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Teil II: Wärmelehre KAPITEL A Einleitung 1. Womit beschäftigt sich die Wärmelehre? Die Wärmelehre befaßt sich mit dem Verhalten von Körpern, wobei gegenüber der Mechanik als wesentli definieren: Als proportional zur mittleren kinetischen Translationsenergie der Moleküle , 1 2 m <v 2 >= 3 2 kT wobei v die Geschwindigkeit der zufälligen Bewegung relativ zum Schwerpunkt ist. Mit der auf der Mec benötigt man die Koordinaten und Geschwindigkeiten aller Teilchen mit i=1,...,N. Über die Mittelu (x i , v i peratur. Der Vorteil der mikroskopischen Beschreibung ist die gedanklich klare Struktur und die Möglich Andererseits sind die Koordinaten und Geschwindigkeiten der einzelnen Teilchen keiner direkten Messu Eigenschaften das Teilchenbild nicht. Ein großer Teil der Thermodynamik wurde sogar entwickelt, bevor rung überwiegend mit der makroskopischen Thermodynamik befassen. Neben der Verbindung zur Mechanik gibt es Zusammenhänge mit dem Elektromagnetismus. So spielt z thermoelektrische Effekte verknüpfen die beiden Gebiete der Physik. Ein wichtiger Zusammenhang mit d thermischen Gleichgewicht. 6

Teil II: Wärmelehre Einleitung 1. Womit beschäftigt sich ... · e) Thermometer Mit der nun bekannten Temperaturskala kann man für andere Thermometersubstanzen die Thermometerfunktion

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Teil II: Wärmelehre

KAPITEL A

Einleitung

1. Womit beschäftigt sich die Wärmelehre?Die Wärmelehre befaßt sich mit dem Verhalten von Körpern, wobei gegenüber der Mechanik als wesentliche Größe die Temperatur hinzukommt. Man kann die Temperatur rein mechanischdefinieren: Als proportional zur mittleren kinetischen Translationsenergie der Moleküle

,12m<v2 >= 3

2kT

wobei v die Geschwindigkeit der zufälligen Bewegung relativ zum Schwerpunkt ist. Mit der auf der Mechanik beruhenden Theorie der Wärme befaßt sich die Statistische Mechanik. Primärbenötigt man die Koordinaten und Geschwindigkeiten aller Teilchen mit i=1,...,N. Über die Mittelung erhält man Aussagen über makroskopische Größen wie Druck und Tem-(x i,v i)peratur. Der Vorteil der mikroskopischen Beschreibung ist die gedanklich klare Struktur und die Möglichkeit, bestimmte Gesetzmäßigkeiten aus den Eigenschaften der Moleküle abzuleiten.Andererseits sind die Koordinaten und Geschwindigkeiten der einzelnen Teilchen keiner direkten Messung zugänglich. Im Prinzip braucht man für die Beschreibung der makroskopischenEigenschaften das Teilchenbild nicht. Ein großer Teil der Thermodynamik wurde sogar entwickelt, bevor sich die Atomvorstellung drung überwiegend mit der makroskopischen Thermodynamik befassen.

Neben der Verbindung zur Mechanik gibt es Zusammenhänge mit dem Elektromagnetismus. So spielt z.B. die Thermodynamik magnetischer Substanzen eine gewisse Rolle und einigethermoelektrische Effekte verknüpfen die beiden Gebiete der Physik. Ein wichtiger Zusammenhang mit der Optik besteht über die Wärmestrahlung, d.h. das Strahlungsfeld eines Systems imthermischen Gleichgewicht.

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KAPITEL B

Temperatur

1. Makroskopische Betrachtunga) GleichgewichtZur makroskopischen Definition der Temperatur kommen wir nicht ohne den Begriff des thermischen Gleichgewichtes aus. Thermisches Gleichgewicht liegt vor, wenn sich bei einem vonder übrigen Welt isolierten System die Zustandsvariablen, d.h. die Parameter, die das System beschreiben, nicht ändern. Die typischen Einstellzeiten für das thermische Gleichgewicht nenntman Relaxationszeiten. Zwei Systeme im thermischen Gleichgewicht, die über eine diathermische Wand, d.h. z.B. eine Metallfolie, weise direkt nach der Kontaktierung kein Gesamtsystem im thermischen Gleichgewicht. Man sagt dann, sie haben unterschiedliche Tetierung thermisches Gleichgewicht vorliegt, sagt man, sie haben gleiche Temperatur. Man kann also jedem System im Gleichgewicht ϑzwei Systeme nach ihrer Kontaktierung im Gleichgewicht bleiben oder nicht. Diese Größe heißt Temperatur. Die Temperatur ist eine Zustandsvariable.

