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THAILAND-RUNDSCHAU der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln Jahrgang 26 Juni 2013 Nr. 2 ISSN: 0934-8824

THAILAND-RUNDSCHAU... · 2016. 4. 16. · Songkran 77 Karl E. Weber Mahidol-Wittayanusorn-Schule 79 wird Thailands zehnte PASCH-Schule Timo Kozlowski Erika Kaufmann 1915 - 2012 81

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THAILAND-RUNDSCHAU der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., Köln

Jahrgang 26 Juni 2013 Nr. 2

ISSN: 0934-8824

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THAILAND-RUNDSCHAU

Impressum und Inhalt

Inhalt Nr. 2 – 2013

Vorwort 51

Thailand: Agrarpolitik in der Sackgasse 52 Jan Seidel und Rainer Adam

Thailand – ein Altersruhesitz – ein Ort der Altenpflege? 66 Gesa Schölgens, Franziska Chawla, Christoph Brümmer

Das Prestigeprojekt Suvarnabhumi 70 – Der lange Weg zum Großflughafen Daniel Gerads

Das SOS-Kinderdorf auf Phuket 75 Lothar Matussek

Songkran 77 Karl E. Weber

Mahidol-Wittayanusorn-Schule 79 wird Thailands zehnte PASCH-Schule Timo Kozlowski

Erika Kaufmann 1915 - 2012 81 Arnd D. Kumerloeve

DTG-Jahreshauptversammlung, 21.04.2013 in Köln 82

Südostasientag Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln 21.04.2013 83

DEUTSCH-THAILÄNDISCHE GESELLSCHAFT e.V.

Ehrenpräsidentin: Die Botschafterin des Königreiches

Thailand in Deutschland Präsidentin:

Prof. Dr. Frauke Kraas

Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. Dr. h.c. K.-H. Pfeffer

Schatzmeister: Günter Blindert

Vorstandsmitglieder: Dr. Lutz Damerow

Dr. Arnd D. Kumerloeve

RUNDSCHAU -IMPRESSUM

Herausgeber und Verlag: Deutsch-Thailändische Gesellschaft

e.V.

Redaktion: Prof. Dr. Frauke Kraas, 50923 Köln

(ViSdP) unter Mitarbeit von

Dr. Arnd D. Kumerloeve, Köln, und Prof. Dr. Karl-Heinz Pfeffer, Tübingen Layout: Anke Dick-Follmann, Rodgau

Druck Druckerei Koges, Bonn

ISSN: 0934-8824 Geschäftsstelle, Bibliothek

und Redaktionsbüro Iddelsfelder Straße 33

51067 Köln +49 (0)221 / 68 00 210

Fax: +49 (0)221 / 96 90 287 E-Mail: [email protected]

Internet: http:// www.dtg.eu THAILAND-RUNDSCHAU, die Zeit-schrift der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft e.V., erscheint dreimal im Jahr im Umfang von je ca. 40 Seiten. Der Bezugspreis ist durch den Mit-gliedsbeitrag abgegolten. Redaktionsschluss:

für Heft 3-2013: 15.10.2013 für Heft 1-2014: 01.02.2014 für Heft 2-2014: 01.06.2014

Namentlich gekennzeichnete oder aus anderen Publikationen über-nommene Beiträge dienen ausschließlich der Information unserer Leser und geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Gesell-schaft wieder.

Titelphoto: Arbeitsintensive Reisbau-Landschaft nördlich von Chiang Rai (Foto: F. Kraas) Innenphoto: Mechanisierung der Landwirtschaft findet auch in Peripherregionen Thailands statt, wie hier an der Grenze nach Myanmar (Foto: F. Kraas)

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THAILAND-RUNDSCHAU Vorwort

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Liebe Freunde und Mitglieder der DTG!

Bevor die wohlverdiente Sommerpause beginnt (endlich mit richtigem Sommer – nach dem langen Winter und dem kalt-nassem Frühjahr!), sollen Sie die neue Thailand-Rundschau in den Händen halten – dieses Mal schwerpunktmäßig mit den zwei wichtigen Themen der Entwicklung der thailändischen Agrarwirtschaft und der Frage, ob bzw. inwieweit sich Thailand als Standort für ältere Bevölkerung empfiehlt. Ferner einige Informationen in eigener DTG-Sache: Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung in Köln wur-de der DTG-Vorstand entlastet und neu gewählt. Der neue Vorstand setzt sich ab sofort wie folgt zusammen: Prof. Dr. Frauke Kraas (Präsidentin), Prof. Dr. Dr. h.c. Karl-Heinz Pfeffer (Vize-Präsident), Günter Blindert (Schatzmeister), weitere Vorstandsmitglieder: Dr. Lutz Damerow, Dr. Arnd D. Kumerloeve. Zudem beschloss die Mitgliederversammlung, den DTG-Beitrag auch in 2013 nicht zu erhöhen, und die Kassenprüfer wurden im Amt bestätigt. Herzlichen Dank! Zwei weitere Nachrichten aus der DTG finden Sie unten in separaten Hin-weiskästen. Bitte reservieren Sie sich bereits jetzt den Termin der nächsten Mitgliederversammlung und des kommenden DTG-Symposiums, am 10. Mai 2014, dieses Mal in Stuttgart! Mit besten Grüßen, im Namen des gesamten Vorstands, Ihre Frauke Kraas

Vereinheitlichung des Euro-Zahlungsverkehrs (SEPA): Auswirkung auf Lastschrift und Überweisungen Sehr geehrte Mitglieder, vielleicht haben Sie schon davon gehört: die bisherige Regelung bei Überweisungen und Lastschriften wir bis zum 1. Februar 2014 durch die neue SEPA-Überweisung und SEPA-Lastschrift europaweit er-setzt. SEPA steht für "Single Euro Payment Area" und soll in 32 europäischen Ländern den Zahlungs-verkehr vereinfachen. Wenn Sie in Zukunft Überweisungen tätigen oder Beträge per Lastschriftverfahren von Ihrem Konto ab-buchen lassen wollen, geben Sie anstelle der Kontonummer eine IBAN-Nr. an. Gleichzeitig soll die Bankleitzahl durch den BIC (Bank-Identifizier-Code) ersetzt werden. Beide Angaben finden Sie auf Ihrem Kontoauszug. Für die Mitglieder, die sich für das Lastschriftverfahren entschieden haben, wird sich nichts ändern und Sie müssen auch nichts unternehmen. Ich gehe davon aus, dass wir die Umstellung, ohne Ihr weiteres Zutuen, vornehmen können. Die fälligen Beträge werden wie vereinbart weiterhin eingezogen. Mit freundlichen Grüßen, Deutsch-Thailändische Gesellschaft e.V., der Vorstand, Günter Blindert

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Ein Wort der Redaktion zum folgenden Beitrag.

Wir schreiben es eigentlich nie, man ist halt eher zurückhaltend: Es sind offenbar viele Leser mit der Thailand-Rundschau (TR) durchaus zufrieden - eine bemerkenswert große Zahl von Belobigungen erreicht uns gerade in letzter Zeit regelmäßig und wir können nur hoffen, daß auch jene mit kritischer Meinung nicht zögern, zur Feder zu greifen. Angesichts der vielseitigen Zusammensetzung unserer Mitglieder kommt es einer Gratwan-derung gleich, eine Mitglieder-Zeitschrift wie die TR zu "basteln", eine Publikation, die möglichst viele anspre-chen soll. Die einen wollen es eher populär, praxisorientiert und aktuell (letzteres ist schwierig bei drei Ausga-ben im Jahr), die anderen eher grundsätzlich, analytisch und die langfristigen Linien aufgreifend.

Nicht ohne Grund stehen diese Worte vor dem Abdruck des folgenden längeren Beitrages, der sich vom Titel her mit Agrarpolitik beschäftigt. Eine eher trockene Angelegenheit, sofern man nicht gerade an Agrarfragen interessiert ist. Als wir diesen Text in der Literatur entdeckten, waren wir recht angetan, weil er im Grunde über den eigentlichen Titel hinausgehend gesamtgesellschaftliche Fragen Thailands in den Fokus nimmt – auch soziale, politische und sogar kulturelle Aspekte werden angesprochen und bedienen somit ein umfas-senderes Interesse. Lange wurde in der Redaktion diskutiert – abdrucken oder nicht. Sie sehen, wie wir ent-schieden haben und es ist ein Versuch. Derartige Texte sollen mitnichten die Regel werden, schade wäre aber auch eine Festlegung dahingehend, dies von vornherein auszuschließen. Äußern Sie ruhig Ihre Mei-nung, wir werden uns Mühe geben, sie zu berücksichtigen.

AKU

Thailand: Agrarpolitik in der Sackgasse Hintergrundpapier Nr. 11 der Friedrich Naumann Stiftung

Jan Seidel und Rainer Adam

Im Jahr 2011 beschloss die thailändische Regierung ein Programm zum unlimitierten Ankauf von ungeschäl-tem Reis für einen weit über dem Marktpreis liegenden Festpreis. Von diesem Programm gehen diverse prob-lematische Effekte aus, die den Status Thailands als führender globaler Reisexporteur gefährden. Die Auswir-kungen umfassen u. a. die Verzerrung des Wettbewerbs und der Faktorallokation, die Veränderung der speziellen Intensität und der Fruchtfolge, steigende Pachtkosten, Qualitäts-verschlechterung, Lagerungsprob-leme, die Abwanderung von Exportunternehmen und steigende Korruption. Die Regierung monopolisiert den Reismarkt, die Marktteilnehmer werden abhängig von der Politik. Die prognostizierten fiskalischen Verluste stehen in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen des Programms, das angeblich beabsichtigt, die soziale Ungleichheit in Thailand zu mindern. Tatsächlich profitieren insbesondere Landwirte mit großer Flächenaus-stattung, Inhaber von Getreidemühlen, Getreidehändler, Schmuggler und einige wenige Exporteure.

Thailands Landwirtschaft

und der Markt für Reis

Thailand konnte mit seiner stark an Exporten ori-entierten Wirtschaft nach Überstehen der Asienkri-se von 1997 ein stetiges Wachstum von durch-schnittlich vier Prozent pro Jahr im Zeitraum 2000 bis 2007 erreichen. Mehr als die Hälfte des Brutto-inlandsproduktes (BIP) wird dabei durch Exporte erwirtschaftet. Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 erholte sich Thailands Volkswirtschaft sehr rasch. Trotz dem durch die Flutkatastrophe im Jahr 2011 verursachten Einbruch, wurden sehr schnell wie-der Wachstumsraten von sieben bis acht Prozent erreicht.

Die Landwirtschaft trägt insgesamt nur etwa zwölf Prozent zum BIP bei, obwohl 42 Prozent aller Ar-beitskräfte im Agrarsektor beschäftigt sind. Thai-lands Exporte umfassen neben Textilien, Auto-mobilen, Gummi und elektronischen Produkten zu einem bedeutenden Teil landwirtschaftliche Pro-dukte, unter denen Reis eines der wichtigsten Exportgüter darstellt. Trotz signifikanter Diversifi-zierung der Landwirtschaft seit den 1960er-Jahren, steht Reis mit einem Anteil von ca. 20 Prozent klar an erster Stelle der landwirtschaftlichen Exportgü-ter Thailands. Mehr als die Hälfte der landwirt-

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schaftlichen Fläche wird für den Reisanbau ge-nutzt. Durch zahlreiche Investitionen in Infrastruk-turprojekte und Bewässerungssysteme wurde die Reisproduktion von Regierungsseite aktiv geför-dert, so dass sich diese von 1960 bis heute mehr als verdreifachen konnte.

Thailand, Vietnam und Indien dominieren den Weltmarkt für Reis und stellen zwei Drittel des gesamten Handelsvolumens. Thailand konnte lange die Führungsposition mit einem Anteil von 30 Prozent halten. Laut Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen (FAO) um-fasste der Welthandel im Jahr 2012 etwa 37,4 Mio. Tonnen, was einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 4,35 Prozent entspricht. Der globale Reishandel umfasst also weniger als zehn Prozent der Gesamtproduktion (487 Millionen Tonnen ge-schälten Reis).

Abbildung 1: Globaler Reishandel. Quelle: UN Food and Agriculture Organization, Rice Market Monitor

China, Indien, Indonesien und Vietnam konsumie-ren den Großteil des dort produzierten Reisvolu-mens. In Thailand wird dagegen vergleichsweise wenig im Inland konsumiert und viel exportiert. Die globalen Reispreise sind bis 2012, bei einem leicht steigenden globalen Reiskonsum und einem sin-kenden Pro-Kopf-Verbrauch, insgesamt leicht ge-sunken. Für 2013 wird ein weiterer Rückgang des globalen Handels um fünf Prozent auf 36,5 Millio-nen Tonnen erwartet.

Erstmalig musste Thailand sich im Jahr 2012 nach langer Zeit im Wettbewerb sowohl gegenüber Indi-en als auch Vietnam geschlagen geben, die mit einem Exportvolumen von 10,3 Mio. Tonnen res-pektive acht Mio. Tonnen einen deutlichen Vor-sprung im Export vor Thailand (mit 6,73 Mio. Ton-nen) erzielen konnten. Dies entsprach für Thailand einem scharfen Einbruch im Handel um 37 Pro-zent und einem Zwölfjahrestief.

Diese Fakten machen deutlich, welche Folgen kurzfristige Preisänderungen für die internationale Konkurrenzfähigkeit eines Produktes haben, das an einem Markt gehandelt wird, der durch große

Volatilität gekennzeichnet ist. Mit einem Preis von derzeitig 599 Dollar (17.900 Baht) pro Tonne hat Thailand deutliche Schwierigkeiten im Wettbewerb mit Indien (430 $/Tonne) und Vietnam (385 $/Tonne) mitzuhalten. Zusätzlich erschwert eine stetig in ihrem Wert steigende Währung den Ex-port von Agrarprodukten.

Hinter dieser Entwicklung steht auch das umstrit-tene Programm zur Reispreissubvention, das von der Pheu Thai Partei geführten Regierungskoaliti-on im Jahr 2011 eingeführt wurde. Im gleichen Jahr entschied sich Indien übrigens für die Libera-lisierung des Reisexports und der Abschaffung eines Exportverbots von Reis.

Doch was steht hinter dieser neuen Garantiepreis-politik in Thailand? Warum sollen die Einkommen der Landwirte auf diese Weise subventioniert wer-den? Welche möglicherweise negativen Effekte sind das Resultat des staatlichen Eingriffes in den Reismarkt? In welchem Ausmaß ist die Produkt-subvention geeignet, um ländliche Armut und die starke wirtschaftliche und sozial Ungleichheit in Thailand zu reduzieren? Und welche alternativen Schritte würden sich gegebenenfalls besser eig-nen, um die Einkommen der thailändischen Bau-ern langfristig und in Übereinstimmung mit Markt-prinzipien zu heben? Kann sich ein Schwellenland wie Thailand eine Agrarpolitik leisten, die auf pro-duktgebundene Subventionen setzt? Diesen Fra-gen wollen wir uns in den folgenden Ausführungen zuwenden. 

Die neue bäuerliche Mittelschicht in Thailand 

Obwohl sich die Landwirtschaft in Thailand mit der zunehmenden Industrialisierung in bedeutendem Umfang verändert hat, stellt sie immer noch die Haupteinkommensquelle für den Großteil der Be-völkerung dar – so wie in jedem südostasiatischen Land mit Ausnahme von Singapur und Brunei. Auch wenn sich der Anteil an Arbeitskräften in der Landwirtschaft von 1960 bis 2008 etwa halbiert hat, ist dieser mit 42 Prozent immer noch ver-gleichsweise hoch und weist damit auf die beson-dere soziale, politische und wirtschaftliche Bedeu-tung dieser Bevölkerungsgruppe hin. Noch größer ist dabei mit 66 Prozent die insgesamt auf dem

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Land lebende Bevölkerung. Ein Drittel davon ist nicht mehr in der Landwirtschaft beschäftigt.  

Wie hat man sich heute einen „typischen“ thailän-dischen Bauern vorzustellen? Tatsächlich ist das Bild vom armen und politisch passiven Subsis-tenzbauern, der zu großen Teilen von seiner eige-nen Ernte lebt und nur geringe Überschüsse ver-kaufen kann, so nicht mehr aktuell. Die thailändische Landwirtschaft hat sich, wie Andrew Walker (2012) treffend zusammenfasst, in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. Nur mit diesem Verständnis der landwirtschaftlichen Transformation ist es möglich, die Ziele der Regie-rung zur Unterstützung der Einkommen von Reis-bauern zu beurteilen.

Was sind die wesentlichen Trends der letzten 50 Jahren? Die ländliche Armut hat sich dramatisch von 96 Prozent im Jahr 1960 auf nur 8,1 (!) Pro-zent im Jahr 2009 verringert. Alle sozialen Indika-toren – die Lebenserwartung stieg z.B. von 54 auf 69 Jahre, die Kindersterblichkeit reduzierte sich von zehn auf ein Prozent – bestätigen diese welt-weit beispiellose positive Entwicklung. De facto konnten damit die UN-Millenniumsziele schon vor dem angestrebten Jahr 2015 erreicht werden. Bei den Haushalten, die sich noch unter der Armuts-grenze befinden, handelt es sich größtenteils um kleine Haushalte (häufig im Nordosten des Lan-des). Diese wirtschaften in Gegenden mit unter-entwickelten Bewässerungssystemen, mangelhaft ausgebauter ländlichen Infrastruktur und wenig alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten.

Im Durchschnitt lebt ein thailändischer Bauer von einem Einkommen im mittleren Bereich und steht nicht mehr vor dem existenziellen Problem, die eigene Ernährung täglich sicherstellen zu müssen. Mehr und mehr ergeben sich die typischen Her-ausforderungen einer marktwirtschaftlichen Wett-bewerbssituation im Sinne der Reduktion von Kos-ten, der Qualitätssteigerung der Produkte, der Diversifizierung des Anbaus und der Steigerung der Produktivität. Mit anderen Worten, die Produk-tion orientiert sich an dem Erzielen von Über-schüssen, nicht mehr an der Sicherstellung des eigenen Überlebens, des Subsistenzbedarfs.

Die Transformation der Armut in Thailand geht einher mit der Diversifizierung bäuerlicher Ein-kommensquellen. So beziehen nur noch 21 Pro-zent dieser Bevölkerungsschicht ihr Einkommen ausschließlich aus landwirtschaftlichen Erträgen. Der Verkauf von Reis alleine würde zur Erwirt-schaftung substantieller Überschüsse kaum aus-reichen. Durchschnittlich etwa 39 Prozent des Gesamteinkommens der Landwirte wird außerhalb der Landwirtschaft verdient. Bauern nehmen dabei am häufigsten die Möglichkeiten wahr als Landar-beiter, als Angestellte bei der Regierung oder im Bausektor zu arbeiten. Wohlhabendere Bauern verbinden die landwirtschaftliche Produktion gar mit ländlichen Unternehmungen wie dem

Abbildung 3: Anteile der landwirt-schaftlichen Beschäfti-gung von 1980 bis 2010. Quelle: TDRI. Unterhalten von kleinen Geschäften oder dem Geldverleih.  

