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Clubmagazin Nr. 202 11 TITEL THE OPEL GT LIVES! Die Geschichte des Opel GT Conrero S o eindrucksvoll titelte Gianni Rogliatti in der Ausgabe 1/1972 der angesehenen US-amerikanischen „Automobile Quarterly“ über den italienischen Conrero-Rennstall und dessen Erfolge in den Jahren 1970 und 71. Mit viel Akribie und Erfah- rung gelang es der Conrero Squadra Corse, die Konkurrenz in der 2 Liter GT-Klasse – fast immer Porsche 911 und 914/6 – mit dem Opel GT nicht nur zu beeindrucken, sondern auch zu schlagen. Besonders nachhaltig glückte dies zum Beispiel bei der Targa Florio 1971, einem Lauf zur Marken-Weltmeisterschaft, bei dem Salvatore Calascibetta und Paolo Monti nicht nur den Klassensieg errangen, sondern auch den 9. Rang im Gesamtklassement belegten und damit eine Platzierung unter den Top Ten in einem internationalen Spitzen- feld gelang. Der „Macher“ hinter den Erfolgen war Virgilio Conrero, in Italien seit vielen Jahren einer der angesehensten und bekanntesten Tuner, dessen Name über lange Zeit fest mit Alfa Romeo liiert war. Nach über einem Jahrzehnt bei Fiat im Flugzeug- und Fahrzeug-Motoren- bau machte sich Conrero 1951 selbst- ständig und eröffnete in Turin zu- nächst eine kleine Werkstatt mit Namen „Autotechnica Conrero“. Für einen Kundenauftrag zum Bau eines schnellen 2 Liter-Autos nahm er einen Alfa 1900-Motor als Grundlage und machte sich in den Folgejahren in der Vorbereitung von Alfa-Fahr- zeugen einen Namen. Erster Höhe- punkt war das Jahr 1958, in dem sein neu gebildetes Team „Squadra Conre- ro“ mit vier Alfa Romeo Giulietta bei fast jedem Start ein Abonnement aufs Siegerpodest hatte. Schwerpunkt seiner Tuningarbeiten waren neben Fahrwerksverbesserungen vor allem die Motoren, denen er regelmäßig mehr (und standfeste) PS als die Konkurrenz entlocken konnte. Sein besonderes Augenmerk richtete sich dabei auf den Ventiltrieb und den Gasdurchsatz. Nicht nur das Werk nahm seine Dienste in Anspruch, fast jeder, der in den 1960ern GT- und Tourenwagensport mit Alfa betrieb, fuhr mit einem Conrero-Auto von „il Mago“, dem Magier, wie er inzwi- schen genannt wurde. Beständig wuchs seine Kundschaft, dazu gehör- ten unter anderem Ludovico Scarfiot- ti, Lorenzo Bandini, Andrea de Ada- mich und Jochen Rindt. Mit der Präsentation des Alfa GTA jedoch rief man Autodelta ins Leben mit Carlo Chiti als Leiter. Fortan Opel GT Gruppe 4, aufgebaut von Virgilio Conrero, restauriert von Maurice Van Sevecotte

THE OPEL GT LIVES! · Clubmagazin Nr. 202 13 TITEL von Porsche. Konsequent betrieb Conrero die technische Weiterentwicklung und machte aus dem GT ein konkurrenz-fähiges Sportgerät

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Clubmagazin Nr. 202 11

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THE OPEL GT LIVES! Die Geschichte des Opel GT Conrero

So eindrucksvoll titelte GianniRogliatti in der Ausgabe 1/1972

der angesehenen US-amerikanischen„Automobile Quarterly“ über denitalienischen Conrero-Rennstall unddessen Erfolge in den Jahren 1970und 71. Mit viel Akribie und Erfah-rung gelang es der Conrero SquadraCorse, die Konkurrenz in der 2 LiterGT-Klasse – fast immer Porsche 911und 914/6 – mit dem Opel GT nichtnur zu beeindrucken, sondern auch zuschlagen. Besonders nachhaltigglückte dies zum Beispiel bei derTarga Florio 1971, einem Lauf zurMarken-Weltmeisterschaft, bei demSalvatore Calascibetta und PaoloMonti nicht nur den Klassensiegerrangen, sondern auch den 9. Rangim Gesamtklassement belegten unddamit eine Platzierung unter den TopTen in einem internationalen Spitzen-