b) Zustandsvariable

Zustandsvariable sind die makroskopischen Parameter, mit denen man ein System beschreibt. Bei einem Gas oder einer Flüssigkeit sp,V,n,ϑzentration oder Zusammensetzung. Bei einer paramagnetischen Substanz sind dies B, M, . B ist das Magnetfeld, M die Magnetisierung. Bei einem Oberflächenfilm S = F/l, A, ϑ ϑdie Oberflächenspannung, A die Fläche; bei einem Widerstandsdraht . Die Zustandsvariablen eines Systems sind nicht unabhängig. Die Funktion, die sie verknüpft,σ = F/A,l,ϑheißt die Zustandsgleichung. Bevor wir eine Temperaturskala angegeben haben, können wir die Zustandsfunktion nicht hinschreiben. Wir begnügen uns damit zu wissen, daß es eine solchegibt. Für ein Gas schreiben wir f(p,V,n,ϑ) = 0

c) TemperaturskalaBei der Definition einer Temperaturskala gibt es eine Reihe im Prinzip willkürlicher Maßnahmen. Man kann beispielsweise folgendermaßen vorgehen:

* Man wählt eine Thermometersubstanz ("Standardsystem") aus, z.B. Quecksilber oder He. Die Zustandsvariablen seien x, y und , z.B. V, p, ϑϑdaß die Stoffmenge konstant bleibt.

* Man sorgt dafür, daß eine der beiden Zustandsvariablen x oder y konstant bleibt; die andere ist dann die thermometrische p = const, und man mißt die Temperatur über die Volumenausdehnung; bei einem Gasthermometer ist meist V = const, man mißt die Temperatur über den Druck.

* Man wählt eine thermometrische Funktion , die angibt, wie die Temperatur mit der freien Zustandsgröße verknüpft sein soll. Häufig setzt man einfach ϑ(x) ϑ(x) = axFunktionen sind diskutiert worden, z.B. , die den absoluten Nullpunkt ins Unendliche rücken würde.ϑ(x) ∼ logx

* Schließlich benötigt man einen oder mehrere Fixpunkte, d.h. Temperaturen, die sich reproduzierbar einstellen lassen. Im folgeCelsius-Skala angegeben.

Gefrierpunkt vonH2O ( 0° C)

Siedepunkt vonH2O ( 100° C)

O2 (-182° C)

S ( 440° C)

Au (1063° C)

α) Einfache Thermometerskala

Vor 1954 wurden für die amtliche Temperaturskala 2 Fixpunkte und deren Temperaturdifferenz benutzt. Die Fixpunkte sind Gefrierpuferenz auf 100° festgesetzt wurde. Als System diente Helium, dessen Druck x = p bei konstantem Volumen gemessen wird, und die thermometrische Funktion war die Proportionalität

Eine beliebige Temperatur ergibt sich dann ausϑ(x) = ax.

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ϑ(x)ϑ(x2) − ϑ(x1) = x

x2 − x1

β) Moderne Gasthermometerskala

Die moderne Gasthermometerskala benutzt einen Fixpunkt x1 und seine Temperatur . Als Fixpunkt wird der Tripelpunkt des Wassers gewählt. Das ist der Punkt, bei dem fester,ϑ(x1)flüssiger und gasförmiger Aggregatzustand gleichzeitig existieren. Der Tripelpunkt läßt sich genauer reproduzieren als der Schmelzpunkt des Eises. Ihm wird die Temperatur

zugeordnet. Die Temperatur ist, wenn man als thermometrische Funktion die Proportionalität verwendet, gegeben durchϑ = 273,16ϑ

273,16=

p

p tr V=const

Das Gasthermometer besteht aus dem Gasvolumen V und dem Flüssigkeitsmanometer. Durch Anheben oder Absenken des linken Schenkels bleibt. Der Druck wird an der Höhe h des Flüssigkeitsmanometers abgelesen (p = p0+ gh).ρ

d) Die ideale Gastemperatur

Nach dem unter b) beschriebenen Prinzip arbeitende Gasthermometer zeigen eine Temperatur, die noch etwas von der Gasart abhängt.

der Druck im Thermometer ist. Mißt man eine Temperatur, z.B. die Siedepunkttemperatur, indem man unterschiedlich viel Gas in dasfangsdruck am Tripelpunkt ptr variiert, so stellt man fest, daß der Wert, den man durch Extrapolation der gemessenen Temperatur zu pnennt man die ideale Gastemperatur. Sie ist für praktische Zwecke mit der Kelvin-Skala identisch, die über den Wirkungsgrad von Wärmekraftmaschinen definiert wird (s. Kap. F/3f).

