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Juli 2012 | Nr. 130 | 34. Jahrgang | www.trend-zeitschrift.de Rohstoffe Zukunftsfähige Rohstoffpolitik für das Industrieland Deutschland Seite 26-34 Bürokratieabbau Grundstein für besseres Recht Seite 24 Wirtschaftstag 2012 Deutschland und Europa neu denken: Wege aus der Staatsverschuldung Seite 8

trend Nr. 130 Ausgabe Juli 2012

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trend Ausgabe zum Wirtschaftstag 12.06.2012

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Juli 2012 | Nr. 130 | 34. Jahrgang | www.trend-zeitschrift.de

RohstoffeZukunftsfähige Rohstoffpolitik für das Industrieland DeutschlandSeite 26-34

BürokratieabbauGrundstein für besseres RechtSeite 24

Wirtschaftstag 2012

Deutschland und Europa neu denken:Wege aus der Staatsverschuldung Seite 8

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Wirtschaftstag 2012

WIRTSCHAFTSTAG 2012

Deutschland und Europa neu denken: Wege aus der Staatsverschuldung

„Was ich heute sehr positiv fand, ist die Tatsache, dass es jetzt mehr Realismus in der Diskussion gibt. Und ich glaube, dass sicherlich der Wirtschaftsrat einen Beitrag dazu geleistet hat!“Tuomo Hattaka, Vorsitzender des Vorstandes, Vattenfall Europe AG

„The Wirtschaftsrat represents German Industry, which is very important to Deutsche Bank. It's a tremendous platform and I’m really grateful for given this opportunity.“Anshu Jain, Co-Vorsitzender des Vorstandes und des Group Execu-tive Committee, Deutsche Bank AG

„Der Wirtschaftsrat ist für eine sachliche, aber deutliche Sprache be kannt! Sein Präsident Kurt Lauk kennt die Energiebranche sehr gut. Ich glaube, dass sein kritischer Rat bei der Bundesregierung und im deut-schen Bundestag gehört wird. Dass das Thema Energie als Grundlage für Industriewertschöpfung ein Schwerpunkt der heutigen Tagung ist, zeigt mir, dass der Wirtschafts rat den Stellenwert richtig erkannt hat.“Günther Oettinger, Kommissar für Energie, Europäische Kommission

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Deutschland steht wirtschaftlich sehr gut da. Das liegt in erster Linie an den Unternehmen und

den Arbeitnehmern. Es zeigt aber auch, dass die Politik in den vergangenen Jahren nicht alles falsch gemacht hat. Deshalb fühlen wir uns in Europa er-mutigt, auf Strukturreformen zu drin-gen. Wir wissen jedoch, dass deren positive Wirkungen nicht über Nacht eintreten. Sie brauchen Zeit. Deshalb wäre es fatal, wenn einige Länder, die mit Reformen begonnen haben, auf halbem Wege stehen blieben. In Deutschland hat sich gezeigt, dass un-ser Weg genau der richtige Weg war.

Weiterhin eine relevante RolleVor zehn Jahren hat Europa den

Euro eingeführt. Er ist verbunden mit dem Versprechen, dass Länder, die eine gemeinsame Währung haben, nie wie-der Krieg gegeneinander führen. Und Länder, die eine gemeinsame Währung haben, werden auch politisch zusam-menarbeiten. Bis zum Ausbruch der Finanzkrise wurde dieses Versprechen von den Märkten als Realität akzep-tiert. Allerdings haben die sehr nied-rigen Zinsen und die Vielzahl der euro-päischen Hilfsfonds das Gegenteil dessen bewirkt, was sie politisch be-zwecken sollten. Sie haben nicht die Angleichung der Wettbewerbsbedin-gungen gefördert, sondern in manchen Euroländern zu weniger Wettbewerbs-fähigkeit und großen wirtschaftlichen Ungleichgewichten beigetragen.

Die Lehre aus der Krise darf des-halb nicht sein, dass wir politisch für einheitliche Zinsen in der Eurozone sorgen – und hinter dieser Fassade ein Europa mit weniger Wettbewerbsfä-higkeit gedeiht. Wir müssen aufpas-sen, dass wir uns international nicht

marginalisieren. Europa muss aus die-ser Krise so herauskommen, dass es weltweit weiterhin eine relevante Rol-le spielt. Es gibt keinen Anspruch da-rauf, dass man in der Welt automa-tisch eine führende Rolle einnimmt.

Aus Fehlern lernenEuropa hat den kalten Krieg über-

wunden, wir haben die Deutsche Ein-heit vollendet und Mittel- und Osteu-ropa integriert. Wenn wir dies alles geschafft haben, dann wäre es doch jetzt ganz falsch, wenn wir diesen Weg nicht weitergingen und nicht die rich-tigen Lehren aus den Fehlentwick-lungen der Vergangenheit zögen. Deutschland hat immer gesagt, dass wir solidarisch sind. Aber wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

Verpflichtungen einhaltenEuropa muss bereit sein, die He-

rausforderungen anzunehmen – vor allem muss Europa aber dazu bereit sein, seine Verpflichtungen einzuhal-ten. Ein Europa mit verschiedenen Nationalstaaten kann intern und auch gegenüber den Märkten nur dann Ver-

trauen entwickeln, wenn es seine Ver-pflichtungen einhält. Deshalb geht es bei dem griechischen Reformpro-gramm nicht nur darum, dass Grie-chenland dieses Programm umsetzt, sondern vor allem auch darum, dass in Europa Verpflichtungen in Zukunft überhaupt eingehalten werden.

