für Kapellen unbrauchbar, da

sich in Kapellen – dem Schlusspunkt der Rhenser

Wasserleitung – in den Rohren zuviel Schlamm

absetzte. Dadurch werde das Wasser trüb und zum

Trinken und Kochen ungeeignet. Auch die Hausei-

gentümer, die schon in den Genuss der neuen Anla-

ge gekommen waren, weigerten sich aus ebendiesen

Gründen, die geforderten Abgaben zu entrichten.

Andere wiederum hatten zwar einen Anschluss zu

ihren Häusern herstellen, aber keine Hausleitungen

legen lassen.341 Die widerspenstigen Bürger erinner-

ten daran, „[...] daß auf Grund früherer Vorarbeiten

zur Erschließung einer Quelle [Gründgesbach!] in

unmittelbarer Nähe des Ortes Kapellen festgestellt

worden sei, dass genügend gutes Wasser dort zu

einer eigenen, sich billig stellenden Wasserleitung

vorhanden sei und daß man erwarte, daß diese Lei-

tung ausgeführt würde. Bei dieser eigenen Leitung

würden vorgesehenen Wasserabgaben ausreichen zur

340 Coblenzer Volkszeitung, 1. August 1913. 341 Coblenzer Volkszeitung, 1. August 1913.

Page 65: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 211 ______________________________________________________________________________

Abbildung 61: Bubenheim, Rübenach und Metternich im Sommer 2006.

Verzinsung und Amortisierung des Anlagekapitals,

so daß der Ort später ein billiges Wasser hätte, was

bei der Leitung aus Rhens nie eintreten würde. [...]342

Bürgermeister Effelsberg versprach jedoch, das Was-

ser aus der bei Kapellen gelegenen Quelle zu einem

späteren Zeitpunkt dem örtlichen Rohrnetz zuzu-

führen. Aber auch diese Aussicht stieß bei den Ver-

sammlungsteilnehmern auf wenig Gegenliebe. Sie

nannten technische Gründe, die angeblich gegen die

Realisierung dieses Vorhabens sprachen. Die Was-

serzuleitung von Rhens erfolgte nämlich von Süden

her, wogegen das Quellwasser aus nördlicher Rich-

tung herbeigeschafft werden musste. Es reichte nach

ihrer Meinung nicht aus, die Leitung am in Rich-

tung Rhens gelegenen Ende einfach „dichtzuma-

chen“, weil auf diese Weise das Problem der Ver-

schlammung der Leitung nicht gelöst werden konn-

te.343 Doch alle Bürgerproteste halfen nichts. Wie

geplant wurde Kapellen an die Rhenser Wasserlei-

tung angeschlossen. Bereits im September 1913 war

das Werk vollendet. Die schlechten Vorahnungen

der Hauseigentümer erfüllten sich, denn es stellte

sich im Laufe der Zeit heraus, dass die Verantwortli-

342 Coblenzer Volkszeitung, 1. August 1913. 343 Coblenzer Volkszeitung, 1. August 1913.

chen in der Gemeinde Kapellen einen schweren

Fehler begangen hatten. In der kleinen Nachbarstadt

versagte nämlich Anfang der 30er-Jahre das beste-

hende, eigentlich noch relativ neue Wasserversor-

gungssystem. Durch neue Quellen, Pumpanlagen

und Verlegung neuer Rohre musste eine Erweiterung

der bisherigen Wasserleitung vorgenommen werden,

was praktisch einer Neuanlage gleichkam. Der Bau

war vor allem deshalb dringend erforderlich, weil

infolge der engen Bauweise und der Lagerung der

Erntevorräte in den Wohnhäusern und Höfen ein

erhöhter Feuerschutz erforderlich wurde.344

Angesichts der sich allmählich abzeichnenden prob-

lematischen Situation hatten sich die Ver-

antwortlichen in Kapellen wieder auf den Gründges-

bach zurückbesonnen. Von 1929 an nutzte die Ge-

meinde für ihre Trinkwasserversorgung endlich das

Wasser dieses Baches, der im Koblenzer Stadtwald

entspringt. Gleichzeitig hatte man die Wasserleitung

ausgebaut.345 Darüber hinaus wurde Schloss Stolzen-

fels von einer eigenen Quelle und einem Hochbehäl-

344 LHA-403, 15479, S. 425: Zusammenstellung für den Regierungsbe-zirk Koblenz für das Rechnungsjahr 1931. 345 LHA-539,1, 1051: Brief des Landrates an den Vorsitzenden des Kreisausschusses, 31. Dezember 1929. Die Provinzial-Versiche-rungsanstalt hatte einen Zuschuss von 3000 Mark bewilligt.

Page 66: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

212 Teil 3 ______________________________________________________________________________

ter mit einem Fassungsvermögen von 80 Kubikme-

tern versorgt.346 Die „neuen“ Anlagen erwiesen sich

jedoch bald als zu klein. Deswegen entschloss sich

die Gemeinde Anfang 1935 zur Anlage eines „Re-

serve-Wasserbassins“.347

Über die Nutzung des Gründgesbaches schlossen damals

Stadt Koblenz und die Gemeinde 1929 einen Vertrag ab.

