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Wiederbelebung einer Totgesagten: Seit 2010 findenauf der Freilichtbühne im Küchwald wieder Veran-staltungen statt, hier die Feier der Walpurgisnacht am 30. April 2012. ( Fotostudio Uhlich)
3
TrÄumE einer Sommernacht
Herausgegeben vom Verein Küchwaldbühne e. V. und dem Chemnitzer Verlag
Die Freilichtbühne im Chemnitzer Küchwald
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Impressum
Träume einer Sommernacht
Herausgegeben vom Verein zur Förderung
der Küchwaldbühne e. V. und
dem Chemnitzer Verlag
© Chemnitzer Verlag
1. Auflage, 2013
ISBN 978-3-944509-00-6
Satz/Layout: Ingolf Höhl
Gesamtherstellung: Westermann Druck Zwickau
GmbH
www.chemnitzer-verlag.de
Autoren:Addi Jacobi
Christian Kaißer (C. K.)
Evelyn Esche (E. E.)
Katharina Esche (K. E.)
Torsten Birne
Thomas Morgenstern
Rolf Esche
Freie Presse:Swen Uhlig (S. U.)
Julia Rotenberger (J. R.).
Redaktion:Matthias Zwarg
Inhalt
Die Lichtung im Küchwald..............................................................6
Vom Wald zum Park ........................................................................... 12
Begrüner der Stadt: Otto Werner ......................................... 15
Ein vorzügliches Lokal ......................................................................16
Bau auf, bau auf… die Küchwaldbühne........................ 20
Vom Maurer zum Architekten:
Roland Hühnerfürst ............................................................................ 24
Ganz großes Kino................................................................................... 30
Architektur des 20. Jahrhunderts ........................................ 40
Vergebliche Wiederbelebungsversuche .........................44
Die Freilichtbühne im Küchwald –
ein denkmalgeschütztes Ensemble im Stile
der Nachkriegsarchitektur ........................................................... 48
Die Zukunft beginnt............................................................................ 52
Wiederbelebung einer Totgesagten .................................... 58
Ein Vertrag und zwei Premieren ...........................................64
5
Legenden ranken sich um den Chemnitzer Küch-
wald. Einst von der Stadt erworben, geplant von Otto
Werner und bebaut mit einem Ausflugslokal. Die
letzte Küchwaldschänke, ein Werk von Architekt
Richard Möbius, in den letzten Kriegstagen 1945
völlig zerstört.
Wer kennt sie noch, die Freilichtbühne in Chemnitz?
Von den Besuchern schnell genannt: die Erfolgsfilme
der DEFA, die Sommerfilmtage und die spektaku-
lären, internationalen Filme, Großveranstaltungen
mit Musik, Tanz, Artistik und Unterhaltung.
Bekannte Namen kommen sofort in den Sinn:
Chefindianer Gojko Mitič, Manfred Krug, Frank
Schöbel. Auch Film-Journalist und Chemnitzer Ur-
gestein Addi Jacobi wird oft erwähnt, ist natürlich
Ehrenmitglied im Verein.
Manche erinnern sich an das Nationale Aufbauwerk
in den 50er Jahren. Viele waren noch selbst dabei.
Und eben die vielen Träume in den Sommernächten.
Unzählige Gespräche über den Verfall in 18 Jahren.
Wie konnte es dazu kommen?
Bäume wachsen in 18 Jahren etwa sieben Meter
hoch. Das Ensemble steht nun unter Denkmalschutz.
Sieben Belebungsversuche gab es. Die neun Grün-
dungsmitglieder des Vereins zur Förderung der
Küchwaldbühne haben 2009 begonnen.
Gründungsvater, Regisseur, Musiker, Schauspieler
und Musikpädagoge Werner Haas meinte: „Wir
sind die Oktave“; von lateinisch octava, „die achte“.
Grundgedanke bei der Gründung des Vereins zur
Förderung der Küchwaldbühne war 2009 die Ver-
bindung von Kindertheater mit der Urbarmachung
des Geländes und der Gebäude.
Viele Hindernisse wurden aus dem Weg geräumt,
viele Stunden uneigennütziger Arbeit geleistet, um
nun die Freilichtbühne in ihrem 50. Jahr wieder neu
strahlen zu lassen.
Stolz kann der Verein sein, alle arbeiten im Ehren-
amt.
Den vielen, vielen Helfern und Sponsoren sei Dank.
Ohne sie wäre es nicht zu schaffen gewesen.
