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Trigonometrische Funktionen Mathematik-Übungskurs - 28.05.19 bis 06.06.19 [email protected] Stichworte Dreiecke, Satz des Pythagoras, Kosinus- und Sinussätze, Einheitskreis, Radiant vs. Grad, Periodizität, Symmetrie, Nullstellen, Kehrwertfunktion, Additionstheoreme, Ableitungen und Stammfunktionen, zyklometrische Funktionen, Tylor-Reihen, Hyperbelfunktionen, Wellengleichungen, Kugelkoordinaten 1 EINLEITUNG Das Wort „Trigonometrie“ stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Bestand- teilen τριγωνoν ’Dreieck’ und μ²τρ oν ’Maß’ zusammen.[1] Der Name gibt schon Auf- schluss darüber, auf welche Weise man sich am geschicktesten den trigonometrischen Funktionen nähern kann: Beziehungen im Dreieck. Die wichtigsten Vertreter der trigonometrischen Funktionen sind Sinus, Kosinus und Tangens. Das tiefergehende Verständnis ihrer Bedeutung und Anwendbarkeit ist uner- lässlich für wissenschaftliches Arbeiten. Weniger oft genutzt, aber durchaus nicht min- der wissenswert sind darüber hinaus die Funktionen Kotangens (cot), Sekans (sec) oder Kosekans (csc). 2 HERLEITUNG 2.1 DREIECKE 2.1.1 NOMENKLATUR • Eckpunkte werden mit großen, römischen Buchstaben versehen. • Alle Winkel werden in griechischen Buchstaben angegeben. Dabei erfolgt die Be- nennung entsprechend des Eckpunktnamens. Beispiel: ^BAC := α; α ist also der Winkel zwischen --→ BA und --→ AC, i.e. den Seiten b, c (siehe Abbildung 1). 1

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Trigonometrische FunktionenMathematik-Übungskurs − 28.05.19 bis 06.06.19

R [email protected]

Stichworte

Dreiecke, Satz des Pythagoras, Kosinus- und Sinussätze, Einheitskreis, Radiant vs.

Grad, Periodizität, Symmetrie, Nullstellen, Kehrwertfunktion, Additionstheoreme,

Ableitungen und Stammfunktionen, zyklometrische Funktionen, Tylor-Reihen,

Hyperbelfunktionen, Wellengleichungen, Kugelkoordinaten

1 EINLEITUNG

Das Wort „Trigonometrie“ stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Bestand-

teilen τριγωνoν ’Dreieck’ und µετρoν ’Maß’ zusammen.[1] Der Name gibt schon Auf-

schluss darüber, auf welche Weise man sich am geschicktesten den trigonometrischen

Funktionen nähern kann: Beziehungen im Dreieck.

Die wichtigsten Vertreter der trigonometrischen Funktionen sind Sinus, Kosinus und

Tangens. Das tiefergehende Verständnis ihrer Bedeutung und Anwendbarkeit ist uner-

lässlich für wissenschaftliches Arbeiten. Weniger oft genutzt, aber durchaus nicht min-

der wissenswert sind darüber hinaus die Funktionen Kotangens (cot), Sekans (sec) oder

Kosekans (csc).

2 HERLEITUNG

2.1 DREIECKE

2.1.1 NOMENKLATUR

• Eckpunkte werden mit großen, römischen Buchstaben versehen.

• Alle Winkel werden in griechischen Buchstaben angegeben. Dabei erfolgt die Be-

nennung entsprechend des Eckpunktnamens. Beispiel: ^BAC := α; α ist also der

Winkel zwischen−−→BA und

−−→AC, i.e. den Seiten b, c (siehe Abbildung 1).

1

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• Seiten werden mit kleinen, römischen Buchstaben bezeichnet. Auch hier richtet

sich die Benennung nach den Eckpunktnamen. Die jeweils dem Eckpunkt gegen-

überliegende Seite wird mit demselben Buchstaben wie der Eckpunkt betitelt.