Gemeinsame Haftung – Gemeinsame Kontrolle

Wir wollen Europa, wir wollen auch mehr Europa. Ich möchte aber ein Eur-opa, in dem immer sichergestellt ist, dass gemeinsame Haftung und ge-meinsame Kontrolle in einer Hand liegen. Es kann nicht sein, dass wir Haftung vergemeinschaften und Kon-trolle in nationaler Zuständigkeit be-lassen. Der Fiskalpakt ist ein erster Schritt zu mehr Verbindlichkeit beim Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wir werden uns mehr Europa erarbeiten. Aber ein Europa, das uns vertrauens-würdiger auf den Weltmärkten macht. Und ein Europa, dass uns wettbewerbs-fähiger macht. Das ist die Aufgabe, die wir erfüllen müssen. Deutschland, das kann ich für die ganze Bundesregie-rung sagen, ist dazu bereit.

Deutschland in EuropaVon Dr. Angela Merkel

Dr. Angela Merkel MdBBundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und Parteivorsitzende der CDU Deutschlands

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Wirtschaftstag 2012

Kurt Lauk: „In der Krise hat sich gezeigt, dass die Soziale Marktwirtschaft Treibstoff für Wachstum, Wohlstand und sozialen Zusammenhalt ist. Gerade in Zeiten tiefer

Krisen sind stabile Freundschaften entscheidend. Minister-präsident Katainen gehört zu den zuverlässigen Freunden Deutschlands in Europa. Der finnische Ministerpräsident ist einer der wenigen Verbündeten, die für solide öffentliche Finanzen und Eigenverantwortung in Europa kämpfen.

Finnland ist Vorbild in Europa. Das Land hat 2011 mit einem Defizit von nur einem Prozent und einem Schulden-stand von 48 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Topwerte in der EU erreicht. Kein Wunder, dass Finnland eines der wenigen Länder ist, die im Euroraum noch ein AAA-Rating besitzen. Über die Haushaltspolitik hinaus steht die finnische Regierung für einen entschlossenen Reform-

kurs. Jyrki Katainen steht auch dafür ein, dass Europa den Stillstand überwindet und seine Handlungsfähigkeit zurück-erlangt. Er stellt sich mit Mut gegen Populismus und setzt Reformen durch – verbunden mit einem starken Bekenntnis zu Europa.

Umso mehr ist es dem Wirtschaftsrat eine Ehre, Jyrki Katainen mit der Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold auszuzeichnen. Wir bewundern seinen Mut, trotz Gegen-wind standhaft zu bleiben. Als Marathonläufer hat Jyrki Katainen einen langen Atem. Ministerpräsident Katainen steht für ein starkes Europa der Zukunft. In Anerkennung seiner Verdienste um die Erhaltung und die Weiterentwick-lung der Sozialen Marktwirtschaft verleiht der Wirtschafts-rat der CDU e.V. Herrn Jyrki Katainen die Verdienstmedaille des Wirtschaftsrates ,Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold‘“.

Hohe Auszeichnung im Wirtschaftsrat:Ludwig-Erhard-Gedenkmünze in Gold für Jyrki Katainen

„Finnland ist Vorbild in Europa“

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„Der Realität ins Auge sehen“Jyrki Katainen, Ministerpräsident der Republik Finnland:

„Ich bin sehr dankbar dafür, heute die ,Gedenkmünze Ludwig Erhard in Gold‘ zu erhalten – und damit in einer

Reihe mit hochrangigen Geehrten wie Helmut Kohl zu stehen. Der wichtigste Grund für die gegenwärtige Krise Europas

besteht darin, dass die Länder der Eurozone ihre Hausauf-gaben nicht gemacht haben. Mit einer hohen öffentlichen und privaten Verschuldung kann man kein nachhaltiges Wachstum generieren. Nachhaltiges Wachstum kann nur auf Basis wettbewerbsfähiger Volkswirtschaften gedeihen. Europa hat jedoch seine eigenen Regeln nicht eingehalten.

Deshalb ist es von eminenter Bedeutung, dass die Mit-gliedsländer der Eurozone künftig die Regeln für solide öffent-liche Finanzen einhalten und bei Verfehlungen sank tio niert werden. Zusätzlich gab es strukturelle Gründe für die Krise. Wir hatten de facto schon während der ersten zehn Jahre der gemeinsamen Währung Eurobonds. Die Zinsen der Euroländer reflektierten nicht das Ausfallrisiko ihrer Staatsanleihen. Die Illusion risikofreier Investitionen zerstörte den Preismecha-nismus in der Eurozone. Für einige Euro-Länder war es be-quemer, auf diese Weise Wachstum zu erzeugen. Strukturelle Reformen wurden vernachlässigt. Jetzt müssen wir den Kurs ändern. Die Realität hat uns eines Besseren belehrt.

Kurzfristig müssen wir die spanischen Banken rekapita-lisieren. Spanien hat viel dafür getan, sein Haushaltsdefizit zu senken und strukturelle Reformen auf den Weg zu brin-gen. Für seine Gesundung muss Europa im Kern wieder auf einen Pfad nachhaltigen Wachstums kommen. Mit noch mehr Schulden werden wir unsere Probleme hingegen nicht lösen. Das Rezept für nachhaltiges Wachstum ist klar: Wir benötigen Budgetdisziplin und strukturelle Reformen, die uns wettbewerbsfähiger machen. Gleichzeitig müssen wir alle Möglichkeiten nutzen, das Wachstum auf nationaler Ebene zu stimulieren. Budgetdisziplin und Wachstum sind keine Gegensätze. Finnland hat diesen Weg mit Erfolg be-schritten.