Die Schenkungen der kostbaren und unwiederbring-
lichen Zeugnisse aus der Vergangenheit haben den
Verein gestärkt und unsagbare Freude gemacht. Den
„Ehemaligen“ und Spendern wertvoller Dokumente
danken wir sehr.
Dieses Buch soll einen umfassenden Einblick in die
Sammlung zur Geschichte der Freilichtbühne geben,
die Zukunft andeuten und zu weiteren Aktivitäten
beflügeln.
Rolf EscheVorstandsvorsitzender im Namen des Vereins Küchwaldbühne e. V.
Mai 2013
Vorwort
6
Die lichtung im Küchwaldvon Addi Jacobi
Es ist, als trete man in einen Dom ein. Fast kreisrund umragen die
verbliebenen Stämme, Kronen und Wipfel die ebene Bühnenfläche
mit dem freigelegten Bühnengraben und den wenigen Traversen hü-
gelan, darüber der noch sonnenhelle Himmel und dahinter, fast nur
als Schemen, ragt eine Turmkontur himmelwärts. Von der rechten
Bühnenseite geht der Blick noch einmal über das Premierenpublikum
in die Waldfront, dahinter wird die lange Dachkante des verlassenen
Bildwerfergebäudes undeutlich erahnbar.
Das mag an der Nachmittagsstunde liegen, bei Morgensonne müsste
ein stärkerer Schatten die Hühnerfürst-Kontur abbilden.
Nach mehr als zwanzig Jahren bin ich wieder einmal hier im Pub-
likum. Männer und Frauen, die seinerzeit Vergnügen am „Haus von
Montevideo“, an „Wie füttert man einen Esel“, „Tecumseh“ und „Heißer
Sommer“ hatten, sind 2010 im Verein angetreten, als Baukapitäne für
eine Wiederbelebung der einstigen Naherholungsstätte Hand anzulegen.
Der Küchwald wird zum Park - Zeichnung vermutlich aus dem Jahr 1903. (Grünflächenamt Chemnitz)
Die Küchwaldbühne 1965 - Freitreppe mit Turm und dem Wandfries von Walter Fischer. ( Schenkung Klier)
7
Wo sind die Beleuchtungstürme?
Wo die hohen RFT-Tonsäulen bergan?
Hinter der rustikalen Bühnendekoration für die
heutige „Momo“-Inszenierung des Initiators Wer-
ner Haas muss einst die kleine Bühnenkantine, ein
Holzbungalowlein gestanden haben, daneben die
windigen Künstlerzelte zum Umkleiden bei Pres-
sefesten und Alltagsterminen. Alles zugewachsen.
Dazwischen damals als Bühnenrückwand die Ki-
noleinwand, zuletzt die Riesenwand für 70-mm-
Projektionen. Restlos zugewachsen. Der Wald hat
sich alles geholt, auch hier, wo jetzt das bunte Pu-
blikum wartet.
Einiges haben die Enthusiasten freigelegt: Busch-
werk weg, Bäume weg, die Orchestergrabenmauer
angehäufelt, gefegt und geprobt.
Unsereins hat die Küchwaldwiese 1948/1950 ent-
deckt. Das Sonnenbergkind war mit einem schweren
Tourenrad unterwegs, zog radelnd auf den Fußbo-
denresten der einstigen Küchwaldschänke seine
Kreise – Dach und Decken waren niedergebrannt,
die Fensterluken gähnten ins Leere und irgendjemand
musste die Kacheln und Bodenfliesen halbwegs frei
gefegt haben. Vielleicht der Wind?
Vor fünfzig Jahren hatte hier der Ast-Heinz die
Fäden in der Hand. Zum NAW-Einsatz (Nationales
Aufbauwerk) fuhr ich mit dem Übertragungswagen
(ein Wanderer aus den alten Drahtfunkzeiten) hier-
her, um für das Nachmittagsprogramm eine Repor-
tage zu „schneiden“. Heinz Ast war der NAW-Leiter
im Rathaus, seine Vorgängerin war die resolute Frau
Augustin, und die Vision vom „Kulturpark Küch-
wald“ war eine gute Idee von Oberbürgermeister
Kurt Berthel, dem früheren Schlachthof-Direktor:
Die Tennisplätze gab es schon (oder noch), auf der
Schulwiese stand eine kleine Hütte, aus der später das
Kosmonautenzentrum erwuchs. Hier aber wurden
die Traversen aufgeschüttet, aus Trümmergut per
Feldbahn und meist im freiwilligen Arbeitseinsatz,
wie es hieß. Die Helfer halfen und begründeten mir
ihren Einsatz vielleicht mit den Worten: „Damit es
wieder schöner wird.“
1954 hieß die Parole „Neuer Kurs“. Die Pressefeste
kamen auf, zuerst mit ein paar Bierzelten und der
Programm-Bühne in der Mittelachse der Festwiese.
