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Kantonsschule Solothurn Maturarbeit
Herbst/Winter 2006
Personifikationen des Todes
Die Entwicklung der Todesbilder in verschiedenen Kulturen und Zeiten, ihre Auswirkungen auf die Lebensorientierung der
Menschen und ein Ausblick auf den heutigen Trend.
Vorgelegt von: Christoph Flury, 4bL Eingereicht bei: Beatrice Gasche
2
Inhaltsverzeichnis 1. EINLEITUNG.......................................................................................................................3
1.1 SYNOPSIS.............................................................................................................................................. 3 1.2 EINLEITUNG ......................................................................................................................................... 3 1.2.1 Die Definition des Todes ................................................................................................................ 3 1.2.2 Das Wesen des Symbols/ Sinnbilds .............................................................................................. 11 1.2.3 Die Beziehung des Menschen zum Tod ....................................................................................... 12
2. HAUPTTEIL.......................................................................................................................15
2.1 DER PSYCHOPOMP............................................................................................................................. 15 2.2 DER RICHTER .................................................................................................................................... 17 2.3 DER HERRSCHER ............................................................................................................................... 17 2.4 DER JOKER ........................................................................................................................................ 18 2.5 DER „GRIM REAPER“........................................................................................................................ 19
3. EIN AUSBLICK .............................................................................................................21
4. NACHWORT..................................................................................................................23
5. QUELLENANGABEN...................................................................................................25
3
1. Einleitung
1.1 Synopsis
Die vorliegende Arbeit ist grob in 3 Teile geteilt: Die Einleitung, den Hauptteil und den
Schlussteil. Dabei werden auch 3 eher unterschiedliche Aspekte der Arbeit behandelt:
In der Einleitung wird ein Umriss um den medizinischen Tod, das Sterben und die
prinzipielle Bedeutung für eine Kultur gegeben.
Im Hauptteil wird auf die spezifischen Personifikationen und Symbole des Todes
eingegangen, wozu eine theoretische Klassifikation selbiger erfolgen wird. Es wird
versucht, die Wirkungen der verschiedenen Klassen an Personifikationen auf das Leben
der Menschen abzuschätzen und einen Einblick in das menschliche Todesdenken zu geben.
Im Schlussteil schliesslich wird die Tendenz unserer heutigen Kultur betrachtet und ein
Ausblick auf mögliche Entwicklungen oder Problematiken gegeben.
1.2 Einleitung
Um das Bild des Todes genauer betrachten zu können, muss zuerst der Tod an sich
definiert werden. Ich werde mich dazu am momentanen medizinischen und
wissenschaftlichen Stand orientieren und vorerst ausser Acht lassen, dass es sich bei diesen
Vorstellungen grundsätzlich auch um ein Bild des Todes handelt. Ebenso werde ich kurz
auf die psychologischere Seite des Todes, das Sterben, eingehen.
1.2.1 Die Definition des Todes
Der Tod bietet den stärksten Kontrast zum Leben. Sowohl Organismen wie auch Zellen
und Organe können sterben, jedoch wurde noch nie das Gegenteil, nämlich die Entstehung
von Leben aus toter Materie, beobachtet.
Grob gesagt ist der Tod also das Gegenteil - oder besser- das Ende des Lebens eines
Individuums. Dass diese Definition nicht ausreicht, um über den Todeszeitpunkt oder den
4
Zustand eines Organismus zu befinden, ist klar, und seit den neueren Entwicklungen in der
Medizin auch durchaus wichtig.
Die Medizin definiert deshalb den Tod als „irreversiblen Funktionsverlust des Atmungs-,
Kreislauf-, und Zentralnervensystems.“1
In der Geschichte der Medizin wurde der Tod meist über Herzschlag und Atem
identifiziert, dazu wurde teils eine Feder, ein Spiegel oder eine Kerze über die Lippen des
Toten gehalten, der Puls kontrolliert und die Reaktion auf Schmerz überprüft.
Die neueren medizinischen Errungenschaften wie Herzmassagen, Defibrilation und
ähnliche sind aber in der Lage, diesen „Tod“ umzukehren, wodurch die medizinische
Definition neu gesetzt werden muss.
Gesetzlich ist es erst unbedenklich, ein lebenserhaltendes Gerät ausser Betrieb zu nehmen,
Organe zu transplantieren oder ähnliches zu verrichten, was den Tod des Patienten
voraussetzt, wenn dieser endgültig und unumkehrbar tot ist. 2
Die Anzeichen des Todes lassen sich grob in zwei Sparten aufteilen:
Sichere und unsichere Anzeichen.
Die unsicheren deuten einen körperlichen Tod an, können jedoch teilweise auch für
Komapatienten zutreffen oder umkehrbar sein. Sie sind folglich nicht zuverlässig genug,
um über den Zustand eines Menschen zu urteilen.
Die sicheren Anzeichen hingegen sind nicht revidierbar und Beweis für den Tod.
Unsichere Todeszeichen
Unsichere Zeichen des Todes sind neben oben erwähnter fehlender Atmung und fehlendem
Puls folgende:
• Fehlender Herzschlag
• Bewusstlosigkeit
• Unterkühlung
• Lähmung der Muskeln
• Fehlender Pupillenreflex
• Trübung der Hornhaut
• Keine Reaktion auf Schmerz, Licht etc.3
1 Vgl.: De Gruyter, Walter, Pschyrembel, klinisches Wörterbuch, Seite 1665 2 Vgl: http://www.deardeath.com/physical_death.htm 3 Vgl : http://de.wikipedia.org/wiki/Tod
5
Sichere Todeszeichen
Sichere Zeichen des endgültigen Todes sind vor allem die postmortalen Körperabläufe, auf
welche später noch mal eingegangen wird. Da diese Abläufe meist erst einige Stunden
nach dem Zeitpunkt des Todes eintreten, mussten für Organtransplantationen sichere und
rasch durchzuführende Methoden entwickelt werden.
Postmortale Todeszeichen
Die sicherste Methode bietet momentan die Feststellung des Gehirntodes, wobei das
Gehirn auf elektrische Aktivität untersucht wird. Ist keine mehr vorhanden, wird der
Patient als hirntot und, als Folge davon, biologisch tot (Einstellung aller Organ- und
Zellfunktionen) gerechnet und eine Organentnahme ist gesetzlich gewährleistet.
Dass auch hier die Feststellung eher schwierig ist und der EEG falsche Resultate anzeigen
kann, führt dazu, dass in den meisten Fällen erst die sicheren, postmortalen Anzeichen
beachtet werden.
Wie der Name schon sagt, treten diese Anzeichen erst einige Stunden nach dem Tod auf.
Sie sind zumeist die Folgen der Einstellung der Tätigkeit wichtiger Organe.