Wenn wir die Zukunft der EU planen, müssen wir auf Fairness und demokratische Legitimität achten. Aus meiner Sicht ist es wichtiger, bestehende Regeln und Verträge einzuhalten als ständig neue in Kraft zu setzen. Mehr Europa heißt für mich auch starke Institutionen, konsistente Regeln und deren einheitliche Interpretation – egal ob es um große oder kleine Staaten geht. So gewinnen wir Glaubwürdigkeit zurück. Das verlangt von uns, der Realität ins Auge zu sehen, die Wahrheit zu sagen und danach zu handeln. Das gilt auf nationaler und europäischer Ebene gleichermaßen.“

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Wirtschaftstag 2012

Wir erleben heute die drama-tischen Folgen eines Jahr-zehnts, in dem die Euro-

länder die vereinbarten Schuldenre-geln mit Füßen getreten haben. Wenn weiterhin jeder macht, was er will und es nur unzureichende Sanktionsmög-lichkeiten gibt, setzen wir die Zukunft unserer Kinder aufs Spiel. Die Bundes-kanzlerin hat immer wieder dagegen angekämpft, Europa zu einer Schul-den- und Transferunion zu machen. Ganz maßgeblich hat Angela Merkel das Fundament für eine europäische Zukunftsarchitektur gelegt. Dafür ge-bührt ihr unser höchster Respekt.

So gut aber der Fiskalpaket ist, al-lein reicht er nicht. Wir müssen ihn ergänzen um einen Pakt des euro-päischen Zusammenhalts. Ohne ein wirtschaftlich starkes Europa spielen wir im globalen Konzert nur noch Luft-gitarre ohne Töne. Es war noch nie so

wichtig, dass wir in Europa mit einer Stimme sprechen. Doch das Projekt Europa steht vor einer Zerreißprobe. Das schmerzt uns alle. Der Wirtschafts-rat hat immer für Europa gestritten. Wir müssen das europäische Projekt wieder mit Herz und Seele begleiten. Das Auseinanderbrechen Europas k önnen wir nur durch eines verhin-dern: durch einen neuen Integrations-schub.

Die Koalition muss die Sommer-pause nutzen, um eine klare wirt-schaftspolitische Agenda bis zur nächsten Bundestagswahl vorzulegen. Bürgerliche Parteien waren immer dann besonders erfolgreich, wenn sie für jedermann sichtbar zu ihren Wer-ten gestanden haben. Nämlich zu den Werten der Sozialen Marktwirtschaft, zu Wettbewerb und zu Eigenverant-wortung. Das sind unsere Prinzipien. Dafür stehen wir.

Prof. Dr. Kurt J. LaukPräsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Wir brauchen einen Pakt des europäischen Zusammenhalts

Aggressiv in Bildung und Infrastruktur investieren

Manche Leute glauben, dass wir in den USA und Europa bald zu normalem Wirt-

schaftswachstum zurückkehren wer-den. Es gibt jedoch wenig Hoffnung, dass dies mit den gegenwärtigen Po-litikansätzen – strikte Austerität einer-seits, keynesianische Finanzpolitik andererseits – gelingen wird. Damit wächst das Risiko, dass wir langfristig in eine Stagnation geraten. Es geht dabei nicht allein um Europa. Es geht auch um die USA und Japan. Und da-mit geht es um die Weltwirtschaft insgesamt. Die Schwellenländer kön-nen nicht wachsen, wenn die etablier-ten Volkswirtschaften in einer Vertrau-enskrise stecken.

Wir brauchen deshalb neue Lösun-gen, um dies zu vermeiden. Extreme

helfen nicht weiter. Wir benötigen eine Brücke – zwischen dem Bedarf nach fiskalischer Austerität und Refor-men einerseits und der Stimulation von Nachfrage andererseits. Wir müssen uns fragen, wie wir in den hoch entwickelten Volkswirtschaften für einen neuen Optimismus sorgen. Ich plädiere dafür, langfristig angeleg-te Angebotspolitik zu beschleunigen. Wir müssen zum Beispiel aggressiv in Bildung und Infrastruktur investieren. Europa und die USA haben vielerorts einen großen Nachholbedarf an Infra-strukturprojekten.

Mit Investitions anreizen und einer Deregulierung des Dienstleistungssek-tors kann es uns gelingen, neue Jobs zu schaffen und das Wachstum wieder anzukurbeln.

Tharman ShanmugaratnamStellv. Ministerpräsident und Minister für Finanzen, Singapur

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Die Schwellenländer sind zurzeit die große Hoffnung für die glo-bale Ökonomie. Sie wachsen,

und ihre öffentlichen Defizite sind rückläufig. Das hat vor zehn Jahren noch niemand vorausgesehen. Die wichtigsten Schwellenländer koppeln sich ein Stück weit vom Wachstum in den etablierten Volkswirtschaften ab. Sehr viel wird von China abhängen. Das chinesische Exportmodell kommt jedoch langsam an seine Grenzen.

Mit Blick auf die Weltwirtschaft geht es um eine zentrale Frage: Wie schaffen wir nachhaltiges Wachstum? Die Kernelemente hierfür sind aus meiner Sicht Stabilität, solide öffentli-che Finanzen, vernünftig regulierte Finanzmärkte, eine Rekapitalisierung

der Banken und eine Reform des inter-nationalen Finanzsystems. Die Größe der globalen Ökonomie wird sich in den nächsten 30 Jahren verdreifachen. Das ist kein Nullsummen-Spiel. Aber die Weltwirtschaft wird nicht das nö-tige Wachstum schaffen, wenn wir an unserem alten Wachstumsmodell fest-halten.

Die Umwelt und die Knappheit der natürlichen Ressourcen wird dies verhindern. Wir müssen also ein neues Wachstumsmodell erfinden. Hierfür müssen wir viel mehr kollektiv zusam-menarbeiten. Das ist eine Arbeit für mehrere Generationen. Aber wir ha-ben heute leider noch nicht die globa-len Institutionen, die uns dies erlau-ben.