Ein fundamentales Problem, das den Anstieg der Einkommen im Verhältnis zu Löhnen im Industrie- und Dienstleitungssektor verzögert, liegt in der vergleichsweise geringen Produktivität der Land-wirtschaft. Ein Drittel der Arbeitskräfte produzieren nur ein Zehntel des gesamten Ertrags. Selbst im unterentwickelten Laos sind die Reiserträge noch um 15 Prozent höher. Während Vietnam etwa einen durchschnittlichen Ertrag von 862 kg pro Rai (1 Rai = 1.600 Quadratmeter) erreicht, liegt der Wert Thailands bei lediglich 448kg pro Rai. Die Nebentätigkeiten der Landwirte finden in ebenso unproduktiven Sektoren statt, welche in großen Teilen abhängig von einer Subventionierung durch die Regierung sind. Entsprechend sind die Löhne in der Landwirtschaft im Durchschnitt um 44 Pro-zent niedriger als bei einem Industriearbeiter. Der immer noch hohe Anteil von Arbeitern in der Landwirtschaft zeigt auch, dass der Übergang zur Arbeit in der Industrie bzw. in den Dienstleistungs-sektor und damit die Mobilität weiter erschwert bleibt.

Noch in den 1950er-Jahren wurden die Bauern-einkommen durch eine Besteuerung der Reisex-porte künstlich niedrig gehalten. Ab den 1970er-Jahren begann die Regierung aufgrund der zu-nehmenden Bedrohung durch kommunistischen Einfluss auf die Landwirte, in Entwicklungspro-gramme zu investieren, Kredite über die neu ge-gründete Staatsbank BAAC (Bank of Agriculture and Agricultural Cooperatives) zu garantieren und die Einkommen von Bauern direkt zu subventionie-ren. Auf diese Weise sollte die Gefahr sozialer Spannungen minimiert werden. Von 1960 bis 2008 stiegen die Regierungsausgaben für die Landwirt-

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schaft insgesamt um das fünfzehnfache an. Dies resultierte jedoch kaum in Produktivitätssteigerun-gen. Im Gegenteil: Viel mehr wurde der Status Quo der Landwirte weiter konserviert. Gleichzeitig erfuhr die Lebenswirklichkeit und die Identität der Bauern eine bedeutende Transformation. Die all-gemeine Bildung verbesserte sich, die sanitären Bedingungen näherten sich urbanen Standards an, Medien und Technik eroberten das Land und die Mobilität nahm stark zu. Ländliche und urbane Räume sind nicht mehr voneinander isoliert, son-dern befinden sich zunehmend in einer Wechsel-beziehung zueinander. Ein Resultat dieses Trends ist dabei auch, dass sich Landwirte ihrer im Ver-gleich zu anderen Berufsgruppen geringeren Ein-kommen bewusst geworden sind. Gleichzeitig begannen sie sich ihrer politischen Rolle mehr und mehr bewusst zu werden. Sie fordern bis heute die Ausweitung direkte Unterstützung durch Staats-subventionen. Marktinterventionen können in die-sem Zusammenhang als probate Mittel der Regie-rung gedeutet werden, um die kurzfristigen Bedürfnisse der Bauernschaft zu befriedigen. Gleichzeitig suggerieren sie, dass die Einkom-menslücke zwischen einem Industriearbeiter und einem Landwirt geschlossen werden könne. Die langfristig notwendige Transformation der Land-wirtschaft in Richtung stärkerer Produktivität wird dabei jedoch vernachlässigt. Ist Thailand damit Opfer seines eigenen Erfolges geworden?

In den letzten Jahren wurden Landwirte zu einer bedeutenden politischen Größe, aus denen sich in großem Umfang die Rothemdenbewegung (UDD – United Front for Democracy Against Dictatorship) rekrutiert. Diese unterstützt den 2006 vom Militär gestürzten Regierungschef Thaksin Shinawatra. In allen Wahlen seit 2001 konnte Thaksin eine Mehr-heit der Wählerstimmen, besonders im ländlichen Norden und Nordosten, gewinnen. Gewaltsame Proteste häuften sich in Folge des Militärcoups, des Verbots der People’s Power Party (PPP) im Jahr 2008 und der Regierungszeit der Democrat Party ab 2008. Seit 2011 regiert die Schwester Thaksins, Yingluck Shinawatra, mit Unterstützung der Rothemden. Der Hauptvorwurf gegen die mit Thaksin assoziierten Parteien bestand darin, dass Stimmen von Bauern mit Geld oder Geschenken gekauft worden seien. Das auf dem Land vorherr-schende Gefühl von der Politik bislang vernach-lässigt worden zu sein, wurde von Thaksin ge-schickt genutzt. Auch wurde während seiner Regierungszeit mit entsprechenden Investitionen die ländliche Wohlfahrt gefördert, was per se auch nicht verwerflich ist. Daraus wird ersichtlich, in welchem Umfang sich das elektorale Machtzent-rum sukzessive von Bangkok in die ländlichen Gegenden im Norden und Nordosten verschob.

Das Programm zur Reispreissubventionierung: Die riskante Umsetzung eines Wahlverspre-chens 

Auch vor der Einführung des Programmes zur Reispreissubventionierung durch die Koalitionsre-gierung Yinluck Shinawatra’s gab es ein Unterstüt-zungsprogramm für Bauern, das diesen Mindest-preise anbot und die Differenz zwischen Markt- und Mindestpreis ausglich. Allerdings wurde die jeweils von der Regierung aufkaufbare maximale Menge pro Bauernhof gedeckelt. Dieses, von der Regierung Abhisit Vejjajiva (Democrat Party) be-gründete, Verfahren griff bei Kosten von etwa 60 Milliarden Baht jährlich nicht sehr stark in den Markt ein, stellte aber eine Einkommensunterstüt-zung der Reisbauern allgemein dar.

Das gegenwärtige Programm zum Reisaufkauf ist nicht besonders originell. Sowohl in anderen Län-dern (das beste Beispiel ist Indien) als auch in Thailand selbst gab es früher bereits ähnliche Pro-gramme. Vor 2006 wurde der Abnahmepreis noch bei etwa 20 bis 30 Prozent über dem Marktpreis angesetzt. Im Oktober 2011 wurde das Programm neu aufgelegt auch um das Wahlversprechen der Pheu Thai Partei einzulösen. Bauern können ihre Reisproduktion nun unbegrenzt an die Regierung verkaufen. Der Garantiepreis liegt mit 15.000 res-pektive 20.000 Baht pro Tonne etwa 30 bis 40 Prozent über dem Weltmarktpreis und übertrifft die Produktionskosten um ein Dreifaches. Das Pro-gramm wird mit etwa acht Milliarden US-Dollar oder 240 Milliarden Baht (entspricht ca. zwei Pro-zent des BIPs) jährlich gefördert. Im Jahr 2013 werden insgesamt etwa elf Millionen Tonnen un-geschälter Reis aufgekauft werden. Die Erfahrung lehrt, dass, einmal etabliert, solche marktinterventionistische Wohlfahrtsprogramme nur unter schweren politischen Anstrengungen und unter Protest eines großen Teiles der Bevölkerung zurückgefahren werden können.

Hinter dem Programm stand der Gedanke, die Position Thailands als globaler Marktführer im Reisexport auszunutzen, um so den globalen Marktpreis auf ein höheres Niveau zu drücken. Ein Architekt des Programmes, der Wirtschaftswissen-schaftler Olarn Chaipravat, hat volles Vertrauen in die dominante Position Thailands auf dem Reis-markt. Er formuliert die Absicht, den eingelagerten Reis mittlerer Qualität in jeweils großen Mengen für 600 US-Dollar pro Tonne abzusetzen. Hierzu sollen u.a. Government-to-Government-Verkäufe (G2G) zwischen Thailand und dem jeweiligen Im-portland durchgeführt werden. Um allerdings die Gesamtkosten überhaupt rechtfertigen zu können, müsste der Reis pro Tonne laut Somporn Isvilanonda vom Knowledge Network Institute of Thailand für mindestens 800 US-Dollar bzw. 25.000 Baht verkauft werden.

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Abbildung 4: Reisexportpreise im globalen/regionalen Vergleich. Quelle: FAO. Jeder Bauer kann nun seinen Reis bei autorisier-ten Getreidemühlen zur Aufbereitung anmelden (davon gibt es derzeit noch ca. 2.000 in Thailand). Dort wird die Güte und Nässe des Reises einge-schätzt und der Preis bestimmt. Mit der Quittung können die Landwirte dann von der Staatsbank BAAC ihr Geld erhalten. Die Müller sind auch dazu beauftragt die Reiseinlagerung einzuleiten. Wirt-schaftsminister Boonsong Teriyapirom betont, dass durch das Programm die Marktpreise erhöht werden und so alle Bauern profitieren, letztendlich Lebensstandard und Konsum signifikant steigern können. Ebenso werde das Ziel der Ernährungssi-cherung durch die Einlagerung aktiv gefördert. Bei Naturkatastrophen in der Region werde Thailand von den eingelagerten Mengen stark profitieren können. Die bisherigen (offiziell angegebenen) Kosten von 300 Milliarden Baht können durch den Verkauf wieder gedeckt werden, so lautet die Hoffnung der Agrarplaner. Der gestürzte Premier Thaksin behauptet aus seinem Exil gar, dass das Programm Gewinne bringen werde, die die Kosten um das Dreifache übertreffen können.

Auf dem Weg zur Monopolisierung des Reis-handels?

Tatsächlich haben sich die Binnenpreise um etwa 17 Prozent im ersten Jahr nach der Einführung des Programmes erhöht. Das geht selbstverständ-lich auch auf die Kosten der Verbraucher. Auf-grund der hohen Ankaufspreise kontrolliert die Regierung de facto den gesamten Reishandel vom Ankauf, zur Einlagerung bis zum Verkauf und Ex-port. Insgesamt stehen ihr vier Verkaufsmethoden zur Verfügung. Die größte Hoffnung Bangkoks ruht dabei erstens auf den sogenannten Government-to-Government-Deals. Auf diese Weise können

theoretisch große Mengen Reis zu einem hinter verschlossenen Türen verhandelten Preis abge-setzt werden. Daneben werden zweitens auch die öffentlichen Auktionen von Regierungsseite ange-priesen, obwohl hier die Transportkosten von den Käufern selbst getragen werden müssen und zu-sätzlich Unternehmen zur Überprüfung der Reis-qualität beauftragt werden sollen bevor der Reis schließlich verschifft werden darf. Drittens kann der Reis über die landwirtschaftliche Terminbörse (Agricultural Futures Exchange System) abgesetzt oder viertens direkt an andere staatliche Institutio-nen verkauft werden.

Insgesamt wird so die Zahl lokaler Reishändler zu Gunsten eines zentralisierten Absatzes reduziert. Desweiteren werden auch die Reismühlen stark abhängig von positiven politischen Beziehungen zu Regierungsbeamten. Dies wird etwa daran sichtbar, dass schon 2005 nur 400 bis 600 der insgesamt damals etwa 40.000 Mühlen an einer älteren Version des Programmes partizipiert ha-ben. Gleiches gilt für Exporteure, die versuchen während und nach den offiziellen Auktionen Regie-rungsbeamte zu bestechen oder das System durch Bieterabsprachen zu manipulieren. Die Re-gierung schaltet sich also als aktiver und kontrollie-render Akteur in die Wertschöpfungskette ein und übernimmt so die Hauptverantwortung für die Funktionsfähigkeit des Reismarktes und des Han-dels. Sie muss dabei auf einen hohen Weltmarkt-preis spekulieren, um den Exportumsatz maximie-ren zu können. Ein zu früher Verkauf des eingelagerten Reises, d.h. unter dem Weltmarkt-preis, würde die Verluste weiter in die Höhe trei-ben. Dies würde außerdem die internationalen Marktpreise stark verzerren und so zu großen Verstimmungen mit den USA und der WTO führen, die sich bereits besorgt über das Subventionie-rungsprogramm geäußert haben. Das Vorgehen korrespondiert ebenso wenig mit den Free Trade-Prinzipien der ASEAN Economic Community. Die-ses monopolistische Vorgehen wurde sogar Grund für eine Klage von 147 Akademikern des National Institute of Development Administration vor dem thailändischen Verfassungsgericht.

Auch die Verkaufsmethoden selbst werden immer wieder wegen ihrer hohen Intransparenz ange-prangert. Ob tatsächlich G2G-Geschäfte stattge-funden haben oder nicht, lässt sich meist gar nicht nachvollziehen, da die Daten unter Verschluss gehalten werden. Im November 2011 wurde zum Beispiel aufgedeckt, dass ein vom Wirt-schaftsministerium verkündetes Riesengeschäft mit China über 15 Millionen Tonnen Reis gar nicht stattfinden wird und sich eine solche Vereinbarung in dem abgeschlossenen Memorandum of Unders-tanding zwischen Bangkok und Peking nirgendwo finden lässt. Mit Recht zitiert der Journalist Veera Preteepchaikul in einem Kommentar das thailändi-sche Sprichwort: „Ein toter Elefant kann nicht mit Lotusblüten versteckt werden.“ Undurchsichtiges

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Regierungshandeln mag auf kurze Zeit dazu ge-eignet sein den Erfolg des Programms zu sugge-rieren. Auf längere Sicht wird der „tote Elefant“ aber wieder zum Vorschein treten. Auch andere traditionelle Reisimporteure, wie etwa Indonesien, haben angekündigt, dass man 2013 nicht beab-sichtige staatlicherseits Reis aus Thailand zu im-portieren.

Zu diesem dirigistischen Vorgehen passen die schon unter Thaksin initiierten Pläne eine ‚Rice Trade Zone‘ (RTZ) zwischen den ASEAN-Ländern Thailand, Vietnam, Kambodscha, Laos und My-anmar mittels verschiedener Ministertreffen zu errichten. Offiziell vom Kabinett beschlossenes Ziel ist es, die internationalen Reispreise zu stabi-lisieren. Von diesem Reiskartell würde jedoch fak-tisch Thailand am meisten profitieren, da seine Führungsposition auf dem Markt derzeit bedroht ist während etwa Vietnam kaum einen Zusatznutzen ziehen könnte. Eine komplette oligopolistische Kontrolle der Handelsmenge (so wie etwa bei der OPEC) ist aufgrund der fehlenden langfristigen Einlagerungsmöglichkeiten von Reis sowieso nicht möglich. Das Projekt hat sich bislang aufgrund der unterschiedlicher Interessenlagen und der unrea-listischen Implementierungsmöglichkeiten daher auch nicht materialisiert.

Fehlanreize für Bauern und verhängnisvolle Folgen für den Reisexport

Die Weltbank stellt fest, dass nach den ersten zehn Monaten nach Einführung des Subventions-programms der Reisexport bereits um 23 Prozent zurückgegangen ist und sich Thailands globaler Marktanteil von 30 Prozent im Jahr 2010/11 auf 19 Prozent im Jahr 2011/12 reduziert hat. Statistiken der Thai Rice Exporters Association (TREA) zei-gen von 2011 auf 2012 einen Rückgang der ge-handelten Exportmenge um 35 Prozent auf nur noch 6,94 Millionen Tonnen Reis, der sich 2013 weiter auf 6,5 Millionen reduzieren könnte. Zum Vergleich: 2008 lag das Exportvolumen noch bei rund zehn Millionen Tonnen. Die Einnahmen durch den Export haben sich so von sechs Milliarden US-Dollar im Jahr 2011 auf nur noch 3,7 Milliarden im letzten Jahr reduziert. Nipon Poapongsakorn konnte bereits 2008 in einer Studie eine negative Korrelation zwischen erhöhten Reiseinlagerungen und einer Verringerung des Exportes nachweisen. So bewirkte eine Erhöhung der eingelagerten Menge um zehn Prozent eine Abschwächung des Exports um 13 Prozent. Von offizieller Seite wird diese Dynamik gerne mit externen Faktoren, wie etwa der Schwäche anderer Währungen (z.B. des Euros) oder dem Sinken der Kaufkraft in anderen Ländern, zu erklären versucht.

Trotz seiner generell günstigen Position im interna-tionalen Wettbewerb schneidet sich Bangkok mit seiner populistischen Preisgarantiepolitik jedoch deutlich ins eigene Fleisch. Seinen Exporterfolg macht es nunmehr vor allem von intransparenten

und langfristig nicht verlässlichen G2G-Geschäften abhängig. Im letzten Jahr waren die Hauptabneh-mer Nigeria (2,7 Mio. t), China (2 Mio. t), Iran (1,8 Mio. t), die Philippinen (1,5 Mio. t) und Indonesien (1,45 Mio. t). Die klassischen Importländer werden allerdings zunehmend skeptischer. So brach etwa Indonesien nach der Umsetzung des Programms ein Geschäft über 300.000 Tonnen Reis ab, um diesen stattdessen fortan von Vietnam zu bezie-hen. Unsicher bleibt auch, ob man den herausge-gebenen Informationen der Regierung zu angebli-chen G2G-Verkäufen trauen kann. 2012 sollten angeblich Verträge über 7,3 Mio. Tonnen mit Indi-en, China, Bangladesch und der Elfenbeinküste geschlossen worden sein obwohl sich diese Zah-len gar nicht in den Importvolumina der Länder widerspiegeln. Diesen kann man entnehmen, dass Bangladesch seine Reisimporte ganz eingestellt hat und die aus Indonesien und der Elfenbeinküste um etwa 50 Prozent zurückgegangen sind. Auch Indonesien und die Philippinen bestreiten, dass Vereinbarungen stattgefunden hätten. Ebenso erscheinen die Vorschläge der thailändischen Re-gierung fünf Millionen Tonnen Reis pro Jahr von 2013 bis 2015 nach China exportieren zu wollen bei einem Importvolumen Chinas von ca. 270.000 Tonnen (2011) bzw. zwei Mio. Tonnen (2012) we-nig realistisch. Tatsächlich lag das gesamte offizi-elle Verkaufsvolumen durch G2G-Verträge im Jahr 2012 nur bei 1,4 Millionen Tonnen. Das Thailand Development Research Institute berechnet, dass die Verschiffungen allein im Zeitraum von Januar bis Juni 2012 um 44 Prozent gesunken sind. Nun erwartet die Regierung im Jahr 2013 Verschiffun-gen von 2,5 Millionen Tonnen via G2G-Verhandlungen mit einigen afrikanischen Ländern. Bei der derzeitigen Differenz zum Weltmarktpreis und der Stärke des Thai Bath ist es jedoch fast sicher, dass es sich um Verlustgeschäfte handeln wird.

Um den Export wieder anzukurbeln, werden, mit bisher geringem Erfolg, auch Handelsmissionen ausgesendet. In Großbritannien, wo Thailand lan-ge der viertgrößte Reislieferant war, konnten auf-grund des beträchtlichen Preisunterschieds aller-dings keine Erfolge erreicht werden. Stattdessen ging auch hier das Exportvolumen um mehr als 50 Prozent zurück.

