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Schulfernsehen TOTAL PHÄNOMENAL Vom Erz zum Stahl Ein Film von Tilman Büttner Beitrag: Eckhard Huber Inhalt Die Kamera führt die Zuschauer zu- nächst in die Werkstatt eines Skulpturenkünst- lers, der aus Stahl- schrott Plastiken fertigt. Sein Aus- gangsmaterial be- sorgt sich der Künstler auf einem Schrottplatz – es dürfen aber nur Teile aus Stahl sein. Schon in der Antike wurde Stahl produziert Eine Zeitreise rück- wärts führt nun zu dem Rohstoff, aus dem Stahl gewonnen wird: Eisenerz. Sol- che Erzbrocken fin- det man auch in Deutschland, z. B. im Weserbergland. Der Schmied Georg Pittau sammelt solche Brocken, um daraus Eisen zu gewinnen. Er und seine Freunde haben aus Ton einen mannshohen Ren- nofen gebaut, wie er schon in der Antike benutzt wurde, beispielsweise im Römischen Reich. Durch tagelanges Beheizen mit Holzkohle wird der Ton gebrannt und erhält die nötige Festigkeit. Ein handbetriebener Blasebalg liefert den nötigen Sauerstoff. Nach und nach werden nun der Holz- kohle Eisenerzbrocken zugefügt, dann folgt wie- der Holzkohle usw. Durch ungenügende Verbren- nung der Holzkohle entsteht aus Kohlenstoff und Sauerstoff Kohlenstoffmonoxid. Dieses giftige Gas steigt nach oben und entreißt dem Eisenerz den Sauerstoff – das Kohlenstoffmonoxid wird so zu Kohlenstoffdioxid oxidiert, gleichzeitig wird das Erz zu Roheisen reduziert. Soweit die Theorie, doch das flüssige Eisen, das aus dem Rennofen rinnt, ist noch mit Schlacke verunreinigt. Erst durch langes Schmieden erhält Georg Pittau schließlich Roheisen – 2 kg aus 20 kg Eisenerz. Aus Erz wird Eisen reduziert und zu Stahl veredelt Im Prinzip wird dieses Verfahren der Reduktion von Eisenerz durch Kohlenstoff bzw. Kohlenstoff- monoxid auch heute – 2.500 Jahre nach der Er- findung des Rennofens – in den modernen Hoch- öfen der Eisenindustrie verwendet. Der Rohstoff Eisenerz kommt längst nicht mehr aus den er- schöpften deutschen Erzgruben, sondern aus Übersee. Am Standort des Hoch- ofens angekommen © Bayerischer Rundfunk 1

TOTAL PHÄNOMENAL Vom Erz zum Stahl...satzstoffe wie Eisenerze, Koks und Zuschläge (z.B. Kalk, Sand und Dolomit) werden zunächst in eine Bunkeranlage gebracht. Sie besteht aus mehreren

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TOTAL PHÄNOMENALVom Erz zum Stahl

Ein Film von Tilman Büttner

Beitrag: Eckhard Huber

Inhalt

Die Kamera führt die Zuschauer zu-nächst in die Werkstatt eines Skulpturenkünst-lers, der aus Stahl-schrott Plastiken fertigt. Sein Aus-gangsmaterial be-

sorgt sich der Künstler auf einem Schrottplatz – es dürfen aber nur Teile aus Stahl sein.

Schon in der Antike wurde Stahl produziert

Eine Zeitreise rück-wärts führt nun zu dem Rohstoff, aus dem Stahl gewonnen wird: Eisenerz. Sol-che Erzbrocken fin-det man auch in Deutschland, z. B. im Weserbergland. Der Schmied Georg Pittau sammelt solche Brocken, um daraus Eisen zu gewinnen. Er und seine Freunde haben aus Ton einen mannshohen Ren-nofen gebaut, wie er schon in der Antike benutzt wurde, beispielsweise im Römischen Reich. Durch tagelanges Beheizen mit Holzkohle wird der Ton gebrannt und erhält die nötige Festigkeit. Ein handbetriebener Blasebalg liefert den nötigen Sauerstoff. Nach und nach werden nun der Holz-

kohle Eisenerzbrocken zugefügt, dann folgt wie-der Holzkohle usw. Durch ungenügende Verbren-nung der Holzkohle entsteht aus Kohlenstoff und Sauerstoff Kohlenstoffmonoxid. Dieses giftige Gas steigt nach oben und entreißt dem Eisenerz den Sauerstoff – das Kohlenstoffmonoxid wird so zu Kohlenstoffdioxid oxidiert, gleichzeitig wird das Erz zu Roheisen reduziert.

Soweit die Theorie, doch das flüssige Eisen, das aus dem Rennofen rinnt, ist noch mit Schlacke verunreinigt. Erst durch langes Schmieden erhält Georg Pittau schließlich Roheisen – 2 kg aus 20 kg Eisenerz.

Aus Erz wird Eisen reduziert und zu Stahl veredelt

Im Prinzip wird dieses Verfahren der Reduktion von Eisenerz durch Kohlenstoff bzw. Kohlenstoff-monoxid auch heute – 2.500 Jahre nach der Er-findung des Rennofens – in den modernen Hoch-öfen der Eisenindustrie verwendet.

Der Rohstoff Eisenerz kommt längst nicht mehr aus den er-schöpften deutschen Erzgruben, sondern aus Übersee. Am Standort des Hoch-ofens angekommen

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wird das Erz zerkleinert und mit Förderbändern zum Hochofen transportiert. Als Reduktionsmittel dient Koks, nahezu reiner Kohlenstoff, der durch Erhitzen von Steinkohle erzeugt wird. Nach der Reduktion wandert das flüssige Roheisen nach unten und nimmt aus dem Koks Kohlenstoff auf. Schließlich sammelt es sich am Boden des Ofens und wird von Zeit zu Zeit abgelassen.

Mit einem Kohlenstoffgehalt von 3 bis 4 Prozent ist Roheisen zu spröde und unelastisch und da-her für viele technische Anwendungen ungeeig-net. Dennoch hat man bis ins 19. Jahrhundert aus diesem sog. Gusseisen Werkstücke gegos-sen, so z. B. auch Teile für Bogenbrücken.