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Wir müssen ein neues Wachstumsmodell erfinden

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Wirtschaftstag 2012

Wachstum und Konsolidierung der Staatsfinanzen dürfen nicht

als Gegensätze wahrgenommen wer-den. Wir brauchen beides – in Europa und in Amerika. Europa steht fiskalisch im Durchschnitt besser da als die USA. Auch den Vergleich mit Großbritan-nien und Japan muss die Eurozone nicht scheuen. Europa muss jedoch das Potenzialwachstum einer rapide alternden Gesellschaft steigern.

Es ist bekannt, dass die US-Noten-bank ein anderes Mandat hat als die EZB. Ich halte das Ziel der EZB, das uns primär Preisstabilität vorschreibt, in-des für ein richtiges und gutes Mandat. Daran sollte man auch nicht rütteln. Wir befinden uns in einer unvollstän-

digen Währungsunion. Das fiel eine zeitlang nicht besonders auf, aber jetzt ist es offensichtlich. Unsere Aufgabe ist es heute, die Konstruktionsfehler der Währungsunion zu beseitigen.

Das ist machbar. Wir werden Euro-pa dazu aber weiter integrieren müs-sen. Um die Währungsunion zu ver-vollständigen und auf Dauer zu stabi-lisieren, sind aus Sicht der EZB drei Punkte wichtig: Wir benötigen eine Fiskalunion, eine Finanzmarktunion und eine demokratisch legitimierte politische Union.

Ich bin optimistisch, dass wir auf dem richtigen Wege sind, die Wirt-schafts- und Währungsunion auf eine stabilere Ebene zu heben.

PODIUM I

USA contra Europa: Welcher Weg führt aus der Schuldenkrise?

Jörg AsmussenMitglied des Direktoriums, Europäische Zentralbank

Unter der Moderation von Roland Tichy (Mitte), Chefredakteur WirtschaftsWoche diskutierten: Dr. Wolfgang Fischer, Stellv. Vorsitzender des Vorstandes, Stutt garter Lebensversicherung a.G.; Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deut-schen Wirtschaft Köln; Jörg Asmussen, Mitglied des Direktoriums, Europäische Zentralbank; Dr. Theodor Weimer, Sprecher des Vorstandes, UniCredit Bank AG; Dr. Michael Meister MdB, Stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion; Fred B. Irwin, Präsident, American Chamber of Commerce in Germany (v.l.n.r.)

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Dr. Wolfgang FischerStellv. Vorsitzender des Vorstandes, Stuttgarter Lebensversicherung a.G.

Ich bevorzuge den deutschen Ansatz des Sparens gegen-über dem Modell der USA. Denn ich weiß noch aus den Geschichten der Großmütter, wie sich eine Hyperinflation anfühlen muss. Die Versicherungsbranche versucht, die Gelder ihrer Kunden breit zu streuen, um die Risiken mög-lichst gering zu halten.

Prof. Dr. Michael HütherDirektor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln

Ich neige zu einer optimistischen Sicht. Denn die Alterna-tive, das Auseinanderbrechen der Eurozone, ist nichts, was wir uns in irgendeiner Weise wünschen sollten. Ich wun-dere mich über manche meiner Kollegen, die die Auflösung der Währungsunion mal so eben locker-flockig als Hand-lungsoption beschreiben.

Dr. Michael Meister MdBStellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Die Eurozone kann gestärkt aus der Krise hervorgehen. Allerdings werden wir keine schnellen Lösungen sehen. Wir brauchen eine bessere Regulierung der Finanzmärkte, denn die Probleme der Finanzmärkte standen am Anfang dieser Krise.

Fred B. IrwinPräsident, American Chamber of Commerce in Germany

Das politische Ziel muss ein Kompromiss zwischen Sparen und Wirtschaftswachstum sein. Die USA sind ein gutes Beispiel für ein Kompromissmodell. Sparmaßnahmen und Wachstum finden gleichzeitig statt. Dennoch sollten sich amerikanische Politiker hüten, ihren deutschen Kollegen kluge Ratschläge zu erteilen.

Podiumsdiskussion

Bei der Bewertung der Staatsschul-den muss man auch die implizite

Verschuldung berücksichtigen. Dann wird zum Beispiel der bemerkens-werte Umstand deutlich, dass Italien im Vergleich zu anderen Ländern nur einen sehr geringen Anteil impliziter Verschuldung aufweist. Luxemburg zum Beispiel kommt dann deutlich schlechter weg.

Im Durchschnitt steht Europa mit Blick auf die Staatsverschuldung noch relativ gut da. In den USA fällt der Schuldenstand im Verhältnis zur Wirt-schaftsleistung höher aus. Die Ameri-kaner aber lenken clever von ihren ei-genen Problemen ab. Sie zeigen mit dem Finger auf Europa. Das ist zwar ein durchsichtiges Manöver, aber sehr

effektiv. Die USA und China haben gleichgerichtete Interessen. Sie wollen

die Probleme der USA möglichst lange aus dem Fokus halten. Die USA brau-chen China als Kreditgeber, und die Chinesen brauchen die USA als zuver-lässigen Schuldner.

Deutschland wird derzeit von den Kapitalmärkten gedopt. Denn gegen-wärtig zieht die Bundesrepublik große Mengen Liquidität an. Weil wir angeb-lich so sicher sind, können wir uns sehr günstig verschulden. Zudem ist der Außenwert des Euro sehr niedrig, das fördert die Exporte.

Ich warne vor der Gefahr eines Kostenschocks, wenn sich die Bedin-gungen eines Tages wieder normali-sieren. Das könnte böse Entzugser-scheinungen geben. Dieses Risiko wird meines Erachtens völlig unterschätzt.