Außerdem will die Regierung eine stärkere Förde-rung von hochwertigem Reis einführen. Olarn Chaipravat erwartet, dass sich die Exporteure langfristig auf Reis mittlerer Qualität (z. B. Thai Hom Mali) umstellen müssten, um höhere Ge-winnmargen (bei einem höheren Verkaufspreis von etwa 800 bis 1.100 US-Dollar pro Tonne) zu erwirtschaften. Im Anschluss würden sich auch die Bauern in ihrem Anbau anpassen. Damit will er auf das gestiegene durchschnittliche Einkommen in China und anderen asiatischen Ländern reagieren, deren Nachfrage nach höherwertigem Reis seiner Ansicht nach ansteigen müsste.

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Wenn man berücksichtigt, dass normaler weißer Reis mit 80 Prozent vom weltweit exportierten Reis immer noch am meisten nachgefragt wird, ist es sehr fraglich, ob angesichts des derzeitigen Preis-garantieprogramms Maßnahmen zur Förderung der Qualität wirklich geeignet sind, den thailändi-schen Reishandel wieder zu stärken. Der Trend geht genau in die entgegengesetzte Richtung: Für die Bauern ist es profitabler, schneller wachsen-den und qualitativ weniger hochwertigen Reis (z.B. Rundkornreis) auf einer möglichst großen Fläche anzubauen. Der Gesamtertrag von (geschältem) Reis ist alleine im letzten Jahr von 23,4 Mio. t auf 25 Mio. t angestiegen. Vorher ungenutzte, oft mar-ginale Landflächen (Dies sind landwirtschaftliche Grenzstandorte bzw. Grenzertragsböden, auf de-nen unter Marktbedingungen der Aufwand in der Regel höher ist als der Ertrag), bei denen sich der Reisanbau vor Einführung des Ankaufprogrammes nicht lohnte, werden nun in die Produktion ge-nommen. Dies geht auf Kosten anderer Produkte und auf Kosten der angestrebten Produktivitäts-steigerungen in der Landwirtschaft allgemein. Schon jetzt werden von Regierungsseite lediglich 12,2 Millionen Rai Landfläche der insgesamt 58,9 Millionen Rai bewirtschafteten Flächen als „sehr geeignet“ für den Reisanbau bewertet. Das Pro-gramm widerspricht so den eigenen Regierungs-zielen zur Steigerung der Produktivität, die etwa durch neu geplante „Farmland Zoning“- Program-me erreicht werden sollen. Ebenso haben die Bauern keinen Anreiz auf den hohen Einsatz von Pestiziden zu verzichten. Im Gegenteil: Viele ge-hen sogar davon aus, dass ein erhöhter Einsatz sich in erhöhten Erträgen äußern wird. Schon 2003 nutzten 54 Prozent aller Landwirte meist chemische Pestizide gegen Insektenbefall.

Beim Export nach Westafrika, das jährlich etwa 4 Mio. Tonnen abnimmt, müssen außerdem noch die sozialen Folgen der Preissteigerungen für die häufig unter der Armutsgrenze lebende Bevölke-rung mitbedacht werden. Die Volatilität des afrika-nischen Reismarktes wird durch künstliche Ange-botsverknappungen lokaler Händler, die auf steigende Preise spekulieren, noch weiter poten-ziert. Schon in den ersten Monaten des Jahres 2008 entstanden in vielen Ländern Nahrungsmit-telaufstände, die durch Exportverbote aus Indien und Vietnam ausgelöst wurden.

Die thailändischen Exporteure müssen den höhe-ren Marktpreis letztlich tragen und sind auf dem Weltmarkt nicht mehr oder nur noch bedingt kon-kurrenzfähig. Die Exportfirma Capital Rice Ltd hat beispielsweise Teile ihres Geschäftes nach Kam-bodscha verlagert und exportierte im Jahr 2012 nur noch etwa die Hälfte des sonst üblichen Volu-mens (etwa zwei Millionen Tonnen). Andere Un-ternehmen gehen denselben Weg, indem thailän-dische Niederlassungen geschlossen und neue Branchen in Kambodscha, Vietnam oder Pakistan eröffnet werden. Im Entwicklungsland Kambod-

scha können Exporteure noch zusätzlich von Zoll-befreiungen bestimmter Importländer (insbesonde-re der EU) profitieren. Der stellvertretende Ge-schäftsführer von Capital Rice, Herr Wanlop Pichpongsa erwartet für 2013 wieder einen schwachen Markt mit einem Abwärtstrend für die Reisindustrie bei weiter steigenden Vorräten.

Die Regierung in Bangkok spekuliert darauf, die Führungsposition im Reisexport in diesem Jahr, u.a. auch aufgrund sinkender Produktion in Indien, wieder zurückzugewinnen. Ob dieses Ziel zu errei-chen sein wird ist fraglich, weil die Reisproduktion in diesem Jahr den Reiskonsum wieder überstei-gen wird und sich gleichzeitig die weltweiten Vor-räte um sieben Prozent vergrößern werden. Zu-dem leidet der Export unter der derzeit starken Währung. Der gesamte Ernteertrag wird aufgrund großer Produktionsschübe, u.a. in Bangladesch, China, Indonesien und Vietnam, auf 661 Millionen Tonnen ungeschältem Reis anwachsen. Auch Myanmar hat das Potential aufgrund der großen vorhandenen Anbauflächen zu einem bedeuten-den Exporteur anzuwachsen. Vor dem 2. Weltkrieg war Myanmar (Birma) die Reisschüssel Asiens und die Exporte lagen damals bereits bei rund vier Millionen Tonnen Reis. Insgesamt herrscht große Unsicherheit unter den Marktteilnehmern vor, ob und wann Thailand seine Vorräte freisetzen kann bzw. wird. Bei einem weiteren Festhalten an der jetzigen Strategie könnte Bangkok langfristig wei-ter Marktanteile verlieren als auch Chancen bei der Erschließung neuer Märkte verspielen. Am 26. März hat deshalb der Landwirtschaftsausschuss der Welthandelsorganisation (WTO) eine Sonder-sitzung einberufen und Thailand aufgefordert seine Reisunterstützungspolitik zu erklären. Besonders interessiert sind die 159 Mitglieder daran zu wis-sen, wie Thailand gedenkt seine Lagerüberschüs-se (derzeit geschätzte 17 Millionen Tonnen ge-schälter Reis) zu bewirtschaften. Würden diese auf internationalen Märkten angeboten, hätte das ei-nen katastrophalen Preisverfall zur Folge.

Kosten – Verluste – Schulden

Die Weltbank berechnete in einer Studie, dass die Gesamtkosten des Ankaufsprogrammes der thai-ländischen Regierung im Jahr 2011/12 bei etwa 376 Mrd. Baht und im Jahr 2012/13 bei etwa 440 Mrd. Baht liegen, abhängig von der aufgekauften Reismenge. 2012 wurden etwa neun Millionen Tonnen zu offiziell angegebenen Kosten von 336 Milliarden Baht angekauft. Dies resultiert, selbst bei einem vollständigen Verkauf der Reismenge zum Preis von 600 US-Dollar pro Tonne, in Verlus-ten von etwa 115 Mrd. Baht bzw. 140 Mrd. Baht (je etwa ein Prozent des BIPs). Das Thailand Deve-lopment Research Institute geht von 200 Mrd. Baht Verlusten pro Jahr oder 6.000-7.000 Baht Verlus-ten pro Tonne Reis aus. Der ehemalige Finanzmi-nister Pridiyathorn rechnet sogar vor, dass sich die Verluste langfristig auf Billionenbeträge summieren

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werden. Offiziell werden hingegen nur Verluste von insgesamt 60 bis 80 Mrd. Baht, nach Angaben des Public Debt Management Office (PDMO), erwartet. Erst kürzlich hat die Regierung die ge-plante aufzukaufende Menge von elf auf sechs Millionen Tonnen Reis und die dadurch entstehen-den Kosten von 405 Milliarden auf 300 Milliarden Baht nach unten korrigiert. Obwohl der offizielle Grund die Dürre der zweiten Ernte ist, lässt sich vermuten, dass der Regierung derzeit jeder Grund Recht ist, um die Kosten und Verluste des Pro-gramms zu reduzieren.

Die Summen werden etwa zur Hälfte vom PDMO zur Verfügung gestellt während die andere Hälfte aus den Erlösen des Handelsministeriums aufge-bracht werden soll. In diesem Zusammenhang muss die Staatsbank BAAC, die die Bauern mit Krediten versorgt und den Reisankauf finanziert, mit Kreditgarantien von 150 Mrd. Baht gestützt werden. Im letzten Jahr wurde diese Summe zu-sätzlich noch um 70 Mrd. Baht erhöht. Da der An-kauf des Reises nicht gedeckelt ist, besteht immer die Gefahr, dass bei einer unerwartet hohen Ernte die Kreditgarantien gegebenenfalls nicht ausrei-chen. Wie im Februar 2013 bekannt wurde, konnte die Regierung erst ein Sechstel der Kosten der Staatsbank decken. Die Liquiditätsprobleme der BAAC resultieren vor allem aus verspäteten Schuldenrückzahlungen der beiden Hauptschuld-ner, der Public Warehouse Organisation (PWO) des Handelsministeriums und der Marketing Orga-nisation for Farmers (MOF). Diese konnten den eingelagerten Reis nicht so problemlos absetzen wie erwartet. Im schlimmsten Falle müsste die BAAC Summen aus anderen Programmen strei-chen, um das Ankaufsprogramm weiter unterstüt-zen zu können. Derzeit wird diskutiert, ob die Government Savings Bank (GSB), eine weitere Staatsbank, die BAAC notfalls retten muss, da die Risikoprämien im Interbankenmarkt aufgrund der Sorgen um die Liquidität der Bank stark angestie-gen sind. Und dies obwohl die BAAC ironischerweise im letzten Jahr noch von der Pheu Thai-Regierung die Auszeichnung des besten Staatsunternehmens in Thailand erhalten hat.

Der Schuldenstand der Regierung steht derzeit bei etwa 43,9 Prozent des BIPs oder 4,93 Billionen Baht. Für das Jahr 2013 wird von einer Erhöhung der Schulden um etwa vier Prozentpunkte ausge-gangen. Dabei wird das Reissubventionspro-gramm erst teilweise in die öffentlichen Schulden einberechnet, da ein Teil als zukünftige Verbind-lichkeiten verbucht werden, die solange nicht zu den Schulden zählen bis das Projekt abgeschlos-sen ist. Obwohl die Schuldenrate derzeit noch nicht allzu bedrohlich scheint, besteht die Gefahr, dass sich auf lange Sicht die Verluste der Subven-tionsprogramme der Regierung (so etwa auch für Gummi mit 45 Mrd. Baht und für Mais mit 30 Mrd. Baht Verlusten pro Jahr) summieren. Für wichtige, langfristige Investitionen wie zum Beispiel in den

Katastrophenschutz, in landwirtschaftliche For-schung oder in Infrastrukturprojekte (insbesondere in Bewässerungsanlagen) ist dann möglicherweise nicht mehr genügend Spielraum da. Diese Maß-nahmen wären jedoch dringend geboten, um die zu geringe Produktivität zu heben, die sich in ei-nem sinkenden landwirtschaftlichen Ertrag pro Rai (von 404 kg im Jahr 2010 auf 394 kg im Jahr 2012) äußert. Das TDRI rechnet vor, dass der Schuldenstand bei einem Wirtschaftswachstum von unter sechs Prozent auf 60 Prozent, bei einem Wirtschaftswachstum von unter vier Prozent gar auf bedrohliche 80 Prozent des BIPs steigen könn-te, wenn das Reispreisgarantie-Programm weiter verlustreich fortgesetzt wird.

Abbildung 5: Gestiegene Schulden pro Haushalt 2008-2011. Quelle: Arunmas, Phusadee/Khochornwutthinan, Prathuan: Growers turning to loan sharks, UTCC study finds, in: Bangkok Post, August 17, 2012

Paradoxerweise steigen auch die Schulden der Reisbauern weiter, die bei derzeit durchschnittlich 103.047 Baht pro Kopf liegen und seit 2010 um sechs Prozent pro Jahr angestiegen sind. Etwa 63 Prozent aller Haushalte in Thailand sind verschul-det, davon etwa 15 Prozent im landwirtschaftlichen Sektor. Grund dafür sind auch verstärkte Investiti-onen aufgrund der verbesserten Profitmöglichkei-ten durch das Subventionsprogramm. Auch die Produktionskosten haben sich nach Angaben der Thai Rice Growers‘ Association von 5.000 bis 6.000 Baht pro Tonne Reis auf 7.000 bis 9.000 Baht/Tonne erhöht, u.a. aufgrund des Anstieges der Pacht um etwa 30 Prozent und des Anstiegs der Düngemittel- und Insektizidpreise. Dazu kom-men neue Mindestlöhne für Landarbeiter, die von den Bauern getragen werden müssen. Wird dann noch bedacht, dass die Getreidemühlen vom Re-gierungspreis einen Betrag von bis zu 3.000 Baht pro Tonne für den Nässegrad abziehen können, so sind die generellen Gewinnmöglichkeiten für Bau-ern geringer als allgemein angenommen. In einer Studie der University of Thai Chamber of Com-merce wurde festgestellt, dass ein Großteil der Bauern die Kredite nicht zurückzahlen kann. Die vorhandenen Kreditprogramme der Regierung sind im Norden oft immer noch unbekannt. Die Bauern werden außerdem von Staatsseite weiter dadurch eingeschränkt, dass der Reisverkauf über Pro-

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vinzgrenzen hinaus noch stark reguliert wird. Ins-gesamt haben sich die durchschnittlichen Einkünf-te der Bauern von 2011 auf 2012, auch aufgrund eines schwachen Marktes für andere landwirt-schaftliche Produkte (Gummi, Ölpalmen), um 23 Prozent verringert.

Wer profitiert wirklich?

Bislang nehmen von Thailands drei Millionen Bau-ernhöfen etwa eine Million an dem Reispreisgaran-tie-Programm teil. Nach einer Studie der Weltbank profitieren dabei nur 18 Prozent der ärmeren Bau-ern von den subventionierten Preisen, da Kleiner-zeuger nur geringe bis gar keine Überschüsse auf ihren relativ kleinen Flächen produzieren können. Einer Studie des TDRIs zu Folge gehen sogar nur fünf Prozent der Summen des Programms an ar-me Bauern. Knapp ein Drittel der Betriebsgröße der Bauernwirtschaften liegt zwischen eins bis neun Rai während mittelgroße Bauern über eine deutlich größere Flächenausstattung von 20 bis 30 Rai verfügen (die durchschnittliche Betriebsgröße in Thailand liegt bei 22,5 Rai). Gleiches gilt für die bewässerbaren Zonen auf dem Land, die bei ar-men Bauern im Durchschnitt nur 30 Prozent und bei wohlhabenderen Bauern ca. 75 Prozent der gesamten Landfläche ausmachen. Letztere kön-nen aufgrund fortgeschrittener Bewässerungs-techniken im Durchschnitt zwei Mal im Jahr Reis ernten. Dies ist bei ärmeren Bauern seltener der Fall (durchschnittlich 1,4 Ernten im Jahr). Diese unterschiedlichen Anbau- und Erntebe dingungen spiegeln sich letztlich im Reisertrag pro Rai wider: Bei armen Bauern liegt dieser – mit negativer Ten-denz - bei ca. 250 kg, bei reicheren Bauern bei etwa 450 kg.

Mehr als die Hälfte der Reisflächen werden für den Eigenkonsum genutzt. Etwa 740.000 Haushalte müssen nach Angaben der Weltbank sogar noch zusätzlich Reis ankaufen. Ein überwiegender Teil der Bauern (etwa 2,3 Millionen) produziert nicht mehr als fünf Tonnen Reis im Jahr. Dies hängt auch damit zusammen, dass etwa 80 Prozent der Haushalte ihr Einkommen noch aus anderen Quel-len außerhalb der Landwirtschaft beziehen.

Die Höhe des möglichen Gewinnes ist also direkt abhängig von der Größe des Landes und von In-vestitionsmöglichkeiten in Bewässerungssysteme, die den ganzjährigen Anbau erlauben. Nur etwa 33.000 Haushalte verdienen 600.000 Baht im Jahr durch den Reisverkauf, was insgesamt etwa 19 Prozent des gesamten Reiswertes entspricht. Et-wa 74.000 Bauern produzieren zwischen zehn und 30 Tonnen Reis pro Jahr, nur 2.300 Haushalte produzieren mehr als 30 Tonnen. Die wenigen Bauern, die überdurchschnittlich produzieren, pro-fitieren beim Ankauf am meisten. Das ist möglich, weil eine Mengenbegrenzung fehlt. Bezogen auf die Betriebsgröße sind dies weniger als ein Sechs-tel aller Bauern (ab 40 Rai -1 Rai = 1.600 m2. 1 Hektar (ha) = 10.000 m2, d.h. 40 Rai = 6,4 ha-

Landfläche). Laut TDRI gehen damit etwa 80 Pro-zent der Summen des Ankaufsprogramms an die-se Schicht der gut situierten Landwirte. Der be-kannte Wirtschaftswissenschaftler Ammar Siamwalla kommentiert: „Diese Politik bevorteilt einseitig jene Bauern, die mehr Reis produzieren können gegenüber solchen die weniger produzie-ren können.“ Nicht vergessen werden darf auch, dass besonders ärmere Bevölkerungsschichten, die überdurchschnittlich viel Reis konsumieren, unter den erhöhten Binnenpreisen leiden.

Abbildung 6: Betriebsgröße des landwirtschaftlichen Grundbesitzes geordnet nach Größe in Rai und Region. Quelle: Landwirtschaftlicher Zensus 2003.

Wie oben schon angeklungen ist, kann man nicht von einem Idealtypus des thailändischen Bauern ausgehen, sondern muss differenzieren, um die tatsächlichen Auswirkungen des Programms rich-tig einschätzen zu können. Von den 42 Prozent, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, fällt be-reits der Teil der landlosen Landarbeiter bei der Bestimmung des Zusatznutzens durch das Pro-gramm weg. Außerdem sind insgesamt laut USAID etwa elf bis 30 Prozent des Ackerlandes zugepachtet wobei hierbei besonders ärmere Bauern auf Pachtland angewiesen sind. Von 1988 bis 2009 hat das gesamte gepachtete Land um etwa zehn Prozent zugenommen. Laut Prasit Boonchoei, dem Vorsitzenden der Thai Farmers Association, mussten bereits 75 bis 80 Prozent der Pächter Erhöhungen der Pachtpreise hinnehmen. Das Land, das sich in Privatbesitz befindet, unter-liegt etwa zur Hälfte Hypothekendarlehen.

Eine gemeinsame Studie der Kasetsart University und Mahanakorn University in Bangkok weist mit Bezug auf ein ähnliches, vorheriges Programm des Premiers Samak Sundaravej nach, dass der Anteil der Bauern an der Abschöpfung der Sub-vention von 68 Prozent auf nur 17 Prozent zurück-gegangen ist. Dieses Verhältnis kehrte sich dann wieder um als die Koalitionsregierung unter Pre-mierminister Abhisit im Jahr 2009 das Programm zur Einkommensunterstützung der Bauern einge-führt hat. Das TDRI kommt bezüglich des neuen Programms unter der derzeitigen Phue Thai Re-gierung auf ein ähnliches Ergebnis wie für das Samak Programm. Derzeit würden lediglich 37 Prozent der durch das Programm erzielten Mehr-einnahmen an Landwirte fließen.

