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76 ddm | Ausgabe 1 | 2017 76 Journal Zusammenfassung Keramische Implantate sind in den letzten Jahren vermehrt in der Diskussion, die Zahlen gesetzter Implantate und verkaufter Systeme überzeugen allerdings wenig. Die bioinerte Werkstoffgruppe Oxidkeramik soll in Zukunft metallische Implantate aus Titan und seinen Legierungen teilweise erset- zen. Die besonderen Eigenschaften der sprödharten Oxidkeramiken auf Zirkon- und Aluminium- oxidbasis setzen dem Einsatz als dentale Implantate jedoch Grenzen, wenn mit vergleichbar grazilen Strukturen wie bei metallischen Werkstoffen gearbeitet werden soll. Die nachfolgenden Ausführun- gen werden zeigen, dass eine sinnvolle Kombination von Werkstoffen zu einem zweiteiligen Hybri- dimplantat die Aufgabenstellung graziler Hybridimplantate lösen kann. Einleitung Keramikähnliche Naturstoffe und Keramiken haben schon immer das Interesse der Implantologen geweckt. Bereits vor mehr als zweitausend Jahren fanden sich dreieckige, schneidezahnähnliche Muschelschalensegmente in Schädeln, die scheinbar eingewachsen oder toleriert worden sind, was sich aus der Form des umgebenden Knochens schließen lässt. Die Verwendung vitaler und devitaler menschlicher Zähne führte aufgrund immunologischer Abstoßungsreaktionen oder Infektionen fast immer zum Misserfolg. Dabei waren die Quellen der verwendeten Zähne sehr unterschiedlich. Im Mittelalter stammten die „Ersatzzähne“ häufig von den Bediensteten an den Höfen, Leibeigenen oder freiwilligen Spendern gegen Bares. Zähne von Toten wurden bei Gehenkten, Gefallenen, auf Friedhöfen, aber auch aus den Massengräbern von Epide- mietoten „geworben“. Besonders bei letzteren wurden in einzelnen Fällen Pest und andere Erkran- kungen übertragen. (Brinckmann & Brinckmann, 1995) Tizio Implant – das innovative Hybridimplantat ZT Aurica Mitrovic, Prof. med. habil. Dipl.-Ing. Rainer Bader, Prof. Dr. med. dent. Reiner Biffar, Dr. Michael Hopp, Prof. Dr. Joachim Tinschert

Tizio Implant – das innovative Hybridimplantat · 2017-04-08 · Tizio Implant – das innovative Hybridimplantat ZT Aurica Mitrovic, Prof. med. habil. ... Klinische Situation nach

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76 ddm | Ausgabe 1 | 201776

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ZusammenfassungKeramische Implantate sind in den letzten Jahren vermehrt in der Diskussion, die Zahlen gesetzter Implantate und verkaufter Systeme überzeugen allerdings wenig. Die bioinerte Werkstoffgruppe Oxidkeramik soll in Zukunft metallische Implantate aus Titan und seinen Legierungen teilweise erset-zen. Die besonderen Eigenschaften der sprödharten Oxidkeramiken auf Zirkon- und Aluminium-oxidbasis setzen dem Einsatz als dentale Implantate jedoch Grenzen, wenn mit vergleichbar grazilen Strukturen wie bei metallischen Werkstoffen gearbeitet werden soll. Die nachfolgenden Ausführun-gen werden zeigen, dass eine sinnvolle Kombination von Werkstoffen zu einem zweiteiligen Hybri-dimplantat die Aufgabenstellung graziler Hybridimplantate lösen kann.

EinleitungKeramikähnliche Naturstoffe und Keramiken haben schon immer das Interesse der Implantologen geweckt. Bereits vor mehr als zweitausend Jahren fanden sich dreieckige, schneidezahnähnliche Muschelschalensegmente in Schädeln, die scheinbar eingewachsen oder toleriert worden sind, was sich aus der Form des umgebenden Knochens schließen lässt.