Zur Nutzung dieses Bachwassers wurde eine Kiesfilteran-

lagc hergestellt, die ebenfalls auf städtischem Gelände lag.

Diese Filteranlage reinigte das Wasser allerdings nur me-

chanisch. Diese Art der Wasseraufbereitung erwies sich als

sehr unzureichend, insbesondere nach starken Regenfäl-

len. Die zuständige Gesundheitsbehörde beanstandete

deshalb noch vor dem Krieg, die Wasserversorgung immer

wieder.348

8.3 Metternich

Das 1937 nach Koblenz eingemeindete Metternich hatte

noch bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges den

Charakter eines Vororts, obwohl sich dort namhafte In-

dustriegebiete angesiedelt hatten. Die Gemeinde betrieb

sogar seit 1906 ein eigenes Gaswerk. Und so lebten in

dem früheren Dorf zunehmend Arbeiter, was aber zu

diesem Zeitpunkt noch nicht bedeutete, dass die Land-

wirtschaft ihre Rolle einbüßte.349 Der wirtschaftliche

Wandel, vor allem aber das Aufblühen der Ziegelindustrie

Ende des 19. Jahrhunderts wirkte sich unmittelbar auf die

Wasserversorgung der Bevölkerung aus. Die Situation war

so angespannt, dass man sich bei der Genehmigung neuer

Anschlüsse zurückhielt. Risiken anderer Art für die

Wasserversorgung der Bevölkerung brachte die zuneh-

mende Industrialisierung, besonders die Ziegelindustrie.

Und so wurden in den Jahren 1900 und 1914 sowohl der

Antrag der Gebrüder Rödig als auch das Vorhaben der

Brüder Nikolaus und Peter Poetsch zur Errichtung weite-

rer Ziegeleien abgelehnt.350 In jene Zeit fällt auch der

Beginn der wissenschaftlichen Messung der örtlichen

Quellkapazitäten. Am 29. November 1913 präsentierte

der Geheime Oberbergrat von Dassel schließlich ein Gut-

346 LHA-539,1, 1051: Brief des Direktors der Staatlichen Schlösser und Burgen an das Wasserwirtschaftsamt Koblenz, 11. Februar 1944. 347 LHA, 655,18, 1130: Beratung der Gemeindeältesten in Kapellen-Stolzenfels, 11. Januar 1935. 348 LHA-655,18, 522: Bericht des Staatlichen Medizinal-Untersuchungs-amtes Koblenz, 29. April 1930. 349 Zur wirtschaftlichen Situation in Metternich: Kleber, Hans-Peter, Vom Dorf zum Industriestandort, in: Beiträge zur Ortsgeschichte. Hg. von den Heimatfreunden Metternich, Koblenz 2002, S. 277–311. 350 Vgl. Engelke, Quellen, S. 274.

achten, das sich genau mit der Versorgungssituation in

Metternich auseinandersetzte. Demnach bestanden auf

dem Gebiet der Gemeinde sechs Quellen: Dazu gehörten

auch Geisenborn- und Herrenweiherquelle, deren Trink-

wasser damals komplett in das Koblenzer Netz eingespeist

wurde. Dazu kamen die Pfingstquelle (Behälterquelle)

und die sogenannte Neue Quelle. Diese Quellen sollten

die Versorgung Metternichs sicherstellen. Allerdings wur-

de die Herrenweiherquelle später Zug um Zug aufgege-

ben wurde. Eine weitere Quelle befand sich in Privatbesitz

von Max Weidtmann. Der pensionierte Regierungsbau-

meister nutzte seit 1912 mit Genehmigung der Gemeinde

eine in der Nähe seines Hauses entspringende Quelle.

Weidtmann hatte sogar eine kleine Pumpstation errichten

lassen, die von einer Windturbine angetrieben wurde.351

Ungachtet der knappen Ressourcen wurde in den Jahren

von 1908 bis 1911 im Auftrag der Gemeinde eine neue

Wasserleitung verlegt. Im Zuge dieser Arbeiten wurden

alle Metternicher Haushalte an das Netz angeschlossen.

Nach dem Ersten Weltkrieg sollten sich neue Engpässe

zeigen, weil die Zahl der zu versorgenden Einwohner

weiter zunahm. Dazu kam, dass die in der Metternicher

Gemarkung stationierten Besatzungstruppen versorgt

werden mussten. 1922 nahm die Gemeinde schließlich

Verhandlungen mit der Stadt Koblenz auf. Das Ziel: Der

Anschluss Metternichs an das Grundwasserwerk Ober-

werth durch eine Druckwasserleitung. Eine Vereinbarung

zwischen den beiden Kommunen kam aber nicht zustan-

de.352 Da auch in Koblenz die Besatzungstruppen versorgt

werden mussten, waren die Kapazitäten begrenzt.