• Die Höhe eines Dreiecks stellt das Lot einer bestimmten Seite dar, das zudem durch

den der Seite gegenüberliegenden Eckpunkt geht.

ABBILDUNG 1. Allgemeine Struktur einesDreiecks; entnommen von [2].

ABBILDUNG 2. Rechtwinkliges Dreieck mit-samt Thales-Kreis und Höhe hc; entnommenvon [3].

2.1.2 BESONDERE DREIECKE

• gleichschenkliges Dreieck: zwei Seiten sind gleich lang; zwei Winkel sind gleich

groß.

Bsp.: |c| = |b|⇔β= γ.

• gleichseitiges Dreieck: alle drei Seiten haben die gleiche Länge; alle Winkel

sind 60° groß.

i.e.: |a| = |b| = |c|⇔α=β= γ= 60◦

• rechtwinkliges Dreieck: ein Winkel ist 90° groß; die den Winkel einschließen-

den Seiten heißen Katheten, die gegenüberliegende

Seite Hypothenuse (siehe Abschnitt 2.2).

2

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2.2 RECHTWINKLIGE DREIECKE

Für ein rechtwinkliges Dreieck mit γ= 90◦ gilt Folgendes:[3]

• a, b sind die Katheten; c die Hypothenuse (siehe Abbildung 2)

• Flächeninhalt: A = a ·b2

• Satz des Pythagoras: a2 +b2 = c2

• Umfang: U = a+b+ c

• Höhe: hc = a ·bc

• Winkel: α+β= γ= 90◦ ⇔ α+β+γ= 180◦

Die trigonometrischen Funktionen sind dann folgendermaßen definiert:

sin(α)= ac= Gegenkathete

Hypothenuse∧ csc(α)= 1

sin(α). (1)

cos(α)= bc= Ankathete

Hypothenuse∧ sec(α)= 1

cos(α). (2)

tan(α)= ab= Gegenkathete

Ankathete∧ cot(α)= 1

tan(α). (3)

Im Zusammenhang mit rechtwinkligen Dreiecken gilt ferner:

cos(α)= sin(90◦−α)= sin(β) ∧ sin(α)= cos(90◦−α)= cos(β). (4)

2.3 ALLGEMEINE DREIECKE

Alle Dreiecke, bei denen keiner der enthaltenen Winkel 90◦ groß ist, lassen sich auch

mit Hilfe der trigonometrischen Funktionen bestimmen. Bei einem allgemeinen Dreieck

ABC gelten die Kosinus− und Sinus−Sätze:

Kosinus−Sätze:

a2 = b2 + c2 −2 ·b · c ·cos(α) (5)

b2 = a2 + c2 −2 ·a · c ·cos(β) (6)

c2 = a2 +b2 −2 ·a ·b ·cos(γ) (7)

3

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Sinus−Satz:a

sin(α)= b

sin(β)= c

sin(γ)(8)

2.4 DER EINHEITSKREIS

Definiert man die trigonometrischen Funktionen nicht auf Grundlage des rechtwinkligen

Dreiecks, kann der Einheitskreis um den Koordinatenursprung (0|0) im Kartesischen

Koordinatensystem herangezogen werden. Alle Punkte P auf dem Einheitskreis genügen

der Kreis-Gleichung, mit der Besonderheit, dass r2 = 1 :[4]

x2P + y2

P = r2 (9)

Der Umfang des Einheitskreises ist 2π. Die Herleitung der trigonometrischen Funktione

über den Einheitskreis ist sinnvoll, da dies beim graphischen Verständnis hilft. Die tri-

gonometrischen Funktionen sind im Einheitskreis wie in Abbildung 3 gezeigt, definiert.

ABBILDUNG 3. Graphische Darstellung desEinheitskreises sowie der trigonometrischenFunktionen Sinus, Kosinus und Tangens; ent-nommen von [5].

