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E I N F Ü H R U N G I N D I E M E T H O D E N D E R T I E R H Y S I O L O G I E Die Tierphysiologie ist eine Teildisziplin der Zoologie. Sie befasst sich mit den Funktionen tierischer Gewebe, Organe und Organsysteme, und damit, wie diese Funktionen und deren Zusammenspiel gesteuert und reguliert werden. Da die Mechanismen, die zu einer spezifischen Organfunktion führen, auf den physi- kalischen, biochemischen und informationsverarbeitenden Eigenschaften der beteiligten Zellen und Geweben beruhen, sind die Arbeitsweisen der Tier- physiologie entsprechend vielfältig. Tierphysiologen wenden daher sowohl Me- thoden aus der Molekularbiologie an, etwa wenn die Strukturen von Ionen- kanälen oder Antigenen erforscht werden sollen, häufig kommen aber auch Messverfahren zum Einsatz, die ganz andere physikalische Messgrößen erfassen, wenn beispielsweise die räumliche Auflösung eines Sehorgans, der zeitliche Verlauf eines Aktionspotenzials, oder die aerodynamischen Eigenschaften eines Vogelflügels experimentell ermittelt werden. In diesem Kurs werden Sie in vier verschiedenen Kurseinheiten mit Frage- stellungen und Messmethoden der Tierphysiologie vertraut gemacht. Dabei werden Sie Experimente durchführen, die Einblicke in die Funktionsweise tierischer Organismen und ihrer Organe demonstrieren. Die Experimente werden teilweise an Tierpräparaten vorgenommen, die Sie selbst herstellen, wie im Herz- und dem Muskelversuch oder beim Elektroretinogramm der Fliege, andererseits werden Sie auch an Ihrem eigenen Körper arbeiten, wie z.B. in der Psychophysik. THEORETISCHE VORAUSSETZUNGEN MESSVERFAHREN UND SENSOREN Da die Arbeitsweise der tierphysiologischen Forschung so vielfältig ist, ist es notwendig, dass Sie sich bei jedem Versuch klar machen, welche Messgröße Sie erfassen und dass Sie das Verfahren kennen, mit dem diese Größe erhoben wird. Man unterscheidet dabei zwischen direkten und indirekten Messverfahren. Während bei einem direkten Messverfahren das Messergebnis direkt am Mess- gerät abgelesen werden kann - beispielsweise bei der Längenmessung mit einem Lineal - wird bei einer indirekten Messung ein Messwandler (Sensor) eingesetzt, der eine primäre Messgröße, die nur schwierig zu erfassen ist, in eine gut messbare (sekundäre) Ausgangsgröße umsetzt. Sehr häufig eingesetzt werden Sensoren, die abhängig von der zu messenden Größe ihre elektrischen Eigen- schaften (Widerstand, Ausgangsspannung, Kapazität, usw.) ändern, da elektrische Signale gut handhabbar sind, insbesondere, wenn noch weitere Signal verarbeitende Stufen, wie Verstärker oder Filter nachgeschaltet werden müssen. Jeder Sensor wird durch seine Kennlinie charakterisiert, mit deren Hilfe man die Umrechnung der Ausgangsgröße zurück in die primäre Messgröße vornehmen kann. Diese Kennlinie findet man in der Regel im Datenblatt des Herstellers des Sensors. Hat man dieses Datenblatt nicht zur Hand, oder ändern sich die

THEORETISCHE VORAUSSETZUNGEN - hih-tuebingen.de · TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 3 Übertragungseigenschaften des Sensors aufgrund seiner Bauweise oder der speziellen

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E I N F Ü H R U N G I N D I E M E T H O D E N

D E R T I E R H Y S I O L O G I E

Die Tierphysiologie ist eine Teildisziplin der Zoologie. Sie befasst sich mit den

Funktionen tierischer Gewebe, Organe und Organsysteme, und damit, wie diese

Funktionen und deren Zusammenspiel gesteuert und reguliert werden. Da die

Mechanismen, die zu einer spezifischen Organfunktion führen, auf den physi-

kalischen, biochemischen und informationsverarbeitenden Eigenschaften der

beteiligten Zellen und Geweben beruhen, sind die Arbeitsweisen der Tier-

physiologie entsprechend vielfältig. Tierphysiologen wenden daher sowohl Me-

thoden aus der Molekularbiologie an, etwa wenn die Strukturen von Ionen-

kanälen oder Antigenen erforscht werden sollen, häufig kommen aber auch

Messverfahren zum Einsatz, die ganz andere physikalische Messgrößen erfassen,

wenn beispielsweise die räumliche Auflösung eines Sehorgans, der zeitliche

Verlauf eines Aktionspotenzials, oder die aerodynamischen Eigenschaften eines

Vogelflügels experimentell ermittelt werden.

In diesem Kurs werden Sie in vier verschiedenen Kurseinheiten mit Frage-

stellungen und Messmethoden der Tierphysiologie vertraut gemacht. Dabei

werden Sie Experimente durchführen, die Einblicke in die Funktionsweise

tierischer Organismen und ihrer Organe demonstrieren. Die Experimente werden

teilweise an Tierpräparaten vorgenommen, die Sie selbst herstellen, wie im Herz-

und dem Muskelversuch oder beim Elektroretinogramm der Fliege, andererseits

werden Sie auch an Ihrem eigenen Körper arbeiten, wie z.B. in der Psychophysik.

THEORETISCHE VORAUSSETZUNGEN

MESSVERFAHREN UND SENSOREN

Da die Arbeitsweise der tierphysiologischen Forschung so vielfältig ist, ist es

notwendig, dass Sie sich bei jedem Versuch klar machen, welche Messgröße Sie

erfassen und dass Sie das Verfahren kennen, mit dem diese Größe erhoben wird.

Man unterscheidet dabei zwischen direkten und indirekten Messverfahren.

Während bei einem direkten Messverfahren das Messergebnis direkt am Mess-

gerät abgelesen werden kann - beispielsweise bei der Längenmessung mit einem

Lineal - wird bei einer indirekten Messung ein Messwandler (Sensor) eingesetzt,

der eine primäre Messgröße, die nur schwierig zu erfassen ist, in eine gut

messbare (sekundäre) Ausgangsgröße umsetzt. Sehr häufig eingesetzt werden

Sensoren, die abhängig von der zu messenden Größe ihre elektrischen Eigen-

schaften (Widerstand, Ausgangsspannung, Kapazität, usw.) ändern, da

elektrische Signale gut handhabbar sind, insbesondere, wenn noch weitere Signal

verarbeitende Stufen, wie Verstärker oder Filter nachgeschaltet werden müssen.

Jeder Sensor wird durch seine Kennlinie charakterisiert, mit deren Hilfe man die

Umrechnung der Ausgangsgröße zurück in die primäre Messgröße vornehmen

kann. Diese Kennlinie findet man in der Regel im Datenblatt des Herstellers des

Sensors. Hat man dieses Datenblatt nicht zur Hand, oder ändern sich die

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 3

Übertragungseigenschaften des Sensors aufgrund seiner Bauweise oder der

speziellen Art der Messanordnung häufiger, so muss man die Messeinrichtung vor

der eigentlichen Messung kalibrieren, d.h. die jeweilige Kennlinie selbst ermitteln

(vgl. Abbildung 1).

Beispiele für indirekte Messverfahren sind die Bestimmung der Stoffkonzentration

in einer Lösung über deren optische Dichte oder die Messung von Muskelkräften

mit einem Biegestabtransducer.

Abbildung 1: Links: Eine Sensor-Kennlinie aus dem Datenblatt eines Herstellers. Das gewählte Beispiel zeigt die Kennlinie eines Magnetfeldsensors. Die primäre Messgröße ist hier die

magnetische Feldstärke Hy, die Ausgangsgröße des Sensors ist die elektrische Spannung V0. Man kann leicht erkennen, (i) dass der Sensor die Richtung der Messgröße als Vorzeichen des Messwertes ausgibt, (ii) dass die Kurve im gezeigten Messbereich annähernd linear ist und (iii) dass der Messfehler (max/min) mit zunehmender Feldstärke größer wird. Rechts: Kennlinie eines Biegestabtransducers, wie er im Kurspraktikum eingesetzt wird. Der Zusammenhang zwischen der gemessenen Kraft und der Ausgangsspannung des Sensors ist auch hier annähernd linear, dadurch kann der primäre Messwert (=Kraft F) aus der Sensorantwort (=elektrische Spannung U) mit einer

sehr einfachen Formel, einer Geradengleichung, berechnet werden.

y = 198.08 x + 2.3653

0

25

50

75

100

125

150

175

200

225

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2

Kraft [N]

Ausg

angss

pannung b

ei 10V

[m

V]

F =U

198.1− 2.4

+

-U

R3

R4

R2

R1

KASTEN 1: FUNKTIONSWEISE EINES BIEGESTABTRANSDUCERS ZUR MESSUNG VON KRÄFTEN

Ein Beispiel für ein indirektes Messverfahren, das Sie in diesem Kurs kennen lernen

werden, ist die Messung von Kräften mit Hilfe eines Biegestabtransducers. Der hier im

Kurs verwendete Typ ist aufgebaut aus einem Metallstab, auf den vier einzelne

Dehnungsmessstreifen (DMS) befestigt sind. Bei den DMS handelt es sich um Bauteile,

deren elektrischer Widerstand zunimmt, wenn sie gedehnt werden. Die vier DMS in

unserem Biegestabtransducer sind zu einer so genannten Wheatstone-Messbrücke

verschaltet, wie sie in der

nebenstehenden Abbildung

dargestellt ist. An zwei

„gegenüber liegenden“

Knotenpunkten der Brücke

wird eine konstante

Spannungsquelle (U) ange-

legt, an die anderen zwei ein

Spannungs-Messgerät.

R1 und R4 bzw. R2 und R3

bilden jeweils einen

Spannungsteiler, wobei die

beiden Widerstände eines

Zweiges jeweils auf gegen-

über liegenden Seiten des

Biegestabes angebracht werden: R4 und R2 auf der einen, R1 und R3 auf der anderen

Seite. Da im Ruhezustand (=Metallstab gerade) alle DMS gleich lang sind, sind auch alle

Widerstände gleich groß, das Spannungsmessgerät zeigt deshalb eine Spannungs-

differenz von 0 V an.

Belastet man den Stab nun mechanisch, wird er in eine Richtung verbogen. In beiden

Spannungsteilern wird daher jeweils ein DMS gedehnt, der andere gestaucht, die

Widerstandswerte in den Spannungsteilern ändern sich entsprechend ihrer Lage auf

dem Stab, so dass sich die Potenziale an beiden Anschlüssen des Messgerätes nun

gegensinnig verändern. Die Spannungsdifferenz ist dabei proportional zur

aufgewendeten Kraft, ihr Vorzeichen gibt die Richtung der Kraftwirkung an.

Die Wheatstone - Messbrücke ist in Sensorschaltungen weit verbreitet, weil sie einfach

aufzubauen ist und sehr präzise arbeitet. Durch Verwendung unterschiedlicher

Materialien können ganz unterschiedliche Messgrößen in Spannungen umgewandelt

werden.

Eine anschauliche, interaktive Animation zum Prinzip der Messbrücke finden Sie im

Internet unter: http://www.bipede.de/Downloads/DMS_Voll.swf

(Anmerkung: In dieser Animation müssen Sie auf den schwarzen Punkt klicken und ihn

bewegen, um den virtuellen Biegestab zu verformen)

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 5

MESSGERÄTE

Die meisten Sensoren wandeln eine primäre Messgröße in eine Spannung um. Da

sich im Verlauf eines Experiments in der Regel der Betrag der Messgröße und

damit die Ausgangsspannung des Sensors ändert, ist es zweckmäßig, die

Messung mit einem Gerät vorzunehmen, das nicht nur das momentane

Messsignal, sondern das auch dessen zeitlichen Verlauf sichtbar macht. Bis vor

wenigen Jahren verwendete man dafür ein Oszilloskop, dessen Funktionsweise

Sie in jedem Physikbuch nachlesen können. Stand der Technik sind heutzutage

volldigitale Datenerfassungssysteme, die alle Funktionen eines Oszilloskops

bieten und sich ganz ähnlich bedienen lassen, die zusätzlich aber auch alle

ankommenden Signale digital speichern, so dass die Messwerte auch nach der

Messung zur Verfügung stehen. Im Kurs verwenden wir als Datenerfassungs-

und -analysesystem PowerLab und die Software Chart. Eine Einführung zur

Bedienung der Software erhalten Sie im Kurs.

Abbildung 2: Prinzip der digitalen Datenerfassung mit Powerlab

ERFASSUNG ANALOGER SIGNALE MIT DIGITALER TECHNIK

Die Messdaten, die bei biologischen Messungen anfallen, sind in der Regel

kontinuierliche („analoge“) Signale. Während diese im herkömmlichen

Oszilloskop lediglich verstärkt werden mussten und dann direkt auf die

Ablenkplatten der Vertikalablenkung geschaltet wurden, ist es bei der Erfassung

analoger Signale mit digitalen Geräten notwendig, den Signalverlauf mit Hilfe

eines Analog-Digital Wandlers (Analog-Digital Converter oder kurz: ADC) in eine

Folge von diskreten Daten umzuformen. Die wichtigsten Parameter, über die ein

ADC verfügt, sind die Abtastrate und die Abtasttiefe. Da sie ganz wesentlich die

Qualität der Messdaten bestimmen, wird hier auf die Bedeutung beider Größen

näher eingegangen.

DIE ABTASTRATE

Die Abtastrate oder Abtastfrequenz (auch sampling rate oder Samplerate

genannt) wird in Hz angegeben und bestimmt die zeitliche Auflösung, mit der die

Messdaten erfasst werden. Eine Abtastrate von 44 kHz bedeutet zum Beispiel,

dass jede Sekunde des gemessenen Signals in 44.000 einzelne Datenpunkte

umgewandelt wird.

Je höher die Abtastrate ist, desto besser ist die Qualität der Aufzeichnung in der

zeitlichen Domäne, d.h. höhere Frequenzen können noch ausreichend in einer

späteren Analyse ausgewertet werden. Da die Anzahl der je Zeiteinheit

aufgenommenen Datenpunkte mit der Abtastrate ansteigt, führt eine zu hohe

Abtastrate allerdings auch zu einem höheren Speicherverbrauch, weswegen die

Abtastrate an die zu erwartende Geschwindigkeit angepasst werden sollte, mit

denen sich das zu messende Signal ändert.

Eine Regel für die richtige Wahl der Abtastrate ergibt sich aus dem Nyquist-

Shannon-Theorem. Demnach ist es möglich, den Wellenverlauf eines analogen

Signals vollständig zu rekonstruieren, wenn die Samplerate dem doppelten der

höchsten Frequenz entspricht, die im analogen Signal vorkommt. Will man also

noch Änderungen in einem Signal aufspüren können, die sich innerhalb einer

Millisekunde abspielen, ist eine Samplerate von mindestens 2 kHz erforderlich,

denn 1 ms entspricht der Periodendauer eines Signals mit einer Frequenz von 1

kHz.

DIE ABTASTTIEFE

Die Abtasttiefe oder Bit-Tiefe des Signals bestimmt, wie viele Bits der Rechner

intern verwendet, um den analogen Wert eines einzelnen Samples darzustellen.

Je größer die Abtasttiefe ist, desto geringer ist der minimale

Amplitudenunterschied, der bei der A/D Konversion erkannt wird: Bei einer

Abtasttiefe von 8 Bit wird der analoge Messwert als Zahl zwischen 0 und 255

dargestellt, bei 16 Bit kann er bereits 65536 unterschiedliche Werte annehmen.

Auch für die Abtasttiefe gilt: Je höher sie ist, desto mehr Speicher wird

verbraucht. Allerdings ist die Abtasttiefe in vielen Fällen durch die verwendete

Hardware festgelegt.

Der von Ihnen im Rahmen dieses Kurses verwendete ADC heißt PowerLab 26T

und verfügt neben 4 unabhängigen Eingangskanälen noch über Ausgänge, über

die Signale zur Stimulation (z.B. für den Nerv- oder den Muskelkurs) erzeugt

werden können. Seine Abtasttiefe beträgt 24 Bit, die maximale Samplerate

beträgt 400 kHz, wenn nur ein Kanal verwendet wird. Beim Mehrkanal-Betrieb

müssen sich die Kanäle diese Abtastrate (bzw. die Rechenleistung des ADCs)

„teilen“ – entsprechend sinkt sie beim Einsatz von vier Messkanälen auf 100 kHz

je Kanal ab.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 7

PHYSIKALISCHE GRÖßEN UND IHRE EINHEITEN

Im Praktikum - und ganz allgemein in empirischen Experimenten werden Messergebnisse immer in der zur Messgröße passenden Einheit angegeben werden. Auch wenn Sie wegen der Anwendung eines indirekten Messverfahrens

letztlich eine ganz andere Größe bestimmen, Sie also z.B. Spannungsänderungen anstelle von Kräften messen, müssen Sie die Daten für das Protokoll immer in

die Messgröße umrechnen und die richtige Einheit angeben. Oft werden die gemessenen Signale noch verstärkt, was Sie bei der Angabe der Messgröße berücksichtigen müssen. Durch die Verwendung der oben genannten volldigitalen

Messanordnungen wird Ihnen diese Arbeit extrem erleichtert: Sie können bei der Kalibrierung angeben, wie die am ADC ankommenden elektrischen Signale in die

jeweils richtige Messgröße und deren Einheit umgerechnet werden sollen, den Rest erledigt die Software für Sie und Sie erhalten die Messergebnisse automatisch in den von Ihnen vorgegebenen Einheiten und mit den

entsprechenden Umrechnungsfaktoren. Damit dabei allerdings keine Fehler auftreten, müssen Sie sich umso mehr darüber klar sein, welche Messgröße sie

eigentlich erfassen wollen und wie die Messwerte des Sensors in die jeweilige Messgröße umgerechnet werden. Zu Ihrer Erinnerung enthält eine (unvollständige) Auflistung von häufig in der Tierphysiologie vorkommender

Messgrößen und ihrer Einheiten.

Tabelle 1: Gebräuchliche Messgrößen in der Tierphysiologie

Messgröße Zeichen Einheit und Abkürzung

Mechanische Größen und Einheiten

Länge l,s,r Meter m

Masse m Kilogramm kg

Zeit t Sekunde s

Frequenz f Hertz Hz

Kraft F Newton N

Druck P Pascal Pa

Größen und Einheiten aus der Optik

Lichtstärke I Candela cd

Wellenlänge λ (lambda) Meter m

Elektrische Größen und Einheiten

Elektrische Ladung Q Coulomb C

elektr. Stromstärke I Ampere A

elektr. Spannung U Volt V

elektr. Widerstand R Ohm Ω

Größen und Einheiten aus der Wärmelehre

Temperatur T Kelvin K

Celsius-Temperatur t Grad Celsius °C

Energie und Leistung

Leistung P Watt W

Energie E Joule J

Größen und Einheiten aus der Chemie

Stoffmenge n Mol mol

... EIN PAAR WORTE ZUR HILFSEINHEIT BEL BZW. DEZIBEL

Häufig werden Messwerte in Bel (B) oder Dezibel (dB) angegeben. Das Dezibel

taucht in Tabelle 1 nicht auf, weil es lediglich eine Hilfseinheit ist, die das

Verhältnis zweier Signalpegel beschreibt. Es wird immer dann verwendet, wenn

Messwerte in Relation zu einem Referenzwert gemessen werden – das ist

beispielsweise bei Verstärkungs- oder Dämpfungsfaktoren zweckmäßig. Die

Hörschwelle, die Sie im Kursteil Psychophysik bestimmen werden, ist ein Beispiel

aus dem Kurs, in dem sie in dB messen werden. Ein Bel kennzeichnet den

dekadischen Logarithmus des Verhältnisses zweier gleichartiger Leistungs- bzw.