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Es profitieren hingegen vor allem die Getreide-mühlen, die als entscheidende Zwischenglieder zwischen den Bauern und der Regierung fungie-ren. Wie schon erwähnt können hierbei auch poli-tische Beziehungen zu Regierungsbeamten bei der Anerkennung als offizielle Weiterverarbei-tungsstellen von Bedeutung sein. Die Getreide-mühlen erhalten direkte finanzielle Unterstützung der Regierung und sind fast ganzjährig mit Aufträ-gen versorgt. Entsprechend werden die eigenen Kapazitäten ausgebaut. Ein Abbruch des Subven-tionsprogramms würde de facto zum Bankrott ei-nes Großteiles dieser Mühlen führen. Da diese die Entscheidungsbefugnis haben, den Ankaufspreis für die Bauern nach Prüfung der Qualität zu be-stimmen, ist auch hier unmittelbar Korruptionsge-fahr gegeben. So könnten etwa Zahlungen der Bauern angenommen werden, damit die Qualität des angekauften Reises nicht abgestuft wird. Des Weiteren traten schon Fälle auf, bei denen die Müller den Reis selbst von Bauern aufgekauft ha-ben, um diesen dann (unter Vortäuschung einer falschen Identität) direkt an die Regierung für den Festpreis weiterzuverkaufen.

Berge von Reis und kein Ende in Sicht

Laut aktuellen Prognosen der FAO wird die Regie-rung nach einem voraussichtlichen Ankauf von elf Millionen Tonnen Reis im Jahr 2013 über Bestän-de von etwa 18 Millionen Tonnen verfügen – 40 Prozent mehr als noch im Jahr 2012. Zum Ver-gleich: Dies entspricht mehr als dem Doppelten des jährlichen Exports Thailands oder 48 Prozent des gesamten globalen Reishandels im Jahr 2012/13. 2008 bis 2010 lagen die Lagerungen nur bei durchschnittlich 5,4 Millionen Tonnen. Die ge-samten weltweiten Lagerbestände werden 2013 voraussichtlich etwa 105 Millionen Tonnen betra-gen obwohl der globale Konsum nahezu in jedem Jahr durch die globale Reisproduktion gedeckt werden konnte. Dies entspricht einem gestiegenen Verhältnis von Lagerungen zu Bedarf (Stock-to-use Rate) von 33,6 auf 35,2 Prozent.

Die Kosten für die Lagerung betragen pro einer Millionen Tonnen Reis etwa vier Milliarden Baht. Nach derzeitigen Berechnungen haben die beauf-tragten Getreidemühlen, die für die Einlagerung primär zuständig sind, nur noch Platz für weitere sieben Millionen Tonnen geschälten Reis. In vielen Lagerstätten ist die maximale Kapazität bereits überschritten. Zum Teil werden mehr als 100.000 Jutesäcke (je 100 kg) zu viel eingelagert. Im Jahr 2012 bekam Bangkok bereits signifikante Proble-me Platz für etwa 500.000 Tonnen Reis aus der zweiten Jahresernte zu finden. Die Regierung steht unter enormem Druck die gelagerten Reis-mengen auf dem Weltmarkt zu veräußern und kämpft dabei auch gegen die Zeit, da länger gela-gerter Reis von Ungeziefer befallen werden kann oder verrottet. Gleichzeitig dürfen und wollen die Verantwortlichen den Reis aber auch nicht zu

Dumping-Preisen absetzen, sondern spekulieren weiter auf einen hohen Verkaufspreis. Diese Überforderung merkte man der Regierung etwa daran an, dass mitunter abenteuerliche Vor-schläge kursierten, ein stillgelegtes Lager am Don Mueang Flughafen für die Reislagerung zu kaufen. Die Nutzung würde Thailand immerhin von 157.000 Tonnen (ungeschältem) Reis entlasten. Andererseits müssten täglich ca. 500 LKWs aus anderen Provinzen Thailands anrücken und so den sowieso schon überforderten Verkehr in Bangkok weiter belasten. Zudem bestehen noch Fahrverbote für LKWs in der Rush Hour in Bang-kok und den naheliegenden Provinzen. Außerdem würden zusätzliche Sicherheitsprobleme durch die täglichen Anlieferungen entstehen. Hinzu kämen mögliche Qualitätsprobleme (Vergilbung, Nässe, Insekten), weil das Lager nicht luftdicht ist sowie Überflutungsgefahr besteht.

Die Korruptionsanfälligkeit des Systems: Die Untersuchungen um Siam Indica

Wie schon öfter angeklungen ist, erleichtert die starke Rolle der Politik im Reishandel an bestimm-ten Stellen die Manipulation des Programms durch verschiedene Akteure. Die National Anti-Corruption Commission (NACC) untersucht derzeit etwa 100 Korruptionsfälle, die in fast jeder Phase des Systems aufgetreten sind. Die Ursachen dafür liegen u.a. darin, dass Akteure Beziehungen zu Politikern ausnutzen, das System bewusst zu ma-nipulieren suchen oder diverse Schlupflöcher missbrauchen. Die lokalen Regierungen bleiben aufgrund nepotistischer Verflechtungen oft untätig.

Die Anfälligkeit des Systems für Manipulationen und Korruption hat sich in vielen Fällen unter Be-weis gestellt:

- Einige Bauern registrierten ihre Zucker-rohr- und Maniokfelder als Reisfelder, um von Subventionspreisen zu profitieren;

- Ausländische Reisfirmen, v.a. aus Singa-pur nutzen die vereinfachten Freihandels-bedingungen der ASEAN-Zone aus, um sich unerlaubterweise sowohl am Reis-handel als auch an der Reisproduktion in Thailand zu beteiligen;

- Bestimmte Unternehmen mit meist größe-rem Kapital profitieren von ihren Verbin-dungen zu Politikern während kleinere Firmen schließen müssen;

- In der Tanyarungroengchai Reismühle bei Nakhon Ratchasima sind 10.000 Tonnen Reis im Wert von 200 Millionen Baht „ver-schwunden“, wurden also ohne die Er-laubnis der Regierung weiterverkauft;

- Der Schmuggel ist deutlich angestiegen, vor allem an der Grenze zu Kambodscha. Die geschätzten „inoffiziellen“ Lieferungen haben sich von 400.000 Tonnen auf

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750.000 Tonnen im Jahr erhöht. Dieses Phänomen lässt sich auch in anderen Ländern beobachten, in denen die Bin-nenpreise künstlich erhöht wurden. Die Volksrepublik China besitzt etwa über 4,7 Millionen Tonnen eingelagerten Zucker und hat derzeit genau wie Thailand mit enormen Schmuggelproblemen zu kämp-fen. Dies macht es wiederum nötig, poli-zeiliche Sicherheitsmaßnahmen und In-spektionen auszuweiten;

- Auch in anderen Bezirken wurden diverse Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Ein besonders intensiv rezipierter Fall dreht sich um ein 5.000 Tonnen-Geschäft der chinesischen Handelsfirma GSSG Import & Export mit dem thai-ländischen Exportunternehmen Siam Indica. Der Vorwurf von Medien und der Opposition lautet, dass die chinesische Firma gar kein offizielles Staatsunternehmen ist, sondern von Siam Indica erfunden wurde, um Geldwäsche zu betreiben. Hierzu finden sich auch Meldungen, dass sich der Reis weiter im Lager in Phichit befinden soll und also gar nicht gehandelt wurde. Für das Geschäft liegt außerdem kein Kreditbrief von China vor.

Laut verschiedenen Nachrichtenagenturen beste-hen enge Kontakte zwischen Vorstandsmitgliedern von Siam Indica und der Regierung. Siam Indica werde bei (geheimen) Auktionen stark bevorzugt und könne den Reis unter dem Subventionspreis aufkaufen und später mit stark erhöhten Gewinn-margen weiterverkaufen. So wären Profite von bis zu 20 Milliarden Baht durch eine Manipulation des Programms möglich geworden.

Tatsächlich lassen sich auffällige personelle Ver-bindungen zwischen den verschiedenen beteilig-ten Parteien feststellen. So wird die in Guangzhou angesiedelte GSSG von dem Thailänder Rathanit Sojirakul vertreten, der ein enger Bekannter der Ehefrau des Rothemden-Führers Pongruangrong ist. Der von diesem für den Ankauf beauftragte Nimon Rakdi hat wiederum früher für das Unter-nehmen President Agri Trading gearbeitet, das nach Korruptionsvorwürfen wahrend dem Reisan-kaufprogramm Thaksins aufgelöst wurde. Es las-sen sich außerdem diverse Verbindungen zwi-schen dem Siam Indica-Gründer Apichart und diversen ranghohen Politikern nachweisen. Hierbei gibt es sogar Anzeichen dafür, dass Apichart selbst Kontakte zu Thaksin unterhält. Laut dem Generalsekretär des National Anti-Corruption Net-works (NACN) liegen ausreichend Nachweise vor, dass Politiker und deren Partner an den Unregel-mäßigkeiten beteiligt waren. Die Aufarbeitung des Falls über die National Anti-Corruption Commissi-on (NACC) und das Anti-Mondey Laundering Offi-ce (AMLO) verläuft jedoch schleppend. Die Regie-rung verspricht zwar vermehrt gegen Korruption vorzugehen, indem sie u.a. zusätzlich jeweils zwei Polizisten zu den Abwicklungen der Reisgeschäfte

senden will. Ob mit dieser Ausweitung des Sicher-heitsapparates der Kern des Korruptionsproblems – die engen bis nepotistischen Verbindungen zwi-schen Politikern und Handelsvertretern – berührt werden kann, bleibt jedoch fraglich.

Der Widerstand wächst

Nicht nur aufgrund der Korruption macht sich bei der Opposition, den Medien und der Wissenschaft vermehrt Widerstand gegen das populistische Programm breit, obwohl es bei Bauern weiterhin populär ist. Die oppositionelle Democrat Party reichte einen Misstrauensantrag gegen einige Regierungsmitglieder ein, bei dem auch das ineffi-ziente Subventionsprogramm bei der Begründung eine wichtige Rolle gespielt hat. Nach Meinung von Oppositionsführer Abhisits hätte es weniger ökonomisch schädliche und ungerechte Effekte gehabt, wenn man das Geld direkt an die Bauern ausgezahlt hätte anstatt es in ein Programm zu investieren, in dem die größten Gewinner letztlich einflussreiche Getreidemühlen und Händler sind.

Erhebliche Bedenken kommen aber auch aus dem Senat, insbesondere aus dem Wirtschaftsaus-schuss, der eine Petition mit 67 Unterzeichnern gesammelt und dem Verfassungsgericht vorgelegt hat. Der Ausschuss kritisiert den staatlichen Reis-ankauf als ineffizient und verlustreich und sieht gefährliche Folgen für das thailändische Export-system. Hierbei ging es auch um die juristische Frage, ob nicht (laut Artikel 190 der Verfassung) die Zustimmung des Parlaments zur Einrichtung des Programms erforderlich gewesen wäre.

Weitere Gegenstimmen und Kritiken sind zu hören von Universitäten, Tageszeitungen, Think-Tanks und wissenschaftlichen Instituten, bei diversen NGOs, bei Exporteur-Verbänden sowie bei inter-nationalen Organisationen wie der WTO und der Weltbank. Trotz der meist vernichtenden Urteile dieser Akteure hält die Regierung weiter an dem Programm fest, nicht zuletzt aufgrund ihrer Ab-hängigkeit von Wählerstimmen aus den ländlichen Regionen. Eine Einstellung des Programms wäre politisch riskant. Dem jüngsten Versuch der Re-gierung, den Ankaufspreis von 15.000 auf 13.000 Baht pro Tonne Reis zu reduzieren, folgte sofort die Androhung von Massenprotesten durch Bau-ern und ihre Verbände. Dieses Ereignis macht das Dilemma deutlich, in das die Regierung sich durch die Einhaltung ihres Wahlversprechens gebracht hat. Was nun dringend von Politik und Verwaltung benötigt wird, ist eine Exit-Strategie. Aber die Fra-ge eines möglichen Ausstiegs aus dem Programm wird im politischen Alltag bislang noch nicht disku-tiert. Allerdings dürfte das Thema mit steigenden Kosten immer dringlicher werden. Fasst man die oben dargestellten Effekte zusam-men, so lässt sich folgendes Fazit ziehen:

1. Mit dem Reisankaufprogramm bezweckte die Regierung, die Einkommenslücke zwi-

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schen Bauern und Beschäftigten in Industrie und Dienstleistungssektor zu verringern. Anstatt jedoch mehr Geld für die Steigerung der ländlichen Produktivität zur Verfügung zu stellen und die Anreize für einen Berufs- und Ortswechsel zu erhöhen, unterstützt das Programm nur den derzeitigen Status Quo in der Landwirtschaft. Die Regierung löst damit ein populistisches Wahlverspre-chen an die Landwirte ein, die ihr als Legiti-mationsgrundlage dienen und auf deren Un-terstützung sie in den Wahlen angewiesen zu sein glaubt.

2. Die Regierung monopolisiert den Reismarkt, indem sie alle Schritte der Wertschöpfungs-kette, von Ankauf über Lagerung bis zum Verkauf, kontrolliert und steuert. Reisverarbeiter und Reishändler werden so abhängig von ihren Beziehungen zu Regie-rungsbeamten, der marktwirtschaftliche Wettbewerb wird eingeschränkt und knap-pes Produktionskapital in großem Stil falsch allokiert. Die staatlichen Verkaufsgeschäfte selbst sind dabei in höchstem Masse in-transparent.

3. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Thailands nimmt zunehmend Schaden, wie sich u.a. an den deutlich gesunkenen Reis-exporten ablesen lässt. Das Programm hat zudem diverse ökonomische Fehlanreize gesetzt, die für das Sinken der Reisqualität, den exzessiven Ausbau von Anbauflächen ohne Produktivitätssteigerung, eine ökono-misch bedenkliche spezielle Intensität mit erhöhten Pestizid- und Düngemitteleinsatz, erhöhte Pachtpreise, ein verzerrtes Anbau-programm mit einseitiger Fruchtfolge und die Abwanderung von Exportunternehmen in umliegende Länder verantwortlich zeich-nen.

4. Die prognostizierten volkswirtschaftlichen Verluste stehen in keinem Verhältnis zum angeblichen Nutzen des Programms und tragen mit anderen Subventionsprogram-men zum steigenden Schuldenstand Thai-lands bei. Die stark gewachsenen Einlage-rungsmengen überfordern schon heute die Verwaltungsstellen und setzen die Regie-rung unter erheblichen Druck, den Reis schnellstmöglich zu verkaufen oder anders zu beseitigen.

5. Der tatsächliche Nutzen für die Landwirte relativiert sich bei einer differenzierten Be-trachtung. Vor allem profitieren wohlhaben-dere Bauern mit großen Anbauflächen wäh-rend die ärmsten Subsistenzbauern gar keinen Zusatznutzen ziehen können. Profi-teure sind des weiteren einflussreiche Ge-treidemühlen, einige Händler und lokale Po-litiker.

6. Zahlreiche Korruptionsfälle haben die ge-fährliche politische Manipulierbarkeit des Programms zu Tage treten lassen, das die Bauern langfristig zu Almosenempfängern degradiert.

Behält man diese Fakten im Blick, wird deutlich, dass von der staatlichen Rhetorik, auf diese Weise „soziale Gerechtigkeit“ zu etablieren, am Ende nicht mehr viel übrig bleiben kann. Bei jenen ar-men Bauern, die am ehesten auf finanzielle Unter-stützung angewiesen sind, kommt der geringste Teil der Leistungen an. Die Regierung schadet sich mit diesem ökonomisch unvernünftigen Pro-gramm langfristig selber, indem Exportchancen vertan, Qualitäts- und Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft unterlaufen und erhebliche Anreize für Korruption geschaffen werden. Wie sich am Beispiel Thailand erneut zeigt, verursa-chen produktgebundene Subventionen über dem Marktpreis erhebliche volkswirtschaftliche Kosten und verdrängen den Anbau anderer Produkte.

Der thailändische Ökonom Setboonsarng hat im Jahr 1996 drei Hauptgefahren für die thailändische Reisindustrie formuliert: 1) einen zunehmenden internationalen Wettbewerb, 2) ansteigende Pro-duktionskosten und 3) die Verschlechterung öko-logischer Bedingungen. Alle drei Gefahren werden durch das Programm nicht gemindert, sondern im Gegenteil verstärkt. Erstens nimmt Thailands Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich weiter ab während die globale Nachfrage sinkt und der globale Wettbewerb zunimmt. Zweitens stei-gen die Produktionskosten durch neue Mindest-löhne und erhöhte Preise für Grundbesitz und Pacht sowie Insektizid- und Düngemittel weiter an. Drittens werden Anreize für eine intensive Ausbeu-tung des Agrarlandes gesetzt.

Thailand ist kein Einzelfall. Protektionismus und fehlgesteuerte Subventionen für die Landwirtschaft sind weltweit eher Regel als Ausnahme. Auch die Agrarpolitik der EU privilegiert große Produzenten in wohlhabenden, westeuropäischen Staaten. Vie-le planwirtschaftliche Fehler in der Agrarpolitik der letzten 60 Jahre wurden jedoch nach und nach wieder behoben (Stichwort: Butterberge und Milchseen) und durch eine marktwirtschaftlichere Ausrichtung ersetzt oder ergänzt, was aus liberaler Sicht sehr positiv ist. In langfristiger Perspektive wird die Pheu Thai-Regierung ihr Reispreissub-ventionsprogramm so nicht weiterführen können. Eine Rückkehr zum Preisunterstützungsprogramm der Regierung Abhisit wäre weniger schädlich für die exportabhängige Landwirtschaft, ist aber aus politischen Gründen auszuschließen. Was könnte die derzeitige Regierung aber tun?

Für eine moderne, marktkonforme Agrarpolitik

Sowohl aus ökonomischen als auch sozialen Ge-sichtspunkten erscheint die Fortsetzung der ge-

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genwärtigen auf Marktintervention und Preissub-ventionen setzende Getreidemarktpolitik für Reis nicht angeraten. Thailand benötigt, auch um sich aus der sogenannten Einkommensfalle („middle-income trap“) befreien zu können, eine marktkon-forme Agrarpolitik, welche die Modernisierung der Wirtschaft und die damit einhergehende Struktur-anpassung ermöglichen. Gegenwärtig profitieren die größeren Erzeuger und Getreidemühlen von der Garantiepreispolitik, zu Lasten von Kleiner-zeugern, Nebenerwerbslandwirten und Bauern an marginalen Standorten. Die bestehende soziale Ungleichheit in Thailand wird insgesamt nicht ge-mindert, sondern im Gegenteil weiter zementiert. Die tatsächlichen Effekte widersprechen den Zie-len einer wirtschaftlich zukunftsfähigen, ökologisch nachhaltigen und sozial gerechten Landwirt-schaftspolitik. Anstatt den status quo weiter mit Millionen von Steuermitteln zu konservieren, sollte die thailändische Regierung einen Politikwechsel vornehmen, der den wirtschaftlichen Wandel för-dert.