Die Verwendung vitaler und devitaler menschlicher Zähne führte aufgrund immunologischer Abstoßungsreaktionen oder Infektionen fast immer zum Misserfolg. Dabei waren die Quellen der verwendeten Zähne sehr unterschiedlich. Im Mittelalter stammten die „Ersatzzähne“ häufig von den Bediensteten an den Höfen, Leibeigenen oder freiwilligen Spendern gegen Bares. Zähne von Toten wurden bei Gehenkten, Gefallenen, auf Friedhöfen, aber auch aus den Massengräbern von Epide-mietoten „geworben“. Besonders bei letzteren wurden in einzelnen Fällen Pest und andere Erkran-kungen übertragen. (Brinckmann & Brinckmann, 1995)

Tizio Implant – das innovative Hybridimplantat

ZT Aurica Mitrovic, Prof. med. habil. Dipl.-Ing. Rainer Bader, Prof. Dr. med. dent. Reiner Biffar, Dr. Michael Hopp, Prof. Dr. Joachim Tinschert

77ddm | Ausgabe 1 | 2017 77

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Mit der Herstellung industrieller Keramikwerkstoffe war auch der Einsatz in der Implantologie gege-ben. In Verbindung mit gesicherten Erkenntnissen zur Implantateinheilung durch Brånemark hat es immer Ideen zu keramischen Implantaten gegeben.

In den 1970er bis 1980er Jahren gab es eine Vielzahl von Keramikimplantaten verschiedener Formen, bevorzugt aus Aluminiumoxidkeramik. Beispiele sind das Frialit 1- oder Tübinger Implantat, Anker-, Stift- und Schraubenimplantate diverser Fabrikate, z. B. Biolox®. Neben der hohen Bruchrate, teils schon beim Inserieren der Implantate, führten die epitheliale Umwachsung mit unblutigem Verlust zu einer Reihe von Misserfolgen. Die Abbildung 1 zeigt ein Keramikimplantat mit epithelialem Tie-fenwachstum bei ansonsten intakter Knochenhöhe, die klinische Situation des gleichen Implantats nach Fraktur (Abb. 2) sowie die Oberfläche nach der Entfernung des Implantats (Abb. 3). Es ist keiner-lei Knochenkontakt am Implantatkörper sichtbar, er konnte mühelos aus einer fast epithelialisierten Alveole entfernt werden (Hopp et al., 2011).

Diese Tatsachen und die guten Erfolge von Titanimplantaten mit Beginn der 70er Jahre (z. B. Bråne-mark, Straumann, Blattimplantate nach Linkow und andere) führten die Entwicklung zielsicher zu Metallimplantaten aus Titan und seinen Legierungen sowie aus Tantal.

Modernere Keramikimplantate bestehen aus Zirkonoxidkeramiken, werden über Spritzgießen von Keramikpartikeln in Bindern geformt und gesintert, aus Weißlingen gefräst und gesintert oder aus HIP-Zirkonoxidkeramik hergestellt. Aus Stabilitätsgründen waren die ersten ZrO2-Implantate einteilig. Eine Übersicht verschiedener einteiliger ZrO2-Implantate gibt Tabelle 1. Neben den konfektionierten Implantaten werden auch individuelle wurzelförmige Implantate gefertigt. Mit Verbesserung der Scansysteme stellten Pirker & Kocher (2008) wurzelformidentische Implantate aus gefrästem ZrO2 her, die nach dem Laserscan der extrahierten Wurzel gefertigt und für den Sofortersatz konzipiert waren. Nur sandgestrahlte Implantate gingen nach maximal zwei Monaten verloren, während die mit zusätzlichen Verankerungselementen ausgestatteten Implantate eine Überlebensrate von 92 % innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 33 Monaten aufwiesen. Scheinbar ist das Geheimnis des Erfolges das Anbringen von Retentionselementen, die eine sichere, primarstabile Verankerung der Implantate im Knochen gewährleisten. Implantate auf Basis von 3-D-Röntgen- und STL-Dateien oder individuell nach Patientenvorlage gefräste Implantate (Replicate™) sind ebenfalls möglich.

