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Träume einer Sommernacht - Freie Presse · Träume einer Sommernacht ... Am nächsten Tag begannen planmäßig an dieser Kreuzung ... die Theaterstraße am Club der Bauschaffenden

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Träume einer SommernachtDie Freilichtbühne im Chemnitzer Küchwald

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Wiederbelebung einer Totgesagten: Seit 2010 findenauf der Freilichtbühne im Küchwald wieder Veran-staltungen statt, hier die Feier der Walpurgisnacht am 30. April 2012. ( Fotostudio Uhlich)

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TrÄumE einer Sommernacht

Herausgegeben vom Verein Küchwaldbühne e. V. und dem Chemnitzer Verlag

Die Freilichtbühne im Chemnitzer Küchwald

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Impressum

Träume einer Sommernacht

Herausgegeben vom Verein zur Förderung

der Küchwaldbühne e. V. und

dem Chemnitzer Verlag

© Chemnitzer Verlag

1. Auflage, 2013

ISBN 978-3-944509-00-6

Satz/Layout: Ingolf Höhl

Gesamtherstellung: Westermann Druck Zwickau

GmbH

www.chemnitzer-verlag.de

Autoren:Addi Jacobi

Christian Kaißer (C. K.)

Evelyn Esche (E. E.)

Katharina Esche (K. E.)

Torsten Birne

Thomas Morgenstern

Rolf Esche

Freie Presse:Swen Uhlig (S. U.)

Julia Rotenberger (J. R.).

Redaktion:Matthias Zwarg

Inhalt

Die Lichtung im Küchwald..............................................................6

Vom Wald zum Park ........................................................................... 12

Begrüner der Stadt: Otto Werner ......................................... 15

Ein vorzügliches Lokal ......................................................................16

Bau auf, bau auf… die Küchwaldbühne........................ 20

Vom Maurer zum Architekten:

Roland Hühnerfürst ............................................................................ 24

Ganz großes Kino................................................................................... 30

Architektur des 20. Jahrhunderts ........................................ 40

Vergebliche Wiederbelebungsversuche .........................44

Die Freilichtbühne im Küchwald –

ein denkmalgeschütztes Ensemble im Stile

der Nachkriegsarchitektur ........................................................... 48

Die Zukunft beginnt............................................................................ 52

Wiederbelebung einer Totgesagten .................................... 58

Ein Vertrag und zwei Premieren ...........................................64

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Legenden ranken sich um den Chemnitzer Küch-

wald. Einst von der Stadt erworben, geplant von Otto

Werner und bebaut mit einem Ausflugslokal. Die

letzte Küchwaldschänke, ein Werk von Architekt

Richard Möbius, in den letzten Kriegstagen 1945

völlig zerstört.

Wer kennt sie noch, die Freilichtbühne in Chemnitz?

Von den Besuchern schnell genannt: die Erfolgsfilme

der DEFA, die Sommerfilmtage und die spektaku-

lären, internationalen Filme, Großveranstaltungen

mit Musik, Tanz, Artistik und Unterhaltung.

Bekannte Namen kommen sofort in den Sinn:

Chefindianer Gojko Mitič, Manfred Krug, Frank

Schöbel. Auch Film-Journalist und Chemnitzer Ur-

gestein Addi Jacobi wird oft erwähnt, ist natürlich

Ehrenmitglied im Verein.

Manche erinnern sich an das Nationale Aufbauwerk

in den 50er Jahren. Viele waren noch selbst dabei.

Und eben die vielen Träume in den Sommernächten.

Unzählige Gespräche über den Verfall in 18 Jahren.

Wie konnte es dazu kommen?

Bäume wachsen in 18 Jahren etwa sieben Meter

hoch. Das Ensemble steht nun unter Denkmalschutz.

Sieben Belebungsversuche gab es. Die neun Grün-

dungsmitglieder des Vereins zur Förderung der

Küchwaldbühne haben 2009 begonnen.

Gründungsvater, Regisseur, Musiker, Schauspieler

und Musikpädagoge Werner Haas meinte: „Wir

sind die Oktave“; von lateinisch octava, „die achte“.

Grundgedanke bei der Gründung des Vereins zur

Förderung der Küchwaldbühne war 2009 die Ver-

bindung von Kindertheater mit der Urbarmachung

des Geländes und der Gebäude.

Viele Hindernisse wurden aus dem Weg geräumt,

viele Stunden uneigennütziger Arbeit geleistet, um

nun die Freilichtbühne in ihrem 50. Jahr wieder neu

strahlen zu lassen.

Stolz kann der Verein sein, alle arbeiten im Ehren-

amt.