Dr. Theodor WeimerSprecher des Vorstandes, UniCredit Bank AG

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Wirtschaftstag 2012

Deutschland steht hervorragend da. Der Grund ist klar: Ingenieur-

kompetenz, industrielle, gewerblich-technische und handwerkliche Fer-tigung. Nie war „Made in Germany“ so gefragt wie heute. Automotive, Chemie, Elektrotechnik – Produkte aus Deutschland sind wegen ihrer Qualität weltweit gefragt.

Deshalb will ich die Forderung auf-stellen: Europa muss alles tun, damit die Deindustrialisierung gestoppt wird. Denn sie ist in Wahrheit schon in vollem Gange.

Wir haben zu viele Regionen in Europa ohne Industrie. Und wir haben einige Regionen mit sinkendem Indus-triepotenzial. Europa muss mehr für industrielle und gewerblich-technische Wertschöpfung tun. Die Entwicklung ist beunruhigend: Im Jahr 2000 be-stand das europäische Bruttosozial-produkt zu 22,4 Prozent aus industri-

eller Fertigung. Im Jahr 2010 waren es nur noch 18,7 Prozent.

Die meisten Länder Europas haben den Anteil ihrer Industrien an der Wertschöpfung an der Wirtschaftslei-stung in den vergangenen zehn Jahren

heruntergefahren. Deutschland ver-harrte relativ stabil bei rund einem Viertel. Deswegen: Es ist die industri-elle Basis, die Deutschland auszeichnet und unseren Export stärkt. Deshalb braucht Deutschland auch eine pas-sende Energiestrategie. Wir aber schreddern unsere Energieunterneh-men, die heute nur noch halb so stark sind wie sie es einmal waren. Mit tausend Stadtwerken aber kann man keine Nabucco-Pipeline bauen.

Kreativität und Innovationsgeist müssen noch stärker als bisher

das Klima in Deutschland prägen. Das gilt für Wissenschaft und Forschung. Das gilt aber auch für Wirtschaft und Politik. Denn ganz gleich wo man heu-te schaut, es sind neue, zukunftsfä-hige Lösungen gefragt. In Deutschland und in Europa. Es geht sozusagen um

PODIUM II

Industrieland Deutschland: Zwischen Innovation und Abriss

Günther OettingerKommissar für Energie, Europäische Kommission

Unter der Moderation von Dr. Utz Tillmann (Mitte), Hauptgeschäftsführer, Verband der Chemischen Industrie e.V., diskutierten: Peter Willbrandt, Vorsitzender des Vorstandes, Aurubis AG; Prof. Dr. Norbert Winkeljohann, Sprecher des Vorstandes, PricewaterhouseCoopers AG WPG; Dr. Johannes F. Lambertz, Vorsitzender des Vorstandes, RWE Power AG; Dr. Axel C. Heitmann, Vorsitzender des Vorstandes, Lanxess AG; Tuomo Hatakka, Vorsitzender des Vorstandes, Vattenfall Europe AG; Dr. Michael Fuchs MdB, Stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (v.l.n.r.)

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eine neue Energie in der Gesellschaft, in der Wirtschaft und eben auch in der Politik. Und das nicht nur bei der Ener giewende. Die Herausforderungen sind gewaltig.

Die Neugewichtung der Weltregi-onen ist in vollem Gange. Der Klima-wandel erfordert weiterhin entschlos-senes Handeln. Und die hohe Staats-verschuldung bedroht hier in Europa unseren Wohlstand. Die Energiewende ist in diesem Zusammenhang sicher-lich für Deutschland das Thema mit den größten Herausforderungen. Ziel muss es sein, eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung auf Dauer zu gewährleisten.

Insgesamt schneidet der Industrie-standort Deutschland nicht schlecht

ab. Deutschland ist nach wie vor die viertgrößte Industrienation der Welt. Unsere starke Stellung als Industrie-

standort konnten wir bisher behaup-ten und sogar ausbauen. Gerade die letzte Weltwirtschaftskrise hat das ja gezeigt: Die Industrie bleibt die Basis für unseren Wohlstand und für Stabi-lität. Für Deutschland hat es sich aus-gezahlt, dass wir immer an der Indus-trie und der Produktion festgehalten haben. Ich bin überzeugt: Wenn es uns gelingt, die Energiewende jetzt ent-schlossen und richtig voranzutreiben, wenn wir die globale Wettbewerbsfä-higkeit der Industrie am Standort Deutschland weiter fördern und wenn wir mehr Innovationen und mehr Technologien fördern, dann wird Deutschlands Industrie auch künftig weltmarktfähig und ein großer Garant unseres Wohlstands sein.

Dr. Michael Fuchs MdBStellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Die Mehrheit der Gesellschaft in Deutschland lehnt Kern-kraft ab. Die Energiewende kann man deshalb nicht zurück-drehen. Aber wir müssen jetzt darauf achten, dass die Kosten im Griff bleiben.

Tuomo HatakkaVorsitzender des Vorstandes, Vattenfall Europe AG

Mit Energiepolitik macht man auch Industriepolitik. Ich bin nicht gegen die Energiewende in Deutschland. Aber sie wird kein Sonntagsspaziergang. Klimapolitik gibt es nicht zum Nulltarif.

Dr. Johannes F. LambertzVorsitzender des Vorstandes, RWE Power AG

Wir haben einen gespaltenen Energiemarkt in Deutschland. Ein Teil, die erneuerbaren Energien, hat mit Markt nichts zu tun. Die konventionellen Kraftwerke müssen sich hin-gegen am Markt behaupten. Das ist der Grund dafür, wa-rum vielerorts neue, technisch hoch entwickelte Gaskraft-werke stillgelegt werden.

