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95 3870 96 Todes- Anxeige. Am 6. Mai 1903 verschied in Bonn nach kurzem schwerem Leiden infolge einer heftigen Lungen- entziindung der Observator der hiesigen Koniglichen Sternwarte Professor Dr. Friedrich Deichmiiller. Geboren am 25. Februar 1855 zu Stadtilm in Schwarzburg-Rudolstadt, begann er bereits 1872 seine Studien an der Universitat Jena, die er d a m in Leipzig, wo er in Carl Bruhns einen uniibertreff lichen Lehrer fand, fortsetzte. Bruhns bewirkte auch, dafi Deichmuller kaum neunzehn Jahre alt die im Sommer 1874 vom Deutschen Reiche nach Tschifu gesandte Expedition zur Beobachtung des Venusdurchganges als Mechaniker begleiten konnte. Ostern I 875 nach Deutschland zuriickgekehrt, setzte er in Leipzig seine Studien fort und wurde am 30. September 1876 in Jena zum Doktor promoviert. Am 8. Oktober 1876 kam er als assistent an die Bonner Sternwarte, der er nunmehr iiber ein Vierteljahrhundert ununterbrochen angehoren sollte. Zu- nachst besorgte er als Gehulfe Seeligers die Mikroskopablesungen bei den Zonenbeobachtungen ani Meridian- kreise. Nach dem Abgange Seeligers riickte Deichmitller am I. Juni 1878 in die Stelle des Observators ein und hatte nun selbstandig, da Schonfeld sich ganz der Siidlichen Durchmusterung widmen muhe, die Beob- achtung und Bearbeitung der von der Bonner Sternwarte iibernommenen AG. Zone +40° bis +so" weiter- zufiihren. Die Aufgabe war nicht leicht, da die Eeobachtungen, so wie sie 1869 unter Argelander begonnen worden waren, an dern alten, obschon noch immer leistungsfahigen, Meridiankreise von Pistor und Martins und nach der huge- und Ohrmethode beendet werden sollten, und weil es sich jetzt hauptsachlich noch um die schwierige vollstandige Durchbeobachtung der in den dichtesten Gegenden der MilchstraDe gelegenen Zonenteile handelte. Mit rastlosem Fleifle und unermiidlicher Hingabe hat Deichmuller sich dieser Arbeit gewidmet. Das Ergebnis derselben, die als sein Lebenswerk betrachtet werden mu0 und die seinen Namen fur immer in die Geschichte der Astronomie eingetragen hat, ist in dem 1894 herausgegebenen AG. Kataloge von 18457 Sternen zwischen +40° und +soo Dekl. niedergelegt. Eine Unterbrechung hatte diese Tatigkeit dadurch erfahren, dafl Deichmiiller I 882 zum zweiten Male vom Reiche mit der Expedition zur Beobachtung des Venusdurchganges nach Hartford Conn. U. S. A., als zweiter Astronom derselben, gesandt wurde. Daneben fand er noch Zeit, rnit den damaligen bescheidenen instrumentellen Hiilfsmitte!n der Bonner Sternwarte Beobachtungen von Kometen am Ringrnikrometer anzustellen ; namentlich aber wandte er sein Interesse allmahlich immer mehr den Veranderlichen zu, von denen er selbst mehrere bei Gelegenheit der Zonenbeobachtungen zu entdecken das Gltick hatte. Am I. Marz 1890 habilitierte sich Deichmiiller als Privatdozent bei der philosophischen Fakultat der Bonner Universitat. Seine Habilitationschrift enthalt die Bearbeitung der I 847 - 53 von Argelander und Schmidt am Meridiankreise angestellten Sonnenbeobachtungen und die Ableitung insbesondere der Konstante der Mondgleichung der Erde aus ihnen; ein Auszug aus dieser Arbeit ist in V. J. S. 26 pg. 279 veroffentlicht. I 897 wurde er zum auflerordentlichen Professor der Astronomie an der Universitat ernannt. Nach der Herausgabe des Zonenkataloges war es die Hauptaufgabe Deichmiillers, die etwa in demselben noch verbliebenen Ungleichformigkeiten uod systematischen Fehler durch eingehendere Untersuchungen und auf Grund weiterer von ihm am P. M.- Meridiankreise anzustellenden Beobachtungen moglichst zu ermitteln. Ebenso hatte er die Vergleichung seiner Positionen und Gr613en mit den altcren Quellen nach einem um- fassenden Plane in Angriff genommen. Diese wegen des groflen Umfanges des Kataloges sehr zeitraubenden Arbeiten sind zwar erheblich gefordert, jedoch unvollendet geblieben. Bei der Bearbeitung der zweiten Auflage der Nordlichen Durchmusterung, der Karten sowohl wie in jiingster Zeit des Sternverzeichnisses, ist er dem Unterzeichneten ein eifriger und verstindnisvoller Mitarbeiter gewesen. Durch seine, schon unter Schonfeld erworbene, Vertrautheit mit den Eigentiimlichkeiten der Durch- musterungsoriginale und ihrer oft schwierigen Lesart war er besonders befahigt, zweifelhafte Stellen der BD. aufzuklaren, wozu er auch ofters Revisionen am Himmel vorgenommen hat und wovon viele Numrnern dieser Zeitschrift Zeugnis ablegen. Mehrfach hat sich Deichmiiller in den letzten Jahren auch auf konstruktivem Gebiete betatigt. Er nahm die frtiheren Versuche von Kater und von Schrader zur Konstruktion von schwimmenden Zenit- und Horizont- kollimatoren wieder auf und suchte ferner dem Talbotschen Photometer mit rotierender Sektorenblende eine fur die Benutzung vor dem ,Objektive eines Fernrohres brauchbare Konstruktion zu geben. Mit der praktischeo Erprobung eines solchen I 902 nach seinen Angaben von Wolz konstruierten Photometers, angebracht am Sechszoller, war er hauptsachlich in letzter Zeit beschaftigt. Mitten aus diesen vielseitigen Arbeiten hat ein unerwartet frtiher Tod ihn seiner Wissenschaft und seiner Familie entrissen. Es trauern um ihn eine Witwe und zwei Sohne. Die Bonner Sternwarte hat in ihm einen unermudlich fleil3igen Beobachter, die Kollegen einen fur seine Wissenschaft begeisterten Mitarbeiter verloren. P. Kustner. lnhalt zu Nr. 3869-70. C. Monnichmeyer. Untersuchungen iiber die gmrn Gitter von P. Gautier Nr. 90 und Nr. 118 nebst Untersuchungen einer 18 crn langen Mikrometerschraube von 1/8 mm Ganghohe des Bonner Physikalischen Instituts. 65. - A. Stanley Williams, New variable star I 7.1903 Lyrae. 93. - ,F. Kiistner. Anzeige des Todes von Friedrich Deichrniiller. 95. - -c Qesohlossen 1903 Mai 19. Heransgeber: H. Krentz. Druck von C. S chaidt. Expedition: Xiel, Niemannsaeg 103.