Abb. 1: Röntgenbild eines zer-vikal epithelial umwachsenen Keramikimplantats

Abb. 2: Klinische Situation nach Fraktur des Keramikimplantats Abb. 03: Entfernter Implantatkör-per ohne Knochenanwachsung

Abb. 4: Eingeheilte einteilige ZrO2-Implantate in situ

78 ddm | Ausgabe 1 | 201778

Journal

Tabelle 1: Zufällige Auswahl einteiliger keramischer Implantate aus ZrO2-Keramik

Implantat Hersteller/Vertrieb Prothetikaufnahme Oberfläche

zit-z Ziterion, Uffenheim gerade, Stumpf, Werkzeugaufnahme 5-eckig rauh, Strahlung mit Al2O3

White Sky Bredent medical, Senden Stumpf rauh, Mikrostruktur

SDS SDS Swiss Dental gerade und abgewinkelt, Ziraldent,CD, RD, DT, Narrow Locator Solution AG, CH Locator, Brücke, in ZirkaPore (Entwicklung: Metoxit, TZP-A, Ti, Pekkton Thayngen, CH)

OMNIS einteilig CREAMED, Marburg Konus mit Sechskant Blumenkohlstruktur, geätzt

Z-Look Z-Systems, Kiel Stumpf, Kugelkopf, Loator Evo rapide®

CeraRoot Oral Iceberg S.L, Stumpf mit geschwungener ICE Surface ® Barcelona, Spanien Präp-Grenze + ZeraCap

Z5m-Zirkolith® Implantat Z-Systems AG, Stumpf, Kugelkopf, Locator SLM®-Oberfläche Oensingen (CH)

Ceram.implant Vita, Bad Säckingen Stumpf mit Retentionen Cer.face 14

PURE ceramic Implant Straumann, Freiburg Stumpf mit Rotationsschutz ZLA™-Oberfläche

Tabelle 2: Zufällige Auswahl zweiteiliger keramischer Implantate aus ZrO2-Keramik

Implantat Hersteller/Vertrieb Prothetik-Interface Abutments Fixierung

zit-varioZ Ziterion, Uffenheim Quadro-Torx gerade und abgewinkelt, Verkleben mit Adhäsiven verschiedene Höhen

SDS 2.0 SDS Swiss Dental Spezieller Torx gerade und abgewinkelt, Verschraubung mit Au-, Ti- Solution AG, CH Locator, Brücke, in TZP-A, oder Pekkton-Schraube, Titan, Pekkton Zementierung

bpisys. bpisystems, Patentierte Giebel- ??? Verschraubungceramic Sindelfingen konstruktion

OMNIS zweiteilig CREAMED, Marburg Konus mit Sechskant gerade, vorgefertigte Konus mit Rotations- Zirkonoxid-kappen sicherung verklebbar

Zeramex T Dentalpoint ZERALOCK- Bajonett CAD/CAM-Basispfosten, zementierbar Germany GmbH -Verbindung Locator, gerade + abgewinkelt

Z5s-Zirkolith® Z-Systems AG, Sechskant Gerade und abgewinkelt verschraubbar, arretiertImplantat Oensingen (CH) durch Klemmkeil

79ddm | Ausgabe 1 | 2017 79

Journal

Die Abbildung 4 zeigt zwei einteilige ZrO2-Implantate in situ, die als Implantate der ersten Genera-tion noch mit Schutzschienen über die Einheilzeit vor mechanischer Belastung geschützt werden mussten. Auffallend ist die gute und reizfreie Gingivaanlagerung, die man immer wieder bei Kera-mik-implantaten bzw. Keramikabutments findet.

Durch die Nachteile der offenen Einheilung und den Schutz der Implantate über Schienen wurde der Druck, zweiteilige Implantate zu entwickeln, immer größer. Neben der gedeckten Einheilung war es auch möglich, variabler mit den Abutments und prothetischen Verankerungsstrukturen umzu-gehen. Gleichzeitig limitierten Konstruktionsdicke und Verarbeitungsmöglichkeiten aber diese Ent-wicklung. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über einige zweiteilige ZrO2-Implantate.

Durch die hohe Härte und die chemische Inertheit des Materials waren nicht nur die Be- und Verar-beitung sowie eine optimale Oberflächengestaltung des osseären Implantatanteils ein Problem. Hier wurde in den letzten zwei Jahrzehnten viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet.