Energiegrößen P1 und P2, das Dezibel ist einfach der zehnte Teil eines Bels:

Da das dB eine logarithmische Größe ist, sollte man sich wieder ein wenig mit

den Rechenregeln vertraut machen, die beim dekadischen Logarithmus zum

Glück recht einfach sind:

10 dB entsprechen einem Verhältnis des Signals P2 zur Referenz P1 von 10:1.

Und weil

gilt, entspricht ein Signalpegel von -10 dB einem Zehntel des Referenzsignals.

Die Leistung eines Signals mit einem Pegel von 3dB ist deswegen ungefähr

doppelt so groß, wie die Referenz:

Zu beachten ist noch, dass Leistungs- bzw. Energiegrößen proportional zu den

Quadraten der einwirkenden Effektivwerte der betreffenden Feldgrößen sind (in

der Akustik wäre dies der Schalldruck; in der Elektrizität die Stromstärke oder

auch die Spannung).

Das trifft auf die von uns gemessenen Messgrößen (Spannungspegel oder

Schalldruck) zu; daher erweitern wir die Gleichung und formen um:

... aber dazu mehr im Psychophysik-Teil des Praktikums ...

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 9

DARSTELLUNG VON MESSERGEBNISSEN IN EINEM PROTOKOLL

Messwerte werden in einem Protokoll übersichtlich in Diagrammen oder Tabellen

dargestellt und zusätzlich im Textteil des Ergebnisteils verbal beschrieben.

Bei der Verwendung von Diagrammen sind folgende Dinge zu beachten:

Ein Diagramm kann nur dann vollständig sein, wenn an den Achsen die

richtigen Messgrößen angegeben sind (das gilt insbesondere auch in

Klausuren!). Hierbei können die Namen der Messgrößen, ihre gängigen

Formelzeichen (vergl. Tabelle 1) oder beides verwendet werden.

Bei Diagrammen, die gemessene Daten enthalten, sind die Achsen

zusätzlich mit Intervallmarken und Zahlenwerten zu beschriften. Die

Einheiten der Messgrößen müssen dann (in runden oder eckigen

Klammern) hinter die Bezeichnung der Messdaten gesetzt werden (vgl.

Abbildung 1). Diagramme, die dagegen lediglich schematisch einen

Zusammenhang zwischen zwei Größen veranschaulichen sollen, die aber

nicht auf gemessenen Daten beruhen, müssen keine Einheiten und

Zahlenwerte an den Achsen enthalten - außer, dieser Zahlenwert ist für

die vollständige Darstellung des Zusammenhangs der dargestellten Größen

notwendig (dies gilt z.B. oft für den Nullpunkt eines Diagramms).

Im Allgemeinen werden die Messgrößen so auf die Achsen des Diagramms

übertragen, dass „y von x abhängt“ und nicht umgekehrt - bei Dia-

grammen, die eine zeitliche Abfolge von Messwerten enthalten, wird daher

normalerweise die Zeit entlang der x-Achse dargestellt.

Vorsicht bei der Erstellung von Diagrammen in Excel oder ähnlichen

Programmen! Häufig ist die Funktion „Kurve glätten“ in der Grund-

einstellung des Grafik-Editors aktiviert, was zu „runderen“ Kurven-

verläufen führt, die zwar „harmonischer“ aussehen, die aber nicht die

tatsächlich gemessenen Werte darstellen. Die Verwendung derartiger

Funktionen sollte vermieden werden, oder, wenn überhaupt, nur unter

Angabe eines vernünftigen Grundes geschehen (meistens gibt es dafür

keinen ...)

Diagramme und Tabellen müssen Legenden enthalten, ähnlich denen, die Sie

unter den Abbildungen in diesem Kapitel finden. Eine Abbildungslegende soll den

Inhalt der Abbildung kurz beschreiben, ohne auf die Details einzugehen, diese

sollen im Text des Ergebnisteils beschrieben werden. Die in einer Abbildung

verwendeten Symbole und ihre Bedeutung müssen dagegen in der

Abbildungslegende angegeben sein.

... Und noch ein Hinweis: Die meisten Textverarbeitungsprogramme bieten

Funktionen an, mit denen Abbildungen unmittelbar nach dem Einfügen in das

Dokument beschriftet werden können. Bei der Erstellung der Abbildungs-

beschriftung vergeben diese Programme der Abbildung oder Tabelle auch gleich

eine laufende Nummer, auf die Sie aus dem Text quer verweisen können. Wenn

Sie danach noch weitere Abbildungen auf dieselbe Weise einfügen, so

aktualisieren diese Programme automatisch die Nummerierung der Abbildungen

und auch die Nummern in den entsprechenden Querverweisen im Text. Auf jede

Abbildung oder Tabelle muss sich übrigens mindestens ein Querverweis aus dem

Text beziehen.

Machen Sie sich bei der Erstellung Ihrer Protokolle am besten gleich mit den

Möglichkeiten vertraut, die Ihr bevorzugtes Textverarbeitungsprogramm bietet,

sie werden diese Funktionen später, z.B. bei der Abfassung Ihrer Bachelor- oder

Masterarbeit zu schätzen wissen

Möglichkeiten für Bioinformatik-Studierende in den

Neurowissenschaften

Für die Bioinformatik-Studierenden existieren zahlreiche Möglichkeiten, sich

näher mit Neurobiologie oder Neurowissenschaften an der Universität Tübingen

zu beschäftigen. Es sind hier an erster Stelle das Institut für Neurobiologie mit

den Professuren Neuroethologie, Tierphysiologie und Kognitive

Neurowissenschaften, das Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH) und

das Werner-Reichardt Zentrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) zu

nennen. Diese Einrichtungen bieten zahlreiche Lehrveranstaltungen (Vorlesungen

und Praktika) an, stellen Themen für das Anfertigen einer BSc oder MSc-Arbeit

zur Verfügung und bieten unter Umständen auch Möglichkeiten für eine

Dissertation.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 11

1. N E R V E N P H Y S I O L O G I E

EINFÜHRENDE BEMERKUNGEN

Nervensysteme sind aus einzelnen Nervenzellen

aufgebaut. Im Gegensatz zu vielen anderen

Körperzellen sind Nervenzellen erregbar, d. h. sie

antworten bei Depolarisation des Membranpotentials nach Überschreiten der

Feuerschwelle mit Aktionspotentialen, die im Axon (Nervenfaser) fortgeleitet

werden. Solche Depolarisationen werden in der biologischen Situation bei

Nervenzellen durch postsynaptische Potentiale im Bereich der Synapsen, bzw. bei

Sinnesrezeptoren durch die durch physikalische oder chemische Reize erzeugten

Rezeptorpotenziale ausgelöst. Im physiologischen Experiment können sie durch

elektrische Reize ausgelöst werden.

Einige Eigenschaften der Erregungsvorgänge bei Nervenzellen sollen in diesem

Versuchsabschnitt experimentell untersucht werden. Leider können Sie nicht -

was didaktisch besonders günstig wäre - am einzelnen Axon mit intrazellulärer

Ableittechnik arbeiten. Aus methodischen Gründen müssen wir einen Nerv mit

vielen Axonen (N. ischiadicus des Krallenfrosches) verwenden und extrazelluläre

Summenaktionspotenziale ableiten. Das Summenaktionspotenzial ist die

Resultierende aus allen extrazellulär messbaren Aktionspotenzialen der einzelnen

Axone in einem Nerv.

THEORETISCHE VORAUSSETZUNGEN

Folgende Kenntnisse aus dem Modul Tierphysiologie I und aus der Wirbel-

tieranatomie sind für eine erfolgreiche Durchführung des Kurses unerlässlich:

Neuroanatomie: Aufbau eines motorischen, eines sensorischen und eines

gemischten Nervs (afferente, efferente Fasern), Neuron, Soma, Dendrit,

Axon, Kollaterale, Synapse, myelinisierte und unmyelinisierte Axone,

Ranvier'scher Schnürring.

Ruhepotential: Intrazelluläre Potentialmessung, Ionenverteilung an der

Axonmembran, Na+- und K+-Gleichgewichtspotential, Leitfähigkeit

(Permeabilität) für Na+ und K+, Ionenpumpen, elektrisches Ersatzschaltbild

für die Entstehung des Ruhepotentials, Nernst- und Goldmann-Gleichung,

Veränderung des Ruhepotentials bei Änderung der Na+- und K+-

Konzentration.

Passive elektrische Eigenschaften der Nervenzelle: Ruhemembranwider-

stand, Membrankapazität, intrazellulärer Längswiderstand, Elektrotonische

(passive) Ausbreitung, Membranzeitkonstante, Membranlängskonstante,

lokale Antwort.

Na+/K+-Aktionspotential (AP): Zeitverlauf des APs, Erregungsschwelle,

Alles-oder-Nichts Regel, Permeabilität für Na+ und K+ während des APs,

schnelles Na+-System mit Inaktivierung, Hodgkin-Huxley Zyklus, relative

und absolute Refraktärzeit, Veränderung des APs bei Änderung der Na+-

und K+-Konzentration, Unterschied zwischen intrazellulär und extrazellulär

abgeleiteten APs.

Fortleitung des APs: Unterschied zwischen passiver und aktiver Erregungs-

fortleitung, Erregungsleitung an myelinisierten und unmyelinisierten

Axonen, Abhängigkeit der Leitungsgeschwindigkeit vom Axondurchmesser.

Summenaktionspotential (SAP): Unterschied zwischen dem AP einer Einzel-

faser und dem SAP eines Nervs, Form und Ableitung eines diphasischen

SAP, Beziehung zwischen Amplitude des SAP und Reizintensität.

Methodische Kenntnisse, die im Praktikum erworben werden sollen:

Verkabelung einer elektrophysiologischen Messapparatur, extrazelluläre Ab-

leitung eines Summenpotentials, Auswertung und Aufbereitung

elektrophysiologischer Daten.

LITERATUR

KANDEL/SCHWARZ/JESSEL: Neurowissenschaften, Spektrum

Hervorragend verständliche Zusammenfassung der gesamten

Neurowissenschaften mit Betonung der Verhältnisse beim Säuger.

SCHMIDT/THEWS/LANG: Einführung in die Physiologie des Menschen, Springer. -

- Hervorragendes Lehrbuch für die gesamte allgemeine Physiologie und die

Physiologie des Menschen. Leider ohne vergleichende tierphysiologische

Aspekte.

MOYES/SCHULTE: Principles of Animal Physiology, Pearson -Gibt guten Überblick.

Aufgrund der Kürze manchmal etwas schwer verständlich.

ECKERT/RANDALL: Animal Physiology, Freeman. -Gutes Lehrbuch für allgemeine

und vergleichende Physiologie. (Deutsche Übersetzung: Thieme)

MÜLLER: Tier- und Humanphysiologie, Springer -Gutes Lehrbuch für allgemeine

und vergleichende Physiologie

Weiterhin empfehlenswert (für Spezialisten):

ZIGMOND/BLOOM/LANDIS/ROBERTS/SQUIRE: Fundamental Neuroscience.

Modernes Standardwerk für angehende Neurobiologen mit Schwerpunkt

Physiologie und zelluläre Mechanismen.

KANDEL/SCHWARZ/JESSEL: Principles of Neural Sciences, 4th Edition. (2000)

Ebenfalls ein Standardwerk mit Schwerpunkt Säuger/Mensch. Achtung -

ältere Auflagen sind wirklich veraltet!

PRÄPARIERBESTECK

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 13

1 spitze Pinzette

1 feine spitze Schere

1 größere Schere

1 feine Schere

VERSUCHE

1. Passive Eigenschaften der Nervenzellmembran

Modell der passiven Eigenschaften der Nervenmembran

Dieser Versuchsteil dient dem Kennenlernen der Ableitmethode und der Messung

von passiven Membraneigenschaften einer Nervenzelle.

Die Messungen werden an einem Modell der Nervenzellmembran (Kette von RC-

Gliedern) durchgeführt. Jedes Glied dieser Kette repräsentiert einen kleinen

Membranabschnitt mit Membranwiderstand und Membrankapazität. Die einzelnen

Glieder sind durch den Innenwiderstand der "Intrazellulärflüssigkeit" verbunden.

Der Außenwiderstand der Extrazellulärflüssigkeit wird als sehr klein angenom-

men. An diesem Modell sollen Sie die Membranzeitkonstante und die Membran-

längskonstante messen.

2. Versuchsdurchführung

Öffnen Sie in Chart den File „Membranmodell.adiset“. Verbinden Sie den

Stimulusausgang des Powerlabs mit dem Eingang des Membranmodells.

Verbinden Sie außerdem den Stimulusausgang mit dem Kanal 1 des Powerlabs.

Verbinden Sie die Ableitelektroden mit Kanal 2 des Powerlabs. Stellen Sie in

Chart im Stimulator Panel eine Reizamplitude von 5 V und eine Reizdauer von

200 ms ein.

Abb. 1: Versuchsaufbau Membranmodell

2.1 Registrieren Sie den Spannungsverlauf, der sich an den verschiedenen

Messpunkten des Modells ergibt und notieren Sie die Amplitudenwerte in einer

Tabelle. Beschreiben Sie die charakteristischen Unterschiede.

2.2 Ermitteln Sie aus der Maximalamplitude an den verschiedenen Messpunkten

die Längskonstante des Modells, indem sie in einem Diagramm die

Maximalamplituden über die Entfernung vom Reizort auftragen (Modell aus-

messen!). Wie könnte die Längskonstante verändert werden?

2.3 Welche Reizstärke müssten Sie mindestens am Reizgerät einstellen um an

den einzelnen Messpunkten jeweils ein Aktionspotential auszulösen, wenn man

einen Schwellenwert von 0,4 V annimmt?

2.4 Bestimmen Sie die Zeitkonstante des Spannungsverlaufs am ersten

Messpunkt nach dem Reizort und speichern Sie den Verlauf für Ihr Protokoll als

pdf. Vergleichen Sie diesen Wert mit den Membranzeitkonstanten, die bei

Nervenzellmembranen auftreten. Wie sieht der Spannungsverlauf der Antwort

am letzten Messpunkt aus? Speichern Sie diesen Spannungsverlauf zum

Vergleich ebenfalls (passen Sie die Skalierung der Y-Achse so an, dass beide

Signale ungefähr gleich groß dargestellt werden).

2.5 Diskutieren Sie die Auswirkungen der Zeitkonstante auf die Geschwindigkeit

der Erregungsleitung und auf die Erregungsleitung von sehr kurzen Signalen

(z.B. 2 ms Reizdauer).

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 15

ABLEITUNG EINES SUMMENAKTIONSPOTENTIALS (SAP)

Präparation des Nervus ischiadicus

- wird vom Kursbetreuer durchgeführt

Ein Frosch wird mit einer Guillotine dekapitiert und sein Rückenmark durch

Einführen einer Sonde in den Rückenmarkskanal zerstört. Anschließend wird das

Präparat enthäutet und mit Ringerlösung abgespült. Nach diesem Arbeitsgang

sollten auch alle Instrumente und die Hände sorgfältig gereinigt werden, um das

giftige Hautsekret zu entfernen.

Die Bauchhöhle des Frosches wird geöffnet und die Eingeweide entnommen.

Die beiden nun freiliegenden Ischiadicus-Nerven werden mit einem Bindfaden

abgebunden. Dazu wird vorsichtig eine kleine Pinzette unter einen Ischiadicus

kurz hinter seinem Austritt aus dem Wirbelkanal durchgeschoben und ein mit

Ringerlösung angefeuchteter Zwirnfaden unter dem Nerv durchgezogen und fest

um den Nerv geknotet. Das kürzere Ende des Fadens wird dicht am Knoten

abgeschnitten, das andere Ende dient später als Haltegriff. Die Nerven werden

nun proximal vom Knoten mit einer kleinen Schere durchtrennt und bis zum

Eintritt in den Oberschenkel freipräpariert. Nun wird das Becken durch einen

Schnitt in der Medianebene halbiert. Jede Gruppe führt nun an einem der beiden

Froschbeine die Präparation fort.

- weitere Präparation wird von den Praktikanten durchgeführt

Ein isolierter Nerv ist ein lebendes und sehr empfindliches Gewebe; er sollte

daher schonend behandelt werden. Dehnen Sie oder fassen Sie den Nerv niemals

mit den Fingern oder einer Pinzette an.

Die dorsale Oberschenkelmuskulatur wird nun mit den Daumen auseinan-

dergedrückt bis der Nerv sichtbar wird. Präparieren Sie den Nerv über die ganze

Länge des Oberschenkels von Blutgefäßen und Bindegewebe frei. Beim Anheben

des Nervs mit dem Haltefaden (nicht dehnen!) können seitlich abgehende

Nervenäste mit einer kleinen Schere durchtrennt werden. Durchtrennen Sie

Kollaterale direkt am Nerv, indem Sie vom Nerv weg schneiden. Beim

Abschneiden sollte die Schere vom Nerv weg weisen. Entfernen Sie mit einer

Pinzette alle restlichen Bindegewebskontakte.

Wenn Sie am Kniegelenk angelangt sind, durchtrennen Sie den Nerv und legen

Sie ihn in eine Petrischale mit Ringerlösung. Den Rest des Froschbeines legen Sie

bitte in eine Präparierschale, decken es mit ringer-feuchtem Filtrierpapier ab und

stellen es in den Kühlschrank. Eventuell kann es von den Studenten des "Muskel-

Versuches" noch als Ersatzpräparat verwendet werden.

Versuchsaufbau Ableitapparatur

Verkabeln Sie den Versuchsaufbau. Eine nahezu detailgetreue Wiedergabe der

Verschaltung finden Sie in der folgenden Abb.1 "Versuchsaufbau Nerv".

Verbinden Sie dabei die Reizelektroden mit der Ableitkammer so, dass die

Kathode (schwarze Buchse) benachbart zu den Ableitelektroden liegt (warum?).

Abb. 2: Versuchsaufbau Nerv

3. Messung des Reizartefakts

Öffnen Sie in Chart den File „Reizamplitude.adiset“. Wählen Sie im Stimulator

Panel eine Reizamplitude von ca.3 V und eine Reizdauer von 200µs. Legen Sie

einen mit Ringerlösung befeuchteten Faden über die Elektroden der Ableit-

kammer und reizen Sie mit Einzelreizen. Speichern Sie das abgeleitete Signal für

Ihr Protokoll. Wie lässt sich dieses erklären?

