20
Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege e.V. Türen auf für starke Partner Demenzkompetente Betreuung und Pflege zu Hause – Beispiele aus der diakonischen Praxis

Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

  • Upload
    buithu

  • View
    217

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

Deutscher Evangelischer Verbandfür Altenarbeit und Pflege e.V.

Türen auf für starke PartnerDemenzkompetente Betreuung und Pflege zu Hause – Beispiele aus der diakonischen Praxis

Page 2: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

2

Wie man hier die Balance herstellt?Am besten mit Spezialistentum, Verantwortung und Verlässlichkeit.Durch aussagefähige Berichte bieten wir eine professionelle Betreuung, die Sicherheit bietet. Das Gleichgewicht zwischen Versorgungsleistung und Wirtschaftlichkeit behalten wir dabei im Auge. Dafür stehen wir mit unseren Werten – als eine der führenden Prüfungs- und Beratungs-gesellschaften für das Gesundheits- und Sozialwesen sowie den öffentlichen Sektor.

Wir geben Balance.Mit Wirtschaftsprüfung, Steuer-, Rechts- und Prüfungsnaher Beratung.Mehr unter curacon.de

CUR_10611_14_AZ_alleMotive_A4_Hoch_3mmBe_4c_dawi.indd 2 20.01.15 13:38

Page 3: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

3

Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen vorbereitet. Uns war durchaus klar, dass wir mit seiner Be-antwortung und dazu mit der Bitte um Arbeitsergebnisse, Artikel, Präsentationen und Referenzen sowohl Pflegedienstleitern als auch Fachkräften einiges an Bürokratie, Dokumentation und damit an Zeit abverlangten. Aber wir wollten die kompetente und engagierte Arbeit der ambulanten Dienste exemplarisch im Rahmen der Diakonie würdigen, ihre ungewöhnlichen Ideen und besonderen Erfah-rungen herausstellen und auch die Kraft der Nächstenliebe spürbar werden lassen, ohne die eine gute Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz nicht gelingen kann.

Gemeinsam mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft lobte der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege deshalb gesponsert von der CURACON Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und der Bank für Sozialwirtschaft (BfS) in 2014 erstmals einen Preis aus: Der beste diakonische de-menzkompetente Pflegedienst sollten gefunden werden.

Als die zahlreichen Einsendungen auf unseren Tischen lagen, erkannten wir: Die vorgestellten Kon-zepte, das große Fachwissen, der liebevolle Einsatz im Dienste der Kranken, durchdachte Netzwer-karbeit, ehrenamtliches Engagement – vor allem aber auch die vielen spannenden Projekte, die sich in den Unterlagen fanden, würden eine Auswahl außerordentlich schwer machen. So möchten wir uns hier zuallererst für die geleistete Arbeit und natürlich für die rege und durchdachte Teilnahme so vieler Pflegedienste bedanken.

In einem Wettbewerb kann nicht jeder Preisträger sein, aber viele können von ihm profitieren. In unserem Fall sind das zum einen Pflegedienste auf der Suche nach neuen Konzepten, Problemlö-sungen und damit nach Gesprächspartnern. Zum anderen aber auch pflegende Angehörige, die auf diese Weise erfahren, was alles möglich ist und welch starke Partner ihnen zur Seite stehen können.

So entstand die Idee zu dieser Broschüre. Sie stellt einige der spannendsten Projekte vor und möchte mit einer Checkliste bei der Suche nach einem demenzkompetenten Pflegedienst Hilfestellung bieten.

Imme LanzGeschäftsführerin des DEVAP

Grußwort

Sabine JansenGeschäftsführerinder Deutschen Alzheimer Gesellschaft

Page 4: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

4

Rund 1,5 Millionen Menschen sind bereits heute betroffen. Und Jahr für Jahr kommen etwa 40 000 Neuerkrankte hinzu. Gelingt nicht bald ein Durch-bruch in Prävention und Therapie, wird sich die Zahl der Erkrankten bis 2050 verdoppeln, warnt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft1). Denn mit zunehmender Lebenserwartung steigt das Krank-heitsrisiko: Die allermeisten Betroffenen sind über 80 Jahre alt.

