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II. Aus dem Institut fiir Pharmakologie und experimentelle Therapie und; aus der Klinik ft~r Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten der Universit~t Breslau. Toxikologische Untersuchungen zur Praxis der Lokalan~sthesie. Von Gert Taubmann und Georg Jung. '~Mit 3 Kurven.) (Eingegangen am 16. VIII. 1930.) Die folgenden Untersuehungen ergaben sieh aus Beobaehtungen,. die bei ktinischen Operationen in Mund, Raehen und Nase gemacht worden waren. Den Operateuren war aufgefallen, dab bei Verwendung einer in Ampullen fertig k/~ufliehen LSsung yon Novokain und Supra- renin, die in 10 ccm 0,1 g Novocain. hydrochloricum und 0,25 mg Supra- renin, hydrochloricum enthielt, verh~ltnism/~Big h/~ufig, jedenfalls er- heblich h/~ufiger als bei Operationen am Rumpf und an den Extremit/~ten recht fible Zuf/~lle auftraten. Beobachtet wurden Krhmpfe, Blhsse, Kollaps, starkes tterzklopfen, mehr oder weniger lange dauernder Atem- stiltstand. In einem Tell der F/~lle gingen die Erseheinungen nach kurzer Zeit yon selbst zurfick, in anderen muBten Analeptika angewandt werden. Ein Fall war besonders sehwer und ware ohne Anwendung kfinstlieher Atmung wahrseheinlich tSdlieh verlaufen. Aus anderen Kliniken wurde aueh fiber Todesf/~lle beriehtetl). Es war nun Aufgabe des Pharmakologen, gemeinschaftlieh mit dem Kliniker die Frage zu beantworten, warum im Gegensatz zur 0rt]ichen Bet~ubung bei anderen Operationen die Lokalan~sthesie im Gebiet der Sehleimh~ute des ~[undes und Rachens so h/~ufig unerwiinschte Nebenerseheinungen gibt. Die bier wesentliche Eigentfimlichkeit des Operationsgebietes ist often- bar seine grol~e Blutf~]le, die es weit h~ufiger als bei anderweitigen Ein- griffen mSglich maeht, dab erhebliehe l~Iengen der Bet/~ubungsfliissig- keit nieht im Gewebe deponiert und dureh den Suprareninzusatz 1) Panse, Arch. fi Ohrenheilk. 1930, Bd. 124, S. 1.

Toxikologische Untersuchungen zur Praxis der Lokalanästhesie

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Page 1: Toxikologische Untersuchungen zur Praxis der Lokalanästhesie

II.

Aus dem Institut fiir Pharmakologie und experimentelle Therapie und; aus der Klinik ft~r Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten der Universit~t

Breslau.

Toxikologische Untersuchungen zur Praxis der Lokalan~sthesie.

Von

Gert Taubmann und Georg Jung.

'~Mit 3 Kurven.)

(Eingegangen am 16. VIII. 1930.)

Die folgenden Untersuehungen ergaben sieh aus Beobaehtungen,. die bei ktinischen Operationen in Mund, Raehen und Nase gemacht worden waren. Den Operateuren war aufgefallen, dab bei Verwendung einer in Ampullen fertig k/~ufliehen LSsung yon Novokain und Supra- renin, die in 10 ccm 0,1 g Novocain. hydrochloricum und 0,25 mg Supra- renin, hydrochloricum enthielt, verh~ltnism/~Big h/~ufig, jedenfalls er- heblich h/~ufiger als bei Operationen am Rumpf und an den Extremit/~ten recht fible Zuf/~lle auftraten. Beobachtet wurden Krhmpfe, Blhsse, Kollaps, starkes tterzklopfen, mehr oder weniger lange dauernder Atem- stiltstand. In einem Tell der F/~lle gingen die Erseheinungen nach kurzer Zeit yon selbst zurfick, in anderen muBten Analeptika angewandt werden. Ein Fall war besonders sehwer und ware ohne Anwendung kfinstlieher Atmung wahrseheinlich tSdlieh verlaufen. Aus anderen Kliniken wurde aueh fiber Todesf/~lle beriehtetl). Es war nun Aufgabe des Pharmakologen, gemeinschaftlieh mit dem Kliniker die Frage zu beantworten, warum im Gegensatz zur 0rt]ichen Bet~ubung bei anderen Operationen die Lokalan~sthesie im Gebiet der Sehleimh~ute des ~[undes und Rachens so h/~ufig unerwiinschte Nebenerseheinungen gibt.