4. Ableitung eines fortgeleiteten diphasischen Summenaktionspotentials

bei unterschiedlichen Reizstärken

Ein Summenaktionspotential (SAP) entsteht bei synchroner Erregung mehrerer

oder sämtlicher Axone eines Nervs. Die Ableitung erfolgt extrazellulär. Gemessen

wird die Summe aller extrazellulär abgeleiteten Aktionspotenziale der einzelnen

Axone im Nerv. Der N. ischiaticus setzt sich aus unterschiedlichen Fasertypen

zusammen. Da diese unterschiedliche Leitungsgeschwindigkeiten besitzen, hängt

die Form des SAPs von Abstand zwischen Reiz- und Ableitelektroden, als auch

vom Abstand zwischen den Ableitelektroden ab. Die Amplitude des SAPs hängt

von der Anzahl und Dicke der erregten Axone ab. Je höher die Reizamplitude,

desto mehr Axone werden erregt und desto höher ist die gemessene Amplitude

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 17

des SAPs. Bei der Reizamplitude unterscheidet man zwischen der Schwellen-

reizstärke (kleinste Reizamplitude, die eben noch ein messbares SAP auslöst)

und der Maximalreizstärke (Reizamplitude, ab der eine weitere Vergrößerung

keine Zunahme der SAP-Amplitude bewirkt).

Versuchsdurchführung und Auswertung:

Bevor der Nerv jeweils für eine Messreihe in die Ableitkammer quer über die

Reiz- und Messelektroden gelegt wird, müssen Sie sich über die gesamte

Aufgabe klar geworden sein und alle Einstellungen richtig vorgenommmen

haben. Erst dann wird der Nerv platziert, eine Messreihe zügig durchgemessen,

und dann der Nerv in die Ringerlösung zurückgelegt. Zwischen zwei Messreihen –

jedoch nie innerhalb einer Messreihe – kann der Nerv auch mit Ringerlösung

beträufelt werden. Das Beträufeln mit Ringerlösung, das Bewegen des Nervs auf

den Elektroden, sowie das Antrocknen des Nervs bei langen Messzeiten

verändern die Ableitbedingungen und somit die Messergebnisse innerhalb einer

Messreihe!

4.1 Darstellung eines SAPs:

Wählen Sie im Stimulator Panel eine Reizamplitude von ca.3 V. Platzieren Sie

nun das Präparat und stellen Sie ein typisches SAP dar, das Sie für Ihr Protokoll

abspeichern. Verändern Sie nun den Abstand zwischen den Reiz- und den

Ableitelektroden sowie zwischen den Ableitelektroden. Wie verändern sich die

Form und die Amplitude des SAPs? Erklären Sie Ihre Beobachtungen.

4.2 Abhängigkeit der SAP Amplitude von der Reizstärke:

Stecken Sie nun die Ableitelektroden reizortnah in die Ableitkammer, stellen Sie

die Reizamplitude auf 10 mV und erhöhen schrittweise langsam die

Reizamplitude. Messen Sie die Amplitude des SAPs in Abhängigkeit von der

Reizamplitude und tragen Sie die Werte in eine Tabelle ein. Achtung: der

Differenzverstärker verstärkt die Signale um den Faktor 100. Erstellen Sie ein

Diagramm über die Zunahme der SAP-Amplitude in Abhängigkeit von der

Reizamplitude. Bestimmen sie die Minimal- und Maximalreizstärke.

5. Bestimmung der Geschwindigkeit der Erregungsleitung

In diesem Experiment sollen Sie feststellen, wie groß die Geschwindigkeit ist, mit

der Aktionspotentiale im Froschnerv weitergeleitet werden.

Das Prinzip der Geschwindigkeitsmessung besteht darin, dass das vom Reiz

ausgelöste SAP einmal nahe am Reizort und einmal in einem weiteren Abstand

vom Reizort registriert wird. Aus dem Abstand zwischen den beiden

Ableitelektrodenpaaren (s) und dem ermittelten Zeitunterschied (∆t) zwischen

den abgeleiteten SAPs kann die Leitungsgeschwindigkeit (v) errechnet werden

(v=Δs/Δt). Die Reizung sollte mit der Maximalreizstärke erfolgen.

Durchführung und Auswertung:

5.1 Leiten Sie mit einer Serie von Einzelreizen erst das SAP an reiznahen

Ableitelektroden ab. Stecken Sie die Ableitelektroden in eine reizfernere Position

um und wiederholen Sie die Messung. Die Elektrodenpaare sollten bei diesem

Versuch möglichst weit auseinander stehen, um die Länge des Nervs maximal zu

nutzen.

5.2 Bestimmen Sie die Zeitdifferenz zwischen den beiden SAP-Gipfeln und den

Abstand zwischen den beiden Ableitelektrodenpaaren. Errechnen Sie daraus die

Leitungsgeschwindigkeit in m/s.

5.3 Vergleichen Sie Ihre Werte mit den Literaturwerten für die verschiedenen

Fasertypen des Froschnervs.

6. Bestimmung der Refraktärzeit beim Froschnerv

Die Refraktärzeit eines Nervs ist die Zeitspanne, in der er während und nach

einer Erregung überhaupt nicht (absolute Refraktärzeit) oder aber nur mit

höheren Reizamplituden (relative Refraktärzeit) erneut erregt werden kann bzw.

in der bei gleicher Reizamplitude die Amplitude des zweiten SAPs kleiner ist. Zum

Nachweis dieses Phänomens werden zwei Reize benötigt, deren zeitlicher

Abstand variiert werden kann. Mit dem zweiten Reiz wird das refraktäre

Verhalten des Nervs nach dem ersten Reiz bestimmt.

Durchführung und Auswertung:

6.1 Stecken Sie die Ableitelektroden in eine reizferne Position. Öffnen Sie in

Chart die Datei „Refraktärzeit.adiset“. Wählen Sie eine Reizstärke nahe der

Maximalreizstärke. Beginnen Sie bei einem Reizabstand von 5 ms und reduzieren

Sie diesen kontinuierlich. Registrieren Sie beide SAP-Antworten auf den

Doppelreiz und messen Sie die Amplituden des zweiten SAPs. Tragen Sie die

Werte in Abhängigkeit vom Doppelreizabstand in eine Tabelle ein.

6.2 Speichern sie Sie einige repräsentative Messungen für Ihr Protokoll.

6.3 Zeichnen Sie ein Diagramm der Amplitude des zweiten SAPs in Abhängigkeit

vom Doppelreizabstand. Bestimmen Sie aus dieser Messreihe die absolute und

relative Refraktärzeit.

6.4 Überlegen Sie, welche maximale Reizfrequenz der vorliegende Froschnerv

ohne Ausfall von Aktionspotentialen beantworten kann. Bedenken Sie, wie sich

bei einem SAP der Ausfall von Aktionspotentialen einzelner Axone äußert.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 19

7. Unterbrechung der Erregungsleitung

Ein diphasisches SAP kommt durch Wandern der Erregungswelle entlang der

Axone über zwei Ableitelektroden hinweg zustande. Zuerst wird die erste

Elektrode und dann die zweite Elektrode negativ gegenüber der jeweils anderen.

Wird die Erregungsleitung zwischen den beiden Ableitelektroden unterbrochen,

sollte das diphasische SAP in ein monophasisches SAP umgewandelt werden.

Durchführung und Auswertung:

7.1 Öffnen Sie wieder die Datei „Reizamplitude. adiset“. Reizen Sie wieder mit

einer Amplitude von 3 V und leiten Sie zuerst ein diphasisches SAP ab.

Quetschen Sie dann den Nerv zwischen den beiden Ableitelektroden ab, ohne

dessen Lage zu verändern. Leiten Sie erneut ein SAP ab. Speichern Sie beide

Ableitungen für Ihr Protokoll

7.2 Welche Unterschiede bestehen zwischen einem diphasischen und einem

monophasischen SAP?

Wie lässt sich die Form des diphasischen SAP aus den monophasischen SAPs

erklären?

Bestimmen Sie die Dauer des monophasichen und des diphasischen SAPs.

Wodurch wird die Dauer dieser Potentiale beeinflusst?

Überprüfen Sie, ob das SAP mehrere Gipfel (Schultern) aufweist, und versuchen

Sie solche Gipfel zu erklären.

8. Leitungsanästhesie am peripheren Nerv

Sprechen Sie sich untereinander so ab, dass eine Teilgruppe mit ihrem Präparat

Versuch 8, die andere Versuch 9 durchführt. Vergleichen Sie danach Ihre

Ergebnisse.

Die meisten von Ihnen haben schon einmal die angenehme Wirkung einer

örtlichen Betäubung (Lokalanästhesie) verspürt. Die dabei verwendeten

Lokalanästhetika sind Medikamente, die eine reversible Blockade der

Nervenleitung bewirken. Sie wirken nicht schlagartig, sondern es wird eine

gewisse Zeit benötigt, bis ihre Wirkung eintritt. Dies liegt daran, dass die

verschiedenen Fasern eines gemischten Nervenstammes nicht alle zur selben

Zeit vom Lokalanästhetikum erfasst werden. Seit den dreißiger Jahren wird als

Lokalanästhetikum das von Ihnen hier im Praktikum benutzte Xylocain

(Wirkstoff: Lidocain) verwendet, ein Abkömmling des Kokains.

Durchführung und Auswertung:

8.1 Öffnen Sie die Datei „Reizamplitude.adiset“. Wählen Sie als Reizamplitude

wieder eine Wert um die Maximalreizamplitude und machen Sie eine

Kontrollmessung.

8.2 Besprühen Sie den Nerv in der Ableitkamammer im Bereich zwischen Reiz -

und Ableitelektroden mit Xylocain und beginnen sie dann sofort mit den

Messungen. Reizen Sie das Präparat mit Einzelreizen von gleicher Reizamplitude

im Abstand von 30 s und messen Sie die SAP-Amplitude aus. Setzen Sie die

Messung fort, bis kein SAP mehr ausgelöst werden kann. Falls sich nach 2 min.

noch kein Amplitudenabfall des SAPs zeigt, sprühen Sie erneut Xylocain auf und

wiederholen die Messung. Speichern Sie die Messungen für Ihr Protokoll.

8.3 Erstellen Sie ein Diagramm der SAP-Amplitude als Funktion der Zeit vor und

während der Xylocaineinwirkung. Worauf beruht die Wirkung von Xylocain? Wie

lange dauert es bis Xylocain den Nerv vollständig betäubt hat?

9. Betäubung eines Nervs mit Äther

Durchführung und Auswertung:

9.1 Öffnen Sie die Datei „Reizamplitude.adiset“ . Wählen Sie als Reizamplitude

wieder eine Wert um die Maximalreizamplitude und machen Sie eine

Kontrollmessung.

9.2 Legen Sie ein Stück Filterpapier zwischen Kammer und Abdeckplatte, das mit

etwas Äther getränkt wurde (feucht, aber nicht tropfend). Beginnen Sie sofort

mit der Messung. Reizen Sie das Präparat mit Einzelreizen von gleicher

Reizamplitude im Abstand von 10 s.. Setzen Sie die Messung fort, bis kein SAP

mehr ausgelöst werden kann. Entfernen Sie anschließend das Filterpapier und

legen Sie es unter den Abzug.

Warten Sie nun einige Minuten. Meistens kann man, im Gegensatz zur Lidocain-

Betäubung, eine Erholung des Nervs beobachten (Warum?). Messen Sie die SAP-

Amplituden aus und speichern Sie die Registrierungen für Ihr Protokoll.

9.2 Zeichnen Sie ein Diagramm der SAP-Amplitude als Funktion der Zeit vor und

während der Äthereinwirkung. Wie lange dauert es, bis Äther den Nerv voll-

ständig betäubt hat?

9.3 Worauf beruht die Wirkung von Äther?

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 21

ERFOLGSKONTROLLE

Nach diesem Praktikumsteil sollten Sie in der Lage sein:

den Aufbau eines peripheren Nervs am Beispiel des Nervus ischiadicus zu

beschreiben,

die nacheinander ablaufenden Vorgänge von der synaptischen Reizung

eines Motoneurons, passiver Fortleitung im Dendriten, Auslösen eines

Aktionspotentials, aktiver Fortleitung im (myelinisierten) Axon, bis hin zur

synaptischen Übertragung an der motorischen Endplatte zu erläutern,

Den Unterschiede zwischen aktiver und passiver Erregungsleitung

erläutern können

die Bedeutung der Längs- und Zeitkonstante bei der elektrotonischen

Erregungsausbreitung zu erklären,

den Zusammenhang zwischen Axondurchmesser und Leitungsge-

schwindigkeit zu beschreiben,

zu erläutern, warum die Form und die Amplitude von den Ableit-

bedingungen abhängt

den Unterschied zwischen einem AP und einem SAP zu erklären,

den Entstehungsmechanismus des diphasischen SAPs zu erklären,

die Größenordnung der Amplitude eines vom Froschnerv abgeleiteten SAPs

anzugeben,

die ungefähre Dauer eines mono- und diphasischen SAPs anzugeben,

eine Methode zur Umwandlung eines diphasischen in ein monophasisches

SAP erklären zu können,

anzugeben, wie man die Nervenleitungsgeschwindigkeit bestimmt,

die Leitungsgeschwindigkeit der schnellen Fasern bei Frosch und Mensch

anzugeben,

zu erklären, weshalb das SAP in der relativen Refraktärphase kleiner wird,

die Dauer der absoluten und relativen Refraktärphase am Froschnerv zu

nennen,

die Ursache der relativen und absoluten Refraktärzeit zu nennen,

den Versuchsaufbau zu skizzieren,

die Versuchsapparatur selbständig zu verschalten

und die in Ihrem Protokoll aufgeführten Kurven zu skizzieren.

2. M U S K E L P H Y S I O L O G I E

EINFÜHRENDE BEMERKUNGEN

In diesem Versuch sollen grundlegende Eigenschaften von zwei

Vertebratenmuskeln, dem quergestreiften Skelettmuskel von Frosch und Mensch

und dem Herzmuskel des Frosches, besprochen und experimentell erarbeitet

werden. Im Mittelpunkt der theoretischen Vorbereitung auf den Versuch steht die

vergleichende Betrachtung der physiologischen Eigenschaften bei der

Erregungsentstehung und Erregungsfortleitung der beiden Muskelarten. Im

praktischen Teil dieses Versuchs sollen bei der Skelettmuskulatur die

elektromechanischen Eigenschaften anhand des Kontraktionsverhaltens von

Krallenfrosch-Präparaten sowie durch die Registrierung des Elektromyogramms

(EMG) eines menschlichen Handmuskels untersucht werden. Am Vertebraten-

Herz sollen Versuche zur Pharmakologie der Regulation des Herzschlages

exemplarisch durch die Applikation verschiedener Pharmaka auf ein

Krallenfrosch-Präparat untersucht werden

THEORETISCHE VORAUSSETZUNGEN

Folgende Kenntnisse aus der Vorlesung "Einführung in die Tierphysiologie" und

aus der Wirbeltieranatomie sind für eine erfolgreiche Durchführung des Kurses

unerlässlich:

Anatomie: Hierarchischer Aufbau von der organischen zur subzellulären Ebene.

Quergestreifte Muskelfasern mit motorischer Endplatte, Sarkolemm,

Myofibrillen, transversale Tubuli (T-System), longitudinale Tubuli

(sarkoplasmatisches Retikulum), Sarkomer, Z-Scheibe, A- und I-Bande, H-

Zone, Actin, Myosin, Tropomyosin, Troponin.

Neuromuskuläre Endplatte: Bau, Endplattenpotenzial, Transmitterwirkung,

Abbau des Acetylcholins, synaptische Latenz, neuromuskuläre Blockade,

Elektroplaques (Elektrozyten), Entstehung und Weiterleitung des

Aktionspotenzials.

Molekulare Mechanismen der Kontraktion: elektromechanische Kopplung,

Muskelaktionspotenzial, Verkürzung der Sarkomere, Querbrücken, Rolle der

Ca++-Ionen, ATP, Calciumpumpe, Erregungsleitung, neurogener Tonus,

myogener Tonus, oxidativer und glykolytischer Energiegeumsatz, muskuläre

Ermüdung.

Wirkung elektrischer Reize: Elektrotonus, anodische und kathodische

Reizung, Depolarisation, Hyperpolarisation.

Elektromyogramm (EMG): Entstehung, Motoneuron, motorische Einheit,

Muskelfasertypen, Rekrutierung, Adduktion, Abduktion, Flexion, Extension.

Mechanik: Regulation der Muskelkraft, Summation und Rekrutierung, un-

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 23

vollständiger und vollständiger Tetanus, isometrische, isotonische,

auxotonische Kontraktion.

Anatomie: Kreislaufsystem bei Amphibien (Frosch) und bei Säugern (Mensch),

Bau von Amphibien- und Säugerherz, sympathische und parasympathische

Innervation des Säugerherzens, Morphologie der Herzmuskelzellen

Erregungsentstehung und –weiterleitung: Autorhythmische Zentren,

Mechanismus und Strukturen der Erregungsentstehung und –weiterleitung:

Sinusknoten, Atrioventrikularknoten. Erregungsleitende Strukturen, Unterschied

zwischen myogenem und neurogenem Herzen, Form der Aktionspotenziale der

Schrittmacherzellen und des Arbeitsmyokards, Refraktärzeit, Sympathikus- und

Parasympathikuseinwirkung, Pharmakologie der Herz-Innervation, elektro-

mechanische Kopplung, Nicht-Tetanisierbarkeit des Herzens, EKG lesen und

interpretieren.

Mechanik der Herzkontraktion: Systole, Diastole, Herzklappentätigkeit,

Druck-Volumen-Diagramm, Abhängigkeit des Herzminutenvolumens von Sym-

pathikus- und Vaguseinwirkung, Extrasystole, kompensatorische Pause.

Methodische Kenntnisse, die im Praktikum erworben werden sollen:

Herstellen eines Nerv-Muskelpräparates des M. gastrocnemius des Krallen-

frosches. Bedienen eines elektrischen Reizgerätes. Registrieren der Skelett-

muskelkontraktionen (Mechanogramme) mit Biegestabtransducern. Eichung der

Messapparatur. Umrechnung der Messwerte des Transducers in Kontraktions-

kräfte anhand der Kennlinie des Transducers. Registrieren des EMGs eines Hand-

muskels. Darstellen der Signale mittels Oszilloskop (Speichern, Triggern,

Bestimmen von Signalamplitude, Signaldauer und Signalfrequenz) sowie die

Dokumentation der Signale über den angeschlossenen Grafik-Drucker.

LITERATUR

SCHMIDT/THEWS/LANG: Einführung in die Physiologie des Menschen, Springer. -

- Hervorragendes Lehrbuch für die gesamte allgemeine Physiologie und die

Physiologie des Menschen. Leider ohne vergleichende tierphysiologische

Aspekte.

ECKERT/RANDALL: Animal Physiology, Freeman. --Gutes Lehrbuch für allgemeine

und vergleichende Physiologie. (Deutsche Übersetzung: Thieme)

MÜLLER: Tier- und Humanphysiologie, Springer --Gutes Lehrbuch für allgemeine

und vergleichende Physiologie

PENZLIN: Lehrbuch der Tierphysiologie, Elsevier, Spektrum, Akad. Verl.