Ein Mann am Klavier spielte Peter Kreuder – viel-
leicht war er es selbst – mir ist es so. Jedenfalls wurde
sofort viel aufgeboten: „Neuer Kurs!“
Der Bau der Freilichtbühne Küchwald zog sich in
die Länge. Roland Hühnerfürsts Entwurf verlor die
Symmetrie – gespart wird immer. Vielleicht ist die
Ein-Turm-Gestalt sogar markanter? Ich jedenfalls
wollte in einem späteren Pressefestjahrgang das lange
Vertikaltransparent nach dem Bühneninterview
mit Heinz Hösel von Bergsteigern über alle Etagen
entrollen und dort hängen lassen für die Saison. Das
Und wieder wird der Küchwald gerodet - Aufräumungs-arbeiten 2010. ( Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)
8
vollbrachten dann vor der schauenden Menge die Gerüstbau-Bergsteiger
vom Wohnungsbaukombinat „Wilhelm Pieck“, die noch heute in ihrer
Firma Sensationelles wagen.
Die Pressefestbühne stand dann bis 1989 auf der Bahnhofsseite der
Pioniereisenbahn. Fernsehgewohnheiten kamen erst später auf. So
kam Chefredakteur Heinz Friedrich auf den Gedanken, die tolle Pres-
sefeststimmung auf Lesertreffs in den Kreisen des Bezirks mit einem
16-mm-Amateurfilm zu verbreiten, ein VS (Volksstimme)-Filmzirkel
begann mit den agilen Pressefotografen Dieter Schlegel, Walter Klemm
und Günter Hößler. Der Leiter der Truppe wurde Jahr um Jahr Gerhard
Kühnel (Abteilung Leserverbindung der Redaktion). Im ersten Jahr
war Horst Aldus tonangebend (Buch), mir oblag die Vertonung im
Studio, möglichst mit synchronem O-Ton von Eberhard Cohrs oder
den Münchner Isarspatzen. Länger als 45 Minuten durften unsere
Amateurwerke nicht werden – so viel passte gerade auf eine 16-mm-
Spule mit Magnetit-Randspur. Erstaunlich, die Leute zwischen Rochlitz
und Auerbach kamen in die Aufführungen, Gerhard Kühnel tourte ein
Vierteljahr Woche um Woche über Land. Kühnel war Röhrsdorfer, fuhr
mit seinem Moped nach Hause, kam zuletzt am Roten Turm in den
Straßenbahngleisen zu Fall und starb an Ort und Stelle. Ehre seinem
Andenken! Am nächsten Tag begannen planmäßig an dieser Kreuzung
die Bauarbeiten, die Theaterstraße am Club der Bauschaffenden „Roter
Turm“ verschwand, die Kreuzung wurde um
wohl 1,20 Meter oder mehr tiefer gelegt, damit
die Magistrale „Straße der Nationen“ dort glatt
ohne An- und Abstieg verlaufen kann, wie wir
es noch heute gewöhnt sind.
Was diese alten Küchwald-Bäume alles er-
zählen könnten? Momo würde staunen.
Kamen Filmdelegationen in den Bezirk, ka-
men sie vor oder nach der Premiere vielköpfig
hier an und äußerten sich im Bühnengespräch
oder dem „Freien Forum“ publikumswirksam
über Biografisches und Filmisches, wie es heute
in allen Kanälen und Rubriken inf lationär
Manfred Krug gehörte zu den Stammgästen auf derFreilichtbühne. (Archiv Freie Presse)
Damals ganz modern: Ein Beleuch-tungsturm für Verfolgerscheinwerfer, ca. 1975. ( Schenkung Klier)
Die Sommerfilmtage in der DDR bescher-ten der Küchwaldbühne den größten Besucherzulauf. (Addi Jacobi)
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üblich ist. Damals war es hier rar, neu und begehrt,
in der richtigen Dosis, Applaus gab es auch für die
Vorprogramme, etwa bei Roland Oehmes Film „Wie
füttert man einen Esel?“, zu dem auch Manfred Krug
herrlich vor der Leinwand (jaja, Bildwand ist korrekt)
sang und schwadronierte, oder bei „Heißer Sommer“
mit Chris und Frank, an Werner Lierck erinnere ich
mich, an Gojko, Milan Beli, Regisseur Dr. Gottfried
Kolditz, Konrad Petzold („Die Hosen des Ritters
von Bredow“) – wir waren alle herrlich jung, die
Kinder klein, die Liebe frisch – unvergessliche Küch-
waldstunden. Günter Fischer kam und Klaus Lenz
frühzeitig. 1976 gab es auch eine Uraufführung mit
allem Drum und Dran: „Im Staub der Sterne“ mit
Jana Brejchova und Regisseur Gottfried Kolditz –
alle, alle waren jung! Momo lernt das noch. Momo
kann retten!