T = ϑ = 273,16p tr→0

lim

pptr

V=const

T = 273,16p tr→0

lim

VV tr

p=const

8

Abb. 185: Eine lineare thermometrische Funktion

Abb. 186: Der Tripelpunkt von Wasser

e) ThermometerMit der nun bekannten Temperaturskala kann man für andere Thermometersubstanzen die Thermometerfunktion bestimmen. Meistens wird sie als Polynom von der Temperatur geschrieben.Die Konstanten des Polynoms kann man in Nachschlagewerken finden. Solche Thermometer sind entweder leichter zu bedienen als ein Gasthermometer oder überstreichen einen größerenTemperaturbereich.

Ein Widerstandsthermometer nutzt die Widerstandsänderung mit der Temperatur aus

R = R0(1+ Aϑ + Bϑ2)

Häufig benutzt wird Platin. Der Anwendungsbereich liegt zwischen - 200° C und + 1200° C. Heute werden als Fühler häufig Halbleiter angewendet.

Ein Thermoelement (s. Kap. I) nutzt die Kontaktspannung zwischen zwei Metallen aus. In einem Stromkreis mit konstanter Temperatur kompensieren sich die verschiedenen Spannungen. Bei unterschiedlicher Temperatur der übrig, die mit der Temperaturdifferenz wächst. Ein Thermoelement sollte möglichst stromlos betrieben werden, da ein Strom die Tesucht. Typische Materialien sind Kupfer und Konstantan. Temperaturbereich für den Einsatz 0 - 1000° C. Die Spannung ergibt sich aus

U = a + bϑ + cϑ2

Ein einfaches Thermometer liefert ein Bimetallstreifen, d.h. ein Streifen, der aus zwei Metallen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten besteht. Bei Temperaturänderung verbiegtdas Bimetall.

Es gibt Stoffe, die ein anomales Verhalten bezüglich ihrer thermischen Ausdehnung zeigen und deshalb als Thermometersubstanzen wenig geeignet sind. Dazu gehören Wasser (Abb. 190)und Gummi, das sich bei Erwärmung zusammenzieht.

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Abb. 187: Gasthermometer

Abb. 188: Extrapolation zu verschwindendem Druck

f) ZustandsgleichungDie Form der Zustandsgleichung folgt nicht aus der makroskopischen Theorie. Sie muß experimentell bestimmt oder aus einer mikroschungen werden häufig benutzt, um die Änderungen einer Zustandsvariablen aus der einer anderen unter bestimmten Randbedingungen zu ermitteln; etwa bei adiabatischer Kompressioneines Gases, d.h. Kompression ohne Wärmeaustausch mit der Umgebung aus der Volumenänderung die Temperatur- oder Druckänderung zugenwärtigen, daß die Temperatur nur für einen Gleichgewichtszustand definiert ist und daß die Zustandsänderungen daher von einemsen. Wir geben im folgenden Zustandsgleichungen für einige Systeme an, zunächst ohne sie zu begründen.

α) Ideales Gas

pV = νRT

R =  8,31 J/K mol, allgemeine Gaskonstante

: Anzahl der Moleν1 mol: Molekülgewicht in g

 = 1, p = 105 Pa = 1 bar, T = 273 K V = 22,4 lν →In dem idealen Gasgesetz sind das Boyle-Mariottsche Gesetz (Robert Boyle 1627 - 1691, E. Mariotte 1620 - 1684) für T = const p p = const (Joseph Gay-Lussac 1778 - 1850)

VT

= V0

T0

enthalten.

Das ideale Gasgesetz ist für Temperaturen weit vom Kondensationspunkt gut erfüllt. In der Nähe des Kondensationspunktes benutzt

rik van der Waals 1837 - 1923)

,p + a

v2 (v− b) = RT

wobei v das Volumen eines Mols ist und die Konstanten a und b für die verschiedenen Gase unterschiedliche Werte haben.

β) Paramagnetische Substanz

Für Temperaturen weit vom Curie-Punkt gilt das Curie-Gesetz ((Pierre Curie 1859 - 1906)

M = CBT

10

Abb. 189: Thermoelement

Abb. 190: Thermische Ausdehnung von Wasser

B ist das Magnetfeld und C die Curiekonstante, M die Magnetisierung.

In der Nähe des Curiepunktes gilt besser das Weißsche Gesetz (Pierre Weiss 1865 - 1940)

M = C BT − NρC

ist die Dichte und N eine Konstante.ρ

γ) Oberflächenfilme

Bei Oberflächenfilmen gilt

s = s01− ϑ

ϑ0

n

mit 1<n<2. s ist die Oberflächenspannung.