Umfassendes Lehrbuch für allgemeine und vergleichende Physiologie

PRÄPARIERBESTECK

2 feine Pinzetten (wichtig)

1 feine spitze Schere (wichtig)

1 größere Schere

VERSUCHSTEIL I:

PHYSIOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN AN DER SKELETTMUSKULATUR

Versuchsaufbau:

Machen Sie sich zunächst mit der Versuchsapparatur vertraut und verkabeln

Sie diese richtig, damit sofort nach Fertigstellung der Präparation mit den

Messungen begonnen werden kann. Eine nahezu detailgetreue Wiedergabe der

Verschaltung finden Sie in Abbildung 1.

Wenn Sie sich versichert haben, dass alle Geräte richtig angeschlossen und

eingeschaltet sind, starten Sie auf Ihrem Computer das Programm „Chart“. Die

Abbildung1: Schema des Versuchsaufbaus für die Experimente am Froschmuskel

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 25

Grundeinstellungen für das Muskelexperiment können Sie jetzt aus einer

vorbereiteten Konfigurationsdatei laden

(Hauptmenü: File/Open).

Die Konfigurationsdatei für Ihren Kurs befindet sich dann im Ordner:

Ihr_Username\WahrnehmungPsychophysik\

Kalibrierung der Messanordnung:

Zunächst müssen Sie Ihre Messapparatur eichen: Wie bereits in Kapitel 1

beschrieben wurde, müssen Sie dafür sorgen, dass die gemessenen

Spannungswerte des Biegestabtransducers [mV] in die entsprechenden Kräfte

[N] umgerechnet werden, die auf ihn einwirken. Gehen Sie dabei

folgendermaßen vor:

Kalibrierung Channel 1:

Suchen Sie sich aus den Ihnen zur Verfügung stehenden Gewichten zwei

verschiedene im Bereich zwischen 20 und 200 g aus und hängen Sie diese

nacheinander an den Transducer. Starten Sie die Messung in Kanal 1. Wenn das

Gewicht an den Biegestabtransducer hängt, können Sie den Spannungswert des

Transducers (in mV) links neben dem Anzeigefeld ablesen. Gewicht und

Spannung werden notiert. Beachten Sie dabei, dass Sie die Masse der Gewichte

[g] noch in die entsprechende Gewichtskraft [N] umrechnen müssen! Jetzt haben

Sie zwei Wertepaare, die die Eichgerade ihres Transducers genau festlegen.

Um diese Werte in das Chart-Programm einzugeben, klicken Sie nun auf die

Schaltfläche Channel1.

Wählen Sie dann im Drop-Down-Menü den Punkt

Units Conversion

aus und tragen Sie die gerade gemessenen Wertepaare dort ein:

Die Einheit mV setzt das Programm selber in das jeweils erste Editfenster

ein. Anschließend wählen Sie noch die Einheit aus, die an der y-Achse stehen

soll (N) und die Anzahl der anzuzeigenden Nachkommastellen.

Weitere Einstellungen, die Sie überprüfen sollten:

→ Input Amplifier auswählen, als Range 50mV und als Low Pass Frequenz

100 Hz einstellen.

→ Arithmetic auswählen, als unit „N“ eintragen

Damit ist die Eichung für Channel1 abgeschlossen.

Hinweis: Diese Art von Eichung, die mit nur zwei Messpunkten

auskommt, ist nur dann zulässig, wenn Sie davon ausgehen können, dass

der Messwertaufnehmer eine lineare Kennlinie hat, was auf den

Biegestabtransducer zutrifft, aber keineswegs immer der Fall ist ...

Kalibrierung Channel 2:

Am Channel 2, über den der Muskel stimuliert werden soll, sollten Sie

ebenfalls kurz das Input Amplifier Fenster auswählen und dort eventuell

eingeschaltete Low Pass bzw. High Pass Einstellungen löschen, also auf off

stellen. Da Sie mit elektrischen Impulsen reizen werden, können Sie die anderen

Einstellungen für diesen Kanal in der Grundeinstellung belassen.

PRÄPARATION DES NERV-SKELETTMUSKEL-PRÄPARATES

wird vom Kursbetreuer durchgeführt

Ein Krallenfrosch (Xenopus spec.) wird mit einer Guillotine dekapitiert und

das Rückenmark durch Einführen einer Sonde in den Rückenmarkskanal zerstört.

Anschließend wird der Frosch enthäutet und der Körper mit Ringerlösung

abgespült. Nach diesem Arbeitsgang sollten auch alle Instrumente und die Hände

sorgfältig gereinigt werden, um das giftige Hautsekret zu entfernen.

Weitere Präparation des Nerv-Muskel-Präparates

Öffnen Sie die Bauchhöhle und entfernen Sie die Eingeweide. Suchen Sie

zunächst den Ischiadicus-Nerv, und knoten Sie an den beiden Nervenstümpfe

möglichst nah am Rückenmark einen Bindfaden an. Schieben Sie dazu vorsichtig

eine kleine, stumpfe oder gebogene Pinzette unter den Ischiadicus kurz hinter

seinem Austritt aus dem Wirbelkanal. Ziehen Sie einen mit Froschringer

angefeuchteten Zwirnsfaden mit der Pinzette unter dem Nerven durch. Knoten

Sie den Faden fest um den Nerv, und schneiden Sie vorsichtig das kürzere Ende

des Fadens dicht am Knoten ab. Der Faden dient später als Haltegriff. Dehnen

Sie oder fassen Sie den Nerven niemals mit den Fingern oder einer Pinzette an.

Durchtrennen Sie den Nerven proximal vom Knoten mit einer kleinen Schere.

Heben Sie den Ischiadicus mit Hilfe des Fadens an, ohne ihn zu dehnen.

Entfernen Sie mit einer kleinen Schere alle restlichen Bindegewebs-Kontakte,

und durchtrennen Sie Kollaterale direkt am Nerven, indem Sie vom Nerven weg

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 27

schneiden. Legen Sie den Nerven auf den zugehörigen Oberschenkel zurück.

Verfahren Sie nun in gleicher Weise auf der anderen Seite.

Nun können Sie Ober- und Unterkörper des Frosches nach Anweisung des

Kursleiters trennen: Den Oberkörper erhält die Gruppe, die den Herz-Versuch

durchführt, Sie fahren mit der Präparation der Beine fort, indem Sie das Becken

durch einen Schnitt in der Medianebene ebenfalls in Absprache mit dem

Kursbetreuer halbieren. Jede Gruppe fährt nun mit der Präparation eines Beines

fort.

Die dorsale Oberschenkelmuskulatur wird nun mit den Daumen

auseinandergedrückt, bis der Nerv sichtbar wird. Präparieren Sie den Nerven

über die ganze Länge des Oberschenkels von Blutgefäßen und Bindegewebe frei.

Beim Anheben des Nervs mit dem Haltefaden (nicht dehnen!) können seitlich

abgehende Nervenäste mit einer kleinen Schere durchtrennt werden. Beim

Abschneiden sollte die Schere wieder vom Nerven wegweisen. Wenn Sie am

Kniegelenk angelangt sind, wenden Sie sich zunächst dem M. gastrocnemius zu:

Einen Faden unter der Achillessehne durchziehen und diese sehr fest anbinden.

Die Sehne distal des Sesambeines durchschneiden. Den M. gastrocnemius mit

dem Faden sehr vorsichtig anheben und bis zum Ansatz am Femurstumpf vom

Unterschenkel ablösen. Dann den Unterschenkel um etwa die Hälfte kürzen und

die Tibia mit den restlichen Muskeln abschneiden. Weiterhin präparieren Sie alle

Oberschenkelmuskeln bis zum Kniegelenk ab und schneiden den Femur in

Beckennähe mit einer scharfen Schere durch, so dass ein ca. 1-2 cm langer

Femurstumpf übrigbleibt.

Das Nerv-Muskel-Präparat muss während des ganzen Versuchs mit

Ringerlösung feucht gehalten werden!!

1. Kontraktionsverhalten des M. gastrocnemius des Frosches

Das Nerv-Muskel-Präparat wird mit dem Femurstumpf in die Knochenklemme

eingespannt und mit dem an der Achillessehne befestigten Fadenstück an einem

Biegestabtransducer befestigt. Der Nervenstumpf wird vorsichtig über die

Reizelektroden gelegt (Kathode muskelnah). Das Präparat, vor allem der Nerv,

muss fortwährend mit Ringer feucht gehalten werden. Wenn gerade keine

Messungen durchgeführt werden, kann der Nerv an den Muskel angelegt werden,

um ihn vor dem Austrocknen zu schützen.

Richten Sie das Präparat mit dem Feintrieb des Stativs so ein, dass der Faden

gerade eben gespannt ist. Lesen Sie am Kanal 1 einen eventuell vorhandenen

Offset (ca 0.2 bis 0.5N) ab und kompensieren Sie diesen Offset unter

Zuhilfenahme der Funktionen, die Ihnen im Menüpunkt Arithmetic zur

Verfügung stehen

Hinweis: Da das Muskelpräparat sich im Laufe des Kurses verändern kann,

ist es möglich, dass sie diese Offsetkompensation öfters während des Kurses

wiederholen müssen.

Versuch 1.1: Abhängigkeit der Kontraktionskraft von der Reizamplitude.

Rufen Sie die

Stimulatorfunktion von

PowerLab auf

(Setup/Stimulate ...).

Das Fenster ist mehr oder

weniger selbst erklärend.

Stellen Sie zunächst

Einzelreizungen mit 0.2 ms

Reizdauer und einer

Amplitude von 10mV ein.

Achten Sie darauf, dass die

Stimulatorfunktion auf „On“

steht

Hinweis: Während der Messung können Sie sich im sog. Stimulatorpanel

eine Kurzform der Stimulatoreinstellungen anzeigen lassen.

Menü: Setup/Stimulator Panel.

Die Stimulatorfunktion kann nur bei laufender Messung („Start“) genutzt

werden.

Durchführung und Auswertung:

Bestimmen Sie, ausgehend von 10mV die Reizamplitude, bei der Einzelreize

den Muskel gerade zur Kontraktion bringen (=Minimalreizamplitude). Erhöhen

Sie dann stufenweise die Reizamplitude, bis durch weitere Erhöhung der

Reizamplitude keine weitere Steigerung der Kontraktionskraft mehr erzielt wird

(=Maximalreizamplitude).

Wählen Sie diese beiden ermittelten Grenzwerte und zusätzlich 3 Werte in

geeigneten Intervallen zwischen ihnen als Voreinstellungen für die

Reizamplitude, für die sie dann die Kontraktionskraft des Muskels bestimmen:

Registrieren Sie jeweils 5 Einzelzuckungen mit dem Oszilloskop für jede der

5 eingestellten Reizamplituden. Erstellen Sie ein Diagramm aus den Messwerten,

das die Kontraktionskraft in Abhängigkeit von der Reizamplitude darstellt.

Erklären Sie das Ergebnis unter dem Gesichtspunkt der „Alles-oder-Nichts“

Regel.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 29

Hinweis: Nachträgliches Durchsuchen der Messergebnisse:

Alle Messwerte, die Sie zwischen „Start“ und „Stop“ aufgenommen haben,

können Sie sich nach der Messung noch mal ansehen: Mit dem kleinen

Schieber am unteren Bildrand gehen Sie in der Zeit vor- und zurück.

Den Maßstab der Zeitachse können Sie mit den anderen Schaltflächen rechts

unten verändern.

Versuch 1.2: Abhängigkeit der Kontraktionskraft von der Reizfrequenz.

Reizen Sie den Muskel mit der Maximalreizamplitude, die Sie soeben

bestimmt haben. Wählen sie jetzt im Stimulator-Fenster Mehrfachreizungen aus

und zeichnen Sie die Kontraktionen des Muskels nacheinander bei Reizungen von

jeweils 5 Sekunden Länge mit 1,2,5,10,20 und 50Hz Reizfrequenz auf. Überlegen

Sie sich vorher, welche Einstellungen am Oszilloskop und Stimulator eingestellt

werden müssen, damit die Reize auch aufgenommen werden – häufige

Wiederholungen dieses Experiments sind zwar möglich, der Muskel wird

allerdings allmählich ermüden, da im Präparat kein ATP nachgebildet werden

kann.

Ermitteln Sie die Reizfrequenzen, bei denen zum ersten mal ein

unvollständiger bzw. ein vollständiger Tetanus eintritt. Verwenden Sie im

Protokoll die Oszillogramme der Kontraktionskraft und der zugehörigen

Reizmuster, um die einsetzende Tetanisierung bei steigender Reizfrequenz zu

verdeutlichen. Erklären Sie kurz den Mechansimus, der der Tetanisierung zu

Grunde liegt.

1.3 Abhängigkeit der Kontraktionskraft von der Ausgangslänge

Messen Sie die Ausgangslänge des Muskels mit einem Lineal. Reizen Sie den

Muskel mit der Maximalreizamplitude und registrieren Sie jeweils 5 Einzel-

zuckungen mit dem Oszilloskop. Führen Sie diesen Versuch bei verschiedenen

Ausgangslängen durch. Die Länge des Muskels können Sie durch Drehen an der

Feinjustierung am Biegestab verändern. Was passiert dabei im Muskel? Erstellen

Sie ein Diagramm, in dem die Kontraktionskraft in Abhängigkeit von der

Ausgangslänge dargestellt ist. Mit welcher Ausgangslänge würde der Muskel wohl

am effizientesten im Skelettsystem des Frosches arbeiten?

Machen Sie sich klar (und diskutieren Sie in Ihrem Protokoll), welche

physiologischen Vorgänge zwischen der elektrischen Reizung am Nervenstumpf

und der Kontraktion des Muskels ablaufen.

Überlegen Sie, welche Art von Kontraktion (isometrisch, isotonisch oder

auxotonisch) in diesem (und den anderen) Experimenten vorliegt. Die

Auslenkung des Biegestabs, die bei Belastung zu einer kleinen Verkürzung führt,

kann für diese Überlegung vernachlässigt werden.

Hinweis: Sollte der Zustand des Nerv-Muskelpräparates so schlecht sein, dass

die Reizung am Nervenstumpf unmöglich wird, so können Sie das vorge-

schriebene Programm auch mit direkter Muskelreizung durchführen. In diesem

Fall wird eine Elektrode in den Muskel eingestochen, die zweite Elektrode leitet

über die Knochenklemme zu. Die Reizdauer sollten Sie dann auf 5 ms

verlängern.

2. Messen der Latenzzeit für die Kontraktion bei elektrischer Reizung am

Nervenstumpf bzw. direkt am Muskel

Hierzu wird zuerst über den Nervenstumpf und dann direkt über den Muskel

gereizt. In zweiten Fall wird die Elektrode in den Muskel eingestochen, die zweite

Elektrode hat Kontakt über die Knochenklemme. Die Reizdauer bei Reizung über

den Nerv beträgt wieder 0,2 ms, bei Reizung direkt am Muskel 5 ms.

Durchführung und Auswertung:

Reizen Sie mit 'Einzelreizen' (Reizabstand von 5 s einstellen) von ca. 300 mV am

Nervenstumpf, und bestimmen Sie am Oszilloskop die Latenz zwischen

Reizbeginn und Beginn der vom Transducer angezeigten Kontraktion. Überlegen

Sie bitte zuvor, in welchem Zeitbereich Sie die Latenzen erwarten, und stellen

Sie die Zeitachse am Oszilloskop entsprechend in einen sinnvollen Bereich.

Wiederholen Sie diesen Versuch mit elektrischer Reizung direkt am Muskel

(Amplitude hier ca. 3 V: warum?). Auch hier bestimmen Sie die Latenz zwischen

Reizbeginn und Kontraktion.

Vergleichen Sie die Latenzen, und diskutieren Sie die Ergebnisse in Ihrem

Protokoll.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 31

VERSUCHSTEIL II:

ELEKTROMYOGRAMM (EMG) EINES MENSCHLICHEN SKELETTMUSKELS

Die Fragestellung dieses Versuchsteils bezieht sich auf die Mechanismen, die

eine feine Regulation der Muskelkraft ermöglichen. Bei den Wirbeltieren wird jede

Faser eines Muskels von genau einem Motoneuron kontaktiert1. Allerdings

können einzelne Motoneurone mehrere Muskelfasern innervieren. Ein

Motoneuron und alle davon innervierten Muskelfasern werden als „motorische

Einheit“ bezeichnet. Jeder Muskel besteht aus 100 bis 1000 solcher motorischen

Einheiten. Ein Aktionspotenzial eines Motoneurons führt zu einer Zuckung aller

kontaktierten Muskelfasern. Die motorische Einheit kann daher als die

elementare Größe der Muskelkraft betrachtet werden.

Grob lassen sich zwei unterschiedliche Typen von Muskelfasern unterscheiden:

1. Typ I / ST-Fasern (= slow twitch): langsame, nicht ermüdende Fasern,

2. Typ II / FT-Fasern (= fast twitch): schnelle, rasch ermüdende Fasern.

Die Typ II Fasern verfügen im Vergleich zu Typ I über nur wenig Myoglobin – der

im Muskel dominierenden Isoform des Hämoglobins. Sie sind gekennzeichnet

durch eine vorwiegend anaerobe Energiegewinnung (Glycolyse). Muskeln, in

denen der Fasertyp II vorherrscht, sind daher auch deutlich heller (= ’weiße’

Muskeln) als die rot gefärbte Typ-I Muskulatur. Unter den Typ II-Fasern wird

noch einmal unterschieden zwischen Typ IIA und IIB Fasern. Die IIB-Fasern sind

extrem schnell in der Kraftentfaltung, ermüden allerdings ebenso schnell. Sie

gewinnen ihr ATP ausschließlich aus Glykogen, während die Typ IIA Fasern

zumindest teilweise ATP oxidativ gewinnen und daher eine Mischform darstellen.

Neben der maximalen Kraftentwicklung und der Ermüdungs-Schwelle nehmen

innerhalb dieser drei Typen von Muskelfasern auch der Faserdurchmesser, die

ATPase-Tätigkeit und der Glykogen-Gehalt in den Fasern zu (I < IIA < IIB), der

Myoglobingehalt und die Kapillardichte (oxidative Energie-Gewinnung) nehmen

dagegen ab. Die Zusammensetzung aus den einzelnen Typen variiert stark von

Muskel zu Muskel. So besteht der bereits im Stand oder im Gehen voll aktivierte

Schollenmuskel (M. soleus) zu 90% aus langsamen Fasern, während der erst bei

schnellkräftigen Bewegungen wie dem Springen voll aktivierte Zwillings-

wadenmuskel (M. gastrocnemius) zu 45% aus schnellen, ermüdenden und zu

25% aus schnellen, nicht-ermüdenden Fasern besteht.

Die Verteilung des Anteils der verschiedenen Fasertypen in der

Skelettmuskulatur ist in hohem Maß genetisch vorbestimmt, Sportler können

allerdings durch Training speziell den Anteil an Typ II – Fasern positiv beein-

flussen. Während Ausdauerathleten einen hohen Anteil an ST-Fasern benötigen,

besitzen Kraftsportathleten dagegen mehr FT-Fasern.

1 Bei Wirbellosen ist dieses Prinzip nicht gültig! Die neuronale Verrechnung, die bei Wirbeltieren im

Rückenmark stattfindet und auf der Ebene des Motoneurons abgeschlossen ist, findet bei den Wirbellosen noch an der Muskelfaser statt. So existieren bei Invertebraten inhibitorische Motoneurone (wie z.B. der common inhibitor).

