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3 Teil I Wissenschaftliches Arbeiten – Worauf kommt es an? * Grundlegend wichtig für die Qualität wissenschaftlicher Ar- beit ist die Beachtung international anerkannter Spielregeln und Qualitätskriterien. Die sorgfältige Einhaltung der wis- senschaftlichen Konventionen erleichtert es, neue Erkennt- nisse zu gewinnen und macht Wissen weltweit nutzbar. Sie haben sich für ein Studium entschieden und damit ein Tor zum wertvollsten Wissen Ihres gewählten Fachgebietes aufgestoßen: Schritt für Schritt können Sie sich immer mehr Kenntnisse und nützliche Fertigkeiten aneignen. Grundle- gend wichtig ist dabei die Einhaltung der »Spielregeln des wissenschaftlichen Arbeitens«. Deren Beherrschung ist die Voraussetzung für ein erfolgrei- ches Studium und vorteilhaft für Ihr berufliches Fortkom- men. Die Spielregeln und Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens sind sozusagen ab sofort Ihr »geistiges Hand- werkszeug«. Mit diesem Handwerkszeug können Sie Ihre Gedanken ordnen, Ihr Material strukturieren, leichter zu eigenen Erkenntnissen gelangen, kleine oder auch epochemachende Problemlösungen her- vorbringen, diese nachvollziehbar beschreiben, begründen und für die Öffentlichkeit überzeugend darstellen. Die Anwendung der Spielregeln und Methoden des wissen- schaftlichen Arbeitens sichert die Qualität Ihrer Arbeit und erleichtert Ihnen die Entwicklung Ihrer wissenschaftlichen Artefakte, wie z. B. Haus- und Seminararbeiten, Präsentatio- nen und die Abschlussarbeit (Bachelorarbeit, Masterarbeit, Diplomarbeit, Dissertation). Zugleich erwerben Sie Fähigkei- ten, die Ihnen dauerhaft in Studium und Beruf von Nutzen sind.

Teil I Wissenschaftliches Arbeiten – Worauf kommt es an? · DFG hat 1998 sechzehn Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis veröffentlicht [DFG98]. Machen Sie

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Teil I WissenschaftlichesArbeiten – Worauf kommtes an? *

Grundlegend wichtig für die Qualität wissenschaftlicher Ar-beit ist die Beachtung international anerkannter Spielregelnund Qualitätskriterien. Die sorgfältige Einhaltung der wis-senschaftlichen Konventionen erleichtert es, neue Erkennt-nisse zu gewinnen und macht Wissen weltweit nutzbar.

Sie haben sich für ein Studium entschieden und damit einTor zum wertvollsten Wissen Ihres gewählten Fachgebietesaufgestoßen: Schritt für Schritt können Sie sich immer mehrKenntnisse und nützliche Fertigkeiten aneignen. Grundle-gend wichtig ist dabei die Einhaltung der »Spielregeln deswissenschaftlichen Arbeitens«.

Deren Beherrschung ist die Voraussetzung für ein erfolgrei-ches Studium und vorteilhaft für Ihr berufliches Fortkom-men. Die Spielregeln und Methoden des wissenschaftlichenArbeitens sind sozusagen ab sofort Ihr »geistiges Hand-werkszeug«.

Mit diesem Handwerkszeug können Sie

� Ihre Gedanken ordnen,� Ihr Material strukturieren,� leichter zu eigenen Erkenntnissen gelangen,� kleine oder auch epochemachende Problemlösungen her-

vorbringen,� diese nachvollziehbar beschreiben, begründen und� für die Öffentlichkeit überzeugend darstellen.

Die Anwendung der Spielregeln und Methoden des wissen-schaftlichen Arbeitens sichert die Qualität Ihrer Arbeit underleichtert Ihnen die Entwicklung Ihrer wissenschaftlichenArtefakte, wie z. B. Haus- und Seminararbeiten, Präsentatio-nen und die Abschlussarbeit (Bachelorarbeit, Masterarbeit,Diplomarbeit, Dissertation). Zugleich erwerben Sie Fähigkei-ten, die Ihnen dauerhaft in Studium und Beruf von Nutzensind.

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4 Teil I Wissenschaftliches Arbeiten – Worauf kommt es an? *

In diesem Buch

� lernen Sie die Qualitätskriterien für wissenschaftlicheWerke und Arbeitsprodukte kennen,

� lernen Sie, ihre Arbeit gut zu organisieren und die be-währten Methoden wissenschaftlichen Arbeitens nutz-bringend einzusetzen,

� erhalten Sie eine Menge Tipps, Mustervorlagen und Ar-beitshilfen für die Erstellung eigener wissenschaftlicherArtefakte.

In diesem Buchteil I werden folgende Themen behandelt:

� »Was ist Wissenschaft?«, S. 5� »Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien«, S. 9� »Forschen – aber wie?«, S. 43� »Exkurs 1: Methoden in den Humanwissenschaften«,

S. 55� »Exkurs 2: Methoden der Wirtschaftsinformatik«, S. 71� »Quellen recherchieren, bewerten und richtig zitieren«,

S. 75� »Ordnen, lesen, Inhalte kennzeichnen«, S. 141

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2 Was ist Wissenschaft? *In der Wissenschaft wird Wissen in organisierter Form ge-sammelt, erweitert und veröffentlicht. Dabei findet ein re-ger Austauschprozess statt, häufig weltweit und interdiszi-plinär. Wer wissenschaftlich arbeitet, muss die Qualität dereigenen Arbeit sichern und für die Verständlichkeit der In-halte eigener Veröffentlichungen sorgen. Ziel ist es dabei,die eigenen Erkenntnisse und Ergebnisse für andere Wis-sensarbeiter nutzbar zu machen.

Wissen in organisierter Form erwerben,vermehren, weitergeben

»Wissenschaft« – »wissenschaftliches Arbeiten« Was istWissenschaft?Was ist das? Worauf kommt es an?

Eine kurze Definition lautet:

Die Wissenschaft ist eine »(organisierte) Form der Er- Definition

forschung, Sammlung und Auswertung von Kenntnissen«[Pfei95, S. 1575].

Durch wissenschaftliche Arbeit machen Sie sich mit den Wis-sensschätzen in Ihrem Fachgebiet vertraut. Darauf aufbau-end können Sie neues Wissen und neue Produkte schaffen(Wissenschaft: Wissen-schaffen / sich mit Wissen beschäfti-gen).