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Todes- Anxeige. Am 6. Mai 1903 verschied in Bonn nach kurzem schwerem Leiden infolge einer heftigen Lungen-

entziindung der Observator der hiesigen Koniglichen Sternwarte Professor Dr. Friedrich Deichmiiller. Geboren am 2 5 . Februar 1855 zu Stadtilm in Schwarzburg-Rudolstadt, begann er bereits 1872 seine

Studien an der Universitat Jena, die er d a m in Leipzig, wo er in Carl Bruhns einen uniibertreff lichen Lehrer fand, fortsetzte. Bruhns bewirkte auch, dafi Deichmuller kaum neunzehn Jahre alt die im Sommer 1874 vom Deutschen Reiche nach Tschifu gesandte Expedition zur Beobachtung des Venusdurchganges als Mechaniker begleiten konnte. Ostern I 875 nach Deutschland zuriickgekehrt, setzte er in Leipzig seine Studien fort und wurde am 30. September 1876 in Jena zum Doktor promoviert. Am 8. Oktober 1876 kam er als assistent an die Bonner Sternwarte, der er nunmehr iiber ein Vierteljahrhundert ununterbrochen angehoren sollte. Zu- nachst besorgte er als Gehulfe Seeligers die Mikroskopablesungen bei den Zonenbeobachtungen ani Meridian- kreise. Nach dem Abgange Seeligers riickte Deichmitller am I. Juni 1878 in die Stelle des Observators ein und hatte nun selbstandig, da Schonfeld sich ganz der Siidlichen Durchmusterung widmen muhe , die Beob- achtung und Bearbeitung der von der Bonner Sternwarte iibernommenen AG. Zone +40° bis +so" weiter- zufiihren. Die Aufgabe war nicht leicht, da die Eeobachtungen, so wie sie 1869 unter Argelander begonnen worden waren, an dern alten, obschon noch immer leistungsfahigen, Meridiankreise von Pistor und Martins und nach der huge- und Ohrmethode beendet werden sollten, und weil es sich jetzt hauptsachlich noch um die schwierige vollstandige Durchbeobachtung der in den dichtesten Gegenden der MilchstraDe gelegenen Zonenteile handelte. Mit rastlosem Fleifle und unermiidlicher Hingabe hat Deichmuller sich dieser Arbeit gewidmet. Das Ergebnis derselben, die als sein Lebenswerk betrachtet werden mu0 und die seinen Namen fur immer in die Geschichte der Astronomie eingetragen hat, ist in dem 1894 herausgegebenen AG. Kataloge von 18457 Sternen zwischen +40° und +soo Dekl. niedergelegt.