feld gelang. Der „Macher“ hinter denErfolgen war Virgilio Conrero, inItalien seit vielen Jahren einer derangesehensten und bekanntestenTuner, dessen Name über lange Zeitfest mit Alfa Romeo liiert war.Nach über einem Jahrzehnt bei Fiatim Flugzeug- und Fahrzeug-Motoren-bau machte sich Conrero 1951 selbst-ständig und eröffnete in Turin zu-nächst eine kleine Werkstatt mitNamen „Autotechnica Conrero“. Füreinen Kundenauftrag zum Bau einesschnellen 2 Liter-Autos nahm ereinen Alfa 1900-Motor als Grundlageund machte sich in den Folgejahrenin der Vorbereitung von Alfa-Fahr-zeugen einen Namen. Erster Höhe-punkt war das Jahr 1958, in dem seinneu gebildetes Team „Squadra Conre-ro“ mit vier Alfa Romeo Giulietta beifast jedem Start ein Abonnement aufs

Siegerpodest hatte. Schwerpunktseiner Tuningarbeiten waren nebenFahrwerksverbesserungen vor allemdie Motoren, denen er regelmäßigmehr (und standfeste) PS als dieKonkurrenz entlocken konnte. Seinbesonderes Augenmerk richtete sichdabei auf den Ventiltrieb und denGasdurchsatz. Nicht nur das Werknahm seine Dienste in Anspruch, fastjeder, der in den 1960ern GT- undTourenwagensport mit Alfa betrieb,fuhr mit einem Conrero-Auto von „ilMago“, dem Magier, wie er inzwi-schen genannt wurde. Beständigwuchs seine Kundschaft, dazu gehör-ten unter anderem Ludovico Scarfiot-ti, Lorenzo Bandini, Andrea de Ada-mich und Jochen Rindt.Mit der Präsentation des Alfa GTAjedoch rief man Autodelta ins Lebenmit Carlo Chiti als Leiter. Fortan

Opel GT Gruppe 4, aufgebaut von Virgilio Conrero, restauriert von Maurice Van Sevecotte

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wurden alle Rennsportaktivitäten desWerkes von dort gesteuert und ausge-führt, Conrero stand unmittelbar fastohne Aufträge da. Mit Arbeiten unteranderem für Honda konnte er sichüber Wasser halten. Einigen Freundengelang es 1969, Conrero davon zuüberzeugen, wieder an Rennen teilzu-nehmen. Beim 4h-Rennen in Monzakam es zum ersten direkten Schlag-abtausch mit den Autodelta GTA.Conrero bereitete zwei Autos vor, diezur optischen Abgrenzung von ihmmit dem Schriftzug „CONREROGTA-Gr. 2“ auf den hinteren Kotflü-geln versehen wurden, ein Akzent,den er später beim Opel GT wieder-holte. Bereits im Training wurdenalle Autodelta GTA deklassiert unddas Rennergebnis eine Blamage fürdas Werk, denn der 1. und 2. Platzgingen an Conrero.Etwa zur gleichen Zeit besuchteRomano Artioli, Opel-Händler undBesitzer der „Garage 1000 Miglia“ inBozen, Conreros Werkstatt. Artioliwar Präsident der italienischen GM-Händler und mit Virgilio Conrero seitlangem bekannt. Artiolis Anliegen imNamen der Händlerorganisation,einen Opel GT für Rennsporteinsätzevorzubereiten, lehnte Conrero ab.Dieser sah nur geringe Chancengegen die 4- und 6-Zylinder Porsche,darüber hinaus fehlte bis dato dieHomologation in der Gruppe 4. Dochso leicht ließ sich der Bozener vonseiner Idee nicht abbringen undsprach im Frühjahr 1970 Conreroerneut an. Diesmal stimmte „il Ma-go“ zu, war aber unverändert skep-tisch, ob der GT ein potenziellesGewinnerauto sein könnte. KeinVergleich zu den Alfa Romeos, dochConrero machte sich in Moncalierians Werk. Die ersten beiden zurVerfügung gestellten GT in denFarben gold und rot wurden mitherkömmlichen Tuningmaßnahmenzunächst mit einer Leistung von 160PS versehen. Viele andere Kompo-nenten wie Bremsen, Fahrwerk undGetriebe blieben anfänglich unverän-dert und erfuhren erst im Laufe dernächsten Monate eine Überarbeitung.Ungeachtet dessen gelang GiampaoloBenedini beim Gran Premio Mugelloim Juli bereits der erste große Erfolgmit dem Klassensieg vor einer Meute

Europa-Bergmeisterschaft 1971 in Italien: Augusto de Paoli treibt denGT von Trento nach Bondone hinauf.