Notwendige Präparation

Ein EMG lässt sich extrazellulär ableiten mit Hilfe von Elektroden, die über

dem Muskel auf der Haut aufgeklebt werden. Es liegt auf der Hand, dass Sie mit

einer derartigen Methode lediglich das Summenpotenzial vieler motorischer

Endplatten und den dazu führenden Motoneuronen aufnehmen. Trotzdem werden

Sie charakteristische Zusammenhänge zwischen dem Signalverlauf und der vom

jeweiligen Muskel entfalteten Kraft messen können.

KONTRAKTION EINES MUSKELS DER HAND

Eine Kontraktion des M. interosseus dorsalis I führt zu einer Abduktion des

Zeigefingers. Dieser intrinsische, dorsale Handmuskel eignet sich besonders gut

zur Aufzeichnung eines EMGs, da es keinen anderen Muskel (der

korrespondierende ventrale Handmuskel fehlt beim Zeigefinger) gibt, der

ebenfalls eine Abduktion dieses Fingers bewirken würde. Der Muskel kann bei

einer Abduktion des Zeigefingers leicht ertastet werden. Eine Elektrode sollte

direkt auf den Muskel geklebt werden, die Referenzelektrode wird seitlich dazu

aufgeklebt. Die Qualität des EMGs kann drastisch verbessert werden, wenn der

Hautwiderstand unter den Elektroden durch Abreiben mit Alkohol verringert wird.

Eine Erdung (Masse-Armband) sollte nicht vergessen werden.

1 M. interosseus dorsalis I

2 Os metacarpale I

3 Os metacarpale II

4 Dorsalaponeurose

5 Phalanx proximalis

Versuchsaufbau

Isometrische Kontraktionen können durch die Belastung des Zeigefingers mit

unterschiedlichen Gewichten erreicht werden. Die Gewichte werden dabei an eine

Abbildung 2: Schema zur Anbringung der Elektroden auf der rechten Hand.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 33

Schnur gehängt; ihre Gewichtskraft wird über einen Faden und eine Rolle auf den

Zeigefinger übertragen. Die aktuelle Position des Zeigefingers (Abduktion) wird

über einen Steuerknüppel gemessen, der mit dem Finger bewegt wird. So kann

auch das EMG bei isotonischen Bewegungen aufgezeichnet werden. Auf dem

Oszilloskop werden sowohl das EMG als auch die Position des Fingers dargestellt.

Zur Messung kleben Sie zwei Elektroden auf die Hand der Versuchsperson auf,

wie in Abbildung dargestellt. Schließen Sie die Elektroden an Kanal 1 des

vierpoligen Adapterkabels an, das andere Ende schließen Sie am A/D-Wandler an

der Buchse ‚BioAmp’ an. Vergessen Sie nicht, das Masseband anzuschließen und

um das Handgelenk der Versuchsperson zu binden.

An den zweiten Eingangskanal des A/D-Wandlers schließen Sie den

Steuerknüppel des Positionsmelders an. (Vergessen Sie nicht, den

Positionsmelder an das 10V-Netzgerät anzuschließen). Danach richten Sie die

entsprechenden Kanäle in PowerLab ein.

1. Isometrische Kontraktion

Belasten sie den Zeigefinger ihrer Versuchsperson mit unterschiedlichen

Gewichten bis zur maximalen Belastbarkeit (je nach Versuchsperson bis etwa 3

kg). Achten Sie darauf, dass die Position des Fingers konstant bleibt (das Signal

vom Steuerknüppel darf sich nicht ändern). Messen und dokumentieren Sie das

EMG für jede Belastung einmal über 10 s zur Übersicht sowie einmal über 200

ms zur Identifikation einzelner Summenpotenziale.

Auswertung

Können tatsächlich die Summenaktionspotenziale einzelner motorischer Einheiten

erkannt werden? Was bedeuten unterschiedliche Spannungsverläufe?

Bei welcher Kraft werden die einzelnen Muskelfasern rekrutiert?

Gibt es eine Kodierung der Muskelkraft in der Frequenz der Aktionspotenziale

einer Muskelfaser?

2. Dynamische Kontraktion

Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen der Abduktion des

Zeigefingers und des EMGs, wenn der Finger tatsächlich bewegt wird. Zeichnen

Sie das EMG bei verschiedenen Frequenzen der Fingerbewegung auf. Bitten Sie

die Versuchsperson, ihren Finger mit konstanter Frequenz hin und her zu

bewegen. Stellen Sie die Zeitbasis des Oszilloskop so ein, dass mindestens eine

volle Periode auf dem Schirm (bzw. Ausdruck) abgebildet wird. Warum nimmt

das EMG mit steigender Frequenz der Fingerbewegung zu?

VERSUCHSTEIL III:

PHYSIOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN AM FROSCHHERZEN

PRÄPARATION DES HERZMUSKELPRÄPARATS

Sie erhalten von dem Nerv- und dem Muskelversuch den Torso eines Frosches.

Der Froschtorso wird mit der Bauchseite nach oben in die Präparierschale gelegt,

an beiden Vorderextremitäten und seitlich am Thorax mit Stecknadeln

festgesteckt. Durch Anheben des Sternums mit einer Pinzette wird das Herz im

Thorakalraum bereits sichtbar. Ziel ist es das Herz in situ frei zu präparieren. In

situ bedeutet, dass das Herz im Körper verbleibt und dort weiterschlägt.

Schneiden Sie vorsichtig links und rechts des Sternums in Richtung des Kopfes.

Trennen Sie Clavicula und Coracoid ab und entfernen Sie das Brustbein mit den

anliegenden Gewebeteilen. Das Präparat gründlich mit Ringer-Lösung spülen.

Eröffnen Sie den silbrig schimmernden Herzbeutel vorsichtig mit einer feinen

Pinzette und einer kleinen Schere und reinigen Sie das Herz sorgfältig von allen

Resten des Perikards. Zuletzt schneiden Sie das unter dem Herzen liegende

Herzbändchen durch.

Wichtig: Das Präparat immer reichlich mit Ringer-Lösung feucht halten und

vorsichtig behandeln!

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 35

VERSUCHSAUFBAU UND APPARATUREN

Machen Sie sich vor der Präparation des Frosches mit der Apparatur vertraut.

Eine lange zeitliche Verzögerung zwischen dem Töten des Frosches und der

Untersuchung des Herzens, kann die Funktion des Herzens stark einschränken.

Achten Sie darauf, dass der Biegestabtransducer fest im Dreifuß eingespannt ist.

Der Transducer wird über ein dreipoliges Kabel sowohl mit dem Netzteil als auch

mit dem Differenzverstärker verbunden. Der Ausgang des Differenzverstärkers

ist mit Eingang 1 des PowerLab 26T analog-digital Konverters von

ADInstruments verbunden, welcher über den USB-Eingang mit dem Computer in

Verbindung steht. Achten Sie darauf, dass alle Geräte eingeschaltet und mit

Strom oder Batterie versorgt sind. Dieser Versuchsaufbau wird für Versuch 2

verwendet. Für Versuch 3 müssen die beiden Elektroden mit dem Ausgang des

Reizgerätes verbunden werden. Außerdem wird der Ausgang des Reizgerätes mit

dem zweiten Eingang des analog-digital Konverters verbunden.

POWERLAB UND SOFTWARE LABCHART

Zum Aufzeichnen und Auswerten der Daten der Versuche 2-4 und des 8.

Versuches verwenden Sie die Software LabChart, welche in Kombination mit den

ADInstrument Signal-Konverter an jedem Arbeitplatz zur Verfügung steht. Die

Voreinstellungen für diese Software werden vom Tischbetreuer für Sie vor-

genommen. Machen Sie sich bitte vor Beginn der Versuche mit der Be-

nutzeroberfläche und der prinzipiellen Bedienung dieser Software vertraut. Der

Tischbetreuer wird Ihnen dabei helfen.

Mit Hilfe von LabChart ist es möglich, die Messdaten über den gesamten Versuch

hinweg aufzuzeichnen. Diese stehen dann zur späteren Analyse zur Verfügung.

Weiterhin gibt es die Möglichkeit Datenbereiche eigens zu benennen. Damit wird

die nachträgliche Zuordnung der Daten zu bestimmten Versuchsabschnitten

vereinfacht. Am Ende der Versuchsteile wählen Sie zusammen mit dem Tisch-

betreuer repräsentative Bereiche aus den Daten aus, die Sie dann in pdf-

Dokumente umwandeln. Diese Dokumente werden Sie mit nach Hause nehmen

und für Ihr Protokoll verwenden.

Für die Versuche mit dem Froschherz (Versuch 2-4) sieht die LabChart

Oberfläche folgendermaßen aus:

Im

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 37

Aufnahmekanal 1 werden die verstärkten Signale des Transducers als

Herzmechanogramm aufgezeichnet.

Aufnahmekanal 2 stellt die Impulse des externen Reizgebers dar. Zwei weitere

Kanäle (Auswertekanäle) können so genutzt werden, dass sie, basierend auf den

Daten der Aufnahmekanäle, automatisch die Herzschlagfrequenz (bpm - beats

per minute) und die Reizfrequenz (Hz) berechnen.

Für den Ruhe-EKG Versuch (Versuch 8) sieht die LabChart Oberfläche folgender-

maßen aus:

Für diesen Versuchsteil werden der Fingerpuls (Aufnahmekanal 1) und das EKG

nach Einthoven (Aufnahmekanal 2) synchron aufgezeichnet.

VERSUCHE

Versuch 1:

Beobachten der Herzbewegung

Identifizieren Sie zunächst wichtige Herzabschnitte, wie den Sinus

venosus, die Atrien, den Ventrikel und den Truncus arteriosus. Beobachten

Sie die Kontraktionsfolgen der einzelnen Herzabschnitte. Wo beginnt die

Kontraktionswelle und wo endet sie wieder?

Versuch 2:

Registrierung eines Mechanogramms

In den folgenden Versuchsteilen (2-4) dient das Mechanogramm der Froschherz-

Kontraktion als Messparameter. Um ein Mechanogramm des Herzens registrieren

zu können, muss das Herz mit der Versuchsapparatur verbunden werden. Heben

Sie dazu die Ventrikelspitze leicht an und befestigen Sie die Herzklammer

vorsichtig an der äußersten Spitze des Ventrikels. Ein dünner Faden verbindet die

Herzklammer mit dem Biegestabtransducer. Justieren Sie die Versuchsapparatur

so, dass der Herzklammerdraht senkrecht über dem Herzen nach oben zum

Biegestab verläuft. Das ist wichtig, um eine gute Übertragung der Herz-

kontraktion auf den Transducer und damit eine saubere Registrierung zu be-

kommen. Stellen Sie das Mechanogramm nun auf dem Computerbildschirm dar.

Wählen Sie dazu sinnvolle Dimensionen für die Zeit- und Spannungsachse in den

LabChart Einstellungen.

Wichtig: Das Herz muss ständig mit reichlich Ringer-Lösung feucht gehalten

werden!

Speichern Sie ein Mechanogramm, auf dem mehrere Herzzyklen registriert

werden. Ordnen Sie den beobachteten Kontraktionsverlauf des Herzens

den Registrierungen des Mechanogramms zu. Ermitteln Sie aus dem

registrierten Mechanogramm die Herzfrequenz.

Speichern Sie am Ende der Herzversuche die Messungen als pdf-

Datei ab und fügen Sie diese später in Ihr Protokoll ein.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 39

Versuch 3:

Einfluss von Atropin, Noradrenalin und Acetylcholin auf die Herztätigkeit

Bei Wirbeltieren wirken die Transmitter Noradrenalin des postganglionären

Sympathikus-Nervensystems und Acetylcholin der parasympathischen Vagus-

Nerven auf die autorhythmischen Zentren des Herzens und zum Teil auch auf das

Arbeitsmyokard. Im folgenden Versuchsabschnitt soll die Wirkungsweise dieser

Pharmaka untersucht werden.

Versuchsdurchführung

Der Versuchsaufbau entspricht dem des 2. Versuchs.

Im Folgenden wird die Herzfrequenz unter Einfluss verschiedener Substanzen

gemessen. Beobachten und dokumentieren Sie jeweils die Reaktion des Herzens.

Nutzen Sie hier die Möglichkeit der LabChart Software und benennen Sie die

entsprechenden Datenbereiche während der Aufnahme eindeutig, um diese

später wieder zu finden.

Wichtig: Das Präparat muss zwischen den einzelnen Arbeitsschritten immer

gründlich mit Ringer-Lösung gereinigt und feucht gehalten werden.

Registrieren Sie eine Zeit lang die normale Herztätigkeit. Bestimmen Sie

die Herzfrequenz und die Amplitude der Kontraktion. Diese Werte sind Ihre

Kontrollwerte.

Geben Sie Ringer-Lösung, die direkt aus dem Kühlschrank kommt, auf das

Präparat.

Beträufeln Sie das Herz mit zimmerwarmer Ringer-Lösung.

Stellen Sie die Ringer-Lösung an einen warmen Ort (Heizung, Sonne) und

wiederholen Sie den oben genannten Arbeitsschritt.

Geben Sie einige Tropfen der vorbereiteten Adrenalinlösung auf das Herz.

Nach der Registrierung muss gut mit der Ringer-Lösung gespült werden.

Sobald das Herz wieder seinen Normalrhythmus erreicht hat, tropfen Sie

die Acetylcholinlösung auf das Herz auf und beobachten, was geschieht.

Sollte es zu einem Herzstillstand kommen, sofort etwas von der Atropin-

lösung auf das Herz auftropfen, um die Herztätigkeit wieder anzuregen.

Zuletzt tropfen Sie etwas von der Atropinlösung auf das Herz.

Speichern Sie später typische Mechanogramme eines jeden Arbeitsschrittes für

Ihr Protokoll und diskutieren Sie die Wirkungen von Temperatur und

verschiedener Transmitter auf die Herz-tätigkeit.

ERFOLGSKONTROLLE

Nach diesem Praktikumsteil sollten Sie in der Lage sein:

den anatomischen Grobaufbau von einem Skelettmuskel zu beschreiben,

den anatomischen Feinbau von Muskelfasern zu beschreiben,

die nacheinander ablaufenden physiologischen Vorgänge von der elek-

trischen Reizung am Nerv bis hin zur Kontraktion des Muskels zu

erläutern,

die molekularen Mechanismen der Kontraktion zu beschreiben,

ein Nerv-Muskel-Präparat herzustellen,

zu erklären, wie ein Tetanus entsteht,

zu erläutern, wovon die Kontraktionskraft abhängig ist,

die Versuchsapparatur selbständig aufzubauen,

den Versuchsaufbau im Muskelversuch zu skizzieren,

eine EMG-Ableitung vom M. interosseus dorsalis durchzuführen,

den Begriff Rekrutierung inklusive Hennemannsches Größenprinzip zu

erläutern,

die in Ihrem Protokoll aufgeführten Kurven zu skizzieren und zu erläutern,

ein funktionelles Herz skizzieren zu können,

zu beschreiben, wie die Erregungswelle über das Herz läuft,

nachzuvollziehen wie das Blut durch das Herz gepumpt wird und welche

Mechanismen dabei wichtig sind,

die Entstehung des Schrittmacherpotenzials zu erläutern,

ein charakteristisches Aktionspotenzial zu skizzieren und zu erklären

und die Wirkung verschiedener Pharmaka auf die Herztätigkeit zu

erklären.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 41

3. I N S E K T E N - E R G

EINFÜHRENDE BEMERKUNGEN

Sinnessysteme ermöglichen es einem

Organismus, Reize aus seiner Umwelt

wahrzunehmen. Die Reize wirken in den

Sinnesorganen auf spezifische Rezeptoren und

erzeugen an den Zellmembranen der

Rezeptorzellen Potenzialänderungen, die zur

Erregung afferenter sensorischer Nervenfasern

führen. Diese Potenzialänderungen lassen sich

extrazellulär ableiten und ermöglichen die

quantitative Beschreibung von Rezeptor-

leistungen. Am heutigen Kurstages werden bestimmte Eigenschaften von

Photorezeptoren (z.B. Kennlinie, Farbempfindlichkeit, Latenzzeit, zeitliches

Auflösungsvermögen) experimentell durch elektrophysiologische Ableitung

(objektive Sinnesphysiologie) am Fliegenauge dargestellt. Einige Eigenschaften

des Facettenauges werden mit den Leistungen des visuellen Systems des

Menschen verglichen, die in psychophysischen Experimenten (subjektive

Sinnesphysiologie) ermittelt werden.

THEORETISCHE VORAUSSETZUNGEN

Folgende theoretischen Vorkenntnisse aus der Vorlesung "Grundlagen der

Tierphysiologie" und aus den Lehrbüchern werden für die sinnvolle Durchführung

der Versuche benötigt und deshalb vorausgesetzt:

Allgemeine Sinnesphysiologie: Phasische und tonische Rezeptoren

(Beispiele), Kennlinien, Beziehung zwischen Reiz, Rezeptorpotenzial und

Impulsfolgefrequenz, adäquater Reiz.

Sehphysiologie: Bau und Funktion des Wirbeltierauges am Beispiel des

menschlichen Auges: Aufbau, dioptrischer Apparat, Bildentstehung,

Akkomodation, Fehlsichtigkeit, Aufbau der Netzhaut, Photorezeptoren von

Wirbellosen und Wirbeltiere (Besonderheiten des Ruhe- und

Belichtungspotenzials sowie die ursprünglichen lichtempfindlichen

Organelle), Sehpigmente und Transduktionsprozess, Farbempfindlichkeit,

Adaptation, räumliches und zeit-liches Auflösungsvermögen, magno- und

parvozelluläres System.

Bau und Funktion des Insektenauges: Bau eines Ommatidiums,

Appositionsauge, optisches Superpositionsauge, neurales Superpositions-

auge, Umwandlung der Photopigmente, Transduktionsprozess, räumliches

Auflösungsvermögen, zeitliches Auflösungsvermögen (Flimmerver-

schmelzungs-frequenz), Spektralempfindlichkeit, Elektroretinogramm

(ERG).

Methodische Kenntnisse, die Sie im Praktikum erwerben sollen:

Präparation der Fliege, Durchführen einer extrazellulären Summenableitung.

Datenerfassung mit dem Programm Chart. Eine Einführung in die Bedienung des

Programms und der im Praktikum verwendeten technischen Geräte wird durch

den Kursbetreuer gegeben. Grundlagen eines psychophysischen Experiments.

LITERATUR

PENZLIN: Lehrbuch der Tierphysiologie, Fischer. -- Erläutert ausführlich die

optischen Eigenschaften verschiedener Augentypen. Viele vergleichende

Aspekte.

DUDEL/MENZEL/SCHMIDT: Neurowissenschaft, Springer. -- Anspruchsvolles und

gutes Kapitel über Photorezeption im Facetten- und Linsenauge.

SCHMIDT/THEWS/LANG: Einführung in die Physiologie des Menschen, Springer. -

- Erläutert ausführlich die Prinzipien der Sehphysiologie wie z.B. den

Mechanismus der Phototransduktion und die anatomischen und

physiologischen Verhältnisse beim Säugerauge. Leider ohne vergleichende

tierphysiologische Aspekte.