Der letzte Versuch, in Metternich neue Quellen aufzufin-

den, fällt in das Jahr 1923. Die Bemühungen scheiterten.

Und neue Verhandlungen mit der Stadt Koblenz standen

nicht zur Debatte. Die logische Konsequenz war der

Aufbau einer eigenen Versorgung mit Grundwasser, zu-

mal die Ergiebigkeit der Metternicher Quellen immer

weiter nachließ. Nach intensiven chemischen Untersu-

chungen353 entstand am Moselufer ein gemeindeeige-

nes Grundwasserwerk. Die Gemeinde musste Inves-

titionen in Höhe von 23.200 Reichsmark allein

bewältigen. Mit Ausnahme einer Beihilfe der Pro-

vinzial-Feuerversicherungsanstalt in Höhe von 1000

Reichsmark waren keine Zuschüsse zu erwarten.354

351 Vgl. Engelke, Quellen, S. 275. 352 Vgl. Engelke, Quellen, S. 276. 353 LHA-655,18, 1302: Gutachten des Medizinalrates Dr. Steinebach, 26. April 1929. 354 LHA-539,1, 1049: Verwendungsbescheinigung, 23. Januar 1932.

Page 67: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 213 ______________________________________________________________________________

Abbildung 62: Der Koblenzer Stadtteil Güls im Sommer 2006.

Die Anlage wurde in unmittelbarer Nähe des Gaswerkes

am Moselufer gebaut und bereits im September 1929 in

Betrieb genommen. Um weiteren Versorgungsschwierig-

keiten aus dem Weg zu gehen, entschloss sich die Ge-

meindevertretung zur Aufstellung einer zweiten Pumpe.

Diese nahm im Oktober 1930 die Arbeit auf. Die Investi-

tion lohnte sich, weil die Ergiebigkeit der Quellen inzwi-

schen so weit nachgelassen hatte, dass fast der gesamte

Wasserbedarf in Metternich durch das neue Pumpwerk

gedeckt werden musste.355

Das vom Pumpwerk geförderte Wasser konnte entweder

unmittelbar in die Wasserleitung abgegeben oder in den

Hochbehälter „Auf der Hohl“ in der oberen Trierer Stra-

ße befördert werden. Das Vorhandensein einer ausrei-

chenden Wassermenge in diesem Hochbehälter kon-

trollierte eine Meldeanlage im Pumpwerk automatisch.

Dessen Pumpen wurden von zwei Deutzer Gasmotoren

angetrieben.356 Die Technik war zur damaligen Zeit

355 LHA-538, 1, 1051: Brief des Bürgermeisters Koblenz-Land an das Kulturbauamt, 20. Januar 1932. LHA-655,18, Nr. 1302: Erläuterungs-bericht für die Erweiterung der Wasserversorgungsanlage der Gemeinde Metternich. 356 LHA-539, 1, 1051: Brief des Bürgermeisters Koblenz-Land an das Kulturbauamt, 20. Januar 1932.

hochmodern und ein für die Gemeinde Metternich kaum

erschwinglicher Luxus.

Wie schwer man sich mit der Unterhaltung der Pumpsta-

tion tat, zeigt ein Schreiben des Gemeindevorstandes von

Metternich an die Bürgermeisterei Koblenz-Land vom

Januar 1932. Darin heißt es: „[...] Die katastrophale

Lage der Gemeinde Metternich ist hinreichend

bekannt. Die Wohlfahrtsaufwendungen steigen

von Tag zu Tag, die Steuereinnahmen verringern

sich gleichzeitig mit der Steuerkraft der wenigen

zahlungsfähigen Bürger immer mehr. Die Einnah-

men des Wasserwerks sind zur Bestreitung der Be-

triebsausgaben kaum ausreichend, besonders da

die Unterhaltungskosten für das schon alte, repa-

raturbedürftige Rohrnetz sehr hoch sind. [...]“357

Der Zweite Weltkrieg brachte natürlich auch Erschwer-

nisse und Zerstörungen für den Stadtteil Metternich, das

wegen seiner Nähe zur Koblenzer Innenstadt immer wie-

der der Gefahr ausgesetzt war, im größeren Umfange

bombardiert zu werden. Auch wenn den Stadtteil nicht

dasselbe schlimme Schicksal ereilte wie die Koblenzer

357 LHA-539, 1, 1051: Brief der Gemeindeverwaltung, 20. Januar 1932.

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214 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Innenstadt, brach die Wasserversorgung streckenweise

zusammen. Der Wiederaufbau gelang dennoch erstaun-

lich schnell. Allerdings sollte das Metternicher Wasser-

werk keine Zukunft haben. Es galt als veraltet, zudem

waren die Betriebskosten relativ hoch.