Postmortale Körperreaktionen sind:
• Algor Mortis (Senkung der Körpertemperatur auf Raumtemperatur)
Körperwärme sinkt nach dem Tod beständig und die Hautoberfläche erreicht
Raumtemperatur nach ungefähr 8-12 Stunden. Im Körperinnern kann es dazu bis zu
dreimal länger dauern. Da verschiedene Faktoren den Wärmeverlust beeinflussen
ist die effektive Zeitspanne unterschiedlich. Etwa zwei Tage nach dem Tod steigt
die Körpertemperatur im Zuge des Einsatzes der Verwesung wieder an, da
Bakterien die Stoffe zu zersetzen beginnen.
• Rigor Mortis (Totenstarre)
Die Totenstarre resultiert aus einer Chemischen Reaktion der Muskeln, welche
sowohl aerob als auch anaerob funktionieren können.
Im toten Körper kann nur noch die anaerobe Reaktion gewährleistet werden, da
kein Sauerstofftransport mehr unterstützt wird. Wenn Muskeln so funktionieren,
ergibt sich am Ende Milchsäure. Diese kann im lebenden Körper durch ein
massives Ausmass an Sauerstoff wieder abgebaut werden.
6
Da dies im toten Körper nicht funktioniert, häuft sich, auch durch den
Zusammenbruch der diversen Zucker und des ATPs, Milchsäure an und führt
schliesslich zu einer Gelierung des Actin-Myosin-Verbandes. Dieses Gel ist
verantwortlich für die Starre und wird erst bei der Verwesung abgebaut. Da die
Totenstarre auf eine chemische Reaktion zurückzuführen ist, ist die
Reaktionsgeschwindigkeit und damit die Einsetzung der Rigor Mortis je nach
Körpertemperatur anders. So setzt sie schneller ein, falls der Tote vor seinem
Ableben noch Sport betrieben hat oder sich in einer warmen Umgebung befindet.
Normal ist jedoch ein Einsetzen der Totenstarre nach ungefähr zwei Stunden,
wobei sie an den Kiefergelenken beginnt und sich abwärts ausbreitet. 4
• Livor Mortis (Verfärbung)
Sobald der Herzschlag endet, endet auch der Blutkreislauf und das Blut beginnt
sich zu setzen. Dies führt zu einer Farbveränderung: Die Stellen, an denen sich das
Blut absetzt werden dunkelblau bis violett.
Dieser Vorgang beginnt sofort nach dem Tod und ist nach einigen Stunden
sichtbar.
An diesem Punkt ist die Haut blau und gefleckt, nach etwa fünf stunden haben sich
die Flecken gesammelt, das Blut kann jedoch immer noch durch Druck
„weggedrückt“ werden. Die Haut wird also durch Druck weiss. Nach zehn bis
zwölf Stunden schliesslich bleibt die blaue Farbe selbst bei Druck.
Diese Verfärbung bleibt an den Stellen aus, die etwas berühren, beispielsweise den
Boden. Weiterhin wird die Farbe durch gewisse Gifte, und bei einem Tod mit
enormem Blutverlust, verändert.5
• Verwesung
Die Verwesung geht vor allem auf eine Vermehrung und Aktivität von Bakterien,
Enzymen und Pilzen zurück. E. coli und andere darminterne Organismen beginnen
sich zu vermehren und leiten somit die Verwesung ein. Zuerst werden Darm und
Blut angegriffen und, sobald Gasbildung und andere Dinge zum Zerplatzen des
Darms führen, auch die anderen Organe. Die Verwesung geht schneller vonstatten,
4 Vgl.: De Gruyter, Walter, Pschyrembel, klinisches Wörterbuch, Seite 1672 5 Vgl.: De Gruyter, Walter, Pschyrembel, klinisches Wörterbuch, Seite 1671 ff.
7
wenn sich der Körper an der frischen Luft und in einer warmen Umgebung
befindet. Ein erhöhter Fettgehalt im Körper beschleunigt ebenso die Verwesung,
wie Überreste einer bakteriellen Erkrankung. Trockenheit und bestimmte Gifte
können den Körper erhalten. Die Verwesung verläuft nach mehr oder weniger
differenzierbaren Stadien ab:
1. Nach etwa zwei bis drei Tagen setzt eine Schwellung des Körpers und eine
grüne Verfärbung des Unterleibs ein.
2. Nach drei bis vier Tagen beginnt sich die Verfärbung zu verbreiten. Die
Venen verfärben sich braun-schwarz.
3. Nach fünf bis sechs Tagen beginnt der Unterkörper aufgrund von Gasen
anzuschwellen. Die Haut wirft Blasen.
4. ungefähr nach zwei Wochen ist der Unterleib fest und geschwollen.
5. Nach drei Wochen beginnt sich das Gewebe zu lockern. Organe und
Aushöhlungen platzen auf, Nägel fallen aus.
6. Nach vier Wochen beginnt sich weiches Gewebe zu verflüssigen.
7. Nach vier bis sechs Monaten wird das Fett hart und wachsartig.
Im Durchschnitt dauert die gesamte Verwesung 12 Jahre.6
Wenn diese „Symptome“ erkennbar sind, ist der Tod bewiesen und unabänderlich.
Wie oben erwähnt, wird bei Fällen, in denen der Tod schneller festgestellt werden muss,
ein EEG gemacht. Dabei müssen beide, der untere und der obere Gehirnteil, ihre Funktion
eingestellt haben, damit der Patient legal als tot gehandelt wird.
Ein weiterer sehr sicherer Beweis für den Tod ist eine Bedingung, die das Leben
verunmöglicht, beispielsweise eine Enthauptung.
Ausgelöst wurde diese Diskussion um sichere und unsichere Anzeichen, als im 18./19.
Jahrhundert die Furcht vor vorzeitigen Bestattungen aufkam. Als Reaktion auf diese
Befürchtung, wurden die ersten Leichenhäuser eröffnet, in denen die Leichen aufgebahrt
wurden, bis klare Kennzeichen des unwiderrufbaren Todes festgestellt werden konnten.7
Es gibt demnach 3 Todesphasen:
6 Vgl. : http://de.wikipedia.org/wiki/Tod 7 Vgl : http://www.deardeath.com/signs_of_death.htm
8
1. Klinischer Tod, der mit einem Kreislaufstillstand gleichzusetzen ist.
2. Hirntod
3. Biologischer Tod 8
Das biologische Sterben
Ebenso wie es Anzeichen des Todes an sich gibt, gibt es solche, die den Tod ankündigen.
Dies kommt daher, dass der Tod, solange er nicht abrupt, also durch einen Unfall
ausgelöst, ist, weniger ein akutes Erlebnis, als eher ein langsamer Vorgang ist.
Während des Sterbevorgangs können folgende Symptome auftreten, wobei das einzelne
Symptom weder ausreichend noch vorhanden sein muss:
• Erhöhte Schläfrigkeit und Müdigkeit des Sterbenden. Schwierigkeiten ihn
aufzuwecken. Verwirrung und Erkennungsprobleme bei bekannten Menschen,
Orten oder Gegenständen.