Die bier wesentliche Eigentfimlichkeit des Operationsgebietes ist often- bar seine grol~e Blutf~]le, die es weit h~ufiger als bei anderweitigen Ein- griffen mSglich maeht, dab erhebliehe l~Iengen der Bet/~ubungsfliissig- keit nieht im Gewebe deponiert und dureh den Suprareninzusatz

1) Panse, Arch. fi Ohrenheilk. 1930, Bd. 124, S. 1.

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Toxikologisehe Untersuehungen zur t 'raxis der Lokalan~isthesie. ]9

fixiert werden, sondern in die Blutbahn gelangen und allgemeine u giftungserseheinungen machen. Von seiten der Chirurgen ist die gleiehe Ansehauung ftir Operationen an Strumen, also ebenfalls an stark durch- blutetem Gewebe geltend gemacht women. Ftir die besehriebenen Ver- giftungsbilder mul3 sowohl das Novokain wie das Suprarenin verant- wortlich gemacht werden, wobei die Herz- und Gefal]wirkung des Supra- renins das Bild beherrseht, die Erseheinungen yon seiten der Atmung und die Kr~mpfe wohl auf Rechnung des 5Tovokains kommen. Damit ist die Fragestellung gegeben: Wie verhi~lt sieh bei i n t r a v e n S s e r Gabe die G i f t i gke i t yon 5TovokainlSsungen zur G i f t i gke i t yon N o v o k a i n - S u p r a r e n i n g e m i s e h e n ? Einige weitere praktisehe Fragen waren mit diesem Grundversueh verkntipft, auf sie wird spi~ter einzugehen sein.

Versuehsanordnung.

Benutzt wurden Kaninchen zwisehen 1 und 1,6 kg Gewicht, die 24 Stun- den vor Beginn des Versuches gehungert hatten. Verwendet wurden nur graue, braune und sehwarze Tiere, die sich als gleichm~l~ig empfindlich zeigten. Die weitten Tiere, aueh niehtalbinotische, waren viel weniger widerstands- fiihig und deshalb zum Versueh ungeeignet. Die LSsungen wurden so in- jiziert, dal] in 5 Sekunden genau 1 cem in die Ohrvene flol~. Die Zeit wurde yon einem Assistenten nach der Stoppuhr angesagt. ~a.eh beendeter Injektion wurde die Stiehwunde mit einer Klammer versehlossen, das Tier auf den Boden gelegt und vollkommen sich selbst tiberlassen, bis der Tod oder Er- holung eingetreten wax. Dies ist nicht nnwichtig, da alas Bewegen der Tiere unter Umstanden eine kiinstliehe Beatmung darstellt.

Zunachst wurde auf die angegebene Weise die Giftigkeit einer frisch bereiteten l%igen 5Tovokainliisung gepriift. Die tabellarisehe Zusammenstellung dieses wie aller ztigeh(irigen Versuche folgt am Ende der Arbeit. Hier mag eine Bemerkung tiber die zahtenm/il]ige Bewertung solcher Versuche gestattet sein. Wenn yon zehn Tieren unter gleichen Bedingungen sieben iiberleben und drei zngrunde gehen, so gibt das im biologischen Versuch nicht die Mi}gliehkeit, Werte in Prozent abzu- leiten und yon 70 bzw. 30~o zu sprechen. Wenn man tats~chlich 100 Tiere priifte, so wiire es nicht ausgesehlossen, dab Abweichungen nach der einen oder anderen Seite vorkommen. Wenn also im folgenden Prozentwerte angegeben werden, so geschieht dies nur der besseren Ubersieht wegen. Die Veranderung der Dosierung um jeweils 5 rag, auf Novokain be- rechnet, wurde gewiihlt, weil es nieht so sehr auf die absolute Giftig- keit als auf den Vergleieh und die Feststetlung etwaiger deutlicher Unterschiede ankara. Aus der Tabelle 2, Abteilung 1, ergibt sich fol- gendes: Bei 50 mg Novokain starben siimtliehe Tiere, bei 45 mg starben

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20 II. GERT TAUB~ANN und G~ORe Jura.