1965 gab es draußen auf der großen Wiesen-
bühne „Zu Gast im Klub“, denn es war die Zeit
der 800-Jahrfeier. Im Zeichen des Stadtwohls sang
Kammersänger Konrad Rupf die van-Bett-Arie („Das
Wohl der Stadt bringt mich noch um“), anstelle von
„Oh, 5000 Taler“ war von „800 Jahren“ die Rede und
Rupf stand mit Allonge-Perücke im vollen Kostüm
in der Nachmittagssonne. Dann gehörte Jahr um
Jahr die Ziehung der Gewinne der Pressefest-Lotterie
zu meinen Aufgaben, es ging um zwei „Trabant“
(oder um einen?), alle wollten gewinnen, aber im
Publikum saßen wohl stets nur Nieten-Besitzer. Als
diese Ziehungsveranstaltung mal im Amphithea-
ter-Halbrund angesetzt war – stets mussten sieben
Zahlen unter Aufsicht des „Staatlichen Notariats
der DDR“ (Lohstraße) gezogen werden – haben wir
zwei Zwillingspärchen und drei Damen als Drillinge
für den Griff in die Säckchen eingeladen. Jedes Mal
anders – das galt als Rezept. Fürs Publikum wa-
ren ein paar Päckchen „Papierkleider“ (Modedruck
Gera) herangefahren worden – allezeit also „Stadt
der Moderne“. Die gingen ab wie warme Semmeln.
Für mich tauchen viele alte Freunde auf, die für
diese Küchwaldfreilichtbühne aus meiner Sicht dicke
Lorbeeren verdient haben. Zuoberst die Kinotech-
niker Joachim Kühn, ein Ingenieur aus Görlitz, den
ein Kaderentscheid Hans Rodenbergs nach dem
Babelsberger Studium in unseren Industriebezirk
gebracht hatte; Heinz Ostmann von VEB Kinotech-
nik in der Elisenstraße und Günther Richter aus
der Bezirks-Elite der Filmvorführer mit Siegfried
Tippmann an der Spitze. Hier bauten sie Jahr um
Jahr die Riesenbildwand von über 430 Quadratme-
tern auf und ab (eine Ostmann-Rollbildwand), hier
schalteten sie die großen 70-mm-Projektoren im
Bildwerferraum, hier kannten sie jede Leitung und
vielleicht auch manchen Vogel im Revier. Roland
Hühnerfürst, den Architekten, kann man noch im
Die 480 Quadratmeter große Leinwand gehörte zu den größten in Europa. (Foto aus den Jahren 1967/68; Schenkung Klier)
10
Stadtzentrum mit einigen seiner Bauten entdecken, etwa das Agricola-
Haus in der Inneren Klosterstraße.
Rundblick in die Baumwipfel. Zeit tickt hörbar aus dem Metronom.