• Sowohl die Sicht als auch das Gehör kann schwächer werden und die Sprache kann
schwer verständlich werden.
• Einige Individuen können ruhelos und besorgt werden und beginnen sich im Bett
herumzuwälzen.
• Halluzinationen
• Niedrigerer Bedarf an Nahrung und Flüssigkeit. Manchmal Probleme mit dem
Schlucken.
• Reichliches Schwitzen.
• Möglicher Verlust der Kontrolle über die Blase.
• Der Urin kann dunkler werden, nachlassen oder ganz aufhören.
• Der Mund des Sterbenden kann trocken werden. Sekretionen in Hals und Brust
können zum Todesrasseln führen, welches vor allem beim Atmen oder Sprechen
hörbar ist.
• Die Atmung wird unregelmässig. Oft folgt die Atmung einem Muster: Schneller
Atem – Senkung des Tempos – Pause – Erneuter Schneller Atem. Diese Atmung
wird auch als Cheyne-Stokes-Atmung bezeichnet.
• Die Extremitäten können kalt und unempfänglich auf Reiz werden, da der Kreislauf
sich verlangsamt.
8 Vgl.: De Gruyter, Walter, Pschyrembel, klinisches Wörterbuch, Seite 1665
9
• Die Haut kann bleich werden und erste Vorgänger des Livor Mortis können zutage
treten. 9
Im Allgemeinen führt erst eine Beschädigung eines der folgenden drei Organe sofort zum
Tod: Hirn, Herz inklusive dem Blutkreislauf und Lunge. Alle tödlichen Verletzungen oder
Krankheiten schädigen indirekt oder direkt eines dieser Organe.
In der Schweiz, wie auch global, führen Herzkreislauferkrankungen, gefolgt von Krebs und
äusseren Einwirkungen die Statistiken an. 10 Die „sterbende Schicht“ ist in der Schweiz,
wie in den meisten Industrialisierten Ländern, überwiegend über 60. Was dies für das
Todesgefühl der Kultur für Auswirkungen hat, wird später noch besprochen.11
Generell unterteilt man auch hier in zwei Sparten:
• Natürlicher Tod (Tod aus Krankheit oder Alter)
• Unnatürlicher Tod12
Das psychologische Sterben
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Sterbens ist der aktive Sterbeprozess. Im Falle eines
vorhersagbaren Todes durchläuft der Patient fünf mehr oder weniger gleich bleibende
„Sterbephasen“. Diese dauern von der Erfahrung der Todesankündigung bis schliesslich
zur Akzeptanz des eigenen Todes an. Elisabeth Kübler-Ross entwickelte dieses Modell für
den Sterbeprozess eines Menschen anhand von Gesprächen mit krebskranken Patienten.
Die fünf Phasen bestehen aus:
1. Schockzustand und Ablehnung des Gedankens des eigenen Todes. Es kann
vorkommen, dass der Patient weitere Instanzen aufsucht um sich seine
vermeintliche Gesundheit garantieren zu lassen.
2. Wut: Hier begreift der Patient seine Situation und antwortet mit Wut und
Entrüstung auf selbige. Die Frage „Wieso ich?“ tritt zutage. Die Wut richtet sich
gegen das gesamte Umfeld, meistens vor allem gegen Gott oder eine andere höhere
Instanz.
9 Vgl: http://www.deardeath.com/the_process_of_dying.htm 10Vgl. :http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/gesundheit/gesundheitszustand/sterblichkeit__todesursachen/publikationen.Document.64759.pdf 11 Vgl: http://www.deardeath.com/causes_of_death.htm 12 Vgl.: De Gruyter, Walter, Pschyrembel, klinisches Wörterbuch, Seite 1666
10
3. Verhandeln: Hat er diese Phase abgeschlossen, wird der Patient meistens zu
handeln beginnen. Er wird Gegenleistungen für ein Fortleben anbieten.
Beispielsweise: „Ich werde gläubig, wenn ich noch weiterleben darf“. Zudem wird
er nach alternativen Methoden suchen, um sich zu retten.
4. Niedergeschlagenheit: Darauf folgt die Phase der Depression/Trauer. Hier
akzeptiert der Patient zwar den Fakt seines Todes, durchläuft aber eine
„vorbereitende Trauer“. Er wird sich von den Lebenden zu isolieren beginnen und
nur seine nächsten zu sich lassen.
5. Akzeptanz: Sobald er diese 4 Phasen durchlaufen hat, wird er schliesslich
Akzeptanz erreichen und in der Lage sein, in Frieden und Würde zu sterben.13
Weil dieser letzte Zustand der Akzeptanz nicht zwangsweise erreicht werden muss, ist eine
adäquate Sterbebegleitung erforderlich. Dazu gehört auch ein Umfeld, welches den Tod
inklusive dem Tod des Patienten akzeptiert und offen darüber sprechen kann, sollte das
Bedürfnis vorhanden sein. Des Weiteren werden sowohl Patienten mit einem Glauben an
ein Nachleben, als auch Patienten, die dem Tod an sich Akzeptanz entgegenbringen,
weniger Probleme haben, mit dieser Situation umzugehen. 14
Der Trauerprozess
Selbstverständlich ist auch das gesamte Umfeld des Sterbenden in den Sterbeprozess
involviert und durchläuft ähnliche Stationen. Auch bei ihnen ist ein Erreichen der
Akzeptanz wünschenswert, welche jedoch durch ein leicht abgeändertes Vorgehen erlangt
wird.
Im Modell wird dieses Vorgehen wie folgt beschrieben:
1. Nichtakzeptanz: Mitteilung des Todes des Angehörigen; Betäubung, Unfähigkeit
zu reagieren, Regelung von administrativen Angelegenheiten wie Beerdigung oder
Versicherungsmeldungen.
2. Sehnsucht: Suche des Todes in alten Angewohnheiten, Gesprächen oder Orten.
3. Verzweiflung: Der Trauernde sieht weniger Sinn in seinem Leben und durchläuft
eine Zeit der Trauer, in der er kaum mehr in der Lage ist, seinen Alltag zu
bewältigen.
13 Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%BCbler-Ross 14 Vgl.: Scheffler, Anne, Pflegen Heute, Pflege in der Endphase des Lebens, Seite 502 ff.
11
4. Bewältigung: Der Trauernde ist bereit, ein neues Leben zu beginnen und ändert
sein bisheriges vielleicht. Er ist in der Lage, seine Erinnerungen mit dem Toten zu
akzeptieren und sie als Teil seiner Vergangenheit zuzulassen.15
Bei Trauernden kann es dazu kommen, dass die Akzeptanz nie erreicht wird und
stattdessen mehrere Jahre lang Trauer, Frustration oder Wut über den Tod ausgelebt wird.