Peter Willbrandt Vorsitzender des Vorstandes, Aurubis AG

Die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland sollte erhalten bleiben. Das sieht heute nicht mehr jeder so in der Industrie. Die Industrievertreter sollten ihre Solidarität untereinander wiederfinden. Als Kupferunternehmen stehen für uns Versorgungssicherheit und Netzstabilität im Vordergrund.

Prof. Dr. Norbert Winkeljohann Sprecher des Vorstandes, PricewaterhouseCoopers AG WPG

Die Energiewende wurde Hals über Kopf beschlossen. Je-dem war klar, dass die Preise steigen. Wir müssen bei die-sem Thema europäisch denken. Wir können hier in Deutsch-land nicht alles allein machen.

Dr. Utz TillmannHauptgeschäftsführer, Verband der Chemischen Industrie e.V.

Die Nachfrage nach Strom wird steigen. Egal ob auf der Straße oder auf der Schiene. Gleichzeitig aber wird auf der europäischen Ebene eine absolute Minderung des Strom-verbrauchs angestrebt. Das passt nicht zusammen.

Podiumsdiskussion

Dr. Axel C. HeitmannVorsitzender des Vorstandes, Lanxess AG

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Wenn man ohne Wachstum kei-nen sozialen Frieden gewährlei-

sten kann, dann wird die wirtschafts-politische Förderung von Wachstum zu einem Imperativ für die Funk-tionsfähigkeit der Demokratie. Das ist ganz klar und auch nicht schwer nachzuvollziehen. So wird es bis heute auch begründet. Die politische Praxis geht davon aus, dass die Wahrung des sozialen Friedens die Förderung von Wachstum durch Staatsverschuldung rechtfertigt.

Nun ist es aber völlig unmöglich, belastbar zu definieren, was wir unter sozialem Frieden eigentlich verstehen. Was ist das eigentlich, wann ist sozia-

ler Frieden erreicht? Es zeigt sich in der politischen Praxis, dass es sich bei diesem Begriff „sozialer Frieden“ nicht um die Beschreibung eines stabilen Zustands, sondern um ein politisches Ziel handelt, das wir jedoch prinzipiell nie vollständig erreichen können.

Der Zielcharakter verleiht diesem Begriff seine Dynamik. Diese Dynamik wird durch die politischen Besitzstän-de im sozialen Bereich unterstützt. Und diese haben eine ungewöhnlich große politische Macht. Diese Macht kommt zum Beispiel im Bundesetat zum Ausdruck, denn die Sozialausga-ben nehmen fast die Hälfte des Haus-halts in Anspruch.

Wirtschaftstag 2012

PODIUM III

Sozialer Frieden ohne Neuverschuldung

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Kurt H. BiedenkopfMinisterpräsident a. D.

Unter der Moderation von Dr. Dorothea Siems (3.v.l.), Chefkorrespondentin Wirtschaft, WELT-Gruppe, diskutierten: Dr. Uwe Schroeder-Wildberg, Vorsitzender des Vorstandes, MLP AG; Prof. Hans Helmut Schetter, Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.; Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Kurt H. Biedenkopf, Ministerpräsident a. D.; Silke Lautenschläger, Mitglied des Vorstandes, DKV Deutsche K rankenversicherung AG; Jens Spahn MdB, Gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (v.l.n.r.)

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Jens Spahn MdBGesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Bei der Debatte um das Betreuungsgeld stört mich am meisten, dass daraus wieder eine ideologisch geprägte familienpolitische Diskussion geworden ist. Kaum einer hat indes darüber gesprochen, ob wir uns neue Ausgaben überhaupt leisten können. Man kann aber anderen Ländern in Europa schlecht sagen, sie sollen sparen, zugleich aber selber neue sozialpolitische Leistungen beschließen.

Silke LautenschlägerMitglied des Vorstandes, DKV Deutsche Krankenversicherung AG

Ich halte eine zusätzliche private Kapitaldeckung nach wie vor für den richtigen Weg. Sowohl bei der Alters-vorsorge als auch bei der Pflege. Wir müssen hier mehr Aufklärung leisten.

Prof. Hans Helmut SchetterVizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Deutschland könnte in Europa beim Abbau der Neuver-schuldung noch besser als Vorbild punkten. Wir hätten unseren wirtschaftlichen Schwung in vorbildlicher Weise dafür nutzen sollen, die Schuldenbremse des Grundgeset-zes früher zu erfüllen. Ich bedauere, dass dies bisher nicht geschehen ist.

Dr. Uwe Schroeder-WildbergVorsitzender des Vorstandes, MLP AG

Ich glaube, dass wir als Bürger mehr Wahrheit vertragen als die Politik uns gemeinhin zutraut. Es geht beim Sozial-staat auch darum, die Grundlagen der Ordnungspolitik klarzumachen – und den Bürgern einen klaren und verläss-lichen ordnungspolitischen Rahmen zu geben. Kein Politi-ker sollte sich mit der Hypothese entschuldigen, er werde nicht gewählt, wenn er die Wahrheit sage.

Podiumsdiskussion

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Wirtschaftstag 2012

Europa steht vor enormen Heraus-forderungen. Der gemeinsame Markt und der gemeinsame

Währungsraum haben den Europäern beispiellosen Wohlstand gebracht. Sie stellen sicher, dass Europa auf der Weltbühne auch weiterhin eine rele-vante Rolle spielt. Das ist wichtig für künftige Generationen. Doch was uns wirklich zum Zusammenwachsen zwingt, ist die Globalisierung. Kein europäisches Land kann sich allein gegen die USA oder China behaupten. Um erfolgreich zu sein, müssen wir noch enger zusammenwachsen. Aktu-ell stehen wir jedoch an einem Schei-deweg. Ich bin mir aber sicher, dass sich Europa erholen und sogar gestärkt aus der Krise hervorgehen kann.