Mit Bessemer begann die Massenproduktion von Stahl

1856 entwickelte Henry Bessemer schließlich ein Verfahren, bei dem durch Einblasen von Luft in ein Gefäß mit der Eisenschmelze der überschüs-sige Kohlenstoff zu Kohlenstoffdioxid verwandelt wird und entweicht. Der so gewonnene Stahl ließ sich zu Platten und Blechen walzen, aber auch zu Stäben, Stahlträgern oder Rohren ziehen und zu Hohlkörpern formen. Wegen unerwünschter Re-aktionen mit dem Luftstickstoff ging man später zu anderen Verfahren über, z. B. zum sog. Sau-erstoff-Blasverfahren (LD-Verfahren), bei dem mit einem Rohr, der sog. Lanze, reiner Sauerstoff in die Eisenschmelze geblasen wird. Neben dem Kohlenstoff verbrennen dabei auch andere uner-wünschte Begleitelemente, wie Phosphor.

Dringend benötigt - der Werkstoff Stahl

In vielen Bereichen wurde der Stahl durch Leichtmetalle wie Alu-minium oder durch Kunststoffe verdrängt, aber ein modernes Auto z. B. besteht im-mer noch zu über 60 Prozent aus Stahl. Vor allem im Bau- und Verkehrswesen aber bleibt der hochfeste und dennoch elastische Werkstoff Stahl auf absehbare Zeit unentbehrlich.

Fakten

Der Rennofen

Ein Rennofen ist eine Vorrichtung zum Gewinnen von Eisen aus Eisenerz. Dabei handelt es sich um aus Lehm oder Steinen errichtete Schachtö-fen von etwa 50 bis 220 cm Höhe. Diese Vorrich-

tung zur Verhüttung von Erzen fand bereits seit der Eisenzeit bei den Kelten, Römern, Germanen und anderen Völkern Anwendung. Neben dem Schacht befand sich in manchen Fällen eine Herdgrube für den Schlackenablass, die so ge-nannte Renngrube.

Die Rennöfen wurden mit Holzkohle, Holz oder Torf warm geheizt und dann für die Verhüttung von oben wechselschichtig mit Brennstoff, meist Nadelholzkohle, und fein zerkleinertem Erz von möglichst hohem Eisengehalt befüllt. Die Erzaus-beute betrug maximal um 50 %. Bei einer Tem-peratur von 1.100 bis 1.350 °C – je nach Bauart des Ofens – wurde ein Teil des Eisenerzes im festem Zustand zu Eisen reduziert; gleichzeitig kam es zu einer Schlackenbildung. Die Schmelz-temperatur von Eisen (1.539 °Celsius) sollte möglichst nicht erreicht werden, damit kein Guss-eisen erzeugt wurde, das spröde und nicht mehr schmiedbar ist. Die Schlacke lief (rann, daher der Name Rennofen) aus Öffnungen aus dem Ofen und in die Herdgrube. Eine andere Theorie, die die recht großen Kristalle in der Luppe besser er-klärt, ist, dass im oberen Bereich des Ofens das Erz reduziert und so stark aufgekohlt wird wie Gusseisen, so dass es sich beim weiteren Absin-ken in flüssigem Zustand befindet. Es verbindet sich zu einem Gebilde, das am Außenbereich an-wächst. Dies geschieht in einem Bereich mit Sau-erstoffüberschuss in der Nähe des/der Lufteinlas-se(s), der zur Entkohlung und damit Erhöhung des Schmelzpunkts führt.

Die Belüftung erfolgte in der Regel durch einen Blasebalg. Es gab auch hohe, kaminartige Ofen-formen, in denen der natürliche Luftzug ausreich-te, oder die durch Tunnel mit Wind betrieben wur-den; solche Rennöfen wurden gerne auf Höhen-zügen angelegt. Das Produkt des Schmelzpro-zesses war eine mit Schlacke durchsetzte Eisen-luppe (kein Gusseisen), die im Rennofen zurück-blieb. Das gewonnene Material wird auch als

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Renneisen bezeichnet. Diese Luppe oder auch „Ofensau“ musste nun für ihre Weiterverarbei-tung ausgeschmiedet werden. Dabei wurden Holzkohle- und Schlackenreste durch mehrfa-ches Hämmern des glühenden Metalls ausgetrie-ben. Als Endprodukt entstand ein direkt schmied-bares Eisen, aber je nach Ofenführung auch Stahl mit ungleichmäßigem Kohlenstoffgehalt, der nach dem Gerben zum Ausgleich der Eigen-schaften und gleichmäßigen Verteilung der In-haltsstoffe als Raffinierstahl bezeichnet wird.

Da die Rennofentechnologie über mehr als 2.000 Jahre Anwendung fand, ist bei den zahlreichen Verfahrensweisen und Bauformen keine allge-meingültige Beschreibung der Ofenfahrweise möglich. Versuche ergaben aber, dass zur Ge-winnung von einem Kilogramm Eisen insgesamt rund 30 Kilogramm Holzkohle erforderlich waren (mit dem Ausschmieden). In europäischen Öfen wurde meist Erz zu Kohle im Verhältnis 1:2,5 bis 1:3 verwendet.

Pro Verhüttung konnten je nach Erz, Ofengröße, Prozessdauer und anderen Faktoren mehrere Kilo (bis zu etwa 50 kg) Stahl gewonnen werden. Insbesondere aus dem in feuchten Heideland-schaften oder an Gewässern vorgefundenen rost-braunen Raseneisenerz wurde Eisen gewonnen. Das Erz, auch Ortstein, bildet sich in der Grenze des Reduktions- mit dem Oxidationsbereich im Boden.

Dieses Verfahren wurde erst in der Neuzeit durch Hochöfen verdrängt, die flüssiges Roheisen er-zeugen. Eine Zwischenstufe waren die Nieder-schachtöfen, die bis ins Ende des 19. Jahrhun-derts mancherorts benutzt wurden. Die Technik der Eisenherstellung ist eine Kunst für sich; die-ser Umstand erklärt auch, warum Eisen (gegen-über Kupfer und Bronze) erst so spät entdeckt und genutzt wurde (in Europa ab etwa 700 v. Chr.).

Die Hochofen-Anlage

Eine funktions-tüchtige Hoch-ofenanlage be-nötigt für einen reibungslosen Dauerbetrieb von 8 bis 10 Jahren bis zum nächsten fälligen Instandhaltungs-

termin mehr als nur den Hochofen selbst.