Ähnlich wie bei den Sterbenden ist auch hier Hilfe erforderlich. Weiter werden auch
Trauernde mit Vertrauen in den Tod und Akzeptanz desselben weniger Probleme haben.
Da diese Phasenmodelle nur Muster bieten, beziehen sie den persönlichen Hintergrund
sowie Spiritualität, Religiosität und ähnliche Aspekte nicht mit ein und bilden lediglich ein
Modell für den durchschnittlichen Ablauf des menschlichen Sterbens.
Dies hat zur Folge, dass der Sterbeprozess individuell betrachtet werden muss und die
Modelle lediglich als Hilfe, nicht als Richtlinien, zu gebrauchen sind.
1.2.2 Das Wesen des Symbols/ Sinnbilds
Wenn auch das Wort Symbol je nach Kontext verschiedene Anwendungen hat, werde ich
hier nur auf kulturelle Symbolik, also auf Symbole als Bedeutungsträger, eingehen.
Symbole werden von Gemeinschaften, Kulturen oder von künstlerisch oder poetisch
aktiven Menschen geschaffen. Bei einem Symbol oder Sinnbild wird ein abstrakter
Begriff durch ein Objekt, einen Umstand oder einen Vorgang vertreten und verkörpert.
Ein Beispiel für ein Symbol wäre beispielsweise die Herzform, die zwar einerseits für das
menschliche Herz steht, andererseits aber auch für Liebe, Nächstenliebe, Wärme und je
nach Kultur und Gesellschaft weiteres steht.
Eine Spezialform des Symbols ist nun die Personifikation, bei der ein Abstraktum durch
eine handelnde „menschliche“ Person verkörpert wird. Die Vermenschlichung von
komplexen Gedanken und Phänomenen führt dazu, dass das Thema besser angegangen
werden kann, da ihm eine „Seele“ innewohnt.
Ad Exemplum werde ich die griechische Götterwelt anführen, die voller Personifikationen
ist. Als Beispiel wieder die Liebe: Durch die Beschreibung Aphrodites und der Eroten als
15 Vgl.: Scheffler, Anne, Pflegen Heute, Pflege in der Endphase des Lebens, Seite 519 ff.
12
Götter mit menschlichen Eigenschaften entsteht ein „Wissen“ um die Liebe. Das
Individuum ist in der Lage, die Liebe einzuschätzen und besser mit ihr umzugehen.
Was Personifikationen formt und sie am stärksten beeinflusst, ist die Quintessenz der
gesamten Erfahrung einer Kultur im Umgang mit dem Abstraktum.
Ein weiterer interessanter Effekt ist folgender: Durch die Mythen und Geschichten um
diese Personifikationen -die in der griechischen Mythologie oft an Klatsch grenzen- wird
oft ein Symbol so lächerlich oder berechenbar gemacht, dass dem Individuum negative
Gefühle bezüglich des Themas genommen werden können und der Umgang erleichtert
wird.
Im Fazit sind also Symbole von Menschen geschaffene, imaginäre Vermittler zwischen
einem abstrakten Begriff und dem Individuum/der Gesellschaft. Als solcher sind sie
einerseits Stellvertreter für den Umgang der Kultur mit dem Phänomen, andererseits auch
dessen Ursache. Aus dieser Wechselwirkung ergibt sich die dynamische Veränderung von
Symbolen und Personifikationen. 16
1.2.3 Die Beziehung des Menschen zum Tod
Da die meisten Tiere ausser dem Menschen kein ausgeprägtes Todesgefühl haben, muss
angenommen werden, dass der Mensch seine Beziehung zum Tod in seiner frühen
Geschichte entwickelt hat. Wie und Wann genau das Wesen des Todes als solches erkannt
wurde, ist nicht mehr nachvollziehbar. Doch die Entwicklung lässt sich sicherlich mit der
Entwicklung eines Kindes vergleichen (Wenn auch hier die Quelle der Information die
Eltern, also andere Menschen, sind.).
Ein fünfjähriges Kind hat selten eine gefühlsbelastete Beziehung zum Tod. Es realisiert
nicht, dass es selbst lebend ist oder dass es sterben wird. Der Tod ist für das Kind
umkehrbar und die Toten können zurückkehren.
Mit ungefähr sechs Jahren begreift das Kind die Kausalität „Töten – Tod“. Es begreift,
dass Unfälle zum Ableben führen können und fürchtet beispielsweise den Tod der Mutter.
Allerdings begreift es die eigene Sterblichkeit noch selten.
Mit sieben Jahren wird die Möglichkeit des eigenen Todes in Betracht gezogen,
wohingegen die Gewissheit des Sterbens meist erst zwischen dem achten und neunten
Lebensjahr erreicht wird.
16Vgl: http://de.wikipedia.org/wiki/Symbol
13
Dieser langsame Lernprozess wäre, wie gesagt, höchstwahrscheinlich auch in der
menschlichen Geschichte zu entdecken. Da jedoch bereits die frühesten Quellen Fragen
über den Tod aufwerfen oder ihn mit einbeziehen ist nur noch das Ergebnis und nicht der
Prozess dieser „infantilen“ Sterbeerfahrung bekannt. 17
Sobald sich der Mensch bewusst war, dass der Tod endgültig und unvermeidbar ist, stellten
sich ihm einige Probleme, die zu überwinden ihm bis heute kaum gelungen ist:
Das nächstliegende ist die Angst, die durch 2 Gedanken ausgelöst werden:
1. Die Sicherheit der eigenen Sterblichkeit und die damit verbundene Hilflosigkeit.
2. Die Unsicherheit über das „Danach“ und die damit verbundene Angst vor der
Existenzlosigkeit.
Weiter wird der Sinn des Lebens auf einmal in Frage gestellt. Das abrupte Ende stellt einen
Stressfaktor dar, sein Leben sinnvoll zu führen und überhaupt einen Sinn zu finden.
Die Sinnlosigkeit der endlichen Existenz ist bis heute eine nicht überwundene Problematik,
die zu Amokläufen Suizid oder ähnlichem führen kann.
Der dritte Problemfaktor ist das Weiterleben mit dem Bewusstsein des Todes.
Der Mensch ist nun nicht im Stande, diese Probleme gegenüber einer unsichtbaren,
universellen Macht zu bewältigen. Es war ein notwendiger Effekt, dass jede Kultur ihr Bild
des Todes machte, welches erstaunlich oft in der Form einer Personifikation vorliegt.
Wie oben bereits erwähnt, ermöglicht diese Personifikation einen gewissen Halt, da man
ihr Motive, Charakterzüge, Vorlieben und ähnliches unterstellen kann. Der Tod wird also
vermenschlicht.
Ein weiterer notwendiger Schritt war der Glauben an ein Leben nach dem Tod, der in der
Lage war, Hoffnung auf „Unsterblichkeit“ oder zumindest ein verlängertes Leben zu
geben.
