Teilweise Verdoppelung der äußeren Nase infolge Mißbildung

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  • Archly Ohr- usw. tIeilk, u. Z. I-IMs- usw. tIeilk., Bd. 157, S. 674--678 (1951).

    Aus der Universitgtsklinik fiir Hals-,N~sen- und Ohrenkr~nke tteidelberg (Direktor: Prof. Dr. SmFFEI~T).

    Teilweise Verdoppelung tier iiul~eren Nase inlolge Mil~bildung*.

    Von K. UNGERECHT.

    Nit I Text~bbildung.

    (Eingegangen am 13. Jaguar 1951.)

    Die h~ufigsten N[igbildungen des Kopfes sind die Spaltbildungen oder ehlentwicklungen, welche mit den zu Beginn des Entwicklungs- prozesses bestehenden Gesichtsspalten in Zusammenhang zu bringen sind. Dieser Umstand ist vers~iindlieh, w enn man sick die Vorgiinge vet Augen h~lt, die zur Bfldung des embryonalen Kopfes und zu dessen Um- formung in den bleibenden Sch~del bzw. Gesieht fiihren. Auch die end- giiltige Gestalt der mensehlichen Nase ist das Ergebnis eines ziemlich komplizierten Entwicklm~gsprozesses, der sick bis in die Zeit naeh der Geburt erstreckt.

    Das ~uBere der Nase weist eine grebe anatomische Variationsbreite auf, ist jedoch im Vergleich z. B. zum Oberkiefer recht selten infolge N[igbildungen verunstaltet. Wenn man yon den vereinzelt vorkommenden extremen ~ehlbildungen absieht, so dominieren in dieser Hinsicht bei diesem Organ gleichfalls die SpMtbildungen. Zu letzteren z~hlen auch die sogenanntea Doggenn~sen, die m~n neben Igasenfisteln ab nnd zu auch einmal in der Yraxis zu sehen bekommt. Die Doggennasen ent- stehen dadurch, dab die yon I-IIs beschriebenen 2 Septumanlagen, die Laminae nasales, auseinanderweichen. Dazwischen senkt sick die Haut ia einer entsprechenden Tiefe und Breige zu einer Yurche ein. Es liegg hier also kelne Doppelbildung vor. Bei den echten, nut auf die Nase be- sehrgnkten Doppelbildungen (t~hinodymie) sind 2 Nasen vollst~ndig ausgebildet. Im einschlggigen Schrifttum sind jedoch nur wenige der- artige Fglte beschrieben.

    Es wird nun immer Fglle geben, die sick nickg in die im klinischen Schrifttum niedergelegten Nigbildungsgruppen einreihen lassen, aber doch an Hand der Entwicklungsgeschiehte als Migbildungen zu er- kennen sind. ])er folgende t~alI kann hierzu gerechnet werden nnd is%, da hisher niehts Derartiges publiziert wurde, erwghnenswert.

    * Herrn Prof. Zunge zum 70. Geburts$~g.

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    Es handelt sich um einen 18j~hrigen 5~[ann, der vom 3.--15. Lebens- jahr epileptische Anf~lle h~tte. Heutc sollen nur noch gelegentlich auf- tre~ende Krampfzusti~nde ohne Bewul3tseinsverlust bestehen.

    Abb. 1.

    Drei Narben an der Stirn sind auf Verletzungen zuriickzuffihren, welche der ~ann in der Kindheit dutch Sturz w~hrend eines epileptischen Anf~lles erlitten hat.

    An der Nase ist folgender Befund zu erheben: Etwa yon der Gegend der Apertura piriformis an ist die Weichteiln~se verdoppelt. Die N~sen- spitze wird yore unteren Stfick eines ~ul3eren Anteils pr~putium~rtig umgeben; sie fiberr~gt letztere um etwa 10 mm (siehe Abb. ).