Der Bunker

Die meist per Bahn oder Schiff angelieferten Ein-satzstoffe wie Eisenerze, Koks und Zuschläge (z.B. Kalk, Sand und Dolomit) werden zunächst in eine Bunkeranlage gebracht. Sie besteht aus mehreren Bunkern, in denen die ankommenden Rohstoffe gelagert werden. Um Qualitätsunter-schiede auszugleichen, werden die Materialien vorher meist vermischt.

Manche Rohstoffe werden bereits von den Zulie-ferern (unter anderem Bergwerke) vorbereitet. Teilweise muss eine vorgeschaltete Vorbereitung z.B. in einer Erzbrech-, Sinter- und Pelletieranla-ge für eine Aufbereitung sorgen, da die Größe der Rohstoffe weder zu klein (Verstopfungsge-fahr, schlechte Durchgasung) noch zu groß (kei-ne optimale Rohstoffausnutzung) sein darf.

Die Gicht Von der Bunkeranlage aus wird das Material zur so genannten Gicht transportiert. Dies erfolgt ent-weder über Bandstraßen oder kleine Schüttwagg-ons, die abwechselnd den aus Erz und Zuschlä-gen bestehenden Möller sowie Koks zum Hoch-ofen transportieren. Seit 2006 werden in Deutsch-land als Koksersatz auch Altkunststoffe zuge-setzt, die neben der im Gegensatz zu Deponien umweltfreundlichen Verwertung von Kunststoff-abfällen auch die Emission von CO2 und SO2 ver-ringern.

Schüttwaggons transportieren das Material über einen Schrägaufzug bis zur Einfüllöffnung, der Gichtschleuse oder Gichtglocke, die den oberen Abschluss des Hochofens bildet. Zur Sicherheit gibt es immer zwei Aufzugsysteme, damit beim Ausfall eines Systems die ununterbrochene Ver-sorgung des Hochofens gewährleistet ist. Bei mo-dernen Hochöfen werden zum Transport der Be-schickung mittlerweile Förderbänder eingesetzt, die den Gichtverschluss abwechselnd mit Möller und Koks befüllen. Die zur Zeit am weitesten ver-breitete Form der Gichtschleuse ist der „Doppel-glockenverschluss“ mit einem von McKee entwi-ckelten und zwischengeschalteten Drehtrichter zur Verteilung des Schüttguts.

Das aus dem Hochofen entweichende Gichtgas besteht zum großen Teil aus heißem Kohlenmon-oxid (CO) und Kohlendioxid (CO2) sowie ver-schiedenen Schwefel- und Stickstoffverbindun-gen. Dieses tödlich-giftige, brennbare Gasge-misch wird über große Rohre abgefangen, im so genannten Staubsack vom mitgeführten Staub befreit und dann den Brennern der Winderhitzer zugeführt.

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Der Hochofen

Der Hochofen selbst ähnelt als „Schachtofen“ prinzipiell einem Kamin oder Schornstein, da die-se Form aufgrund des entstehenden Kaminef-fekts eine optimale Durchgasung der Beschi-ckung erleichtert. Je nach Leistungsfähigkeit er-reicht der Hochofenkern eine Bauhöhe zwischen 30 und 75 m. Die oberen 2/3, der eigentliche Schacht, entspricht dabei einem lang gezogenen Kegelstumpf. Daran angeschlossen folgt ein kur-zer, auf dem Kopf stehender Kegelstumpf, der „Kohlensack“, der seinerseits etwa 2/3 der Rest-höhe einnimmt. Den unteren Abschluss bildet die zylindrisch ausgeführte „Rast“, die ohne weiteren Absatz in das „Gestell“ übergeht. Bei einer Ge-samthöhe von 30 Metern entfallen also auf den Schacht etwa 20 Meter, den Kohlensack 6 bis 7 Meter und den Rest etwa 3 bis 4 Meter.

Die gesamte Hochofenwand besteht aus einem meterdicken Mauerwerk oder aber einem zenti-meterdicken Stahlpanzer und ist innen mit feuer-festen Schamotte-Steinen ausgekleidet. Gestützt und stabilisiert wird die Konstruktion mit einem

Stahlgerüst, regelmäßig unterbrochen durch Ar-beits- und Montagebühnen. Die Gesamthöhe der Anlage beträgt bis zu 90 m.

Den unteren Bereich des Hochofens schützt ein geschlossenes System aus Kühlwasserleitungen gegen Überhitzung der Ofenwände und sorgt ne-benbei für eine Verlängerung der Standzeit der Ausmauerung. Am unteren Ende der Rast befin-det sich die mit einem keramischen Stopfen ver-schlossene Abstichöffnung für das Roheisen. Die sich über dem flüssigen Roheisen ansammelnde Schlacke wird am oberen Ende der Rast abgelas-sen. Zur völligen Entleerung („Sauabstich“) bei ei-ner bevorstehenden Neuzustellung des Hoch-ofens ist an der tiefsten Stelle des Gestells sowie in dessen Boden je ein „Sauloch“ (auch Ofensau) angebracht.

Die Düsen der Heißwindringleitung setzen an der Grenze zwischen Kohlensack und Rast an und werden von Winderhitzern versorgt.

Die Winderhitzer

Anfangs wurden Hochöfen immer mit Kaltluft be-trieben, da man im Hüttenwesen seit Alters her die Erfahrung gemacht hatte, dass ein Hochofen im Winter besser lief als im Sommer. Anfang des 19. Jahrhunderts hatte man schließlich den in der erheblichen Brennstoffeinsparung begründeten Nutzen von Winderhitzern erkannt, die mit Gicht-gas befeuert werden und die Frischluft für den Hochofen auf über 1.000 °C vorwärmen. Ein moderner Winderhitzer des 20./21. Jahrhun-derts besteht aus einem senkrecht stehenden Stahlrohr von bis zu 30 Metern Höhe bei einem Durchmesser von 6 bis 7 Metern. Nach innen folgt zunächst eine Schicht wärmedämmender Steine und anschließend eine Schicht aus feuer-festen Schamotte-Steinen. Der Kern besteht voll-ständig aus übereinander geschichteten Vielloch-steinen, durch die die Frischluft geblasen und da-bei erhitzt wird. Nur an einer Seite zieht sich ein ebenfalls feuerfest ausgekleideter Brennschacht bis in Höhe der Kuppel, der etwa ein Viertel des Winderhitzer-Querschnitts einnimmt. Am unteren Brennschacht befinden sich die Brenndüsen und die Anschlüsse für Kaltluft und Heißluft. Üblicher-weise sorgen immer drei Winderhitzer für eine reibungslose und störungsfreie Versorgung des Hochofens mit Heißluft.