Nach wie vor RisikenEs gibt nur einen einzigen Weg

nach vorn, nämlich den Abbau von Defiziten. Zumal niemand von Kern-ländern der Eurozone verlangen kann, die Schulden ihrer Nachbarn bis zum Sankt Nimmerleinstag zu finanzieren. Dank des entschlossenen Handelns der EZB und der Fortschritte beim Fiskal-pakt konnten wir ein systemisches Ereignis in Europa bisher vermeiden. Aber es bestehen nach wie vor Risiken. Ein systemisches Ereignis hätte weit-reichende und langfristige Folgen nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt. Es steht viel auf dem Spiel.

Soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt

Deutschland befindet sich in einer starken Position. Gerade in ange-spannten Zeiten hat sich das Modell

der Sozialen Marktwirtschaft bewährt. In der Folge hat Deutschland nun eine stärkere Führungsrolle und mehr Ein-fluss als je zuvor. Alle Augen sind auf Deutschland gerichtet. Was den Un-terschied macht, ist der Mittelstand. Die Mittelständler sind die heimlichen Helden, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Sie haben sich auf Techno-logie, Innovationen und Qualität kon-zentriert und sich in vielen Branchen eine dominierende Position erarbeitet. Heute geht ein großer Teil der Produk-tion in den Export, die Mittelständler sind echte Global Player.

Alle im selben BootDie Deutsche Bank ist gemeinsam

mit der Industrie und dem Mittelstand global geworden. Um unsere deut-schen Kunden weltweit bedienen zu können, mussten wir buchstäblich ein weltumspannendes Netzwerk aufbau-en. Um das Potenzial Deutschlands auszuschöpfen und zur erfolgreichen Erholung Europas beizutragen, gilt es nun, drei Kräfte aufeinander abzustim-men: Wirtschaftsleistung auf Spitzen-niveau, die richtige Wirtschaftspolitik und erfolgreiches Funktionieren der Kapitalströme, Finanzmärkte und des Bankenwesens. Dafür ist es zwingend notwendig, dass Führungskräfte aus der Wirtschaft, dem Bankwesen und der Politik zusammenarbeiten. Wir sitzen alle im selben Boot.

Universalbankensystem hat sich bewährt

Das Jahr 2008 markierte für die Banken einen Wendepunkt. Wir erleb-ten die größte Bankenkrise seit den

dreißiger Jahren, vielleicht sogar die größte überhaupt. Die Branche hat Fehler gemacht, die zu dieser Krise beigetragen haben. Unsere Risiken waren im Verhältnis zum vorhandenen Kapital zu groß; wir hatten die Kern-bereiche unseres Geschäfts verlassen, und es war eine Herausforderung, die Risiken zu handhaben.

Wir haben unsere Lektion gelernt. Wir haben Risiken reduziert und unse-re Kapitalausstattung verbessert. Die regulatorischen Maßnahmen bedeu-ten eine gewaltige Herausforderung für unsere Branche – und damit auch für unsere Kunden. Mehr Kapital macht die Banken sicherer, strengere Kapitalanforderungen machen Kapital aber auch knapper und damit teurer für die Wirtschaft. Vor Herausforde-rungen steht auch das „Universalban-

Anshu JainCo-Vorsitzender des Vorstandes und des Group Executive Committee, Deutsche Bank AG

Europa am ScheidewegVon Anshu Jain

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kenmodell”. Es hat sich in der Krise besonders bewährt. Und es bietet den Unternehmen Leistungen, die sie für Ihre Geschäfte in einer komplexer wer-denden Welt brauchen. Universalban-ken haben die Mittel, um die Expansi-on der Wirtschaft zu finanzieren, ihr beim Umgang mit Risiken aus Wech-selkurs- und Zinsänderungen zu helfen oder um ihren weltweiten Auftritt mit Produkten des Cash Managements und Handelsfinanzierungen zu unter-stützen.

Eine Reihe von ChancenNeben diesen Herausforderungen

gibt es aber auch eine Reihe von Chan-cen. Wir glauben, dass sich die deut-sche Industrie auch weiterhin besser entwickeln wird als viele Wettbewer-ber. Das bedeutet Wachstum und In-ternationalisierung. Ich teile mit Jür-gen Fitschen die Ansicht, dass wir noch mehr tun wollen, um die Wirtschaft zu

begleiten, ihr Wachstum zu fördern und sie beim Risikomanagement zu unterstützen. Die “Bank der Zukunft” sollte fest in einem starken heimischen Markt mit soliden Staatsfinanzen ver-ankert sein. Eine Bank, die sowohl global als auch universal aufgestellt ist, hat einen eindeutigen Vorteil. Ihre Ertragssituation ist stabiler. Das Ge-schäft ist ausgewogener, und die An-gebotspalette für die Kunden ist grö-ßer.

Vertrag mit der Gesellschaft erneuern

Jürgen Fitschen und ich bereiten uns auf die Zukunft vor. Dabei sind wir uns der reichen Geschichte unserer Bank bewusst. Unsere Vorgänger ha-ben eine Bank mit allen wesentlichen Voraussetzungen für die “Bank der Zukunft” aufgebaut. Sie haben global gehandelt, lange bevor jemand von der Globalisierung überhaupt gesprochen

hat. Wir empfinden Dankbarkeit und Respekt für die Leistung aller unserer Vorgänger. Die Verantwortung, ihr Werk erfolgreich fortzuführen, neh-men wir sehr ernst.