2. Mikroskopische Betrachtunga) Naives Modell des idealen Gases

Um zu zeigen, wie aus einer mikroskopischen Betrachtung Gesetze für makroskopische Größen abgeleitet werden können, betrachten whe aus gleichen Massenpunkten der Masse m und der mittleren Geschwindigkeit v. Wir nehmen an, daß der gesamte Effekt der Teilchen durch diese mittlere Geschwindigkeit beschriebenwerden kann. Die Teilchen, die auf eine Wand zufliegen, übertragen bei elastischer Reflexion pro Stoß den Impuls

∆P = 2mv

Bei inelastischem Stoß wäre der Impulsübertrag , und das Teilchen würde an der Wand haften bleiben. Im stationären Zustand werden allerdings gleich viel Teilchen auf die∆P = mvWand treffen wie sie wieder verlassen, so daß der elastische Stoß die Situation besser beschreibt als der inelastische.

Bei einer Teilchendichte von n Teilchen, die auf die Wand zufliegen, treffen die Wand in der Zeit ∆tnAv∆t

Teilchen. Der gesamte Impulsübertrag ist also

∆P = nAv∆t ⋅ 2mv

die Kraft ist ∆P∆t

undderDruckp= F/A = 2nmv2

Der Druck ist nach Erfahrung unabhängig von der Form des Gefäßes. Wir berechnen ihn daher für einen Würfel, in dessen Kanten dienenten der Geschwindigkeit entlang der Koordinatenachsen und beachten wir, daß

nur die Geschwindigkeiten mit dem korrekten Vorzeichen zum Druck auf eine Wand beitragen, so erkennen wir, daß n/6 Teilchen auf eine Wand zufliegen, also

p = 13nmv2 = 1

3NV

mv2

11

pV = 13Nmv2 = 1

3νNAmv2

ist also eine Zahl, die proportional zur Teilchenzahl ist. Für N = NA ist . Die Stoffmenge ist dann 1 Mol. Man kann also 1 Mol als die Stoffmenge definieren, die die genaueν ν = 1Anzahl NA Teilchen enthält.

Man schreibt

pV = νRT

Man nennt NA= 6 · 1023/mol die Avogadrozahl (Amadeo Avogadro 1776 - 1856)

RT = 23NA

12mv2; 1

2mv2 = 3

2R

NAT = 3

2kT

R = NAk

R = 8,3 J/K mol ist die ideale Gaskonstante.

k = 1,38 ·10-23 J/K ist die Boltzmann-Konstante (Ludwig Boltzmann 1844 - 1906).

b) WahrscheinlichkeitDer Schwachpunkt in der naiven Ableitung besteht darin, daß die "mittlere" Geschwindigkeit überhaupt nicht definiert wurde. In Wirklichkeit haben alle Teilchen in Betrag und Richtungunterschiedliche Geschwindigkeiten. Um hierüber mitteln zu können, muß man angeben, wie diese Verteilung aussieht. Wir haben die Vorstellung, daß die Teilchen durch sehr viele Stößeuntereinander und mit der Wand dauernd ihre Geschwindigkeit ändern und daß die entstehende Verteilung ein Zufallsprodukt ist undse, etwa geeignetes Würfeln reproduzieren können. Dies wollen wir im folgenden versuchen.

α) Wurf einer Münze

Beim Wurf einer Münze haben wir die Vorstellung, daß bei sehr vielen Würfen die Hälfte die Zahl, die Hälfte das Wappen zeigen. Ekönnen wir so zu diesem Ergebnis kommen:

Die möglichen Ereignisse sind: Die Münze zeigt eine Zahl oder ein Wappen. Die Zahl der möglichen Ereignisse ist zder günstigen Ereignisse ist zg = 1. Als Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein günstiges Ereignis auftritt, erhalten wir

W(z) =zg

zm= 1

2

β) Wurf zweier Münzen

12

Abb. 191: Alle Teilchen, die auf A treffen

Bei zwei Münzen verfahren wir ebenso. Wollen wir z.B. wissen, wie wahrscheinlich es ist, daß beide Münzen eine Zahl zeigen, so z"Ensemble"). Dies wären hier 4, und die Teilmenge, die uns interessiert, wäre hier ein Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit ist also 1/4.