Den vielen, vielen Helfern und Sponsoren sei Dank.

Ohne sie wäre es nicht zu schaffen gewesen.

Die Schenkungen der kostbaren und unwiederbring-

lichen Zeugnisse aus der Vergangenheit haben den

Verein gestärkt und unsagbare Freude gemacht. Den

„Ehemaligen“ und Spendern wertvoller Dokumente

danken wir sehr.

Dieses Buch soll einen umfassenden Einblick in die

Sammlung zur Geschichte der Freilichtbühne geben,

die Zukunft andeuten und zu weiteren Aktivitäten

beflügeln.

Rolf EscheVorstandsvorsitzender im Namen des Vereins Küchwaldbühne e. V.

Mai 2013

Vorwort

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Die lichtung im Küchwaldvon Addi Jacobi

Es ist, als trete man in einen Dom ein. Fast kreisrund umragen die

verbliebenen Stämme, Kronen und Wipfel die ebene Bühnenfläche

mit dem freigelegten Bühnengraben und den wenigen Traversen hü-

gelan, darüber der noch sonnenhelle Himmel und dahinter, fast nur

als Schemen, ragt eine Turmkontur himmelwärts. Von der rechten

Bühnenseite geht der Blick noch einmal über das Premierenpublikum

in die Waldfront, dahinter wird die lange Dachkante des verlassenen

Bildwerfergebäudes undeutlich erahnbar.

Das mag an der Nachmittagsstunde liegen, bei Morgensonne müsste

ein stärkerer Schatten die Hühnerfürst-Kontur abbilden.

Nach mehr als zwanzig Jahren bin ich wieder einmal hier im Pub-

likum. Männer und Frauen, die seinerzeit Vergnügen am „Haus von

Montevideo“, an „Wie füttert man einen Esel“, „Tecumseh“ und „Heißer

Sommer“ hatten, sind 2010 im Verein angetreten, als Baukapitäne für

eine Wiederbelebung der einstigen Naherholungsstätte Hand anzulegen.

Der Küchwald wird zum Park - Zeichnung vermutlich aus dem Jahr 1903. (Grünflächenamt Chemnitz)

Die Küchwaldbühne 1965 - Freitreppe mit Turm und dem Wandfries von Walter Fischer. ( Schenkung Klier)

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Wo sind die Beleuchtungstürme?

Wo die hohen RFT-Tonsäulen bergan?

Hinter der rustikalen Bühnendekoration für die

heutige „Momo“-Inszenierung des Initiators Wer-

ner Haas muss einst die kleine Bühnenkantine, ein

Holzbungalowlein gestanden haben, daneben die

windigen Künstlerzelte zum Umkleiden bei Pres-

sefesten und Alltagsterminen. Alles zugewachsen.

Dazwischen damals als Bühnenrückwand die Ki-

noleinwand, zuletzt die Riesenwand für 70-mm-

Projektionen. Restlos zugewachsen. Der Wald hat

sich alles geholt, auch hier, wo jetzt das bunte Pu-

blikum wartet.

Einiges haben die Enthusiasten freigelegt: Busch-

werk weg, Bäume weg, die Orchestergrabenmauer

angehäufelt, gefegt und geprobt.

Unsereins hat die Küchwaldwiese 1948/1950 ent-

deckt. Das Sonnenbergkind war mit einem schweren

Tourenrad unterwegs, zog radelnd auf den Fußbo-

denresten der einstigen Küchwaldschänke seine

Kreise – Dach und Decken waren niedergebrannt,

die Fensterluken gähnten ins Leere und irgendjemand

musste die Kacheln und Bodenfliesen halbwegs frei

gefegt haben. Vielleicht der Wind?

Vor fünfzig Jahren hatte hier der Ast-Heinz die

Fäden in der Hand. Zum NAW-Einsatz (Nationales

Aufbauwerk) fuhr ich mit dem Übertragungswagen

(ein Wanderer aus den alten Drahtfunkzeiten) hier-

her, um für das Nachmittagsprogramm eine Repor-

tage zu „schneiden“. Heinz Ast war der NAW-Leiter

im Rathaus, seine Vorgängerin war die resolute Frau

Augustin, und die Vision vom „Kulturpark Küch-

wald“ war eine gute Idee von Oberbürgermeister

Kurt Berthel, dem früheren Schlachthof-Direktor:

Die Tennisplätze gab es schon (oder noch), auf der

Schulwiese stand eine kleine Hütte, aus der später das

Kosmonautenzentrum erwuchs. Hier aber wurden

die Traversen aufgeschüttet, aus Trümmergut per

Feldbahn und meist im freiwilligen Arbeitseinsatz,

wie es hieß. Die Helfer halfen und begründeten mir

ihren Einsatz vielleicht mit den Worten: „Damit es

wieder schöner wird.“

1954 hieß die Parole „Neuer Kurs“. Die Pressefeste

kamen auf, zuerst mit ein paar Bierzelten und der

Programm-Bühne in der Mittelachse der Festwiese.

