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| TREFFPUNKT FORSCHUNG Unter Klonen versteht man im wis- senschaftlichen Sprachgebrauch die ungeschlechtliche Vermehrung von Zellen oder Organismen, wobei ge- netisch identische Nachkommen entstehen. Seit der Etablierung der Methode des Somatischen Kern- transfers (somatic cell nuclear trans- fer, SCNT; Abb. 1A), die 1996 mit der Geburt des Schafes Dolly erst- mals einen Klon eines erwachsenen Säugetieres hervorgebracht hat, wird über die potentielle Anwendung die- ser Technologie am Menschen heftig diskutiert. Die Diskussion geht einer- seits um die Frage, ob es erlaubt sein darf, mit einem in vitro geklonten Embryo eine Schwangerschaft und damit die Geburt eines erbgleichen Kindes herbeizuführen (“reprodukti- ves Klonen”). Diese Frage wird von der großen Mehrheit der Gesellschaft grundsätzlich abgelehnt und die Gründe hierfür wurden kürzlich vom Nationalen Ethikrat formuliert [1]. Beim “therapeutischen Klonen” geht es im Kern um die Frage, ob die SCNT-Methode dazu dienen könnte, von erwachsenen Patienten mit dege- nerativen Erkrankungen immunver- trägliche Zellen oder Gewebe für au- tologe Zelltransplantationen zu ge- winnen. Diese Frage ist momentan offen und die Experten sind geteilter Meinung [1]. Abgesehen davon, dass die Eta- blierung menschlicher embryonaler Stammzellen durch SCNT bisher nicht gelungen ist, geht es in der Dis- kussion um das therapeutische Klo- nen darum, dass das hohe Ziel der Etablierung von Therapien gegen schwerste Krankheiten der Tatsache entgegensteht, dass mit dieser Me- thode Embryonen – also potentielles menschliches Leben – gebildet wer- den, die mit der Etablierung von Stammzellen aus den Blastozysten un- wiederbringlich vernichtet würden. Dasselbe Problem besteht auch bei der “konventionellen” Etablierung humaner embryonaler Stammzellen (embryonic stem cells, ES) aus Blas- tozysten nach In-vitro-Fertilisation. Das ist letztlich der Grund, weshalb intensiv nach Auswegen aus diesem Dilemma geforscht wird. In der letz- ten Zeit wurden auf diesem Gebiet große Fortschritte erzielt, die einer- seits zu enthusiastischen Äußerungen © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 2/2008 (37) | Pharm. Unserer Zeit | 117 Den 17. Januar 2008 müssen wir uns merken. An diesem Tag wurde in Meldungen rund um die Welt verkün- det, was lange Zeit als unmöglich galt: Es wurde von einer amerikani- schen Arbeitsgruppe erstmals zwei- felsfrei gezeigt, dass Zellen eines erwachsenen Menschen geklont wer- den können [1]. Grundlage für den Erfolg ist der Somatische Kerntransfer (somatic cell nuclear transfer, SCNT; siehe nachfolgenden Beitrag). Dabei wur- den Zellkerne von Hautfibroblasten in entkernte menschliche Eizellen transferiert und daraus in vitro Em- bryo gewonnen, die bis zum Blasto- zystenstadium kultiviert wurden. Nachdem solche Meldungen schon vor einigen Jahren um die Welt gingen und sich als komplette Fälschungen erwiesen, wurde dieses Mal von unabhängigen Forschern sehr genau geprüft, ob die von French et al. [1] in vitro erzeugten Embryonen tatsächlich echte Klone der Ausgangszellen waren. Sie halten die Arbeiten für seriös. Interessanterweise haben French et al. Erfolg gehabt, ohne wirklich große technische Änderungen der etablierten SCNT-Methode einzu- führen. Es sei die Qualität der ge- spendeten Eizellen gewesen, ver- muten die Forscher. Die Eizellen müssen von jungen Spenderinnen stammen und möglichst direkt nach der Spende genutzt werden, um le- bensfähige Embryonen zu erhalten. Für die DNA-Analyse zur Veri- fizierung der Echtheit der Klone mussten die erzeugten Embryonen “geopfert” werden, weshalb aus ih- nen noch keine embryonalen Stamm- zellen abgeleitet werden konnten. Al- lerdings sieht Andrew French, Erstau- tor der Studie, keinen Grund, warum das nicht auch gelingen sollte. Das sei bereits in Arbeit. MEDIZIN | Therapeutisches Klonen menschlicher Zellen ist möglich! Nun also doch: Es ist erstmals gelungen, adulte menschliche Zellen zu klonen. [1] French, A.J., Adams, C.A., Anderson, L.S., Kitchen, J.R., Hughes, M.R., Wood, S.H.: Development of human cloned blastocysts following somatic cell nuclear trasnfer (SCNT) with adult fibroblasts. Stem Cells, published online January 17, 2008; doi:10.1634/stemcells.2007-0252. Thomas Winckler, Jena MEDIZIN | Das Ende des therapeutischen Klonens, bevor es begann? Seit Jahren führen wir eine kontroverse Debatte um eine neue Technolo- gie der biomedizinischen Forschung – das Klonen patientenspezifischer Zellen zu therapeutischen Zwecken. In letzter Zeit gibt es in diesem For- schungsfeld aufregende Neuigkeiten.

