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6 Natürlich | 1-2005 I m Sarganserland und Glarnerland gibt es nicht nur überdurchschnittlich viele geologisch interessante Stellen, sondern auch zahlreiche historische Bergwerke, moderne Steinbrüche, Stein- verarbeitungsbetriebe und Forschungs- stätten. Diese zahlreichen Erlebnisorte für Erd- und Bergbaugeschichte bilden das Fundament für den GeoPark Sargan- serland-Walensee-Glarnerland, der wäh- rend der letzten 5 Jahre von den beteilig- ten Regionen entwickelt wurde. Ein wichtiges Teilprojekt widmet sich dem Phänomen der Glarner Hauptüber- schiebung. Hier haben bereits im 19. Jahr- hundert Geologen – begleitet von heftigen Streitereien – grundlegende Erkenntnisse über die Entstehung unserer Berge ge- macht: Sie entdeckten, dass ältere Ge- steine auf jüngere Schichten geschoben werden. Heute wissen wir, dass die Erd- kruste aus mehreren Platten besteht. Diese Platten bewegen sich, kollidieren manch- mal, verursachen Erdbeben und verfor- men die Erdoberfläche. Durch diese unge- heuren Kräfte entstanden während der letzten 40 Millionen Jahren also auch die Alpen und die Glarner Hauptüberschie- bung. Es gibt kaum eine andere Über- schiebung, die im Gelände so gut als «Strich in der Landschaft» erkennbar ist. Dementsprechend ist sie für Wissenschaft- ler und Laien ein einzigartiges Anschau- ungsobjekt, das nicht nur tektonisch, son- dern auch fürs Auge und wissenschafts- historisch von grosser Bedeutung ist. Im Steine zu Zwischen Bad Ragaz, Weesen und Elm kann Geologie hautnah erlebt werden: Bergwerke, Versuchsstollen und Steinbrüche sind nur einige Beispiele. Für Geologen besonders wichtig ist die Glarner Hauptüber- schiebung. Sie soll im Sommer 2005 in die Liste des Unesco-Weltnatur- erbes aufgenommen werden. Text: David Imper, Christoph Schwyzer Die Zacken der Tschingelhörner bestehen aus 250 bis 300 Millionen Jahren altem, dunklem Verrucanogestein. Unter der scharfen Linie der Glarner Hauptüberschiebung erkennt man ein helles, deutlich jüngeres Kalkband mit dem Martinsloch.

Text: David Imper, Christoph Schwyzer · ungsobjekt, das nicht nur tektonisch, son-dern auch fürs Auge und wissenschafts-historisch von grosser Bedeutung ist. Im Zwischen Bad Ragaz,

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Page 1: Text: David Imper, Christoph Schwyzer · ungsobjekt, das nicht nur tektonisch, son-dern auch fürs Auge und wissenschafts-historisch von grosser Bedeutung ist. Im Zwischen Bad Ragaz,

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Im Sarganserland und Glarnerlandgibt es nicht nur überdurchschnittlichviele geologisch interessante Stellen,sondern auch zahlreiche historische

Bergwerke, moderne Steinbrüche, Stein-verarbeitungsbetriebe und Forschungs-stätten. Diese zahlreichen Erlebnisortefür Erd- und Bergbaugeschichte bildendas Fundament für den GeoPark Sargan-serland-Walensee-Glarnerland, der wäh-rend der letzten 5 Jahre von den beteilig-ten Regionen entwickelt wurde.

Ein wichtiges Teilprojekt widmet sichdem Phänomen der Glarner Hauptüber-schiebung. Hier haben bereits im 19. Jahr-hundert Geologen – begleitet von heftigenStreitereien – grundlegende Erkenntnisseüber die Entstehung unserer Berge ge-macht: Sie entdeckten, dass ältere Ge-steine auf jüngere Schichten geschobenwerden. Heute wissen wir, dass die Erd-kruste aus mehreren Platten besteht. DiesePlatten bewegen sich, kollidieren manch-mal, verursachen Erdbeben und verfor-

men die Erdoberfläche. Durch diese unge-heuren Kräfte entstanden während derletzten 40 Millionen Jahren also auch dieAlpen und die Glarner Hauptüberschie-bung. Es gibt kaum eine andere Über-schiebung, die im Gelände so gut als«Strich in der Landschaft» erkennbar ist.Dementsprechend ist sie für Wissenschaft-ler und Laien ein einzigartiges Anschau-ungsobjekt, das nicht nur tektonisch, son-dern auch fürs Auge und wissenschafts-historisch von grosser Bedeutung ist. Im

Steine zuZwischen Bad Ragaz, Weesen und

Elm kann Geologie hautnah erlebt

werden: Bergwerke, Versuchsstollen

und Steinbrüche sind nur einige

Beispiele. Für Geologen besonders

wichtig ist die Glarner Hauptüber-

schiebung. Sie soll im Sommer 2005

in die Liste des Unesco-Weltnatur-

erbes aufgenommen werden.

Text: David Imper, Christoph Schwyzer

Die Zacken der Tschingelhörner bestehen aus 250 bis 300 Millionen Jahren altem, dunklem Verrucanogestein. Unter der scharfen Linie der Glarner Hauptüberschiebung erkennt man ein helles, deutlich jüngeres Kalkband mit dem Martinsloch.

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Geologie NATUR

kommenden Jahr dürfte die Landschaftmit dem scharfen Strich in die Liste desUnesco-Welterbes aufgenommen werden.