Ein Mann am Klavier spielte Peter Kreuder – viel-

leicht war er es selbst – mir ist es so. Jedenfalls wurde

sofort viel aufgeboten: „Neuer Kurs!“

Der Bau der Freilichtbühne Küchwald zog sich in

die Länge. Roland Hühnerfürsts Entwurf verlor die

Symmetrie – gespart wird immer. Vielleicht ist die

Ein-Turm-Gestalt sogar markanter? Ich jedenfalls

wollte in einem späteren Pressefestjahrgang das lange

Vertikaltransparent nach dem Bühneninterview

mit Heinz Hösel von Bergsteigern über alle Etagen

entrollen und dort hängen lassen für die Saison. Das

Und wieder wird der Küchwald gerodet - Aufräumungs-arbeiten 2010. ( Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)

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vollbrachten dann vor der schauenden Menge die Gerüstbau-Bergsteiger

vom Wohnungsbaukombinat „Wilhelm Pieck“, die noch heute in ihrer

Firma Sensationelles wagen.

Die Pressefestbühne stand dann bis 1989 auf der Bahnhofsseite der

Pioniereisenbahn. Fernsehgewohnheiten kamen erst später auf. So

kam Chefredakteur Heinz Friedrich auf den Gedanken, die tolle Pres-

sefeststimmung auf Lesertreffs in den Kreisen des Bezirks mit einem

16-mm-Amateurfilm zu verbreiten, ein VS (Volksstimme)-Filmzirkel

begann mit den agilen Pressefotografen Dieter Schlegel, Walter Klemm

und Günter Hößler. Der Leiter der Truppe wurde Jahr um Jahr Gerhard

Kühnel (Abteilung Leserverbindung der Redaktion). Im ersten Jahr

war Horst Aldus tonangebend (Buch), mir oblag die Vertonung im

Studio, möglichst mit synchronem O-Ton von Eberhard Cohrs oder

den Münchner Isarspatzen. Länger als 45 Minuten durften unsere

Amateurwerke nicht werden – so viel passte gerade auf eine 16-mm-

Spule mit Magnetit-Randspur. Erstaunlich, die Leute zwischen Rochlitz

und Auerbach kamen in die Aufführungen, Gerhard Kühnel tourte ein

Vierteljahr Woche um Woche über Land. Kühnel war Röhrsdorfer, fuhr

mit seinem Moped nach Hause, kam zuletzt am Roten Turm in den

Straßenbahngleisen zu Fall und starb an Ort und Stelle. Ehre seinem

Andenken! Am nächsten Tag begannen planmäßig an dieser Kreuzung

die Bauarbeiten, die Theaterstraße am Club der Bauschaffenden „Roter

Turm“ verschwand, die Kreuzung wurde um

wohl 1,20 Meter oder mehr tiefer gelegt, damit

die Magistrale „Straße der Nationen“ dort glatt

ohne An- und Abstieg verlaufen kann, wie wir

es noch heute gewöhnt sind.

Was diese alten Küchwald-Bäume alles er-

zählen könnten? Momo würde staunen.

Kamen Filmdelegationen in den Bezirk, ka-

men sie vor oder nach der Premiere vielköpfig

hier an und äußerten sich im Bühnengespräch

oder dem „Freien Forum“ publikumswirksam

über Biografisches und Filmisches, wie es heute

in allen Kanälen und Rubriken inf lationär

Manfred Krug gehörte zu den Stammgästen auf derFreilichtbühne. (Archiv Freie Presse)

Damals ganz modern: Ein Beleuch-tungsturm für Verfolgerscheinwerfer, ca. 1975. ( Schenkung Klier)

Die Sommerfilmtage in der DDR bescher-ten der Küchwaldbühne den größten Besucherzulauf. (Addi Jacobi)

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üblich ist. Damals war es hier rar, neu und begehrt,

in der richtigen Dosis, Applaus gab es auch für die

Vorprogramme, etwa bei Roland Oehmes Film „Wie

füttert man einen Esel?“, zu dem auch Manfred Krug

herrlich vor der Leinwand (jaja, Bildwand ist korrekt)

sang und schwadronierte, oder bei „Heißer Sommer“

mit Chris und Frank, an Werner Lierck erinnere ich

mich, an Gojko, Milan Beli, Regisseur Dr. Gottfried

Kolditz, Konrad Petzold („Die Hosen des Ritters

von Bredow“) – wir waren alle herrlich jung, die

Kinder klein, die Liebe frisch – unvergessliche Küch-

waldstunden. Günter Fischer kam und Klaus Lenz

frühzeitig. 1976 gab es auch eine Uraufführung mit

allem Drum und Dran: „Im Staub der Sterne“ mit

Jana Brejchova und Regisseur Gottfried Kolditz –

alle, alle waren jung! Momo lernt das noch. Momo

kann retten!