70%, bei 40 und 35 mg je 30%, bei 30 mg iiberlebten alle Tiere. Eine genaue Angabe der Dosis letalis ist demnaeh nicht mSglieh. Trotzdem 1N3t sieh die Ver~inderung der Giftigkeit bei Zusgtzen einwandfrei fest- stellen, wie aus den weiteren Befunden hervorgeht.

Die zur 5rtliehen Betgubung in der Klinik haupts~tehlieh angewen- dete Li~sung enthalt 1% Novokain mit 2,5 rag% Suprarenin in 0,6%iger KoehsalzlSsung. Wit stellten uns eine solehe LiSsung friseh her. Ihre Giftigkeitspriifung ergab folgendes: Bei 30 mg (bezogen auf Novokain) starben s~mtliehe Tiere, bei 25 mg starbeu 90 %, bei 20 mg iiberlebten alle (Tabelle 2, Abteilung 2). Demnaeh eine sehr seharfe Fixierung der Dosis letalis bei 25 rag. Im VergMeh mit der reinen NovokainlSsung stellt dies eine sehr erhebliehe Steigerung der Giftigkeit dar. Bezogen auf die Dosis letalis mug die Novokain-Suprareninmisehung mit 2,5 mg% Suprarenin a ls doppelt so giftig wie die reine Novokainli~snng angesproehen werden.

Der ngehste Versueh gait der Prttfung tier ebenso signierten kauf- lichen SuprareninlSsung in Ampullen. Da die LiSsungen nur aus einer Paekung stammen durften, ist die Zahl der Versuehe geringer Ms sonst. Bei 40 mg starb yon drei Tieren eins. Bei 35 mg starben von sieben Tieren zwei. Bei 30 mg iiberlebten sgmtliehe fiinf Tiere, die in den Versueh genommen waren (Tabelle 2, Abteilung 3). Es ergibt sieh da- mit die auf den ersten Blick sehr erstaunliehe Tatsaehe, dag die Giftig- keit dieser LSsung in Ampullen kaum grSl~er war als die der reinen NovokainlSsung, jedenfalls sehr viel geringer als die tier ebenso zu- sammengesetzten, yon uns friseh hergestellten Nisehung.

Die Prtifung auf Suprarenin dureh vorsiehtigen Zusatz yon ver- dt~nntem (0,5%igem) Ferriehlorid 15ste dies Rgtsel. In den unter- suehten Ampullen entstand auf Zusatz yon Ferriehlorid keine Grt~n- farbung, wghrend sie in tier frisehen LSsung sehr deutlieh ist. Es war also zum mindesten weniger Suprarenin in den Ampullen, als dureh die Ferriehloridprobe nachgewiesen warden kann, deren Emp- findliehkeit his zu 1:500000 geht. Ob ttberhaupg Suprarenin in den Ampullen enthalten war, konnte dureh den empfindlieheren BNt- druekversueh festgestellt werden. In der Tat erhielten wir bei intra- venSser Gabe yon 0,1 eem des Ampulleninhaltes eine deutliehe, wenn aueh geringe Blutdrueksteigerung. Im Vergleieh dazu ist die Druek- wirkung einer ebenso zusammengesetzten, ffiseh hergestellten LSsuag um ein ~Iehrfaehes gesteigert, ~de der Vergleieh tier drei folgenden Kur- yen zeigt. Die fragliehe LSsung hatte naeh Auskunft der herstellenden Firma ungef~hr 4 Monate vor der Verwendung im Versueh die Fabrik verlassen. Es mag hier bemerkt werden, dag gugerlieh der L5sung

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keine Ver~nderung anzumerken war, die zur Beanstandung Anlag ge- geben hatte. Die Ampulleninhalte waren s~mtlieh wasserklar und farb- los. 0b die yon L a n g e e k e r 1) angegebene ehemisehe Bindung yon Suprarenin und Novokain hier stattgefunden hatte, lal~t sieh demnaeh nieht sagen. Wir prfiften in der Folge noeh eine ganze Reihe soleher

Kurve 1. +

Kaninchen nicht narkotisiert. Novokain 1%, Suprarenin 2,5 mg0/o. Frisehe Ltisung 0,1 cm.