Bergwerke und ForschungsstollenDer GeoPark Sarganserland-Walensee-Glarnerland umfasst den südlichsten Teildes Kantons St. Gallen, das Sarganserlandund den ganzen Kanton Glarus. Der Parkerstreckt sich über fast 1300 Quadratkilo-

meter, von 400 Meter über Meer amWalensee bis über 3600 Meter über Meeram Tödi und zeichnet sich durch viel-fältige Landschaften und eine überdurch-schnittliche Dichte von eindrücklichenZeugen der Erdgeschichte aus, durch sogenannte Geotope oder Naturdenkmäler.

Etliche Menschen kamen aber nichtwegen der herrlichen Bergwelt und derinteressanten Geologie in die Region,sondern wegen der hier reichlich vor-handenen Rohstoffe, die stellenweise

heute noch abgebaut werden. Die jahr-hundertelange Bergbautätigkeit hinter-liess viele faszinierende Spuren. Dazugehören das Eisenbergwerk Gonzen beiSargans, der Landesplattenberg Engioder der Steinbruch Lochezen am Walen-see. Kulturhistorisch einmalig sind auchdas Silberbergwerk Gnapperchopf beiVättis, das Kupferbergwerk auf der Mürt-schenalp, das mittelalterliche Eisenberg-werk auf Guppen bei Schwändi.

Noch heute arbeiten in der Regionmehrere hundert Leute im Bereich Steine,vorwiegend in der Baustoffproduktion.Die grosse Bergbautradition führte zu ei-nem beachtlichen Fachwissen. 1970 ent-stand der Versuchsstollen Hagerbach beiFlums, wo Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten aus dem breit gefächertenSpektrum des Untertage- und Tunnelbausunter Realbedingungen durchgeführtwerden. Der Versuchsstollen Hagerbachbesitzt heute internationale Bedeutungund beherbergt auch das ICST, das Zen-trum für Sicherheit in Tunnels. Kernstückdieser Anlage ist ein 200 Meter langerBrandstollen mit inzwischen gleich lan-gen Neben- und Parallelstollen, die eineigentliches Netzwerk bilden.

Weltberühmter StrichWenn heute Menschen aus aller Welt inden GeoPark pilgern, dann vor allemauch deshalb, weil hier der «Schlüssel»zur Alpengeologie gefunden werdenkann. In der herrlichen Bergwelt imGrenzgebiet der Kantone St. Gallen, Gla-rus und Graubünden fällt aufmerksamenNaturbeobachtern eine markante, mes-serscharfe Linie auf. Besonders schönkann dieses Phänomen an den Tschingel-hörnern zwischen Elm GL und Flims GRoder am Foostock im Weisstannental SGbeobachtet werden. An der in weitenTeilen der Glarner Alpen auffälligenLinie, der so genannten Glarner Haupt-überschiebung, ist oft ein dünnes, gelbli-ches Kalkband erkennbar. Dieses trenntdie dunklen, grünlichgrauen Gesteinevon den darunter liegenden, schieferigen,bräunlichgrauen Gesteinen.

Vor rund 200 Jahren begannen dieersten Erdwissenschaftler, die Geognos-tiker, sich mit der Entstehung der Alpenzu beschäftigen. Schon bald stellten siefest, dass die Altersabfolge der Gesteinean der Glarner Hauptüberschiebung unge-

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wöhnlich ist. Normalerweise liegen jün-gere Gesteine über älteren. An der Über-schiebungsfläche finden sich jedoch 250bis 300 Millionen Jahre alte Gesteine überbedeutend jüngeren, «nur» rund 50 Mil-lionen Jahre zählenden. Die ersten Geo-

gnostiker konnten diese Beobachtung mitden damaligen Vorstellungen über dieEntstehung der Erde und der Gebirgenicht erklären und verneinten diese Tat-sache. Trotzdem wurde in den folgendenJahrzehnten intensiv an diesem Phäno-

men geforscht. Die führenden Erdwissen-schaftler aus aller Welt kamen in die Glar-ner Alpen, forschten, entwarfen Hypothe-sen und Theorien und stritten zum Teilheftig darüber. Dadurch wurden in denGlarner Alpen wesentliche Erkenntnisseüber die Entstehung der Berge gewonnen.Seit über 100 Jahren wird das Naturdenk-mal Glarner Hauptüberschiebung zwar alseine grosse Überschiebung akzeptiert, diegenauen Mechanismen sind hingegenheute noch Gegenstand intensiver Unter-suchungen. Dank der guten und gross-räumigen Aufschlüsse sind die Bergezwischen Rhein, Seez, Walensee und Linthnoch immer von grosser Bedeutung fürdie Erforschung der Erdgeschichte.

Eine «colossaleÜberschiebung»Einer der ersten Erforscher der Berge zwi-schen Linth, Rhein und Seez war HansConrad Escher (1767–1823), ein gross-artiger Beobachter und Zeichner. Er be-schrieb bereits 1807 die Glarner Haupt-überschiebung, konnte sie aber beim da-maligen Stand der Wissenschaft nichtverstehen. Seither ist das Interesse ander Hauptüberschiebung ungebrochen.So erstaunt es nicht, dass bahnbrechendeTheorien über die Entstehung von Ge-birgen in den Glarner Alpen entwickeltoder stark beeinflusst wurden. Escherswichtigste Beobachtung war, dass dieAbfolge der Gesteine in den GlarnerAlpen nicht der damals gängigen Theorieentsprach, wonach der jüngere Alpen-kalk immer über den älteren Grauwacken(hier: grobkörnige Verrucanogesteine)liegen musste. Diese Theorie wurde na-mentlich vom damals einflussreichstendeutschen Geognostiker Leopold vonBuch (1774–1853) vertreten, der EschersBeobachtungen trotz Besuch in denGlarner Alpen 1809 abstritt: «Grauwackegehört zur Übergangsformation und kannund darf nie auf Alpenkalkstein ruhen.»