Besonders wichtig ist die Gestaltung der Oberflächen, was sich auch in Veröffentlichungen und Patenten darstellt. Ein gutes Aufwachsen von Zellen bestätigen Depprich et al. (2008). Begonnen hat die Oberflächengestaltung mit Sandstrahlen mittels Korund- oder Zirkonpartikeln. Neben Auf-sprayen und Sintern sind es Möglichkeiten der Elektrophorese und anschließendem Aufsintern verschiedenster Beläge, wobei die Beschichtung auch aus einem Gemisch aus Hydroxylapatit und Tricalziumphosphat bestehen kann (Wilde et al., 2009). Bei Glasbeschichtungen werfen bei unge-eigneten Gläsern die permanente Haftung und die thermische Kompatibilität Probleme auf. Vorteile der Gläser sind, dass sie als bioaktive Materialien modifiziert und im WAK angepasst werden können. (Kirsten et al. 2015). Auch die Lasermodifizierung, wie beispielsweise bei SLM® Oberflächen bei Zirko-lith® Implantaten, wird bereits angewendet.

Wie sicher sind keramische Implantate?Fast wichtiger ist die Frage: Wie sicher ist die Zirkondioxidkeramik? Trotz der hohen Härte und Biege-festigkeit und einem Selbstheilungsphänomen durch Transformationsverstärkung führen bei dem sprödharten Material selbst minimale Belastungen zu Mikrorissen, die die Stabilität des Materials um bis zu 30 % reduzieren (Tinschert et al. 2007). Damit sind die Konstruktionsdicke von lasttragenden Formkörpern und die Bearbeitungstechnologie, auch das Beschleifen im Mund limitiert. In einer Lite-raturzusammenstellung über keramische Implantate wurden von Andreiotelli et al. (2009) eine Über-lebensrate von 84 % nach 21 Monaten festgestellt. Dies liegt erheblich unter den Überlebensraten von Titanimplantaten, wobei berücksichtigt werden muss, dass die inzwischen als sehr sicher gelten-den Implantate zunehmend in Ausnahmeindikationen mit höherer Verlustrate eingesetzt werden.Einen nicht signifikanten Unterschied beim Knochen-Implantat-Kontakt (BIC) gaben Akagawa et al. (1993) in ihrer Studie für belastete und unbelastete ZrO2-Implantate an, wobei der BIC für belastete Implantate 69,8 % und bei den unbelasteten 81,9 % betrug. Einen interessanten Überblick über die Literatur von keramischen Implantaten, auch im Vergleich zu Titanimplantaten geben Apratim et al. (2015). Die Literatur ist vielfältig und zeigt ähnlich wie bei Titanimplantaten einen starken Wissens- und Erfahrungszuwachs, was vermuten lässt, dass keramische Implantate mit ihrer technischen Ver-besserung klinisch mindestens genauso erfolgreich werden.

Hybridimplantate nutzen die positiven Eigenschaften mehrerer WerkstoffeKeramisch beschichtete Implantate mit Hydroxylapatitüberzug (HA) oder Halsbeschichtung (Tiolox) mit Titankern haben eine langjährige Geschichte in der dentalen Implantologie. Vorteile sind die schnelle Osseointegration (Buser et al., 1991) durch Anlagerung von Osteoblasten und Epitaxie von körpereigenem Apatit auf den synthetischen HA-Kristallen. Dem gegenüber steht die geringe mechanische Stabilität der Schicht sowie die hohe Biodegeneration sowohl durch osteoklastischen Angriff (Davis 1998) als auch durch hydrolytische Zerstörung (Korrosion).