Das Hauptproblem war jedoch, dass die Pumpstation

mitten in einem Mischgebiet mit unterschiedlichen wirt-

schaftlichen Nutzungen stand. In unmittelbarer Nachbar-

schaft gab es eine Gerberei, zwei Metallgießereien und

einen landwirtschaftlichen Betrieb. Dazu kamen ein Gast-

ronomiebetrieb, eine Badeanstalt und das Bootshaus des

Arbeiter-Sportvereins. Auch das Gaswerk war nicht weit

entfernt. In der Nachbarschaft befand sich bis 1930 die

Ringofenziegelei Peters.358 Schließlich machten die am

Moselufer notwendigen Verkehrswege die Ausweisung

von Wasserschutzgebieten unmöglich. Alles in allem

waren das die Hauptargumente, die zur Schließung des

Metternicher Wasserwerks und die Anbindung des neuen

Stadtteils an das Koblenzer Wasserversorgungssytem

führten. Etwas anders sah die Situation im Falle der Quel-

len aus. Die Geisenbornquelle und Reste der 1944 zer-

störten ehemaligen kurfürstlichen Wasserleitung wurden

bereits ab 1948 wiederhergerichtet. Bei der Erschließung

des neuen Wohngebietes Eulenhorst speiste sie immer

noch 360 Kubikmeter täglich in das Rohrnetz ein. Erst

1986 wurde sie wegen erhöhten Nitratgehalts umgeleitet,

jedoch ebenso wie die Behälterquelle („Pfingstborn“) als

Reserveleitung vorgehalten.359

8.4 Güls Wie auch in anderen Dörfern versorgten sich die

Einwohner in Güls lange Zeit mit Wasser aus Zieh-

brunnen. Diese mittelalterlich anmutenden Zustän-

de wurden mit der Errichtung von vier Gemeinde-

pumpen schrittweise beseitigt. Nach und nach stellte

man auch die Gülser Privatbrunnen auf Pumpbe-

trieb um. Genutzt wurde das Grundwasser, Bean-

standungen hinsichtlich der Qualität gab es kaum.

Auch die vor dem Hintergrund der Hamburger Cho-

leraepidemie von 1892 durchgeführten Un-

tersuchungen stellten diese Einschätzungen nicht

infrage. Trotzdem scheint die Situation nicht so

rosig gewesen zu sein, zumal es im Ort keine Kanali-

sation, sondern nur gepflasterte Rinnen in den

358 Vgl. Kleber, Industriestandort, S. 217 ff. 359 EVM-Hausakten. Hauszeitschrift 21/89.

Straßen zur Ableitung des Oberflächenwassers gab.360

Noch 1904 bemängelten Mitarbeiter des Ober-

präsidiums die hohe Kindersterblichkeit. Auch ist

von einem Typhusfall die Rede.361

Genauere Informationen über Sozialstruktur, Wirt-

schaft und Hygiene im Ort gibt eine Aufstellung des

Koblenzer Oberpräsidiums vom November 1902.

Darin heißt es: „Die Einwohnerschaft besteht aus

landwirtschaftlichen Tagelöhnern, Kleinbauern,

kleinen Gewerbetreibenden und Handwerkern.

Industrielle Anlagen sind nicht vorhanden, ob-

gleich ansteckende Krankheiten seit 1898, in wel-

chem Jahre zahlreiche Fälle von Scharlach und

Diphtherie zu verzeichnen waren, seuchenartig

nicht aufgetreten sind, kann der Zustand der Be-

völkerung nicht als günstig bezeichnet werden.

Die Zahl der Sterbefälle betrug im Durchschnitt

56 Erwachsene, die der Kinder unter 14 Jahren

allein 36. Da die klimatischen Verhältnisse des

Ortes im Allgemeinen nichts zu wünschen übrig

lassen, kann der schlechte Gesundheitszustand in

der Hauptursache nur auf die mangelhafte Versor-

gung des Ortes mit Trinkwasser zurückgeführt

werden. Die Bewohner sind zur Deckung ihres

Bedarfs an Trink- und Gebrauchswasser auf vor-

handene Tiefbrunnen angewiesen und benutzen

das in geringer Tiefe vorhandene Grundwasser. Es

sind fünf öffentliche und 89 Privatbrunnen vor-

handen, deren Wasser sowohl nach Güte als auch

nach Menge den in gesundheitlicher Hinsicht zu

stellenden Anforderungen nicht entspricht. Die

Brunnen liegen meistens im Bereiche von Jauche-

gruben. Ihr Wasser ist nicht nur im Laufe der Zeit

durchfließenden Tagewassers, sondern auch dem

Zuflusse von Jauche ausgesetzt. In trockenen Zei-

ten herrscht Wassermangel. [...]“362

Trotz der widrigen Umstände waren viele Gülser alles

andere als begeistert, als man daranging, den Bau

einer Wasserleitung zu planen. Sie befürchteten die

hohen Kosten, obwohl dem zuständigen preußischen

Ministerium bereits 1902 ein Antrag auf einen staatli-

chen Zuschuss in Höhe von 10.000 Mark vorlag.363

360 LHA-539, 1, 549: Die Kanalisation in Güls. 361 LHA-403, 7753: Verzeichnis der Anträge auf Gewährung von Beihil-fen zum Bau von Wasserleitungen, 1903/1904. 362 LHA-403, 7763: Verzeichnis der von den Regierungspräsidenten beantragten Beihilfen zur Anlage von Wasserleitungen, S. 160ff. 363 Vgl. Möhlig, Karl, Die Gemeindebrunnen in Alt-Güls, in: Brunnen-buch. Hg. anlässlich der Eröffnung des Gülser Dorfbrunnens. Ein Beitrag zur Geschichte des Stadtteils Güls, Koblenz 1989, S. 27ff.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 215 ______________________________________________________________________________

Abbildung 63: Der Moselstadtteil Lay im Sommer 2006.