Weiterhin empfehlenswert:

MÜLLER: Tier- und Humanphysiologie, Springer -- Erläutert die Prinzipien der

Sehphysiologie wie z.B. den Mechanismus der Phototransduktion und die

anatomischen Verhältnisse beim Säugerauge und bei den verschiedenen

Facettenaugen-Typen der Insekten.

ECKERT/RANDALL: Animal Physiology, Freeman. (Deutsche Übersetzung:

Thieme) -- Erläutert die Prinzipien der Sehphysiologie wie z.B. den

Mechanismus der Phototransduktion und die anatomischen Verhältnisse

beim Säugerauge. Bei den Facettenaugen liegt die Betonung nicht auf den

Insekten.

KIRSCHFELD K: (1971) Aufnahmen und Verarbeitung optischer Daten im

Komplexauge der Insekten. Naturwissenschaften 58: 201-209. - neuronales

Superpositionsauge.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 43

HANDWERKSZEUG

1 kleine Pinzette

1 Federstahlpinzette

Schreibzeug

Geodreieck

Datenspeicher

VERSUCHE

Die Leistungsfähigkeit des optischen Systems eines Organismus wird durch

sein räumliches Auflösungsvermögen (Sehschärfe), sein zeitliches

Auflösungsvermögen, seine spektrale Empfindlichkeit und seine absolute

Lichtempfindlichkeit beschrieben. Diese Eigenschaften sollen am Fliegenauge

geprüft und, soweit möglich, mit denen des menschlichen Auges verglichen

werden.

1. Räumliches Auflösungsvermögen (Sehschärfe)

Wie exakt und feinkörnig das Bild der Umwelt von einem Wirbeltier

wahrgenommen wird, hängt entscheidend von der Dichte der Rezeptoren in der

Retina ab. Das Auflösungsvermögen eines Komplexauges wird im Wesentlichen

von zwei Parametern bestimmt: dem physiologischen Öffnungswinkel, der die

Richtungsempfindlichkeit des Rezeptors wiedergibt (er kann nur durch

komplizierte intrazelluläre Ableittechnik aus einem Photorezeptor oder durch

Verhaltensexperimente bestimmt werden), und dem Divergenzwinkel, der die

optischen Achsen benachbarter Ommatidien einschließt (er kann aus der

Anatomie des Komplexauges ermittelt werden). Im Kurs bestimmen Sie diesen

Divergenzwinkel bei verschiedenen Insekten und berechnen daraus deren

Auflösungsvermögen.

1.1 Messung des Auflösungsvermögens bei Insekten und beim Mensch

Im Kurs werden Ihnen die Horizontalschnitte durch das Facettenauge der

Wachsmotte (hell- und dunkel adaptiert) und des Kaisermantels zur Verfügung

gestellt.

Um welche Augentypen handelt es sich?

Identifizieren Sie die wichtigsten Teile des Insektenauges und der an-

grenzenden Gehirnteile.

Zeichnen Sie den Verlauf der Ommatidien mit dem Lineal nach, und

verlängern Sie die Linien zu einem Schnittpunkt

Bestimmen Sie den Divergenzwinkel der beiden Augenpräparate durch

Auswertung und Mittelwertbildung von 10 benachbarten Ommatidien.

Bestimmen Sie das räumliche Auflösungsvermögen einer Versuchsperson

in der Fovea centralis mit Hilfe des psychophysischen Messprogramms

(AUFLOESE). Eine detaillierte Einführung in das Programm erhalten Sie im

Kurs.

Berechnen Sie das Auflösungsvermögen von Mensch, Wachsmotte und

Kaisermantel. Wie groß muss der Abstand zwischen zwei Punkten in 1 m

Entfernung sein, damit diese gerade noch getrennt wahrgenommen

werden können? Das Auflösevermögen der Facettenaugen berechnen Sie

nach folgender Formel:

tan α = Gegenkathete/Ankathete d/E

tan α/2=d/2E d = 2E tan α/2

2. Exkurs: Das Elektroretinogramm (ERG) der Fliege

Belichtet man das Auge von Wirbeltieren oder Wirbellosen, so treten infolge

der durch den Transduktionsprozess ausgelösten Membranprozesse

Potenzialschwankungen im Auge auf. Die Summenpotenziale der gesamten elek-

trischen Aktivität des Auges kann man mit geeigneten Elektroden als

Potenzialdifferenz zwischen Auge und Körpermilieu ableiten. Ein ERG erhalten

Sie, wenn Sie die Potentialdifferenzen werden über der Zeit auftragen. Dabei

handelt es sich um eine extrazelluläre Summenableitung (vgl. SAP im

Nervversuch). Die Potenziale haben z.T. komplizierte Kurvenverläufe, die bis

heute nicht endgültig geklärt werden können (vgl. Summenableitungen EKG,

EEG), die aber eine einfache Methode darstellen, um quantifizierbare Aussagen

über Erregungsvorgänge in den Photorezeptoren zu machen. Die ERG-Kurve der

Insekten ist z.B. stark von den Ableitbedingungen abhängig (Alter des Präparats,

Lage der Ableitelektrode, Elektrodenmaterial, Eingangswiderstand des Ver-

stärkers etc.).

Während man bei "langsamen" Insekten (Bsp. Heuschrecken, Schaben)

tendenziell eher monophasische Potenzialverläufe (Abb. 1A) feststellen kann,

sind bei schnellfliegenden Formen, zu denen die Schmeißfliege Calliphora zählt,

diphasische Potenzialverläufe (Abb. 1B) charakteristisch.

E

d

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 45

In dieser Form des diphasischen ERG's spiegelt sich sowohl die summierte

Aktivität der Rezeptoren (Depolarisation) als auch die Summenaktivität

nachgeschalteter neuronaler Elemente, hauptsächlich vom 1. optischen Ganglion

(Lamina ganglionaris) wieder. Die Antwort der Laminaneurone ist ähnlich

graduiert von der Reizintensität abhängig wie das Rezeptorpotenzial (keine

Aktionspotenziale!). Die jeweiligen Anteile dieser beiden Strukturen an der Form

des ERG lassen sich durch eine Betäubung der Erregungsübertragen in die

Lamina darstellen.

* Bei allen abgeleiteten Potenzialen handelt es sich um Summenpotenziale, die extrazellulär

abgeleitet werden.

VERSUCHSAUFBAU

Bevor Sie die Fliege narkotisieren, machen Sie sich mit dem Versuchsaufbau

vertraut. Als Lichtquelle (L) dienen LEDs verschiedener Farben, die in die

Ableitkammer integriert sind. Die Farbe kann durch einen Drehschalter im

Bedienfeld eingestellt werden. Die Lichtleistung wird ebenfalls durch einen

Drehschalter gewählt. Die absolute Lichtleistung bei entsprechenden

Schalterpositionen entnehmen Sie der Tabelle auf der Ableitkammer. Die

Belichtungsdauer (Pulsbreite) kann ebenfalls im Bedienfeld eingestellt werden.

Der Reiz kann entweder als Einzelreiz, als kontinuierliches Licht oder als Abfolge

mit einer wählbaren Frequenz präsentiert werden. Zur Abdunkelung des Objekts

und zur Abschirmung gegenüber elektrischen Störfeldern wird ein Kasten als

Faraday-Käfig über das Präparat geklappt. Der Reiz wird über den Ausgang

„Reiz“ ausgegeben. Verbinden sie diesen mit dem Kanal 2 des PowerLabs. Die

differente (DE) und indifferente (IE) Elektrode sind mit den Eingängen eines in

die Elektronik der Ableitkammer integrierten Differenzverstärkers verbunden, der

die Signale 100x verstärkt (Beachten Sie dies bitte bei der Berechnung Ihrer

ERG-Amplituden). Das Antwortsignal wird über den Ausgang „Antwort“

ausgegeben. Verbinden sie diesen mit Kanal 1 des PowerLabs. Öffnen Sie im

Programm Chart die Datei „ERG_RI-Kennlinien.adiset“ und machen Sie sich unter

Anleitung des/der Tischbetreuer/in mit der Software vertraut. Stellen Sie nun

eine Reizdauer von 500 ms ein und wählen Sie Weißlicht bei einer mittleren

Lichtleistung. Wählen Sie im Bedienfeld die Einstellung Einzelreiz.

Präparation:

Die Fliege wird kurz mit CO2 narkotisiert. Sobald das Tier ruhig liegt, wird es

mit Doppelklebeband auf einem Objektträger befestigt. Über den Thorax wird ein

Streifen LEUKOSILK®BSN Medical GmbH geklebt. Die Fliege darf sich nach der

Fixierung nicht bewegen (Bewegungsartefakte in der Ableitung!). Das

Fliegenauge soll so gut wie möglich zum einfallenden Licht und zur differenten

Elektrode exponiert sein. Die indifferente Elektrode wird nun in den Thorax oder

das Abdomen gestochen. Die Ableitelektrode (Silberdraht) wird einjustiert und

behutsam durch Drehen des Mikrometerrades auf die Corneaoberfläche

aufgelegt. Ein kleiner Tropfen Elektrodenpaste verbessert den elektrischen

Kontakt zwischen Elektrode und Auge. Anschließend wird der Faraday-Käfig über

die Apparatur geklappt.

Das ERG:

Belichten Sie das Auge mit einem

Einzelreiz und optimieren sie ge-

gebenenfalls die Ableitung. Registrieren

Sie in Chart die ERG-Ableitungen und

speichern sie eine beispielhafte Regi-

strierung für Ihr Protokoll (als pdf).

Beschreiben Sie den Potenzialverlauf,

und bezeichnen Sie die verschiedenen

Potenzialkomponenten (Ein-Effekt...).

Bitte bei allen Messungen Intensität,

Belichtungszeit und Achsenskalierung

angeben!

ERG-Ableitung mit Chart: oben: ERG

unten: Reiz 3. Reaktions-Intensitäts-Kennlinie (RI)

Lichtsinneszellen sind im Prinzip Zählgeräte für Lichtquanten und

Signalumwandler, d.h. sie verwandeln einen Lichtreiz bestimmter Intensität in

ein elektrisches Signal (Rezeptorpotenzial) bestimmter Amplitude. Photorezep-

toren zeigen keine proportional-lineare Beziehung zwischen Reizstärke und

Rezeptorpotenzialamplitude. Vielmehr nimmt der Verstärkungsfaktor mit zuneh-

mender Reizintensität ab. Dies hat den Vorteil, dass Rezeptoren mit einer

solchen Reiz-Erregungs-Beziehung in einem großen Intensitätsbereich arbeiten

können. Trägt man die Amplitude des Rezeptorpotenzials gegen den Logarithmus

der Reizintensität auf, so erhält man eine Reaktions-Intensitäts-Kennline, deren

gewöhnlich sigmoidaler Verlauf den Dynamikbereich des Rezeptors von der

Schwelle bis zur Sättigung wiedergibt. Diese Kennlinie soll im Versuch gemessen

werden.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 47

Methode:

Das dunkel adaptierte Fliegenauge (ca. 2 min.) wird mit Lichtreizen (500 ms)

verschiedener Intensität gereizt. Das Reizlicht wird, mit der geringsten Intensität

beginnend, stufenweise bis zur maximalen Lichtleistung erhöht. Die absolute

Lichtleistung entnehmen Sie der Tabelle. Messen Sie für jede Lichtintensität 3

Zwischenpotenzialamplituden. Tragen Sie alle Werte in das Datenblatt, das Sie

im Kurs erhalten ein und berechnen Sie den Mittelwert. Zwischen zwei

aufeinander folgenden Reizen sollte mindestens die Zeit von 1 Minute liegen, bei

starken Reizen 2 Minuten, um Adaptationseffekte gering zu halten Speichern sie

für jede Lichtintensität ein exemplarisches ERG für Ihr Protokoll.

Tragen Sie die Amplituden des Zwischenpotenzials in einer halblogarith-

mischen Darstellung gegen die Intensität des Lichtes auf.

Ordinate: ERG-Amplitude in mV (linear)

Abszisse: log. der Reiz-Intensität (Lichtleistung)

Diskutieren Sie den Kurvenverlauf und die allgemeine biologische Bedeutung

von logarithmischen Kennlinien.

4. Spektralempfindlichkeit der Fliegenrezeptoren

Die Absorptionseigenschaften des dioptrischen Apparates und des Photo-

pigments (bzw. mehrerer Sehfarbstoffe) in den Rezeptoren bestimmen die

spektrale Empfindlichkeit des Auges. Der Mensch hat im normal hell adaptierten

Zustand eine Spektralempfindlichkeit von ca. 400 nm bis 750 nm mit einem

Maximum bei 550 nm. Bei Arthropoden ist der sichtbare Teil des Spektrums weit

in den kurzwelligen Bereich verschoben (z.B. Biene: 300 nm bis 650 nm). Sie

können also UV wahrnehmen und sind im Rotbereich blind. Im folgenden Versuch

soll die Spektralempfindlichkeit der Fliegenrezeptoren ermittelt werden. Fliegen

besitzen zwei Rezeptorsysteme, die Grün-Rezeptoren (Maximum bei 515 nm,

Sinneszellen 1-6 eines Ommatidiums) und die Blaurezeptoren (Maximum bei 470

nm, Sinneszellen 7 und 8). Die Grünrezeptoren sind etwas empfindlicher als die

Blaurezeptoren.

Methode:

Die Potenzialamplitude (Zwischenpotenzial) des ERG's wird bei verschiedenen

Wellenlängen und verschiedenen Intensitäten bestimmt. Messen Sie für jede

Farbe die Zwischenpotenzialamplitude des ERG's am Oszilloskop bei 3 ver-

schiedenen Lichtintensitäten. Messen Sie jeden Wert dreimal und berechnen Sie

den Mittelwert. Wählen Sie die Kombination von Farbe und Lichtleistung so, dass

für alle Farben etwa der gleiche Bereich der ERG-Amplitude erreicht wird.

Notieren Sie die Werte in einer Tabelle.

Auswertung:

Tragen Sie für jede Wellenlänge die mittleren Zwischenpotenzialamplituden

(mV) als Funktion der Lichtintensität in ein Diagramm ein (halblogarithmische

Darstellung). Für jede Wellenlänge erhält man also eine Kennlinie.

Aus diesen Diagrammen ermitteln Sie dann für die einzelnen Farben die

Lichtintensitäten, die zur selben Zwischenpotenzialamplitude (z.B. 1 mV, 2 mV, 3

mV) führen. Tragen Sie diese Werte in ein weiteres Diagramm (log Reizintensität

gegen Wellenlänge) ein. Aus den so erhaltenen Isopotenzialkurven ergibt sich die

Farbempfindlichkeit des Tieres.

Vergleichen Sie die Kurve mit der Farbempfindlichkeit des Menschen.

5. Verschmelzungsfrequenz bei verschiedenen Lichtintensitäten

Film und Fernsehen basieren letztendlich auf dem Phänomen, dass der

Mensch oberhalb einer bestimmten Bildfrequenz die Folge stationärer Bilder nicht

mehr getrennt wahrnimmt. Die Einzelbilder verschmelzen miteinander und

vermitteln bei geringfügigen Konfigurationsänderungen von Bild zu Bild den

Eindruck eines Bewegungsablaufes. Diese Fusionsfrequenz, die für einen

zeitlichen Hell- Dunkelwechsel den Eindruck einer kontinuierlichen Beleuchtung

erzeugt wird als Flimmerfusionsfrequenz (kritische Flimmerfrequenz CFF)

bezeichnet. Ihr Wert ist von der Wellenlänge, der Intensität und von der Tierart

abhängig. Bei Wirbeltieren unterscheidet sich die Flimmerfusionsfrequenz

außerdem zwischen Fovea und Peripherie.

5.1 Verschmelzungsfrequenz der Fliege

Öffnen sie in Chart die Datei „ERG_Flimmerfusionsfrequenz.adiset“. Wählen

Sie an der Apparatur eine mittlere Lichtleistung bei Weißlicht und stellen Sie die

Reizeinstellung auf das Symbol für Reizfolge. Registrieren sie nun den fort-

laufenden den Reiz sowie das ERG. Erhöhen Sie mit dem Potentiometerknopf die

Reizfrequenz solange, bis sie keine Korrelation mehr zwischen ERG und Reiz

erkennen können. Wie verändern sich Amplitude und Potenzialverlauf bei

steigender Frequenz? Bestimmen Sie die Verschmelzungsfrequenz ist bei 2 oder

3 Lichtintensitäten. Welche Tendenz ergibt sich?

5.2 Verschmelzungsfrequenz des Menschen

Für diesen Versuch benötigen Sie Apparatur mit einer LED. Verbinden Sie den

Reizausgang der Apparatur mit Kanal 2 des PowerLabs und öffnen Sie die Datei

„Flimmerfusion Mensch.adiset“. Projizieren Sie den Lichtkegel der LED auf ein

weißes Papier und fixieren sie diesen, dass der Lichtkegel auf die Fovea zentralis

fällt, oder schauen Sie direkt in den Lichtstrahl. Wählen Sie zunächst eine

niedrige Intensität und bestimmen Sie die Verschmelzungsfrequenz für Ihren

optischen Sinn. Wiederholen Sie den Versuch bei verschiedenen Lichtintensitäten

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 49

und vergleichen Sie die Werte mit den bei der Fliege gefundenen. Wiederholen

Sie das Experiment im peripheren Gesichtsfeld. Wie unterscheidet sich die

Flimmerfusionsfrequenz zwischen Peripherie und Fovea? Wodurch ist dieser

Unterschied begründet?

6. Blockade der synaptischen Verbindungen zwischen Lamina und

Rezeptor

Um das eigentliche Rezeptorpotenzial sichtbar zu machen, wird der Fliege ein

Tropfen 2%-ige Procainlösung mit Hilfe einer Injektionskanüle in die hintere

Kopfkapselwand appliziert. Von dort diffundiert die Lösung zu den optischen

Ganglien.

Registrieren sie die Veränderungen des ERG's. Speichern Sie die Daten für Ihr

Protokoll. Erklären Sie die Vorgänge (vgl. Absatz 2. Exkurs: Das Elektroretino-

gramm der Fliege).

7. Latenzzeit des Rezeptorsummenpotenzials beim procainbehandelten

Präparat (Wahlaufgabe)

Die Gesamtzeit für alle Sehfarbstoffreaktionen und den nachfolgenden

Erregungsvorgängen an der Membran bis zum Auftreten des Rezeptorpotenzials

nennt man Latenzzeit. Bestimmen Sie bei Weißlicht bei verschiedenen

Intensitäten die Latenzzeit des Rezeptorpotenzials. Spreizen Sie dazu die x-

Achse entsprechend. Wie unterscheiden sich die Ergebnisse bei verschiedenen

Intensitäten? Warum?

Untersuchen Sie die Latenzzeit für violett (420 nm) und rot (660 nm).

Wählen Sie die Lichtintensität so, dass Sie vergleichbare ERG-Amplituden

erhalten.