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhun-derts gelang die relative Altersbestim-mung von Gesteinsschichten aufgrundihrer Versteinerungen. Um die Mitte

Eine der bekanntesten Darstellungen der Glarner Hauptüberschiebung: das 1812 geschaffeneAquarell von H. C. Escher von der Linth. Es zeigt die Tschingelhörner auf der Flimser Seite.

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Blick über den unteren Segnesboden (Plaun Segnas Sut)auf die Hauptüberschiebung an den Tschingelhörnern.Die Landschaft mit ihren Schwemmebenen und Moor-gebieten ist von nationaler Bedeutung.

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des 19. Jahrhunderts erkannte ArnoldEscher (1807–1872), Hans ConradEschers Sohn und erster Professor fürGeologie in Zürich, dass in den GlarnerAlpen ältere Gesteine über jüngerenliegen. Er kam zum Schluss, dass hiereine «colossale Überschiebung» exis-tiere, und sprach bereits 1845 von einer«Decke». 1848 führte er einen der be-deutendsten Geologen jener Zeit, Rode-rick Impey Murchison (1792–1871), aufden Pass dil Segnas (Segnespass). AuchMurchison schloss sich Eschers Inter-pretation an und beschrieb 1849 dieStelle mit den Worten: «One enormousoverthrow.» Doch bald begann Escherzu zweifeln, weil das Ausmass der Ver-stellung alles damals Bekannte über-schritten hätte: «Kein Mensch würde esglauben, man hielte mich für einenNarren.» So erfand er die (absurde)Theorie der Doppelfalte: 2 liegende Fal-

Aufnahme ins Unesco-WeltnaturerbeSeit Mai 2000 bereiten 19 Gemeinden aus den

3 Kantonen St. Gallen, Glarus und Graubün-

den unter der Federführung des GeoPark

Sarganserland-Walensee-Glarnerland die

Kandidatur Unesco-Weltnaturerbe Glarner

Hauptüberschiebung vor. Nach der Erstellung

der Grundlagen, den Zusagen aller beteiligten

Gemeinden und Kantone und dem Beschluss

des Schweizerischen Bundesrates vom

5. November 2003 deponierte die Schweize-

rische Eidgenossenschaft im Januar 2004 das

Gesuch zur Aufnahme der Glarner Haupt-

überschiebung in die Liste der weltweit

einzigartigen und schützenswerten Kultur-

und Naturgüter bei der Unesco in Paris.

Anfang September 2004 inspizierten die

internationalen Fachleute die Kandidatur vor

Ort. Der Entscheid über die Aufnahme dürfte

bereits im kommenden Sommer 2005 fallen.

Ausser der Glarner Überschiebung verfügt

das nominierte Gebiet über eine sehr grosse

Dichte an wertvollen Naturdenkmälern,

über vielfältige Landschaftstypen – vom

Laubmischwald über Alpweiden oder Moor-

landschaften bis zu Gletschergebieten –

sowie über artenreiche Pflanzen- und Tier-

gesellschaften.

Das vorgeschlagene Gebiet weist keine

Dauersiedlungen auf, wird jedoch alp-, forst-

und energiewirtschaftlich sowie touristisch,

militärisch und durch Jagd und Fischerei

genutzt. Ein wichtiges Ziel ist die Bewahrung

der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des

Gebietes sowie der natürlichen und natur-

nahen Ökosysteme für die heutige und für

die kommenden Generationen.

Sichelkamm über Walenstadt: Die «Sichel» zeugt von den riesigen, auf die Gesteinsschichten einwirkenden Kräften. Am Schönsten ist die Verfaltung östlich der Churfirsten von Unterterzen, Quarten oder Flumserberg aus sichtbar.

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ten, die sich gemäss seiner Rekonstruk-tion berührt haben mussten.

Eschers Schüler und Nachfolger AlbertHeim (1849–1937) übernahm die Doppel-falten-Theorie seines Meisters. DankHeims bahnbrechenden Untersuchungenüber Gesteinsverformung, seinen gross-artigen Zeichnungen und seiner klarenSchreibweise wurde die These allgemeinakzeptiert, obschon sie in geometrischerund mechanischer Hinsicht ein Undingwar. Die Doppelfalten-Theorie passte gutzu den damaligen Vorstellungen über dieEntstehung der Erde: Man nahm an, dassdie Erde seit ihrer Entstehung langsamabkühlte, schrumpfte und auf der Erd-oberfläche dadurch Gebirge und Tälerentstanden. Albert Heim war ein einfluss-reicher Geologe und rechnete mit seinenKritikern in ziemlich bösartiger Weise ab.