Zugleich trainieren Sie eine Reihe von Fertigkeiten:

� Informationen sammeln: Zusammentragen, auswählen,ordnen, verdichten, strukturieren, systematisieren, an-reichern.

� Gegenstandsbereiche erforschen und durchdringen:Suchfragen stellen, untersuchen, analysieren, experi-mentieren, Hypothesen und Theorien bilden und prü-fen.

� Material auswerten, erweitern, weitergeben: Konzepteund Entwürfe entwickeln, Lösungsstrategien anwenden,Ergebnisse beschreiben, begründen, diskutieren und ver-öffentlichen.

Um sich die Arbeit zu erleichtern und die Qualität der eige-nen Arbeitsprodukte zu sichern, sollten Sie in organisierter

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6 2 Was ist Wissenschaft? *

Form vorgehen: strukturiert und systematisch, nach vorge-gebenen Qualitätskriterien und einem selbst erstellten Ab-laufplan.

Diese Aussagen erlauben folgende Definition:

Wissenschaftliches Arbeiten ist planvoll geordnetesDefinition

Vorgehen mit dem Ziel, neue Erkenntnisse und neues Wis-sen zu gewinnen sowie Praxisprobleme zu lösen. Dieskann ohne oder mit konkreten Verwertungsabsichten ge-schehen, im eigenen Fachgebiet oder interdisziplinär. Zurwissenschaftlichen Arbeit gehört es, an das weltweit ge-sammelte und wissenschaftlich erworbene Wissen an-zuknüpfen, vorhandene Wissensbestände zu analysierenund zu überprüfen und sich über den aktuellen Standder wissenschaftlichen Diskussion im eigenen Sachgebietkundig zu machen. Wissenschaftliches Arbeiten ist zu-gleich ein kommunikativer Prozess. Die eigenständig undim Austausch mit anderen gewonnenen Erkenntnisse so-wie die systematisch und kreativ entwickelten Lösungenwerden veröffentlicht und müssen für andere nachvoll-ziehbar, überprüfbar und nutzbar sein. Damit dies ge-lingt, gibt es wissenschaftliche Methoden und internatio-nal anerkannte Qualitätskriterien für gutes wissenschaft-liches Arbeiten. Jeder, der eine wissenschaftliche Arbeitanfertigt, muss sich daran orientieren und kann auf dieseWeise die Qualität seiner Arbeit für sich und andere si-chern und dazu beitragen, den Wissensschatz der Welt zuerweitern.

Zum wissenschaftlichen Arbeiten gehört demnach

� der Zugriff auf einen bereits vorhandenen Wissens-schatz, die Verknüpfung von eigenem und fremden Wis-sen und die Suche nach neuen Erkenntnissen,

� eine Auseinandersetzung mit dem gewonnenen Materialin einem analytischen und kreativen Prozess sowie

� die Entwicklung von Arbeitsprodukten, deren Präsenta-tion und Veröffentlichung in nachvollziehbarer und ver-ständlicher Form.

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2 Was ist Wissenschaft? * 7

Voneinander lernen – weltweiter Austausch

In der Wissenschaft wird Wissen erworben, vermehrt undweitergegeben. Wissen wird transportiert – von einem Kopfzum anderen – interdisziplinär, interkulturell, internatio-nal. Wissenschaftlich arbeiten bedeutet: Lernen, Konstru-ieren, Fortschreiten. Dabei ist es wichtig, die internatio-nal anerkannten, wissenschaftlichen Spielregeln und »Quali-tätskriterien«, S. 9, zu beachten. Denn nur wertvolles undnach wissenschaftlichen Kriterien geprüftes Wissensoll nutzbar gemacht werden.

»An jedem Ort der Welt sind die Regeln, wie man vernünf- Zitat

tig wissenschaftlich arbeitet, insgesamt gesehen dieselben,gleichgültig, auf welchem Niveau man arbeitet oder wiekompliziert die Angelegenheit ist« [Eco05, S. IX].

Nutzen stiften

Die von Ihnen erstellten wissenschaftlichen Artefakte sol- Artefakt: Dasdurch mensch-liches KönnenGeschaffene

len Ihnen und anderen von Nutzen sein! Sie können spä-ter bei Bedarf auf Ihre selbst erstellten Werke zugreifenund langfristig die erlernten wissenschaftlichen Methoden,Denk- und Handlungsstrategien anwenden.

»Eine solche Arbeit schreiben, bedeutet also zu lernen, in Zitat

die eigenen Gedanken Ordnung zu bringen und Angaben zuordnen: es ist das Erfahren der methodischen Arbeit; d.h.es geht darum, einen »Gegenstand« zu erarbeiten, der imPrinzip auch für andere nützlich sein kann. Und darum istdas Thema der Arbeit weniger wichtig, als die Erfahrung, diesie mit sich bringt« [Eco05, S. 12].

Dies ist Ihre Chance, zur Vermehrung des Wissens in IhremSachgebiet beizutragen. Ihre Kommilitonen und andere in-teressierte Personen sollen aus Ihren Arbeiten lernen kön-nen. Auch die Industrie und die Öffentlichkeit können vonIhren Werken (schriftliche Hausarbeiten, Abschlussarbeiten,Konzepte, Entwürfe, Softwareprogramme) profitieren.

»Wissenschaft ist – wie Kunst – in erster Linie ein Kulturgut, Zitat

ein Ausdruck der menschlichen Geistestätigkeit und schöp-ferischen Phantasie; sie ist ein so wichtiges Kulturgut, dassihr Schutz ins Grundgesetz aufgenommen wurde« [Cram88,S. 113].

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3 Wissenschaftlichkeit:Qualitätskriterien *

Nachvollzieh-

barkeit

Originalität

Logische Argumentation

Relevanz

Verständlichkeit

Validität

Reliabilität

Überprüfbarkeit

Ehrlichkeit

Objektivität

Wissenschaft-liche Qualitäts-

kriterien

Nachvollzieh-

barkeit

Originalität

Logische Argumentation

Relevanz

Verständlichkeit

Validität

Reliabilität

Überprüfbarkeit

Ehrlichkeit

Objektivität

Wissenschaft-liche Qualitäts-

kriterien

Die Wissenschaft stellt einen riesigen Schatz an systema-tisch geordnetem Wissen bereit. Weltweit kann man daraufzugreifen, daraus lernen und neue Erkenntnisse gewin-nen. Man kann mit anderen, wissenschaftlich arbeitendenMenschen kommunizieren und gemeinsam das Wissen derMenschheit weiter entwickeln.