Wie oben erwähnt sind nun Personifikationen und Glauben beinahe immer die
Verbildlichung einer Erfahrung. Dies trifft auch auf das Bild des Todes zu, welches jedoch
zusätzlich einen enormen Einfluss auf das Lebensgefühl einer Kultur hat.
So lassen sich aus den Todesbildern verschiedener Kulturen Rückschlüsse auf das Leben
der Menschen schliessen, oder gewisse Probleme erkennen.
17 Jacques Choron, Death and western thought, Seite 7 ff.
14
Bei einem Todesbild können verschiedene Punkte einbezogen werden. Einige davon sind
folgende:
• Die Art der Orientierung bezüglich des Sinns des Lebens, Tod und Nachleben.
• Beerdigungsrituale und Strategien für die Bestattung.
• Die Verbindung zwischen Lebenden und Toten. Sowohl symbolisch als auch
physisch.
• Die Rolle der Toten im Leben.
• Die soziale Rolle der Menschen, die mit dem Tod in Berührung kommen (Witwen,
Trauernde, kranke etc.)
• Die Orientierung bezüglich Mord, Suizid und ähnlichen.
• Todesvermeidung als soziales Ziel.
• Die Todesaufklärung von Kindern.
• Der Tabustatus des Todes.
• Die Sprache im Hinblick auf den Tod.
• Die Auffassung des Todes in den Künsten.18
Ich habe hierbei die Personifikation einer Kultur betrachtet und Rückschlüsse auf diese
anderen Punkte zu ziehen versucht.
Die meisten Kulturen bewegen sich mit ihrem Todesbild in einem gewissen Rahmen, so
kann eine Kultur den Tod akzeptieren, ihn leugnen oder ihm „trotzen“.
Weiter kann der Tod als Ende der Existenz oder als Übergang angesehen werden. Bei
einem Übergang in ein ewiges Leben, kann diese Unsterblichkeit entweder persönlich oder
kollektiv sein. Ein Beispiel für eine persönliche Unsterblichkeit ist der christliche Himmel,
in dem jede Seele einzeln ein Nachleben führt. Ein Beispiel für eine Kollektive
Unsterblichkeit hingegen ist in östlichen Glaubensrichtungen wie dem Buddhismus zu
finden, wo das eigene Selbst weniger wichtig als das Eins-Sein mit dem Universum ist.
Der Tod erhält entweder eine heilige oder eine schändliche Bedeutung im Leben der
Menschen. Auch haben Kulturen oft entweder eine pessimistische oder eine optimistische
18 Vgl. : http://www.deardeath.com/death_rituals.htm
15
Orientierung bezüglich des Todes. Die optimistische Orientierung wäre beispielsweise die
stärkere Orientierung auf die Genüsse des Lebens. 19
Eine sehr wichtige Schwäche des Menschen ist seine Suche nach Unsterblichkeit, die
klassischerweise in der Religion befriedigt wird. Es gibt jedoch auch andere Ansätze, wie
beispielsweise die Erinnerung durch andere Menschen, oder die Fortsetzung der
Ahnenreihe durch Nachkommen. Die Erinnerung wird heutzutage oft durch
wissenschaftliche Errungenschaften oder andere Verdienste verstärkt. 20
2. Hauptteil
Es stellt sich ein erstes Problem, auf konkrete Personifikationen des Todes sprechen zu
kommen: Der Umfang an potentiellen Beispielen ist immens und auch nur eine Auswahl
würde den Rahmen einer Maturitätsarbeit sprengen. Die Lösung ergibt sich jedoch,
während man sich mit der Materie selbst zu beschäftigen beginnt: Durchwegs findet man
Muster und Ähnlichkeiten in den verschiedenen Todesauffassungen. Sie bieten die
Möglichkeit, ein grobes Muster zu legen und eine Wirkung der Todesbilder ungefähr
abzuschätzen. Dass eine Klassifizierung, wie ich sie im Sinne habe, selbstverständlich auch
Nachteile hat und alles andere als absolut wahr ist, ist mir bewusst. Die nachfolgende
Unterteilung bietet lediglich einen Überblick, und einen Versuch, im Rahmen einer
Maturaarbeit an dieses relativ komplexe Thema anzugehen. Die Unterteilung umfasst 5
Typen, von welchen mindestens einer in beinahe jeder Kultur zu finden ist. Bis auf den
Typ „Psychopomp“ stammen alle Bezeichnungen von mir, und haben eher den Zweck
einer Übersicht denn einer wirklichen Bezeichnung.
2.1 Der Psychopomp
Das Wort Psychopomp leitet sich von dem griechischen (Psyche; Pompos) ab und
bedeutet wörtlich etwa „Seelenführer“. Ähnlich sieht auch die effektive Aufgabe dieser
Personifikation im Weltbild einer Kultur aus: Ein Psychopomp hat kaum oder gar keinen
Einfluss auf den eigentlichen Physischen Tod, der eher durch Schicksal, den handelnden
Menschen selbst oder andere Umstände ausgelöst wird. Er wartet lediglich neben dem
Sterbenden auf dessen Seele, die er begrüsst, begleitet, und führt.
19 Vgl.: http://www.trinity.edu/~mkearl/death-1.html#cu 20 Vgl.: http://www.trinity.edu/~mkearl/death-3.html#si
16
Psychopompoi sind sehr weit verbreitet
und sind auch heute sehr beliebt, wenn es
darum geht, ein Bild des Todes zu
präsentieren. So sind solche in den meisten
Hollywoodfilmen, wie auch in Serien
anzutreffen.