Im Zentrum dieses Politikwechsels müssen der Markt und die Schaffung von effizienten Produkti-onsstrukturen und Vermarktungswegen stehen. Um die Arbeitsmobilität nicht weiter zu behindern sollte der Staat denjenigen, die aus der Landwirt-schaft aussteigen wollen, dies ermöglichen und Anreize bzw. Alternativen bieten. Dies ist nicht gleichbedeutend mit einer Förderung von Abwan-derung vom Lande. Im Gegenteil: Durch die Schaf-fung von alternativen Arbeitsplätzen und Er-werbsmöglichkeiten im ländlichen Raum kann die Attraktivität des Landlebens weiter gesteigert wer-den. Da die Abwanderung aus der Landwirtschaft im Generationenwechsel stattfindet, sollten be-sonders die Kinder von Landwirten die Möglichkeit erhalten, nicht-landwirtschaftliche Berufe zu erler-nen. Ein zeitlich befristetes Voucher-Programm, das die Ausbildung subventioniert und nach Be-dürftigkeit gestaffelt ist, wäre dazu geeignet. Bau-ern von ethnischen Minderheiten auf marginalen Böden und in ökologisch fragilen Zonen sollten eine größere Subvention erhalten als Bauern mit niedrigen Einkommen an guten Standorten. Zeit-lich befristete und degressiv gestaffelte Voucher-Systeme (für Saatgut, Dünge- und Pflanzen-schutzmittel bzw. nicht-landwirtschaftliche Inputs) könnten armen Bauernfamilien die Diversifizierung ihrer Wirtschaft ermöglichen. Mit Gutscheinen für Düngemittel, technologisch fortschrittlichere land-wirtschaftliche Hilfsmittel oder umweltverträgliche-re Insektizide könnte einerseits die Produktivität in der Landwirtschaft gesteigert werden. Andererseits würden sich auch die Produktionskosten der Landwirte reduzieren. Die Bodenqualität und Reis-qualität könnte langfristig verbessert werden und Investitionen in Bewässerungssysteme könnten den Ertrag weiter erhöhen. Thailand hat in den letzten Jahrzehnten die ländliche Armut erfolgreich zurückdrängen können. Den verbleibenden ländli-

chen Armen ist besser mit direkten Einkommens-übertragungen gedient, als mit produktgebunden Subventionen für Produkte für die es keinen Markt gibt.

Flankierend könnte eine regionale und dezentrale Politik zur Förderung des ländlichen Raumes und der ländlichen Infrastruktur dafür Sorge tragen, dass das Leben auf dem Lande für die derzeit 66% der Bevölkerung, die im ländlichen Raum leben, attraktiv bleibt. Die Marktkräfte könnten ungestört ihr Potential entfalten und zur Wohl-standsschaffung beitragen. Der Staat wäre entlas-tet, die Politik von ihrem Handlungszwang befreit. Die frei werdenden öffentlichen Finanzmittel könn-ten in den Ausbau der Infrastruktur, in den Kata-strophenschutz (hier wäre laut Weltbank auch die Einrichtung eines Ernteversicherungssystems für Bauern denkbar) und in landwirtschaftliche For-schung investiert werden. Auf diese Weise könn-ten Einkommenssteigerungen der Landwirte so-wohl effektiver als auch nachhaltiger erreicht werden. Mit Gutscheinen für Ausbildungs- und Weiterbildungskurse könnten gezielt Anreize für einen Berufs- und Ortswechsel gesetzt werden. Zudem würde sich das durch die zahlreichen Nebentätigkeiten der Landwirte hinzuverdiente Einkommen langfristig erhöhen.

Die oben skizzierten Alternativen würden eine gegen den Markt ausgerichtete Agrarpolitik in eine die Marktkräfte nutzende Strukturpolitik umwan-deln, welche die Anpassungshärten für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen durch zeitlich befristete Anpassungshilfen abfedert. Thailand würde dadurch seine internationale Wettbewerbs-fähigkeit nicht nur zurückgewinnen, sondern sogar noch verbessern und damit seine Position in ASEAN und der in 2015 beginnenden Wirtschafts-gemeinschaft (ASEAN Economic Community) stärken.

Der Wirtschaftsexperte Ross Korves betont: „Dies ist eine dieser Situationen in der Politik, in denen alle Beteiligte von den Problemen einer Interventi-on der Regierung in Marktaktivitäten lernen kön-nen.“ Letztendlich muss die thailändische Regie-rung zu einer marktkonformen Agrarpolitik zurückkehren. Eine auf Wachstum und Effizienz ausgerichtet Ordnungspolitik kann durch eine landwirtschaftliche Sozialpolitik ergänzt werden, die, dem Subsidiaritätsprinzip folgend, nur denje-nigen hilft, die sich nicht selber helfen können.

Quellen und Literaturverzeichnis

Beim Verfassen dieses Papier wurden Artikel aus folgenden Zeitungen herangezogen: Bangkok Post, International Herald Tribune, National News Bureau of Thailand, The Economist, The Nation, Wall Street Journal

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World Bank: Thailand Economic Monitor, Decem-ber 2012

Jan Seidel hat Politikwissenschaft und Soziologie, Neuere Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Bonn an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität und in Paris am Institut d’Etudes Politiques Paris studiert.

Rainer Adam (Dr. agr.) hat Agrarökonomie an der Universität Bonn studiert und ist Leiter des Regio-nalbüros Südost- und Ostasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Bangkok, Thailand.

Impressum: Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Regionalbüro Südost- und Ostasien 29 BBC Tower, 25th Fl., Sukhumvit 63 Rd. 10110 Bangkok, Thailand

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Thailand – ein Altersruhesitz – ein Ort der Altenpflege? In den Medien gibt es von Spielfilmen und Serien mit fiktiven Geschichten bis hin zu konkreten Berichten über Einzelschicksale immer wieder Dokumentationen, die sich mit den Themenkomplexen „Auswanderung im Alter“, „Günstige Orte für betreutes Wohnen“ oder auch „Bezahlbare Pflegeheime“ beschäftigen. Hierbei hat Thailand einen hohen Stellenwert.

Mit den nachfolgenden Beiträgen möchten wir einige Informationen zu diesem vielschichtigen Themenbereich geben. Ausgangspunkt ist eine gut recherchierte Publikation auf der Ratgeberseite des 'Kölner Stadt Anzei-gers', die wir im folgenden mit freundlicher Genehmigung des Verlages und der Autorin abdrucken.

Ergänzt wird dies durch zwei Beiträge aus dem Kreise unserer Mitglieder: Zuerst gibt Franziska Chawla eine Reihe von zusätzlichen Hinweisen, die aus langjähriger Thailand-Erfahrung und ihrer Arbeit für den 'Deut-schen Hilfsverein' in Bangkok resultieren. Anschließend lesen wir einen eher grundsätzlichen und beden-kenswerten Text von Christoph Brümmer, der u.a. während seiner Zeit als deutscher Botschafter in Thailand den erwähnten Deutschen Hilfsverein ins Leben gerufen hat.

KHP und AKU

Gesa Schölgens

Pflege in Thailand –

was muss ich beachten? Massagen, Strand-Ausflüge an und 1:1-Betreuung rund um die Uhr: Mit solchen Ange-boten locken Einrichtungen für Demenzkranke in Thailand. Doch wie teuer ist die Pflege im Ausland, und was zahlt die Sozialversiche-rung? Eine Übersicht.

Den Lebensabend unter Palmen genießen - diese Aussicht verlockt viele Senioren. So sind die Ren-tenzahlungen ins Ausland laut Deutscher Renten-versicherung in den letzten zehn Jahren um 35 Prozent gestiegen. Vor allem Thailand ist ein be-liebter Altersruhesitz. Demenzkranke und deren Angehörige hoffen in dem asiatischen Land auf eine günstigere und bessere Betreuung als in Deutschland.

Als Pionier gilt der Schweizer Sozialarbeiter und Gestalttherapeut Martin Woodtli, der 2003 sein Alzheimerzentrum Thailand gegründet hat. „Wir bieten Menschen mit Demenz eine 1:1-Betreuung rund um die Uhr“, so das Angebot. Woodtli lobt den herzlichen und respektvollen Umgang der Thailänder mit älteren Menschen - ein Respekt, der in deutschsprachigen Ländern oft vermisst wird.

Andere tun es Woodtli nach. Steffen Burkhard ist Geschäftsführer einer Pflege-Einrichtung im nord-thailändischen Chiang Mai. „Zur Zeit haben wir nur einen Gast und wollen weiter wachsen. Es soll aber familiär bleiben, sechs Personen sind das Maximum“, sagt Burkard. Massagen, Ausflüge und Verpflegung sind im Angebot enthalten.

Vermissen sollen die Gäste ihre Heimat nicht: Auch die deutsche Kultur bleibt in der Einrichtung ein Stück weit erhalten. Auf Wunsch serviert man den Senioren Würstchen und Kartoffelsalat, das Personal spricht etwas Deutsch, und es gibt deut-sche Zeitungen. Ein Service, der begeistert: „Un-sere Kundin will in Thailand sterben und auf kei-nen Fall zurück“, so Steffen Burkard.

Auslands-Ruhestand ist nicht billig Ohne ausreichend Kapital wird es allerdings nichts mit dem Ruhestand in Thailand. „Man sollte mit etwa 1800 bis 2200 Euro pro Monat rechnen“, erklärt Burkard. Für die Pflegekosten müssten Patienten komplett privat aufkommen. „Leute ohne die finanziellen Mittel müssen wir leider von vorn-herein ausschließen, um Probleme zu vermeiden.“

Auch wenn die Lebenskosten in Thailand etwa ein Drittel niedriger sind als hier: Wer mit Sack und Pack auswandern will, sollte genau kalkuliert ha-ben - insbesondere für den Krankheits- und Pfle-gefall.

Ein kleiner Überblick, was Sie in Thailand be-achten müssen: Visum: Will man länger als 30 Tage in Thailand bleiben, benötigt man ein Visum. Infrage kommt vor allem das „Non Immigrant Visum“, gültig bis zu einem Jahr. Wer über 50 Jahre alt ist und eine Mindestrente von etwa 1200 Euro bezieht, kann das Visum vor Ort um jeweils ein Jahr verlängern lassen, ohne auszureisen. Sonst muss man nach 90 Tagen das Land kurz verlassen und wieder einreisen. Entscheidend ist nämlich der Einreise-stempel. Die Visum-Kosten betragen bis zu 190 Euro, je nach Anzahl der Ein- und Ausreisen.

Alternativen wären eine Daueraufenthaltsgeneh-migung oder die thailändische Staatsbürgerschaft,

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allerdings sind diese schwer zu bekommen. Infor-mationen bieten Portale wie „Leben in Thailand“ oder das thailändische Immigrationsbüro (mit Infos in englischer Sprache).

Rente: Die Rente wird ohne Einschränkungen weitergezahlt, wenn man sich nur vorübergehend im Ausland aufhält. „Vorübergehend ist der Auf-enthalt dann, wenn er von vornherein zeitlich be-grenzt ist und der Lebensmittelpunkt in Deutsch-land bleibt“, erklärt Christian Koopmann von der Deutschen Rentenversicherung Westfalen. Wer ganz nach Thailand auswandern möchte, sollte sich vorher mit seiner Rentenversicherung in Ver-bindung setzen, rät Koopmann. Im Normalfall wird die Altersrente auch in Thailand voll ausgezahlt, bei speziellen Renten und staatlichen Riester-Zuschüssen sind aber Abschläge möglich.

Krankenversicherung: Gesetzlich Versicherte, die in Thailand dauerhaft bleiben wollen, erhalten im Regelfall keine Leistungen: „Der Gesetzgeber hat diesen Anspruch auf sechs Wochen im Kalen-derjahr und Notfallbehandlungen beschränkt“, erklärt Claudia Widmaier vom GKV-Spitzenverband, der Interessenvertretung aller Kranken- und Pflegekassen. Der Anspruch entste-he aber nur, wenn der betroffene gesetzlich Versi-cherte sich wegen einer Vorerkrankung oder auf-grund seines Lebensalters nachweislich nicht privat absichern könne.

Eine Auslandskrankenversicherung ist für einen langfristigen Aufenthalt deshalb unabdingbar - zumal thailändische Krankenhäuser gegen Vor-kasse behandeln.

Tipp: Wer sich in Deutschland nicht abmeldet, kann die Versicherung in der GKV in eine günsti-gere Anwartschaft umwandeln.

Auch bei privat Versicherten gibt es eine zeitliche Begrenzung: Für Reisen in außereuropäische Länder werden die Leistungen mindestens bis zu einem Monat, je nach Vertrag aber auch für einen

längeren Zeitraum erbracht. Will man dauerhaft auswandern, ist bei vielen Verträgen entschei-dend, ob man noch einen Wohnsitz in Deutschland behält. Auf jeden Fall sollten sich privat Kranken-versicherte vorher ausführlich beraten lassen.

Pflegeversicherung: Bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt von bis zu sechs Wochen zahlt die deutsche Pflegeversicherung Pflegegeld. Die Höhe richtet sich nach der Pflegestufe. Wird man von einer Pflegekraft begleitet, die einen Vertrag mit der Pflegekasse hat oder bei einem zugelas-senen Pflegedienst beschäftigt ist, hat man ggf. auch Anspruch auf Grundpflege und häusliche Versorgung.

„Wenn Pflegebedürftige und ihre Angehörigen über eine Pflege im Ausland nachdenken, sollten sie sich in jedem Fall vorab mit ihrer Kasse in Ver-bindung setzen“, rät Claudia Widmaier. Dort klärt man ab, was im Einzelfall von der Pflegeversiche-rung übernommen werden kann. „Zudem sollten sich Betroffene unbedingt im Vorfeld über die Qua-lität der pflegerischen Versorgung vor Ort kundig machen“.

Wer als privat Versicherter später wieder nach Deutschland zurückkehren will, kann den Pflege-versicherungsvertrag aufrechterhalten und so die erworbenen Rechte sichern. Dazu müssen die Beiträge aber weiter gezahlt werden.

Einige Versicherer haben Zusatzprodukte entwi-ckelt, die auch bei Pflege weltweit zahlen. Diese Policen sollen Lücken schließen, die noch bei der privaten staatlich geförderten Pflegetagegeldversi-cherung („Pflege-Bahr“) bestehen

Der Artikel erschien am 12.04.2013 im Kölner Stadtanzeiger auf der Ratgeberseite. Wir danken Verlag und Autorin für die Abdrucker-laubnis. Gesa Schölgens, Freie Mitarbeiterin Channel Management DuMont Net GmbH & Co. KG

Franziska Chawla

Ergänzende Hinweise

aus der Praxis Der Bericht aus dem Kölner Stadtanzeiger oben behandelt in verdienstvoller und exzellent recher-chierter Weise ein Thema, das immer mehr Men-schen beschäftigt. Nach einem rund 30jährigen Aufenthalt in Thailand und im ständigen Kontakt mit den angesprochenen Problembereichen sollen hier noch einige ergänzende Hinweise angefügt werden.

Selbstbestimmung Geht es um eine freie Entscheidung und die Erfül-lung der eigenen Bedürfnisse rüstiger Menschen,

die ihre Wünsche selbst in die Tat umsetzen wol-len und können?

Einige der Heime bieten einen Rundum-Service an, der Visa-Angelegenheiten mit einschließt. So wird die Hürde für die Ausreise niedrig gelegt, dabei ist man aber abhängig von dem jeweiligen Anbieter. Viele ältere Menschen sind sehr auf Hilfe bei Behördengängen und täglichen Erledigungen angewiesen, ohne die sie nicht im Ausland leben können. Englischkenntnisse sind nur bedingt hilf-reich, da viele Thailänder, auch in den Behörden, diese Sprache nur unzulänglich beherrschen.

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Ethische Überlegungen Demenzkranke sind nicht in der Lage, einen so komplizierten Vorgang wie eine Auswanderung ohne Hilfe zu organisieren. Es muss jemand für sie entscheiden und abwickeln, eventuell auf schriftli-che Anweisung hin, ähnlich wie sie in einer Patien-tenverfügung festgehalten sein mag. In solchen Fällen muss klar sein, dass Angehörige sich nicht ihrer Verantwortung entziehen dürfen, indem sie einfach eine preisgünstige Unterbringung auswäh-len, ohne die Wünsche und Bedürfnisse des Hilfs-bedürftigen zu beachten. Das Gefühl abgeschoben zu werden, kann selbst für Demente bedrückend sein.

Rechtliche Fragen Sehr schwierig ist die rechtliche Lage bei graduell fortschreitender Demenz. Der Patient selbst ist meist nicht in der Lage, seine Verfassung korrekt einzuschätzen und dies gilt erfahrungsgemäß auch des Öfteren für Bekannte und Freunde des Patienten. Einzelne Symptome wie Vergesslichkeit werden eventuell überschätzt oder aber verharm-lost. Thailändische Ärzte können eine Demenz oft nur schwer feststellen, da sie häufig nicht gut ge-nug mit den Patienten kommunizieren können. Hier entstehen sprachliche wie kulturelle Hürden. Aussagekräftige und zuverlässige Gutachten sind daher nur von einem einzigen Arzt in Thailand anerkannt. Es bestehen entsprechend lange War-tezeiten. Die Entscheidung über Geschäftsfähig-keit und ähnliche Fragen muss gerichtlich festge-stellt werden. Dies birgt im Falle eines Auslandsaufenthalts ein beträchtliches Miss-brauchsrisiko auf der einen Seite und Handlungs-unsicherheit sowie Verzögerungen - insbesondere bei abgelegenen Wohnorten – andererseits.

Gesetzliche Rahmenbedingungen Die Leistungen für Pflegestufen entfallen in Thai-land. Es gibt auch keinerlei Hilfen nach dem Sozi-algesetzbuch. Sämtliche Kosten müssen aus den eigenen Einkünften gedeckt werden. Wie Gesa Schölgens erwähnt, gibt es von Seiten der Pflege- und Krankenversicherungen Überlegungen über eine Kooperation mit Pflegeheimen im Ausland. Nur falls die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, ist Pflege im Ausland auch für einkom-mensschwache Rentner realisierbar.

Qualitätskontrolle und –Sicherung: Nicht nur im Vorfeld muss die Qualität geprüft werden, sondern auch im Verlauf des Aufenthalts sollten regelmäßige Besuche bei einem dementen Patienten eingeplant werden. Qualität ist nicht unbedingt konstant und ist mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen bei unterschiedlichen Grup-pen verbunden (gesetzliche Lage, Preisentwick-lung, Wechselkursfluktuation, Bebauung in der Nachbarschaft, Wechsel der Betreuungspersonen, Überforderung bei zunehmender Hilfsbedürftigkeit, etc.).

Leben Alleinstehende vor einer Pflegebedürftigkeit ganz normal im Lande, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie im Laufe ihres Thailandaufenthalts eine Partnerschaft eingehen. Die jeweiligen Part-ner und deren Familienangehörige werden es dann als ihre Aufgabe ansehen, für sie zu sorgen. Der Unterbringung in einem Heim wird die Familie in der Regel nicht zustimmen.

Selbst die Bezeichnung 'Senioren-Residenz' wirkt häufig abschreckend auf vitale Senioren, die ihren Ruhestand aktiv gestalten möchten. Trotzdem sind mit zunehmendem Alter der Verlust der Selbst-ständigkeit oder nachlassende Gesundheit und eingeschränkte Beweglichkeit durchaus möglich.