Der „Conrero-Zug“ beim Training zurTarga Florio 1971. An der Spitze mitder #60 das spätere Siegerfahrzeug,pilotiert von Salvatore Calascibetta /Paolo Monti, dahinter mit der #54 derhier vorgestellte goldfarbene GT mitGiorgio Pianta und Pino Pica, dichtgefolgt von dem silbernen GT (#52)von Guiseppe Marotta / GiampaoloBenedini.

Noch mit 4-Gang-Getriebe wenigChancen gegen die Konkurrenz aufder über 17 km langen Bergstreckenach Bondone hinauf.

Ramponierte Nase nach dem Trainingsunfall von Pino Pica (Targa Florio 1971).Notdürftig wird die Front repariert und mit weißem Lack versehen für denEinsatz beim zweiten Training und im Rennen. Die Scheinwerfer werden ingeöffneter Position fixiert.

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von Porsche.Konsequent betrieb Conrero dietechnische Weiterentwicklung undmachte aus dem GT ein konkurrenz-fähiges Sportgerät. Für die Saison1971 wurde das Team weiter ausge-baut und durch zwei zusätzlicheAutos verstärkt. Es handelte sich umeinen silbernen sowie einen zweitengoldfarbenen GT, der sich mit seiner

Fahrgestellnummer 94 1 831 592(Baujahr 1969) aber als das ältesteder vier Fahrzeuge auswies und vondem hier im Besonderen die Rede ist.Mit den Erfahrungen der vergange-nen Saison war der Aufbau derbeiden neuen GT kein Hexenwerkmehr, die Motoren leisteten jetzt –noch ohne Verwendung der Quer-stromköpfe – zwischen 180 und 190

PS bei 7.000 bzw. 7.200 U/min. Biszu drei der vier Fahrzeuge konntennunmehr gleichzeitig bei einemRennen eingesetzt werden. Für diebeiden „Neulinge“ war dies im Maidie bereits eingangs erwähnte TargaFlorio, bei der sich der goldfarbeneGT auch direkt eine „wunde Nase“holte. Pilotiert von Giorgio Piantaund Pino Pica konnte letzterer im

Dichtes Gedränge in der Boxengasse bei der Targa 1972. Drei der vier Renn-GT präsentieren sich seit Jahresbeginn auchäußerlich verändert in einheitlich blau-gelber Lackierung.

Mit der #43 der Wagen von Paolo Monti und AlbertoRosselli bei der Durchfahrt eines der zahlreichen Dörferauf dem 72 Kilometer langen sizilianischen Rundkurs.

Mit Querstromkopf und Kugelfischer-Einspritzanlagewerden bis zu 214 PS erreicht. Genügend, um GiorgioPianta und Giorgio Schön (#34) mit 25 Sekunden Vor-sprung bei der Targa 1972 die beste Trainingszeit bei den2 Liter GT zu sichern. Nach einem Motorentausch versagtdie Einspritzanlage jedoch am Rennsonntag ihre Dienste,Pianta und Schön können noch nicht einmal zum Startrollen.

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Freitagstraining einen Zusammenstoßmit einem quer stehenden Lancianicht vermeiden. Notdürftig repariertging der Wagen mit weißer Schnauzeund ausgeklappten Scheinwerfern amSonntag in Sizilien an den Start, fielaber bereits in der 3. Runde miteinem Defekt aus. Fünf Wochenspäter war der GT mit neu aufgebau-ter Front wieder im Einsatz, PaoloMonti fuhr ihn beim nationalenBergrennen Bolzano – Mendola. Esfolgten noch mindestens drei weitereRenneinsätze in 1971, bevor es fürdie nachfolgende Saison zahlreicheÄnderungen an den Autos gab, beidenen der zweite goldene GT einebesondere Rolle erhielt.Mit dem Einbau der Querstromköpfefür die 2 Liter-Vierzylindermotorenund der Verwendung von ZF 5-