Damit nur hochwertiges Wissen erzeugt und als Grundlage geprüftes,hochwertigesWissenweitergeben

für weitere Arbeiten nutzbar gemacht wird, gibt es interna-tionale Standards für wissenschaftliche Qualität.

In Deutschland achtet die Deutsche Forschungsgemein-schaft e.V. (DFG) auf die Einhaltung der Spielregeln. Diessoll dazu beitragen, Täuschungen und Scharlatanerie, Irr-tümer und wissenschaftliche Fehlleistungen zu verhindern.Die Kommission »Selbstkontrolle in der Wissenschaft« der

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10 3 Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien *

DFG hat 1998 sechzehn Empfehlungen zur Sicherung guterwissenschaftlicher Praxis veröffentlicht [DFG98].

Machen Sie sich im Folgenden mit den wissenschaftlichenStandards vertraut, um zu erkennen, wie schlechte Ergeb-nisse und Fehlleistungen zu Stande kommen und zu lernen,wie man hochwertige Arbeiten entwickeln kann. Ab sofortkönnen Sie die bewährten wissenschaftlichen Qualitätskri-terien an Ihre eigenen Arbeiten anlegen und daraus Nutzenziehen: im Studium, bei der Abschlussarbeit und langfristigim Beruf.

10 grundlegende Qualitätskriterien sind für die wissen-Wissenschaft-lichkeit schaftliche Arbeit und die Erstellung Ihrer wissenschaftli-

chen Artefakte einzuhalten:

1 »Ehrlichkeit«, S. 102 »Objektivität«, S. 133 »Überprüfbarkeit«, S. 164 »Reliabilität«, S. 225 »Validität«, S. 236 »Verständlichkeit«, S. 267 »Relevanz«, S. 298 »Logische Argumentation«, S. 319 »Originalität«, S. 3710 »Nachvollziehbarkeit«, S. 40

3.1 Ehrlichkeit *Wer wissenschaftlich arbeitet, muss seine Beobachtungenund Erkenntnisse wahrheitsgemäß wiedergeben. Plagiate,Täuschungen, Datenmanipulationen und die Erfindung vonErgebnissen sind betrügerische Delikte, welche die eigeneGlaubwürdigkeit zerstören und Folgeschäden verursachen.

Ehrlichkeit macht glaubwürdig

Eine Reihe von Anforderungen ist zu erfüllen, damit eine Ar-beitsweise oder ein Artefakt als wissenschaftlich bezeichnetwerden kann. Zu den grundlegenden Normen zählt die Ehr-lichkeit.

»Wissenschaftliche Arbeit beruht auf Grundprinzipien, dieZitat

in allen Ländern und in allen wissenschaftlichen Disziplinen

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3.1 Ehrlichkeit * 11

gleich sind. Allen voran steht die Ehrlichkeit gegenüber sichselbst und anderen« [DFG98].

Verantwortung übernehmenAuf Ihre Ehrlichkeit kommt es an! Ihren Beschreibungen Ergebnisse

nutzbar machenund Ergebnissen muss man trauen können. Andere Men-schen wollen Ihre Ergebnisse weiter verwenden und sie alsAusgangsbasis für nachfolgende Arbeiten nutzen. Auch dergrößte Ehrgeiz rechtfertigt daher keine Täuschungen.

Wer wissenschaftlich arbeitet, ist verantwortlich für die In-halte seiner Artefakte. Täuschungen und ungerechtfertig-te »Datenanpassungen« verursachen Schäden: Es erfordertoft wochenlange Prüfungen, bis Fehler und Manipulationennachgewiesen werden. Andere Menschen, die ihre Arbeitenin der Zwischenzeit auf erfundenen Daten aufbauen, ver-schwenden ihre Kraft und ihre Zeit. Je nachdem, für welcheZwecke die manipulierten Ergebnisse nutzbar gemacht wer-den, kann es zu massiven Folgeschäden kommen. Der Ein-zelne und auch ganze Teams werden dafür zur Rechenschaftgezogen.

Abschlusszertifikate, Auszeichnungen und Doktortitel wer-den aberkannt und müssen zurückgegeben werden.

Irrtum

Dabei liegt nicht immer eine Täuschung vor. Menschen kön-nen sich auch irren.

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts verursachte der Phy- Beispiel

siker René Blondlot großes Aufsehen. Er glaubte festdaran, eine bis dahin unbekannte Strahlung entdeckt zuhaben. Sie erhielt den Namen »N-Strahlung«. Blondlot ver-öffentlichte zahlreiche Forschungsergebnisse (z. B. zumEinfluss der Strahlung auf Metalle und geometrische Kör-per). Andere Wissenschaftler schlossen sich begeistertan und beschrieben ihrerseits die Reaktionen der neuenStrahlung. Es kam zu einer Reihe von Veröffentlichungen.Allerdings gab es auch kritische Stimmen aus dem Wis-senschaftsbereich: Viele Wissenschaftler, die eine MengeZeit in die Nachbildung der Versuche investierten, konn-ten die Beobachtungen Blondlots nicht bestätigen. Diesen

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12 3 Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien *

Stimmen schenkte man zunächst kaum Aufmerksamkeit.Doch dann wurde immer offensichtlicher, dass die neueStrahlung tatsächlich überhaupt nicht existierte. Sie ent-puppte sich als eine subjektive Wahrnehmung Blondlots,als ein persönlicher »Irrtum.«

Erstaunlich war, dass sich andere Personen angeschlossenund ergänzende Beiträge zu Blonlots Beobachtungen gelie-fert hatten. Persönlicher Ehrgeiz rechtfertigt keine Unehr-lichkeit. Wer falsche Ergebnisse veröffentlicht oder unge-prüft weitergibt, handelt nachlässig, schadet seinem Ruf(und seiner Karriere) und verletzt die wissenschaftlichenSpielregeln.