Unsere Gesellschaft steht vor einer gewaltigen Herausforderung - vor allem jedoch die Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Zwei Drittel von ih-nen leben nämlich in ihrer häuslichen Umgebung – und möchten auch dort bleiben. Bei entspre-chender Hilfe und Unterstützung ist das sehr lan-ge möglich. Menschen mit Demenz sind ja nicht selten über viele Jahre hinweg weder körperlich pflegebedürftig, noch bettlägerig. Sie haben Fä-higkeiten und Kompetenzen, sie sind mobil und wollen ihre eigenen Entscheidungen treffen, so lange dies möglich ist.

Aber die unterstützende Begleitung wandelt sich nach und nach in einen „Rund-um-die-Uhr-Dienst“. Sie fordert pflegenden und betreuenden Angehörigen schließlich alles an Organisationsta-lent, physischer und psychischer Kraft und auch an Zeit ab. Wer sich nicht früh starke Partner sucht, gelangt nicht nur an seine Kraftgrenze, sondern läuft Gefahr zu vereinsamen.

„Nicht wenige, die zu uns kommen, können einfach nicht mehr“, bedauert Nadine Hepp, So-zialarbeiterin in der Diakoniestation Haiger. Der Pflegedienstleister mit Demenzkompetenz gehört zu jenen, die ihre Angebote im Rahmen unseres Wettbewerbes vorstellten: Information, Beratung und Schulung von pflegenden Angehörigen neh-men dabei einen zentralen Platz ein.

Der Deutsche Evangelische Verband für Alten-hilfe und Pflege steht mit seiner jahrzehntelangen Arbeit in der großen Tradition der Diakonischen Altenhilfe. Unter seinem Dach arbeiten unter an-derem über 1400 ambulante und sozialpflegeri-

sche Dienste nach neuestem gerontopsychiatri-schem und altenpflegerischem Wissenstand. Zu dem gehört die Erkenntnis, dass sich Pflege und Betreuung daheim längst nicht mehr auf den ein-zelnen Haushalt begrenzen lässt. Die Situation in vielen Familien erfordert es, tragfähige Netze in den Quartieren ringsum zu knüpfen. Sie müssen der Tochter oder dem Sohn, der Ehefrau oder dem Lebenspartner einen Teil der Bürde abnehmen – und sie vor Isolation bewahren.

„Keiner darf einen sozialen Tod sterben“, bringt es Norbert Schmelter, Geschäftsführer des Rends-burger Pflegedienstunternehmens LebensNah auf dem Punkt. „Wir brauchen mehr Menschen, die es vermögen, Brücken zu schlagen.“ Zu pflegen-den Angehörigen – aber eben auch zu Nachbarn, medizinischen und Verwaltungseinrichtungen, zu Feuerwehr, Polizei, zu Schulen und Kultureinrich-tungen.

Pflegedienste mit Demenzkompetenz können nicht nur starke Partner in der Häuslichkeit sein, sie gehören zu jenen Kräften, die das Thema De-menz mehr und mehr vom Rand in die Mitte un-serer Gesellschaft rücken.

Einleitung

Demenz – eine Krankheit auf dem Vormarsch.