Ganggetrieben wurden im Winter1971/72 die größten Schwachpunkteder Conrero GT beseitigt. Endlichstand nicht nur mehr Motorleistungzur Verfügung, durch die engereGangabstufung konnte diese auchwesentlich besser auf die Straßegebracht werden. Der Aufwand fürdie Änderungen im Motorraum warnicht unerheblich. Kabel und Anlas-ser wurden gegen die Hitze vomAuspuff abgeschirmt, Chassisverstre-bungen verändert und linksseitig eineseparate Motorstütze auf der Vorder-achse angefertigt. Ein kurzes geradesSchlauchstück bildete jetzt die Ver-bindung zwischen Wasserkühler undMotorblock. Bis auf einen GT erhiel-ten alle die 45er Weber-Vergaser.Virgilio entschied sich dafür, denzweiten Gold-GT als „Test“-Auto zu

verwenden. Hier installierte er erst-malig eine Kugelfischer-Einspritzan-lage, mit der eine Leistung bis zu 214PS (andere 205 PS) erreicht wurde.Bei den Felgen wechselte man vonAlpina wieder zurück auf ein Produktvon Campagnolo. Abgeleitet von derFarbgebung der Conrero Commodorewurden – bis auf den roten – die dreianderen GT jetzt einheitlich mit einergelb/blauen Lackierung versehen.Nach den Umbauten konzentriertesich alles im Team auf den erstengroßen Einsatz – die Targa im Mai1972. Conrero trat mit drei GT inSizilien an, die Einspritz-Versionerhielten Giorgio Pianta sowie Gior-gio Schön, der amtierende italieni-sche GT-Meister in der 2 Liter-Klasse. Mit einer Zeit von 40.39,0min erreichte Pianta die schnellste

Dank ZF 5-Gang-Getriebe und stärkerem Motor ab 1972 wieder mit besseren Chancen bei der Hatz gegen die Porsche911 und 914/6. Hier Alberto Rosselli in Monza beim La Coppa Intereuropa, einem Lauf zur GT-Europameisterschaft, dener mit dem Sieg in der 2 Liter Klasse feiern kann.

Paolo Monti kann 1972 beim nat.Bergrennen von Sarnano zur „TrofeoLudovico Scarfiotti“ den dritten Platzerreichen. Insgesamt belegen dieConrero GT die Plätze 1, 3 und 5 inder 2 Liter-Klasse.

Sondereinsatz als Prototyp mit italie-nischer Straßenzulassung und Rallye-Modifikationen. Der dreifache franzö-sische Rallyemeister Henri Greder mitBeifahrerin Marie-Madeleine Fouquetbewegt den Conrero GT bei derfranzösischen Tour de Corse, einemLauf zur Rallye-Europameisterschaft1972.

Bereits einer der letzten Einsätze:Ricciardo Ricci und Vito Coco mit demwieder für Rennen umgerüsteten GTbei der Targa Florio 1973. Es ist gleich-zeitig auch die letzte Targa als Laufzur Marken-Weltmeisterschaft undbedeutet das Ende einer Ära.

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Trainingszeit von 15 angetretenenGT-Fahrzeugen, der zweitschnellste,ein Porsche, lag fast 30 Sekundendahinter! Beste Voraussetzungen alsofür den Start, der aber ohne Pianta/Schön erfolgte. Der simple Grund:Nach einem vorsorglichen Motoren-wechsel sprang die neue Maschineam Sonntagmorgen wegen einerderegulierten Einspritzanlage nichtan. Was möglich gewesen wäre,zeigte das Team Rosselli / Monti, diemit ihrem GT zwischenzeitlich bisauf einen sensationellen 7. Platz imGesamtklassement vorgerückt waren,bis sie durch Unfall ausschieden.Weitere zehn Berg- und Rundstrek-kenrennen erfolgten 1972 mit demGT mit der Kugelfischer-Einsprit-zung, von denen zwei Einsätze be-sonders in Erinnerung blieben. BeimOpel-Markenrennen Ende Juli imRahmen des Großen Preises vonDeutschland lieferte sich AlbertoRosselli als Ringneuling einen hartenZweikampf mit Bert Dolk im Stein-metz GT. Der herrliche Fight über diekomplette Distanz von fünf Rundenhielt die zahlreichen Zuschauer inAtem. Dabei markierte Rosselli miteiner Zeit von 9.26,1 min 2 Liter-Bestzeit und konnte am Ende dasRennen für sich entscheiden.

