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U. Schwantes, 118. DÄT
TOP III Kommunikative Kompetenz im ärztlichen Alltag –
Verstehen und Verständigen
118. Deutscher Ärztetag Frankfurt am Main
12.-15 Mai 2015
Ulrich Schwantes Abt. Allgemeinmedizin [email protected]
U. Schwantes, 118. DÄT
- Genügend Zeit haben - Geduld – Ehrlichkeit - verständliche Informationen - fachliche Kompetenz - Erkennen der eigenen Grenzen M. L. Dierks, 1995
Erwartungen der Patienten an die Ärzte
U. Schwantes, 118. DÄT
Erwartungen der Patienten an die Ärzte
Little P et al.: Preferences of patients for patient centred approach to consultation in primary care: observational study. BMJ. 2001 Feb 24; 322 (7284): 468
Gute Kommunikation (alle Aspekte) 88 – 99 % Partnerschaftlicher Umgang 77 – 87 % Gesundheitsförderung 85 – 89 % Untersuchung 64 % Verschreibung 25 % Soll interessiert sein, wie das Problem mein Leben beeinträchtigt 89 %
U. Schwantes, 118. DÄT
Fazit 1:
Patienten erwarten von ihren Ärzten kommunikative Kompetenz!
© MEDICAL TRIBUNE
U. Schwantes, 118. DÄT
Kommunikative Kompetenz Grundlagen/Theorie:
Paul Watzlawick (1921 – 2007): - Fünf Axiome Friedemann Schulz von Thun (*1944): - Stimmigkeit der Kommunikation im Vierfelder-Schema:
- Vier-Seiten(Vier-Ohren)-Modell:
• Man kann nicht nicht kommunizieren • Inhalts- und Beziehungsaspekt • Ursache und Wirkung gleichzeitig • Digitale und analoge Modalitäten • Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär
Situation
entsprechend nicht
entsprechend
ich selbst
gemäß stimmig daneben nicht
gemäß angepasst verquer
U. Schwantes, 118. DÄT
Hören
Fühlen
Sehen Die richtigen Worte benutzen.
= Zuwendung
Harris SR, Templeton E. Who's Listening? Experiences of Women with Breast Cancer in Communication with Physicians. Breast J 2001 Nov-Dec; 7(6): 444-9
Kommunikative Kompetenz Ärztliches Verhalten
U. Schwantes, 118. DÄT
Falsche Worte....
- ...setzen Patienten mit ihrer Krankheit gleich, z.B. Diabetiker, Hypertoniker, Psychotiker etc.
- ...halten den Patienten auf Distanz. - ...werden zur Belastung (für Patient und Arzt). - ...fördern den Zynismus und führen ins Burn-Out. Beispiele: - „Solche wie Sie haben wir hier alle fünf Jahre. Und ich sag Ihnen eins: Keiner
von denen hat überlebt.“ - „Haarverlust ist doch kein Ich-Verlust.“ - „Dieses eingeengte Blutgefäß ist ein Witwenmacher.“ - „Uns interessiert der Patient nur, wenn er auf dem OP-Tisch liegt.“ - „Da können Sie sich schon mal die Farbe Ihres Rollstuhls aussuchen.“
Beispiele z.T. aus: „Das ärztliche Gespräch – eine vernachlässigte Aufgabe“ Linus S. Geisler 2003
U. Schwantes, 118. DÄT
Fazit 2:
Gute ärztliche kommunikative Kompetenz fußt auf Theorien oder nutzt Techniken.
Sie hängt aber wesentlich ab von der Haltung und dem Verhalten der Ärztin/des Arztes!
© MEDICAL TRIBUNE
U. Schwantes, 118. DÄT
Wandel der Arztrolle
Heiler Detektiv Gatekeeper (Interessenverwalter) Partner
Donner-Banzhoff N: Arzt und Patient: Archäologie einer Beziehung Dtsch Arztebl 2012; 109(42): A-2078 / B-1694 / C-1662
Änderungen in der Kommunikativen Kompetenz
„Das Leben eines Kranken kann nicht nur durch
die Handlungen eines Arztes verkürzt werden,
sondern auch durch seine Worte oder sein
Verhalten.“
Gründungsschrift der American Medical Association, 1847
U. Schwantes, 118. DÄT
Volz, Robert: Der ärztliche Beruf. Berlin, Lüderitz, 1870. Sammlung wissenschaftl. Vorträge, hrsg. von R. Virchow u. Holtzendorff
„Die Medizin ist thatsächlich, ist objektiv geworden.