„Wir müssen uns klar machen, dass hinter diesen Zahlen mensch-liche Schicksale stehen. Das Leben jedes einzel-nen Betroffenen und das seiner Familie wird durch eine Demenz- erkrankung aus der Bahn geworfen. Jeden Tag werden es 100 Menschen mehr, und das auf Jahr-zehnte, denn ein wirksa-mes Gegenmittel ist der-zeit nicht in Sicht.“

Heike von Lützau-Hohlbein, Erste Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft

Von „Demenz“ spricht man, wenn lang anhal-tende Störungen des Gedächtnisses, der räum-lichen und zeitlichen Orientierung, mitunter des logischen Denkens und der Sprache auftreten. Dabei geht Alltagskompetenz verloren.Bei etwa 60 Prozent der Betroffenen ist Morbus Alzheimer die Ursache. Sie führt dazu, dass im Gehirn allmählich Nervenzellen und Nervenzell-kontakte absterben.

i

1) Neuberechnung i. A. der Deutschen Alzheimer Gesellschaft von Dr. Horst Bickel, TU München

Page 5: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

5

Wann sind Sie zum ersten Mal mit dem Thema „Demenz“ in Berührung gekommen?

P. Sch.: Bei meinen Großeltern; ich war da-mals vielleicht acht Jahre alt. Beide kamen in ein Altersheim und ich werde diesen Geruch dort nie vergessen. Außerdem waren meine Großeltern getrennt untergebracht. – Als vierzig Jahre spä-ter mein Vater erst an Parkinson und dann an Demenz erkrankte, pflegte meine Mutter ihn zu Hause. – Sie hatte sich schon um ihre Schwie-gereltern gekümmert, dann um ihren Vater! Aber es sind ja bis heute meist Frauen, die solche Last auf ihren Schultern tragen.

Wie haben Sie die Erkrankung Ihres Vaters erlebt?

P. Sch.: Ganz ehrlich – aus der Ferne. Ihm fie-len schon frühzeitig viele Worte nicht mehr ein und das machte ihn unheimlich wütend. Schließlich hörte er auf, mit uns zu kommunizieren. Nur mit seinen kleinen Urenkeln hatte er keine Probleme, da war er ganz gelassen. Auf irgendeine Art fan-den die einen Zugang zu ihm und konnten ihm ein Lächeln entlocken. Wir haben immer wieder versucht, ihn in unsere Welt zurückzuholen. Ein großer Fehler! Wir hätten uns bemühen müssen, in seine Welt zu gelangen; das hätte uns allen viel Kummer erspart. Aber da waren eben auch bei uns viele Fragezeichen …

Sie haben erst ein Lied und dann ein Mu-sik-Video daraus gemacht: „Fragezeichen“. Und sich dem Thema Demenz damit ganz offensiv gestellt.

P. Sch.: Ich wollte die Angst und Verzweiflung zeigen, die wohl jeder empfindet, der erste Anzei-chen einer Demenz an sich bemerkt. Die Reak-tionen auf das Video sind noch immer sehr be-rührend. Es zeigt mir, dass Demenz viel mehr zu einem öffentlichen Thema gemacht werden muss.

Aber es liefen doch nie so viele Filme, wur-den nie so viele Bücher darüber geschrie-ben wie heute …

P. Sch.: In den letzten Jahren ist schon einiges passiert. Und Demenz ist ja auch immer mal wie-der Thema in Talkshows. Wenn´s Quoten bringt! Aber als ich vor drei Jahren mit „Fragezeichen“ durch die Rundfunkanstalten reiste, um den Song vorzustellen, hörte ich oft, man könne es nicht im Radio spielen. Das Thema sei nun wirklich nicht „sexy“. Das bringt mich auf die Palme!

Aber allein mit einer öffentlichen Debatte wird sich ein Kurswechsel nicht erreichen lassen.

P. Sch.: Klar, es müssen politische Entschei-dungen fallen und wir brauchen einen Paradig-menwechsel. Vor allem aber brauchen wir Zeit und Liebe für die Betroffenen. Und klar ist auch: Gäbe es nicht so viel Ehrenamtliche, liefe an vielen Stellen gar nichts. Ich sehe das an unserem kleinen Z.E.I.T.-Café in meinem Nachbarort Frechen. Eine Einrichtung, wo sich Freiwillige um Menschen küm-mern, die betreut werden müssen. Sie gehen mit ihnen spazieren, fahren sogar auf Konzerte! Dafür gibt es ein ganzes Netz von Unterstützern. – Was wir wirklich brauchen, sind Netzwerke.