γ) Regeln zur Wahrscheinlichkeit

Interessieren wir uns dafür, wie wahrscheinlich es ist, daß ein Ereignis auftritt, das aus zwei Ereignissen zusammengesetzt ist,auftritt, so addieren sich gemäß der oben eingeführten Abzählmethode die Einzelwahrscheinlichkeiten

(1 oder 2 findet statt)W = W(1) + W(2)

Da die Summe aller möglichen Ereignisse gleich dem Nenner ist, erhält man

i=1

N

ΣW(i) = 1

Wir sagen, die Wahrscheinlichkeit ist auf 1 normiert. Will man hingegen die Wahrscheinlichkeit für alle Fälle, bei denen ein Erezieren sich die Wahrscheinlichkeiten, da bei jedem Eintreffen von Ereignis 1 der Bruchteil der Fälle bekannt ist, bei dem 2 eintritt. Die Wahrscheinlichkeit 1/4 im Beispiel b kann man alsoauch als das Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten in Beispiel a deuten.

c) Die BinominalverteilungEine der wichtigsten Verteilungen ist die Binominalverteilung. Auf ihr fußt die Maxwell- und die Poissonverteilung (James Clerk einfachsten Fall ist sie die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Anzahl der geworfenen Zahlen bei N gleichzeitig geworfenen Münzen. Wir betrachten gleich den etwas allgemeineren Fall,bei dem die Wahrscheinlichkeiten, eine Zahl oder ein Wappen zu werfen, nicht gleich sind. Wir untersuchen diesen Fall anhand eines Betrunkenen auf einer geneigten Straße. Wir wollenwissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit er von insgesamt N Schritten n nach rechts macht. Im Gegensatz zu dem früher betrachteten Fall islassen ihn beispielsweise 10 Schritte machen und notieren die Anzahl der Schritte nach rechts n. Wir unternehmen viele solcher gangspunkt angefangen wird. Die meisten dieser Versuche werden n = 5 oder eine Zahl in der Nähe von 5 ergeben. Die Anzahl der Velung W(n). Für eine große Anzahl von Schritten wird recht genau n = N/2 erfüllt sein, d.h. W(n) ist im Verhältnis zur Gesamtzahl der Schritte schmal.

Die Wahrscheinlichkeit für einen Schritt nach rechts sei p, für einen Schritt nach links q mit p + q = 1. Die Anzahl der SchrittKonfiguration nennen wir ein Muster der nacheinander registrierten Schritte nach rechts oder links, z.B. r, r, l, r, l, l, r, r,einer Konfiguration vorkommen. Die Wahrscheinlichkeit für genau diese Konfiguration ist Wkonf =  pn1 ⋅ pn2

schiedliche Wahrscheinlichkeiten für den Wurf einer Zahl oder eines Wappens haben (p, q). Die Wahrscheinlichkeitusw.

Um die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, daß genau n1 Schritte nach rechts, n2 Schritte nach links gemacht werden, muß man nur die Gesamtzahl der Konfigurationen abzählen, die nRechtsschritte und n2 Linksschritte enthalten. Zunächst zählen wir die Gesamtzahl der Möglichkeiten ab, überhaupt N unterscheidbare Elemente in einer

13

Abb. 192: Die Anzahl der Teilchen, die auf eine Wür-felfläche treffen.

erste Element und stellen es nacheinander auf einen Platz weiter, ohne die Reihenfolge der anderen zu ändern. Dies gibt N Möglichkeiten. Bei den übrigen verfahren wir genauso. In jedemder ersten Fälle gibt es N-1 Möglichkeiten, das 2. Element zu versetzen. Insgesamt also N(N-1) ...2 · 1 = N! Möglichkeiten, d.h. unsere ursprüngliche Konfiguration läßt N! Permutationenzu. Hierbei sind allerdings innerhalb der Schritte nach rechts n1! und der Schritte nach links n2! Permutationen zuviel gezählt, da Schritte in einer Richtung den gleichen Effekt machen,unabhängig von der Reihenfolge. Wir dividieren daher durch n1! · n2!. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit ist also

W(n1,n2) = N!n1!n2!

pn1qn2

Wir schreiben diese noch um auf n1 = n als Variable mit n2 = N - n1

W(n) = N!n!(N − n)!

pnq(N−n)

W(n) gibt die Wahrscheinlichkeit an, daß der Betrunkene nach insgesamt N Schritten n Schritte nach rechts gemacht hat.