Die kritische Überprüfung des menschlichen Wissens stehtneu erzeugtesWissen kritisch

überprüfenim Zentrum der Wissenschaft:

� Kern der Wissenschaftlichkeit ist die sorgfältige Über-prüfung von neuen (und auch alten) Erkenntnissen undErgebnissen.

� Möglichst frühzeitig soll der Wahrheitsgehalt festgestelltwerden. Nur gesichertes Wissen soll weitergegeben wer-den!

� Wissenschaftliche Methoden dienen vor allem auch derÜberprüfung und Sicherung des neu generierten Wis-sens.

»Wissenschaft ist eine Sammlung von Methoden, um sich beiZitat

der Prüfung von Vermutungen nicht zu täuschen« [Börd02,S. 19].

Ehrlichkeit gilt als eine Selbstverständlichkeit bei wissen-Plagiatenachweisen schaftlicher Arbeit. Dies gilt natürlich auch für die Be-

achtung der urheberrechtlichen Bestimmungen. Mit Hil-fe von Softwareprogrammen kann man heute Plagiatesehr schnell nachweisen. Bei einer Untersuchung (http://plagiat.fhtw-berlin.de/software/) von 14 Plagiaterkennungs-programmen an der Fachhochschule für Technik und Wirt-schaft in Berlin erzielten die Programme Ephorus (http://www.ephorus.de/) und Docol©c (http://www.docoloc.de/) diehöchsten Punktzahlen. Das Programm JPlag (https://www.ipd.uni-karlsruhe.de/jplag/) erlaubt es, Quellprogramme derProgrammiersprachen Java, C#, C, C++ und Scheme auf Pla-giate zu prüfen.

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3.2 Objektivität * 13

Ehrlichkeit schafft Glaubwürdigkeit und ist grundle-gend für die Qualität Ihrer wissenschaftlichen Artefakte undIhren persönlichen Erfolg. Ehrlichkeit – sich selbst und an-deren gegenüber – gilt nicht nur für die Ersteller von Arte-fakten. Ehrlichkeit wird auch von Prüfern und Begutachternerwartet.

»Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen ist eine Zitat

Grundbedingung dafür, dass neue Erkenntnisse – als vorläu-fig gesicherte Ausgangsbasis für weitere Fragen überhauptzustande kommen können. [...] Forschung im idealisiertenSinne ist eine Suche nach Wahrheit. Wahrheit ist unlauterenMethoden kategorial entgegengesetzt« [DFG98, S. 23].

1 Bin ich ehrlich in meinen Beschreibungen und Darstel-lungen?

2 Wie gehe ich mit Statistiken um?3 Bin ich ehrlich bei der Wiedergabe und Präsentation mei-

ner Arbeitsergebnisse?

3.2 Objektivität *Die Inhalte von wissenschaftlichen Artefakten sollen sach-lich, vorurteilsfrei und so neutral wie möglich sein. Persön-liche Gemütsregungen und Vorlieben des Erstellers werdennicht einbezogen. Denn die neutrale Haltung ist eine Vor-aussetzung dafür, dass sich andere Menschen mit den In-halten der Arbeit ungehindert und ohne Angst vor Manipu-lationen beschäftigen können.

Objektivität erfordert Selbstkontrolle

Wenn Sie ein wissenschaftliches Artefakt erstellen, dannmüssen Ihre Ergebnisse unabhängig sein von Ihren persön-lichen Vorlieben und Gemütsregungen, auch frei von politi-schen Zielen. (Nicht unabhängig von Ihrem Geist und IhremFachwissen.)

Der Leser/Begutachter soll nicht bedrängt oder durch Ma- persönlicheVorliebenzurückstellen

nipulation überredet werden, sondern sich ein eigenes Ur-teil bilden können. Objektivität erfordert Selbstkontrolle.Formulieren Sie Ihre Beschreibungen sachlich und neutral.

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14 3 Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien *

Nicht so: »Ich habe mit viel Mühe festgestellt, ...«, »IchBeispiel

meine aber schon lange, ...«,sondern so weit wie möglich unabhängig von Ihrer Per-son und auf der Grundlage von Belegen und logischenSchlussfolgerungen:»Wie das Beispiel zeigt, ...«,»Hier kann man beobachten, dass ...«,»Daraus ergibt sich, ...«

Der Leser/Begutachter eines Artefakts soll Schritt für SchrittIhrer Argumentation folgen können und zugleich frei dar-über nachdenken und ungehindert auch gegenteilige Über-legungen anstellen. Sie überzeugen ihn durch die RelevanzIhres Themas (siehe »Relevanz«, S. 29), die Auswahl IhrerDaten, eine logische Argumentation (siehe »Logische Argu-mentation«, S. 31) und nachvollziehbare sowie überprüfba-re Ergebnisse (siehe »Nachvollziehbarkeit«, S. 40 und »Über-prüfbarkeit«, S. 16).

Was kann die Objektivität behindern?

Was kann die eigene Objektivität behindern? Zum BeispielSchwachstellenerkennen Vorlieben, Vorurteile, Ressentiments, übergroßer Ehrgeiz,

Hoffnungen und ein eingeschränkter Blickwinkel. ErhöhteVorsicht ist geboten, wenn Sie der Meinung sind, dass Sieandere Menschen unbedingt von Ihren guten Vorstellungenüberzeugen wollen oder wenn Sie schon vor der Erstellungeines wissenschaftlichen Werkes glauben, das Endergebnisdetailgenau zu kennen.

»Hat der menschliche Verstand einmal eine Meinung ange-Zitat

nommen (sei es, dass es die herrschende ist, sei es, dass sieihm sonstwie angenehm ist), dann interpretiert er alle an-deren Dinge so, dass sie diese Meinung stützen und mit ihrübereinstimmen« [Salm83, S. 173].

Mögliche Fehlerquellen sind:

� Der Autor bringt sich immer wieder selbst ins Spiel.� Emotionale Formulierungen und eine unklare, vorurteils-

beladene Darstellung.� Eine bestimmte Denkrichtung ist nötig, damit man die

Inhalte nachvollziehen kann.

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3.2 Objektivität * 15

� Auslassen, was nicht ins Konzept passt; unerwünschteBeobachtungen oder Expertisen ignorieren; unvollstän-dige Darstellung unliebsamer Beobachtungen.