ABBILDUNG 4. Der Graph der Funktion f (x) =sin(x), passend zum Einheitskreis; entnommenvon [6].

An dieser Stelle sei auf eine Animation auf WIKIPEDIA hingewiesen, aus der Definition

der Funktionen sin(x) und cos(x) sehr schön hervorgeht. Siehe dazu hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sinus_und_Kosinus#/media/File:Sinus_und_Cosinus_

am_Einheitskreis.gif.

2.4.1 RADIANT VS. GRAD

Im Zusammenhang mit trigonometrischen Funktionen wird häufig das Bogenmaß ver-

wendet. Dieses dient dazu, die Periodizität der einzelnen Funktionen zu zeigen.

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æ Der Radiant ist ein Winkelmaß, bei dem

der Winkel durch die Länge des entsprechenden

Kreisbogens im Einheitskreis angegeben wird.

Die Bogenlänge eines gegebenen Winkels ist pro-

portional dem Radius r. å (WIKIPEDIA [7])

Wird α im Gradmaß([◦]

)gemessen, besteht der nachfolgende Zusammenhang zwischen

diesem Winkel im Gradmaß (α) und im Bogenmaß (b):[4]

ABBILDUNG 5. Zusammenhang zwischen Bo-genmaß und Gradmaß; entnommen von [8].

α

360◦ =b

2π .(10)

b > 0, wenn der Winkel eine Drehung

gegen den Uhrzeigersinn erzeugt

b < 0, vice versa.

Beachte! α und b beschreiben denselben Winkel.

Die Verbindung zwischen P(x, y) und b stellen die Funktionen Sinus und Kosinus dar:

Jeder Winkel α bzw. Länge b im Bogenmaß entspricht eindeutig einem Punkt P(x, y) auf

dem Einheitskreis, wobei gilt:

cos : b → x(b) ∧ sin : b → y(b). (11)

cos(α)= x ∧ sin(α)= y. (12)

tan(α)= sin(α)cos(α)

. (13)

In Abbildung 3 werden diese Definitionen für sin(x) und cos(x) veranschaulicht, wohinge-

gen tan(x) in Abbildung 6 gezeigt ist. Im dazugehörigen Abschnitt 3.2 wird der Tangensnäher beleuchtet und diskutiert, da die obige Definition des Tangens aufgrund seiner

Eigenschaften nicht für alle α−Werte in [◦] definiert ist.

5

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3 EIGENSCHAFTEN

3.1 ABGELEITET VOM EINHEITSKREIS

Beginnend mit dem Einheitskreis lässt sich bereits die wichtigste Eigenschaft der tri-

gonometrischen Funktionen zeigen: die Periodizität. Eine Funktion f heißt periodisch

mit der Periode T, wenn der Funktionswert an einer beliebigen Stelle x bzw. zu einem

beliebigen Zeitpunkt τ dem Funktionswert von x+T bzw. τ+T entspricht:

f (x)= f (x+T) ∀x ∈R. (14)

Diese Periodizität ist auch bei den Sinus− und Kosinus−Funktionen auffindbar. Für die

einfachen sin(x) und cos(x) lässt sich eine Periodizität von 2π feststellen:

sin(b)= sin(b+2π)= sin(b+2kπ)

cos(b)= cos(b+2π)= cos(b+2kπ)

∀(b ∈R∧k ∈Z)

. (15)

Man könnte auch sagen, dass nach einer Periode von 2π, sin(x) und cos(x) genau einen

ganzen Kreisbogen „abgelaufen“ sind. Neben der Periodizität lassen sich noch diese Ei-

genschaften für sin(x) und cos(x) am Einheitskreis (siehe Abbildung 3) ausmachen:[4]

sin(−b)=−sin(b) ∧ cos(−b)= cos(b). (16)

|sin(b)| ≤ 1 ∧ |cos(b)| ≤ 1. (17)

sin2(t)+cos2(t)= 1 ← „trigonometrischer“ Pythagoras. (18)

sin(b+ π

2

)= cos(b); ∧ cos

(b+ π

2

)= sin(t). (19)

sin(b+π)=−sin(b) ∧ cos(b+π)=−cos(b). (20)