Doch die größte Herausforderung für die Bankenbranche steht uns noch bevor: Wir müssen unseren Vertrag mit der Gesellschaft erneuern. Der Vertrag zwischen den Banken und der Gesellschaft wurde während der Krise gebrochen. Man begegnet Banken heute mit Misstrauen. Das ist ver-ständlich.

Wir müssen noch härter arbeiten, um zu beweisen, dass unsere Aktivitä-ten sicher sind. Die Banken sind in Ungnade gefallen. Wir müssen Ver-trauen zurückgewinnen.

Seit 140 Jahren unterstützt die Deutsche Bank die erfolgreiche deut-sche Industrie. Wir sind fest entschlos-sen, diese stolze Tradition fortzuset-zen.

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„Eine Gesellschaft braucht Regeln – die Frage ist nur wie viele?“

DR. REGINE WOLFGRAMM General Manager Qualitätsmanagement bei Reemtsma

Wir bei Reemtsma sind der Ansicht, dass jede Gesellschaft Regeln für den Umgang miteinander braucht. Zu viele Regeln führen jedoch schnell in eine Verbotskultur. Wir sollten nicht vergessen: Die Selbstbestimmung des Einzelnen ist ein hohes gesellschaftliches Gut. Reemtsma leistet hier seinen ganz eigenen Beitrag. So unterstützen wir zum Beispiel mit dem Reemtsma Begabtenförderungswerk die Ausbildung junger Menschen aus sozial schwachen Umfeldern. Denn Bildung ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben. Nur so hat unsere Gesellschaft eine Zukunft.w w w.r eem t sma .de

W E R T E L E B E N . W E R T E S C H A F F E N .

Page 16: trend Nr. 130 Ausgabe Juli 2012

Wirtschaftstag 2012

Wir wären ökonomisch und politisch nicht in einer an-nähernd vergleichbaren

Situation, wenn wir in den vergange-nen 60 Jahren nicht die europäische Einigung entwickelt hätten. Dieje-nigen, die nun behaupten, es ginge uns besser, wenn wir nicht für ande-re bezahlen müssten, sägen an dem Ast, auf dem wir relativ komfortabel sitzen.

Internationale Arbeitsteilung

Die deutsche Wirtschaft ist mehr als jede andere vergleichbare Volks-wirtschaft der Welt in die internatio-nale Arbeitsteilung eingebunden. Das muss man sich bewusst machen, wenn man darüber nachdenkt, ob die euro-päische Integration den Preis und den Ärger wert ist, den wir momentan haben. Zwei Drittel unserer Exporte in Nicht-Euroländer werden in Euro fak-turiert.

Wer glaubt, wir hätten es ohne den Euro leichter, der hat nicht verstanden, was es bedeutet, dass wir eine gemein-same Währung haben. Deutschland hat ökonomisch einen enormen Vorteil von der gemeinsamen europäischen Währung. Wenn wir über Entschei-dungen diskutieren, sollten wir nicht immer zuerst fragen, was in deut-schem Interesse liegt. Wir sollten zu-erst fragen, was gut ist für Europa. Was schlecht ist für Europa, ist auch schlecht für Deutschland.

Vertrauen der Unternehmer und Verbraucher

Ich erinnere mich an Ludwig Er-hard: Die wichtigste Voraussetzung dafür, dass wir nachhaltiges Wachs-tum schaffen, ist das Vertrauen der Unternehmen und der Verbraucher. Wir haben eine balancierte und makro-ökonomisch sinnvolle Finanzpolitik betrieben. Wenn Deutschland vor dem Hintergrund seiner demographischen Entwicklung seine Rolle in und für Eu-ropa weiter spielen will, müssen wir indes an der Spitze von technologischer Innovation bleiben – und wir müssen in Bildung und Forschung investieren.

Wieder mehr um Europa ringenEuropa ist furchtbar kompliziert.

Wir haben die Demokratie aber auch nicht aus Effizienzgründen eingeführt. Deutschland ist mit der Wiederverei-nigung in die Mitte Europas zurückge-kehrt. Daraus ergibt sich auch unsere besondere Verantwortung für Europa. Als wir begriffen haben, dass der Stand der wirtschaftlichen Integration eine gemeinsame Währung nötig macht, wussten wir, dass wir uns auf ein Abenteuer einlassen. Gewiss: Wir konnten vor zehn Jahren nicht voraus-sehen, welche Dynamik aus der globa-len Verflechtung der Finanzmärkte entsteht. Daraus entstehen heute die Probleme. Deshalb müssen wir jetzt wieder um mehr Europa ringen. Die europäische Integration muss weiter-gehen. Wir müssen vorangehen.

Mehr europäische Haftung – Mehr europäische Zuständigkeiten

Aber: Was ich unseren Freunden und Partnern in Europa immer wieder sage: Es geht nur im Rahmen der gel-tenden Verträge. Und wenn die Ver-träge nicht ausreichen, müssen wir sie weiterentwickeln. Solange wir die Ent-scheidungszuständigkeiten nicht ver-gemeinschaften, dürfen wir die Haf-tung nicht vergemeinschaften. Sonst entstehen ökonomische Fehlanreize. Deswegen ist es nicht deutsche Hart-herzigkeit, und es sind auch nicht in-nenpolitische Gründe, wie manche mutmaßen, wenn wir uns gegen Euro-bonds aussprechen. Wer mehr europä-ische Haftung will, muss auch mehr europäische Zuständigkeiten schaffen – und dann müssen auch Souveräni-tätsrechte abgegeben werden.

Dr. Wolfgang Schäuble MdBBundesminister der Finanzen

Gesunde Staatsfinanzen für Wachstum und StabilitätVon Dr. Wolfgang Schäuble MdB