Medien und Werbung vermitteln häufig den Ein-druck paradiesischer Zustände in Thailand. Das verlockende Angebot, der Traum vom Luxusleben im Ruhestand stehen auf der einen Seite, die Her-abwürdigung entsprechender Einrichtungen in Deutschland, Angst und Abneigung vor unpersön-lichen Heimen auf der anderen. Das Bild der freundlichen, in sich ruhenden PflegerInnen lässt dabei den Aspekt völlig außer Acht, dass auch sie diese Arbeit tun, weil sie Geld verdienen müssen.

Kosten Es gibt unterschiedliche Angebote für Senioren in Thailand, zu unterschiedlichen Preisen. Die güns-tigsten Angebote sind keineswegs mehr luxuriös zu nennen. Während ein einfaches Pflegeheim mit einer kleinen Rente von etwa tausend Euro noch zu bezahlen ist, sind aber mit diesem Einkommen die Bedingungen für ein Jahresvisum noch nicht erfüllt und die private Krankenkasse ist noch nicht bezahlt. Die medizinische Versorgung ist damit nicht gewährleistet, denn zu den Heimkosten kommen eine ganze Anzahl zusätzlicher Kosten:

Laufenden Kosten des Pflegeheims erhöhen sich je nach Bedarf durch Wäsche, Putzdiens-te, Massage etc.;

Krankenversicherung, die eventuell nicht alle Krankheitsbehandlungen abdeckt, insbeson-dere nicht chronische Krankheiten;

Medikamente; Behandlungskosten; Fahrten zu den Arztbesuchen; Übersetzerdienste beim Arzt; Visumangelegenheiten und entsprechende

Gebühren; Eventuelle Reisekosten ins Heimatland, Besu-

che von Verwandten; Taschengeld für persönliche Ausgaben; Rücklagen für Notfälle, Rückkehr oder Reisen.

Visumangelegenheiten Wie Gesa Schölgens schreibt, wird ein Non-Immigrant Visum erteilt, wenn 1.200 Euro monatli-che Einnahmen nachgewiesen werden. Beim zeit-weiligen Kurs von unter 38 Baht pro Euro sind jedoch fast € 1.800 monatliches Einkommen nach-zuweisen, um das Non-Immigrant Visum dann zu

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verlängern. Der erforderliche Mindestbetrag wird vom Immigration-Büro in Thai Baht festgelegt und beträgt 65.000 Baht im Monat. (Kursfluktuation über einen längeren Zeitraum bis zu 30%).

Die Option, alle 90 Tage das Land zu verlassen, ist für viele gerade ältere Patienten wenig geeignet und birgt obendrein das große Risiko, in die Illega-lität abzurutschen.

Eine Daueraufenthaltsgenehmigung kann frühes-tens nach einem dreijährigen Aufenthalt mit Non-Immigrant-Visum beantragt werden. Ausgezeich-nete Sprachkenntnisse werden vorausgesetzt und so werden lediglich 100 Anträge pro Land jährlich

Hilfreich bei der Planung für einen langfris-tigen Auslandsaufenthalt: Man kennt das Land bereits vorher oder

entscheidet nach einem längerfristigen Probeaufenthalt – dabei wird geklärt, ob das Klima in verschiedenen Jahreszeiten verträglich ist, und ob die angebotenen Mahlzeiten dem Geschmack entsprechen.

Sprachkenntnisse, Kommunikations- und Organisationskompetenz.

Man organisiert den Umzug selbst oder nimmt die Hilfe des Heims in Anspruch.

Aufrechterhaltung der Kontakte mit Freun-den und Angehörigen.

Prüfen, ob zwei Wohnsitze beibehalten werden können.

Anwartschaft bei der deutschen Kranken-versicherung.

Vorbereitung für potentielle zügige Rück-kehr nach Deutschland, falls erforderlich oder Beibehaltung von zwei Wohnsitzen.

Eine Rückkehr sollte nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Rücklagen für Rückkehr und eventuellen Umzug müssen eingeplant werden.

Eine Regelung für Vollmacht und Testa-ment mit Willenserklärung zu den eigenen Wünschen. Dabei ist zu fragen, ob Ver-wandte in Deutschland bevollmächtigt sind, oder aber, wie auch von einigen Heimen/Häusern vorgeschlagen, der Pfle-geanbieter.

Franziska Chawla lebte von 1980 bis 2011 in Thai-land. Sie leitete von 2007 bis 2011 die Sozialstati-on des Deutschen Hilfsvereins Thailand e.V. in Bangkok. 1976-1980 Studium der Sozialarbeit, FHS für Sozialwesen und Religionspädagogik, Freiburg. Praktikum u.a. in der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache in Thailand.

Christoph Brümmer

Schein und Sein Thailand wird als Fluchtpunkt für älter werdende Menschen immer beliebter. Neben dem medizini-schen Tourismus, der seit langem floriert und von einem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis profitiert, bietet das ökonomisch erfolgreiche Schwellenland auch gute Voraussetzungen für erfolgreiche Konzepte der Alten-Pflege – von der aktiv genossenen Alters-Residenz bis zum Pflege-fall.

Wer sich hierzulande dafür entscheidet, hat in jedem Einzelfall die unterschiedlichsten Gründe. Zwei dieser Gründe spielen fast immer eine Rolle: das Klima – der „ewige Sommer“ – und die Freundlichkeit der Menschen, die gerade auch einen liebe- und würdevollen Umgang mit hilfsbe-dürftigen Senioren zu garantieren scheint.

Beide Gründe sind mit Maßen berechtigt. Doch stehen gerade sie auch für Enttäuschungen, wenn die Wirklichkeit den Erwartungen nicht standhält. Der „ewige Sommer“ hat mit unserem Sommer wenig zu tun und ist für den Mitteleuropäer auf Dauer eher Belastung. Der ständige Aufenthalt in klimatisierten Räumen, die feuchte Hitze tagein tagaus, das Bad im Meer, das nicht mehr erfrischt, der Wegfall der Jahreszeiten – das alles ist nicht jedermanns Sache.Und die so angenehme Freundlichkeit der Menschen hat einen anderen

kulturellen Hintergrund, als unsereiner zunächst anzunehmen versucht ist. Freundlichkeit ist in den asiatischen Kulturen zuerst einmal ein Medium der Kommunikation, indem man auf der Basis einer harmonischen Interaktion bemüht ist, möglichst reibungslos seine Ziele zu erreichen, seine Inte-ressen durchzusetzen.

Dies dient auch dem Zweck des eigenen Schut-zes, ist so Teil des sozialen Miteinander und inso-fern überhaupt nicht verwerflich, nur eben nicht so wie bei uns. Die Folge sind andere zwischen-menschliche Verhaltensweisen, als wir sie ge-wohnt sind oder erwarten. Offenheit untereinander gilt eher nicht als eine Tugend. Man weiß selten so recht, woran man ist. Menschliche Beziehungen auf- und auszubauen, an Menschen wirklich her-anzukommen, ist meistens schwierig. Wirkliche Freundschaften in unserem Verständnis sind rar.

Ich rate allen, die für sich oder andere einen Ru-hestand in Thailand in Erwägung ziehen, diesen soziokulturellen Fragen besondere Aufmerksam-keit zu widmen und sich dabei einer gründlichen Selbstprüfung zu unterziehen. Gerade diese Fra-gen sind es nämlich, die jenseits lösbarer techni-scher und rechtlicher Probleme auf lange Sicht entscheiden, ob man richtig getan hat, den Le-bensabend in diesem fernen Land zu verbringen.

Dr. Christoph Brümmer - Deutscher Botschafter in Thailand von 2005 bis 2008

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Das Prestigeprojekt Suvarnabhumi – Der lange Weg zum Großflughafen

Daniel Gerads

Die thailändische Hauptstadt Bangkok wird von zwei Flughäfen bedient: der alte Flughafen Don Mueang und der neue Standort Suvarnabhumi, der 2006 eröffnete. In diesem Artikel werden beide Flughäfen vorgestellt. Die Konstruktion Suvarnabhumi und seine Anbindung an die Stadt werden beschrieben. Des weiteren wird veran-schaulicht, warum sich der Neubau des Flughafens als immense Herausforderung für die Verantwortli-chen in Thailand herausstellte und warum, anders als in der ursprünglichen Planung vorgesehen, der Standort Don Mueang auch in 2013 noch in Betrieb ist.

Don Mueang: Auferstehung eines abgeschrie-benen Flughafens

Der Flughafen Don Mueang, oder auch Old Bang-kok International Airport (OBIA), wurde 1924 für kommerzielle Flüge geöffnet, nachdem er seit 1914 als Militärflughafen der Royal Thai Air Force fun-gierte. Da die ursprüngliche Planung vorsah, dass der neue Flughafen Suvarnabhumi den Standort Don Mueang ersetzen sollte, wurde dieser der Pla-nung entsprechend am 28. September 2006 ge-schlossen. Vorgesehen war, dass der nun alte Bangkoker Flughafen nur noch für Charterflüge, Regierungsflüge und die militärische Nutzung erhal-ten bleiben sollte. In Folge der Probleme des neuen Flughafens Suvarnabhumi wurde Don Mueang allerdings bereits im März 2007 wieder für thailän-dische Inlandsflüge geöffnet.

Bis 2006 war Don Mueang das Hauptdrehkreuz von Thai Airways International und bildete das wichtigs-te Eingangstor nach Thailand. Bis zu 80 Airlines operierten zu Spitzenzeiten am Standort. Im Jahr 2005 belegte der Flughafen mit 160.000 Flügen, ca. 38 Mio. Passagieren und 700.000 t Cargo im internationalen Vergleich Platz 18. Innerhalb Asiens nahm er sogar Platz zwei hinter Tokyo ein. Sein Passagiermaximum lag bei 25 Mio. Passagieren im Jahr.

Seit den Verbesserungen am Standort Suvarnabhumi und der Verlagerung auch von In-landsflügen, u.a. Komplettumzug von Thai Airways nach Suvarnabhumi, wird der Standort nur noch für Flüge ohne Anschlussverbindungen genutzt. Aktu-ell agieren drei Fluggesellschaften, nämlich Air Asia, Nok Air und One-Two-GO Airlines, am Stand-ort Don Mueang (Croes 2007; Dempsey 2000).

Suvarnabhumi: Das neue Eingangstor nach Thailand und Südostasien

Der Name Suvarnabhumi wurde von seiner Majes-tät König Bhumibol Adulyadej ausgewählt und be-deutet „das goldene Land“. Er befindet sich im ehemaligen Sumpfgebiet Nong Ngu Hao ca. 25-30 km östlich des Stadtzentrums von Bangkok in der Provinz Samut Prakan. Die Gesamtfläche des Air-ports beträgt ca. 3.100 ha. Mit dem Neubau und der Verlagerung des Standortes sollte der alternde und am Passagiermaximum operierende Flughafen Don Mueang ersetzt werden. Daher wird für den neuen Airport auch häufig die Bezeichnung New Bangkok International Airport (NBIA) oder Second Bangkok International Airport (SBIA) verwendet. Zusätzlich sollte ein Luftfahrtdrehkreuz geschaffen werden, dass den Austausch und die Handelsentwicklungen Thailands zur Subregion und zum Rest der Welt fördert.

Bangkoks neuer internationaler Flughafen verfügt über ein Terminal mit einer Fläche von ca. 563.000 m², der zu den größten der Welt zählt. Zwischen 1963 und 1973 wurde das Areal des heutigen Standortes ausgewählt und erworben. Nach einer Planungszeit von mehr als 40 Jahren und einer finalen Baukostensumme von mehr als drei Mrd. US Dollar, wurde der Flughafen offiziell am 28. September 2006 eröffnet. Die Asian Development Bank beziffert die Gesamtkosten auf 4,2 bis 5 Mrd. US Dollar. Zu seinen Anlagen zählen neben dem Terminalkomplex zwei parallele Start- und Lande-bahnen mit ebenfalls parallelen Taxiways. Es sind 51 contact gates und 69 parking bays vorhanden. Der höchste Kontrollturm der Welt mit einer Höhe von 132m befindet sich ebenfalls am Standort.

Entworfen wurde das Design von der deutsch-amerikanischen Architektengruppe Murphy/Jahn Architects. Der Bau des Terminals wurde 2005 fertiggestellt, nachdem der Entwurf des Projektes bereits 1995 finalisiert wurde. Im internationalen Vergleich rangierte Suvarnabhumi 2010 mit einem Passagieraufkommen von ca. 42,7 Mio. Passagie-ren international auf Platz 17 (Airports Council In-ternational 2011). Die aktuelle Baustufe ermöglicht dem Standort ein maximales Passagiermaximum von 45 Mio. Menschen und Starts und Landungen von bis zu 76 Flugzeugen pro Stunde. Dieses Ma-ximum soll durch bereits geplante Ausbaumaß-nahmen, wie dem Bau eines neuen Terminals und der Konstruktion einer neuen Start-und Landebahn, in der Zukunft auf 100 Mio. Passagiere pro Jahr vergrößert werden. Durch eine Überschreitung des

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Maximums würden der Flugbetrieb verlangsamt, die Schlangen an den Gepäckbändern und Einrei-seschaltern länger und insgesamt die Effizienz des Airport behindert werden (Asian Development Bank 2011; Kasarda 2005; Pantumsinchai 2006).

Neubau von Suvarnabhumi, Wiederbelebung von Don Mueang

Die Grundidee zur Errichtung eines neuen interna-tionalen Großflughafens in Bangkok wurde bereits in den 1960er Jahren entwickelt. Bereits damals war man sich des enormen Wachstums des Flug-verkehrs weltweit und in der Region bewusst. Die damalige Regierung gab die Entwicklung einen Masterplans für den Großraum Bangkok für das Jahr 1990 in Auftrag. Die Empfehlung zur Errich-tung eines Großflughafens, der seine Einrichtungen nicht mit dem Militär teilen muss, wie dies in Don Mueang der Fall ist, wurde ausgesprochen. Der Standort Nong Ngu Hao wurde ausgewählt und bis 1973 wurde die benötigte Gesamtfläche erworben. Auf Grund politischer Spannungen in Thailand wur-de das Projekt allerdings in den 1970er Jahren auf zunächst unbestimmte Zeit zurückgestellt (Moh/Lin 2002).

In den frühen 1990er Jahren fasste die thailändi-sche Regierung den Beschluss zur Realisierung des Projektes. Die Notwendigkeit der Errichtung einen neues Flughafens wurde in die nationale Agenda und in den fünf Jahres Plan des National Economic and Social Development Boards (NESDB) aufgenommen. Das Projekt sowie seine Umsetzung wurde der Airport Authority of Thailand (heute Airports of Thailand, AOT) übertragen. Bei der AOT handelt es sich um eine Gesellschaft, die neben Don Mueang und Suvarnabhumi auch die Flughäfen Phuket, Chiang Mai und Hat Yai betreibt.

Die Organisation des Baus eines solch immensen Projektes stellte sowohl für das National Economic and Social Development Board (NESDB) als auch die AOT eine enorme Herausforderung dar. Unter anderem musste die Umwandlung eines Sumpfge-bietes in ein „goldenes Land“, drohende Über-schwemmungen, Aufschüttungsmaßnahmen, die optimale Nutzung der wirtschaftlichen Potentiale, koordiniert und bewältigen werden. Die Umwand-lung eines Sumpfgebietes in ein „goldenes Land“ galt es zu planen und koordinieren. Dabei mussten auch Probleme wie drohende Überschwemmungen und die Aufschüttung des sehr weichen Sumpfbo-dens angegangen werden. Die schwierigen Gege-benheiten führten dazu, dass der konstruktive In-genieurbau sowie die Statik vermehrt in der Fokus der Bauherren rückte und das deutsche Ingenieur-büro Sobek Ingenieure konsultiert wurde. Neben der Bewältigung von natürlichen Problemen sollte aber auch darauf geachtet werden, die wirtschaftli-chen Potentiale, wie Geschwindigkeit, Agilität und die Anschlussmöglichkeit an wichtige internationale Märkte sowie den Tourismus optimal zu nutzen

(Airports of Thailand 2009; Dixon 2007; Kasarda 2005).

Eines der größten Passagierterminals der Welt: Besondere Ansprüche

Zur Bestimmung des Designs des neuen Airports fand 1992 ein Wettbewerb statt, an dem 22 Archi-tekturbüros aus der ganzen Welt teilnahmen. Von diesen wurden sechs zur Vorstellung ihrer Planun-gen nach Thailand eingeladen. Das deutsch-amerikanische Architekturbüro Murphy/Jahn, unter der Leitung von Helmut Jahn, ging als Sieger vor Aeroports de Paris und C.W. Fentress & Associates hervor.

Neben dem Ausbau zum zentralen Verkehrskno-tenpunkt des südostasiatischen Flugverkehrs sowie der Erfüllung modernster technischer Ansprüche wurde bei der Wettbewerbsausschreibung darauf geachtet, dass der neue Flughafen durch seine Architektur als neues Wahrzeichen Bangkoks ge-sehen werden kann. Das geplante, überwiegend mit Glas verkleidete Gebäude stellte eine immense Herausforderung vor dem Hintergrund des thailän-dischen Klimas dar. So mussten unter anderem die Konzepte für Klimaanlage und Raumtemperatur-kontrolle überdacht werden. Hierzu wurde das deutsche Ingenieurbüro Transsolar Energietechnik aus München hinzugezogen.

Um Passagieren und Angestellten am Standort Suvarnabhumi optisch und temperaturtechnisch einen angenehmen Aufenthalt zu ermöglichen, umfasste das Konzept des bayrischen Energie-technikkonzerns neben der Temperaturregulierung auch Faktoren wie Strahlung, Tageslicht, Luftfeuch-tigkeit und Zirkulation. Als Normalzustand für den Innenraum des Terminals wurde eine Raumtempe-ratur von 24°C und eine relative Luftfeuchtigkeit von 50-60% bestimmt. Das Ingenieursteam um-fasste neben Architekten auch Statiker, Maschi-nenbauer, Fachleute für Heizung, Lüftung, Klima- und Kältetechnik sowie Ingenieure für Klima und Akustik.

Für das Terminalgebäude mit einer Länge von 440 m und einer Breite von 110 m wurde eine Kombina-tion aus tageslichtfreundlicher Dachkonstruktion und einer Technik der Beschattung durch Überhän-ge gewählt. Große, nach Süden ausgerichtete und nach Norden geöffnete trellis blades machen es möglich, die direkte Sonneneinstrahlung zu blockie-ren und gleichzeitig diffuses Licht in den Raum zu lassen. Es wird eine Art Scheddach kreiert. Durch Anbringung der trellis blades außerhalb des Ge-bäudes wird ein angenehmes Raumklima geschaf-fen, da sich die entstehende Wärme nicht im Ge-bäude ansammelt.