Heißwindringleitung und Düsen

Mit einer maximal erreichbaren Temperatur von bis 1350 °C (1985) gelangt der Heißwind über die „Heißwindringleitung“ zu den je nach Baugröße

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10 bis 20 Zuführungsdüsen. Zur weiteren Vermin-derung des Koksverbrauches wird mancherorts Öl mit eingeblasen und an der Düsenöffnung ent-zündet.

Roheisen- und Schlackeabstich

In regelmäßigen Abständen von etwa 2 bis 3 Stunden erfolgt der Roheisen-Abstich, das heißt der Keramik-Stopfen an der Abstichöffnung wird mit einem Druckluft-Meißel oder einer Sauer-stofflanze durchstoßen. Etwa 15 bis 20 min lang fließt dann das Roheisen in der Abstichhalle durch vorgeformte Rinnen bis zu einem Loch, un-ter dem ein Pfannen- oder Torpedowaggon be-reitsteht, das aufgefangene Eisen zur Weiterver-arbeitung ins Stahl- oder Gießwerk zu transpor-tieren.

Auch die Schlacke wird mit speziellen Waggons aufgefangen und zur Weiterverarbeitung abtrans-portiert.

Aufbau und Verhalten der Beschickung während der Hochofenreise

Mehrere vor allem in Japan durchgeführte Versu-che, bei denen man Hochöfen mitten in der Pro-duktion erkalten ließ („einfror“), ergaben, dass sich die Erweichungs- und Schmelzzone glocken-förmig an der Mittelachse nach oben wölbt. Das Zentrum der Glocke besteht aus Koks, der in die-ser 1000 bis 1600 °C heißen Zone immer noch

gasdurchlässig ist. Über diese aktive Koksglocke gelangen die schmelzenden Erze und Schlacken nach innen und sinken bis in Rast und Gestell, während der eingeblasene Heißwind gleichmäßig nach außen und oben verteilt wird. Lediglich der Fuß dieser „kohäsiven Zone“ ist gasundurchläs-sig und befindet sich optimalerweise in Höhe der Rast. Er soll von der Durchgasung auch nicht be-troffen sein, damit zum einen die Zustellungen (feuerfeste Auskleidung) von Kohlensack und Rast weniger angegriffen werden.

Folgende weiteren Erkenntnisse wurden bei der Untersuchung an „eingefrorenen“ Hochöfen ge-wonnen:

Die sich abwechselnde Beschickung mit Möller und Koks bleibt auch während der Hochofenreise bis in tiefere Schichten erhalten. Lediglich die Schichtdicken werden im Verlauf der Reduktion geringer.

In Höhe der Blasebene finden sich statt der fes-ten Erze nur noch Tropfen von metallischem Ei-sen und mit Schlacke vermischter Koks.

3 bis 4 Meter unter der Beschickungsebene be-ginnt die Reduktion mit der Folge, dass die Korn-größe von Sinter, Pellets und Stückerz gleichmä-ßig abnimmt. Dabei tritt der Sinterzerfall bereits bei einer Temperatur von 200 bis 500 °C ein, der von Stückerz dagegen erst bei etwa 800 bis 900 °C.

7 Meter unter der Oberfläche ist die Reduktion so weit fortgeschritten, dass der Sinteranteil nicht weiter zerfällt. Für die anderen Möllerstoffe gilt dies jedoch nicht, da bis in eine Tiefe von 18 Me-tern ein immer weiter ansteigender Anteil an Feinkorn unter 5 mm festgestellt wurde. Ob und an welcher Stelle im Hochofen sich Feinkorn bil-det, hängt jedoch von der Temperatur und Gass-tromverteilung, von der Aufheizgeschwindigkeit sowie von der Art der Beschickung ab.

Chemische Reaktionen während der Reduktion

Um überhaupt erst eine Reduktion der Eisenerze in Gang zu bringen, müssen zunächst die dafür nötigen Reduktionsgase erzeugt werden. Dies geschieht im unteren Bereich des Hochofens bei der Verbrennung des im Koks enthaltenen Koh-lenstoffs mit Sauerstoff.Die Reaktion C + O2 -> CO2 ist stark exotherm, das heißt, es wird Wärme frei, die bei dieser Re-aktion 406 kJ/gMol beträgt und den Hochofen im Bereich der Heißwind-Ringdüsen auf eine Tem-

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peratur von 1800 bis 2000 °C, bei Einsatz von zu-sätzlichem Sauerstoff sogar auf 2200 °C erhitzt.

Zwei unmittelbar darauffolgende endotherme, also wärmeverbrauchende Reaktionen senken die Temperatur jedoch wieder auf etwa 1600 bis 1800 °C. Die sogenannte „ Boudouard-Reaktion “ CO2 + C -> 2CO, die allerdings eine Mindesttem-peratur von 1000 C benötigt, verbraucht 161 kJ/gMol.

Eine gleichzeitig stattfindende Aufspaltung des im Heißgas befindlichen Wasserdampfs H2O + C -> H2 + CO benötigt nochmals 136 kJ/gMol.

Beide Gase, Kohlenmonoxid und Wasserstoff, sind reduktionsfähig und steigen entgegen dem Materialstrom im Hochofen nach oben. Aufgrund dieser Eigenschaft – absinkende Möller-Koks-Säule einerseits und aufsteigende, dem wandern-den Schüttgut entgegenströmenden Reaktions-gase andererseits – wird der Hochofen auch als „Gegenstrom-Reaktor“ sowie als „Wanderbett-Reaktor“ bezeichnet.

In der Temperaturzone zwischen 400 und 900 °C findet die so genannte „Indirekte Reduktion“ statt. Über drei Stufen reagieren die verschiedenen Ei-senoxide jeweils mit Kohlenmonoxid bzw. Was-serstoff bis schließlich metallisches Eisen vor-liegt:

3Fe2 O3 + CO -> 2Fe3 O4 + CO2

Aus Hämatit entsteht der stärker eisenhaltige Ma-gnetit.

Fe3 O4 + CO -> 3FeO + CO2

Aus Magnetit entsteht Wüstit.

FeO + C -> Fe + CO und FeO + H2 -> Fe + H2 O

Es entsteht metallisches Eisen, das sich unten im Hochofen ansammelt.