ERFOLGSKONTROLLE

Nach diesem Praktikumsteil sollten Sie in der Lage sein:

zu beschreiben, welche Eigenschaften das Rezeptorpotenzial kennzeichnet,

wie es sich vom Aktionspotenzial unterscheidet, wie sich eine intrazelluläre

Ableitung von einer extrazellulären Ableitung unterscheidet,

die Beziehung zwischen Reiz, Rezeptorpotenzial und Impulsfolgefrequenz

wiederzugeben,

die im Kurs verwendeten Messmethoden zu beschreiben,

den Entstehungsmechanismus des diphasischen Fliegen-ERG's zu erläutern

und anzugeben, welche Komponenten daran beteiligt sind,

eine Möglichkeit anzugeben, die Komponenten des ERG's zu trennen, um

das Rezeptorsummenpotenzial darzustellen,

zu erläutern, was man unter der Kennlinie eines Rezeptors versteht und

einige verschiedene Kennlinienverläufe anzugeben,

die Unterschiede in der Spektralempfindlichkeit zwischen Insekten und

Menschen aufzuzeigen und ihre Ursachen zu nennen,

die im Kurs gemessenen Kurvenverläufe zu skizzieren,

zu beschreiben, wovon das räumliche Auflösungsvermögen des Menschen

und der Fliege abhängt und die ungefähren Werte angeben zu können,

das ungefähre zeitliche Auflösungsvermögen von menschlichem Auge und

Fliegenauge zu nennen und zu erläutern, wie es sich bei geringerer oder

größerer Beleuchtungsstärke verhält,

die Unterschiede im zeitlichen Auflösungsvermögen beim Menschen

zwischen Fovea und Peripherie erläutern zu können und

den prinzipielle Aufbau vom menschlichem Auge und vom Insektenauge

darzustellen und die Funktion der einzelnen Komponenten zu erläutern.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 51

4. P S Y C H O P H Y S I K, A U G E N B E W E G U N G E N

und R E F L E X E

Psychophysik

Die Psychophysik ist die Lehre von der

Quantifizierbarkeit von Wahrnehmungsleistungen und

etwa erst 150 Jahre alt. Als ein Begründer der modernen

Psychophysik gilt G.T. Fechner der als Physiker die

exakten Messmethoden der Physik für die Wahr-

nehmungsforschung nutzbar machte. Bis dahin widmete

man sich der Wahrnehmung v. a. philosophisch bzw.

durch die Introspektion. Die Grundidee der Psychophysik

ist die, einen Probanden nach seiner Empfindung zu

physikalisch exakt definierten Reizen zu befragen. Da

keine direkten Messungen vorgenommen werden können

und immer Proband oder Versuchstier über ihre

Empfindung Auskunft geben müssen, wird diese Mess-

methodik als subjektive Sinnesphysiologie bezeichnet.

Dem gegenüber steht die objektive Sinnesphysiologie, bei der Erregungen von

Zellen oder Rezeptoren gemessen werden (z.b. Insekten ERG). Am heutigen

Kurstag werden Sie Schwellenmessungen für das menschliche Hören erheben.

Reflexe

Bestimmte Reize führen zu einer direkten motorischen

Reaktion. Dieser Zusammenhang zwischen Reiz und

Reaktion wird als Reflex be-schrieben. Unwillkürliche,

mit kurzer Latenz ab-laufende Reflexe spielen

besonders für die Regulation der Körperhaltung und

die Orientierung im Raum eine große Rolle.

Beispielhaft wird im Praktikum der

Patellarsehnenreflex unter-sucht.

THEORETISCHE VORAUSSETZUNGEN

Folgende Kenntnisse aus der Vorlesung "Einführung in die Tierphysiologie" und

aus den Lehrbüchern werden für die sinnvolle Durchführung der Versuche be-

nötigt und daher vorausgesetzt:

Grundlagen der Psychophysik: Sinnesmodalität, Reizqualität, Reizintensität,

adäquater Reiz, absolute Schwelle, Unterschiedsschwelle, Weber-Fechner-

Gesetz, Stevens'sche Potenzfunktion, Forced-Choice Paradigma.

Physikalische Grundlagen: Schallwellen, Schalldruck, Dezibel (dB) als Maß-

einheit, dB SPL, Frequenz, Oktave, spektrale Zusammensetzung von

Schallereignissen (Ton, Klang, Geräusch).

Grundlagen der Hörphysiologie: Aufbau des Ohres beim Menschen,

Frequenzrepräsentation in der Cochlea, Schalldruckpegel, Lautstärke,

Lautheit, Phon, dB(A), Verlauf der menschlichen Hörschwelle,

Wanderwellentheorie (Georg von Békésy) Hauptsprachbereich,

Richtungshören - Bedeutung von Laufzeit- und Schalldruckunterschieden an

den beiden Ohren, horizontale und vertikale Schallokalisation.

Motorische Rückenmarksreflexe: Elemente des Kniesehnenreflexes, Aufbau

des Rückenmarks, afferente und efferente Bahnen sowie spinale

Interneurone (Transmitter), Muskelspindeln und ihre efferente Kontrolle,

monosynaptische und polysynaptische Reflexe, Eigenreflex, Fremdreflex,

Regelung durch negative Rückkopplung.

Augenbewegungen: extraokuläre Muskeln, Hirnnerven, Gleichgewichtssinn,

Innenohr, Retina, visueller Kortex, extrastriärer Kortex, Sakkaden,

elementare Bewegungsdetektoren, Bewegungssehen, bedingter und

unbedingter Reflex

LITERATUR

SCHMIDT/THEWS -- Physiologie des Menschen, Springer. Behandelt in hervor-

ragender Weise alle für diesen Versuch nötigen theoretischen Grundlagen

SILBERNAGL/DESPOPOULOS: Taschenatlas der Physiologie

HANDWERKSZEUG

Protokollheft

Schreibzeug

weite Beinkleidung für Kniesehnenreflex

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 53

VERSUCHSTEIL I : PSYCHOPHYSIK

Experiment Ia: Bestimmung der absoluten Hörschwelle des Menschen

Der Versuchsperson wird bei verschiedenen Frequenzen ein Dauerton mit

variablem Schalldruck (dB) vorgespielt. Bei jeder gemessenen Frequenz wird der

Schalldruckpegel notiert, bei dem ein Ton gerade gehört werden kann. Dadurch

wird die Hörkurve des Probanden ermittelt.

Versuchsdurchführung:

Mit dem Hörschwellenmessgerät wird ein Sinuston variablen Schalldruck-

pegels und variabler Frequenz erzeugt und auf einem Kopfhörer ausgegeben, den

die Versuchsperson trägt.

Bestimmen Sie bei jeder Frequenz den Schwellenwert durch eine adaptive

„staircase-Prozedur“. Dazu verändern Sie bei konstanter Frequenz den Schall-

druckpegel zunächst in groben Schritten so lange, bis Sie den Schwellenbereich

für die jeweilige Frequenz gefunden haben. Dazu erhöhen Sie den SPL, wenn der

Ton nicht gehört wird, und erniedrigen den SPL, wenn der Ton gehört wird.

Engen Sie diesen Bereich weiter ein, indem Sie mit feinerer SPL-Änderung die

Schwelle besser bestimmen. Ermitteln Sie nun den genauen Wert, indem Sie in 1

oder 0.5 dB-Schritten leiser bzw. wieder lauter stellen, und notieren Sie den

Wert, bei dem die Versuchsperson den Ton gerade noch wahrnimmt. Gehen Sie

dabei folgendermaßen vor: Antwortet Ihre Versuchsperson zweimal hin-

tereinander korrekt, so verringern Sie den Schalldruckpegel. Antwortet Ihre

Versuchsperson einmal falsch, erhöhen Sie ihn wieder. Notieren Sie den

niedrigsten SPL für diese Frequenz, bei welcher die Versuchsperson gerade noch

2 mal korrekt geantwortet hat.

Achten Sie auch darauf, dass die Versuchsperson schnell und ohne zu

überlegen antwortet. Stellen Sie im Interesse der Versuchsperson vor jedem

Frequenzwechsel den Schalldruckpegel auf einen niedrigen dB-Wert ein.

Stellen Sie nun die Frequenz auf ca. 20 kHz und höchsten Schalldruck (etwa

80 dB) ein. Erniedrigen Sie nun langsam die Reizfrequenz. Welche höchste

Frequenz kann unter den gegebenen Versuchsbedingungen gerade noch gehört

werden?

Technische Anleitung zur Messung der Hörschwelle

Achtung: nach Versuchsende unbedingt den Kopfhörer ausstecken!!

Menüschalter A (gelb)

Menüschalter B (blau)

Das Gerät wird eingeschaltet, indem der Kopfhörer seitlich eingestöpselt wird.

Durch Drücken des Menüschalters A kann zwischen folgenden Menüs

gewechselt werden.

Menü 1 Pulsetime

Mute Ch

Bestimmt die Dauer des Testtons. Die Einstellung „None“ bewirkt einen Dauerton. Zur Bestimmung der Hörschwelle stellen Sie einen Sinuston mit einer Tonlänge von 500ms ein

(außer bei oberer Hörschwelle, s. Skript). Auf „Right“ stellen: Nur ein Ohr messen

Menü 2 Light

Für das Display kann ein Licht eingeschaltet werden Headphone bleibt auf 84 SPL/V

Menü 3 Frequenz

Lautstärke

Die Lautfrequenz wird verändert

Der Schalldruckpegel wird verändert

In jedem Menü können Werte verändert werden. Dazu betätigt man die

Drehscheibe. Die Position des Pfeils wird mit dem Menüschalter B verändert.

Auf Wunsch kann die Auswertung der Experimente mit Excel erfolgen. Hierzu

steht ein Rechner zur Verfügung. Tabellen, in die Sie Ihre Messdaten eintragen

sind vorbereitet. Die Abbildungen bzw. Tabellen können auf einem USB-Stick

mitgenommen werden.

Achten Sie bitte darauf, dass die Versuchsperson das Display des Hörschwellen-

messgeräts nicht sieht. Die Versuchsperson kann z.B. durch Handzeichen an-

geben, ob der Ton gehört wurde.

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TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 55

Ermitteln Sie die Hörschwellen (in dB) für folgende Frequenzen:

Frequenz Schalldruckpegel

1 kHz

500 Hz

200 Hz

100 Hz

50 Hz

20 Hz

Stellen Sie zu Beginn der nächsten Messung den Schalldruck wieder auf etwa 0dB!!!

Frequenz Schalldruckpegel

2 kHz

5 kHz

10 kHz

15 kHz

Bestimmung der höchsten, wahrnehmbaren Frequenz

Stellen Sie einen Dauerton (Pulsetime „none“) auf den Schalldruck von 80 dB

ein, die Frequenz auf über 20 kHz. Welches ist die höchste, wahrnehmbare

Frequenz für die Versuchsperson? Ermitteln sie diesen Wert durch Veränderung

der Frequenz.

Kopfhörer ausstecken!

Auswertung:

Tragen Sie die auf diese Weise gemessene Schwellenkurve graphisch über

einer logarithmischen Frequenzskala auf. Ergänzen Sie diese Abbildung durch

den Verlauf der durchschnittlichen menschlichen Hörschwellenkurve (z.B. aus

Lehrbuch). Tragen Sie auch Ihre obere Hörgrenze (höchste wahrgenommene

Frequenz) in das Audiogramm ein.

Experiment Ib: Akustische Richtungslokalisation

- Bestimmung der binauralen Zeitdifferenzschwelle

Um die horizontale Richtung einer Schallquelle zu bestimmen, benutzt der

Mensch (bei Frequenzen über ca. 1 kHz) sowohl die Intensitäts- als auch die

Laufzeitunterschiede, welche der Schall beim Auftreffen auf die beiden Ohren

hat. Im folgenden Versuch soll geklärt werden, wie gering diese Unterschiede

sein können, damit sie immer noch als Abweichung von der Vorausrichtung em-

pfunden werden, und wie die relative Gewichtung der beiden Parameter

Schalldruckunterschied und Laufzeitdifferenz für die Richtungsempfindung ist.

Für diese Messungen steht Ihnen eine Messapparatur zur Verfügung, mit der

für einen binauralen Reiz der Zeitversatz (in µs) zwischen rechtem und linkem

Ohr sowie (für 2. Versuchsteil) die Schalldruckpegeldifferenz (dB) eingestellt

werden kann. Der Reiz für das rechte Ohr wird jeweils konstant gehalten, der

Reiz für das linke Ohr variiert. Die Zeitverzögerung des Reizes auf dem rechten

Ohr beträgt konstant 1000 µs und der relative Schalldruckpegel 0 dB. Die Zeit-

verzögerung des linken Reizes kann eingestellt werden; der Schalldruckpegel auf

dem linken Ohr kann in Schritten von 1.5 dB relativ zum rechten Ohr variiert

werden.

Versuchsdurchführung:

Über einen Kopfhörer wird ein Klickreiz auf beiden Ohren gegeben. Der Klick ist

auf beiden Ohren gleich laut, die Schalldruckpegeldifferenz wird dazu konstant

auf 0 dB eingestellt. Variiert wird der relative Zeitversatz des Klickens zwischen

den beiden Ohren, er wird auf dem linken Ohr in Schritten von 20 µs zwischen -

100 µs und +100 µs relativ zum rechten Ohr eingestellt (links eingestellte,

absolute Zeitverzögerung 900 µs – 1100 µs). Die Versuchsperson muss benen-

nen, ob sie den Klicklaut "rechts" oder "links" gehört hat, die Angabe "Mitte" ist

nicht zugelassen ("forced choice"). Versuchen Sie, die Messung schnell

durchzuführen; die Versuchsperson sollte nicht lange überlegen. Es werden in

zufälliger Reihenfolge Klickreize mit den genannten Zeitdifferenzen vorgespielt,

bis für jede angegebene Zeitdifferenz 10 Messwerte ("rechts" oder "links")

vorliegen.

Technische Anleitung zur binauralen Zeitdifferenzschwelle (Abb. s. nächste Seite).

Netzstecker bitte einstöpseln.

Mit diesem Gerät können Sie kontrolliert Klicklaute für das rechte bzw. linke Ohr

erzeugen. Durch Einstellung der Zeitverzögerung verändern Sie immer nur den Reiz für

das rechte Ohr, der Reiz für das linke Ohr bleibt jeweils konstant. Dieser wird mit einer

Zeitverzögerung von 1000µSekunden präsentiert.

Achten Sie bitte darauf, dass die Versuchsperson die Einstellungen am Reizgerät nicht

sehen kann. Die Reize sollten in zufälliger Reihenfolge präsentiert werden.

Achtung: Den Kopfhörer richtig aufsetzen, 900 µs sollte rechts empfunden werden. SPL

auf 0 dB stellen.

Der Kippschalter oben links muss auf „leise“ eingestellt sein. In den Zahlfeldern in denen

der Schalldruckpegel angezeigt wird, können nur ganze Zahlen dargestellt werden.

Betätigt man den „+-Schalter“, so erhöht sich der Schalldruck jeweils um 1.5dB. Die

Nachkommazahl wird durch die kleine rote Lampe angegeben.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 57

LED: leuchtet beim

Klicken

Zeitverzöge-

rung linker Klicklaut

Antwort der Versuchsperson

Summe

Antwort „rechts“

Summe

Antwort „links“

Zeit in µs 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

900

920

940

960

980

1000

1020

1040

1060

1080

1100

Pulsgeber: Mit diesem Knopf wird Klicklaut ausgelöst

Rotes Lämpchen (zeigt Nachkommastelle 0.5dB )

N

Rädchen, mit denen die Zeitverzögerung des rechten Lautsprechers eingestellt wird (1000 µs = Mitte)

Erhöht bzw. erniedrigt den Schalldruck um jeweils 1.5 dB dB

Auswertung:

Tragen Sie für jede Zeitdifferenz die relative Häufigkeit der beiden Richtungen

in eine Abbildung ein. Der Wert, bei dem sich die beiden Kurven schneiden (beide

Richtungen werden mit 50% Häufigkeit genannt), wird als subjektive Mitte

bezeichnet. Wodurch können Abweichungen der subjektiven Mitte von der

tatsächlichen Mitte verursacht werden?

Als Detektionskriterium bzw. Schwelle in Versuchen dieser Art ist es üblich,

die Mitte zwischen „keine Richtung“ (also Mitte, bzw. 50% Wahl rechts = Wahl

links) und 100% richtige Erkennung der Richtung zu verwenden. Das ist bei

diesem speziellen Versuchstyp (forced choice mit 2 Alternativen) der Wert, bei

dem die Häufigkeitskurve den 75%-Wert erreicht. Stellen Sie anhand Ihrer

Messergebnisse fest, bei welcher Zeitdifferenz diese Bedingung für die beiden

Richtungen erfüllt ist. Die binaurale Zeitdifferenzschwelle entspricht dem Abstand

des 75%-Wertes zur subjektiven Mitte.

Bilden Sie zur Bestimmung der binauralen Zeitdifferenzschwelle den

Mittelwert aus dem Betrag der Abweichungen für beide Richtungen (Es gibt dazu

ein Excel-Skript: berechnet die Kurven in beide Richtungen symmetrisch).

Welchem Winkel zur Vorausrichtung entspricht dieser Verzögerungswert? (Der

durchschnittliche Ohrabstand beim Menschen beträgt 20 cm, die

Schallgeschwindigkeit in Luft 330 m/s.)

Vergleichen Sie die so berechneten Werte mit Angaben in der Literatur, und

diskutieren Sie evtl. auftretende Unterschiede.

Abbildung oben: Beispielkurven zur Auswertung der Zeitdifferenzschwelle. Aufgetragen sind die

Häufigkeiten mit denen die VP sich für rechts (nach rechts steigende Kurve) bzw. links entschieden

hat (von links fallende Kurve). Als subjektive Mitte wird der Schnittpunkt beider Kurven bezeichnet

(hier: Wahl für jede der beiden Richtungen = 50%). Die Zeitdifferenzschwelle ist der Prozent-Wert,

welcher sich genau in der Mitte zwischen diesem Schnittpunkt (50%) und der 100% korrekten

Wahl befindet, also die Zeitdifferenz zwischen der subjektiven Mitte und dem Schnittpunkt einer

der beiden Kurven mit dem 75%-Schwellenkriterium.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 59

Experiment Ic: Die relative Bedeutung von Schalldruck- und

Laufzeitunterschieden für das Richtungshören beim Menschen ("trading"-Messung)

Da sowohl Schalldruckunterschiede als auch Laufzeitunterschiede zur

Ermittlung der horizontalen Richtung einer Schallquelle benutzt werden, lässt

sich die relative Bedeutung der beiden Faktoren im Versuch dadurch bestimmen,

dass man sie gegenläufig verändert und damit einen künstlichen "Mitte"-Eindruck

erzeugt (eine unabhängige Veränderung von Laufzeit und SPL für beide Ohren ist

mit natürlichen Schallquellen nicht möglich)

Versuchsdurchführung:

Wählen Sie 5 geeignete Verzögerungswerte aus und verändern Sie bei jeweils

festgehaltener Verzögerung den Schalldruckpegelunterschied so lange, bis die

Reizrichtung als "Mitte" empfunden wird. Führen Sie diese Messung 5 mal durch.

Stellen Sie die Verzögerungswerte ein, und verändern Sie den Schalldruckpegel

so lange, bis die Reizrichtung als „Mitte“ empfunden wird. Führen Sie jede

Messung 5mal durch. Die Versuchsperson soll die Einstellungen am Reizgerät

nicht einsehen können.