Aufbauend auf den Planungen verhandelten am

15. Januar 1903 acht Gülser Bürger und Grund-

eigentümer die Möglichkeit, die Wasserfassungen in

den Sosemer Wiesen und am Schleiderborn anzule-

gen, einen Hochbehälter am Schleiderkopf zu erstel-

len und die Verlegung der Versorgungsleitungen in

ihren Grundstücken zu dulden.364 In der Folge ent-

stand die erste zentrale Versorgung für Güls mit

Quellwasser, Gussrohre wurden verlegt. Im Einzelnen

waren dies 2,1 Kilometer für Quellleitungen, 1,2

Kilometer vom Hochbehälter bis in die Ortslage und

zur Verteilung im Ort 4,2 Kilometer mit 61 Hydran-

ten. Die Finanzierung brachte für die Gülser nicht die

befürchteten Belastungen. Die Gemeinde nahm bei

der Landesbank einen Kredit in Höhe von 90.000

Mark auf.365 Größter Wert wurde dabei dem notwen-

digen Ausbau der „Sickergalerien“ beigemessen, eben-

so dem Hochbehälter am Schleiderkopf, der mit ei-

nem Fassungsvermögen von 100 Kubikmetern Inhalt

ausgelegt wurde. Auch heute noch sind diese Quell-

fassungen in Betrieb, und Teile der Quellzuleitungcn

von 1903 dienen nach 85 Jahren Betriebszeit immer

noch der Wassergewinnung.

In der Vergangenheit kam es wiederholt zu kritischen

Situationen in der Wasserversorgung, so am 16. Mai

1932, als nach einem Wolkenbruch am Pfingstmon-

tag Wasser in die Quellfassungen von Schleiderborn

und Sosem eindrang. Die Quellsammelstuben waren

364 Die Details über die Geschichte der Gülser Wasserversorgung wurden entnommen aus: Heuser, Trinkwasser, S. 7ff. 365 LHA-403, 7753: Verzeichnis der Anträge auf Gewährung von Beihil-fen zum Bau von Wasserleitungen.

verschlammt, ebenso die Rohrleitungen bis hin in den

Behälter Schleiderkopf. Wegen der verunreinigten

Quellen musste die Bevölkerung ein wochenlanges

Abkochgebot befolgen, um hygienische Beein-

trächtigungen zu vermeiden. Auch im Zweiten Welt-

krieg wurde die Wasserversorgung erheblich beein-

trächtigt. Die Hauptfallleitung zum Ort wurde

mehrmals zerstört, und auch in der Ortslage selbst

waren alle Leitungen betroffen, sodass es der Ge-

meinde Güls nicht mehr gelang, die Wasserversor-

gung selbstständig aufrechtzuerhalten.

Der nach der Erweiterung von 1955 noch bis 1976

betriebene alte Hochbehälter ist heute nicht mehr

erhalten. 1968/69 mussten Teile der Quelle Schlei-

derborn nach Beeinträchtigungen durch den benach-

barten Kiesabbau außer Betrieb genommen werden,

da ständige Trübfärbungen, aber auch erhebliche

bakteriologische Verunreinigungen auftraten.

8.5 Bisholder

Langsamer verlief die Entwicklung in Bisholder. Der

auf der Hochebene am Moseltal oberhalb von Güls

gelegene kleine Ort mit nur 148 Einwohnern war sehr

arm. Die Zwerggemeinde konnte sich wirtschaftlich

nicht mehr halten und sollte auf Betreiben des Land-

rates nach Güls eingemeindet werden. Diese Gemein-

de verlangte jedoch den Aufbau einer zentralen Was-

serversorgung für Bisholder. Dazu wären aber Beihil-

fen und ein Darlehen notwendig gewesen.366

366 LHA-403, 15480, S. 513: Auflistung für das Rechnungsjahr 1928.

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216 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Der Bau der Wasserleitung verzögerte sich deshalb