1965 gab es draußen auf der großen Wiesen-

bühne „Zu Gast im Klub“, denn es war die Zeit

der 800-Jahrfeier. Im Zeichen des Stadtwohls sang

Kammersänger Konrad Rupf die van-Bett-Arie („Das

Wohl der Stadt bringt mich noch um“), anstelle von

„Oh, 5000 Taler“ war von „800 Jahren“ die Rede und

Rupf stand mit Allonge-Perücke im vollen Kostüm

in der Nachmittagssonne. Dann gehörte Jahr um

Jahr die Ziehung der Gewinne der Pressefest-Lotterie

zu meinen Aufgaben, es ging um zwei „Trabant“

(oder um einen?), alle wollten gewinnen, aber im

Publikum saßen wohl stets nur Nieten-Besitzer. Als

diese Ziehungsveranstaltung mal im Amphithea-

ter-Halbrund angesetzt war – stets mussten sieben

Zahlen unter Aufsicht des „Staatlichen Notariats

der DDR“ (Lohstraße) gezogen werden – haben wir

zwei Zwillingspärchen und drei Damen als Drillinge

für den Griff in die Säckchen eingeladen. Jedes Mal

anders – das galt als Rezept. Fürs Publikum wa-

ren ein paar Päckchen „Papierkleider“ (Modedruck

Gera) herangefahren worden – allezeit also „Stadt

der Moderne“. Die gingen ab wie warme Semmeln.

Für mich tauchen viele alte Freunde auf, die für

diese Küchwaldfreilichtbühne aus meiner Sicht dicke

Lorbeeren verdient haben. Zuoberst die Kinotech-

niker Joachim Kühn, ein Ingenieur aus Görlitz, den

ein Kaderentscheid Hans Rodenbergs nach dem

Babelsberger Studium in unseren Industriebezirk

gebracht hatte; Heinz Ostmann von VEB Kinotech-

nik in der Elisenstraße und Günther Richter aus

der Bezirks-Elite der Filmvorführer mit Siegfried

Tippmann an der Spitze. Hier bauten sie Jahr um

Jahr die Riesenbildwand von über 430 Quadratme-

tern auf und ab (eine Ostmann-Rollbildwand), hier

schalteten sie die großen 70-mm-Projektoren im

Bildwerferraum, hier kannten sie jede Leitung und

vielleicht auch manchen Vogel im Revier. Roland

Hühnerfürst, den Architekten, kann man noch im

Die 480 Quadratmeter große Leinwand gehörte zu den größten in Europa. (Foto aus den Jahren 1967/68; Schenkung Klier)

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Stadtzentrum mit einigen seiner Bauten entdecken, etwa das Agricola-

Haus in der Inneren Klosterstraße.

Rundblick in die Baumwipfel. Zeit tickt hörbar aus dem Metronom.

Tot ist tot, gestern bleibt gestern. Hinter den Kulissen brodelt offenbar

die Premierenluft der jungen Leute. Der alte Mann sieht im Orches-

tergraben und aus dem Rückblickspiegel das Arbeitersinfonieorches-

ter aus Riesa, es ist 1960, gleich tritt Robert Trösch mit dem Prolog

von Hasso Grabner ins Bühnenzentrum (später darf ich für Trösch

dieses Poem auf unseren Tourneen sprechen) und unsere Chöre (das

Florian-Geyer-Ensemble Karl-Marx-Stadt und der Chor des Stahl- und

Walzwerks Riesa) werden an diesem Eröffnungsabend 1960 auch von

Oldrich Bohunowski aus der ČSSR dirigiert. Es sind alles neue Texte

und Kompositionen, denn es handelt sich um das von der IG Metall

ausgerichtete Eröffnungsprogramm. Es geht auch um den Wettstreit,

um den schönsten Beruf und um eine Brigadehochzeit, eine kurzlebige

Erfindung, die damals aber Konjunktur hat. Willi Hinzert hat eine

Choreografie für die Riesaer geschrieben. Erinnerungen. „Wiegt euch,

Fahnen des Arbeitersieges im Wind“ heißt ein neuer Chorsatz und die

Frage nach dem schönsten Beruf, das fällt mir auch noch ein, wurde in

Ein typisches Bild aus dem Küchwald - viele Besucher bei einer Festveran-staltung - vor 1965, denn es war noch eine kleinere Bildwand aufgebaut. (Freie Presse Archiv)