So blieb die kleine Schrift (1884) desFranzosen Marcel Bertrand (1847–1907)fast unbeachtet. Bertrand, der die GlarnerAlpen damals noch nicht nicht aus eigenerAnschauung kannte, zeigte, dass eine ein-zige, von Süden gegen Norden gerichteteÜberschiebung den Bau dieser Gebirgeviel plausibler erklären konnte als dieDoppelfalte. 1903 musste auch AlbertHeim nach jahrzehntelangen heftigenKontroversen seinen Irrtum eingestehen.In der Folge konnte deren Siegeszug nichtmehr aufgehalten werden. So schriebAlbert Heim 1921 in seinem Standardwerkder Schweizer Geologie: «Wer noch an dergrossartigen Deckentektonik zweifelt, dermöge sich zuerst die Lochseite ansehen...»

So wurde die gut erreichbare Lochsitebei Sool/Schwanden zu einem der be-rühmtesten Aufschlüsse der Alpen. Esbegannen 3 Jahrzehnte, die wohl die pro-

duktivsten der alpinen Geologie wurden.Vorher unbegreifliche Strukturen ordne-ten sich in ein logisches Bild ein und mankonnte rekonstruieren, wo die beobach-teten Sedimentgesteine ursprünglich ab-gelagert wurden. Die Glarner Alpen wur-den zu einem Schlüsselgebiet der neuenDeckenlehre.

Heutige BedeutungHeute zweifelt niemand mehr daran, dassin den Glarner Alpen kilometerdicke Ge-steinspakete abgeschert und über weiteDistanzen nordwärts geschoben wurden.Schwierigkeiten bereitet jedoch die Er-klärung der Mechanismen, die denTransport der im Verhältnis zu ihrer gros-sen Fläche geringmächtigen Gesteins-pakete auf einer so dünnen Überschie-bungszone ermöglichten. Daher mussein Schmiermittel die Reibungskräfte ander Überschiebungsfläche so stark redu-ziert haben, dass ein Gleiten ermöglichtwurde. Dieses Schmiermittel war derLochseitenkalk, der zu einem wichtigenSchlüssel für das Verständnis der GlarnerHauptüberschiebung wurde und heutenoch ein wichtiger Forschungsgegen-stand ist. Neuste Untersuchungen wei-sen darauf hin, dass der Lochseitenkalkzumindest teilweise erst während derÜberschiebung aus kalkreichen Lösun-gen auskristallisierte und nicht ein aus-gewalztes Band von altem Meereskalkdarstellt. Zu diskutieren gibt nun aberdie Frage nach der Herkunft der dafürnotwendigen grossen Wassermengen.Auch im Jahr 2005 birgt die GlarnerHauptüberschiebung noch so manchesRätsel.

Mehr als 35 KilometerverschobenAn der Glarner Hauptüberschiebung liegen250 bis 300 Millionen Jahre alte Verrucano-gesteine auf viel jüngeren Gesteinen. Stellen-weise sind dies helle Kalke mit einem Altervon 100 bis 150 Millionen Jahren, stellenweisebräunlichgraue, meist schiefrige Flysch-gesteine, welche vor 35 bis 50 Millionen Jahrengebildet wurden.Während der Entstehung der Alpen wurden dieälteren Verrucanogesteine entlang der GlarnerHauptüberschiebung mehr als 35 Kilometerüber die darunterliegenden jüngeren Gesteinenach Norden transportiert. Diese Bewegungdauerte mehrere Millionen Jahre und lief miteiner Geschwindigkeit von nur wenigen Zenti-metern pro Jahr ab.An der Überschiebungsfläche findet man einenoft nur 1 bis 2 Meter mächtigen, weisslich-grauen, gelbbeige anwitternden Kalkstein, denso genannten Lochseitenkalk. Dieser hat einschlieriges, marmorartiges Aussehen, dasdurch die Überschiebung entstanden ist undoft als Knetstruktur bezeichnet wird. Ein gros-ser Teil der Bewegung an der Hauptüberschie-bung muss in diesem Kalk stattgefundenhaben. Laboranalysen zeigen, dass der Loch-seitenkalk bei bis 320 Grad Celsius und einemDruck von bis zu 5 Kilobar verformt wurde.Solche Bedingungen herrschen in einer Tiefevon etwa 16 Kilometern unter der Erdober-fläche. Somit müssen die Bewegungen an derGlarner Hauptüberschiebung bis 16 Kilometerunter der Erdoberfläche stattgefunden haben.Die Bewegung an der Glarner Hauptüberschie-bung erfolgte nach den heutigen Annahmenauf einer leicht nach Südsüdost geneigtenFläche – die Gesteinspakete wurden somitleicht aufwärts geschoben. Erst später, als dieAlpen angehoben und die überliegenden Ge-steine abgetragen wurden, gelangte die Über-schiebungsfläche an die heutige Lage, hoch inden Bergen. Die gekrümmte Form erhielt sie,weil die Hebung der Alpen im zentralen Bereichbedeutend schneller erfolgte als am Alpenrand.Im Kulminationsbereich der Glarner Hauptüber-schiebung hat die Abtragung dazu geführt,dass isolierte Massen des aufgeschobenenGesteins erhalten blieben, während die altenVerrucanogesteine in der Umgebung erodiertwurden. Solche übrig gebliebenen, isoliertenGesteinsmassen nennt man Klippen. Sie bauenviele Berggipfel in der Region auf, beispiels-weise die Ringelkette, die Piz-Sardona-, Piz-Segnas-, Piz-Atlas-Gruppe oder den Hausstock.

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Die Strukturen im Lochseitenkalk entstanden durch die Glarner Hauptüberschiebung undsind für die Forschung auch heute noch von grossem Interesse.