Solange sich das entstehende CO2-Gas im Tem-peraturbereich von über 1000 °C aufhält, wird es durch die genannte Boudouard-Reaktion immer wieder zu CO regeneriert und steht dem Redukti-onsprozess zur Verfügung. Die Reduktion durch Wasserstoff ist bei etwa 800 °C besonders effek-tiv. Ein Gehalt von nur 10 % H2 im Reaktionsgas verdreifacht die Reduktionsgeschwindigkeit, aller-dings sinkt diese wieder bei weiterer Erhöhung der Temperatur. Auch darf die Stückgröße des Erzes ein gewisses Maß nicht überschreiten, da-mit die Diffusionswege des Wasserstoffs nicht zu groß werden.

Im Temperaturbereich von 900 °C bis 1600 °C findet zusätzlich eine „Direkte Reduktion“ mit Kohlenstoff statt:

3Fe2 O3 + C -> 2Fe3 O4 + CO Fe3 O 4 + C -> 3FeO + CO FeO + C -> Fe + CO

Hochofenerzeugnisse

Das gewonnene Roheisen wird ent-sprechend seiner Zusammensetzung in zwei Arten unter-teilt und unter-schiedlich weiterver-wendet:

„Weißes Roheisen “ enthält neben den anderen Eisenbegleitern Kohlenstoff, Silizium, Phosphor und Schwefel auch einen großen Anteil an Man-gan. Dieser bewirkt zum einen eine weiße, strah-lige Bruchfläche und zum anderen eine Verbin-dung von Kohlenstoff und Eisen zu Eisencarbid. Weißes Roheisen dient als Ausgangsstoff zur Stahlerzeugung und wird in einem Blasstahlwerk („Stahlkocherei“) durch Einblasen von Sauerstoff von seinen unerwünschten Begleitstoffen und ei-nem Großteil des Kohlenstoffs befreit. Diese ver-lassen den glutflüssigen, fertigen Stahl entweder als Gase (Schwefeldioxid, Kohlendioxid) oder mit den Zuschlägen als Schlacke (Kalzium- und Man-gansilikate oder -phosphate).

Beispiel:

2FeO + Si -> 2Fe + SiO2

Eisenoxid und siliziumhaltiges Roheisen reagie-ren zu Eisen (Stahl) und Siliziumdioxid.

Beim „ Grauen Roheisen “ überwiegt neben den anderen Eisenbegleitern vor allem das Silizium. Dieses bewirkt, dass sich der Kohlenstoff beim Abkühlen als Graphit ausscheidet, was sich in ei-ner grauen Bruchfläche bemerkbar macht. Grau-es Roheisen dient als Ausgangsstoff zur Herstel-lung von Gusseisen.

Schlacke besteht aus kieselsaurem Kalk und ist ein wertvoller Rohstoff zur Erzeugung von Hütten-sand, Straßenschotter, Schlackensteine, Schla-ckenwolle, Portlandzement und Hochofenzement.

Gichtgas enthält etwa 22 % Kohlenmonoxid, 22 % Kohlendioxid, 59 % Stickstoff und Wasserstoff und dient als Brennstoff nicht nur zur Erwärmung

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der Winderhitzer und Kokskammern, sondern auch als Heizgas bei Fernwärme-Heizungen und als Treibgas für Gasmotoren.

Herstellung von Stahl aus Roheisen (1) Der LD-Konverter

Das Linz-Dona-witz-Verfahren (LD-Verfahren) ist ein Sauerstoff-blasverfahren zum Frischen, also zur Stahlerzeugung durch Umwand-lung von kohlen-stoffreichem Roh-eisen in kohlen-

stoffarmen Stahl. Mit dem LD-Verfahren werden ca. zwei Drittel der Weltrohstahlproduktion herge-stellt. Beim LD-Verfahren wird ein Konverter, der so genannte LD-Konverter, mit bis zu 400 t flüssi-gem Roheisen und einem Kühlmittel (Schrott oder Eisenschwamm) beschickt.

Danach wird Sauerstoff durch eine ausfahrbare wasserge-kühlte Sau-erstofflanze auf die Ei-senschmel-ze geblasen.

Die heftig einsetzende Verbrennung (Oxidation) der Eisenbegleiter sorgt für eine Durchwirbelung der Schmelze. Zur besseren Durchmischung wird Argon durch Düsen über den Boden eingeblasen. Die Argonblasen nehmen den in der Schmelze gelösten Wasserstoff (Rucksackverfahren) auf, was die Bildung sogenannter Wasserstofffallen im späteren Werkstück verhindern soll. Während des Frischprozesses nehmen die Gehalte von Kohlenstoff, Silizium, Mangan und Phosphor ste-tig ab. Die Blasdauer beträgt zwischen 10 und 20 min und wird so gewählt, dass die gewünschte Entkohlung und die Verbrennung der uner-wünschten Beimengungen erreicht wird. Die ver-brannten Eisenbegleiter entweichen als Gase oder werden durch jetzt zugesetzten Kalk in der flüssigen Schlacke gebunden. Je nach Art des zu erzeugenden Stahls können am Ende des Frischens auch Legierungsstoffe zugesetzt werden. Erst wird das Stahlbad mit ei-

ner Temperatur von mehr als 1.600 °C bis heute möglichen 1750 °C durch das Abstichloch in eine Pfanne abgestochen, danach wird die Schlacke über den Konverterrand abgegossen. Das Stahl-bad wird dann einer sekundärmetallurgischen Be-handlung zugeführt.

Herstellung von Stahl aus Roheisen (2) Der Lichtbogenofen

Stahl kann zum einen aus Eisenerz über die Rou-te Hochofen und Konverter hergestellt werden. Energetisch günstiger ist es jedoch, ihn im Licht-bogenofen aus Stahlschrott zu erschmelzen. 2004 wurden in Deutschland 46,4 Mio. Tonnen Rohstahl produziert, davon 31 % mit Lichtbogen-öfen, 2003 waren es 44,8 Mio. Tonnen. Für das Jahr 2010 wird von einem Anteil bis zu 40 % aus-gegangen.

Der Lichtbogenofen wird zur Herstellung von Baustählen, Qualitätsstählen und Rostfreistählen genutzt. Auch wird er zur Herstellung von Kalzi-umkarbid, Silizium und synthetischen Kristallen verwendet.