Diese Verteilung heißt Binominalverteilung, denn die Zahlenwerte W(n) sind identisch mit den Binominalkoeffizienten

(p + q)N =N

n=0Σ N!

n!(N − n)!pnq(N−n)

Sie tritt überall in der Physik da auf, wo sich ein System mehrmals zwischen zwei Alternativen entscheiden kann. Eine klassischeGalton 1822 - 1911)

Um makroskopische Werte zu erhalten, muß man Mittelwerte bilden. Haben wir eine Größe F(n), die von der Anzahl der Schritte nachstärke seiner Stimme, so ist der Mittelwert wie üblich

< F(n) >= Σ W(n i)F(n i)Σ W(n i)

= Σ W(n i)F(n i)

Der Nenner ist wegen der Normierung 1.

d) Die Gaußverteilung

α) Ableitung der Gaußverteilung

Für N >> 1 geht die Binominalverteilung in eine Gaußverteilung über. Da für N >> 1 die Verteilung sehr schmal wird, führen wir eine Entwicklung um den Mittelwert <n> durch. Dieserliegt da, wo W(n) sein Maximum besitzt.

14

Abb.193: Die möglichen Ereignisse bei dem Wurf vonzwei Münzen.

n = ⟨n⟩ + η;

dWdn

⟨n⟩

= 0

Bei Entwicklung zeigt es sich, daß es günstiger ist, statt W(n) ln(W(n)) zu entwickeln. Um dies plausibel zu machen, stellen wirvor. Entwickeln wir sie direkt, so wird f 1 + Ng. Wegen N >> 1 kann das lineare Glied also noch sehr groß ausfallen. Die Reihe konvergiert schlecht. Entwickelt man ≈

, erhält man eine gut konvergierendee Reihe.lnf = Nln (1+ g) = Ng + 1

2g2 + ...

Die Entwicklung von lnW bis zur 2. Ordnung hat die Form

(1)lnW(n) = (lnW)⟨n⟩ +

dln Wdn

⟨n⟩

η + 12

d2lnWdn2

⟨n⟩

η2 + ...

Setzt man die Binominalverteilung ein, erhält man rechtslnW = lnN!− lnn!− ln(N − n)!+ nln p + (N − n)ln q

Die Ableitungen lassen sich mit einem Hilfssatz für N >> 1 vereinfachen (Formel von James Stirling 1692 - 1770)

dln n!dn

≈ ln(n + 1)!− lnn!1

= ln(n + 1)!

n!= ln(n + 1) ≈ lnn

damit wird

(2)dln Wdn

= −lnn + ln(N − n) + lnp − lnq

(3)d2lnWdn2

= − 1n − 1

N − n= − N

n(N − n)

Der Ausdruck auf der rechten Seite läßt sich vereinfachen. Da <n> bei dem Maximum von W(n) liegt, ist

dln Wdn

⟨n⟩

= 0

Der zweite Term in (1) fällt also fort. Außerdem kann man <n> durch Np ersetzen, denn bildet man von (2) den Mittelwert, erhält man−ln⟨n⟩ + ln(N − ⟨n⟩) + lnp − lnq = 0

pN − ⟨n⟩

⟨n⟩q= 1;Np − ⟨n⟩p = ⟨n⟩q

15

Abb. 194: Wie weit kommt der Betrunkene?

Np = ⟨n⟩(p + q) = ⟨n⟩Der 3. Term in Gl. (1) wird mit (3) und dieser Beziehung

N⟨n⟩(N − ⟨n⟩)

= NNp(N − p)

= 1Npq

Einsetzen in Gleichung (1) ergibt:

−12

1Npq

η2 = lnW(n) − lnW(⟨n⟩)

W(η) = W(⟨n⟩)e12

η2

Npq

mit <n> = Npη = n−< n >= n − Np

Dies ist die Gaußverteilung (Carl Friedrich Gauß 1777 - 1855)

) Diskussion der GaußverteilungβIn unserem Problem des eindimensionalen "random Walk" gibt die Gaußverteilung nicht die Wahrscheinlichkeit an, eine bestimmte Position n nach N Schritten zu erreichen, sondern dieWahrscheinlichkeit, n Schritte nach rechts ausgeführt zu haben. Gleichzeitig gab es n2 = N - n Schritte nach links, so daß die erreichte Position bei

m = n - n2 = n - (N - n) = 2n - N

liegt. Um die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, mit N Schritten m zu erreichen, braucht man nur in W(n) das n durch

16

Abb. 195: Die Möglichkeiten, 4 unterscheidbare Ele-mente anzuordnen.

Abb.196: Das Galtonsche Brett

n = 12(m + N)

zu ersetzen.