Zeitver-

zögerung

Schalldruckpegel bei der Empfindung „Mitte“

1. Mess. 2. Mess. 3. Mess. 4. Mess. 5. Mess. Mittelwert

1 850

2 900

3 1000

4 1100

5 1150

Auswertung:

- Tragen Sie die gefundenen Wertepaare, die sich im Eindruck kompensieren, in

ein X-Y-Diagramm ein. X-Achse: Laufzeitunterschied, Y-Achse: SPL der

notwendig war, um Laufzeitunterschied zu kompensieren.

- Legen Sie eine Ausgleichsgerade durch die Messwerte und berechnen Sie den

Kompensationsfaktor bzw. die „trading-ratio“ (μs/dB).

VERSUCHSTEIL II: REFLEXE

Dehnungsreflexe und Vestibularreflexe sind ganz wesentlich an der Kontrolle

unserer Körperhaltung unter wechselnden Einflüssen beteiligt. Im Folgenden wird

eine vergleichende Messung des Kniesehnenreflexes durchgeführt.

Experiment IIa: Messung der Bruttoreflexzeit des Patellarsehnenreflexes

Dehnungsreflexe ermöglichen bereits auf spinalem Niveau und ohne die

Notwendigkeit von Willkürbewegungen die Kompensation von Störungen einer

stabilen Position. Dehnungsreflexe lassen sich in der klinischen Praxis leicht und

reproduzierbar auslösen und sind damit eine wichtige neurologische

Untersuchungsmethode. Mit einem Reflexhammer wird durch einen leichten

Schlag auf die entsprechende Sehne der Muskel gedehnt und damit eine

Reflexkontraktion ausgelöst. Z.B. beim Kniesehnenreflex (Patellarsehnenreflex)

führt ein Schlag auf die Sehne unterhalb der Kniescheibe zu einer Kontraktion

des Streckers im Oberschenkel und damit zum Heben des unbelasteten

Unterschenkels. An dieser Reaktion lassen sich die Eigenschaften eines

monosynaptischen, spinalen Reflexes gut beschreiben. Als Maß für die Stabilität

eines solchen Reflexes lässt sich die Varianz der Reflexzeit verwenden.

Modulierende Einflüsse durch andere motorische Aktivitäten können ebenfalls

anhand der Reflexzeit nachgewiesen werden.

Die Bruttoreflexzeit ist der Zeitraum zwischen dem Einfluss eines Reizes und

dem Beginn der hierdurch ausgelösten motorischen Reaktion. Sie umfasst also

die Zeiten, die für die sensorische Verarbeitung, Erregungsleitung, Verschaltung

im ZNS und die Muskelkontraktion nötig sind. Am Beispiel des

Patellarsehnenreflexes (PSR) soll diese Reflexzeit unter verschiedenen

Randbedingungen untersucht werden.

Die Messung der Bruttoreflexzeit des PSR erfolgt durch eine elektronische

Stoppuhr. Die Uhr wird durch den Schlag mit dem Reflexhammer auf die Sehne

gestartet (getriggert) und durch die reflektorische Bewegung des Unterschenkels

wieder gestoppt.

Versuchsdurchführung:

Die Versuchsperson sitzt entspannt auf einem hohen Stuhl oder Tisch; der

Unterschenkel muss frei hängen. Schließen Sie nun den elektrischen Zeitnehmer

an. Hierzu muss die Versuchsperson an der Hand geerdet werden (elektrische

Verbindung mit der schwarzen Buchse des Zeitnehmers). Hinter ihrer

Ferse/Achillessehne wird ein Stativ mit einem Elektrokontakt so aufgestellt, dass

der Kontakt zwischen Ferse und Stativ in Ruhestellung geschlossen ist

(Verbindung mit der blauen Buchse des Zeitnehmers). Der Reflexhammer wird

mit der gelben Buchse des Zeitnehmers verbunden. Das Knie muss für den

elektrischen Kontakt mit dem Hammer frei sein.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 61

Drücken Sie vor jeder Messung den "Reset"-Knopf. Der Zeitnehmer wird

genullt und die "Ready"-Lampe leuchtet, wenn ein guter Kontakt an Erdung und

Ferse besteht. Mit einem leichten Schlag auf die Patellarsehne lösen Sie den

Reflex aus. Durch den Reflexhammer wird zu diesem Zeitpunkt der Zeitnehmer

gestartet; die Zeit zwischen Hammer“schlag“ und Bewegung des Beines wird

gemessen. Diese Zeit nennt man die Bruttoreflexzeit.

Führen Sie die folgenden Messung jeweils 16 mal durch.

1. Bestimmen Sie die Bruttoreflexzeit in Ruhe. Die Versuchsperson sollte

hierzu entspannt sitzen.

2. Bestimmen Sie die Bruttoreflexzeit bei Belastung. Die Versuchsperson

spannt einen Expander. Während der Spannung wird der Reflex ausgelöst.

3. Messen Sie die Reaktionszeit für eine bewusst ausgelöste Bewegung des

Unterschenkels. Dazu wird das Knie seitlich nur leicht mit dem

Reflexhammer berührt und die Versuchsperson streckt das Bein, sobald sie

diese Berührung spürt (Augen zu!).

Technische Durchführung:

1. Auf die Ferse und die Spitze des Hammers Elektrodenpaste auftragen. Dies muss

im Verlauf des Experiments evtl. wiederholt werden.

2. Die Versuchsperson nimmt das schwarze Kabel in die Hand. Ist der Kontakt gut,

leuchtet nach Drücken des Reset-Knopfes die „Ready“- Lampe auf. Falls das nicht

der Fall ist muss der Kontakt verbessert werden: ggf. mehr Elektrodenpaste

verwenden, ggf. Schleifpapier verwenden. Nochmals Reset drücken.

3. Die folgenden drei Versuchen 16 mal durchführen und die Reaktionszeiten

aufschreiben. Vor jeder Messung muss Ready leuchten. Versuchsbeschreibung s.o.

Versuch 1: Bruttoreflexzeit des Kniesehnenreflexes in Ruhe

Versuch 2: Bruttoreflexzeit bei Belastung

Versuch 3: Reaktionszeit bewusste Bewegung

4. a. Elektrodenpaste bitte wegputzen

b. Kniesehnenreflexkästchen ausschalten und an das Ladegerät hängen

Messung Versuch 1 Versuch 2 Versuch 3

Zeiten Rang

Vgl. Ve. 2

Rang

Vgl. Ve. 3 Zeiten

Rang

Vgl. Ve. 1 Zeiten

Rang

Vgl. Ve. 1

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

Mittelwert

Rangsum. Rangsum. Rangsum. Rangsum.

Standard-

abweichung

Kniesehnenreflexkästchen ausschalten und an Ladegerät hängen!

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 63

Auswertung:

Berechnen Sie für jede der drei Messungen jeweils den Mittelwert und die Standardabweichung. Die Standardabweichung ist (i.A.) ein stabiles Maß für die

Schwankungen eines Messwertes. Eine kleine Standardabweichung besagt also, dass ein Messwert sehr reproduzierbar ist.

Überprüfen Sie mit einem geeigneten statistischen Testverfahren (Wilcoxon-Test,

s.u.), ob sich die gemessenen Reaktionszeiten (1) beim Reflex in Ruhe und unter

Belastung bzw. (2) beim Reflex in Ruhe und bei willkürlicher Bewegung

signifikant voneinander unterscheiden.

Der Wilcoxon-Test (anderer Name: Man-Whitney-U-Test) ist ein

statistischer Test, der unabhängig von der Verteilung der Daten verwendet

werden kann (im Gegensatz zum t-Test, bei welchem oft Normalverteilung

vorausgesetzt ist). Wenn z.B. die Belastung in unserem Experiment keinen

systematischen Einfluss auf die Reflexzeit hat, dann erwartet man, dass die

beiden Mittelwerte ähnlich sind; exakt gleich werden sie nie sein, das wäre ein

großer Zufall. Wenn aber die Belastung einen systematischen Einfluss hat, dann

sollten die beiden gemessenen mittleren Reflexzeiten signifikant verschieden

sein, nach statistischer Testung also mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit < 5%

bzw. < 0.05.

Beim Wilcoxon-Test werden die beiden zu vergleichenden Datensätze (à

16 Daten) „in einen Topf geworfen“, dann bekommen sie gemeinsame Ränge (im

Beispiel von Rang 1 bis Rang 32). D.h., die niedrigste Reaktionszeit der beiden

Datensätze bekommt den Rang 1, die nächstniedrigste den Rang 2, usw., die

längste Reaktionszeit den Rang 32.

Wenn zwei Reaktionszeiten gleich sind: z.B. 193 ms hat den Rang 4, dann

kommen die Zeiten 196 ms und 196 ms. In diesem Fall sollen auf die beiden

Werte die Ränge 5 und 6 verteilt werden, dies macht man, indem man die zu

vergebenden Ränge mittelt, und den mittleren Rang (5.5 in diesem Beispiel)

jedem der beiden Reaktionszeiten zuweist.

Wenn 3 oder mehr Reaktionszeiten gleich sind: Man verfährt analog, d.h.

man mittelt die 3 oder mehr Ränge, und weist jedem der Messwerte den

gemittelten Rang zu.

Wenn man die beiden Rangsummen vergleicht, dann sollten diese fast

gleich sein, wenn sich die Mittelwerte nicht systematisch unterscheiden. Im

Beispiel hat man 32 Werte in einen Topf geworfen, Ränge von 1 bis 32 vergeben,

deren Summe ergibt 528. (Probe: die Summe der beiden Rangsummen im

Vergleich sollte 528 sein). Bei exakter Gleichheit erwartet man also eine

Rangsumme von 264 für jede der beiden Gruppen (da in jede Gruppe gleich viele

Werte eingehen). Exakte Gleichheit findet man in der Realität fast nie vor, d.h.

es gibt immer kleine Rangsummenunterschiede. Bis zu einer Grenze von 212-

316 nimmt man an, dass diese Unterschiede nicht signifikant sind

(Nullhypothese). Wenn aber eine der Rangsummen außerhalb dieses kritischen

Bereichs liegt, dann nimmt man einen signifikanten Unterschied an

(Alternativhypothese). Die Irrtumswahrscheinlichkeit ist in diesem Fall 0.05 (oder

5%). Bemerkung: die Grenze 212-316 gilt nur für den Fall von genau je 16

Datenpunkten in jeder Gruppe, sie wurde also für diesen Praktikumsversuch aus

der Tabelle entnommen.

Interpretieren Sie das Ergebnis!

VERSUCHSTEIL III Augenbewegungen

Zu Beginn des 20. Jahrhundert wurde eine erste, mittlerweile klassisch

gewordene Einteilung der Augenbewegungen eines Menschen in 5 verschiedene Klassen vorgenommen (Dodge 1903):

1) Sakkaden: schnelle, ruckartige Augenbewegungen, die den Blick von einem zum anderen Fixationsziel bringen.

2) Glatte Augenfolgebewegungen: Augenbewegungen, die in ihrer Geschwindigkeit exakt an die Geschwindigkeit eines bewegten Objekts angepasst sind. Diese Augenbewegungen führen dazu, dass das retinale Bild eines bewegten Objekts stationär in der Fovea zentralis ruht.

3) Vestibulo-okulärer Reflex (VOR): Die Bewegung des Kopfes führt zu einer Stimulation des Gleichgewichtsorgans im Innenohr, was wiederum zu einer stabilisierenden Augenbewegung führt. Das heißt, die Bewegung der Augachsen gleicht exakt die Bewegung des Kopfes aus, der Blick im Raum bleibt somit stationär.

4) Optokinetischer Reflex (OKR): Bewegen sich große Anteile des Gesichtsfeldes kohärent, d.h. mit identischer Geschwindigkeit und gleicher Richtung, unter natürlichen Umständen geschieht dies nur bei Eigenbewegung, so werden ebenfalls kompensatorische Augenbewegungen ausgelöst, die das Bild der bewegten Umwelt auf der Retina stabilisieren.

5) Vergenzbewegungen: Werden Blickziele in unterschiedlicher Tiefe im Raum fixiert, so müssen Augenbewegungen ausgeführt werden, die den Winkel zwischen den Sehachsen des linken und des rechten Auges ändern.

Diese Einteilung der Augenbewegung war rein phänomenologisch bedingt, wesentlich sinnvoller erscheint es heute, einen funktionalen Aspekt zu berücksichtigen und deshalb die Augenbewegungen in blickstabilisierende und blickführende Bewegungen einzuteilen. Zu den stabilisierenden Augenbewegungen kann der OKR und VOR gezählt werden, die blickführenden Bewegungen setzen sich aus Sakkaden, Glatten Folgebewegungen und Vergenzbewegungen zusammen. Versuchsaufbau

Es steht ein Infrarot-Messystem (IRIS) zur Aufzeichnung der horziontalen und vertikalen Position des Auges einer Versuchsperson zur Verfügung. Das Prinzip der Infrarot-Okulographie ist in der Abbildung 5 gezeigt. Es wird infrarotes Licht auf das Auge einer Versuchsperson gestrahlt und aus der Intensität der Reflexion an zwei verschiedenen Punkten kann die Position des Blickes bestimmt werden. Aus Gründen der Einfachheit wird lediglich die horizontale Position des linken Auges gemessen.

TIERPHYSIOLOGISCHER KURS BIOINFORMATIK SS 2016 65

Abb. 5: Grundprinzip der Infrarot-Okulographie

Um reflektorsiche Augenbewegungen auszuschließen, die aus einer möglichen Kopfbewegung resultieren würden, wird der Kopf der Versuchsperson durch eine Kinnauflage sowie durch ein Stirnbrett immobilisiert. Ein Bildschirm befindet sich in 57 cm (warum gerade 57?) Entfernung vor der Versuchsperson, über den die visuelle Stimulation erfolgt. Der Ausgang des IRIS Systems ist einmal mit einem Oszilloskop verbunden und gleichzeitig mit dem Analog-Digital-Konverter eines Computers verbunden. 1. Linearität der IR-Okulographie

Auf dem Bildschirm wird an definierten Positionen ein weißer Punkt präsentiert (Programm CAL). Der rote Punkt repräsentiert die Position des Blickes. Durch eine geeignete Einstellung des Verstärkungsfaktors sowie

der Nullposition muss die Apparatur zunächst geeicht werden.

Oszillator Spannungsquelle

Tiefpass-Filter

Bandpass-Filter

IR-Sender

IR-Empfänger

Augenposition

Abb. 6: Bedienungselemente des IRSI Systems. 6: Einstellung der Verstärkung, 7: Einstellung der Nulllage, 8: Wählschalter für horizontale oder vertikale Blickposition, 9: grobe Positionsanzeige

Nach erfolgter Kalibrierung wird das horizontale und vertikale

Ausgangssignal für je 5 verschiedene Zielpositionen im Bereich zwischen 0 und 10° links, rechts, oben und unten in Grad Sehwinkel protokolliert. Gibt es ein Übersprechen zwischen vertikaler und horizontaler Position? Wie gut ist die Linearität der Messung? Tragen Sie dazu die Messwerte in ein x-y-Diagramm und berechnen Sie eine lineare Regression. 2. Glatte Augenfolgebewegungen

Das räumliche Auflösevermögen ist sehr unterschiedlich für die verschiedenen Bereiche des Gesichtsfeldes. Nur in der Fovea ist die Auflösung in der Größenordnung von etwa 60 Linien pro Grad. Bewegt sich ein Objekt, so sollten unsere Augen in der Lage sein, dieser Bewegung zu folgen. Das Programm FOLGE bietet eine Reihe von periodischen Zielbewegungen, die als Blickziel einer Versuchsperson dienen können. Dokumentieren Sie die Augenbewegungen in dieser Situation. Wie sieht die Initiierung der Folgebewegung aus? Bitten Sie die Versuchsperson, eine langsame Augenbewegung ohne einen bewegten Stimulus auszuführen. Wie sehen die Augenbewegungen in dieser Situation aus.

Können diese Augenbewegungen auch dann ausgeführt werden, wenn sich das Ziel vor einem strukturierten Hintergrund bewegt? Die Augenbewegung selbst führt zu einer Bewegung des retinalen Bildes des Hintergrund entgegengesetzt zur Blickfolgebewegung.

Bestimmen Sie den Frequenzgang der Augenfolgebewegungen. Messen Sie dazu die Augenbewegungen bei verschiedenen Frequenzen und bestimmen Sie zur Quantifizierung der Güte der Folgebewegung das Fehlerintegral (d.h. die Summe der Abweichung der Augengeschwindigkeit von der Zielgeschwindigkeit).

Frage für das Protokoll: Nehmen Sie an, dass die Augenbewegungen tatsächlich exakt der Zielbewegung entsprechen. Dies hat zur Folge, dass sich das Bild des Zieles auf der Retina nicht mehr bewegt. Wird in dieser Situation die subjektive Wahrnehmung von der retinalen Bildverschiebung bestimmt? 3. Sakkaden

Sakkaden sind sehr schnelle ruckartige Augenbewegungen zwischen zwei Fixationsphasen. Sie werden auch als „visueller Greifreflex“ bezeichnet. Dieser Begriff deutet die reflex-ähnliche Eigenschaft dieser Augenbewegungen an. Messen Sie mit einem geeigneten Messprogramm diese Augenbewegungen und analysieren Sie ihre Latenz. Ist die Latenz einer Sakkade abhängig von der Position des Ziels? Vergleichen Sie die sakkadische Latenz mit der Latenz des Kniesehnenreflexes.

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4. Augenbewegungen beim Lesen Beim Lesen führen wir ein sehr gut zu beschreibendes Augenbewegungsmuster aus. Wie sieht dieses Muster aus, wie lässt es sich erklären? Gibt es Abhängigkeiten des Augenbewegungsmusters von Eigenschaften des Textes?

ERFOLGSKONTROLLE

Nach diesem Praktikumsteil sollten Sie in der Lage sein, - den Unterschied zwischen Lautstärke und Schalldruck zu erklären,

- zu erklären, was ein Schallereignis physikalisch ist,

- den Unterschied zwischen Sinnesmodalität, Reizqualität und Reizintensität zu erklären,

- den Verlauf der menschlichen Hörschwelle zu skizzieren,

- die Maßeinheiten "dB SPL" und "Phon" zu definieren,

- das Verfahren zur Messung der Hörschwelle anzugeben,

- den Frequenzbereich des menschlichen Hörens anzugeben,

- den Hauptsprachbereich anzugeben,

- anzugeben, welche Kurvenform sich beim intermodalen Intensitätsvergleich in einer psychophysischen Messung ergibt,

- anzugeben, welche Parameter der Mensch zur horizontalen Richtungslokalisation verwendet,

- anzugeben, wie groß die Zeitdifferenzschwelle beim Menschen ist,

- ein Messverfahren anzugeben, mit dem die relative Bedeutung von Laufzeit- und Schalldruckunterschieden für das Richtungshören bestimmt werden kann,

- die Elemente eines monosyptischen Reflexkreises am Beispiel des Patellarsehnenreflexes zu nennen,

- den Unterschied zwischen einem monosynaptischen und einem polysynaptischen Reflexkreis zu beschreiben,

- die Wirkung zusätzlicher zentraler Einflüsse auf die Ausprägung eines monosynaptischen Reflexes zu nennen,

- die extraokulären Muskeln und die sie versorgenden Hirnnerven aufzählen zu können

- und Fixationen, Sakkaden und Glatte Augenfolgebewegungen unterscheiden zu können.