� Unvollständiges Zitieren; unrichtige Wiedergaben.� Nur Freunde dürfen mitmachen.� Manipulierte Ergebnisse; ungenau messende Instrumen-

te; unbegründete, den eigenen Wünschen entsprechendeSchlussfolgerungen; in eine gewünschte Zielrichtung in-terpretieren; persönliche und vorschnelle Wertungen oh-ne Belege.

Was können Sie tun? für Objektivitätsorgen� Die Inhalte neutral und vorurteilsfrei darstellen; die Pro-

blemsituation sachlich und klar beschreiben.� Möglichst unvoreingenommen die Quellen auswählen;

Einwände berücksichtigen; auch gegenteilige Meinungeneinbeziehen.

� Richtig und vollständig zitieren.� Für unabhängige Interviewer oder Beobachter sorgen.� Eine repräsentative Auswahl an Testpersonen oder Un-

tersuchungsobjekten treffen; eine ausreichend großeStichprobe vornehmen.

� Geeignete Methoden und Instrumente einsetzen.� Korrekte Datenauswertungen; Interpretationen und

Schlussfolgerungen; ehrliche Ergebnisbeschreibung.

Überzeugen Sie die Leser/Betrachter Ihrer Artefakte durcheine gute wissenschaftliche Qualität. Vermeiden Sie alle Ar-ten der Manipulation und geben Sie den Menschen genügendRaum für eigene Gedanken. Wo sich eine persönliche, wer-tende Stellungnahme nicht vermeiden lässt (oder vielleichtsogar erforderlich ist), machen Sie bitte deutlich, dass essich um eine persönliche Wertung handelt.

Wissenschaftliches Arbeiten ist eine Suche nach Wahrheitenund gesicherten Erkenntnissen. Objektivität beschreibtden Grad der Unabhängigkeit

� vom Ersteller einer wissenschaftlichen Arbeit:Ein hohes Maß an Objektivität liegt vor, wenn Ihre Er-kenntnisse und Ergebnisse auch unabhängig von IhrerPerson zustande kommen. Das bedeutet, dass andereMenschen an anderen Orten auf dem gleichen Wege zuden gleichen Resultaten kommen können.

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16 3 Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien *

Ein schwerer Mangel an Objektivität läge vor, wenn nurSie allein auf der Welt zu diesen Ergebnissen kommenkönnten.

� vom Auswerter/Gutachter:Ein hohes Maß an Objektivität liegt vor, wenn die Beur-teilung der Qualität Ihrer Arbeit unabhängig von der Per-son des Auswerters/Gutachters ist. Das bedeutet, meh-rere Gutachter kommen zu der gleichen Beurteilung.Ein schwerer Mangel an Objektivität läge vor, wenn nurein bestimmter Gutachter die Qualität Ihrer Ergebnissebestätigen könnte.

Einwand am Schluss: Ist Objektivität tatsächlich möglich?Kann man als Ersteller eines Artefakts tatsächlich neutralund wertfrei denken und argumentieren? Schließlich arbei-tet man mit Leidenschaft und hegt Wünsche und Ziele im ei-genen Fachgebiet. Da erscheint die Forderung nach Wertfrei-heit und Neutralität geradezu paradox. Was ist realistisch?Auf jeden Fall können Sie sich um einen möglichst ho-hen Grad an Objektivität bemühen und auf diese WeiseIhrer wissenschaftlichen Arbeit Qualität und Glaubwürdig-keit verleihen. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Aussagen sachlichund nachprüfbar, sorgfältig dokumentiert und nachvollzieh-bar sind. Das wird funktionieren.

1 Sind meine Ausführungen so weit wie möglich objektiv,vorurteilsfrei und sachlich?

2 Bleibt meine Haltung neutral?3 Inwieweit sind die Ergebnisse von mir ganz persönlich

beeinflusst?4 Wie gehe ich mit Widersprüchen und gegenteiligen Er-

kenntnissen um?5 Können auch andere Personen zu den Ergebnissen mei-

ner Arbeit kommen?

3.3 Überprüfbarkeit *Was verifiziert werden kann, gilt als vorläufig gesichert.Was nicht falsifizierbar und keiner Kritik zugänglich ist,hat keine wissenschaftliche Relevanz. Kritik und Widerle-gungsversuche ermöglichen Fehlerkorrekturen. Wiederhol-te Überprüfungen, die mit Änderungen und Verbesserun-

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3.3 Überprüfbarkeit * 17

gen einhergehen, führen schrittweise zu hochwertigen Lö-sungen.

Wissenschaftliches Arbeiten ist eine Suche nach gesicher- Überprüfbarkeitist zentralten Erkenntnissen. Die Überprüfbarkeit ist daher ein zentra-

les wissenschaftliches Qualitätskriterium. Wer ein wissen-schaftliches Artefakt erstellt, muss seine Hypothesen be-gründen, sein Vorgehen verständlich und nachvollziehbarbeschreiben und die Herkunft seiner verwendeten Materiali-en einwandfrei belegen.

Wissenschaftliche Aussagen müssen belegt werden. Alswahr oder gesichert gelten Erkenntnisse erst dann, wenn sievon anderen Personen (Gutachtern/Wissenschaftlern) über-prüft und bestätigt (verifiziert) worden sind. Zur Überprü-fung gehören

� die Nachbildung von Experimenten und Lösungswegen,� die Betrachtung der Herkunft des verwendeten Materials,� die Feststellung des Wahrheits- und Informationsgehal-

tes von Aussagen,� die Kontrolle von logischen Schlussfolgerungen,� die Kontrolle von Quellen,� die Kontrolle von Zwischen- und Endergebnissen.

Dies hilft, Irrtümer und Fehler rechtzeitig zu erkennen und falsifizieren,verifizierenfalsche Aussagen zu widerlegen (falsifizieren). Was untaug-

lich ist, wird verworfen. Man kann weitersuchen, bis eine Lö-sung gefunden wird, die man verifizieren (bestätigen) kann.

Werden Ergebnisse nicht oder nicht ausreichend geprüft,kommt es zu wissenschaftlichen Fehlleistungen und mas-siven Folgeschäden.