Sehr außergewöhnlich war der Sai-sonabschluss mit dem Einsatz bei derTour de Corse, einem Lauf zur euro-päischen Rallye-Meisterschaft. Keinanderer als Henri Greder hatte sichbei Virgilio das Auto „ausgeliehen“,um es zusammen mit der charmantenMarie-Madeleine Fouquet überkorsische Straßen zu hetzen. Leidermusste Greder den Wagen am drittenTag wegen Problemen mit der rech-ten Aufhängung abstellen.Wieder zurückgerüstet für die Rund-strecke wurde dieser Wagen mehr-fach noch 1973 bei Rennen einge-setzt. Doch in Imola am 2. Juni warder letzte Auftritt des Conrero GT mitder Kugelfischer-Einspritzanlage.Längst hatten sich die Prioritätenverschoben, Ascona A und späterKadett C waren angesagt und wurdenvon Conrero für Rallyes vorbereitetund eingesetzt. Er entschied, dass derMotor im neuen „Baby“ von Opel,dem Ascona A, nützlicher ist. NachGruppe 2-Spezifikation vorbereitet,gestaltete sich der Einbau in dengrößeren Motorraum des Asconaleichter. Sogar die Campagnolo-Räder wurden vom GT auf diesesAuto gewechselt. Zunächst für dieRundstrecke gebaut und mit Colzaniin Monza gefahren, wurde der Asco-

na aber später zu einem Rallyeautound 1975 durch Röhrl / Berger beider Elba-Rallye gekonnt im Driftbewegt.Von alledem wusste Maurice VanSevecotte in Belgien zu diesemZeitpunkt noch nichts. Aufgewachsenmit den verschiedenen Opel-Model-len seines Vaters kaufte er sich 1985seinen ersten eigenen GT, ein Restau-rationsobjekt. In den folgendenJahren sammelte er alles zum ThemaOriginal-GT, was er finden konnte.Bis er 1995 zum ersten Mal einenConrero GT in den Händen hielt, einModell im Maßstab 1:43 von Auto-drome, das Siegerfahrzeug der TargaFlorio von 1971 mit der Startnummer60. Sogleich machte sich Van Seve-cotte auf die Suche nach Informatio-nen zu Virgilio Conrero und seinemTeam. Noch im selben Jahr unter-nahm er seine erste Tour nach Italien,um in der Nähe von Turin die (ehe-malige) Werkstatt zu besuchen, wobeier auch Conrero’s Witwe begegnete.Ein persönliches Souvenir und dieersten Fotos zum Kopieren legtenden Grundstein zu der wohl umfang-reichsten und vollständigsten Samm-lung der Opel-Geschichte von Conre-ro Squadra Corse. Van Sevecottewollte es aber nicht nur bei Unterla-

Im Stil der Zeit – verbreitert war der GT, aber er wirkt immer noch zierlich

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gen und Teilen belassen, nein, erwollte auch einen Original-ConreroGT in 1:1, zumindest eines der Kun-denfahrzeuge. Bei der Retromobile inParis fand er ein Buch über dasLeben von Virgilio Conrero undnahm Kontakt zu dem Autor auf. Ererzählte ihm von seinem Anliegenund zu seiner Überraschung konnteihm dieser gleich zwei GT offerieren:Der original restaurierte rote Renn-GT sowie einer der gelb/blauenFahrzeuge, allerdings völlig unbear-beitet. Zu kaufen waren nur beidezusammen, was das Budget von VanSevecotte überstrapaziert hätte. Sokam er auf die Idee, Opel den rotenGT anzubieten, die aber kein Interes-se zeigten. Um wenigstens eineReplika aufbauen zu können, verein-barte er einen Besichtigungstermin,der 1996 bei einem zweiten Italien-Trip wahrgenommen wurde. Ermachte unzählige Fotos und spracherneut den Verkauf des Fahrzeugs an.Zu seiner Verwunderung war diesjetzt nicht mehr möglich, jenerSchatz der Conrero-Geschichte dürfeItalien nicht verlassen! Außerdemwolle der Anbieter das Auto selbstrestaurieren.Andere hätten an dieser Stelle viel-leicht aufgegeben, doch Van Sevecot-te ließ sich nicht abschrecken. Inzwi-schen wusste er, dass es sich um denzweiten goldfarbenen GT handelteund konnte bereits Teile der Historienachvollziehen. Anhand einigerMerkmale war das Auto auf Fotosimmer eindeutig zu identifizieren:Parallel stehende Haubenhalter, einabgebrochener Stoßstangenhaltervorn rechts sowie eine anders plat-zierte Kennzeichenleuchte am Heck.Monat für Monat erkundigte er sichnach den Fortschritten der Restaurie-rung, bis es irgendwann 1997 hieß, er