Als klassisches Beispiel werde ich hier
Hermes anführen, der den Begriff
Psychopomp erst geprägt hat. Seine Rolle
als Götterbote erstreckte sich auch darauf,
die Seelen der Toten in den Hades zu
führen. Auch wurde er oft als der einzige
Gott neben Hades und Persephone
dargestellt, der die Unterwelt betreten und
verlassen konnte, wie er es wünschte.21
Diese Haltung zum Tod differenziert Tod
und Ursache und hat so eine rationalere, respektive weniger angsterfüllte Beziehung zum
Tod als Wesen oder Symbol. Der Tod kann sehr behütet aufgefasst und verharmlost
werden. Da jedoch nur in den wenigsten Psychopomp-geprägten Kulturen diese die
einzigen Todesgottheiten sind, verschwindet die Angst vor dem Tod weniger, als dass sie
sich eher auf das Danach des Todes konzentriert, statt den eigentlichen Tod als Grund
zur Furcht zu nehmen. Ein weiterer Effekt ist, dass zwar der Tod selbst verschuldet sein
kann, das Sterben jedoch sehr Passiv und vor allem geführt ist. Meistens sind
Psychopomps mit sehr menschlichen Wesenszügen ausgestattet. Sie treten auch oft in
Verbindung mit dem Typ des menschlichen Todes auf, wobei sich die Effekte der beiden
zu unterstützen scheinen.22
21 Vgl.: http://en.wikipedia.org/wiki/Hermes 22 Vgl. : http://en.wikipedia.org/wiki/Psychopomp
Abbildung 1: Carlos Schwabe; “Death and the Grave Digger”. Engel des Todes, wie der hier abgebildete sind
beliebte Psychopompoi
17
2.2 Der Richter
Der Richter ist die Notwendigkeit einer
dualistischen Vorstellung des Nachlebens. Er
richtet über die Toten und deren Schicksal, ob sie
Belohnung oder Bestrafung erhalten sollen. Das
einfachste Beispiel hierfür ist Petrus im
katholischen Glauben, der vor der Himmelspforte
steht und entscheidet, wem Einlass gewährt
werden soll.23 Komplexere Beispiele sind meist
auf komplexere Vorstellungen des Nachlebens
zurückzuführen. Dem Richter wohnen alle Ängste
einer Kultur vor dem negativen Ergebnis,
respektive der Hoffnung auf die Gewährung des
positiven Aspekts inne. Je nach Darstellung kann
er zu einem hoffnungsvollen Vertrauen führen,
oder aber zu einer Lebensführung, die sich an
feste Richtlinien hält, um so
„Aufnahmebedingungen“ zu
erfüllen. Die Güte respektive Strenge des
Richters kann das Leben einer Kultur extrem prägen.
2.3 Der Herrscher
Wie der Richter ist auch der Herrscher eine
Personifikation, eines Aspektes des Todes. Er herrscht
über das Reich des Todes und entscheidet über die
Toten, die ihm oft als Untergebene dienen. Wiederum
repräsentiert hier die Personifikation die Gefühle einer
Kultur im Bezug auf ihren Aspekt. Dieser Aspekt ist in
diesem Fall das spezifische Nachleben. Der Teufel in
der christlichen Mythologie übernimmt beispielsweise
23 http://en.wikipedia.org/wiki/Saint_peter
Abbildung 2: Cossa, Francesco del; Griffoni-Altar. Darstellung Petrus’ mit dem
Schlüssel zur Himmelspforte .
Abbildung 3: Hades ist eine klassische Herrscher-Personifikation.
18
eine solche Rolle. Er bringt also in dieser Rolle alle negativen Gefühle zum Ausdruck,
die die christliche Kultur im Bezug auf die Hölle empfindet.24 Ist nur eine Herrscherfigur
vorhanden, so behandelt sie meist „Sünder“ anders als fromme Gläubige. Der Herrscher
kann also, ähnlich wie der Richter, positive oder negative Gefühle auslösen. Es kann zum
Bestreben oder zur Angst werden, zu ihm zu gelangen.
Den Begriff „Herrscher“ habe ich hier aufgrund seiner Aufgabe gesetzt.
2.4 Der menschliche Tod
Der menschliche Tod ist eine Personifikation, die vermehrt in der zweiten Hälfte des
20ten Jahrhunderts aufzutreten begann. Der Tod ist hierbei vermenschlicht und
emotionalisiert. Entweder er wird lächerlich gemacht und macht Fehler, oder er hat
menschliche Gefühle, liebt, trauert und
hat Schwächen. Auch möglich sind
Varianten, in denen der Tod einer
Aufgabe gleicht, die einem Sterblichen
anvertraut wird. Beispiele für diese Art
Personifikation finden sich vor allem in
den heutigen Medien: Im Hollywood
Film „Meet Joe Black“ nimmt sich der
Tod eine Auszeit, um unter den Lebenden zu weilen und verliebt sich dabei in die
Tochter seines Opfers und Gastgebers. Er lernt menschliche Erfahrungen und Gefühle
kennen. Dieses romantisierte Bild zeigt, ähnlich wie auch „Stadt der Engel“, den
emotionalisierten Aspekt des menschlichen Todes. Die Wirkung eines solchen bildes
beruht hauptsächlich auf Mitleid und Mitgefühl. Das Bild beinhaltet kaum Ängste und
wirkt so eher beruhigend. Die Thematik des Todes wird verharmlost und „gezähmt“. Den
Begriff habe ich aufgrund des wichtigsten Attributes, nämlich der Menschlichkeit,
gewählt.
24 Vgl. : http://en.wikipedia.org/wiki/Devil
Abbildung 4: Parodierte Darstellung des Todes in der Fernsehserie „Family Guy“.
19
2.5 Der „Grim Reaper“25
Der Grim Reaper ist vor allem in
der deutschen und Italienischen
Geschichte anzutreffen. Es handelt
sich hierbei um eine Gestalt, die
die Menschen aus dem Leben
reisst. Sie hat somit Einfluss auf
die Todesursache und den
Zeitpunkt des Todes, reisst jedoch
oft, beinahe wahllos, Menschen
aus dem Leben. Ein gutes
Beispiel hierfür ist der
Sensenmann, wie er während der
Pestepochen dargestellt wird: Er
reisst hunderte von Menschen mit
einem einzigen Sensenhieb aus
dem Leben. Die Hilflosigkeit
der Menschen und die Willkür des Todes kommen vor allem in diesem Bild sehr schön
zur Geltung. Der Mensch ist verloren und kann jede Sekunde aus dem Leben scheiden.
Der Tod ist allgegenwärtig und kann nicht verhindert werden. Die Akzeptanz der eigenen
Mortalität wird dadurch recht schnell erlangt, jedoch können auch Ängste gefördert
werden. 26
Häufig gibt es Bilder, in denen die Personifikation mehrere dieser Archetypen erfüllen,
oder in denen mehrere Personifikationen vorhanden sind. Bei Letzterem kann man meist
davon ausgehen, dass die verschiedenen Archetypen die Funktion von Rollen
übernehmen. So sind häufig ein Richter, ein Herrscher und ein Psychopomp vorhanden,
welche ihre Aufgaben aufteilen. Hierbei lassen sich oft recht simpel die verschiedenen
Aspekte des Sterbens, des Todes und des Nachlebens anhand der Personifikationen
25 Grim Reaper = engl. Für „Sensenmann“ oder wörtlich: der grimme Schnitter. Ich habe diesen Begriff aufgrund seiner Ausdruckskraft gewählt. Sowohl die Aufgabe als auch die Mentalität der Personifikation kommt dabei zum Ausdruck. 26 http://en.wikipedia.org/wiki/Grim_reaper
Abbildung 5: Hohlbein, Hans; Der Totentanz. Die Darstellung zeigt einen „Grim Reaper“, der sich hier vor allem durch die
aktive Beteiligung am gewaltsamen Tod auszeichnet.