η = n − ⟨n⟩ = 12(m + N) − Np = 1

2(m + N + 2Np)

= 12[m + N(1 − 2p)]

Zur Symmetrisierung des Ausdrucks wird in der runden Klammer 1 durch p + q ersetzt

η = 12[m + N(q − p)]

Die Wahrscheinlichkeit p(m) m zu erreichen, hat dann die Form

P(m)P(⟨m⟩)

= exp

[m − N(p − q)]2

8Npq

= exp

−m − m0

me2

Es liegt also eine Gaußsche Glockenkurve mit der Verschiebung m0 = N(p - q) vor. Bei m = m0 liegt das Maximum . Bei (m - m0) = me erreicht die KurveP(m0)P(⟨m⟩)

= 1

P(m)P(⟨m⟩)

= 1e

ist also ein Maß für die Breite der Kurve. Je mehr Ereignisse stattgefunden haben, desto breiter wird die Verteilung, allerdingme = 8Npq

mit steigendem N ab. Die Verschiebung wird Null, wenn p = q, d.h. wenn die Schritte nach rechts und links gleich wahrscheinlich sind.me

N=

8pq

N

e) Die kontinuierliche Gaußverteilung

α) Umschreiben auf x

Wenn im Ortsraum die Schrittweite sehr klein ist gegen die Ausdehnung der Kurve, kann man die Gaußverteilung durch eine kontinuiwie wahrscheinlich eine diskrete Schrittzahl m ist, sondern wie wahrscheinlich es ist, daß die Ereignisse in ein vorgegebenes We∆xman in m Schritten die Position x = ml. Bei genügend kleiner Schrittweite kann man P(m) im Intervall als konstant ansetzen. Dann ist die Anzahl der Ereignisse in ∆x ∆x

∆Z = P(m)∆m = P(m)∆xl

= f(x)∆x

nennen wir die Verteilungsfunktion der Zahl der Ereignisse. Sie hat nach der Definition die Dimension mf(x) = dZdx

∆x → 0

Zahl der Ereignisse. Wenden wir diese Definition einer Verteilungsfunktion auf Geschwindigkeitsverteilungen an, so ist

f(v)dv

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die Anzahl von Teilchen mit Geschwindigkeiten zwischen v und v + dv.

f(x) erhält man aus der Gaußverteilung, indem man m im Exponenten durch x/l ersetzt:

[m − N(p − q)]2

8Npq=

[x/l − N(p − q)]2

8Npq=

[x − Nl(p − q)]2

2(4Nl2pq)

Hierin ist eine Verschiebung undµ = lN(p − q)

σ2 = 4Nl2pq

ein Maß für die Breite.

Die kontinuierliche Gaußverteilung hat damit die Form

f(x)dx = Ce(x−µ)2

2σ2 dx

β) Normierung

C ist eine Konstante, die sich aus der notwendigen Normierung der Verteilungsfunktion

−∞∫ f(x)dx = 1

ermitteln läßt. Bei der Berechnung dieses oder ähnlicher Integrale benötigt man immer wieder Integrationsformeln für die Gaußfune−x2undxne−x2

zusammengestellt werden.

Zur Berechnung von

I =∞

−∞∫ e−x2

dx

wird I2 betrachtet.

I2 =∞

−∞∫ e−x2

dx∞

−∞∫ e−y2

dy =∞

−∞∫ e

−x2+y2

dxdy

Durch die Transformation auf Polarkoordinaten wird r2 = x2 + y2, das Flächenelement und das Integralrdrdϕ

I2 =2π

0∫

−∞∫ e−r2

rdrdϕ

18

Abb. 197: Die Gaußverteilung

das sich ebenfalls über die ganze Ebene erstreckt. Durch Substitution r2 = t, 2 rdr = dt und die Integration über erhält manϕ ∫ dϕ = 2π

I2 = π ∫ e−tdt = π

Die höheren Momente kann man entweder durch partielle Integration auf dieses Integral zurückführen oder direkt berechnen(n ≠ 0)

In =∞

−∞∫ xne−x2/a2

dx

ergibt

I0 = π a

I1 = a2

I2 = 12

π a3

Die Normierungskonstante der Verteilung erhält man nun aus

C ∫ e−(x−µ)2/2σ2dx = C π 2 σ = C 2π σ = 1

C = 12π σ

γ) Mittleres Schwankungsquadrat

Analog zu Mittelwerten bei diskreten Verteilungen ist der Mittelwert der Funktion von x, F(x) bezüglich der kontinuierlichen Ver

⟨F(x)⟩ =∞

−∞∫ f(x)F(x)dx

Der Mittelwert des Schwankungsquadrates

(x − µ)2 = 12π σ

−∞∫ (x − µ)2e−(x−µ)2/2σ2

dx

= 12π σ

12

π σ323/2 = σ2 = 4Npql2

19

Abb. 198: Die Gaußsche Glockenkurve

für l =  1, p = q = 1/2 erhält man

(x − µ)2 = σ = N

Die absoluten Größen der Schwankungen wachsen also mit Wurzel N. Die relativen Größen