immer wieder, weil die Zuschüsse nicht flossen und

man wegen der geringen Leistungsfähigkeit von

Bisholder keine Beschleunigung der Angelegenheit

erwarten konnte. Erst nach dem Problemsommer

1928 kam Bewegung in die Sache. Die bereits

bestehenden Entwürfe wurden wesentlich verändert,

die Ausführung für das kommende Jahr in Aussicht

gestellt. Im Dezember 1929 war das Werk

weitestgehend vollendet. Außerdem hatte der Staat

der Gemeinde Zuschüsse von insgesamt mehr als

7000 Reichsmark gewährt.367

8.6 Moselweiß

Die Geschichte der Wasserversorgung in Moselweiß

ist schnell erzählt. Das Dorf gehörte von 1902 an zu

Koblenz und wurde – wie ein Blick in die Verwal-

tungsberichte aus den ersten Jahren des 20. Jahrhun-

derts zeigt – relativ früh an das städtische Versor-

gungsnetz angeschlossen. Ein erster Antrag zum An-

schluss an die neue Koblenzer Wasserleitung, war

schon 1895 erfolgt. Noch früher, nämlich im März

1888, hatte Georg Schmitzer die Genehmigung erhal-

ten, eine eigene Wasserleitung zu errichten, die „an

den nach dem Kemperhofe führenden Weg liegenden

Hydranten angeschlossen werden sollte“.368

8.7 Lay

Über die erste Wasserleitung in Lay gibt es nur sehr

knappe Informationen. So enthält zum Beispiel ein

Brief des preußischen Ministeriums für Landwirt-

schaft, Domänen und Forsten an das Oberpräsidium

vom 24. April 1908 einen Hinweis auf die hohen

Kosten der Vorarbeiten wegen der erforderlichen

Schürfungen und Tiefbohrungen.369 Auch in den Be-

zuschussungslisten für die Jahre 1907 und 1908 wer-

den Projekte in Lay benannt.370

367 LHA-539, 1, 1049: Bewilligungsbescheide, Dezember 1929 bis Februar 1930. LHA-539, 1, 1049: Brief des Amtsbürgermeisters in Winningen an die Vorgängerbehörde des späteren Wasserwirtschaftsam-tes, 28. November 1929. 368 LHA-655, 18, 1072: Gesuch, 8. März 1888. 369 LHA-403, 7757: Anlage von Wasserleitungen 1907/1908, S. 275. 370 LHA-403, 7757, S. 227.

8.8 Bubenheim und Rübenach

Nach einem Vertrag von 1919 hatte Bubenheim 5000

Mark an Rübenach gezahlt und damit für alle Zeiten

das Recht des Überlaufs erworben.371 Der Gemeinde

standen nämlich keine eigenen Quellen zur Verfü-

gung, sodass sie auf das Entgegenkommen des Nach-

bardorfs angewiesen war. Der Vertrag war übrigens

nachts um drei Uhr in einer Gaststätte zustande ge-

kommen und musste daher noch nachträglich aner-

kannt werden.372

Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte es sich jedoch,

dass es in Rübenach kaum möglich war, den eigenen

Wasserbedarf zu decken. Die Ergiebigkeit der ge-

meindeeigenen Quellen war zurückgegangen, umge-

kehrt proportional nahm die Bevölkerung zu. Fortan

war es kaum mehr möglich, Bubenheim mit Wasser

zu beliefern. Der Bubenheimer Gemeinderat unter

Führung von Bürgermeister Casper war daher be-

strebt, durch Bohrungen innerhalb des Ortes Wasser-

quellen zu finden, die eine Selbstversorgung ermög-

lichten. Im Sommer 1951 hatte man Erfolg: Auf dem

Platz des ehemaligen Gemeindebrunnens wurde eine

Wasserader entdeckt, die nur 90 Meter vom bestehen-

den Rohrsystem entfernt lag.373 Die Verantwortlichen

entschlossen sich zur Anlage eines 24 Meter tiefen

Brunnens, der Anfang 1952 fertiggestellt wurde. Mit der

Abteufung dieses Brunnens war auch der Bau eines

kleinen Wasserwerkes mit einer elektrischen Kreisel-

pumpe verbunden.374 Der Probelauf begann im Januar

1952. Bis das neue Werk jedoch die Wasserversorgung

im ganzen Ort sicherstellte, sollte es noch einige Monate

dauern. Noch im März wurde der Großteil des Dorfes

weiterhin über Rübenach beliefert.375

371 Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, 24. Juli 1951. 372 Rhein-Post, 31. Januar 1952. 373 Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, 16. August 1951. 374 Rhein-Post, 3. März 1952. 375 Rhein-Zeitung, Ausgabe Koblenz, 7. März 1952.

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Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 217 ______________________________________________________________________________

Abbildung 64: Oberlahnstein im Sommer 1998. Gegenüber: der Koblenzer Stadtteil Stolzenfels.

9. Lahnstein

uch der Wasserbedarf der Bewohner von Ober-

und Niederlahnstein wurde in früheren Zeiten

durch Brunnen gedeckt. Um 1820 nahm Oberlahn-

stein seinen Bürgern die Sorge um das Trinkwasser

ab. Die Stadt ließ vier neue Brunnen anlegen, in

der Junkersgasse, am Viehtor, am Pfarrhaus (jetzt

Rathaus) und an der späteren Steinschule. Auch am

„Mineralschwefelbrunnen oberhalb der Stadt“ ent-

stand in dieser Zeit ein Brunnen. 1844 wurden am

Viehtor Ziehbrunnen und am Rathausbrunnen

Doppelpumpen installiert.