    Die ~u~ere Nasenbedeckung fiihlt sich iiberal] welch an. Sie ent- h~lt demn~ch kein Stfitzgewebe. Am Unterrand zeigt sie mehrere feins~e

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    Einkerbungen, deren grtigte sieh etwa 0,8 mm links yon der Mittellinie befindet und wenige Millimeter naeh oben reicht (auf der Abbildung yon dem Instrument verdeekt). Der linke Ansatz dieses Nasenstiieks ent- sprieht sowohl der Form wie aneh der It6he naeh einem normalen Nasen- fltigel. Auf der reehten Seite hingegen liegt der laterale Ansatz im Ver- gleieh zur linken h6her. Unterhalb der Ansatzstelle befindet sieh ein kleiner, isoliert stehender, sehr wahrseheinlieh knorpelhaltiger Biirzel.

    Der gugere Anteil der Nase lgBt sieh hoehheben. I~an sieht dann in eine mit sehr zarter Epidermis ausgekleidete Tasehe, welehe in der ~ittellinie ei~e Tiefe yon 18 mm hat. Haare fehlen. Aueh Driisen k6nnen makroskopiseh nieht festgestellt werden. Die linke Hglfte der Tasehe ist infolge Verwaehsungen kleiner als die reehte.

    Die Teile der Nase, welehe nun freiliegen, enth~lten Knorpel, auf dem die I-Iaut straff befestigt ist. Die Nasenspitze weieht naeh reehts ab, der N~sensteg steht entspreehend sehief. Das linke Nasenloch ist gr/51~er als das reehte, wird abet durch eine Subluxatio septi anterior verengt. Die Konturen des linken Nasenloehes sind glatt. Der Teil der Innennase, der das Nasenloeh oben begrenzt, versehwindet lateral unter dem guBeren Nasenstiiek und setzt oberhalb des Nasenfltigels an der lateralen Nasenwand an. Auf der reehten Seite befindet sieh eine Unter- brechung der oberen Begrenzung des Nasenloehes, wodureh der bereits erwghnte kleine Biirzel abgetrennt wird. Beiderseits ragen die Nasen- knorpel writ in das Lumen hinein. Die Innenhaut des gugeren Anteils ist beiderseits in der Gegend des Nasenfltigels behaart.

    Das Septum ist stark naeh links deviiert und verdiekt. Der iibrige siehtbare Befund des Naseninneren ist unauffgllig.

    Auf den R6ntgenaufnahmen des Sehgdels lassen sieh keine patho- logisehen Vergnderungen naehweisen. Die Kieferknoehen und das kn6eherne Nasengeriist sind normal gebildet. Die Nasennebenh/Shlen weisen keine Besonderheiten auf.

    Die nervengrztliehe, internistisehe und augengrztliehe Untersuehung deekten keine weiteren 3/[il)bildungen auf. Die Wassermannsehe t~eaktion im Blur war negativ.

    Bemerkenswert ist die Angabe in der i%milienvorgesehiehte, wonaeh ein im 4. ~onat verstorbener Bruder ebenfalls eine ungew/Shnliehe Nasen- form gehabt haben sell. Xgkere Einzelheiten waren nieht zu erfahren. Sonst ist niehts yon ?r in der Aszendens bekannt.

    Zur Deutung der formalen Genese sind vor allem die Vorgi~nge der normalen Entwieklung wiehtig, welehe zur Umwandlung des embryo- nalen Gesiehts in die Physiognomie des Neugeborenen fiihren. Die Spalten und ~urehen der versehiedenen Fortsgtze verstreiehen. Die gufiere Nase hebt sich aus dem Niveau des iibrigen Gesiehtes empor. Bride Nasen. htihlen riieken zwisehen der 5. und 10. Woehe zusammen. Die Area

  • Teilweise Verdoppelung der guBeren Nase infolge Migbildung. 677

    triangularis - - das Gebiet, aus dem der Nasem'ficken und das Septum hervorgehen - - zieht sich in die Lgnge, verschmglert sich und bildet dureh Emporwachsen den Nasenriicken. Bei der Geburt ist der Pro- zeB noeh nieht abgeschlossen. Die Stumpfnase des Neugeborenen wird durch weitere Differenzierungen erst in spgferen Jahren zu der end- gfiltigen Form umgewandelt.