Beim Lichtbogenofenprozess wird elektrische und chemische Energie zum Aufschmelzen des Ein-satzgutes eingesetzt. Dabei wird ein großer Teil der Gesamtenergie in thermische Energie (bis 3500 °C) umgesetzt, die zum Aufschmelzen des Einsatzgutes führt; ein weiterer Anteil führt zur Er-wärmung der Ofenzustellung. Die Wärme über dem Lichtbogen, der zwischen der Elektrode und dem Einsatzgut brennt, wird hauptsächlich durch Strahlung auf das Einsatzgut übertragen. Beim Wechselstrom-Lichtbogenofen brennen mehrere Lichtbögen zwischen dem Einsatzgut (bzw. der Schmelze) und der Elektrodenspitze der drei Elektroden. Beim Gleichstrom-Lichtbogen wird der Lichtbogen von vier Bodenelektroden (+) durch das Einsatzgut zu einer Elektrode (-) über-tragen.

Beim Elektrostahlverfahren kann neben Stahl-schrott auch Eisenschwamm oder Roheisen mit verarbeitet werden. Neben dem flüssigen Roh-stahl bildet sich aus den nichtmetallischen Ein-satzstoffen und Oxiden der Legierungsstoffe eine Schlackenschicht auf der Schmelze. Diese hat die Aufgabe, unerwünschte Bestandteile zu bin-den und das Stahlbad vor weiteren Oxidationen und Wärmeverlusten zu schützen sowie den Ofen vor Überhitzung zu schützen. Kurz vor dem Abstich wird die Schlacke aus dem Ofen in einem Schlackenkübel abgelassen und wird dann von einem Spezialfahrzeug abtransportiert und beim

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Schlackenbeet entleert. Der Flüssigstahl wird in eine Stahlpfanne abgegossen, die auf einem ferngesteuerten Pfannenwagen steht und den Stahl zur Weiterverarbeitung in den Pfannenofen transportiert.

Früher war es üblich, nach Einbringen der ge-wünschten Mengen an Legierungsbestandteilen in das Stahlbad die Schmelze in eine Pfanne ab-zulassen und anschließend in der Gießanlage zu vergießen. Heute wird in den meisten Fällen der Elektro-Ofen als reines Einschmelzaggregat zur Erzeugung einer Basisschmelze mit niedrigen Kohlenstoff-, Schwefel- und Phosphor-Gehalten benutzt. Die endgültige Analyse wird erst nach dem Abstechen im Pfannenofen erstellt. Hier-durch ergibt sich eine höhere Analysengenauig-keit und zudem eine erhebliche Energieersparnis. Trotz hoher Energiekosten für Strom sowie für Erdgas und Sauerstoff (für Hilfsbrenner im Ge-fäß) ist dieses Verfahren sehr flexibel hinsichtlich der Menge der zu erzeugenden Stahlsorten und der verschiedenen Stahlqualitäten.

Bauformen Der Lichtbogenofen kann als Gleichstromofen (bestehend aus einer Schmelzelektrode und einer Bodenelektrode) oder als Wechselstromofen (be-stehend aus drei Schmelzelektroden) ausgeführt werden. Die Lichtbogenlänge wird mittels eines Elektrodenreglers geregelt. An die Stromversor-gung der Öfen werden hohe Anforderungen ge-stellt, die aus dem ungleichmäßigen Brennen des Lichtbogens herrühren; es besteht die Gefahr von unerwünschten Netzrückwirkungen.

Das Ofengefäß selbst besteht aus einem aus Feuerfestmaterial gemauerten Bodengefäß sowie aus einem mit Kühlkörpern versehenen Oberge-fäß und einem schwenkbaren Deckel. Im Ober-gefäß sind meist Hilfsbrenner (Erdgas/Sauerstoff) installiert. Bei aufgeschwenktem Deckel werden Schrott und Zusatzstoffe (z. B. Legierungsmittel wie Chrom etc.) über Körbe in den Ofen char-giert. Der Abstich des Stahls erfolgt in eine Pfan-ne, die Schlacke wird in einen Schlackekübel ab-gelassen. Durch neuere Verfahren verzichtet man mittlerweile auf Schlackekübel. Die entste-hende Schlacke wird an der gegenüberliegenden Seite des Abstichloches in eine Ebene oder Mul-de übergeben, von wo sie entfernt und abtrans-portiert wird. Dafür wird der ganze Ofen hydrau-lisch gekippt.

Emissionen

Der Lichtbogenofenprozess emittiert gas- und staubhaltige Stoffe. Erforderlich sind daher wir-kungsvolle Absauganlagen und Filter.

Stahl und seine Eigenschaften

Nach der klassischen Definition ist Stahl eine Ei-sen-Kohlenstoff-Legierung, die weniger als 2,06 % (Masse) Kohlenstoff enthält. Dieser Definition folgt auch die EN 10020, nach der Stahl ein Werkstoff, dessen Massenanteil an Eisen größer ist als der jedes anderen Elements, dessen Koh-lenstoffgehalt im Allgemeinen kleiner als 2% ist und der andere Elemente enthält. Chemisch be-trachtet handelt es sich bei dem Werkstoff Stahl um eine Legierung aus Eisen und Eisencarbid. Die einfachste Definition ist aber wohl folgende: Jedes Eisen, welches ohne Zugabe anderer Stof-fe schmiedbar ist, kann man als Stahl bezeich-nen.

Eigenschaften

Stähle sind die am meisten verwendeten metalli-schen Werkstoffe. Durch Legieren mit Kohlen-stoff und anderen Legierungselementen in Kom-bination mit wärme- und thermomechanischer Behandlung können Eigenschaften für einen brei-ten Anwendungsbereich erzielt werden.

Der Stahl kann zum Beispiel sehr weich und da-für ausgezeichnet verformbar hergestellt werden, wie etwa das Weißblech von Konservendosen. Demgegenüber kann er sehr hart und dafür sprö-de hergestellt werden wie etwa martensitische Stähle für Messer (Messerstahl). Moderne Ent-wicklungen zielen darauf, den Stahl gleichzeitig fest und duktil (verformbar) herzustellen, als Bei-trag für den Leichtbau von Maschinen.

Das wichtigste Legierungselement im Stahl ist Kohlenstoff. Er liegt als Verbindung (Zementit bzw. Eisencarbid, Fe3 C) vor. Die Bedeutung von Kohlenstoff im Stahl ergibt sich aus seinem Ein-fluss auf die Stahleigenschaften und Phasenum-wandlungen.