Der Rathausbrunnen hat eine große Tradition, die

bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts zurückreicht.

1844 vernichtete ein Feuer den Holzaufbau, 1937

stellte man den heutigen Aufbau nach einem alten

Stich in den ursprünglichen Maßen wieder her. Ge-

legentlich dient er immer noch als „Weinbrun-

nen“.376 Bei den Brunnen in Nieder- und Oberlahn-

stein handelte es sich zumeist um Sauerbrunnen.

Die Stadt ließ deshalb immer wieder nach „süßen

Quellen“ suchen. Seit 1738 ist auch eine Quelle am

Spießborn im Stadtwald bekannt. 1855 wurde sie

neu hergerichtet und in Gegenwart vieler Lahnstei-

ner vom Pfarrer eingesegnet. Für das Vieh legte

man ebenfalls eine Leitung an. Auch wurde der

Weiher wiederhergestellt.377

376 Alle Angaben zur Lahnsteiner Wasserversorgung wurden übernom-men aus: Lahnstein, 125 Jahre Gasversorgung, 100 Jahre Wasserversorgung. 377 Zur Geschichte der Wasserversorgung in Lahnstein: Geschichte der Stadt Lahnstein. Von Fritz Michel, weitergeführt von Peter Bucher. Hg. im Auftrag der Stadt Lahnstein von Franz-Josef Heyen, Lahnstein 1982, S. 123 und 222f. Geschichte der Stadt Niederlahnstein. Von Fritz Michel, Niederlahnstein 1954, S. 71.

A

Page 72: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

218 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 65: Blick auf Niederlahnstein (Bildmitte) im Sommer 1998.

9.1 Wasserwerk Oberlahnstein

Nachdem die Bürger am Rhein-Lahn-Eck bereits

ein Vierteljahrhundert lang das in der Wilhelmstra-

ße erzeugte Gas zu Koch- und Beleuchtungszwe-

cken benutzt hatten, erbaute 1889/90 der Ingenieur

Max Hessemer aus Bad Ems im Auftrag der Stadt

Oberlahnstein auf dem Hafendamm an der Lahn-

mündung ein Wasserwerk. Er betrieb es bis 1898 in

eigener Regie.

Aus alten kolorierten Zeichnungen, die sich im Ar-

chiv der Stadt Lahnstein befinden und hand-

schriftliche Sichtvermerke der Königlich Preu-

ßischen Regierungsbehörde in Wiesbaden tragen,

wissen wir genau, wie diese Anlage damals aussah:

Der Brunnen war neun Meter tief und in unmittel-

barer Nähe des Rheines angelegt. Das Gebäude ent-

hielt neben einer Werkstatt und einer Wohnung für

den Maschinenmeister eine Halle mit einem 4,50

Meter tiefen, wasserdichten Schacht, über dem zwei

Gasmotoren betrieben wurden. Die beiden Aggrega-

te waren durch die Deutzer Gasmotorenfabrik gelie-

fert worden und hatten eine Leistung von zehn „ef-

fektiven Pferdestärken“ bei 140 Umdrehungen in

der Minute. Das für den Betrieb benötigte Leuchtgas

wurde über eine 700 Meter lange Gussrohrleitung

herangeschafft. Die ganze Anlage hatte für die dama-

lige Zeit bereits eine enorme Leistungsfähigkeit. Sie

konnte 60 Kubikmeter Wasser in den Hochbehälter

am Friedhofsberghang pumpen. Dieser lag 2.300

Meter entfernt und 60 Meter höher als das Wasser-

werk am Hafen. Nicht ohne Grund waren die Stadt-

väter auf das Wasserwerk dermaßen stolz, dass sie

1896 aus Anlass des Nassauschen Städtetages, der in

Oberlahnstein stattfand, eine Festschrift mit dem

Titel „Die Pumpstation für das Wasserwerk in Ober-

lahnstein“ drucken ließen. Darin wurde die gesamte

Anlage in allen Einzelheiten beschrieben.

9.2 Trinkwasser in Niederlahnstein

Über die Wasserversorgung in Niederlahnstein lie-

gen nur wenige ausführliche Quellen vor. Fritz Mi-

chel erwähnt in seiner Stadtgeschichte, dass hier

1888 eine erste Wasserleitung angelegt wurde. Auch

hier war Max Flessemer aus Bad Ems der ausfüh-

rende Ingenieur. Im Gegensatz zu Oberlahnstein

handelte es sich hier um eine Quellwasserleitung,

die eine Quelle im Walddistrikt „Bug“ speiste. Erst

als sich herausstellte, dass die neue Einrichtung we-

Page 73: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein 219 ______________________________________________________________________________

gen des steigenden Trinkwasserbedarfs nicht mehr

genügte, entschied man sich für den Bau eines

Grundwasserwerkes. Dieses wurde 1895 von der

Ehrenbreitsteiner Firma Lenarz an der Lahn „Unter

Bee“ errichtet.