ZT Aurica Mitrovic

• 1987 – 1990: Ausbildung zur Zahntechnikerin

• seit 1991: Tätigkeit als Zahntech-nikerin im Labor Dentaltechnik Pjevacevic Dortmund

• ab 1992: Übernahme des zahn-technischen Labors Dortmund und Tätigkeit als Geschäftsführerin

• 1996: Neugründung des zahntech-nischen Labors ZM Präzisionsden-taltechnik GmbH in Rostock mit Ehemann Milija Mitrovic

• 2003: Umzug und Erweiterung der ZM Präzisionsdentaltechnik GmbH in die Breite Straße 16, Rostock

• 1996: Gründung der Dental Creativ Management GmbH

• seit 2003: Entwicklung von Glasloten

• seit 2006: Mitglied im ZrO2-Kleber- Kompetenzteam

Kontakt:ZM Präzisionsdentaltechnik Breite Straße 16

8055 Rostock

80 ddm | Ausgabe 1 | 201780

Journal

Abb. 5: Replicate-Implantat nach der Fertigstellung durch Verlöten

Abb. 7: Absolut natürliches Emergenzprofil durch die formidentische Implantatgestaltung

Abb. 9: Kombinationsmöglichkeiten der Tizio-Implantate mit Innen- und Aussen- geometrie, sowie verschiedener Abutmentsysteme

Abb. 8: Voll- und Schnittdarstellung eines Tizio-Implantates

Abb. 10: Oberflächengestaltung der Implantate

Abb. 6: Replicate-Implantat während des Inserierens, (Bildquelle: Dr. Peters, Wittlich)

81ddm | Ausgabe 1 | 2017 81

Journal

Die Stabilität ist je nach Auftragsverfahren unterschiedlich. Geringe Stabilitäten weisen HA-Schichten nach Flame-Spray-Beschichtungen auf, zumal immer eine Zunderschicht zwischen dem Titankörper und der HA-Schicht entsteht. Derartige Schichten gehen häufig schon mechanisch während der Insertion verloren.

Von guter Stabilität und auch modifizierbar in Form und Zusammensetzung sind elektrolytisch aufgebrachte Mischschichten aus Titanoxiden, Phosphaten und anderem, wie sie heute bei eini-gen Nobel Biocare-Implantaten mit TiUnite®-Oberfläche – und Duraplant-Implantaten mit TICER®-Oberfläche zu finden sind. Auch das Aufpressen von ZrO2-Transgingivalsegmenten auf den Implan-tatkörper ist bekannt (Z1, TBR Implants Group, Toulouse, Frankreich).

Bei der Herstellung wurzelidentischer Implantate erweiterte Rubbert die Technik seit 2006 zu Hybrid-implantaten aus Titanwurzel und ZrO2-Transgingivalteil, verlötet mit Glasloten (Replicate™-Implantate) und erhielt 2013 das Patent für die Herstellung von Implantaten, die auf Basis von 3-D-Röntgen- und STL-Dateien individuell nach Patientenvorlage gefertigt werden können. Die Abbildungen 5 bis 7 zeigen ein Implantat, dessen Einbringung und das Emergenzprofil des eingeheilten und versorgten Implantats in regio 26.

Vorteil der Technik ist die spaltfreie Verbindung des Titankörpers mit dem ZrO2-Abutment durch Glaslötung, was gleichzeitig die Bakterienpenetration in den Spaltraum bei konfektionierten zwei-teiligen Implantaten (Wahl & Schaal, 1998) eliminiert hat. Die Glaslottechnik hat gezeigt, dass sichere Implantatkörper für den implantologischen Einsatz hergestellt werden können und kann technolo-gisch als Vorläufer des beschriebenen zweiteiligen Tizio-Implants gelten. Die erfolgreiche Anwen-dung wurde von Jacobi 2014 und Hopp et al. 2015 beschrieben.

Was sind die Vorteile von Tizio Implants, was ist das Besondere?Der Vorteil des neuen Implantatsystems (Mitrovic & Zothner, 2015) besteht in der keramischen Hülle aus ZrO2-Keramik, wobei alle üblichen und dafür zugelassenen ZrO2-Keramiken genutzt werden kön-nen. In statischen und dynamischen Tests hat sich jedoch gezeigt, dass die dynamische Langzeitsta-bilität abhängig von der Beschaffenheit und Qualität der Zirkonoxidkeramik sowie der Kombination von Titaninserts Grade 4 oder 5 ist (Innoproof 2016). Es besteht keine Limitation in der äußeren Form der Implantate. Diese Konstruktionsform kann auf alle rotationssymmetrischen Implantate ange-wendet werden.