Im Allgemeinen wird Stahl mit höherem Kohlen-stoffanteil fester, aber auch spröder. Durch Legie-ren mit Kohlenstoff entstehen in Abhängigkeit von der Konzentration und der Umgebungstempera-

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tur unterschiedliche Phasen: Austenit, Ferrit, Pri-mär-, Sekundär-, Tertiärzementit und Phasenge-mische: Perlit, Ledeburit. Durch beschleunigtes Abkühlen von Austenit, in dem Kohlenstoff gelöst ist, können die weiteren Phasengemische wie fein- und feinststreifiger Perlit sowie nadeliger/körniger Bainit und massiver/nadeliger Martensit bzw. Hardenit entstehen.

Die Dichte von Stahl bzw. Eisen beträgt 7,85-7,87 g/cm3 , der E-Modul ca. 210 kN/mm2 . Der Schmelzpunkt von Stahl kann je nach den Legie-rungsanteilen bis zu 1536 °C betragen. Stahl kann gewollte Eigenschaften (Härte, Duktili-tät, Kerbschlagzähigkeit...) annehmen. Die drei grundsätzlichen Methoden, die natürlich in Kom-bination miteinander verwendet werden können, zur Veränderung der Stahleigenschaften sind:

Legieren, Wärmebehandeln (Glühen, Härten, Vergüten, Tempcore-Verfahren...), Kaltverformen (Walzen, Ziehen ...)

Stahl hat seinen Ursprung meist in einer Schmel-ze. Beim Erstarren entstehen kleine Kristalle mit unterschiedlichen Gitterrichtungen. Diese sind unter dem Mikroskop als Schliffbild sichtbar. Man bezeichnet diese Kristallite auch als Körner. So ist zum Beispiel die Bezeichnung Feinkornbau-stahl zu verstehen. An den Korngrenzen, wo beim Erstarren die kleinen Kristalle zusammengewach-sen sind, können Seigerungen auftreten. Diese beeinflussen das spätere Verhalten des Stahls bei Umformungen und Einsatz.

Stahl kann aber auch über den pulvermetallurgi-schen Weg hergestellt werden. Dabei werden Pulvermischungen in bauteilnahe Form gepresst und dann bei Temperaturen unterhalb der Schmelztemperatur der Hauptkomponente gesin-tert. Je nach Pulverteilchengröße und Prozess-führung können sehr kleine Korngrößen erzielt werden. Eine Besonderheit des Sinterstahls ist eine gewisse Restporosität. Diese führt zu einer Verschlechterung der Eigenschaften. Sie kann aber auch gewollt sein. In Gleitlagerwerkstoffen z.B. ermöglicht die Porosität die Aufnahme von Schmieröl, welches kontinuierlich über die ge-samte Lebensdauer abgegeben wird.

Arten von Stählen

Nach EN 10020:2007-03 wird zwischen drei Hauptgüteklassen unterschieden:

Unlegierte Stähle (unlegierte Qualitätsstähle, un-legierte Edelstähle). Unlegierte Stähle (in Pro-duktbeschreibungen manchmal umgangssprach-

lich Kohlenstoffstahl oder Karbonstahl genannt) enthalten als Zusatz meist nur Kohlenstoff. Sie werden eingeteilt in Stahlwerkstoffe zur späteren Wärmebehandlung sowie solche, die nicht für eine Wärmebehandlung vorgesehen sind. Unle-gierte Stähle können geringe Mengen an Chrom, Kupfer, Nickel, Blei, Mangan oder Silizium enthal-ten.

Nichtrostende Stäh-le, d.h. Stähle mit ei-nem Massengehalt von mindestens 10,5% Chrom und höchstens 1,2% Koh-lenstoff.

Andere legierte Stähle Die Kurznamen der Stähle sind in der EN 10027 festgelegt. Heute werden ca. 2500 verschiedene Stahlsorten hergestellt.

Die Stahlwerkstoffe werden nach den Legie-rungselementen, den Gefügebestandteilen und den mechanischen Eigenschaften in Gruppen eingeteilt.

Einteilung nach Anwendungsgebieten

Weitere wichtige Eigenschaften für den Anwen-der sind die Einsatzbereiche und Verwendungs-möglichkeiten der Stähle. Daher ist auch eine Kennzeichnung sinnvoll, aus denen dies entnom-men werden kann:

Allgemeiner BaustahlEinsatz bei großen Bedarfsmengen im Maschi-nenbau an Stahl, da er gut zu Verarbeiten (über-wiegend gut schweißbar, zerspanbar, umformbar, vergießbar) und kostengünstig ist.

AutomatenstahlHoher Schwefelanteil (S) zur besseren Zerspan-barkeit, d.h. mechanischen Bearbeitung von Ma-schinen ohne Kontrolle durch den Facharbeiter.

Bewehrungsstahl(Betonstahl): Beton ist allein nur gut auf Druck beanspruchbar, mit einer Stahlbewehrung ist er auch auf Zug belastbar.

Einsatzstahl:Kleinteile sowie verschleißfeste Bauteile mit dy-namischer Beanspruchung.

FederstahlHoher Siliziumanteil (Si), erhöht die Elastizität des Stahls, meist auch mit Chrom(Cr) legiert.

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Nichtrostender StahlDiese gibt es als ferritische, als austenitische, als martensitische und als Duplex-Stähle. Ersterer wird durch Legieren von mindestens 10,5 Prozent Chrom (Cr) erhalten. In austenitischen nichtros-tenden Stählen ist zusätzlich Nickel (Ni) legiert. Austenitische Stähle sind bei Raumtemperatur nichtmagnetisch.

NitrierstahlAuf Verschleiß beanspruchte Teile, z. B. Kolben-stangen.

Säurebeständiger StahlAb einem Chromgehalt (Cr) von mindestens 17% säure- und laugenbeständig, Verwendung z. B. für Abfüllanlagen von Putzmitteln.

Spannstahl

Messerstahl

TiefziehstahlDarunter werden diejenigen Stahlsorten zusam-mengefasst, die zum Weiterverarbeiten durch Tiefziehen geeignet sind. Diese Stähle sind im Allgemeinen sehr weich und dürfen keine ausge-prägte Mindeststreckgrenze (Re) aufweisen.

VergütungsstahlGute Eignung zur Vergütung bzw. Veredelung und Härten des Stahls z. B. für Zahnräder.

WerkzeugstahlWird zur Herstellung von Werkzeugen und For-men verwendet.

SchnellarbeitsstahlBezeichnung für spanende Werkzeuge, wird im-mer in folgender Reihenfolge (Elemente) ent-schlüsselt: HSS 10-4-3-10 -> Hochleistungs-schnellarbeitstahl (HSS), 10% Wolfram, 4% Mo-lybdän, 3% Vanadium, 10% Cobalt.