NN

= 1N

nehmen mit Wurzel N ab, z.B. Bei 10 Photonen im Detektor muß man mit einer Schwankungvon 3 und einem relativen Fehler von 30 % rechnen. Bei 1000 Photonen wächst der Absolut-wert der Schwankung auf 30, der relative Fehler sinkt auf 1/30 3 %. Das Signal erscheint≈glatter.

f) Geschwindigkeitsverteilung in Gasen

α) Eindimensionales Gas

Wir betrachten zunächst ein eindimensionales Gas wie es etwa bei geladenen Teilchen imMagnetfeld vorkommt, wo sich die Gyrationszentren nur parallel zum Magnetfeld bewegenkönnen. Wir nehmen an, daß durch die Vielzahl von Stößen, die ein Teilchen statistisch nachrechts oder links streuen, eine Verteilung wie beim eindimensionalen "random walk" entsteht.

f(vx) = 12π σ

e−vx2/2σ

Da der Mittelwert der Geschwindigkeit gleich Null sein wird, ist das mittlere Schwankungs-quadrat gegeben durch

σ = ⟨vx2⟩

Wir definieren jetzt als Temperatur wie früher

12

m⟨vx2⟩ = 1

2kT

Der Faktor 1/2 statt 3/2 rührt daher, daß wir ein eindimensionales Gas betrachtet haben. Mansagt, die Teilchen erhalten pro Freiheitsgrad 1/2 kT (Gleichverteilungssatz). Damit wird dieVerteilungsfunktion

f(vx) = 1

2π kTm

e−(1/2)mvx

2

kT

β) Dreidimensionales Gas

Bei einem dreidimensionalen Gas erhält man analog

20

Abb. 199: Der Übergang zur kontinuierlichenVerteilung

f(vx, vy, vz) = Ce− 1

2m

vx2+vy

2+vz2 /kT

Zur Bestimmung der Normierungskonstanten ordnen wir die Variablen im Integral so um,daß ein Produkt von gleichartigen Integralen erscheint, die wir schon kennen.

C ∫ e−(1/2)mvx

2

kT dvx∫ e−(1/2)mvy

2

kT dvy∫ e−(1/2)mvz

2

kT dvz = 1

C 2πkT

m

3

= 1

C =

m2πkT

3/2

Die Verteilungsfunktion lautet damit

f(vx, vy, vz) =

m2πkT

3/2

e−(1/2)m

vx2+vy

2+vz2 /kT

γ) Verteilung für |v|=v

Die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, daß sein Geschwindigkeitsbetrag zwischen v undv + dv liegt, ergibt sich aus der obigen Formel, indem man im Exponenten durch vvx

2+vy2+vz

2

ersetzt und als Volumenelement im Geschwindigkeitsraum eine Kugelschale nimmt, die zwi-schen v und v + dv liegt. Ihr Volumen ist . Die Verteilungsfunktion wird damit4πv2dv

f(v) = 4π

m2πkT

3/2

v2e−(1/2)mv2/kT

Man nennt sie die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung.

Bei der Angabe von charakteristischen Geschwindigkeiten muß man unterscheiden zwischen

vm, der häufigsten Geschwindigkeit, die sich aus der Bedingung ergibt,

df(v)dv

vm

= 0

vm = 2kT/m

<v>, der mittleren Geschwindigkeit

⟨v⟩ =∞

0∫v f(v)dv = 8kT/πm = 1, 13vm

21

<v2>, der mittleren quadratischen Geschwindigkeit

⟨v2⟩ = ∫v2f(v)dv = 3kT/m = (1, 22vm)2

) Boltzmann VerteilungδDie Boltzmann Verteilung ist anwendbar für ein Gas, das aus Atomen besteht, die diskreteEnergiezustände Ei einnehmen können. Wir betrachten gleich den allgemeineren Fall, in demNiveaus entartet sein können, d.h. es gibt gi Niveaus, die die gleiche Energie Ei haben. gi istdas statistische Gewicht. Statistische Betrachtungen, die ähnlich sind wie die, die zur Ma-xwellschen Geschwindigkeitsverteilung geführt haben, ergeben für die Anzahl der Teilchenin den Niveaus E1 und E 2

f(E1)f(E2)

=g1e−E1/kT

g2e−E2/kT=

g1

g2e−(E1−E2)/kT

Deutet man die Erdatmosphäre als ein Ensemble von Teilchen in den Energieniveaus der Gra-vitation, erhält man aus der Boltzman Verteilung die barometrische Höhenformel

f(h)f(0)

= e−mgh/kT

22

23

Abb. 200: Verteilung für vx

Abb. 201: Verteilung von |v|

24

Abb. 202: Maxwellverteilung für zwei Temperaturen