Der Innenteil oder auch Insert wird fest mit dem Implantatkörper durch eine Glaslotschicht verbun-den. Durch eine patentierte Konstruktionsform ist es möglich, die große Verbundfläche von Zir-konoxidmantel und Insert blasenfrei zu verbinden. Als Insert kann Reintitan, aber auch ein Grade 5-Material (TiV4Al6) genutzt werden. Verwendet wird eine Technik, die schon aus der Herstellung von Hybrid-abutments bekannt ist (Zothner et al., 2008). Der sichere Verbund der Komponenten ZrO2-Hülle und Titan-Insert wurdee für eine mögliche Verbindung von Implantatkomponenten bereits 2015 von Mick et al. in einem interdisziplinären Rahmen als Grundlage der Herstellung von zwei-teiligen Hybridimplantaten nachgewiesen. Nach diesem Prinzip hergestellte Implantate zeigt die Abbildung 8 in einer Voll- und Schnittdarstellung. Die generellen Kombinationsmöglichkeiten der Tizio-Implantate mit prothetischem Innen-und Außeninterface, sowie verschiedener Abutmentsys-teme aus Titan oder Keramik sind am Beispiel von Dentsply Implants–Implantaten in der Abbildung 9 zu sehen.

Den Abschluss findet das Implantat mit einer neuen äußeren additiv-subtraktiv gestalteten osseären Kontaktzone, die das Anwachsen von Osteoblasten massiv fördert. Grundlage des Beschichtungs-verfahrens ist eine Technologie, die bereits 2009 von Hopp & Zothner patentiert wurde. Der neue Ansatz der implantologischen Anwendung könnte die Beschichtung von Implantatoberflächen zur

Prof. med. habil. Dipl.-Ing. Rainer Bader

• Studium der Humanmedizin und Medizintechnik

• 2001: Promotion Dr. med. Techni-sche Universität München

• 2006: Habilitation, Universität Rostock

• Wiss. Mitarbeiter, Klinik für Orthopädie und Sportorthopädie, Technische Universität München

• Leiter Forschungslabor für Biomechanik und Implantattech-nologie, Orthopädische Klinik und Poliklinik, Universität Rostock

• W2-Professur für Biomechanik und Implantattechnologie, Medizini-sche Fakultät, Universität Rostock

Mitgliedschaften:• Deutsche Gesellschaft für

Biomechanik• Deutsche Gesellschaft für

Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC)

• Stv. Sprecher MSB-Net der DGOOC

Kontakt:Universitätsmedizin Rostock Orthopädische Klinik und Poliklinik Forschungslabor für Biomechanik und Implantattechnologie Doberaner Straße 142 18057 Rostock

82 ddm | Ausgabe 1 | 201782

Journal

Verbesserung des Einwachsverhaltens und der osseointegrierten Stabilität von Dental- und orthopä-dischen Implantaten aus ZrO2-Keramik sein. Erste Ergebnisse von Mick et al. (2013) weisen auf diesen Umstand hin. Die Abbildung 10 lässt makroskopisch und mikroskopisch die Implantatoberfläche mit seiner osteoblastenfreundlichen Oberfläche erkennen, deren gutes Anwachsverhalten von Markhoff et al. 2014 bereits nachgewiesen werden konnte.

ResümeeEin Kassensturz zu den bisherigen Keramikimplantaten ist eher ernüchternd, vor allem wenn man bedenkt, dass in der Zwischenzeit weltweit ca. 30.000 – 40.000 Stück gesetzt wurden im Vergleich zu Millionen aus Titan! Bei Titanimplantaten ist die Einheilung, inklusive aller Nebenwirkungen bei bestimmten Oberflächen, minutiös und bis auf die atomare Ebene bekannt (Kasemo & Lausmaa, 1994). Zur Osseointegration von Keramikimplantaten aus Zirkonkeramik, vor allem unter Last (Sofort-belastung), existiert nur eine sehr dünne Datendecke.