20
betrachten. Ängste, Wünsche und Gefühle bezüglich des Sterbens werden in einem
solchen Falle dem Psychopomp zugeordnet, die Gefühle bezüglich des Wertes des
eigenen Lebens dem Richter und die Gefühle bezüglich des Nachlebens dem
Herrscher. In einem solchen geschlossenen Todesbild, werden die Grundgefühle der
Gesellschaft in die Personifikationen integriert, welche danach zwar verändert werden,
jedoch vor allem erhalten bleiben und wiederum die Gesellschaft stark prägen. Der
Wunsch oder das Vertrauen auf einen sanften Tod kann sich beispielsweise in einem
Psychopomp wie Thanatos ausdrücken. Thanatos war der griechische Gott des sanften
Todes, er erschien in Form eines schönen Jünglings und träufelte den Trank des
Vergessens auf die Lippen des Sterbenden. Im Bild eines Richters hingegen und seinen
Entscheidungen, lassen sich Rückschlüsse auf die Werte einer Kultur anstellen. Ebenso
sind solche Richterbilder, wenn sie von einer Autorität benutzt werden, extreme
Druckmittel und bilden oft das Grundgerüst der Ethik einer Kultur. Das hier bekannteste
Beispiel sind die Strafen der Sünder in der griechischen Mythologie. Sisyphos als
Beispiel zeigt ein Verhalten auf, das vom Richter bestraft wird. Als solches bietet es ein
negatives Vorbild; einen Weg zur Erziehung der Massen und eine Stütze des
Wertesystems.
21
3. Ein Ausblick27
Betrachtet man nun mit Hilfe dieser Grundlagen unsere heutige –westliche- Kultur, fällt
zunächst auf, dass das eigentliche offizielle Todesbild kaum in das oben erwähnte Muster
passt, das sich sonst durch fast die gesamte Geschichte zieht. Das nüchterne Bild, das
von der Wissenschaft gegeben wird, beschränkt sich lediglich auf die klar ersichtlichen
Aspekte des Todes. Das Sterben an sich wird als biologischer Prozess dargestellt, der
durch richtiges Handeln aufgehalten und hinausgezögert werden kann. Diese nüchterne
Einstellung resultiert vor allem in einem Problem: Da der Tod zunehmend nur noch mit
dem Alter in Verbindung gesetzt wird, wird das Thema Sterblichkeit unwichtig und
Sache der Alten. Unfälle, Krankheiten oder andere Ursachen eines jungen Todes werden
nun kaum mehr akzeptiert. Es ist für einen Grossteil der Gesellschaft schockierend, da
der Tod für sie nur im Alter eintritt. Sätze wie: „Sie war noch so jung“ oder: „Sie hätte
noch so viel erreichen können. „ verdeutlichen diese Mentalität ein wenig. Wenn nun ein
solcher Todesfall eintritt, wird er häufig nicht als Schicksal anerkannt, wie es im Alter
oder in anderen Kulturen getan wird. Stattdessen werden Schuldige Personen oder
Umstände gesucht. „Wäre er 5 Minuten früher losgefahren.“ Oder „Wenn ich ihn nicht
zu einem Kaffee hereingebeten hätte.“ Zeigen eben diese Schuldsuche auf. Dies führt
wiederum dazu, dass Hinterbliebene oft Betreuung brauchen und aufgrund ihrer
Schuldzuweisungen und Unfähigkeit, den Tod zu akzeptieren, oft recht lange in einem
fast krankhaften Trauerprozess feststecken. Der entromantisierte Tod wird kalt,
unmenschlich und wenn möglich aus der Alltags- und Erziehungswelt verbannt. Eine
Gewöhnung an den Tod erfolgt kaum und ein wirkliches Nachdenken über den Tod hat
nur noch individuelle Gründe. Nachdem ich mich über dreiviertel Jahre mit der Thematik
des personifizierten Todes befasst habe, wage ich zu behaupten, dass die Einstellung des
Individuums zum Tod nicht nur den Sterbeprozess und den Trauerprozess beeinflusst,
sondern auch allgemein jene Situationen im Leben verändert, welche einen
Todesähnlichen Charakter haben: Trennungen, Lebensabschlüsse oder Verluste werden
wie ein symbolischer Tod behandelt. Diese „Todessituationen“ bieten nun anscheinend
gerade in unserer Kultur massive Probleme. Es wäre übertrieben, dass Selbstmorde,
Unmengen an psychiatrischen Behandlungen und ähnliches nur auf ein Todesbild
zurückzuführen sind, doch zumindest ist es ein Grund, welcher nicht vernachlässigt
werden sollte. Der Aspekt des „richtigen Lebens“ oder vom Sinn des Lebens, also die 27 Dieser Teil der Arbeit basiert auf einer Situationsbewertung, und somit auf meinen persönlichen Erfahrungen und Gedankengängen.
22
Aufgabe des Richters, wird gar nicht mehr erfüllt. Das Fehlen eines ultimativen
Entscheides bietet einerseits mehr Freiheit in der Lebensführung, andererseits aber auch
mehr Orientierungslosigkeit und Verzweiflung.
Die Aufgabe des Psychopomps/Grim Reapers und des Richters werden also vom
wissenschaftlichen Bild des Todes grösstenteils vernachlässigt: sowohl Sterben als auch
die Lebensorientierung in Richtung des Todes werden entwertet und nüchtern dargestellt.
Der dritte offensichtliche Aspekt des Todes, das Nachleben, wird nun ganz ignoriert oder
als nicht vorhanden deklariert. Dies provoziert nun offensichtliche Ängste vor dem Tod
und damit dem Ende der eigenen Existenz. Wo im Mittelalter die Kirche, durch ihre
Bedingungen für das Erlangen des Paradieses Macht erlangte, erlangt nun die
Wissenschaft sowie die Medizin eine unglaubliche Macht über die Gesellschaft ebenso,
wie über die Lebensführung des Individuums. Statt dass ein möglichst gutes Leben mit
einem erfüllten Nachleben gewünscht wird, hofft ein Grossteil auf ein möglichst langes
Leben. Oft dauern Trauerprozesse Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, Sterbeprozesse werden
kaum mehr abgeschlossen und Sterbende haben Mühe loszulassen. Das offizielle Bild
sieht Tote als unwillkürlich verloren, und in keiner Form mehr existent. Dass eine
Tendenz zu Religion, Esoterik und ähnlichem zu beobachten ist, führe ich ebenso damit
in Verbindung, wie den Leistungsdruck, etwas im Leben zu erreichen, woran sich
Generationen erinnern werden. Dieses Verhalten kann man als Versuch interpretieren,
Unsterblichkeit zu erlangen. Wo in einem religiösen System mit Nachleben die
Unsterblichkeit im metaphysischen Sinne erreicht wird, bietet die Moderne nur noch die
Möglichkeiten der sozialen oder wissenschaftlichen Verewigung. Die Angst vor dem
Vergessen oder einem sinnlosen Leben wird also zu der Angst vor dem eigentlichen Tod
addiert.