Kurve 2. AmpullenlSsung Novokain lO/o , Suprarenin 2,5 mg0/o.

4 Kurve 3. Frische LSsung Novokain 1%, Suprarenin 2,5 mgO/0.

Bei + Injektion.

Ampullen und fanden weehselnd zuweilen deutliche, manchmal geringe und reeht hi~ufig eine negative Reaktion auf Suprarenin.

Aus dem bisherigen ergeben sich zwei Schltisse, die, wie wir glau- ben, ftir die Praxis der Lokalan~sthesie yon Bedeutung sind. 1. ~)ie Giftigkeit einer NovokainlSsung bei intravenSser Gabe wird dureh den iib]iehen Suprareninzusatz auf das Doppelte gesteigert, im Gegensatz zu der meehanisehen )> Entgiftung (( dutch Sperrung der Abfuhrwege bei

1) L a n g e c k e r , Arch. f. exp. Pathok u. Ph~rm~kol. 19287 Bd. 129, S. 202.

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22 I I . GERT T a u ~ M a x ~ u n d G~o~G J u ~ G .

Injektion ins Gewebe. 2. Die Haltbarkeit yon Novokain-Suprarenin- gemisehen ist aueh unter Anwendung von Stabilisatoren bei Absehlug yon Lieht und Luft unsieher. Praktiseh liegt die Saehe so, da6 die Ampullen sofort naeh ihrer Herstellung zu viel wirksames Suprarenin enthalten, und dal~ bei l~tngerem Lagern der Gehalt daran geringer und irgendwann wohl zu gering wird. Die dazwisehenliegende optimale Kon- zentration zu. bekommen, ist mehr weniger Gliiekssaehe. Jedenfalls ist dadureh ein Moment der Unsieherheit ftir den benutzenden Operateur gegeben. Die notwendige Schlul~folgerung daraus ist: Herstellung der MisehlSsungen ft~r die 5rtliehe Betaubung erst kurz vor dem Eingriff, am besten dureh den Operateur se]bst.

Die weitere Frage ist die, welehe Konzentration an Suprarenin soll in diesen friseh hergestellten LSsungen verwendet werden, wie welt kann die Konzentration an Suprarenin vermindert werden, ohne die Sieherheit der lokalan~tsthetisehen Wirkung zu gef~hrden? Orientie- rende Versuehe hieriiber haben wit folgendermal~en angestellt: Einer Versuehsperson wurde 0,1 ecru einer Novokain-Suprareninmisehung, die jedesmal 1% Novokain und weehselnde Mengen v0n Snprarenin ent- hielt, intrakutan in die ttaut der Beugeseite des Unterarmes gespritzt, und die Dauer der Bertihrungsunempfindliehkeit dureh leiehten Stieh mit dner Nadel in Abst~tnden yon 10 Minuten geprtift. Das Resultat wird in der n~tehsten Tabelle wiedergegeben:

Tabelle 1.

L o k a l a n t t s t h e t i k u m 0,1 e e m i n t r a k u t a n

D a u e r de r v o l l s 6 t n d i g e n i : Ant t s thes ie . D u r c h s c h n i t t aus

m e h r e r e n V e r s u c h e n

F r i s c h e L S s u n g N o v o k a i n

A m p u l l e n l ~ s u n g ,

F r i s c h e L ~ s u n g ,,

>> �9 >>

>> >*

lO/o, o h n e Zusa t z 1 ~ , S u p r a r e n i n 2,5 mgO/o

1 , ~ 2,5 1 ,> ~ 1,25 , 1 ,, ,, 1,0 1 ,> ,, 0,625

1 ~, ,> 0,5 ,,

U n s i c h e r , h S c h s t e n s 5 Minuten .