Die Bühne in ihrer Glanzzeit in den 1960er Jahren. (Freie Presse Archiv)

Heinz Quermann war einer der belieb-testen Entertainer in der DDR. Er ließsich auch einen Auftritt im Küchwald nicht entgehen. (Freie Presse Archiv)

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einem Rundgesang unzweifelhaft beantwortet: „Das

sind die Metallarbeiter. Kluge Köpfe. Und f linke

Hände. Sie treiben den Gang der Dinge weiter zum

guten Ende.“ Mein Gott, was da so alles im Kleinhirn

gespeichert ist. Vielleicht habe ich noch irgendwo das

alte Programmheft mit allen Texten? Leo Spieß hat

das „Chorlied vom Wissen“ beigesteuert. Das habe ich

noch im Ohr. Vielleicht auch, weil mir die Aufgabe

zugefallen war, den Komponisten und Dirigenten

aus Felsensteins komischer Oper beim Küchwald-

spaziergang nicht allein zu lassen. Ehrenbegleiter.

Ich hab‘ mir Mühe gegeben.

Rolf Esche kommt zur Begrüßung und will schnell

wissen, wo denn genau mein Platz auf dem Turm

gewesen sei? Mittel-Balkon, weiß ich genau: Über

mir die Scheinwerfer, unter mir die Stellwarte, un-

sere „Ela“ in der Mitte – „Aber nur während dieser

Woche Sommerfilmtage.“ Es muss noch ein paar

Fotos geben…

Die schönste Bagatelle aus dieser Zeit? Da war

der Gedanke aufgekommen, eine Publikumsbe-

fragung nach dem tollsten Film im Programm der

Sommerfilmtage zu starten, und gedacht war, dass

der Bezirksfilmdirektor, ein erfahrener Mann der

Massenmobilisierung, dem Sieger diesen Karl-Marx-

Städter Extrapreis übergibt, überbringt, feierlich

zustellt. Just hieß im nämlichen Jahrgang der BRD-

Beitrag „Das Haus in Montevideo“, die Köstlichkeit

von Curt Goetz und mit der Paraderolle für Heinz

Rühmann. Keine Frage, für diesen Film entschied

sich unser Publikum haushoch. Der Preis kam nie vor

Rühmanns Augen: Bis zum Konkurs der DDR blieb

die Trophäe in der Direktionsvitrine. Der Reisepass

fehlte. Und der Reiseauftrag. Vielleicht wurde der

auch gar nicht beantragt.

Momo. Es ist, als trete man in einen Dom ein.

Fast kreisrund umragen die verbliebenen Stämme,

Kronen und Wipfel die ebene Bühnenfläche mit

dem freigelegten Bühnengraben und den wenigen

baumlosen Traversen hügelan, darüber der noch son-

nenhelle Himmel und dahinter, fast nur als Schemen,

ragt eine Turmkontur himmelwärts. Eine poetische

Situation. Überall Geschichte. Überall Zukunft.

Nach der Schließung der Bühne: Relikte aus dem Beleuch-tungsturm, 1998. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)

2010 werden Bühne und Orchestergraben wieder freige-legt. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)

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Chronik

Einer muss den Anfang machen: In der Zeit, in der Chemnitz seinen größten wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, nahmen auch die Grünanlagen der Stadt Gestalt an.

Vom Wald zum ParkDer Küchwald – kleiner historischer Abriss

Der Küchwaldpark, nördlich des Stadtzentrums von Chemnitz ge-

legen, ist eine etwa 100 Hektar große historische, denkmalgeschützte

Parkanlage mit größtenteils waldartigem Charakter.