Bisherige Keramikimplantate zeichnen sich durch ein unkontrolliertes Bruchverhalten aufgrund des sprödharten Werkstoffs Keramik aus, deshalb sind geringe Durchmesser oder geringe Wandstärken, besonders für zweiteilige Implantate, schwierig. Auch das Einbringen im D1-Knochen ist eine Her-ausforderung. Unproblematisch ist dagegen die Herstellung von Zirkonoxidkeramikwerkzeugen in Form von Fräsen, Implantatbettbohrern, Schalen, Pinzetten etc., wie sie heute schon von einigen Implantatherstellern für ihre Implantate angeboten werden.

Konventionelle Verschraubungen im Werkstoff Zirkonkeramik sind weitgehend kompliziert. Es wird versucht, sie durch Verklebungen (unterhalb der Gingiva im teilweise feuchten Milieu!), Zementie-rungen oder Schrauben mit Sondergewinden aus Polyetherketon-Werkstoffen, wie PEEK (Polyethe-retherketon) oder Polyaryletherketone (PAEK) sowie Verkeilungen gegen den Implantatkörper (Z5s-Zirkolith® Implantat) zu ersetzen. Das Einschneiden von Gewinden in Hochleistungskeramiken ist aufwendig und teuer und zeigt beim Verspannen (Anziehen) der Schrauben keine Deformation, was die Selbstretinierung der Schraube beeinträchtigen kann.

Selbst einteilige Zirkonoxidimplantate erreichen durch die meist notwendige Nachbearbeitung nicht die Dauerstabilität von Titan. Einteilige Implantate erleiden durch das nachträgliche Beschleifen im Mund einen Stabilitätsverlust von bis zu 30 % und mehr! Bei Angulationsanpassungen muss der Behandler eine ausreichende Substanzdicke selbst einschätzen, was schwierig ist.

Die Gestaltung der Implantatoberflächen ist bei der Zirkonoxidkeramik nach wie vor eine Herausfor-derung, was sich auch in Produktbeschreibungen wie „blumenkohlartige Oberfläche“ wiederspie-gelt. Einige Oberflächen, die als besonders innovativ gehandelt werden, haben Probleme bei der Sofortimplantation/Sofortbelastung und reagieren teilweise entzündlich.

Die reine Sofortbelastung scheint nach wie vor ein Problem zu sein, selbst bei nicht belasteten ein-teiligen Implantaten, weshalb monatelang Schutzschienen getragen werden müssen, die den Zun-gen- oder Wangendruck sowie unbeabsichtigte Implantatbelastung verhindern sollen. Dies führte auch zur Entwicklung zweiteiliger Zirkonoxidkeramikimplantate, die geschützt unter der Gingiva einheilen können.

Der Umfang der prothetischen Aufbauteile ist sowohl für ein- wie zweiteilige Zirkonoxidkeramikim-plantate bisher eingeschränkt, die Möglichkeiten der Verankerung der Prothetik oder ein späterer Umbau damit auch.

Dr. Michael Hopp

Kontakt: Zahnarztpraxis am Kranoldplatz Kranoldplatz 5D – 12209 BerlinundErnst-Moritz-Arndt- Universität Greifswald Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Abteilung für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde Direktor: Professor Dr. Reiner Biffar Rotgerberstraße 8 D - 17489 Greifswald

Prof. Dr. med. dent. Reiner Biffar

Kontakt: Ernst-Moritz-Arndt- Universität Greifswald Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Abteilung für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde Rotgerberstraße 8 D - 17489 Greifswald

83ddm | Ausgabe 1 | 2017 83

Journal

Als Fazit kann mit der Markteinführung der neuen Hybridimplantate festgestellt wer-den: Tizio-Implants stellen für die dentale Implantologie auf dem Sektor der Keramik-implantate als zweiteilige Hybride einen Quantensprung und eine echte Innovation dar, die die Verbreitung von Keramikimplantaten positiv beeinflussen wird. Gleichzeitig müssen sich alle zur Zeit im Markt befindlichen ein- und zweiteiligen Keramikimplantate einer kritischen Überprüfung stellen.