solle schriftlich ein Angebot abgeben.Für das Auto, das Italien nicht verlas-sen durfte? Welche Summe wähltman für einen Renn-GT ohne Motorund ZF-Getriebe und ohne Räder?Nach Übermittlung eines Angeboteswar nichts mehr zu hören aus Italien,so dass Van Sevecotte wieder zumTelefon griff. Der Betrag sei zuniedrig, hieß es, schließlich seieninzwischen die Sitze gemacht und einAscona mit ZF-Getriebe besorgtworden. OK, jetzt oder nie dachtesich Van Sevecotte und verdoppelteden Betrag! Und tatsächlich, esfunktionierte, der Verkäufer stimmtezu.Was folgte waren schlaflose Nächte,denn schließlich stand der Wagennoch nicht bei ihm zuhause, und derVerkäufer schien stündlich seineMeinung ändern zu können. Kurzer-hand besorgte er sich einen kleinenLKW und fuhr zusammen mit seinerFreundin in einem Marathontrip genSüden. Dort angekommen, gab es dienächste Überraschung, denn das ZF-Getriebe sollte jetzt nicht mehr dazugehören, sondern extra kosten. Unddas Watt-Gestänge? Erst nach länge-rem hin und her und anhand derFotobelege rückte der Verkäufer dasfrisch restaurierte Teil heraus, das gutverstaut im Kofferraum eines anderenFahrzeugs lag. Van Sevecotte bezahl-te und lud den erbärmlich aussehen-den GT ein, ohne Getriebe. Bereitseinen Monat später im Dezember1997 erhielt er Kontakt zu einemMann in Nizza, der ihm einen Cross-flow-Motor anbieten konnte. Der 2.Januar des neuen Jahres schiengerade richtig für eine Tour nachSüdfrankreich, zurück kam man mitder Maschine im Gepäck. So konnteman 1999 beim GT-Europatreffen inBelgien nach über 25 Jahren dieses

Die original verwendeten FusinaSchalensitze, damals noch ohneKopfstützen. Dahinter befinden sichTank und Reserverad.

Statt mit Kugelfischer-Einspritzanlagejetzt mit zwei Weber Doppelflach-strom-Vergaser 45 DCOE. Trotzdemholt Carenini beim Überarbeiten desMotors standfeste 205 PS heraus.

Bis auf wenige Details zeigt sich dasArmaturenbrett noch relativ serien-nah. Das Raid-Lenkrad ist in der Mittemit dem Conrero-Emblem versehen.

Blick auf das Differential mit dem vonConrero entwickelten Wattgestänge.Am Unterboden noch immer dieursprünglich goldfarbene Lackierung

An allen vier Conrero GT umgebaut:Statt auf dem Heckblech befindet sichder Tankeinfüllstutzen mit Schnellver-schluss an der linken C-Säule.

Jetzt wieder mit Startnummer 62 wiebeim siegreichen Opel-Markenrennen1972 am Nürburgring im Rahmen desGroßen Preises von Deutschland.

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Fahrzeug erstmals wieder eineminteressierten Publikum zeigen, wennauch noch völlig unrestauriert.Nach und nach stellte sich heraus,dass der Wagen nach Beendigungseiner Rennkarriere in den Händenvon Conrero verblieb und über Jahrehinweg neben der Werkstatt bei Windund Wetter sein Dasein fristete. NachConreros Tod 1990 übernahm seineFrau, Sandra Raimundo Conrero, denGT und ließ ihn nach Turin bringen,wo ihn der spätere Verkäufer ent-deckte und versprach, aus Freund-schaft zu Conrero das Auto wiederherzustellen. In Wahrheit stand wohlimmer der Verkaufsgedanke imVordergrund.Die Bestandsaufnahme für den Wa-gen war einerseits ernüchternd,andererseits erfreulich. Die Karosse-rie war durch die Witterung in ent-sprechend schlechtem Zustand. Esfehlten der Original-Motor, die