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11 Saurierspuren am Tödi

12 Linthschlucht und Kraftwerk Linth-Limmern

13 Wasserfall Berglistüber

14 Schwefelbad Stachelberg, Linthal

21 Schiefertafelfabrik Elm

22 Landesplattenbergh Engi

23 Naturwissenschaftliche Sammlung,Engi

24 Lochsite Sool/Schwanden

25 Kärpfbrücke

26 Knobel, Steinsammlung

31 GeoStadtspaziergang

32 Weisskalkproduktion «Chalchi»,Netstal

33 Linth-Escher-Auditorium, Mollis

34 Geophänomen Kerenzerberg

41 Geoweg Schänis–Weesen–Amden

42 Museum Amden

43 Wasserfälle und Rinquelle Betlis

44 Murgschlucht

45 GeoSchiff Walenstadt–Weesen

47 GeoTrail, Flumserberge

48 Steinwolleproduktion Flumroc

51 Geoweg Mels

52 Versuchsstollen Hagerbach, Mels

53 Museum Sarganserland, im Schloss Mels

54 Eisenbergwerk Gonzen, Sargans

55 Steinbruch Schollberg, Trübbach

56 Artillerie-Fort Magletsch,Oberschaan

61 Taminaschlucht mit Thermalquelle, Bad Pfäffers

62 Stein(ge)s(ch)ichten am Pizol

63 Kraftwerke Sarganserland AG,Vadura

64 Drachenlochmuseum, Vättis

65 Bergwerk Gnapperchopf, Vättis

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GeoParkSarganserland-Glarnerland-Walensee

GlarnerHauptüberschiebungKandidatUnesco-Weltnaturerbe

Der Geopark im Überblickwww.geopark.ch

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Geologie NATUR

Das Projekt GeoPark Sarganserland-Walen-see-Glarnerland wurde Ende der 1990er-Jahre von den Regionen Sarganserland-Walensee und Glarner Hinterland-Sernftalinitiiert und 1999 vom schweizerischenStaatssekretariat für Wirtschaft seco bewil-ligt. Im Rahmen der Aufbauarbeit wurdendie bestehenden Angebote (Betriebs- undBergwerksführungen, Museen, Ausstellungen,Geowege usw.) vernetzt und zahlreiche neueAngebote geschaffen. Hier eine Auswahl:

Drachenlochmuseum in Vättis: Im Mittel-punkt der künstlerisch gestalteten Dauer-ausstellung stehen die im Drachenlochgefundenen Höhlenbärenknochen.

Bergwerk Gnapperchopf Vättis: Auf An-frage werden von Vättis aus bergbau- underdgeschichtliche Führungen zum Silber-bergwerk Gnapperchopf durchgeführt. Inkleinen Stollen sind die Silber-, Blei- undKupfererzgänge noch erkennbar.

Geologie um Vättis: Auf Anfrage werdenerd- und kulturgeschichtliche Führungenzum Chrüzbachtobel angeboten. Dortwird der Kontakt zwischen den uraltenGneisen des Urgebirges und den darüberliegenden Sandstein- und Dolomitablage-rungen erkundet.

Kraftwerke Sarganserland AG in Vadura:Vom bedeutenden Wasserkraftwerk imTaminatal können die Produktionsanla-gen und die grosse Staumauer des Stau-sees Gigerwald besichtigt werden. Daskombinierte Pump- und Speicherkraft-werk produziert jährlich rund 500 Millio-nen Kilowattstunden Energie.

Taminaschlucht mit Thermalquelle undBad Pfäfers: Die Besichtigungen führenin die wildromantische, über 60 Metertiefe, faszinierende Taminaschlucht mitder Quelle des 36,5 Grad warmen Ther-malwassers und durch den ältesten ba-rocken Bäderbau der Schweiz, das AlteBad Pfäfers.

Museum im Alten Bad Pfäfers: Eine Dauer-ausstellung informiert über die Ge-schichte des 740 gegründeten KlostersPfäfers und des Alten Bad Pfäfers. Dazugehören auch Modelle zur pionierhaften

Erschliessung der Schlucht und eineGedenkstätte für den Naturforscher undPhilosophen Paracelsus.

Stein(ge)s(ch)ichten, Pizol: Am Pizol wirdein geopädagogisches Programm mitExkursionsanleitung und Exkursions-kisten für Schüler- und Erwachsenen-gruppen gestaltet. Die Entstehung derfaszinierenden Hochgebirgslandschaftwird dabei auf spielerische und dochfundierte Weise vermittelt.

Museum Sarganserland im Schloss Sargans:Das international ausgezeichnete Regio-nalmuseum bietet Ausstellungen mit his-torischen und volkskundlichen Schwer-punkten. Ausstellungsteile sind der Geo-logie des Sarganserlandes, dem Bergbauim Gonzen und der Eisenverhüttung imSarganserland gewidmet.

Besucherbergwerk Gonzen bei Sargans:Über 2000 Jahre wurden am und im Gon-zen bis 1966 Eisen- und Manganerzeabgebaut. Erhalten blieb ein riesigesStollensystem mit verschiedenen Genera-tionen von Abbau- und Transportmaschi-nen. Die Besuchergruppen werden mit

Über 40 einzigartige GeoAngebote zwischen Vättis und Linthal

Die Belegschaft vom Steinbruch Tiergarten bei Mels mit typischer Ausrüstung aus dem Jahr 1914. Die Steinhauereien aus dem Glarnerland und dem Sarganserlandbelieferten weite Teile der Ostschweiz und boten während Jahrhunderten viele Arbeits-plätze in den landwirtschaftlich geprägten Regionen an.