Die Geschichte des Küchwaldparks ist eng mit dem Namen Otto

Werner verbunden. Er war nicht nur der erste Stadtgartendirektor von

Chemnitz, mit ihm begann auch die Entwicklung und Umgestaltung der

städtischen Grünanlagen. Die ersten Vorhaben, die im Zusammenhang

mit der Umwandlung des Küchwaldes in einen Waldpark erwähnt wer-

den, sind die Planierung einer 30.000 Quadratmeter Fläche 1888 (später

Festplatz mit Gastronomie) und der Neubau einer Umfahrungsstraße

1899. Die Erdarbeiten an dieser, als Reit-, Fuß-, und Radfahrweg ge-

planten Straße zwischen Leipziger Straße und projektierter Ringstraße

(der heutige im Park gelegene Teil des Küchwaldrings) konnten bis 1901

abgeschlossen werden. Im gleichen Jahr begannen erste Arbeiten an

der Cottaschneise, die 1905 beendet wurden. 1903 bis 1908 wurden

Blick zurück: Fest- und Spielplatz im Küchwald mit erster Wirtschaft. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)

1136Gründung des Benediktinerklosters St. Marien

1885Erwerb des Küchwaldes durch die Stadt Chemnitz

1888Der Küchwaldpark nördlich des Stadtzen-trums ist eine ca. 100 ha große historische, denkmalgeschützte Parkanlage.

Planierung einer 30.000 m² großen Fläche.

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die Lawn-Tennisplätze gebaut. Um dem Besucher-

zuwachs gerecht zu werden, wurde der Festplatz

auf 40.000 Quadratmeter erweitert und 1909 die

Küchwaldschänke eingeweiht. 1915 konnte man

den planmäßigen Abschluss der Umgestaltung zum

Waldpark vermelden. 1918 wurden, der Not gehor-

chend, auf einer Fläche von 60.000 Quadratmetern

Gemüse und Kartoffeln angebaut. 1921 begannen

Die Küchwaldschänke 1909. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)

14

Chronik

Arbeitersportler mit dem Bau eines Vereinsheims. Zunächst nur ein

einfaches Holzgebäude, wurde es zwischen 1924 und 1928 durch einen

Massivbau ersetzt. Das heutige Schullandheim „Kinderland Küchwald“

erfuhr eine wechselvolle Geschichte. Ab 1933 gaben sich hier die viel-

fältigen Organisationen des NS-Staates die Klinke in die Hand: erst

SA, danach das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps, zuletzt die HJ.

In den 1940er Jahren erwarb die Stadt das Haus. Es diente bis Kriegs-

ende als Lazarett.

Nach Gründung der DDR übernahm die FDJ und später die Pionieror-

ganisation das Objekt, von 1951 bis zur Wende 1989 unter der Bezeich-

nung Station Junger Touristen „Junge Garde“. Nach einem Beschluss

der Stadtverordneten-Versammlung von 1952 wurde der Küchwald in

einen Kulturpark umgewandelt. Einiges wurde neu gebaut: 1953/54 die

Pioniereisenbahn, die noch heute als Parkeisenbahn ihre Runden dreht;

1955 bis 1963 entstand die Freilichtbühne. Sie bot 4500 Sitzplätze und

ermöglichte Theater-, Musik- und Filmveranstaltungen. 1964 wurde im

Rahmen des Pioniertreffens das Kosmonautenzentrum übergeben, bis

heute eine gute Adresse für Raumfahrt-Interessenten. 1965 konnte die

Eissporthalle mit einer Kapazität für 5000 Zuschauer eröffnet werden.

1973 kam noch eine Eisschnelllaufbahn hinzu. In den 1990er Jahren

erhielt die Parkeisenbahn zwei zusätzliche Haltepunkte sowie eine Lok-/

Wagen-Halle und eine Modellbahnanlage in Parkbahn-Version. C. K.

1899

Neubau einer Umfahrungsstraße (heute Küchwaldring)

Um 1900

Die Erdarbeiten an dieser als Reit-, Fuß-, und Radfahrweg geplanten Straße zwi-schen Leipziger Straße und projektierter Ringstraße (der heutige im Park gelegene Teil des Küchwaldrings) werden bis 1901 abgeschlossen. Im gleichen Jahr beginnen erste Arbeiten an der Cottaschneise.

Otto Werner erhält von der Stadt den Auf-trag zur Umgestaltung des Küchwalds zum Volks- und Waldpark

15

Vom Lebenswerk des Ernst Hugo Otto Werner

können die Chemnitzerinnen und Chemnitzer bis

heute zehren: In der Amtszeit des obersten Gärtners

der Stadt wurden deren Grünflächen von zwölf auf

210 Hektar erweitert.

Die Lebensleistung Werners war aber nicht nur

quantitativer Natur. Seine Aufgabe sah er vor allem

in der Schaffung von Schmuckplätzen und Parkan-

lagen mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten. Der

Küchwaldpark gilt als exemplarisches Beispiel für

sein Bestreben, die Stadt zu begrünen.