Hinterachse samt Sperrdifferential,das ZF-Getriebe und die Räder.Ansonsten wurde der GT nach demletzten Rennen praktisch unverändertin seinen Dornröschenschlaf versetzt.Auf der gelben Motorhaube klebtenoch die Startnummer 63, Kotflügel-verbreiterungen, Conrero-Schriftzug,Benzintank, Überrollbügel und dasgesamte Interieur, Vorderachse usw.waren vorhanden. So war die Zielset-zung real, den Wagen wieder sooriginal wie möglich in den Zustandvon 1972 zu versetzen und ihm aneinigen Stellen seine Patina zu belas-sen. In 2006 begann sein FreundRonny mit den Karosseriearbeiten.Zunächst sollten die Vorderkotflügelerhalten bleiben, aber bald zeigtesich, dass ein Ersatz unumgänglichwar. Überall offenbarte der GT seineGeschichte, die Spuren der Crashsvon der Targa 1971 und 1972 (beimTransport eine Brücke gestreift)

genauso wie die zusätzlichen Löcherfür die Cibié-Scheinwerfer von derTour de Corse 1972. Ronny brachtedas Kunststück fertig und trennte auseinem US-GT die Front mitsamt derbeiden Kotflügel in einem Stückheraus und setzte diese ein. Nicht nurdas neue Teilstück wurde gesand-strahlt und mit Rostschutz behandelt,auch andere Stellen wurden mit allerBehutsamkeit so bearbeitet. Abgese-hen vom Vorderbau bildete die restli-che Substanz aber eine bessere Basis,lediglich am unteren Heckblechwaren Teile zu ersetzen. Bei dervorsichtigen Bearbeitung der gesam-ten Karosserieoberfläche trat dasursprüngliche Saharagold wieder zumVorschein. So wurde der kompletteInnenraum einschließlich der Türin-nenseiten in der Originalfarbe erhal-ten, die Bodenbleche wurden nachihrer Ausbesserung im Farbton nach-lackiert. Die Kotflügelverbreiterun-

Die Original-Aufkleber der Targas von 1971 und 1972 an der ursprünglichenSeitenscheibe und die neu angefertigten Kopien am Auto

Auch die beiden Töchter Jodie (li.) und Amy haben ihren Spaß mit Papas neu-em Spielzeug

Fast wieder wie damals: Der neuaufgebaute GT nach gelungenerRestaurierung. Lediglich die Campa-gnolo-Felgen fehlen noch, sie werdenderzeit durch ATS ersetzt. Seinebesondere Geschichte hat der Conre-ro-Schriftzug an den hinteren Kotflü-geln

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gen aus Kunststoff hatten unter denvielen Feindberührungen so gelitten,dass sie unbrauchbar für eine Wieder-verwendung erschienen. Ein Formen-bauer bildete die Verbreiterungenoriginalgetreu ab, einschließlich jedereinzelnen Nietenbohrung! Denn diemussten 100% mit den Bohrungen inder Karosserie übereinstimmen. Einekostspielige Angelegenheit. Eineneue Auspuffanlage in Edelstahl ohneDämpfer war die nächste Investition.Und Arbeitsstunden zählte sowiesoschon keiner mehr, das hatte manlängst aufgegeben.

Zwischenzeitlich wurde das Trieb-werk bei „Tuning Carenini“ in Italienzerlegt und neu aufgearbeitet. DieGebrüder arbeiteten seit Gründungbei Irmscher im Motorenbau, bevorsie 1974 eigene Wege gingen undbekannt wurden in der Vorbereitungstandfester Crossflow-Triebwerke inder 2- und 4-Ventil-Version. GinoCarenini identifizierte den in Nizzaerworbenen Motor als eines der vonihm aufgebauten Triebwerke. Zusam-men mit seinem Sohn Silvano, derheute das Unternehmen führt, wurdenneue Kolben angefertigt und derMotor besonders sorgsam wiederzusammengesetzt, auch der eigenenHistorie wegen. Auf dem Prüfstandbrachte die Maschine mit einem nichtangepassten Auspuff auf Anhieb eineLeistung von über 200 PS, man hattewirklich einen guten Job gemacht!Zur Gemischaufbereitung kamen jetztstatt der Kugelfischer-Einspritzungdie 45’er Weber zum Einsatz.Äußerlich nahm der Wagen mit derLackierung in gelb/blau langsamwieder Gestalt an. Der Conrero-Schriftzug wurde nicht durch Aufkle-ber angebracht, sondern anhand einesangefertigten Negativs Buchstabe fürBuchstabe wie damals lackiert.Endlich konnte auch mit dem Zusam-menbau begonnen werden und Stückfür Stück zeigten sich die Ergebnisseder schier endlosen Arbeit.Schon während der ganzen Aktionenum das Auto hatte Maurice VanSevecotte versucht, mit allen Conre-ro-GT-Piloten Kontakt aufzunehmen.So traf er 1996 beim ITC-Lauf inDiepholz im Alfa-Team auf GiorgioPianta, Giorgio Schön und Klaus

Ungeschützt steht der Renn-GT mit der Chassisnummer 94 1 831 592 viele Jahreneben Conreros Werkstatt und fristet sein Dasein bis zur Wiederbelebung

Das 2 Liter Triebwerk als Ausstellungs-stück, hier noch in der Version mitdem seriennahen CIH-Kopf statt derspäter verwendeten Querstromversi-on (Cross Flow)

Virgilio Conrero (re.) zusammen mitHenri Greder am Nürburgring.