Es ist gleichgültig, wer am Bett steht, aber er muss verstehen, zu untersuchen, zu erkennen.
Er tritt vor ein Objekt ...........und die rechts und links liegenden Familienverhältnisse ändern daran gar nichts: der Kranke wird zum Gegenstand“ Robert Volz 1870
Änderungen in der Kommunikativen Kompetenz
Detektiv
U. Schwantes, 118. DÄT
Sir William Osler (1849 – 1919)
http://www.brainyquote.com/quotes/quotes/w/williamosl391388.html#4u02mYUavOtOS6Qd.99
Änderungen in der Kommunikativen Kompetenz
Sage mir nicht, welche Art Krankheit der Patient hat, sondern erkläre mir, welche Art von Patient diese Krankheit hat
U. Schwantes, 118. DÄT
Fazit 3:
Die ärztliche Kommunikation unterliegt tradierten Gewohnheiten und wird durch medizinfremde
Anforderungen beeinflusst!
http://images.zeno.org/Literatur/I/500-298/bwe4011a.jpg
U. Schwantes, 118. DÄT
Voigt I et al.: Priority Setting in General Practice: Health Priorities of Older Patients Differ from Treatment Priorities of Their Physicians, Croat Med J. 2010 Dec; 51(6): 483–492. doi: 10.3325/cmj.2010.51.483
Gabbay M et al.: Patient-practitioner agreement: does it matter? Psychol Med. 2003 Feb;33(2):241-51.
Starfield B et al.: The influence of patient-practitioner agreement on outcome of care. Am J Public Health. 1981 Feb;71(2):127-31. Patienten und Ärzte teilen das Hauptproblem in nur ca. 50%
Untersuchungen zur Kommunikativen Kompetenz:
Ärzte überschätzen ihre Zeit für Informationen um das 9-fache
Waitzkin H: Doctor-patient communication: Clinical implications of social scientificresearch.JAMA 1984 Nov;252-2441-2446
Mishra S und Waitzkin H: Physician-Patient Communication, West J Med. 1987 Sep; 147(3): 328.
Beckman HB und Frankel RM: The effect of physician behavior on the collection of data. Ann Intern Med. 1984 Nov;101(5):692-6.
Wilm et al. 2004: Wann unterbricht der Hausarzt seine Patienten zu Beginn der Konsultation, Z Allg Med 2004; 80: 53 – 57
Marvel MK et al.: Soliciting the patient's agenda: have we improved? JAMA. 1999 Jan 20;281(3):283-7. Ärzte unterbrechen ihre Patienten im Mittel bereits nach 11 – 24 sec
Bär T (Schwantes): Die spontane Gesprächszeit von Patienten zu Beginn des Arztgesprächs in der hausärztlichen Praxis. Promotion Charité, 2009
Blau JN: Time to let the patient speak. BMJ. 1989 Jan 7; 298(6665): 39
Langewitz W et al.: Spontaneous talking time at start of consultation in outpatient clinic: cohort study. BMJ. 2002 Sep 28; 325(7366): 682–683. Patienten reden ungestört im Mittel
60 – 100 sec
Makoul G et al.: Four concepts of health in America: results of national surveys. J Health Commun. 2009 Jan-Feb;14(1):3-14. doi:10.1080/10810730802592213.
Street RL und Haidet P: How Well Do Doctors Know their Patients? Factors Affecting Physician Understanding of Patients’ Health Beliefs. J Gen Intern Med. 2011 Jan; 26(1): 21–27. doi: 10.1007/s11606-010-1453-3
Gesundheitskonzepte von Ärzten und Patienten differieren erheblich
Makoul G und Curry RH: The Value of Assessing and Addressing Communication Skills. JAMA. 2007;298(9):1057-1059. doi:10.1001/jama.298.9.1057.