Gleichung 16 zeigt, dass der Sinus durch seine Punktsymmetrie zum Ursprung eine

ungerade Funktion ist, während der Kosinus symmetrisch zur y−Achse ist und so-

mit eine gerade Funktion darstellt. Die Überführbarkeit von sin(x) zu cos(x) ist in den

Gleichungen 19 und 20 gezeigt. Deren graphische Bedeutung wird unter dem Stichwort

Phasenverschiebung in Abschnitt 4.1 besprochen.

3.2 TANGENS UND KOTANGENS

Betrachten wir keine Winkel α in der Einheit [◦], sondern im Bogenmaß [rad], so müssen

wir bei der Definition des Tangens und des Kotangens einige Einschränkungen beachten.

6

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Anders als Sinus und Kosinus, ist der Tangens bzw. Kotangens periodisch mit der Periode

π (nicht 2π):

tan(t) := sin(t)cos(t)

; t 6= ± (2k+1)π2

∀k ∈N. (21)

cot(t) := cos(t)sin(t)

; t 6= 0, ±π, ±2π, ... (22)

Graphisch lassen sich der Tangens und Kotangens ebenfalls am Einheitskreis (siehe auch

Abbildung 3) herleiten:

ABBILDUNG 6. Geometrische Interpretationvon Tangens und Kotangens anhand des Ein-heitskreises; entnommen von [4].

ABBILDUNG 7. Graphische Darstellung derFunktionen tan(t) und cot(t); entnommenvon [4].

Unter dem folgenden Link kann das Herleiten des Tangens animiert in Augenschein

genommen werden:

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Einheitskreis_mit_Tangensfunktion.gif

3.3 SEKANS UND KOSEKANS

Sekans und Kosekans stellen die Kehrwertfunktionen zu den Kosinus− und Sinus− Funk-

tionen dar. Man beachte hierbei die Definitionsbereiche in Relation zum Tangens (siehe

Abschnitt 3.2):[9]

csc(t) := 1sin(t)

; t 6= 0, ±π, ±2π, ... (23)

sec(t) := 1cos(t)

; t 6=(k+ 1

2

)·π ∀k ∈Z (24)

Analog zu Sinus und Kosinus weisen diese Kehrwertfunktionen ebenfalls eine Periodi-zität von 2π auf!

7

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Graphisch jedoch unterscheiden sie sich wesentlich von ihren Kehrwerten:

ABBILDUNG 8. Graphische Darstellung derSekans−Funktion; entnommen von [9].

ABBILDUNG 9. Graphische Darstellung derKosekans−Funktion; entnommen von [9].

3.4 SYMMETRIE

An dieser Stelle wird erneut auf die Symmetrie eingegangen, die zuvor schon in Glei-

chung 16 angedeutet wurde:[10]

sin(−x)=−sin(x) ∧ cos(−x)=+cos(x). (25)

tan(−x)=−tan(x) ∧ cot(−x)=−cot(x). (26)

sec(−x)=+sec(x) ∧ csc(−x)=−csc(x). (27)

3.5 NULLSTELLEN

Beachte! Da es sich bei den trigonometrischen Funktionen um periodische Funktionen

handelt, besitzen sie auch periodische Nullstellen:

sin(x)= 0 ⇔ x = kπ

cos(x)= 0 ⇔ x =(k+ 1

2

tan(x)= 0 ⇔ x = kπ

cot(x)= 0 ⇔ x =(k+ 1

2

∀(

x ∈R∧k ∈Z). (28)

Die Funktionen Sekans und Kosekans besitzen keine Nullstellen (siehe Abschnitt 3.3

sowie Abbildungen 8 und Abbildung 9).