Die Quelle Bug befindet sich oberhalb der Ru-

pertsklamm und trägt wegen ihrer guten Was-

serqualität – wenn auch im bescheidenen Maße –

auch heute noch zur Wasserversorgung von Lahn-

stein bei. Die Gemarkung „Unter Bee“ deutete dar-

auf hin, dass der Standort dieses ersten Nieder-

lahnsteiner Wasserwerkes derselbe ist, an dem noch

in jüngerer Vergangenheit das Wasserwerk an der

Emser Landstraße betrieben wurde.

9.3 Friedrichssegen

Über die Ursprünge der Wasserversorgung im

Ortsteil Friedrichssegen gibt es nur spärliche In-

formationen. Der Ort bestand im vergangenen

Jahrhundert aus vier kleinen Ansiedlungen, die

durch den Bergbau in diesem Seitental der Lahn

entstanden waren. Der Grubenbetrieb bestimmte

hier das Leben der Menschen. Bereits 1882 wurde

eine Wasserversorgung eingerichtet, bei der das

Wasser von den Quellfassungen über zwei Sammel-

behälter in das Ortsnetz eingespeist wurde. Welche

Quellen benutzt wurden und wo der Standort der

Sammelbehälter lag, ist nicht festgehalten. Jedoch

ist es durchaus denkbar, dass die in Friedrichssegen

stillgelegten Wasserversorgungseinrichtungen in der

oberen Erzbachstraße mit den historischen Anlagen

identisch sind.

9.4 Die weitere Entwicklung

Seit dem 1. Januar 1943 liegt die Betriebsführung

der Oberlahnsteiner Wasserversorgung in den Hän-

den der Energieversorgung Mittelrhein. Schon vor-

her, und zwar 1938, war die alte Pumpstation an

der Lahnmündung infolge der Hafenveränderung

geschlossen worden. Erst 1956 folgte der Abbruch.

In der Nähe der Martinsburg entstand ein neuer

Brunnen. Ebenfalls 1956 wurde in der Grenbach

über einem 1938 errichteten Schachtbrunnen ein

weiteres Pumpwerk gebaut. Die Entwicklung der

Wasserversorgung hielt Schritt mit der Ausdehnung

der beiden Städte diesseits und jenseits der Lahn-

mündung. Dies bedurfte oftmals großer An-

strengungen. So wurden im Laufe der Jahre einige

neue Brunnen niedergebracht, um den Wasserbe-

darf der Bevölkerung zu decken. Gebäude und An-

lagen wurden errichtet, um das gewonnene Wasser

aufzubereiten, neue Hochbehälter gebaut, um den

Bürgern auch an entlegenen Stellen der Stadt fri-

sches Trinkwasser mit ausreichendem Druck anbie-

ten zu können.

Der Zweite Weltkrieg hinterließ auch an den Was-

serversorgungsanlagen in Oberlahnstein seine Spu-

ren. Viele Leitungen wurden zerstört und mussten

unter damals schwierigen wirtschaftlichen Verhält-

nissen oftmals notdürftig repariert werden. Neben

den Kriegsschäden machten sich auch allmählich

Alterserscheinungen an den Hauptrohren bemerk-

bar. Vor allem in den 50er- und 60er-Jahren stan-

den die Sanierungsarbeiten im Vordergrund. Fast

das ganze Ortsnetz wurde im Laufe der Jahre durch

neue Leitungen ersetzt.

Mit dem Zusammenschluss der beiden Städte Ober-

und Niederlahnstein zur Stadt Lahnstein erfolgte

auch die Verbindung der Wasserleitungssysteme

durch eine Brückenleitung. Auch die Ortsversor-

gung von Friedrichssegen wurde über eine Zubrin-

gerleitung an den Stadtteil Oberlahnstein ange-

schlossen. Diese Maßnahme war nur im Zuge der

Erschließung des Kurgebietes auf der Lahnhöhe

möglich. Gemeinsam mit dem Ausbau der Wasser-

versorgung für diesen hoch gelegenen Stadtteil

wurde der Hochbehälter „Lahnhöll“ mit 800 Ku-

bikmetern Inhalt errichtet, der auch Trink- und

Brauchwasser für den Stadtteil Friedrichssegen vor-

hält. Mit einer Trinkwasserleitung durch den „Süß-

grund“ und zwei Druckminderschächten wurde die

Wasserversorgung sichergestellt (1973/74).

Page 74: Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein · Teil 3 Reines Wasser für Koblenz und Ehrenbreitstein Abbildung 36: Die ehemalige Residenzstadt Ehrenbreit-stein. Hier reichen

220 Teil 3 ______________________________________________________________________________

Abbildung 66: Das 1787 im Auftrag des kurfürstlichen Hofrates Franz Joseph Schmitz nach Plänen von Peter Joseph Krahe unter Leitung von Johann Andreas Gaertner vollendete Stadttheater im Mai 2007. Davor der am 23. November 1791 eingeweihte Brunnenobelisk der kurfürstlichen Wasserleitung. Der „Clemensbrunnen“ wurde 1970 an seinen heutigen Standort versetzt.