Eine Unterbrechung hatte diese Tatigkeit dadurch erfahren, dafl Deichmiiller I 882 zum zweiten Male vom Reiche mit der Expedition zur Beobachtung des Venusdurchganges nach Hartford Conn. U. S. A., als zweiter Astronom derselben, gesandt wurde. Daneben fand er noch Zeit, rnit den damaligen bescheidenen instrumentellen Hiilfsmitte!n der Bonner Sternwarte Beobachtungen von Kometen am Ringrnikrometer anzustellen ; namentlich aber wandte er sein Interesse allmahlich immer mehr den Veranderlichen zu, von denen er selbst mehrere bei Gelegenheit der Zonenbeobachtungen zu entdecken das Gltick hatte.

Am I. Marz 1890 habilitierte sich Deichmiiller als Privatdozent bei der philosophischen Fakultat der Bonner Universitat. Seine Habilitationschrift enthalt die Bearbeitung der I 847 - 53 von Argelander und Schmidt am Meridiankreise angestellten Sonnenbeobachtungen und die Ableitung insbesondere der Konstante der Mondgleichung der Erde aus ihnen; ein Auszug aus dieser Arbeit ist in V. J. S. 26 pg. 279 veroffentlicht. I 897 wurde er zum auflerordentlichen Professor der Astronomie an der Universitat ernannt.

Nach der Herausgabe des Zonenkataloges war es die Hauptaufgabe Deichmiillers, die etwa in demselben noch verbliebenen Ungleichformigkeiten uod systematischen Fehler durch eingehendere Untersuchungen und auf Grund weiterer von ihm am P. M.- Meridiankreise anzustellenden Beobachtungen moglichst zu ermitteln. Ebenso hatte er die Vergleichung seiner Positionen und Gr613en mit den altcren Quellen nach einem um- fassenden Plane in Angriff genommen. Diese wegen des groflen Umfanges des Kataloges sehr zeitraubenden Arbeiten sind zwar erheblich gefordert, jedoch unvollendet geblieben.

Bei der Bearbeitung der zweiten Auflage der Nordlichen Durchmusterung, der Karten sowohl wie in jiingster Zeit des Sternverzeichnisses, ist er dem Unterzeichneten ein eifriger und verstindnisvoller Mitarbeiter gewesen. Durch seine, schon unter Schonfeld erworbene, Vertrautheit mit den Eigentiimlichkeiten der Durch- musterungsoriginale und ihrer oft schwierigen Lesart war er besonders befahigt, zweifelhafte Stellen der BD. aufzuklaren, wozu er auch ofters Revisionen am Himmel vorgenommen hat und wovon viele Numrnern dieser Zeitschrift Zeugnis ablegen.

Mehrfach hat sich Deichmiiller in den letzten Jahren auch auf konstruktivem Gebiete betatigt. Er nahm die frtiheren Versuche von Kater und von Schrader zur Konstruktion von schwimmenden Zenit- und Horizont- kollimatoren wieder auf und suchte ferner dem Talbotschen Photometer mit rotierender Sektorenblende eine fur die Benutzung vor dem ,Objektive eines Fernrohres brauchbare Konstruktion zu geben. Mit der praktischeo Erprobung eines solchen I 902 nach seinen Angaben von Wolz konstruierten Photometers, angebracht am Sechszoller, war er hauptsachlich in letzter Zeit beschaftigt.

Mitten aus diesen vielseitigen Arbeiten hat ein unerwartet frtiher Tod ihn seiner Wissenschaft und seiner Familie entrissen. Es trauern um ihn eine Witwe und zwei Sohne. Die Bonner Sternwarte hat in ihm einen unermudlich fleil3igen Beobachter, die Kollegen einen fur seine Wissenschaft begeisterten Mitarbeiter verloren.

P. Kustner.

l n h a l t zu Nr. 3869-70. C. Monnichmeyer. Untersuchungen iiber die gmrn Gitter von P. Gautier Nr. 90 und Nr. 118 nebst Untersuchungen einer 18 crn langen Mikrometerschraube von 1/8 mm Ganghohe des Bonner Physikalischen Instituts. 65. - A. Stanley Williams, New variable star I 7.1903 Lyrae. 93. - ,F. Kiistner. Anzeige des Todes von Friedrich Deichrniiller. 95. - -c

Qesohlossen 1903 Mai 19. Heransgeber: H. Krentz . Druck von C. S chaidt . Expedition: Xiel, Niemannsaeg 103.