Um dem recht hohen Kühlungsbedarf im Verhältnis zum genutzten Raum gerecht zu werden, wurde der Innenraum in ungekühlte Zonen in höheren Bereichen und gekühlten Zonen in tieferen Berei-

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chen geteilt. Aus diesem Grund agieren im Termi-nal zwei verschiedene Systeme simultan. Zum einen sorgt eine Art Bodenkühlsystem dafür, dass die Solarstrahlung und die am Boden entstehende Wärme absorbiert werden. Hierdurch bleibt der Untergrund kühl und heizt sich nicht auf. Zusätzlich sorgt ein Luftkühlungssystem in Bodennähe und niedrigen Höhen für eine permanente Versorgung des Raumes mit gekühlter Luft (Dixon 2007; Kessling/Holst/Schuler 2004).

Der Airport RailLink: Schnell und komfortabel in die Stadt

Die Organisation des Baus einer Schienenverbin-dung zwischen der Bangkoker Innenstadt und Suvarnabhumi Airport begann erst als der eigentli-che Flughafenbau schon in vollem Gange war. Das Projekt „Airport RailLink“ wurde im Jahr 2003 vom Kabinett bewilligt, und im Folgejahr folgte die Bud-getierung. Die thailändische Eisenbahngesellschaft State Railway of Thailand (SRT) schrieb den Wett-bewerb aus. Nach der Vergabe des Projektes an das Airport Rail Link-Konsortium begannen die Bauarbeiten, und im August 2010 wurde mit einem Jahr Verspätung zur ursprünglichen Planung der Betrieb aufgenommen. Das Konsortium setzt sich aus den Firmen Siemens, Sino-Thai Engineering & Construction Public Co., Ltd., B.Grimm International Limited, Siemens AG, Siemens Limited Thailand und B.Grimm MBM Hong Kong Limited zusammen. Dieses Konsortium betreut alle mit dem Bau ein-hergehenden Aufgaben, u.a. Bauarbeiten, Gebäu-detechnik, die Errichtung eisenbahntechnischer

Anlagen sowie die Errichtung des City Air Termi-nals (CAT).

Die Strecke hat eine Gesamtlänge von 28,8 km und ist zu 94% aufgeständert. Neben dem Airport Ex-press, der die Fahrt von City Air Terminal Makka-san/Asok nach Suvarnabhumi in 15 min. ohne Zwi-schenhalt absolviert, wurde auch eine Cityline mit mehreren Zwischenhalten errichtet. Diese benötigt für die Fahrzeit maximal 30 min. Die Investitions-kosten des Projektes betrugen ca. 30 Mrd. Baht bei einer Konzeptionierung für 50.000 Fahrgäste am Tag. Beide Linien wurden an das bereits vorhande-ne ÖPNV-Netz von Bangkok angeschlossen. An der Haltestelle Phaya Thai ist ein Umstieg in den Skytrain möglich, während man am CAT in die U-Bahn (MRTA) umsteigen kann (Hirschle 2010; Siemens 2009).

Probleme beim Bau

Wie bereits in erwähnt, wurde das gesamte Flugha-fenprojekt durch politische Spannungen beeinträch-tigt. Das Flughafenprojekt „erlebte“ während seiner gesamten Planungsphase von den 1960er Jahren bis zu seiner Eröffnung 2006 insgesamt 16 Premi-erminister und 30 Kabinette. Die Asienkrise in den 1990er Jahren, von der Thailand stark betroffen war, beeinflusste den Flughafenbau immens. Den Verantwortlichen und Bauherren wurde bewusst, dass das veranschlagte Budget vermutlich nicht ausreichen würde. Es wurde von Seiten der Regie-rung der Beschluss gefasst, das Projekt zum lang-fristigen wirtschaftlichen Wohlergeben des Landes fortzusetzen. Unter anderem wurde errechnet, dass

Abb. 1: Plan der Ausbaumaßnahmen Quelle: Suvarnabhumi Airport 2011

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die Kosten für das Passagierterminal und die War-tehallenanlagen ca. 8 Mrd. Baht über den ursprüng-lich veranschlagten 45 Mrd. Baht liegen würden. Daher wurde das Architekturteam von Murphy und Jahn angewiesen, das Design so anzupassen, dass das 45 Mrd. Baht Budget eingehalten werden kann. Neben des Vorschlags zur Limitierung der Importe von Konstruktionsmaterialien auf 20% wur-den die thailändische Regierung, sowie die Japan Bank for International Cooperation, die bereits 73 Mrd. Baht zur Konstruktion beisteuerte, um weitere finanzielle Mittel gebeten (Moh/Lin 2005).

Umsiedlungen und Aufschüttungen

Ein Environment Impact Assessment (EIA) wurde ins Leben gerufen; es befasst sich vor, während und nach der Konstruktion des Airports mit Fragen von Umwelteinflüssen wie Lärm, Vibration, Luftqua-lität, Verkehrsproblemen, Überschwemmungen, Gesundheit, Sicherheit. Um den Airport wurde eine 70 km2 große Lärmabgrenzungszone geschaffen. Es wurde festgesetzt, dass die Lärmbelästigung innerhalb dieser Zone zu groß für permanente Bewohnung ist. Es wurden ca. 50 betroffene Ge-bäude gekauft und deren Haushalte umgesiedelt. In einer Art zweitem Rings um diese Zone wurden die Anwohner aus ca. 600 weiteren Gebäuden mit finanziellen Kompensationen entschädigt. Ebenfalls zu Bauverzögerungen führte die notwendige Errich-tung eines Deiches zum Hochwasserschutz. Im Rahmen der Realisierung hierfür wurde die Um-siedlung von ca. 8.000 Haushalten nötig.

Die besonderen Herausforderungen an Architekten und Bauherren beim Neubau eines internationalen Großflughafens in einem Sumpfgebiet wurden be-reits erwähnt. Eine Stabilisierung des Untergrundes war notwendig. Daher wurden bereits seit der Aus-wahl des Gebietes als Flughafenstandort Studien zu Aufschüttungsmaßnahmen und zur Bodenver-stärkung durchgeführt (Northrop und Asian Institute of Technology (AIT)). Mit der Aufschüttung des Untergrundes sollten Bodenabsenkungen nach Fertigstellung der Bauwerke reduziert und die Bo-denstabilität erhöht werden. Der überwiegende Teil des Bodens besteht aus dem sog. „Bangkok clay“, einem relativ weichen, mit Wasser gesättigten Un-tergrund, der nur eine geringe Tragfähigkeit auf-weist.

Ausbaumaßnahmen Suvarnabhumi

Bereits ein Jahr nach der Eröffnung des Flughafens unterbreitete die Betreibergesellschaft der Regie-rung den ersten Erweiterungsvorschlag, da aus mehreren Studien, u.a. des Kasikorn Research Centers, hervorging, dass das Passagiermaximum von Suvarnabhumi schon in naher Zukunft erreicht werden würde. Nach der ausgiebigen Prüfung und mehreren Revisionsverfahren wurde der Ausbau im August 2010 mit einem Budget von ca. 62 Mrd. Baht beschlossen. Dabei sollen neben einem neu-en Satellitenterminal, das mit Hilfe eines

„Peoplemovers“ an das Hauptterminal angebunden werden soll, auch Taxiauffahrten, Bürogebäude und zusätzliche Parkmöglichkeiten entstehen. Der überwiegende Teil der Kosten, ca. 45 Mrd. Baht, werden von der Betreibergesellschaft Airport of Thailand getragen, während ca. 17 Mrd. durch Kre-dite finanziert werden.

Der Abschluss der Baumaßnahmen ist für 2015/2016 geplant; sie soll dem Flughafen zu-nächst ein Passagiermaximum von 60 Mio. Passa-gieren pro Jahr ermöglichen. Um das angestrebte Maximum von 100 Mio. Passagieren ermöglichen zu können, sind weitere Ausbaustufen in Planung. Dazu zählen die Erweiterung des ursprünglichen Passagierterminals sowie die Errichtung einer drit-ten Start-und Landebahn (Hirschle 2010; Suvarnabhumi Airport 2011a)

Probleme nach der Eröffnung

Unmittelbar nach Inbetriebnahme des neuen Flug-hafens wurden Probleme deutlich, die zum Großteil auf die zum Ende hin stark beschleunigte Fertig-stellung zurückzuführen sind. So wurden die schlechte Ausschilderung, schmutzige und zu we-nige Toiletten, der schlechte Mobilfunkempfang oder auch zu wenig Beförderungsbänder kritisiert. Weitere Probleme traten an der Gepäckabfertigung und bei den Computern am Check-in auf. Das Hauptproblem bildeten allerdings Risse im Asphalt der Start-und Landebahnen sowie der Taxiways. Obwohl sich die meisten Ingenieure einig waren, dass diese Probleme durch Oberflächenabfluss und Wasser im Untergrund verursacht wurden, gab es auch schnell andere Mutmaßungen. Diese waren sehr weitgefächert und schlossen schlechte Ingeni-eursarbeiten, Überschwemmungen an den umlie-genden Kanälen, aber auch Korruption nicht aus. Auch wenn die Risse im Asphalt keine Gefährdung für Flugzeuge darstellten, war eine Reparatur den-noch notwendig. Die Gesamtkosten für diese Arbei-ten und Verbesserungsmaßnahmen beliefen sich auf ca. 34 Mio. Baht (Croes 2007).

Aktuell (Stand: Mai 2013) sind nach wie vor beide Flughäfen in Betrieb und werden parallel von der AOT betrieben. Die meisten internationalen Flüge werden von Suvarnabhumi abgewickelt. Allein Air Asia betreibt internationale Flüge ab Don Mueang. Dabei dient Don Mueang eher als Standort der Low cost-Airlines, während Suvarnabhumi wie geplant dass internationale Drehkreuz darstellt.

Informationen zum Autor: Daniel Gerads studiert derzeit Geographie, mit Nebenfach Städtebau, an der Universität zu Köln mit angestrebten Abschluss Master of Science. Zuvor absolvierte er ein Studium der beiden Hauptfächer Geographie und English Studies an der RWTH Aachen mit Abschluss Ba-chelor of Arts

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Abb. 2: Thailändische Angebote im Einkaufsbereich des Flughafens. Foto © Frauke Kraas

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Das SOS-Kinderdorf auf Phuket

Lothar Matussek

Der Artikel „SOS-Kinderdörfer und die DTG“ in der Thailand-Rundschau Nr.1/2013 gibt Anlass, darauf hinzuweisen, dass ein weiteres Mitglied der DTG auch in einem anderen SOS-Kinderdorf in Thai-land engagiert ist. Somit sind es also nicht nur zwei, sondern mindestens drei DTG-Mitglieder, die in einem thailändischen SOS-Kinderdorf engagiert sind, allerdings nicht alle im beschriebenen SOS-Kinderdorf Hat Yai, sondern auch im SOS-Kinderdorf auf Phuket.

Und es werden hoffentlich auch wieder mehr, denn diese Anzahl ist natürlich immer noch viel zu ge-ring, und so soll der vorliegende Bericht über das SOS-Kinderdorf auf Phuket hoffentlich auch ande-ren DTG-Mitgliedern und Thailand-Liebhabern "Lust machen", sich in Hat Yai oder in einem der anderen thailändischen SOS-Kinderdörfer zu en-gagieren.

Der Bau des SOS-Kinderdorfes Phuket wurde 2008 begonnen und sollte zunächst Kinder auf-nehmen, die ihre Eltern durch den Tsunami verlo-ren hatten. Dieses Problem ist nun inzwischen weitgehend bewältigt und so werden jetzt dort besonders Kinder aufgenommen, die als soge-nannte "Sozial-Waisen" gelten, Kinder also, deren Eltern nicht in der Lage sind, für sie zu sorgen.

Das Kinderdorf liegt in Norden von Phuket-Town, 6 km vom Stadtzentrum und 5 km vom Strand ent-fernt, in einer Wohngegend mit vorwiegend ge-pflegten Einfamilienhäusern und benachbart von freien grünen Flächen.

Das Dorf besteht aus 12 gleich-gebauten Fami-lienhäusern, in denen jeweils eine Kinderdorfmut-ter mit 10 Kindern wohnt, mit Jungen und Mäd-chen von unterschiedlichem Alter – so, wie in einer ganz "natürlichen Familie". Und damit wird das wesentliche und wichtige dieses Konzepts berührt, nämlich die Entstehung von Strukturen, die so weit als möglich einer Familie nahe kommen. In "unse-rer" Familie ist das jüngste Kind ein Junge, jetzt 16 Monate alt, und das älteste Kind ist ein 14-jähriges Mädchen.

Zum Dorf gehört ein SOS-Kindergarten mit drei Gruppenräumen, in denen bis zu 75 Kinder betreut werden können. Der Kindergarten steht auch Kin-dern aus der Umgebung zur Verfügung, womit ganz wichtig ein Bezug zur sozialen Umgebung, zum "normalen" Leben in der Gesamtgesellschaft gegeben ist. Im Kindergartengebäude befindet sich auch eine Mehrzweckhalle, die für Veranstal-tungen sowohl des Kindergartens als auch des SOS-Kinderdorfes verwendet wird. Außerdem gibt

es selbstverständlich ein Verwaltungsgebäude und ein Haus für den Dorfleiter. Schließlich findet sich auch noch ein Gebäude für die sogenannten SOS-Tanten – dies sind SOS-Kinderdorfmütter in Aus-bildung und Familienhelferinnen, die die SOS-Kinderdorfmütter unterstützen und sie im Falle einer Krankheit oder eines Urlaubs auch vertreten.

In der Mitte des Dorfes ist ein Sportplatz angelegt, um den Bäume gepflanzt wurden und um den sich in einem weiteren Kranz die jeweiligen Familien-häuser gruppieren. Die ganze Anlage sieht sehr gepflegt aus und wir haben den Eindruck, dass sich die Kinder hier sehr wohl fühlen.

Erstaunlich war die Ruhe in diesem Dorf, denn obwohl am Wochenende alle Kinder anwesend waren, gab es keinen Lärm. Man darf daraus aber nicht schließen, dass die Kinder etwa zu streng gehalten werden. Dies haben wir nirgends emp-funden, wobei aber – gemäß der Thai-Tradition - besonders viel Wert auf einen respektvollen Um-gang und eine liebevolle Atmosphäre innerhalb der Familie gelegt wird. Disziplin und Achtung den Erwachsenen gegenüber ist bei thailändischen Kindern wohl noch die Regel.

Wir haben seit Jahren für die SOS-Kinderdörfer gespendet. Durch einen Aufruf, doch Patenschaf-ten zu übernehmen, haben wir gleich an eine Pa-tenschaft in Thailand gedacht. So sind wir von "anonymen" Spendern zu persönlichen Spendern geworden, wodurch unsere Spendenbereitschaft auch noch zusätzlich erhöht wurde. Es ist sehr motivierend, wenn man über einen ganz persönli-chen Kontakt verfügen kann.

Unsere Familie von Haus Nr.8

Die Patenschaften werden über "SOS-Kinderdörfer – weltweit" mit Büro in München vergeben. Wir hatten dort erfahren, dass in Thailand unter ande-rem für das Kinderdorf auf Phuket noch Paten

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gesucht werden. Phuket war uns angenehm, da wir unser Patenkind bald kennenlernen wollten und man einen solchen Besuch auch mit einem Urlaub verbinden kann.

Wir haben seit Anfang 2012 die Patenschaft für ein 10-jähriges Mädchen und im März diesen Jahres in der gleichen Familie die Patenschaft für einen 8-jährigen Jungen übernommen.

Beide Patenkinder haben je ein leibliches Ge-schwister in der Familie. Es ist insofern ein beson-derer Vorteil der SOS-Kinderdörfer, dass Ge-schwister, die ihre Eltern verloren haben und gemeinsam in einem SOS-Dorf aufgenommen werden, immer in einer SOS-Familie zusammen bleiben können. Dabei besuchen die kleineren Kinder den Kindergarten im Dorf selbst, während die schon größeren Kinder auf die unterschiedli-chen öffentlichen Schulen gehen. So ist auch die Gefahr einer Ghetto-Bildung o.ä. in jeder Form vermieden.

Zu unserer Freude befindet sich im Dorf u.a. eine "Tante", Khun Kannika, die gut Englisch spricht und uns bei Besuchen immer begleitet und in al-lem zur Seite steht. Khun Kannika kennt alle Kin-der und deren Lebensweg ganz genau und fertigt auch die Berichte über den Entwicklungsstand der Kinder an, die uns jährlich mit einem Foto errei-chen. Die Kinder "unserer" Familie haben fast keine Englisch-Kenntnisse. Nur ein 13-jähriges Mädchen lernt in der Schule Englisch, aber es ist erst sehr wenig und sie traut sich nicht zu spre-chen.

Bisher haben wir die Kinder bereits vier Mal be-sucht und es war jedes Mal ein besonders schö-nes Erlebnis. Wir haben zusammen gegessen, gespielt und mittels Laptop etwas über unsere Familie daheim und über Deutschland zu berichten versucht. Diese Patenschaften sind derart zu einer Bereicherung in unserem Leben geworden – ob-wohl wir auch fünf Enkelkinder haben und mit die-sen ebenfalls in einem sehr guten Kontakt stehen.

Ich lerne seit einiger Zeit Thai und bin sehr froh, dass ich meine geringen Thai-Kenntnisse bei den Kindern anbringen kann und sie dadurch natürlich auch verbessere. Dadurch erhoffe ich mir natürlich außerdem einen besseren Kontakt zu den Kin-dern. Mit Hilfe meiner Thai-Lehrerin in Deutsch-land habe ich den Kindern auch bereits hand-schriftliche Briefe in Thai geschickt. Bei den Besuchen bringen wir natürlich immer Gastge-schenke für die ganze Familie und Khun Kannika mit. Bei der Auswahl der Geschenke war uns zuerst Khun Wantana Sethadej vom National Offi-ce in Bangkok behilflich, was aber nun nicht mehr notwendig ist, da wir über den direkten Kontakt zu Khun Kannika verfügen.

An dieser Stelle sei noch ein Hinweis eingefügt, den wir den "Pateninformationen" der Geschäfts-stelle "SOS-Kinderdörfer – weltweit" in München entnehmen: Grundsätzlich ist davon abzuraten,

Pakete an die SOS-Kinderdörfer zu schicken. In der Regel ist die Abholung von Paketen mit vielen bürokratischen Hürden und Zeitaufwand verbun-den und erfordert komplizierte Formalitäten und aufwändige Zollgebühren, die den Wert des Paket-inhaltes deutlich übersteigen können. Außerdem kommt es immer wieder vor, dass Pakete verloren gehen.

Wenn SOS-Paten ihrem Patenkind zu Anlässen wie Geburtstag oder Weihnachten ein Geschenk machen möchten, gibt es die Möglichkeit, dem Kind ein Geldgeschenk zu machen: eine soge-nannte "zweckgebundene Spende". Dies mag zunächst etwas unpersönlich klingen, hilft den Kindern aber im Endeffekt sehr viel mehr. Der Grund: Eine zweckgebundene Spende wird nicht gleich an das Kind ausbezahlt, sondern als Spar-guthaben für dieses Kind langfristig angelegt. Und dabei verpflichtet sich das SOS-Kinderdorf, das Sparguthaben später als Starthilfe an die Kinder auszuzahlen, sobald sie ihre Ausbildung abge-schlossen haben und die SOS-Dorfgemeinschaft verlassen. Die Geldgeschenke der Paten kommen auf diese Weise den Patenkindern in voller Höhe zugute.