    Wenn man diese Vorggnge beriicksichtigt, dann dfirfte folgende formale Genese wahrseheinlieh sein:

    Bei dem Mann ist die regulgre Vereinigung der seitlichen Nasen- fortsgtze mit den medialen unterblieben; denn es besteht kein Zweffel, dab es sich bei dem gugeren Nasenanteil um einen AbkSmmling der seit- lichen und bei dem inneren Nasenstiiek um einen solchen der mittleren Nasenfortsgtze handelt. In diesem Sinne sprechen die Verteilung der Knorpelelemente und die Konfiguration des unteren Nasenabsehnittes.

    Zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Nasenriieken aus dem embryo- nalen Gesieht hervorhebt und anschlieBend durch Zusammenrficken der NasenhShlen verschmglert (5.--10. Embryonalwoche), kam es sehr wahrseheinlich zu einer wulstartigen ~berlagerung der seitlichen fiber die medialen Fortsgtze. F6rdernd kann hierbei die Besehaffenheit der medianen Nasenregion gewesen sein. Der untere Tell der mittlercn Nasenfortsiitze (area infranasalis) ist anfgnglich noch eingesunken and wird erst spgter durch Gewebsvermehrung einnivelliert bzw. zusammen mit der anderen medianen Nasenregion aus dem Gesiehtsniveau hervor- gehoben.

    Durch Verkleben des ektodermalen Gewebes und spgterer meso- dermaler Durehwaehsung kam dann die i~ugere Hfille der Nase zustande.

    Die Verknorpelung der Nase setzt in der Mitte des 2. )/[onats ein und schreitet yon der Keflbeingegend ausgehend im Septum nach vorn fort. Am Ende des 3. )/[onats ist nicht nur das Septum, sondern auch die oben angrenzende Partie des Xasenrfiekens verknorpelt und damit die knorpelige Nasenkapsel roll ausgebildet. Man kann ihre Gestalt mit einer umgekehrten Doppelrinne vergleichen.

    Die Xasenknorpel haben sieh bei dem geschilderten Fall in dem 5Tasen- anteil ausgebildet, der yon den mittleren Nasenfortsgtzen geliefert wurde.

    Zu dem Zeitpunkt, in dem das membranSse Stadium der Nase vom knorpeligen abgelSst wurde, miiBte demnaeh sehon die Fehlbildung im Gange gewesen sein. Als Entstehungszeit der MiBbildung diirfte daher die Zeit der 10.--12. Woche anzunehmen sein. Hinsichtlich der kausalen Genese spielen wahrseheinlieh innere Faktoren eine Ro]le, dean mif der Mil~bildung ist ei6e Neigung zu epileptischen AnfglIen und KrampL zusti~nden vergesellschaftef. I-Iinzu kommt als Ausdruek einer familii~ren Belastung, dab auch ein Bruder eine angeborene Nasendeformierung gehabt haben soll.

    Arch: Ohr- usw. Heilk. u. Z. tIals- nsw. Heilk. ]~d. 157. 45

  • 678 UIqGEI~ECFIT: Teilweise Verdoppelung der aul~eren Nase infolge MiI~bildung.

    Auf der anderen Seite kSnnen zus~tzliche ~ul~ere Entwicklungs- stSrungen, seien es Amnionan0mal ien, seien es andere mechanische Ur- sachen, nicht g~nz ~usgeschlossen werden.

    Der Anlagefehler konnte in mehreren Sitzungen oper~tiv mit gutem kosmet~schen Ergebnis korr igiert werden. Die Beseit igung der Nasen- scheidewandverbiegung wurde auf einen sp~teren Zei tpunkt verschoben.

    Zusammenfassung. Schilderung eines Fal les yon Verdoppelung der i~u~eren Nase infolge

    Mil~bildung. Letztere beruht sehr wahrscheinl ich auf einer Verwachsung der seitl ichen 5[asenforts&tze. Operat ive Kor rektur mit gutem Er- gebnis.

    Literatur. ]~o~A~, Ivi]~: Die Entwieklung des Mensehen vor der Geburt. 1927. - - CLOACA,

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    Dr. K. UNGE~ECRT, Heidelberg, Vol~str. 5/7.