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Während Jahr-hundertenwurden beiMels Mühl-steine abge-baut undexportiert. Auf demGeoweg Melswurde ein alterMühlstein-bruch freige-legt.

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der Original-Stollenbahn ab Sargans fastzwei Kilometer in den Berg gefahren.

Bergwerkmuseum Gonzen in Sargans: DasMuseum besitzt eine Ausstellung von denOriginal-Gerätschaften (Schlägel, Berg-eisen, Bohrer, Sprengmaterial usw.) undMineralien aus dem Eisenbergwerk Gon-zen sowie Bilddokumente aus der Abbau-zeit. Im Jahr 2005 wird das Bergwerks-museum neu eingerichtet zusammen mitder neuen, unterirdischen Knappenbeizam Stollenportal eröffnet.

Untertagesteinbruch Schollberg bei Trüb-bach: In einem riesigen, bis 18 Meter ho-hen Kavernensystem werden Kalksteineder Quinten-Formation unterirdisch ab-gebaut. Das Material wird zu Zuschlag-stoffen, Wuhrsteinen und Koffermaterialaufbereitet. Führungen durch die riesigenHohlräume und zu den aktuellen Abbau-stellen sind auf Anfrage möglich.

Artillerie-Fort Magletsch: Es handelt sichum eine Kampffestung aus dem ZweitenWeltkrieg von nationaler Bedeutung. Aufder Besichtigungstour erhalten die GästeEinblick in die eindrückliche Infrastruk-tur und in die Bedrohungslage zur Zeitdes Festungsbaus.

Melser Geoweg: Der Melser Geoweg führtsowohl durch den Melser Dorfkern wieauch durch erholsame Waldpartien. Aufdem Wanderweg werden verschiedenebergbauhistorische Stätten vorgestellt undInformationen zur Erdgeschichte, Mühl-steingewinnung, Eisen- und Glasverhüt-tung an den originalen Stätten vermittelt.

Versuchsstollenanlage Hagerbach bei Flums:1970 begann der letzte Ingenieur vomGonzenbergwerk mit dem Versuchsstol-len Hagerbach. Dort begleiten mittler-weile rund 25 Angestellte in Zusammen-arbeit mit Hochschulen und UniversitätenVersuche aus dem breiten Spektrum desUntertage- und Tunnelbaus für eine inter-nationale Kundschaft. Heute werden imauf über fünf Kilometer angewachsenenStollensystem viele Führungen durchge-führt. Die modernst eingerichteten unter-irdischen Seminarräume und das Stol-lenrestaurant dienen als einzigartigesTagungs- und Ausflugsziel.

GeoTrail für Familien in Flumserberg: Derkinderwagengängige Themenweg führtdurch die Bergwelt der Flumserberge.Speziell für Kinder wurden ein Würfel-spiel und ein Begleitbüchlein gestaltet.Im Büchlein erklären das uralte Stein-mannli Flumsi und die junge GeologinAnna geologische Phänomene am Weg-rand, beispielsweise Versteinerungen,Brüche oder Falten.

Flumroc AG: In Flums werden verschie-dene Gesteinskomponenten aufgeschmol-zen und durch die über 200-köpfige Beleg-schaft zum natürlichen IsolationsmaterialSteinwolle verarbeitet.

Steinbruch Lochezen: Im unterirdischenSteinbruch wurde während Jahrzehntendas Rohmaterial für die benachbarte Port-landzementproduktion gewonnen; zeit-weise befand sich in den Hohlräumender Lochezen auch ein Militärspital. Seiteinem Jahr werden Gruppen durch den

Steinbruch und die heutige hochmoderneSteinschlagnetztestanlage geführt.

GeoSchiff: Auf dem Walensee werdenSchifffahrten mit Informationen zur Geo-logie, zur Entstehung der Landschaft so-wie über den See und die Region durch-geführt. Die Schifffahrt wird mit einem«Landausflug» zu ufernahen Attraktio-nen wie die Rinquelle, das autofreie DorfQuinten, die Murgschlucht oder die alteHammerschmiede Mühlehorn bereichert.

Kastanienweg Murg und Murgbachschlucht:Hinweistafeln werden ab Frühjahr 2005über die Oberflächenformen in der vomWildbach im blutroten Fels geschaffenenSchlucht und die Kulturgeschichte der inMurg einheimischen Edelkastanie infor-mieren.

GeoPark-Höhenweg: Der Höhenweg führtdurch das Herz des beantragten Unesco-Welterbes Glarner Hauptüberschiebung.Der geübte Bergwanderer erhält auf der ein-wöchigen Hüttentour vom Kerenzerbergüber Murgsee–Flumserberg–Weiss-tannental–Calfeisental–Elm bis Flims In-formationen zu eindrücklichen Gebirgs-formationen und Einblick in die faszi-

Der Stadtspaziergang durch Glarus: Im Mittelpunkt stehen vor allem die für den Häuser- und Brunnenbauverwendeten Natursteine.

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Die fein abge-stimmteBeleuchtunglässt die durchden Schiefer-abbau entstan-denen Hallen imLandesplatten-berg Engi nocheindrücklichererscheinen.

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Geologie NATUR

nierenden Landschaften. Die dazugehörigeBroschüre kann über www.geopark.ch be-zogen werden.