Tot ist tot, gestern bleibt gestern. Hinter den Kulissen brodelt offenbar
die Premierenluft der jungen Leute. Der alte Mann sieht im Orches-
tergraben und aus dem Rückblickspiegel das Arbeitersinfonieorches-
ter aus Riesa, es ist 1960, gleich tritt Robert Trösch mit dem Prolog
von Hasso Grabner ins Bühnenzentrum (später darf ich für Trösch
dieses Poem auf unseren Tourneen sprechen) und unsere Chöre (das
Florian-Geyer-Ensemble Karl-Marx-Stadt und der Chor des Stahl- und
Walzwerks Riesa) werden an diesem Eröffnungsabend 1960 auch von
Oldrich Bohunowski aus der ČSSR dirigiert. Es sind alles neue Texte
und Kompositionen, denn es handelt sich um das von der IG Metall
ausgerichtete Eröffnungsprogramm. Es geht auch um den Wettstreit,
um den schönsten Beruf und um eine Brigadehochzeit, eine kurzlebige
Erfindung, die damals aber Konjunktur hat. Willi Hinzert hat eine
Choreografie für die Riesaer geschrieben. Erinnerungen. „Wiegt euch,
Fahnen des Arbeitersieges im Wind“ heißt ein neuer Chorsatz und die
Frage nach dem schönsten Beruf, das fällt mir auch noch ein, wurde in
Ein typisches Bild aus dem Küchwald - viele Besucher bei einer Festveran-staltung - vor 1965, denn es war noch eine kleinere Bildwand aufgebaut. (Freie Presse Archiv)
Die Bühne in ihrer Glanzzeit in den 1960er Jahren. (Freie Presse Archiv)
Heinz Quermann war einer der belieb-testen Entertainer in der DDR. Er ließsich auch einen Auftritt im Küchwald nicht entgehen. (Freie Presse Archiv)
11
einem Rundgesang unzweifelhaft beantwortet: „Das
sind die Metallarbeiter. Kluge Köpfe. Und f linke
Hände. Sie treiben den Gang der Dinge weiter zum
guten Ende.“ Mein Gott, was da so alles im Kleinhirn
gespeichert ist. Vielleicht habe ich noch irgendwo das
alte Programmheft mit allen Texten? Leo Spieß hat
das „Chorlied vom Wissen“ beigesteuert. Das habe ich
noch im Ohr. Vielleicht auch, weil mir die Aufgabe
zugefallen war, den Komponisten und Dirigenten
aus Felsensteins komischer Oper beim Küchwald-
spaziergang nicht allein zu lassen. Ehrenbegleiter.
Ich hab‘ mir Mühe gegeben.
Rolf Esche kommt zur Begrüßung und will schnell
wissen, wo denn genau mein Platz auf dem Turm
gewesen sei? Mittel-Balkon, weiß ich genau: Über
mir die Scheinwerfer, unter mir die Stellwarte, un-
sere „Ela“ in der Mitte – „Aber nur während dieser
Woche Sommerfilmtage.“ Es muss noch ein paar
Fotos geben…
Die schönste Bagatelle aus dieser Zeit? Da war
der Gedanke aufgekommen, eine Publikumsbe-
fragung nach dem tollsten Film im Programm der
Sommerfilmtage zu starten, und gedacht war, dass
der Bezirksfilmdirektor, ein erfahrener Mann der
Massenmobilisierung, dem Sieger diesen Karl-Marx-
Städter Extrapreis übergibt, überbringt, feierlich
zustellt. Just hieß im nämlichen Jahrgang der BRD-
Beitrag „Das Haus in Montevideo“, die Köstlichkeit
von Curt Goetz und mit der Paraderolle für Heinz
Rühmann. Keine Frage, für diesen Film entschied
sich unser Publikum haushoch. Der Preis kam nie vor
Rühmanns Augen: Bis zum Konkurs der DDR blieb
die Trophäe in der Direktionsvitrine. Der Reisepass
fehlte. Und der Reiseauftrag. Vielleicht wurde der
auch gar nicht beantragt.
Momo. Es ist, als trete man in einen Dom ein.
Fast kreisrund umragen die verbliebenen Stämme,
Kronen und Wipfel die ebene Bühnenfläche mit
dem freigelegten Bühnengraben und den wenigen
baumlosen Traversen hügelan, darüber der noch son-
nenhelle Himmel und dahinter, fast nur als Schemen,
ragt eine Turmkontur himmelwärts. Eine poetische
Situation. Überall Geschichte. Überall Zukunft.
Nach der Schließung der Bühne: Relikte aus dem Beleuch-tungsturm, 1998. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)
2010 werden Bühne und Orchestergraben wieder freige-legt. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)
12
Chronik
Einer muss den Anfang machen: In der Zeit, in der Chemnitz seinen größten wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, nahmen auch die Grünanlagen der Stadt Gestalt an.
Vom Wald zum ParkDer Küchwald – kleiner historischer Abriss
Der Küchwaldpark, nördlich des Stadtzentrums von Chemnitz ge-
legen, ist eine etwa 100 Hektar große historische, denkmalgeschützte
Parkanlage mit größtenteils waldartigem Charakter.