An den Spenden-Aufruf in der Thailand-Rundschau Nr.1/2013 möchte ich zur Unterstüt-zung noch einmal erinnern und auch an die er-wähnten früheren Aktionen, bei denen bei Feiern, z.B. bei einem runden Geburtstag, Geld für das Dorf Hat Yai gesammelt wurde.

Ich habe bei meinem letzten Geburtstag als Ge-schenk um eine Geldspende für unser erstes Pa-tenkind gebeten. Dadurch brauchten sich meine Familie und meine Freunde kein Kopfzerbrechen wegen eines Geschenkes zu machen und für mich war es eine große Freude, unserem Patenkind ein entsprechendes Geschenk machen zu können.

Abschied bei unserem letzten Besuch

Lothar Matussek, Mitglied der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft. Ebenso wie seine Frau Gisela Stein Pate in einem SOS-Kinderdorf.

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Songkran Das traditionelle Neujahr hinduistischen Ursprungs in Süd- und Südostasien, mithin auch in Thailand

Karl E. Weber

Vorwort

Songkran, das beliebte Fest – der Anfang des Jahres – markierte 30 Jahre lang ein wichtiges Datum im Le-ben der DTG: Die große Feier in Bergheim, veranstaltet von unserem Mitglied Werner Dackweiler im Quadrather Bürgerhaus mit überregionaler Bedeutung, Gästen aus der ganzen Welt und durch TV wie Presse verbreitet und gelobt. Leider war im Jahre 2012 Schluß – alles geht einmal zu Ende.

Auch in diesem Jahr liegt Songkran nun bereits hinter uns, war Mitte (13.) April. Was aber kein Grund ist, nicht nochmals darauf zurückzukommen: Unser Leser Prof. Dr. Karl Weber, der vor rund 40 Jahren für das Heidelberger Südasien-Institut nach Bangkok ging, dort dem Land verfiel und blieb, später dann Professor am 'Asian Institute of Technology (AIT)' wurde und heute nachwievor als Emeritus in Thailand lebt, schickte uns dazu den folgenden kleinen Text.

AKU

SONGKRAN ist ein Begriff aus dem Sanskrit. Es benennt den Zeit-ablauf, zumal das Überwechseln von einer Sternzeichen-Phase in die nächste. Der Übergang von der zwölften Phase im Sternzeichen der Fische (Pisces) in die erste Phase im Sternzei-chen des Widders (Aries) wird MAHASONGKRAN genannt, der "Große Übergang". Aus der Tradition im Norden Indiens wurde von den Thai das Neujahr samt der Bezeichnung SONGKRAN übernommen. SONGKRAN markiert den Jahresbeginn, der in historischer Zeit durch das Mondjahr bestimmt war. Den Mondphasen gemäß war SONGKRAN ein beweglicher Zeitpunkt ebenso wie Ostern. Während der Herrschaft von König Chulalongkorn, 1868-1910, wurde im Jahre 1889 Neujahr auf den 1. April

fixiert. Seit dem Jahre 1941 jedoch beginnt das offizielle Kalenderjahr Thailands mit dem 1. Januar.

Diese Fassung schrieb ich am Freitag, dem 6. April 2012, dem wirklichen MAHASONGKRAN gemäß dem Lauf des Mondes um die Erde.1 An jenem Abend stieg der Vollmond am Nachthimmel auf. Wie gut zu wissen, daß sich der Mond nicht schert um Verordnungen irdischer Machthaber. Stur zieht der Mond seit Jahrmillionen seine Bahn. Lediglich die christlichen Kirchen römischer Provenienz fei-ern Ostern in Beibehaltung „heidnischer“ Tradition, obschon leicht „korrigiert“ auf den der Vollmond-nacht nächstliegenden Sonntag – im Jahre 2012 der 8. April, Ostersonntag, wie auch der 8. April im

1

Aktualisierte Ergänzung: Im Jahre 2013 ereignete sich das veritable Mahasongkran am 27. März, nach der rezenten Vollmondnacht. Daher fiel Ostern auf den darauf folgenden Sonntag, den 31. März 2013.

Foto: © Frauke Kraas

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Jahre 2555 gemäß der thailändischen Variante buddhistischer Zeitrechnung.

In Jahre 2012 fielen das planetarische MAHASONGKRAN und Wan Chakri auf Thai, Chakri Day auf Englisch, der Gedenktag anläßlich der Gründung der Chakri-Dynastie im Jahre 1782, auf ein und dasselbe Datum des modernen, inter-nationalen Kalenders. Somit ist der 6. April westli-cher wie thailändischer Zeitrechnung ein National-feiertag.

SONGKRAN ist das traditionelle Neujahrsfest vol-ler Lebensfreude, im Jahre 1940 auf den 13. April fixiert und seither als erster von variabel drei bis vier Nationalfeiertagen in Serie begangen. Da SONGKRAN in die heiße, trockene Jahreszeit fällt, ist Wasser knapp und kostbar – nach wie vor in weiten Teilen des Landes, zumal in seinen Dörfern.

Mitmenschen hohen Alters wird durch Benetzen ihrer Hände mit parfümiertem Wasser, bestreut mit Blüten oder Blütenblättern, Ehrerbietung gezollt. In gleicher Weise werden Buddha-Statuen begossen. In Klosterbezirken wird Sand durchnäßt und zu hohen, pagodenartigen Gebilden geformt, ge-schmückt mit Wimpeln und Fähnchen. Fingerlinge, junge Fische, werden in Gewässern ausgesetzt. Im Isan, Thailands Nordosten, werden Mönche kübel-weise überschüttet. Allerorten toben Wasser-schlachten.

Derart erfrischt, geehrt, und durch gute Taten mit sich im Reinen, geht es ins neue Jahr

Prof. Dr. Karl Weber, Bangkok

Verleih: Film "Wiboon und das Leben danach“

Auf der letzten Mitgliederversammlung im April 2013 in Köln wurde u.a. ein Film von Moritz Becherer vorgeführt: "Wiboon und das Leben danach". In Heft 1/2013 der Thailand-Rundschau hatten wir dies auf S. 30 vorher angekündigt und ein wenig über die Entstehungsgeschichte und den Inhalt des Films berich-tet. Der Film wurde übrigens auch im 'Kölner Rautenstrauch-Joest Museum – Kulturen der Welt' im Rahmen eines Thementages "Südostasien" vorgeführt. Für die Mitglieder der DTG und natürlich besonders für die Regionalgruppen ergibt sich nun die Möglichkeit, den Film als DVD bei unserer Geschäftsstelle in Köln auszuleihen für eine nichtgewerbliche, öffentliche oder halböffentliche Vorführung. Aus rechtlicher Sicht ist lediglich erforderlich, dass man der Ge-schäftsstelle vorher den Termin und den genauen Ort der Veranstaltung mitteilt. Bitte wenden Sie sich bei Bedarf an die DTG-Geschäftsstelle in Köln.

AKU

Wer kann, wird gebeten!

Mit dieser kleinen Notiz möchten wir einen Vorschlag aufgreifen und weiterge-ben, den unser Mitglied Werner Dackweiler nach der letzten Mitgliederver-sammlung auf den Tisch gelegt hat: "Wir sollten alle Mitglieder, die eine eigene Webseite haben, darum bitten, un-ser verlinktes DTG-Logo an exponierter Stelle der Titelseite Ihrer jeweiligen Webseite einzufügen." Mit dem Ziel einer Werbung für die DTG erscheint uns diese Idee durchaus zeitgemäß und wir bitten, im Falle eines Falles diese Möglichkeit zu prüfen! Sobald Sie uns in der Geschäftsstelle mitteilen, daß Sie diesen Vorschlag auf-greifen wollen, werden wir Ihnen per Mail das Logo übersenden.

AKU

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Mahidol-Wittayanusorn-Schule wird Thailands zehnte PASCH-Schule

Timo Kozlowski

Vertreter der Mahidol-Wittayanusorn-Schule, der Botschaft und des Goethe-Instituts. Foto: Goethe-Institut Was ist die PASCH-Initiative?

Die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) wurde 2008 vom Auswärtigen Amt ins Leben gerufen und zielt darauf für Deutschland, seine Sprache, Kultur sowie Ausbildungs- und Ar-beitsangebote zu werben. Sprach- und Kulturpro-gramme bringen Schüler und ihre Eltern mit Deutsch in Verbindung. Fortbildungen für Lehrer erhöhen die Qualität des Deutschunterrichts. Schü-ler, Lehrer und Schulleiter lernen durch Sprachkur-se und Bildungsreisen Deutschland kennen. Heute umfasst das Netzwerk weltweit 1.530 Part-nerschulen. Bis Ende 2014 sollen es 2000 werden. In der PASCH-Initiative engagieren sich neben dem Goethe-Institut der DAAD, der Pädagogische Aus-tauschdienst der KMK und die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen.  „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) ist eine 2008 ins Leben gerufene Initiative des Auswärtigen Amtes und ein weltweites Netzwerk an herausra-genden Schulen mit einem erweiterten Deutschun-terricht. Thailand gehören inzwischen zehn, der vierzig Sekundarschulen mit Deutsch zum PASCH-Netz. An ihnen lernen 1.854 Schüler Deutsch. Die vom Goethe-Institut betreuten sogenannten FIT-

Schulen sind besondere Bildungseinrichtungen, die eine Strahlkraft besitzen und über ihre unmittelbare Umgebung hinaus bekannt sind. Die Triam-Udom-Suksa-Schule in Bangkok ist das Ziel von Schülern aus dem ganzen Land, oder das Prince Royal’s College ist eine der besten Schuladressen in Nord-thailand. Die Mahidol-Wittayanusorn-Schule ist ein wichtiger Bestandteil dieses Netzwerks.

Die Mahidol-Wittayanusorn-Schule wurde 1990 mit dem Ziel gegründet, besonders begabte Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften zu fördern. Auf die 250 Plätze, die die Schule für jeden Jahr-gang zur Verfügung stellt, haben sich im letzten Jahr über 20.000 Schüler beworben. Bei Internatio-nalen Mathematik- und Naturwissenschafts-Olympiaden erringen Schüler der Mahidol-Wittayanusorn-Schule regelmäßig Gold-, Silber- und Bronze-Medaillen.

In Deutschland hat die Mahidol-Wittayanusorn-Schule schon seit mehreren Jahren Kontakte zu Gymnasien am Bodensee und im Ruhrgebiet. Die-se Verbindung hat sich mit der Aufnahme der Schu-le ins PASCH-Netzwerk weiter verstärkt, wie Schul-leiterin Dr. Yuvadee ausführt.

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In Anwesenheit der thailändischen Vize-Erziehungsministerin Dr. Puangpetch Chunlaied und Botschafter Schulze unterzeichnen Dr. Yuvadee Nakapadungrat, Schulleiter der Mahidol Wittayanusorn-Schule und Dr. Norbert Spitz, Institutsleiter des Goethe-Instituts Thailand den zehnten PASCH-Kooperationsvertrag in Thailand. Foto: Goethe-Institut

Den Kooperationsvertrag zwischen Goethe-Institut und Mahidol-Wittayanusorn-Schule hatten die Schulleiterin und Dr. Norbert Spitz, Direktor des Goethe-Instituts Thailand, schon am 18. Januar 2013 im Rahmen der 5. Internationalen PASCH-Schulleiterkonferenz in Bangkok in Anwesenheit von Botschafter Schulze und der thailändischen Vize-Erziehungsministerin Dr. Puangpetch Chunlaied unterzeichnet.

PASCH richtet sich nicht nur an die Deutschlerner einer Schule sondern an die gesamte Schulge-meinschaft. So hatte das Goethe-Institut mit Dr. Andreas Müller-Maguhn und Joachim Hecker Fort-bildungen für Lehrer der Naturwissenschaften an-geboten, wie mit Hilfe von Experimenten Chemie- und Physikunterricht mitreißend gestaltet werden kann. Ins Blickfeld nimmt das Goethe-Institut auch die Zukunft der Schüler. Neben dem Studium in Deutschland bieten deutsche Firmen jungen Thai-ländern attraktive Berufsaussichten in technischen Feldern. Auf der schon erwähnten Schulleiterkonfe-renz bestätigten hochrangige Firmenvertreter von BMW, Siemens, Deutscher Bank, der Kanzlei Rö-del & Partner sowie der Handelskammer den 125 Schulleitern aus 14 Ländern, dass bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern auf eine Position mit gleichwertiger fachlicher Ausbildung Deutschkennt-nisse ein Plus sind, das den Ausschlag zur Verga-be einer Stelle geben kann.

Für die Schüler ist PASCH ebenso ein internationa-les Netzwerk. In Deutschland bietet das Goethe-Institut für PASCH-Schüler Jugendkurse an, auf denen die thailändischen Teilnehmer Deutschlerner aus der ganzen Welt kennen lernen. In anderen Ländern veranstalten die Goethe-Institute auch Deutschcamps, zu denen sie meist auch Schüler aus anderen Ländern einladen. Dieses internationale Netzwerk stellt das Goethe-Institut auch öffentlichen Partnerinstitutionen in Thailand zur Verfügung. Das thailändische Erzie-hungsministerium und der thailändische Deutsch-lehrerverband organisierten im Mai diesen Jahres ein internationales Deutschcamp in Ayutthaya für Schüler aus den ASEAN-Ländern sowie Indien, Australien, Neuseeland, China, Japan und Korea. Die Verbindungen zu den Schulen im Ausland ent-standen dabei über das Goethe-Institut und das PASCH-Netzwerk. Schüler und Lehrer erlebten dabei, wie die Sprache Deutsch 5.000 Kilometer von Deutschland entfernt sie alle zusammenbrach-te.

Die zehn vom Goethe-Institut betreuten PASCH-Schulen in Thailand. Foto: Goethe-Institut

Timo Kozlowski,

Goethe-Institut Thailand, Bangkok, PASCH- Beauftragter.

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Erika Kaufmann 1915 - 2012

Voller Betrübnis zeigen wir an, daß eines der ältes-ten Mitglieder der Deutsch-Thailändische Gesell-schaft in München verstorben ist und wir verneigen uns in großer Trauer. Erika Kaufmann, die wunder-bare 97 Jahre alt wurde, war der DTG von Anfang an eng verbunden und hat sowohl in früherer Zeit, als auch und gerade im Alter immer wieder den engen Kontakt zu der Gesellschaft gepflegt. Ganz besonders für ihre rege Mitarbeit im Beirat und mit Blick auf ihren unermüdlichen Einsatz für die Sti-pendiaten sind wir ihr zu großem Dank verpflichtet!

Erst in den letzten Jahren ist Erika Kaufmann, ge-borene von Baum, zu ihrem Sohn nach München gezogen – viele, viele Jahre davor hat sie in Köln im Brauweiler Weg ein offenes Haus geführt, man könnte fast sagen einen thai-ländischen Salon. Aber auch das verkürzt die Perspektive, denn sie war nicht nur auf Thailand fixiert, sondern be-wegte sich aus einer umfas-senden Bildung heraus sou-verän in vielen kulturellen Bezügen. Dem Autor ist eine lange Nacht im Sommer 1995 unvergeßlich, als man bei ihr mit einer Gruppe Thais zu-sammensaß, die gerade in Berlin den von Christo und Jeanne-Claude verhüllten Reichstag erlebt hatten und man dann diskutierte, was Kunst überhaupt ist und was sie in unterschiedlichen Kultu-ren bewirken kann oder soll. Aus vielen Gesprächen ist in Erinnerung, wie leb-haft sie seinerzeit in Köln am Opern-, Theater- und Konzertleben teilnahm, wie sie – auch mit Thais – Museen besuchte und dann über das Gesehene und Gelernte sich austauschen, darüber sprechen wollte. Es bleibt Dankbarkeit darüber, eine wahre Intellektuelle als Teil der DTG-Familie erlebt zu haben, einen Menschen, der in jeder Form teilneh-mende Neugier aktiv verkörpert hat.

So steht dem Autor auch ein gemeinsamer Besuch im Ostasiatischen Museum in Köln vor Augen, in dessen Verlauf sie lebhaft von ihren vielen Japan-reisen erzählte, von ihren Kontakten zu Künstlern dort und davon, wie sie als Alleinreisende mit dem Kunstführer unter dem Arm das ferne Land erkun-det hat. Später dann in ihrer Wohnung traf man auf die Werke von einigen der beschriebenen Künstler, wurden ihre Schilderungen und Einsichten plötzlich ganz plastisch und konkret. Und somit war nicht nur Thailand für sie vertrautes Terrain, sondern insge-samt sieben Mal besuchte sie u.a. mit ihrer Familie auch Burma/Myanmar und vermochte sie gültige

Einsichten zu vermitteln, Wechselbezüge zu Thai-land und anderen Ländern Südostasiens zu formu-lieren und das Charakteristische der jeweiligen Kulturen zu beschreiben.

Ihr Einsatz für die Stipendiaten der DTG war immer wieder beispielhaft und tatkräftig improvisierte sie auch in schwierigen Situationen. Es ist gar nicht mehr nachvollziehbar, wie oft sie Stipendiaten der DTG bei sich aufgenommen hat und half, deren erste Schritte in Deutschland zu organisieren. In Erinnerung sind z.B. ihre Bemühungen, als wir uns in Köln um zwei Stipendiaten der (angeblich) Ger-manistik kümmern mußten, die offenbar in Bangkok nicht besonders sorgfältig ausgewählt worden wa-ren und dann hier über kaum mehr als zehn Worte

Deutsch und vielleicht fünf-zehn Worte Englisch ver-fügten und man ihnen mit Blick auf ein Praktikum nur schwer helfen konnte. Mit Tatkraft und Humor wurde seinerzeit auch diese Situa-tion gemeistert.

Dabei blieb Erika Kaufmann immer zugleich hilfsbereit und zurückhaltend. In einer sehr schönen Rede anläß-lich der Beisetzung sprach der Sohn von ihrer gelebten Unaufdringlichkeit. "Nur niemandem zur Last fallen. Selber helfen ja, aber Hilfe annehmen war nicht Deine Stärke." Und wenn man im

Nachhinein darüber nachdenkt, dann fällt uns in der Tat kein einziger Moment ein, der mit dem Gefühl verbunden gewesen ist, ihr etwas ausdrücklich Gutes getan zu haben. Umso wesentlicher ist uns daher die hier vorliegende Würdigung, die Hom-mage für eine große Frau, die nun nach einem erfüllten Leben gegangen ist.

Die Verstorbene hat die Arbeit von Beirat und Vor-stand immer kritisch wie wohlwollend begleitet und hat derart bis vor wenigen Jahren die redaktionellen Bemühungen um die "Thailand-Rundschau" kom-mentiert. Wir akzeptieren mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Trauer, daß uns eine loyale und freundschaftliche Mitstreiterin für die Sache der deutsch-thailändischen Beziehungen verlassen hat, aber das Wissen um sie und ihr Engagement ist zugleich Ansporn und Ermutigung. Im Namen aller Mitglieder und des Vorstandes der Deutsch-Thailändischen Gesellschaft sei mit diesen Zeilen den Angehörigen und Freunden das große Mitge-fühl zum Ausdruck gebracht.

Arnd D. Kumerloeve

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DTG-Jahreshauptversammlung, 21.04.2013 in Köln

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Südostasientag Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln 21.04.2013

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