Literatur beim Verfasser: [email protected]

Somit liegen die Vorteile von Tizio Implants klar auf der Hand:

• Das gelötete Verbundsystem Zirkonkeramikmantel mit Titaninsert ist stabiler als beide Werk-stoffe einzeln, wie in Material- und Systemuntersuchungen nachgewiesen werden konnte (Innoproof 2016).

• Die neuartige Beschichtung des Zirkonkeramikmantels hebt die Probleme der Osseointe-gration der reinen Zirkonoxidkeramik auf und ist kontrolliert und definiert in großer Stückzahl herstellbar. Rein bioinerte Oberflächen haben ein schlechteres Einwachsverhalten im Kno-chen und die Oberflächen dürfen nicht zu glatt sein, da Körperzellen auf ihnen „abrutschen“. Durch die neue makro- und mikroraue Oberfläche in einem additiv-subtraktiven Verfahren hergestellt, wird sie osteokonduktiv.

• Zur Gewebeseite stellt sich das Implantat als rein keramisches Implantat dar, was für die Anwendung bei Allergikern und Metallphobikern ein wesentlicher Aspekt ist.

• Zu glasigen Beschichtungen oder Oberflächen gibt es aus den letzten Jahrzehnten viele sehr positive Ergebnisse in der experimentellen Implantologie in Bezug auf Verträglichkeit und Osseointegration.

• Die neuartige Implantatoberfläche wird nicht durch Torquierung oder Scherbelastung bei der Insertion abgerissen oder stark deformiert, wie bei Titan- oder anderen Metallimplan-taten. Abgerissene Beschichtungen finden sich sonst im umliegenden Gewebe bis hin zu den regionären Lymphknoten, bekannt vom Titan, oder können lokale Entzündungen mit Fremdkörperreaktionen auslösen.

• Durch die Herstellungstechnologie sind alle relevanten Implantatdurchmesser ab einem Durchmesser von 8 mm aufwärts und alle benötigten Implantatlängen ab 8 mm möglich.

• Die Implantatinsertion erfolgt mit konventionellem Werkzeug, auf Wunsch auch in Zirkondi-oxid. Es gelten vergleichbare Drehmomente, wie für konventionelle Implantate.

• Die Tizio-Implantate haben ein konventionelles Prothetik-Interface in jeder gewünschten Form, sowohl Innen- als auch Außenverankerung der Abutments sind möglich. Sie können prinzipiell auf alle im Markt befindlichen Implantate angewendet werden, ausgenommen Minischrauben und stark durchmesserreduzierte Implantate.

• Durch das Verwenden eines Titaninserts können marktübliche Schrauben mit vorgegebe-nem Drehmoment eingesetzt werden, was bei genügender Schraubenlänge zu einer dauer-haften Arretierung führt.

• Das Bruchverhalten des Zirkonkeramikmantels wird durch die Verspannungen beim Ver-schrauben der Abutments nicht verschlechtert, die Stabilität ist erhalten. Die Duktilität des Titans kann in optimaler Weise für den Erfolg genutzt werden, was sich auch im festen Schraubenhalt dokumentiert.

• Prothetisch sind alle Formen von Abutments und klinischen Indikationen gegeben, es gibt keinerlei Einschränkungen.

Professor Dr. Joachim Tinschert

• 1984-1989 Studium der Zahnheil-kunde an der Universität Köln

• 1990-2008 Assistenz- und Oberarzt an der Klinik für Zahnärztliche

• Prothetik des Universitätsklinikums der RWTH Aachen

• 1991 Promotion • 1999 Forschungsaufenthalt an der

University of Florida• 2000 Ernennung zum „Qualifiziert

fortgebildeten Spezialisten für Prothetik“ durch die Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde• 2003 Forschungspreis der Arbeits-

gemeinschaft für Keramik • 2006 Verleihung einer außerplan-

mäßigen Professur durch die Medizinische Fakultät der RWTH Aachen• 2008 Preisträger des Innovations-

wettbewerbes zur Förderung der Medizintechnik 2008

• April 2008 Niederlassung in Gemeinschaftspraxis

Kontakt: Praxis für ZahnheilkundeHolzgraben 1-352062 Aachen