Conterganskandal: Das Medikament Contergan wurde Beispiel

Schwangeren in den 60er Jahren des letzten Jahrhundertsals Beruhigungsmittel empfohlen. Doch es verursachtebei Tausenden von Kindern schwere körperliche Fehlbil-dungen. Die Fehlleistung war, dass man die Wirkung desMedikaments vor der Markteinführung nicht sorgfältig ge-nug geprüft hatte.

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18 3 Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien *

Wissenschaftlich – Unwissenschaftlich

Wissenschaftliche Aussagen und Ergebnisse müssen über-Überprüfbarkeitals

Voraussetzungprüfbar sein. Was nicht überprüfbar ist, kann man nicht be-stätigen. Was nicht überprüfbar ist, kann man auch nichtwiderlegen (falsifizieren). Was nicht überprüfbar ist, gilt als»nicht-wissenschaftlich.«

Stellen Sie sich vor: Ein Kommilitone erzählt Ihnen, inBeispiel

Australien gäbe es Kängurus mit Leuchtdioden in den Oh-ren und blau-weiß gestreiften Ringelschwänzen. Sie wür-den Boxer-Shorts tragen und da sie sehr scheu seien, kön-ne man sie nicht sehen, nicht hören, nicht anfassen; mankönne sie auch nicht durch Hilfsmittel nachweisen. Aberes gäbe die Tiere, das stehe fest. – Dies ist vielleicht einefaszinierende Behauptung. Wenn sie mögen, können Siediese glauben. Aber die Aussage ist nicht überprüfbar:Man kann ihre Richtigkeit nicht belegen und bestätigen.Man kann die Aussage auch nicht widerlegen. Daher istsie nicht wissenschaftlich.

Dogmen, unüberprüfbare Gefühlsäußerungen und irrationa-le Aussagen sind wissenschaftlich nicht relevant.

Theorien und Lehren, die sich der Kritik und Überprü-fung entziehen, und damit den wissenschaftlichen Quali-tätsanforderungen nicht genügen, sind nicht-wissenschaft-lich. Wird ihnen dennoch ein wissenschaftlicher Anstrich ge-geben, spricht man von »Pseudowissenschaften«.

Wissenschaftliche Aussagen muss man widerlegen können.widerlegenkönnen Die Aussage »Alle Sterne heilen kranke Menschen« ist kei-

ne wissenschaftliche Aussage. Man möchte diese Aussagevielleicht gern glauben. Aber belegen kann man sie nicht.Man kann natürlich grundsätzlich jede Gesundung dem gu-ten Einfluss der Sterne zuordnen: Jedes Mal wenn jemandgesund wird, gilt die Theorie dann als bestätigt. Aber eskönnte auch niemand den Gegenbeweis bringen (zumal essich auch noch um eine All-Aussage, d. h. eine allgemeineAussage handelt).

Für wissenschaftliche Aussagen gilt die Regel: Wissen-schaftliche Theorien müssen an der Erfahrung schei-tern können.

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3.3 Überprüfbarkeit * 19

Karl Popper hat die Methode der Falsifikation als grund- falsifizierenkönnenlegend für die wissenschaftliche Arbeit beschrieben: Durch

Falsifikationsversuche/Widerlegungsversuche wird der Ge-halt von wissenschaftlichen Theorien sorgfältig überprüft.Man muss kritisieren und prüfen und damit auch widerle-gen können, um zu gesicherten Erkenntnissen zu gelangen.Mann muss Fehler, Täuschungen und Irrtümer aufdeckenkönnen, um Folgeschäden zu vermeiden und die Qualitätdes neu generierten Wissens für die weitere Nutzung zu si-chern.

»Was die wissenschaftliche Einstellung und die wissen- Zitat

schaftliche Methode von der vorwissenschaftlichen Einstel-lung unterscheidet, das ist die Methode der Falsifikati-onsversuche. Jeder Lösungsversuch, jede Theorie, wird sostreng, wie es uns nur möglich ist, überprüft. [...] Die Über-prüfung einer Theorie ist also ein Versuch, die Theorie zuwiderlegen oder zu falsifizieren« [Popp04, S. 26].

Vorläufige Wahrheiten

Die Wissenschaft sichert die Qualität ihrer Arbeit, indem sichschrittweise derLösungannähern

sie den Wahrheitsanspruch von Aussagen, Theorien und Er-gebnissen sehr sorgfältig prüft. Durch zahlreiche Widerle-gungsversuche gelangt man zu vorläufig gesicherten, wis-senschaftlichen Ergebnissen:

� Was der Prüfung nicht standhält, wird verworfen oder ge-ändert.

� Was der Prüfung standhält, gilt als »vorläufig gesichert«(vorläufige Wahrheit), d. h. es könnte im Prinzip irgend-wann doch noch widerlegt werden.

»Das bedeutet, dass keine wissenschaftliche Hypothese je- Zitat

mals vollständig als absolut wahr erwiesen ist. Wie sorg-fältig und umfassend man eine Hypothese auch überprüft,es besteht immer die Möglichkeit, dass sie später aufgrundneuer Erfahrungen als widerlegt aufgegeben werden muss«[Salm83, S. 236].

Kritische Überprüfungen, Fehlerkorrekturen

Was hat das mit Ihnen und Ihren Artefakten zu tun? aus der Kritiklernen

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20 3 Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien *

� Es gilt die Spielregel: Wer behauptet, muss Beweisebringen. »Die Beweispflicht liegt beim Behauptenden«[Börd02, S. 18]. Sparen Sie also nicht an der falschen Stel-le mit Begründungen, Nachweisen und Belegen, wenn Siedie Qualität Ihrer wissenschaftlichen Arbeit sichern wol-len.

� Die Anforderung, die eigenen Ergebnisse am Ende ei-ner wissenschaftlichen Arbeit kritisch zu kommen-tieren, zwingt Sie zu einer Änderung des Blickwinkels.Überlegen Sie dabei: Was könnten Kritiker zu Ihren Er-kenntnissen sagen? Wie werden Sie selbst dazu Stellungbeziehen?

� Gelegentlich kann man die gewonnenen Ergebnisse kurzvor der Fertigstellung der Arbeit einem ausgewähltenStudentenkreis präsentieren. Auch hier helfen Ihnenkritische Anmerkungen, bislang übersehene Schwächenund Unstimmigkeiten der Arbeit zu erkennen. So könnenSie aus der Kritik lernen und die Qualität Ihrer wissen-schaftlichen Artefakte vor der Abgabe noch verbessern.