Damaszener StahlDieser ist ein Werkstoff für Säbel und andere Blankwaffen und ist für seine Flexibilität und Fes-tigkeit bekannt. Damaszener-Stahl ist kein homo-gener Stahl (Mono-Material), sondern ein Ver-bundwerkstoff aus unterschiedlich legierten Stahlsorten, die durch Feuerschweißen verbun-den wurden. Nach dem Härten können die Struk-turen dieses Schweißverbundstahls durch Anät-zen oder durch spezielle Schleifverfahren sicht-bar gemacht werden.

Lernziele

Die Schüler/innen sollen kennen lernen und verstehen

• die Entwicklung der Eisenerzverarbeitung und Eisenverarbeitung seit der Antike; • den Aufbau und die Funktion eines Rennofens nach historischen Vorbildern; • den Aufbau und die Funktion eines modernen Hochofens;• die chemischen Vorgänge im Renn- und im Hochofen;• die Notwendigkeit der Entfernung von störenden Begleitstoffen im Roheisen durch Oxidation mit

Sauerstoff;• die Stahlerzeugung mit dem Bessemerverfahren;• die Stahlerzeugung mit dem LD-Sauerstoffaufblasverfahren;• die Vorzüge von Stahl gegenüber Gusseisen;• den großtechnischen Einsatz von Stahlprodukten.

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Didaktische Hinweise

Lehrplanbezüge (Bayern)

Realschule

8 Chemie I (2-stündig) Ch 8.5 Oxidation und Reduktion als Sauerstoffübertragung Reduktion als Sauerstoffabgabe

Gymnasium

8 Chemie (NTG 2 + Profil) C NTG 8.4 Profilbereich am NTG Metalle und Legierungen in der Geschichte der menschlichen Zivilisation: Lötrohrversuche, Rennfeuer , Bau eines Hochofenmodells

9 Chemie (NTG 2 + Profil) C NTG 9.6 Profilbereich am NTG Redoxvorgänge in Natur und Technik: Redoxvorgänge in biologischen Systemen; Brandschutz und Brandbekämpfung; Pyrotechnik (z. B. Wunderkerzen, Bengalisches Feuer); Eisen (Hochofenprozess, Thermitschweißen, Korrosion)

Fachoberschule Ausbildungsrichtung Technik CHEMIE

12.2 Rohstoffe und Energie Die Schülerinnen und Schüler nutzen ihre bisher erworbenen Kenntnisse und vertiefen sie bei der Auseinandersetzung mit der Problematik der Rohstoff- und Energieversorgung sowie der Erzeugung technisch wichtiger Produkte. - Großtechnische Verfahren, z. B. Eisengewinnung

Anregungen

Die Sendung gliedert sich klar in folgende Abschnitte:

00’15“ – 01’54“ Einführungsphase: Begegnung mit dem Werkstoff Stahl bei einem Künstler (I)

02’10“ – 06’30“ Gewinnung von Roheisen aus Eisenerz mit mittelalterlichen handwerklichen Methoden (Rennofen, Schmiede), Trickfilm: Erklärung der chemischen Reaktionen im Rennofen (II)

06’38“ – 10’34“ Erzabbau, Verkokung von Steinkohle, Trickfilm: Beschickung des Hochofens mit Koks und Eisenerz, Einblasen von Heißluft durch Öffnungen am Boden des Hochofens, chemische Reaktionen im Hochofen (Teiloxidation des Kohlenstoffs zu Kohlenstoffmonoxid, Reduktion des Eisenerzes, Legierung mit Kohlenstoff), Abstich des Roheisens (III)

10’35“ – 14’49“ Anwendungen von Gusseisen, technische Grenzen von Gusseisen, historische Verfahren zum Frischen von Roheisen (Bessemerbirne), Stahlgewinnung mit dem LD-Sauerstoffaufblasverfahren, Verarbeitung und Einsatz von Stahl (IV)

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Einsatz im Unterricht

Relevant für den Einsatz im Chemieunterricht an Realschulen und Gymnasien ist v. a. Abschnitt III (Reduktion von Eisenerz durch Kohlenstoffmonoxid).

Sofern genügend Zeit zur Verfügung steht, ist auch ein Projekt mit dem Unterrichtsfach Geschichte (Industrielle Revolution an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert) denkbar (Abschnitte III und IV), da der nun in großtechnischem Maßstab hergestellte Stahl die Industrialisierung und übrigens auch die Waffentechnik revolutionierte (1. Weltkrieg!).

Für den Einsatz in der FOS Technik sind die Abschnitte III und IV relevant, wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht, kann auch auf die geschichtliche Entwicklung eingegangen werden.

Schließlich ist auch ein Unterrichtsprojekt „ Technologie im Altertum/Mittelalter “ der Fächer Che-mie und Geschichte denkbar, in dem Abschnitt II eingesetzt wird.

Möglich ist aber auch ein Einsatz des gesamten Films als Ergänzung zu dem abgeschlossenen Kapitel „technische Anwendungen von Reduktionsprozessen“.

Bei der Lernzielkontrolle können Arbeitsblatt 1 und Arbeitsblatt 2 behilflich sein.

Literatur

Jan Kranich: Eisenerz und Stahl: Eine industrie- und ressourcenökonomische Analyse. Broschiert: 124 Seiten; Verlag: Vdm Verlag Dr. Müller; 2007; ISBN-10: 3836414155

Michael Degner, Reinhard Fandrich, Gerhard Endemann: Stahlfibel. Broschiert: 184 Seiten; Stahleisen-Verlag; 2007;ISBN-10: 3514007411

Hans Berns, Werner Theisen: Eisenwerkstoffe - Stahl und Gusseisen. Gebundene Ausgabe: 417 Seiten; Verlag Springer, Berlin; 2008; ISBN-10: 3540799559

Internettipps

Das komplette Video finden Sie zum Download im mp4-Format auf dem Server von Planet Schule unter http://www.planet-schule.de/sf/php/02_sen01.php?sendung=6903

Eisenherstellung im Rennofenverfahren http://www.die-roemer-online.de/index.html?/eisenherstellung/rennofen.html

Vom Eisenerz zum Roheisen: Der Hochofen http://igs-linden.homeip.net/ebooks/stahl/screens/htmlscopt/b7.html

Stahl http://www.formteile.ch/stahl.htm#Stahlherstellung

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