3 S t u n d e n 0 Minuten .

1 S t u n d e 57 ,,

2 S t u n d e n 10 2 , I0 ,, 1 S tu n d e 55 �9 1 ,, 33

Itieraus ergibt sieh, dal3 der Suprareninzusatz in der t~bliehen Kon- zentration yon 2,5 mg ~o eine aul~erordentlieh lange Angsthesiedauer be- wirkt, wie sie kaum jemals ftir eine Operation notwendig und aueh gar nieht einmal erwiinseht ist, da die naeh Aufhi~ren der Gefal3verengerung zuweilen auftretende Naehblutung sehr lange hinausgezSgert wird, was zumal bei ambulant behandelten Patienten yon Naehteil sein kann.

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Toxikologische Untersuchungen zur Praxis der Lokalan~sthesie. 23

Weiter kann man den Zahlen der obigen Tabelle entnehmen, dab ft~r eine ausreiehende An/~sthesie schon 0,5 mg~o Suprarenin geniigt, also tier fiinfte Teil der handelsiiblich zugesetzten Menge. Dieser Quaddel- versuch bedurfte nattirlich der Best/itigung durch die klinische Be- obachtung. Die Kombination yon 1 ~o 1Xovokain mit 0,5 mg~o Supra- renin wurde fiir Operationen an Hals, iXase und Rachen verwendet ufid vollkommen ausreichend befunden, so dab die hiesige Klinik d~zu iibergehen wird, dauernd mit dieser jewefls zur Operation fertiggestellten LSsung ohne den Zusatz eines Stabilisators zu arbeiten. Die Priifung tier Giftigkeit dieser Mischung mit 0,5 rag% Suprarenin ergab folgende Werte: Bei 35 mg starben s/imtliche Tiere, bei 30 mg iiberlebten alle. Die Giftigkeit ist also gegentiber der LOsung mit 2,5 mg~o Suprarenin deutlich herabgesetzt (s. Abteilung 5 der Tabelle 2).

Des weiteren erstreckten sich unsere Untersuchungen auf die :h/~ufig geiibte Vorbehandlung mit oralen Kalkgaben zur Vermeidung von Blutungen bzw. zur besseren Blutstillung. Da bekanntlich das .Calcium den Organismus gegen Suprarenin zu sensibilisieren vermag, so war die MSglichkeit yon vornherein nicht yon tier Hand zu weisen, da6 bei solchen mit Calcium in Form des Ca-Glukonats vorbehandelten Patienten das Suprarenin bzw. die Suprarenin-Novokainmischung eine Steigerung ihrer Giftigkeit erfahren wiirde. Zur l~achpriJfung ftitterten wir Kaninchen 14 Tage lang t/~glich mit je 1 g Ca-Glukonat. Anschlie]end daran wurde die Giftigkeit der Mischung yon 1% Novokain mit 2,5 mg % Suprarenin bei intravenSser Gabe gepriift. Die Befunde waren folgende: Bei 30 mg (bezogen auf Novokain) starben alle Tiere. Bei 25 mg ilber- lebten 70%, bei 20 mg 90% "(s. Abteilung 4 tier Tabelle 2). Bei Ver- gleich der Ergebnisse ftir 25 mg in Abteilung 2 und 4 ergibt sich eine m~l~ige Abschw/~chung der Giftigkeit nach Calciumvorbehandlung, also alas den Erwartungen entgegengesetzte Resultat.

Der Unterschied kann vielleicht so erkl/~rt werden, dal] das Calcium durch seine gewebsdichtende Eigenschaft dem Lungen6dem entgegen- arbeitet, das auf Stauung im kleinen Kreislauf bei iiberm/if~igem Wider- stand im grol~en Kreislauf (Suprarenin) beruht. Jedenfalls geht aus den Befunden hervor, da~ die Calciummedikation unter den genannten Gesichtspunkten ungef/ihrlich ist.

Weiter priiften wir die Wirkung des von K o c h m a n n und seinen ~itarbeitern 1) zur Verl~ngerung der Lokalan~sthesie empfohlenen Zu-

1) K o c h m a n n , Dtsch. med. Wochenschr. 1912, iN-r. 34. - - Z o r n , Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. 1913, Bd. 12, Hft. 3. - - H o f f m a n n und K o c h m a n n , Beitr. z. klin. Chir. 1914, Bd. 91, Hit. 3.