� Nachdem Sie Ihre Arbeit anhand der wissenschaftlichenQualitätskriterien noch einmal gründlich überprüft undverbessert haben, werden Sie auf ein Abschlussge-spräch nach der Abgabe gut vorbereitet sein. Bei derVerteidigung Ihres Werkes können Sie noch einmal fest-stellen, ob die eigenen Hypothesen, Schlussfolgerungenund Ergebnisse den Zweifeln und Widerlegungsversu-chen standhalten.

Fehler sind ein Teil des Fortschritts.

»Die Fehlerkorrektur ist die wichtigste Methode der Techno-Zitat

logie und des Lernens überhaupt. In der biologischen Evolu-tion scheint sie die einzige Methode des Fortschritts zu sein.Man spricht mit Recht von der Methode, von Versuch undIrrtum, aber man unterschätzt dabei die Wichtigkeit des Irr-tums oder des Fehlers – des fehlerhaften Versuchs« [Popp04,S. 256].

Auch alte Theorien unter die Lupe nehmen

Auch alte Theorien können Sie im Rahmen von wissenschaft-lichen Arbeiten unter die Lupe nehmen und mit neuem Wis-sen verbinden. Fragen Sie sich dabei:

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3.3 Überprüfbarkeit * 21

� Was ist an den Werken und Ergebnissen der Vergangen-heit noch zeitgemäß?

� Was ist dabei für die Zukunft besonders relevant?� Was sollte man beibehalten?� Was muss man verwerfen oder an den Entwicklungsstand

des Fachgebietes anpassen?� Welche Lösungswege sind denkbar?

»Bei dem Studieren der Wissenschaften, besonders derer, Zitat

welche die Natur behandeln, ist die Untersuchung so nö-tig als schwer: ob das, was uns von altersher überliefertund von unsern Vorfahren für gültig geachtet worden, auchwirklich gegründet und zuverlässig sei, in dem Grade, dassman darauf fernerhin sicher fortbauen möge« [Goet1829,S. 1195].

Der Wissensschatz der Wissenschaft wird für uns und dienachfolgenden Generationen ständig überprüft, erweitertund aufgefrischt. Sie haben kostbares Material in Arbeit.

»Denn einige von uns versuchen, bewusst aus unseren Feh- Zitat

lern zu lernen. Das tun zum Beispiel alle Wissenschaftlerund Technologen und Techniker, oder wenn sie es nicht tun,so sollten sie es tun; denn genau darin liegt ihre beruflicheKompetenz« [Popp04, S. 256 f.].

Überprüfbarkeit herstellen

Wissenschaftliche Aussagen, Schlussfolgerungen und Ergeb-nisse müssen überprüfbar sein. Überprüfbarkeit können Siein Ihren wissenschaftlichen Artefakten herstellen, durch

� eine prinzipielle widerlegbare Formulierung der Kern-aussagen (Hypothesen),

� eine sorgfältige Dokumentation und Begründung derVorgehensweise,

� eine genaue und übersichtliche Darstellung der Zwi-schen- und Endergebnisse,

� die Beschreibung der eingesetzten Messinstrumente,Hilfsmittel und verwendeten Methoden,

� vollständige Quellenangaben und Belege über die Her-kunft der zugrunde liegenden Daten und

� Grafiken und Strukturbilder, Übersichten und Tabellen,die es dem Leser/Gutachter erleichtern, die Inhalte zuverstehen und den Prozess der Lösungsfindung nachzu-

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22 3 Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien *

vollziehen (siehe »Komplexe Inhalte anschaulich visuali-sieren«, S. 251).

»Nicht das Aufstellen von Vermutungen ist das WesentlicheZitat

der Wissenschaft, sondern deren Prüfung« [Börd02, S. 19].

1 Sind die Aussagen und Ergebnisse meiner wissenschaft-lichen Arbeit überprüfbar?

2 Ist es möglich, meine Aussagen zu widerlegen?3 Ist es möglich, meine Aussagen zu bestätigen?

3.4 Reliabilität *Ein hoher Grad an Reliabilität bedeutet, dass die Messin-strumente höchst zuverlässig messen und dass die gewon-nenen Messergebnisse stabil sind. Bei einer Wiederholungder Untersuchung mit den gleichen Geräten und Methodenmüssen andere Personen zu den gleichen Ergebnissen kom-men.

Stellen Sie sich vor: Sie argumentieren in Ihrer wissen-Beispiel 1

schaftlichen Arbeit ehrlich und objektiv. Sie verwendenbestes Datenmaterial. Sie gestalten Ihre Inhalte nachvoll-ziehbar und überprüfbar. Dennoch kommen Sie zu keinenbrauchbaren Ergebnissen. Bei jeder Wiederholung erhal-ten Sie andere Resultate.Woran kann das liegen?Möglicherweise taugen Ihre Instrumente nichts (techni-sche Geräte, Mikroskope, Computerprogramme). Sie rech-nen nicht genau oder messen unzuverlässig, weil sie z. B.verunreinigt, veraltet, fehlerhaft oder einfach ungeeignetsind.

Stellen Sie sich vor: Sie sollen einem sehr beleibten Men-Beispiel 2

schen den Bauchumfang messen. Zwei gleich lange In-strumente stehen Ihnen dazu zur Verfügung: ein Gummi-Maßband und ein Zollstock. Mit welchem Instrument er-reichen Sie einen höheren Grad an Messgenauigkeit?

Auf Messgenauigkeit kommt es an. Reliabilität ist ein ent-Mess-genauigkeit scheidendes Kriterium für die Qualität Ihrer Arbeit. Täu-

schungen und falsche Ergebnisse sollen vermieden werden.Alte, verkratzte optische Linsen liefern z. B. andere Bilder

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3.5 Validität * 23

als einwandfrei gereinigte. Beachten Sie bitte: Fehlerhafte In-strumente können auch Resultate vortäuschen.

Ein hoher Grad an Reliabilität bedeutet, dass die Messergeb- Zuverlässigkeit

nisse zuverlässig und stabil sind. Bei einer Wiederholungder Untersuchung (mit den gleichen Geräten und Methodenund unter gleichen Bedingungen) sollen andere Personen zuden gleichen Ergebnissen kommen. Was können Sie tun?