Auch für Privatfahrer bot Conrero in Verbindung mit GM Italia Tuning-Kits an.Zu sehen sind die für den GT entwickelten Einheiten K-70 und K-125, darüberhinaus standen auch für andere Opel-Vierzylindermodelle Kits zur Verfügung.

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Steinmetz. Zwei Jahre später begeg-nete er Henri Greder, Marie-ClaudeBeaumont (Targa Florio 1972) undAlberto Rosselli. In 2005 gab eszusammen mit Detlef Kurzrock undStefan Müller die ersten Überlegun-gen zu einem Buch, in dem die GT-Motorsportgeschichte nicht nur vonConrero wiedergegeben werdensollte. Eine erneute Reise nach Italienwar unumgänglich, wieder wurdenFahrer und Mechaniker besucht undInfos zusammengetragen. Da man innächster Zeit gerade nichts Besseresvorhatte, wollte man Wagen undBuch bis zum 40-jährigen Jubiläumdes Opel GT im August 2008 fertigstellen und präsentieren. Der Oldti-mer Grand Prix auf dem Nürburgringschien das geeignete Umfeld dafür zusein.Seit über 15 Stunden war man amTag vor dem Transport zum Ringnoch am Auto am Arbeiten. Aufkle-ber und Startnummer entsprachenexakt dem Vorbild von Alberto Ros-sellis Einsatz beim Opel-Markenren-nen 1972. Gegen 21.00 Uhr drängtenVan Sevecottes Freunde dazu, endlichden GT fahren zu sehen. Sie be-schwatzten ihn so lange, bis erschließlich nachgab und der Wagenauf die Straße geschoben wurde.Prompt machte der GT seinen erstenBrüller, im Halbdunkel jagte VanSevecotte die Straße rauf und runter,wohlgemerkt eine reine Wohngegend.Aber was tut man nicht alles für dieNachbarn. Bei den Demo-Läufen amRing bewies der Wagen – von kleine-ren Nachbesserungen abgesehen –zur Freude des Publikums seineLauffähigkeit. Hier gilt der besondere

Dank an Ronny, Denise, Kris, Lie-ven, Guy, Gaïel und Rudy, die beimAufbau des GT dabei waren. AuchOpel Classic würdigte das privateEngagement ausdrücklich, und einigeehemalige Rennfahrer ließen es sichnicht nehmen, extra wegen der Prä-sentationen zum Ring zu kommen.Denn dank vieler Freunde und demVerlag konnte auch das Buch pünkt-lich erscheinen.Zusammen mit den drei in Italienvorhandenen Conrero Renn-GT, diesich ebenfalls im restaurierten Origi-nalzustand befinden, konnte somitnach 35 Jahren der Kreis wiedergeschlossen werden. Oder andersgesagt: THE OPEL GT LIVESAGAIN!

Text: Stefan Müller *640Fotos: Perry Van Leeuwen,Maurice Van Sevecotte

Mit einem Dankeschön an das Maga-zin Powerslide für die Genehmigungzum Nachdruck! Dort ist die Storydes Conrero-GT in der aktuellenAusgabe zuerst erschienen.

Mehr über die erstaunliche Karrieredes Opel GT auf Asphalt und Schot-ter steht im Buch OPEL GT MOTOR-SPORT 1968-1975 von StefanMüller, Detlef Kurzrock und Mauricevan Sevecotte. Vorgestellt haben wires in dZ 191, ein Auszug (über denTuner Henri Greder) steht in dZ 192.

Hier noch einmal die Daten zumsorgfältig recherchierten Buch: ca.300 Seiten, Format 210 x 270 mm,zweisprachig in Englisch & Deutsch,kaschierter Umschlag, gebunden.Petrolpics, 48,00 €,ISBN 978-3-940306-04-3

Der Conrero-GT heute

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