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24 II. GERT TAUBMANN nnd GEORG JUNG.

satzes yon Kaliumsulfat. Wir injizierten intravenSs folgende ~[ischung: Novokain 1%, Suprarenin 0,5 rag%, Kaliumsulfat 0,4%. Ein Vergleich ist demnach nur mit der vorhergehenden Untersuehungsreihe, die eben- falls 0,5 mg~o Suprarenin enthielt, mSglich. Die Ergebnisse waren fol- gende: Bei 40 mg starben si~mtliche Tiere. Bei 35 mg starb yon aeht Tieren eins (12,5%). Bei 30 mg starb yon seehs Tieren eins (16,7%). Demnach ergibt sich eine deutliehe Verbesserung der Vertr~glichkeit dureh den Kaliumsulfatzusatz. Diese 3{isehlSsung ist etwas giftiger als die NovokainlSsung allein und wesentlich weniger giftig als die bisher benutzte Novokain-SuprareninlSsung mit 2,5 mg~o (s. Abteilung 6 der Tabe]le 2). Sie dtirfte allen klinisehen Anforderungen geniigen. ])ber ihre Prtifung wird Jung an anderer Stelle beriehten. Die pharmako- logische Erkliirung fiir die Vertri@iehkeitssteigerung der Angsthesie- 15sung dureh Kaliumsulfat diirfte in der Vermin@rung der Reflex- erregbarkeit dureh das Kaliumion zu suehen sein, die den Kr~mpfen und der dutch sie bedingten krampfhaften Atemli~hmung entgegen- arbeitet. Dureh Ca-Vorbehandlung liil3t sieh aueh unter diesen Be- dingungen noeh eine weitere Entgiftung erreichen, so da~ die LSsung sogar etwas weniger giftig als die reine NovokainlSsung wird. (Siehe Tabelle 2, Abt. 7.)

Zusammenfassung.

1. Bei intravenSser Gabe wird die Giftigkeit einer 1% igen l~ovokain- 15sung dureh den handelsiiblichen Znsatz yon 2,5 rag% Suprarenin auf das Doppelte gesteigert.

2. Das Suprarenin ist in solehen LSsungen aueh bei Anwendung aller Vorsiehtsmal~regeln nieht lgngere Zeit haltbar. Der Inhalt ki~uf- licher Ampullen yon gebrauehsfertigen Novokain-Suprareninmisehungen enthi~lt meist erheb]ich weniger wirksames Suprarenin als der Signatur entspricht.

3. LOsungen yon 1% Novokain mit 0,5 rag% 8uprarenin sind im Q,laddelversuch und bei klinischer Priifung ftir eine langdauernde Ani~sthesie sieher ausreiehend.

4. Caleiumvorbehandlung bedingt keine Steigerung der Giftigkeit tier Novokain-Suprareninmischung, sondern eher eine Absehwiiehung.

5. Zusatz yon Kaliumsulfat, das die An~.sthesie erheblieh verlgngert, bedingt eine Absehwiiehung der Giftigkeit der Ani~sthesielSsung. Auch hier bewirkt Ca-Vorbehandlung noch weitere Entgiftung. Danaeh wird ftir die Klinik die Anwendung yon friseh hergestellten • mit 0,5 rag% Suprarenin und 0,4% Kaliumsu]fat empfohlen.

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Toxikologische Uatersuchungen zur Praxis der Lokalan~sthesie. 25

T a b e l l e 2.

Zusammenstellung der Giftwirkungen yon ~ovokain und ~ovokaingemischen bei verschiedener Versuehsanordnung.

Abt. 50 mg i 145 mg 40rag 35 mg 30 mg 25 mg 20 mg

i Novokain lO/o + -4- 0 !

Novokain lo/o Suprarenin 2,5 mgO/o

l~ovokain lO'o Suprarenin 2,5 mgO/o LSsnng in Ampullen

5Tovokain 10/o Suprarenin 2~5 mgO/o Ga-Vorbehandlung

INovokain lO/o Suprarenin 0,5 mg0/o

Novokain 1% Suprarenin 0,5 mgO/o Kaliumsulfht 0~4o/o

Novokain lO/o Suprarenin 0,5 mgO/0 Kaliumsulfat 0,4o/0 Ca-Vorbehandlung

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