Betrachten wir die Beziehung des modernen Menschen zum Tod im Allgemeinen, so
sehen wir ein Wesen voller unterdrückter und nicht behandelter Ängste. Ebenso werden
die Probleme hinausgedrängt, vernachlässigt und als noch nicht wichtig abgetan.
Soll eine gesunde Lösung für diese Problematik gefunden werden, so muss der Tod
präsenter und aktiver behandelt werden. Kinder müssen mit dem Tod bekannt gemacht
werden und auch sonst muss der Tod mehr in das Weltbild eines aufgeklärten Menschen
passen.
23
4. Nachwort
In den dreiviertel Jahren, in denen ich mich mit der Materie befasst habe (vor allem mit
diversen kulturellen Unterschieden in Lebensweise und Haltung zum Tod, medizinischen
und anatomischen Grundfakten, verschiedenen Philosophien zum Thema Sterben und
Tod und ähnlichem) konnte ich an mir selbst eine Veränderung der Haltung zum Tod
feststellen: Ich begann mir zu überlegen, welche Haltung ich selbst zum Tod habe,
welche Ängste mich im Bezug auf ihn quälen, und welches Bild des Nachlebens ich
habe. Der Einblick in andere Weltbilder, den ich mir verschaffte, veränderte einige
Aspekte meines eigenen Todesbildes und brachte mir auch eine gewisse Präsenz des
Todes, die ich in der Arbeit als erstrebenswert anpreise. Für mich war es schwierig, einen
Auszug meiner Erfahrung mit der Thematik in eine Arbeit zu fassen, die vom Umfang
her so beschränkt ist. Zu Beginn hatte ich eine Arbeit im Sinne, die einen ausführlichen
Überblick über die Personifikationen des Todes bietet. Doch mit der Zeit sah ich ein,
dass ein solches Vorhaben beinahe unmöglich war. Ich begann jedoch gewisse Muster zu
erkennen, und setzte mir als Ziel in der Arbeit vor allem etwas wie ein Grundwerkzeug
zur Betrachtung eines Todesbildes zu geben. Die Voraussetzung dessen sehe ich in dem
Wissen über den anatomischen und psychologischen Aspekt des Sterbens. Weiter
klassifizierte ich die Archetypen des Todes nach eigenem Gutdünken, um einen knappen
Überblick und eine Orientierungshilfe zu gewährleisten. Der anschliessende Ausblick ist
vor allem eine persönliche Interpretation und hat sehr subjektive Aspekte, welche ich
auch als solche kennzeichnen möchte. Meine eigene, beeinflusste Meinung hat bei der
Interpretation der diversen Todesbilder eine prägende Rolle gespielt, wie sie es wohl bei
jeder Interpretation tut.
Während meiner Arbeit hat eine Veränderung begonnen, welche mich positiv
überraschte, und auch meinen Glauben, an eine aufgeklärte Todeskultur bestärkte: Immer
mehr Ausstellungen, Zeitungsartikel, Fernsehberichte und ähnliches beschäftigten sich
mit dem Tod und mit dem Sterben. Teilweise war es beinahe unheimlich, wie viele
Informationen sich innerhalb von einigen Monaten in dieser Form zusammen trugen, wo
ich noch ein Jahr vorher vergebens nach Spuren des Todes in der westlichen Gesellschaft
suchte.
24
Ich behaupte subjektiv, dass ein „Heilungsprozess“ eingesetzt hat, und der Tod wieder
aktiver in das Alltagsleben eingegliedert wird. Natürlich ist die Beschäftigung mit dem
Tod etwas individuelles, was auch kaum durch eine Obrigkeit gesetzt oder verändert
werden kann, jedoch beobachte ich einen allgemeinen Trend des wachsenden Interesses.
Als Abschluss meiner Arbeit danke ich für die Lektüre, und möchte zur persönlichen
Auseinandersetzung mit der Thematik anregen.
25
5. Quellenangaben
-Pschyrembel – klinisches Wörterbuch; 2002; Berlin, New York; Walter de Gruyter; 259.
Auflage
-Geschichte des Todes; Philippe Ariès; 1980; München; Carl Hanser Verlag
-Das Totenbuch der Maya; Paul Arnold; 1978; Bern, München; Scherz Verlag
-KulturSchock Mexiko; Klaus Boll; 1997; Bielefeld; Reise Know-how Verlag Peter Rump
GmbH; 3. Auflage
-Death and western thought ; Jacques Choron; 1963; New York; Collier Books
-Geschichte des Todes in der Neuzeit; Norbert Fischer; 2001; Erfurt; Sutton Verlag
-Pflege Heute; Arne Schäffler; 1997;München; Urban und Fischer Verlag;
-Encounters With Death: A Compendium of Anthropomorphic Personifications of Death from Historical to Present Day Phenomenon; Leilah Wendell; 1996; Westgate Press, US.
-Link: http://www.deardeath.com/index.htm; Deardeath.com; 1998-2006; Letzter Besuch:
8.1.2007
-Link: http://www.deathreference.com/index.html; Thomson Gale; 2005; Letzter Besuch:
8.1.2007
-Link: http://www.trinity.edu/~mkearl/death.html; Michael Kearl; 2002-2006; Letzter
Besuch: 8.1.2007
-Link: http://en.wikipedia.org/wiki/Category:Death; Wikimedia; Letzter Besuch: 8.1.2007
-Link: http://www.red4.co.uk/Folklore/trevelyan/welshfolklore/chapt20.htm; V.Wales;
2000; Letzter Besuch: 8.1.2007
26
-Link: http://www.westgatenecromantic.com/index.html; “The Azrael Project” 1999-2006;
Letzter Besuch: 8.1.2007
-Link: http://www.pantheon.org/; Encyclopedia Mythica; 1995-2006; Letzter Besuch:
8.1.2007
-Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Tod; Wikimedia; Letzter Besuch: 8.1.2007
-Link:
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/gesundheit/gesundheitszustand/sterbli
chkeit__todesursachen/publikationen.Document.64759.pdf; Admin.ch; Letzter Besuch:
8.1.2007
-Titelbild: http://z.about.com/d/altreligion/1/0/j/I/3/galleryangelofdeath6.jpg; Letzter
Besuch: 8.1.2007
-Abbildung 1: http://altreligion.about.com/library/graphics/death5.jpg; letzter Besuch:
9.1.2007
-Abbildung 2:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/80/Francesco_del_Cossa_017.jp
g/290px-Francesco_del_Cossa_017.jpg; letzter Besuch: 9.1.2007
-Abbildung 3:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/23/Hades_%28Greek_Mythology%29.j
pg; letzter Besuch: 9.1.2007
-Abbildung 4: http://sitdiary.net/urban909/family%20guy%20death.jpg; letzter Besuch:
9.1.2007
-Abbildung 5: http://z.about.com/d/altreligion/1/0/-/H/3/sgalleryholbeiniii2.jpg; letzter Besuch: 9.1.2007