Die Geschichte des Küchwaldparks ist eng mit dem Namen Otto
Werner verbunden. Er war nicht nur der erste Stadtgartendirektor von
Chemnitz, mit ihm begann auch die Entwicklung und Umgestaltung der
städtischen Grünanlagen. Die ersten Vorhaben, die im Zusammenhang
mit der Umwandlung des Küchwaldes in einen Waldpark erwähnt wer-
den, sind die Planierung einer 30.000 Quadratmeter Fläche 1888 (später
Festplatz mit Gastronomie) und der Neubau einer Umfahrungsstraße
1899. Die Erdarbeiten an dieser, als Reit-, Fuß-, und Radfahrweg ge-
planten Straße zwischen Leipziger Straße und projektierter Ringstraße
(der heutige im Park gelegene Teil des Küchwaldrings) konnten bis 1901
abgeschlossen werden. Im gleichen Jahr begannen erste Arbeiten an
der Cottaschneise, die 1905 beendet wurden. 1903 bis 1908 wurden
Blick zurück: Fest- und Spielplatz im Küchwald mit erster Wirtschaft. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)
1136Gründung des Benediktinerklosters St. Marien
1885Erwerb des Küchwaldes durch die Stadt Chemnitz
1888Der Küchwaldpark nördlich des Stadtzen-trums ist eine ca. 100 ha große historische, denkmalgeschützte Parkanlage.
Planierung einer 30.000 m² großen Fläche.
13
die Lawn-Tennisplätze gebaut. Um dem Besucher-
zuwachs gerecht zu werden, wurde der Festplatz
auf 40.000 Quadratmeter erweitert und 1909 die
Küchwaldschänke eingeweiht. 1915 konnte man
den planmäßigen Abschluss der Umgestaltung zum
Waldpark vermelden. 1918 wurden, der Not gehor-
chend, auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern
Gemüse und Kartoffeln angebaut. 1921 begannen
Die Küchwaldschänke 1909. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)
14
Chronik
Arbeitersportler mit dem Bau eines Vereinsheims. Zunächst nur ein
einfaches Holzgebäude, wurde es zwischen 1924 und 1928 durch einen
Massivbau ersetzt. Das heutige Schullandheim „Kinderland Küchwald“
erfuhr eine wechselvolle Geschichte. Ab 1933 gaben sich hier die viel-
fältigen Organisationen des NS-Staates die Klinke in die Hand: erst
SA, danach das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps, zuletzt die HJ.
In den 1940er Jahren erwarb die Stadt das Haus. Es diente bis Kriegs-
ende als Lazarett.
Nach Gründung der DDR übernahm die FDJ und später die Pionieror-
ganisation das Objekt, von 1951 bis zur Wende 1989 unter der Bezeich-
nung Station Junger Touristen „Junge Garde“. Nach einem Beschluss
der Stadtverordneten-Versammlung von 1952 wurde der Küchwald in
einen Kulturpark umgewandelt. Einiges wurde neu gebaut: 1953/54 die
Pioniereisenbahn, die noch heute als Parkeisenbahn ihre Runden dreht;
1955 bis 1963 entstand die Freilichtbühne. Sie bot 4500 Sitzplätze und
ermöglichte Theater-, Musik- und Filmveranstaltungen. 1964 wurde im
Rahmen des Pioniertreffens das Kosmonautenzentrum übergeben, bis
heute eine gute Adresse für Raumfahrt-Interessenten. 1965 konnte die
Eissporthalle mit einer Kapazität für 5000 Zuschauer eröffnet werden.
1973 kam noch eine Eisschnelllaufbahn hinzu. In den 1990er Jahren
erhielt die Parkeisenbahn zwei zusätzliche Haltepunkte sowie eine Lok-/
Wagen-Halle und eine Modellbahnanlage in Parkbahn-Version. C. K.
1899
Neubau einer Umfahrungsstraße (heute Küchwaldring)
Um 1900
Die Erdarbeiten an dieser als Reit-, Fuß-, und Radfahrweg geplanten Straße zwi-schen Leipziger Straße und projektierter Ringstraße (der heutige im Park gelegene Teil des Küchwaldrings) werden bis 1901 abgeschlossen. Im gleichen Jahr beginnen erste Arbeiten an der Cottaschneise.
Otto Werner erhält von der Stadt den Auf-trag zur Umgestaltung des Küchwalds zum Volks- und Waldpark
15
Vom Lebenswerk des Ernst Hugo Otto Werner
können die Chemnitzerinnen und Chemnitzer bis
heute zehren: In der Amtszeit des obersten Gärtners
der Stadt wurden deren Grünflächen von zwölf auf
210 Hektar erweitert.
Die Lebensleistung Werners war aber nicht nur
quantitativer Natur. Seine Aufgabe sah er vor allem
in der Schaffung von Schmuckplätzen und Parkan-
lagen mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten. Der
Küchwaldpark gilt als exemplarisches Beispiel für
sein Bestreben, die Stadt zu begrünen.