Tamblyn R et al.: Physician Scores on a National Clinical Skills Examination as Predictors of Complaints to Medical Regulatory Authorities. JAMA. 2007;298(9):993-1001. doi:10.1001/jama.298.9.993.
Effektive Kommunikation bessert die Therapieadhärenz der Patienten, senkt die Fehlerquote von Ärzten und erhöht deren Berufszufriedenheit. Beschwerden über Ärzte werden geringer.
U. Schwantes, 118. DÄT
Der winkt immer, wenn wir hier vorbeikommen
© OL, Cartoon aus der Berliner Zeitung
Es geht um Verstehen und Verständigung.
U. Schwantes, 118. DÄT
Fazit 4:
In der ärztlichen Kommunikation bestehen Defizite. Die erforderlichen Kompetenzen müssen gelehrt, gelernt und
geübt werden! WDR, Quarks & co
U. Schwantes, 118. DÄT
• Patientenzentriertes Vorgehen • Umgang mit Emotionen • Informationen vermitteln
• Umgang mit divergierenden Konzepten • Entscheidungsfindung
„Kommunikation im medizinischen Alltag“. Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften. 2013
Kommunikation im ärztlichen Alltag Lehren, Lernen, Üben
Gesprächstechniken:
• Strukturierung des Gesprächs
U. Schwantes, 118. DÄT
Erstgespräch Anamneseerhebung Schlechte Nachrichten überbringen Über schwierige Entscheidungen sprechen Ansprechen heikler Themen: - Häusliche Gewalt - Sucht (Alkoholkonsum) - Sterben - Suizidalität - Sexualität Gespräch mit Angehörigen: - von kranken Kindern - von Patienten mit Demenzerkrankungen Arbeiten mit Dolmetschern Gespräch über Patientenverfügung und Wiederbelebung Gespräch über Behandlungsfehler Gespräch zwischen den Berufsgruppen „Kommunikation im medizinischen Alltag“. Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften. 2013
Kommunikation in der Komplexität des ärztlichen Alltags
Lehren (als Vorbild): - emotionale und ethische Haltung
Lernen: - im Studium - in der Weiterbildung - kontinuierlich in der Fortbildung
Lernen durch Üben: - in geschützter Atmosphäre - in Kleingruppen - mit Schauspielerpatienten - unter Wahrung der Komplexität - bei konstruktivem Feedback
U. Schwantes, 118. DÄT
Das Gesetz des Lebens ist Variabilität. So wie keine zwei Gesichter dieselben sind, so wenig ähneln sich zwei Körper, und keine zwei
Individuen reagieren und verhalten sich ähnlich unter den anormalen Bedingen, die wir
Krankheit nennen. Sir William Osler
Kommunikation im ärztlichen Alltag ist lebenslange Erfahrung.
U. Schwantes, 118. DÄT
Kommunikation ist eine Schlüsselkompetenz des ärztlichen Berufs. Haltung, Verhalten und Sprache prägen die Begegnung mit dem Patienten. Ärztliche Kommunikationskompetenz muss ein zentraler Bestandteil in der Aus-, Weiter- und Fortbildung sein.
Wenn wir die Sprache im Umgang mit den Patienten verlieren, mutieren wir zu • Medizinern der Technik • fragmentierten und fragmentierenden Spezialisten • und machen uns substituierbar.
Etymologische Bedeutung des Wortes Medizin Zwei indogermanische Wortstämme: me(d) - iri das bedeutet: Maß (maßvoll) - gehen auch in Meter/Mahl/Mal Ein Mediziner ist in der alten Bedeutung ein angemessener Begleiter
Schlussfazit:
U. Schwantes, 118. DÄT
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Der Patient erwartet eine psychosoziale Kompetenz bei Ärzten. Diese kann man lehren und lernen wie Auskultieren, Operieren und
eine Pneumonie diagnostizieren und behandeln.
Während des ganzen Studiums und allen Weiterbildungszeiten sollten Lehr- und Lernziele zum Aufbau einer
Kommunikationskompetenz und einer Beziehungsfähigkeit angeboten werden.
Peter Helmich (1930 –2008)