Otto Werner wurde am 17. März 1854 im damals

schlesischen Freiburg/Kreis Schweidnitz (heute

Swiebodzice/Swidnica in Polen) geboren. Seine

Ausbildung als Kunstgärtner absolvierte er 1868

bis 1871 im Schlossgarten von Fürstenstein, nahe

seines Geburtsortes Freiburg. Nach einer Tätig-

keit im Botanischen Garten Berlin-Schöneberg und

der Einberufung zum Militärdienst wurde er 1876

an den Großen Garten in Dresden berufen. Nach

sechsjähriger Arbeit in Elbflorenz, inzwischen zum

Obergärtner avanciert, bot sich 1882 per Stellenaus-

schreibung ein neue berufliche Herausforderung an.

In Chemitz war die Stadtgärtnerstelle vakant.

Werner bewarb sich neben weiteren 110 Interessenten

und wurde angenommen.

Der Wilhelmplatz (heute Wilhelm-Külz-Platz)

war 1882 das erste Objekt seiner Gestaltung von

Schmuckplätzen, wie es damals hieß. Zwölf weite-

re folgten bis 1899, darunter der Körner- und der

Luisenplatz, die mit ihren geometrisch-regelmäßigen

Grundrissen Werners Vorstellungen besonders gut

entsprachen. Der Küchwaldpark und der Stadtpark

sind jedoch die größten und vollkommensten Schöp-

fungen der Gartenarchitektur Otto Werners.

Seine Arbeit blieb nicht ohne Anerkennung – 1895

wird ihm der Titel eines Garteninspektors verliehen,

1900 wird er zum Gartendirektor ernannt.

Otto Werner starb am 7. März 1923. Der Wunsch in

„seinem“ Stadtpark (der ab 1934 Otto-Werner-Garten

hieß) beerdigt zu werden, ging nicht in Erfüllung.

Werner fand auf dem Schloßfriedhof seine letzte

Ruhestätte. Leider existiert das Grab nicht mehr. Es

hätte diese Inschrift verdient: „Grata quiescentem

cultorem arbusta loquuntur – Dankerfüllt loben Busch

und Wald ihren sanft ruhenden Hüter“. C. K.

Gartenbaumeister Otto Werner. (Städtische GrünanlagenChemnitz/Doris Schöpe, 2001)

Begrüner der StadtDer Chemnitzer Stadtgärtner Ernst Hugo Otto Werner (1854–1923)

16

Chronik

1903-1908Bau der Lawn-Tennisplätze.

Der Festplatz wird auf 40.000 m² erweitert.

1909Am 1. Weihnachtsfeiertag Einweihung der Küchwaldschänke. In Zeitungsinseraten wirbt der Wirt Oskar Hofmann:„Vorzügliches Konzert- und Gesellschafts-lokal, herrlicher Garten. Im Sommer Kon-zerte erster Chemnitzer Kapellen sowie vorzügliche Radioanlage. Kleiner Saal und Zimmer für Vereine und Gesellschafts-vergnügen.“

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entwickelte sich Chem-nitz rasant. Das ließ sich sogar an der Gastronomie ablesen.

Ein vorzügliches LokalGastronomie im Küchwald

Nachdem 1888 ein 30.000 Quadratmeter großer Festplatz als Turn-

gelegenheit für die Jugend angelegt worden war, konnte man dort

bereits kurze Zeit später eine „Wirtschaft zum Küchwald“ besuchen.

Die Einkehrstätte von Feodor Sachse, eine einfache Holzkonstruktion

in der Mitte des Festplatzes, musste wiederum nach wenigen Jahren

einem größeren Objekt weichen. Unter der Oberbauleitung von Stadt-

baurat Möbius entstand nach Entwürfen von Stadtbaumeister Eckardt

die Küchwaldschänke. Sie befand sich am Rande des inzwischen auf

40.000 Quadratmeter erweiterten Festplatzes nach Nordwesten. Das

Gebäude war 72 Meter lang und wurde von einem hohen Mittelbau

und einem halbrunden Terrassenvorbau dominiert. Im vorderen Teil

befand sich ein hallenartiger, geräumiger Gastraum und dahinter

schlossen sich die Wirtschaftsräume und die Wohnung des Wirts an.

Der großzügige Gastraum der alten Küchwaldschänke. (Archiv Verein Küchwald-bühne e. V.)

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Luftbild des Areals um die Küchwaldschänke, ca. 1915. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)

Vom Mittelbau verliefen nach links und rechts Ve-

randen, die in einem kleinen Pavillon endeten. Mit

Zentralheizung und elektrischem Licht ausgestattet,

war die Küchwaldschänke bereits sehr komfortabel

und modern. Am ersten Weihnachtsfeiertag 1909

wurde sie eingeweiht.