8

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3.6 ADDITIONSTHEOREME

Für x, y ∈R gelten folgende Theoreme:

sin(x± y)= sin(x) ·cos(y)±cos(x) ·sin(y). (29)

cos(x± y)= cos(x) ·cos(y)∓sin(x) ·sin(y). (30)

tan(x± y)= sin(x± y)cos(x± y)

. (31)

Und davon herleitbar:

sin(2x)= 2 ·sin(x) ·cos(x). (32)

cos(2x)= cos2(x)−sin2(x). (33)

3.7 ABLEITUNGEN UND STAMMFUNKTIONEN

Immer wieder gern gesehen und noch lieber gefragt:

ddx

sin(x)= cos(x);∫

sin(x)dx =−cos(x)+C. (34)

ddx

cos(x)=−sin(x);∫

cos(x)dx = sin(x)+C. (35)

ddx

tan(x)= 1cos2(x)

= 1+ tan2(x);∫

tan(x)dx =− ln∣∣cos(x)

∣∣+C mit x 6=(2k+1

)π2∀k ∈Z.

(36)

ddx

cot(x)=−1−cot2(x);∫

cot(x)dx = ln∣∣sin(x)

∣∣+C mit x 6= kπ ∀k ∈Z.

(37)

Auf die Ableitungen der Kehrwertfunktionen wird hier nicht weiter eingegangen; die-

se sollen Bestandteil eigenen Übens sein, kommen sie doch weitaus weniger oft als die

Obenstehenden vor.

� EXKURS ý ZYKLOMETRISCHE FUNKTIONEN

Der Arcussinus(arcsin(x)

)sowie der Arcuskosinus

(arccos(x)

)stellen zusammen die Um-

kehrfunktionen der Sinus− und Kosinus−Funktionen dar.

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Der Name „Umkehrfunktion“ ist etwas irreführend, da es sich hierbei nicht um die Kehr-

werte der jeweiligen Funktionen handelt, sondern „umkehren“ in diesem Sinne bedeutet,

dass nicht y → f (x) sondern f (y)← x gilt.

In Worten: Die Funktion f (x) ordnet jedem Wert x genau ein Element y zu. Ihre Umkehr-

funktion macht das umgekehrte, sie ordnet jedem Wert y entsprechende Elemente x zu.

Die Kehrwertfunktion von f (x) wäre 1f (x) und ornete genauso wie f (x) jedem x genau ein

y zu.

arcsin(x) und arccos(x) sind also die Umkehrfunktionen des Sinus bzw. Kosinus und ste-

hen mit den „normalen“ trigonometrischen Funktionen in folgendem Zusammenhang:

y= sin(x), −π2≤ x ≤ π

2⇔: x = arcsin(y), −1≤ y≤ 1. (38)

y= cos(x), 0≤ x ≤π ⇔: x = arccos(y), −1≤ y ≤ 1. (39)

y= tan(x), −π2< x <π

2⇔: x = arctan(y), −∞≤ y ≤∞. (40)

Die Kehrwert-Funktionen von Sinus und Kosinus sind die im Abschnitt 3.3 erwähnten

Sekans− und Kosekans−Funktionen.

Zwecks Vollständigkeit sind untenstehend noch die Graphen für die zyklometrischen

Funktionen angegeben. Das Wissen dieser Verläufe ist nicht notwendigerweise erforder-

lich, schadet jedoch auch nicht zwecks Kontextualisierung:

ABBILDUNG 10. Graphische Auftragung der zyklo-metrischen Funktionen; entnommen von [4].

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3.8 TRIGONOMETRIE MIT EXPONENTIALFUNKTIONEN

3.8.1 TAYLOR-REIHEN

Allgemein ist die Taylorreihe eine Darstellung der Funktion f (x) als Potenzreihe in der

Umgebung des Entwicklungspunktes a:

T f (x;a)=∞∑

n=0

f (n)(a)n!