Therapeutisches Klonen menschlicher Zellen ist möglich! Nun also doch: Es ist erstmals gelungen, adulte menschliche Zellen zu klonen

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Page 1: Therapeutisches Klonen menschlicher Zellen ist möglich! Nun also doch: Es ist erstmals gelungen, adulte menschliche Zellen zu klonen

| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Unter Klonen versteht man im wis-senschaftlichen Sprachgebrauch dieungeschlechtliche Vermehrung vonZellen oder Organismen, wobei ge-netisch identische Nachkommenentstehen. Seit der Etablierung derMethode des Somatischen Kern-transfers (somatic cell nuclear trans-fer, SCNT; Abb. 1A), die 1996 mitder Geburt des Schafes Dolly erst-mals einen Klon eines erwachsenenSäugetieres hervorgebracht hat, wirdüber die potentielle Anwendung die-ser Technologie am Menschen heftigdiskutiert. Die Diskussion geht einer-seits um die Frage, ob es erlaubt seindarf, mit einem in vitro geklontenEmbryo eine Schwangerschaft unddamit die Geburt eines erbgleichenKindes herbeizuführen (“reprodukti-ves Klonen”). Diese Frage wird vonder großen Mehrheit der Gesellschaftgrundsätzlich abgelehnt und dieGründe hierfür wurden kürzlich vomNationalen Ethikrat formuliert [1].Beim “therapeutischen Klonen” gehtes im Kern um die Frage, ob dieSCNT-Methode dazu dienen könnte,von erwachsenen Patienten mit dege-nerativen Erkrankungen immunver-

trägliche Zellen oder Gewebe für au-tologe Zelltransplantationen zu ge-winnen. Diese Frage ist momentanoffen und die Experten sind geteilterMeinung [1].

Abgesehen davon, dass die Eta-blierung menschlicher embryonalerStammzellen durch SCNT bishernicht gelungen ist, geht es in der Dis-kussion um das therapeutische Klo-nen darum, dass das hohe Ziel derEtablierung von Therapien gegenschwerste Krankheiten der Tatsacheentgegensteht, dass mit dieser Me-thode Embryonen – also potentiellesmenschliches Leben – gebildet wer-den, die mit der Etablierung vonStammzellen aus den Blastozysten un-wiederbringlich vernichtet würden.

Dasselbe Problem besteht auchbei der “konventionellen” Etablierunghumaner embryonaler Stammzellen(embryonic stem cells, ES) aus Blas-tozysten nach In-vitro-Fertilisation.Das ist letztlich der Grund, weshalbintensiv nach Auswegen aus diesemDilemma geforscht wird. In der letz-ten Zeit wurden auf diesem Gebietgroße Fortschritte erzielt, die einer-seits zu enthusiastischen Äußerungen

© 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.pharmuz.de 2/2008 (37) | Pharm. Unserer Zeit | 117

Den 17. Januar 2008 müssen wir unsmerken. An diesem Tag wurde inMeldungen rund um die Welt verkün-det, was lange Zeit als unmöglichgalt: Es wurde von einer amerikani-schen Arbeitsgruppe erstmals zwei-felsfrei gezeigt, dass Zellen eines erwachsenen Menschen geklont wer-den können [1].

Grundlage für den Erfolg ist derSomatische Kerntransfer (somaticcell nuclear transfer, SCNT; siehenachfolgenden Beitrag). Dabei wur-den Zellkerne von Hautfibroblastenin entkernte menschliche Eizellentransferiert und daraus in vitro Em-bryo gewonnen, die bis zum Blasto-zystenstadium kultiviert wurden.

Nachdem solche Meldungenschon vor einigen Jahren um dieWelt gingen und sich als kompletteFälschungen erwiesen, wurde diesesMal von unabhängigen Forschernsehr genau geprüft, ob die vonFrench et al. [1] in vitro erzeugtenEmbryonen tatsächlich echte Kloneder Ausgangszellen waren. Sie haltendie Arbeiten für seriös.

Interessanterweise haben Frenchet al. Erfolg gehabt, ohne wirklichgroße technische Änderungen deretablierten SCNT-Methode einzu-führen. Es sei die Qualität der ge-spendeten Eizellen gewesen, ver-muten die Forscher. Die Eizellenmüssen von jungen Spenderinnenstammen und möglichst direkt nachder Spende genutzt werden, um le-bensfähige Embryonen zu erhalten.

Für die DNA-Analyse zur Veri-fizierung der Echtheit der Klonemussten die erzeugten Embryonen“geopfert” werden, weshalb aus ih-nen noch keine embryonalen Stamm-zellen abgeleitet werden konnten. Al-lerdings sieht Andrew French, Erstau-

tor der Studie, keinen Grund, warumdas nicht auch gelingen sollte. Dassei bereits in Arbeit.

M E D IZ I N |Therapeutisches Klonen menschlicherZellen ist möglich!

Nun also doch: Es ist erstmals gelungen, adulte menschliche Zellen zu klonen.

[1] French, A.J., Adams, C.A., Anderson, L.S.,Kitchen, J.R., Hughes, M.R., Wood, S.H.:Development of human cloned blastocystsfollowing somatic cell nuclear trasnfer(SCNT) with adult fibroblasts. Stem Cells,published online January 17, 2008;doi:10.1634/stemcells.2007-0252.

Thomas Winckler, Jena

M E D IZ I N |Das Ende des therapeutischen Klonens,bevor es begann?Seit Jahren führen wir eine kontroverse Debatte um eine neue Technolo-gie der biomedizinischen Forschung – das Klonen patientenspezifischerZellen zu therapeutischen Zwecken. In letzter Zeit gibt es in diesem For-schungsfeld aufregende Neuigkeiten.