In Zeitungsinseraten warb der Wirt Oskar Hof-

mann mit blumigen Worten: „Vorzügliches Kon-

zert- und Gesellschaftslokal, herrlicher Garten.

Im Sommer Konzerte erster Chemnitzer Kapellen

sowie vorzügliche Radioanlage. Kleiner Saal und

Zimmer für Vereine und Gesellschaftsvergnügen.“

Falls man derartigen Angeboten geneigt war,

konnte man sich mit Herrn Hofmann sogar tele-

fonisch unter der Nummer 31020 in Verbindung

setzen.

Auch der Küchwald und die Küchwaldschän-

ke blieben vom Bombardement auf Chemnitz am

5. März 1945 nicht verschont. Reste des Gebäudes

bzw. Fundaments wurden später in den Neubau

der Freilichtbühne integriert. C. K.

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Werbung für die Lokalitäten im Küchwald, die sich bei den Chemnitzerinnen und Chemnitzern großer Beliebtheiterfreuten. (Archiv Verein Küchwaldbühne e. V.)

20

Chronik

1956 war es so weit: Das gerade umbenannte Chemnitz, nun also Karl-Marx-Stadt, sollte einen Kulturpark bekommen. Fleißige Hel-ferinnen und Helfer waren gefragt.

Bau auf, bau auf… die KüchwaldbühneMehr als 32.000 Menschen leisten Arbeitsstunden

Die Freilichtbühne, die heute die Stirnseite des Festplatzes an der

Stelle der ehemaligen Küchwaldschänke einnimmt, entstand als ein

Objekt des Nationalen Aufbauwerkes (NAW). Das NAW, 1951 durch

das Zentralkomitee der SED mit dem Ziel begründet, Berlin von seinen

großen Trümmerbergen zu befreien sowie Baumaterial zu gewinnen,

wurde später auf die gesamte DDR ausgeweitet. Die Nationale Front,

ein Zusammenschluss der zugelassenen Parteien, leitete die unbezahl-

te Arbeit, die der Realisierung von Projekten im gemeinschaftlichen

Interesse dienen sollten.

Diese so genannten Aufbaustunden wurden mit Klebemarken in

einer „Einsatzkarte“ dokumentiert. Für eine größere Anzahl geleisteter

Arbeitsstunden wurde eine Anstecknadel verliehen.

Da die finanziellen Mittel auch für NAW-Projekte nicht immer in

ausreichender Höhe vorhanden waren, konnte die Freilichtbühne nur

in Teilen vollendet werden. So verzichtete man auf ein Bühnengebäude

mit den Umkleide-, Verwaltungs- und Aufenthaltsräumen sowie auf

den Turm an der rechten seite des Eingangs.

1956 geplant, konnte die Freilichtbühne durch freiwillige Arbeits-

leistungen im Wert von 1,8 Millionen Mark, das waren 126.167 NAW-

Stunden von 32 400 Menschen, gebaut werden. Sie wurde anlässlich der

2. Arbeiterfestspiele 1960 übergeben, war aber erst 1963 vollendet. K. E.

1915Planmäßiger Abschluss der Umgestal-tung des Küchwalds zum Park.

1918Nach dem Ersten Weltkrieg werden im Küchwald auf einer Fläche von 60.000 m² Gemüse und Kartoffeln angebaut.

1921Arbeitersportler beginnen mit dem Bau eines Vereinsheims. Zunächst war es ein einfaches Holzgebäude, zwischen 1924 und 1928 wird es durch einen Massivbau ersetzt.

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Tausende Bürgerinnen und Bürger halfen im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes beim Bau der Freilichtbühneim Küchwald. Hier werden, etwa 1960, die Traversen aufgeschüttet. (Archiv Axel Hühnerfürst)

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Chronik

1933

Das heutige Schullandheim „Kinderland Küchwald“ hat eine wechselvolle Ge-schichte. Ab 1933 gaben sich hier mehrere Organisationen des nationalsozialistischen Staates die Klinke in die Hand: die SA, danach das Nationalsozialistische Kraft-fahrkorps (NSKK), zuletzt die HJ. Nach 1940 erwarb die Stadt das Objekt. Es diente bis Kriegsende als Lazarett.

5. März 1945

Chemnitz wird bombardiert, auch der Küchwald ist betroffen. Die Küchwald-schänke wird zerstört.

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Tausende freiwillige Arbeitsstunden wurden geleistet. Vermutlich 1959 war der Rohbau des linken Flügels mit demTurm fertig (rechts oben), und auch der Publikumsbereich nahm Gestalt an. (Archiv Freie Presse)