� Wählen Sie geeignete und passgenaue Instrumente fürIhre Arbeiten aus.

� Sorgen Sie dafür, dass die Instrumente funktionieren undexakt messen.

� Überlegen Sie sorgfältig, welche Methoden wirklich an-gemessen und geeignet sind, um stabile, zuverlässigeund wiederholbare Ergebnisse zu erhalten.

1 Messen die ausgewählten Instrumente genau?2 Arbeiten sie fehlerfrei?3 Sind die ausgewählten Methoden für diesen speziellen

Zweck geeignet?4 Sind die Ergebnisse stabil und zuverlässig, so dass man

bei einer Wiederholung der Verfahren zu den gleichenErgebnissen kommt?

3.5 Validität *Validität steht für den Grad der Genauigkeit, mit der ein zuprüfendes Merkmal tatsächlich geprüft wird.

Eine wichtige Frage zur Beurteilung der Qualität einer wis- Gültigkeit

senschaftlichen Arbeit lautet: Wird gemessen, was gemes-sen werden sollte?

Stellen Sie sich vor, Sie schreiben an einer Hochschule ei- Beispiel

ne Klausur. In den vorangehenden Vorlesungen erhieltenSie ein Skript mit allen wichtigen Inhalten und Lernzie-len. Dieser Lernstoff ist für Ihren Studienabschnitt vor-gesehen und wurde in den Vorlesungen auch behandelt.Die Klausur am Ende soll zeigen, ob Sie den Lernstoff be-herrschen. So jedenfalls hat man es Ihnen mitgeteilt. Siesitzen nun vor der Klausur und sind entrüstet, weil einDrittel der Klausurfragen sich auf fremde Wissensgebietebeziehen, die weder im Skript noch in den Vorlesungen

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24 3 Wissenschaftlichkeit: Qualitätskriterien *

bearbeitet wurden. (Vermutlich handelt es sich bei derKlausur um ein altes Schätzchen aus einem vergangenenStudiengang.) Obendrein wird in den Aufgaben wiederholtgefordert, passende Zeichnungen anzulegen, was Sie niezuvor geübt haben.

Nun fragen Sie sich vielleicht: »Was wird hier eigentlichgeprüft?« »Wird tatsächlich die Leistung geprüft, die ge-prüft werden sollte?« »In wie weit stimmt der Klausurstoffmit dem Lernzielkatalog des Curriculums überein?« Alsofrei übersetzt: Wie hoch ist die Validität?

Eigentlich hätte die Klausur zeigen sollen, in welchemAusmaß die Prüflinge den behandelten Wissensstoff ab-rufen und transferieren können, um neue Probleme zu lö-sen. Nun aber wurde zu einem großen Teil geprüft,

1 ob sich die Prüflinge in Wissensgebieten auskennen,die sie nicht bearbeitet hatten,

2 ob die Prüflinge relativ unbekanntes Wissen in Bilderübertragen können.

Mindestens ein Drittel der Klausur liefert keine Ergebnis-se zu den Themen, die tatsächlich abgeprüft werden soll-ten. Damit ist die Klausur zu einem großen Teil inhaltlichnicht gültig bzw. nicht valide.

Fehlerquellen

Ursachen für wenig valide, nicht inhaltsgültige und des-Urteil:nicht valide halb minderwertige Ergebnisse in wissenschaftlichen Arbei-

ten sind:

� Suchfragen in »Befragungen«, S. 59, die zu große Ant-wortspielräume lassen.Wenn Sie zum Beispiel die Qualität einer Software mitHilfe einer Befragung überprüfen wollen, dann solltenSie sich auf wichtige Anforderungen konzentrieren undrelevante Merkmalsausprägungen abfragen. Also fragenSie nicht: »Was halten Sie von der Software?« Sondernfragen Sie eher: »In welchem Ausmaß können Sie IhreAufgaben mit der Software erledigen?« »Welche Rückmel-dungen der Software sind für Sie schlecht verständlich?«

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3.5 Validität * 25

»Wie gut unterstützt Sie die Software bei der Fehlerdia-gnose?«Noch besser kann es sein, zu beobachten, in welchemUmfang die Mitarbeiter die Software wirklich benutzen.

� Eine zu kleine Stichprobe, so dass die Auswahl nicht re-präsentativ ist.Kleiner Witz: »Ein Psychiater schrieb einmal, die ganzeMenschheit sei verrückt. Gefragt, wie er zu dieser Mei-nung käme, sagte er: Sehen Sie sich doch die Leute an,die in meiner Praxis sind [...]« [Kräm00, S. 97].

� Auch eine falsche Stichprobenauswahl kann die Ursachefür einen Mangel an Validität sein.

1936 wurden in Amerika 10 Millionen Menschen per Brief- Beispiel

wahl befragt, wer ihrer Meinung nach gewählt werdenwürde: Roosevelt oder Landon. Mehr als 2 Millionen Brie-fe kamen zurück; die meisten der befragten Rücksendermeinten, dass Landon die Wahl gewinnen würde. Auf-grund dieser enorm großen Stichprobe schien die Rück-meldung repräsentativ zu sein.Doch die Wahl ging anders aus. Was war die Ursache fürdie Fehlprognose? Es stellte sich heraus, dass die Brief-adressen überwiegend aus Telefonbüchern und Datenban-ken mit zugelassenen Kraftfahrzeugen entnommen wor-den waren. Befragt hatte man also lediglich eine vermö-gende gesellschaftliche Klasse. Sie wünschte (das hätteman wissen können) die Wahl von Landon. Die Befragungwar also keineswegs repräsentativ für die gesamte Bevöl-kerung und damit wenig valide (nicht inhaltsgültig), ins-gesamt von schlechter Qualität (vgl. [Salm83, S. 174]).

Inhaltsgültige Ergebnisse erzielen

Was können Sie nun tun, damit Ihre wissenschaftlichen Ar- Validitäterzeugenbeiten einen ausreichend hohen Grad an Validität erreichen?

Achten Sie sehr sorgfältig darauf, dass Sie wirklich dierichtigen Inhaltsbereiche bearbeiten, die für IhreProblemstellung relevant sind.Formulieren Sie Ihre Fragen passgenau, so dass sichdie Antworten exakt auf Ihre Frage beziehen.