(x−a)n = f (a)+ f ′(a)(x−a)+ f ′′(a)2

(x−a)2 + ... (41)

wobei f (n) hier die n−te Ableitung von f ist; mit f (0) := f . Diese Reihendarstellungen

bieten sich auch bei den trigonometrischen Funktionen an. Hierbei wurde a = 0 als Ent-

wicklungspunkt gewählt. Mit den aus Abschnitt 3.7 gezeigten Ableitungen ergibt sich:

f (x)= sin(x) ∧ f (a)= sin(0) = 0. (42)

f ′(x)= cos(x) ∧ f ′(a)= cos(0) = 1. (43)

Analog für den Kosinus:

f (x)= cos(x) ∧ f (a)= cos(0) = 1. (44)

f ′(x)=−sin(x) ∧ f ′(a)=−sin(0)= 0. (45)

Führt man dies sinngemäß fort, ergibt sich:

sin(x)=∞∑

n=0

(−1)n x2n+1

(2n+1)!= x

1!− x3

3!+ x5

5!∓ ... (46)

cos(x)=∞∑

n=0

(−1)n x2n

(2n)!= x0

0!− x2

2!+ x4

4!∓ ... (47)

Auf WIKIPEDIA gibt es dazu tolle Animationen, wo man sehen kann, wie mit jedem hin-

zugefügten Polynom die Funktionen sin(x) und cos(x) besser abgebildet werden. Siehe

hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Sinus_und_Kosinus#/media/File:Sine.gif.

Die natürliche Exponentialfunktion lässt sich ebenfalls mittels einer Taylorreihe an der

Entwicklungsstelle a = 0 darstellen:

ex =∞∑

n=0

xn

n!= 1+ x1

1!+ x2

2!+ ... ∀x ∈R. (48)

11

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3.8.2 HYPERBELFUNKTIONEN

Häufig trifft man in Anwendungen auf bestimmte Kombinationen von Exponentialfunk-

tionen ex und e−x, die sogenannten Hyperbelfunktionen. Diese sind mit den trigonome-

trischen Funktionen verwandt und sind nachfolgend definiert:[4]

Sinus hyperbolicus sinh(x) := 12

(ex −e−x). (49)

Cosinus hyperbolicus cosh(x) := 12

(ex +e−x). (50)

Tangens hyperbolicus tanh(x) := sinh(x)cosh(x)

. (51)

Analog zu den trigonometrischen Funktionen sind sinh(x) und tanh(x) ungerade und

cosh(x) gerade . Darüber hinaus gilt hier ebenfalls die Identität:

cosh2(x)+sinh2(x)= 1. (52)

3.8.3 KOMPLEXE ZAHLEN

Komplexe Zahlen bestehen aus einem Real- und einem Imaginärteil. Im Allgemeinen

werden sie so definiert:

z = x+ i y ∈C mit x, y ∈R. (53)

Komplexe Zahlen sind in der Gaußschen Zahlenebene definiert und lassen sich veran-

schaulichen, dass schnell eine Beziehung zu den trigonometrischen Funktionen ersicht-

lich wird:

ABBILDUNG 11. Polardarstellung einer beliebigen komplexen Zahl z; entnommen von [11].

Die obige Darstellung heißt Polardarstellung und zeigt, dass komplexe Zahlen auch fol-

gendermaßen formuliert werden dürfen (hier sei auf den Einheitskreis verwiesen; siehe

12

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Abschnitt 2.4):

z = r ·cos(φ)+ isin(φ), (54)

wobei r die Länge des schwarzen Vektors (siehe Abbildung 11) also den Betrag von zangibt. Nutzen wir in Gleichung 54 nun die Reihendarstellungen der Funktionen sin(x)

und cos(x) (siehe Gleichungen 46 und 47), erhalten wir:

cos(φ)+ isin(φ)=∞∑

n=0

(−1)n φ2n

(2n)!+ i

∞∑n=0

(−1)n φ2n+1

(2n+1)!(55)

=(1− φ2

2!+ φ4

4!∓ ...