GeoPhänomene Kerenzerberg: Auf der 2,5Kilometer langen Wegstrecke Haberg-schwänd–Talalpsee werden 100 Millio-nen Jahre durchwandert. Sechs Infor-mationstafeln am Wegrand erklären demGast typische GeoPhänomene wie Ver-karstung, Versteinerungen, Schichtabfol-gen oder Brüche.

Geoweg Schänis–Weesen–Amden: Die Geo-Wanderung führt von der Linthebene zur

Aussichtsterrasse Amden. Informations-tafeln vermitteln Wissenswertes zur Re-gionalgeologie (Gebirgsbau, Eiszeiten,Linthkanal, Amdener Bergsturz usw.).

Museum Amden: Im Museum Amdenwerden Land und Leute und deren Ge-schichte vorgestellt. Geologisch Interes-sierten werden der Gebirgsbau, diehydrogeologischen Zusammenhänge derKarstquelle Rin und die Erforschung desunter Wasser liegenden Höhlensystemsaufgezeigt.

Linth-Escher-Auditorium in Mollis: Ein Mili-tärbunker am Linthkanal, ausgestattet mitmodernster audiovisueller Infrastruktur,würdigt die Leistungen des Linthkanal-Erbauers Hans Conrad Escher von derLinth (1767–1823), einer der ersten Be-schreiber der Glarner Geologie.

Steinbruch Haltengut Mollis: Nach zweigrossen Bergstürzen, die durch ein Erd-beben von 1855 ausgelöst wurden, wur-den bis in die siebziger Jahre des 20. Jahr-hunderts Sturzblöcke abgebaut. Seithererfolgt der Abbau der Kalksteine in dieTiefe.

Steinbruch und «Chalchi» Netstal: Imeigenen Steinbruch werden Kalksteinegebrochen und daraus Weisskalk herge-stellt. Die «Chalchi» ist heute der einzigeWeisskalkproduzent der Schweiz.

GeoStadtspaziergang Glarus: Auf demGeoSpaziergang werden die in Glarusverwendeten Bausteine an Hausfassaden,Steinbrunnen oder Strassensteinen alsDokumente benutzt. Die Informationensind in einem Flyer zusammengestellt undkönnen auf einer Führung erlebt werden.

Steinsammlung und Steinhauerei KnobelSchwanden: Die Steinhauerei Knobel ver-arbeitet viele einheimische Gesteine. DieGebrüder Knobel haben einen Steinpfadmit grossen Gesteinsblöcken, der denKanton Glarus darstellt, und einen Aus-stellungsraum mit Fossilien, Kristallenund Skulpturen eingerichtet. Steinhauer-kurse werden vorbereitet.

Schwefelquelle und Berglistüber Linthal:Im Raum Linthal-Rüti wurden Infor-mationen über die Schwefelquelle undder wildromantische Wasserfall amBerglistüber an der Klausenpassstrassemittels Schautafeln für die Öffentlichkeitaufbereitet. Hinter dem Wasserfall befin-det sich eine wichtige Überschiebung,was zur Bildung einer Kerbe führte, sodass heute unter dem Wasserfall durch-gewandert werden kann.

Kraftwerk Linth-Limmern: Der Weg zurStaumauer des Limmernstausees führtvia eine Seilbahn und einen anschliessen-den Fussmarsch durch einen rund dreiKilometer langen Stollen. Der Stausee be-deckt einen grossen Teil des Grundgebir-ges, das wie in Vättis in einem geologischenFenster an der Oberfläche erscheint. Ge-

Lochsyte, Lochsiteoder Lochseite?Heute werden die Lokalitäten auf der Landes-

karte nach der lokalen Aussprache geschrie-

ben, also Lochsite. Dies war in der zweiten

Hälfte des 19. Jahrhunderts und zu Beginn

des 20. Jahrhundert nicht so: Dialekt-

ausdrücke wurden verdeutscht und so wurde

aus der Lochsite oder Lochsyte die Lochseite.

Gesteine werden nach einer Stelle benannt,

wo dieses sehr typisch ausgebildet ist, der so

genannten Typlokalität. Der Lochseitenkalk

erhielt seinen Namen zu einer Zeit, als die

Nische bei Sool Lochseite geschrieben wurde.

Da viele internationale Publikationen, bei-

spielsweise die Schriften von Albert Heim,

den Begriff Lochseitenkalk verwenden, wurde

diese Schreibweise beibehalten. Daher wer-

den heute die unterschiedlichen Schreib-

weisen Lochsite für die Lokalität und Loch-

seitenkalk für das Gestein verwendet.

Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht stieg die Nachfrage nach Schiefertafelnrasant an. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten im Plattenberg 150 Leute und inder Verarbeitung im Tal rund 50.

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Page 10: Text: David Imper, Christoph Schwyzer · ungsobjekt, das nicht nur tektonisch, son-dern auch fürs Auge und wissenschafts-historisch von grosser Bedeutung ist. Im Zwischen Bad Ragaz,

Natürlich | 1-2005 17

Geologie NATUR

führte Besichtigungen werden durch dieAnlagen angeboten.

Linthschlucht und Tödigebiet: Südlich Lin-thal verengt sich das Linthtal zu einerengen, imposanten Schlucht, die seit Jahr-hunderten durch Brücken überwundenwird. Im Tödigebiet können über 350Millionen Jahre alte Fossilien und Saurier-spuren – auch auf Führungen – entdecktwerden.