Otto Werner wurde am 17. März 1854 im damals
schlesischen Freiburg/Kreis Schweidnitz (heute
Swiebodzice/Swidnica in Polen) geboren. Seine
Ausbildung als Kunstgärtner absolvierte er 1868
bis 1871 im Schlossgarten von Fürstenstein, nahe
seines Geburtsortes Freiburg. Nach einer Tätig-
keit im Botanischen Garten Berlin-Schöneberg und
der Einberufung zum Militärdienst wurde er 1876
an den Großen Garten in Dresden berufen. Nach
sechsjähriger Arbeit in Elbflorenz, inzwischen zum
Obergärtner avanciert, bot sich 1882 per Stellenaus-
schreibung ein neue berufliche Herausforderung an.
In Chemitz war die Stadtgärtnerstelle vakant.
Werner bewarb sich neben weiteren 110 Interessenten
und wurde angenommen.
Der Wilhelmplatz (heute Wilhelm-Külz-Platz)
war 1882 das erste Objekt seiner Gestaltung von
Schmuckplätzen, wie es damals hieß. Zwölf weite-
re folgten bis 1899, darunter der Körner- und der
Luisenplatz, die mit ihren geometrisch-regelmäßigen
Grundrissen Werners Vorstellungen besonders gut
entsprachen. Der Küchwaldpark und der Stadtpark
sind jedoch die größten und vollkommensten Schöp-
fungen der Gartenarchitektur Otto Werners.
Seine Arbeit blieb nicht ohne Anerkennung – 1895
wird ihm der Titel eines Garteninspektors verliehen,
1900 wird er zum Gartendirektor ernannt.
Otto Werner starb am 7. März 1923. Der Wunsch in
„seinem“ Stadtpark (der ab 1934 Otto-Werner-Garten
hieß) beerdigt zu werden, ging nicht in Erfüllung.
Werner fand auf dem Schloßfriedhof seine letzte
Ruhestätte. Leider existiert das Grab nicht mehr. Es
hätte diese Inschrift verdient: „Grata quiescentem
cultorem arbusta loquuntur – Dankerfüllt loben Busch
und Wald ihren sanft ruhenden Hüter“. C. K.
Gartenbaumeister Otto Werner. (Städtische GrünanlagenChemnitz/Doris Schöpe, 2001)
Begrüner der StadtDer Chemnitzer Stadtgärtner Ernst Hugo Otto Werner (1854–1923)
16
Chronik
1903-1908Bau der Lawn-Tennisplätze.
Der Festplatz wird auf 40.000 m² erweitert.
1909Am 1. Weihnachtsfeiertag Einweihung der Küchwaldschänke. In Zeitungsinseraten wirbt der Wirt Oskar Hofmann:„Vorzügliches Konzert- und Gesellschafts-lokal, herrlicher Garten. Im Sommer Kon-zerte erster Chemnitzer Kapellen sowie vorzügliche Radioanlage. Kleiner Saal und Zimmer für Vereine und Gesellschafts-vergnügen.“
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entwickelte sich Chem-nitz rasant. Das ließ sich sogar an der Gastronomie ablesen.
Ein vorzügliches LokalGastronomie im Küchwald
Nachdem 1888 ein 30.000 Quadratmeter großer Festplatz als Turn-
gelegenheit für die Jugend angelegt worden war, konnte man dort
bereits kurze Zeit später eine „Wirtschaft zum Küchwald“ besuchen.
Die Einkehrstätte von Feodor Sachse, eine einfache Holzkonstruktion
in der Mitte des Festplatzes, musste wiederum nach wenigen Jahren
einem größeren Objekt weichen. Unter der Oberbauleitung von Stadt-
baurat Möbius entstand nach Entwürfen von Stadtbaumeister Eckardt
die Küchwaldschänke. Sie befand sich am Rande des inzwischen auf
40.000 Quadratmeter erweiterten Festplatzes nach Nordwesten. Das
Gebäude war 72 Meter lang und wurde von einem hohen Mittelbau
und einem halbrunden Terrassenvorbau dominiert. Im vorderen Teil
befand sich ein hallenartiger, geräumiger Gastraum und dahinter
schlossen sich die Wirtschaftsräume und die Wohnung des Wirts an.
Der großzügige Gastraum der alten Küchwaldschänke. (Archiv Verein Küchwald-bühne e. V.)