)+ i

(φ− φ3

3!+ φ5

5!∓ ...

)(56)

Mit i2 = 1 entspricht dies genau der Reihendarstellung von eiφ:

eiφ =∞∑

n=0

(iφ)n

n!= 1+ iφ+ (iφ)2

2!+ (iφ)3

3!+ ... (57)

Dieser Zusammenhang zwischen der Exponentialfunktion und den trigonometrischen

Funktionen wird Euler-Formel genannt! Damit gilt:

eiφ = cos(φ)+ isin(φ) ∧ z = r · (cos(φ)+ isin(φ))= r ·eiφ (58)

Von der Euler-Formel herleitbar, ensteht ein Ausdruck, der die trigonometrischen Funk-

tionen mit den Hyperbelfunktionen verbindet:[4]

sin(φ)= eiφ−e−iφ

2i∧ cos(φ)= eiφ+e−iφ

2(59)

sin(iφ)= e−φ−eφ

2i= i

eφ−e−φ

2= isinh(φ) (60)

cos(iφ)= e−φ+eφ

2= eφ+e−φ

2= cosh(φ) (61)

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4 ANWENDUNG

4.1 WELLEN

Wellenfunktionen können über die trigonometrischen Funktionen definiert werden. Beim

„Teilchen im (1D)-Kasten“ wird folgender Ansatz gewählt:

ψ(x)= A sin(kx)+Bsin(kx) (62)

Im Folgenden wollen wir uns anschauen, welcher Wert welchen Einfluss auf die Form

der Funktion hat. Allgemein lässt sich eine beliebige Sinus− Funktion so formulieren:

f (x)= A ·sin(kx+φ)+n (63)

n Verschiebung in y−Richtung

Er gibt an, ob eine Funktion entlang der y-Achse verschoben wurde.

Beispiel: sin(x)+3 ist eine um drei Einheiten in positiver y−Richtung verschobene,

„normale“ Sinusfunktion.

A Die Amplitude

Sie bestimmt, wie stark die Funktion entlang der y−Achse gestreckt oder gestaucht

ist. Am besten erklärt sich die Amplitude über ein Federpendel, das im Idealfall

sinusförmig pendelt. Die Amplitude ist nun die Distanz zwischen der maximalen

Auslenkung und dem Ruhe-/Wendepunkt des Pendels.

k Die Veränderung der Periodenlänge

k ist ein Faktor, der sich auf die Periodenlänge T = 2πk auswirkt. Graphisch heißt

das, k beeinflusst die Streckung oder Stauchung entlang der x−Achse.

Beispiel: sin(2x) hat nicht mehr eine Periodenlänge von 2π, sondern nur noch von π,

d.h. sin(2x) ist den Einheitskreis bereits nach π ganz „abgelaufen“.

φ Die Phasenverschiebung

Sie gibt an, um wieviel der Graph entlang der x−Achse verschoben wird. Die effek-

tive Verschiebung entlang der x−Achse ist jedoch von k abhängig, so dass gilt:

Falls φ> 0: Verschiebung des Graphen nach links umφ

k.

Falls φ< 0: vice versa.

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4.2 KUGELKOORDINATEN

In Kugelkoordinaten wird ein Punkt nicht durch kartesische Koordinaten P(x|y|z), son-

dern durch seinen Abstand zum Ursprung r sowie zweier Winkel θ (Polarwinkel) und φ

(Azimutwinkel) beschrieben P(r|θ|φ) (siehe Abbildung 12):

ABBILDUNG 12. Graphische Darstellung derKugelkoordinaten; entnommen von [12].

ABBILDUNG 13. Graphische Darstellung desVolumenelements; entnommen von [13].