Lochsite bei Sool/Schwanden: Die Lochsiteist eine der berühmtesten geologischenStätten der Schweiz. Das Phänomen derGlarner Hauptüberschiebung ist hier gutaufgeschlossen und wurde daher zu einerPilgerstätte für Erdwissenschaftler. EineHinweistafel macht auf die erdgeschichtli-che und wissenschaftshistorische Bedeu-tung aufmerksam. Auf Anfrage werdenFührungen angeboten.

Mettmen-Kärpf: Zwischen der Bergstationder Luftseilbahn Kies-Mettmen und derLeglerhütte befinden sich viele geologi-schen Besonderheiten wie die vulkanischenVerrucanolagen, die Glarner Hauptüber-schiebung oder die imposante Kärpfbrücke(Naturbrücke aus Lochseitenkalk) sowieder Garichte-Stausee.

Naturwissenschaftliche Sammlungen desKantons Glarus in Engi: Auf drei Stock-werken werden nicht nur die Pflanzen- unddie Tierwelt des Kantons Glarus, sondernauch einheimische Gesteine und das Werkdes bedeutenden Geologen J. Oberholzervorgestellt. Besonders wertvoll sind die vie-len Fischfossilien vom Landesplattenberg.

Landesplattenberg Engi: Während Jahr-hunderten wurden im LandesplattenbergEngi bis 1961 Platten für Schiefertischeund Schultafeln abgebaut und weltweit ex-portiert. Dadurch entstanden riesige, ein-drückliche Hallen. Beim Abbau wurdenüber 1000 Versteinerungen (meist Fische)entdeckt. Auf den Führungen durch dieAbbauhallen werden die Abbaumethodenmit der kulturgeschichtlichen Bedeutungdes Schieferabbaus vorgestellt.

Ausstellungspavillon Landesplattenberg inEngi: Im Ausstellungspavillon werden derSchieferabbau und die Schieferverarbei-tung im Sernftal vorgestellt, Lehr- undLernmaterial zum Thema Schiefer angebo-

ten sowie einschlägige Publikationen undSouvenirs verkauft.

Der Elmer Bergsturz: Am 11. September1881 stürzten 11 Millionen KubikmeterFels zu Tal und begruben 114 Elmerinnenund Elmer. Auf den Rundgängen durchdas mit dem Wakker-Preis ausgezeichneteDorf wird auf die heute noch sichtbarenSpuren des Unglücks hingewiesen.

Schiefertafelfabrik Elm: In der einzigenfunktionstüchtigen Schiefertafelfabrik derSchweiz, wo im 19. und 20. JahrhundertSchultafeln, Tischplatten und Souvenir-artikel produziert und exportiert wurden,vermischen sich heute Schieferstaub undSägemehl mit modernster Museums-pädagogik. ■

Informationen zum GeoPark:

– Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Adressen derBesucherangebote sind zu finden unter:www.geopark.ch oder erhältlich bei Kaspar Marti, Allmeind, 8765 Engi, Telefon 079 345 72 35, E-Mail: [email protected]

Informationen zur Kandidatur Unesco-WelterbeGlarner Hauptüberschiebung:

– David Imper, Untergasse 19, 8888 Heiligkreuz, Telefon 081 723 59 13, Fax 081 723 59 16, E-Mail: [email protected]

Homepages zum Thema:

– www.unesco-welterbe.ch– www.geolife.ch/hauptueberschiebung– www.geo.unibe.ch/UNESCO.html

Die Geschichte der Sarganserländer und der Glarner AlpenSo mancher, der durch die Landschaft wan-

dert, nimmt nicht wahr, dass das, was er sieht,

nicht einfach plötzlich da war, sondern

während Jahrmillionen entstanden ist. Und

noch immer verändert sich das Erscheinungs-

bild der Erde. Als Folge der plattentektoni-

schen Bewegungen entstehen dort, wo Konti-

nente mit der maximalen Geschwindigkeit von

einigen Zentimetern pro Jahr «aufeinander

prallen», Gebirge. In Zonen aber, wo Konti-

nente auseinander gerissen werden, bilden

sich Ozeane. Das Gebiet zwischen Rhein, Seez-

Walensee und Linth gehört zum so genannten

Helvetikum, dem nördlichen Küstenbereich

des einstigen Ur-Mittelmeeres Tethys, das vor

rund 200 bis 35 Millionen Jahren die Konti-

nente Ur-Afrika und Ur-Europa trennte.

Die ältesten Gesteine der Region sind

Gneise, Granite und Ganggesteine des Aar-

massivs, das Teil des «europäischen Grund-

gebirges» ist. Die mindestens 350 Millionen

Jahre alten Gesteine wurden bereits lange

vor der Alpenfaltung von früheren Gebirgs-

bildungen erfasst und geprägt.

Das Aarmassiv ist heute im Sarganserland

und im Glarnerland nur im Raum Vättis, am

Limmernboden und am Tödi aufgeschlossen.

In den übrigen Gebieten wird es von später

abgelagerten, jüngeren Sedimenten be-

deckt.

Vor rund 300 Millionen Jahren bildeten die

heute bekannten Kontinente inklusive

Ur-Afrika und Ur-Europa noch einen riesigen

Urkontinent.

Glarichelys knorri, eine 12 Zentimeter lange Meeresschildkröte aus dem ehemaligenSchieferbergwerk Engi (frühes Oligozän).

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