17
Luftbild des Areals um die Küchwaldschänke, ca. 1915. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)
Vom Mittelbau verliefen nach links und rechts Ve-
randen, die in einem kleinen Pavillon endeten. Mit
Zentralheizung und elektrischem Licht ausgestattet,
war die Küchwaldschänke bereits sehr komfortabel
und modern. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1909
wurde sie eingeweiht.
In Zeitungsinseraten warb der Wirt Oskar Hof-
mann mit blumigen Worten: „Vorzügliches Kon-
zert- und Gesellschaftslokal, herrlicher Garten.
Im Sommer Konzerte erster Chemnitzer Kapellen
sowie vorzügliche Radioanlage. Kleiner Saal und
Zimmer für Vereine und Gesellschaftsvergnügen.“
Falls man derartigen Angeboten geneigt war,
konnte man sich mit Herrn Hofmann sogar tele-
fonisch unter der Nummer 31020 in Verbindung
setzen.
Auch der Küchwald und die Küchwaldschän-
ke blieben vom Bombardement auf Chemnitz am
5. März 1945 nicht verschont. Reste des Gebäudes
bzw. Fundaments wurden später in den Neubau
der Freilichtbühne integriert. C. K.
19
Werbung für die Lokalitäten im Küchwald, die sich bei den Chemnitzerinnen und Chemnitzern großer Beliebtheiterfreuten. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)
20
Chronik
1956 war es so weit: Das gerade umbenannte Chemnitz, nun also Karl-Marx-Stadt, sollte einen Kulturpark bekommen. Fleißige Hel-ferinnen und Helfer waren gefragt.
Bau auf, bau auf… die KüchwaldbühneMehr als 32.000 Menschen leisten Arbeitsstunden
Die Freilichtbühne, die heute die Stirnseite des Festplatzes an der
Stelle der ehemaligen Küchwaldschänke einnimmt, entstand als ein
Objekt des Nationalen Aufbauwerkes (NAW). Das NAW, 1951 durch
das Zentralkomitee der SED mit dem Ziel begründet, Berlin von seinen
großen Trümmerbergen zu befreien sowie Baumaterial zu gewinnen,
wurde später auf die gesamte DDR ausgeweitet. Die Nationale Front,
ein Zusammenschluss der zugelassenen Parteien, leitete die unbezahl-
te Arbeit, die der Realisierung von Projekten im gemeinschaftlichen
Interesse dienen sollten.
Diese so genannten Aufbaustunden wurden mit Klebemarken in
einer „Einsatzkarte“ dokumentiert. Für eine größere Anzahl geleisteter
Arbeitsstunden wurde eine Anstecknadel verliehen.
Da die finanziellen Mittel auch für NAW-Projekte nicht immer in
ausreichender Höhe vorhanden waren, konnte die Freilichtbühne nur
in Teilen vollendet werden. So verzichtete man auf ein Bühnengebäude
mit den Umkleide-, Verwaltungs- und Aufenthaltsräumen sowie auf
den Turm an der rechten seite des Eingangs.
1956 geplant, konnte die Freilichtbühne durch freiwillige Arbeits-
leistungen im Wert von 1,8 Millionen Mark, das waren 126.167 NAW-
Stunden von 32 400 Menschen, gebaut werden. Sie wurde anlässlich der
2. Arbeiterfestspiele 1960 übergeben, war aber erst 1963 vollendet. K. E.
1915Planmäßiger Abschluss der Umgestal-tung des Küchwalds zum Park.
1918Nach dem Ersten Weltkrieg werden im Küchwald auf einer Fläche von 60.000 m² Gemüse und Kartoffeln angebaut.
1921Arbeitersportler beginnen mit dem Bau eines Vereinsheims. Zunächst war es ein einfaches Holzgebäude, zwischen 1924 und 1928 wird es durch einen Massivbau ersetzt.
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Tausende Bürgerinnen und Bürger halfen im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes beim Bau der Freilichtbühneim Küchwald. Hier werden, etwa 1960, die Traversen aufgeschüttet. (Archiv Axel Hühnerfürst)
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Chronik
1933
Das heutige Schullandheim „Kinderland Küchwald“ hat eine wechselvolle Ge-schichte. Ab 1933 gaben sich hier mehrere Organisationen des nationalsozialistischen Staates die Klinke in die Hand: die SA, danach das Nationalsozialistische Kraft-fahrkorps (NSKK), zuletzt die HJ. Nach 1940 erwarb die Stadt das Objekt. Es diente bis Kriegsende als Lazarett.
5. März 1945
Chemnitz wird bombardiert, auch der Küchwald ist betroffen. Die Küchwald-schänke wird zerstört.