Die Umrechnung von Kugel- zu kartesischen Koordinaten ist hier für einen beliebigen

Punkt P(x|y|z) gezeigt:

x = r ·sin(θ) ·cos(φ) r =√

x2 + y2 + z2 (64)

y= r ·sin(θ)sin(φ) θ = arccos( z

r

)(65)

z = r ·sin(θ) tan(φ)= yx

(66)

Im Kontext zu Orbitalen und Winkelfunktionen des Wasserstoffatoms kommen immer

wieder die Kugelkoordinaten im Rahmen der Integration über das Volumen (dV ) vor.

Dieses Volumenelement dV kann nun in kartesischen Koordinaten oder in Kugelkoordi-

naten angegeben werden:

dV = dx dy dz (67)

dV = r2dr sin(θ)dθ dφ (68)

Die Definition des Volumenelements in Kugelkoordinaten kann graphisch mit Hilfe der

Abbildung 13 verstanden werden.

Achtung! Bei der Integration über das Volumen müssen unbedingt die richtigen Gren-

zen benutzt werden. Dies betrifft vor allen Dingen die Winkel:

0<φ< 2π 0≤ θ ≤π ⇒∫

DdV =

∫ ∞

0r2dr ·

∫ π

0sin(θ)dθ ·

∫ 2π

0dφ (69)

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4.3 WEITERE ANWENDUNGEN

Ebenfalls im Kontext der trigonometrischen Funktionen wissenswert, aber hier nicht

näher erläutert:

• Polarkoordinaten

• Frequenzen

• Skalarprodukt

• Orbitale des Wasserstoffatoms

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� LITERATUR

[1] Wikipedia-Mitwirkende, Trigonometrie — Wikipedia, Die freie Enzyklopädie, Letz-

ter Zugriff: 23-Mai-2019, https://de.wikipedia.org/wiki/Trigonometrie.

[2] Wikibooks, Mathematik: Schulmathematik: Trigonometrie — Wikibooks, Die freieBibliothek, Letzter Zugriff: 23-Mai-2019, https://de.wikibooks.org/w/index.

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[3] Wikipedia-Mitwirkende, Rechtwinkliges Dreieck — Wikipedia, Die freie Enzyklopä-die, Letzter Zugriff: 23-Mai-2019, https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtwinkliges_

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[4] N. Rösch, Mathematik für Chemiker: Eine Einfiihxung, Springer-Verlag, 2013.

[5] E. Witwit, Winkelfunktionen: Sinus, Cosinus und Tangens, Letzter Zugriff: 23-Mai-2019, https://www.pirabel.de/sinus-cosinus-tangens/.

[6] T. Holey, A. Wiedemann, Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler, Springer Ber-

lin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, 2016.

[7] Wikipedia-Mitwirkende, Radiant (Einheit) — Wikipedia, Die freie Enzyklopädie,

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[8] Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel, Bogenmaß und Gradmaßberechnen — kapiert.de, Letzter Zugriff: 29-Mai-2019, https://www.kapiert.

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[9] Wikipedia-Mitwirkende, Sekans und Kosekans — Wikipedia, Die freie Enzyklopä-die, Letzter Zugriff: 27-Mai-2019, https://de.wikipedia.org/wiki/Sekans_

und_Kosekans.

[10] Wikipedia-Mitwirkende, Formelsammlung Trigonometrie — Wikipedia, Die freieEnzyklopädie, Letzter Zugriff: 26-Mai-2019, https://de.wikipedia.org/wiki/

Formelsammlung_Trigonometrie.

[11] Wikipedia-Mitwirkende, Eulersche Formel — Wikipedia, Die freie Enzyklopädie,

Letzter Zugriff: 01-Juni-2019, https://de.wikipedia.org/wiki/Eulersche_

Relation.

[12] Wikipedia-Mitwirkende, Kugelkoordinaten — Wikipedia, Die freie Enzyklopädie,

Letzter Zugriff: 01-Juni-2019, https://de.wikipedia.org/wiki/Kugelkoordinaten.

[13] D. A. McQuarrie, Quantum chemistry, 2. ed., Univ. Science Books, Sausalito, Calif.,

2008, S. 257.

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