Wenn ich mir die Ergebnisse dieses Wettbe-werbs ansehe, hab ich schon die Hoffnung, dass begonnen worden ist, an ihnen zu stricken.

Da waren Fragezeichen

Im Gespräch mit Purple Schulz, Sänger, Jury-Mitglied im Wettbewerb

Der deutsche Sänger und Songschreiber Rüdiger „Pur-ple“ Schulz wurde mit Sehn-sucht und Verliebte Jungs in den 1980ern bekannt. Neben seinen Konzerten und Alben engagiert er sich für das Thema Demenz. 2012 drehte er das Musik-Video Fragezeichen, in dem er in die Rolle eines Er-krankten schlüpft.

Bild: © Bettina Koch

Page 6: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

6

„Die Hemmschwelle, fremde Hilfe in der Familie zuzulassen, ist mit den Jahren deutlich niedriger geworden. Wer einmal die gute, zuverlässige Arbeit unserer Ehrenamtlichen erlebt hat, schätzt sie als Partner. – Für Menschen mit Demenz, aber auch für ihre pflegenden Angehörigen.“

Ute HopperdietzelDiplom-Sozialpädagogin

6

Page 7: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

7

Was brauchen Menschen mit Demenz, damit sie lange in ihrem gewohnten Zuhause leben können? Wie bleiben Begleitung und Pflege für ihre Angehörigen erträglich und machbar?

In der Diakoniestation der Rummelsberger fan-den die Diplom-Sozialpädagogin (FH) Ute Hop-perdietzel und ihre Kolleginnen und Kollegen vor zehn Jahren dafür diese Antworten:

• Rummelsberger organisieren für Menschen Entlastung vor Ort. (ROMEO)

• Jederzeit Unterstützung für das Leben im Alltag. (JULIA)

Heute kümmern sich 160 ehrenamtliche Hel-ferinnen und Helfer um Nachbarn aber zumeist um zunächst völlig Fremde. 55 von ihnen haben eine Schulung nach den Vorgaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft1) durchlaufen.

Sie alle entlasten pflegende Angehörige, ver-schaffen ihnen Atempausen und Freiräume. Sie betreuen die Kranken stundenweise, gehen mit ihnen spazieren oder begleiten sie zu einem Arzt-besuch. Zudem sind sie Stützen in einem immer schwieriger zu bewältigenden Alltag. Da muss bei-spielsweise eingekauft, die Hausordnung gemacht, der Streifen vorm Haus von Unkraut gesäubert, die schwere Mülltonne an die Straße gestellt und im Winter Schnee geschoben werden.

„Wir leben in einer Region, aus der viele junge Leute fortziehen, sich Familiennetzwer-ke auflösen“, sagt Ute Hopperdietzel. Als sie mit ROMEO und JULIA starteten, setzten die Rum-melsberger Anzeigen in lokale Zeitungen und war-ben auch mit der Aufwandsentschädigung, die geschulten ehrenamtlichen Kräften gezahlt werden kann. Auf Anhieb meldeten sich viele Interessier-te: Einige hatten selbst Pflegeerfahrung, andere suchten nach einer Überbrückung während einer Arbeitslosigkeit und manche wollten als Rentner nicht nur daheim sitzen.

Eine Fachstelle für pflegende Angehörige ko-ordiniert ihre ehrenamtliche Arbeit, die Helferinnen und Helfer tauschen sich regelmäßig mit professio-nellen Pflegekräften aus und werden beraten. Und immer wieder muss um neue Helfer geworben werden. Das ginge nur mit viel Öffentlichkeitsar-beit und vor allem in persönlichen Gesprächen, so Ute Hopperdietzel. Dabei denken die Rummels-berger auch schon an die Ehrenamtlichen von morgen: Mit ihren Projekten „Sonnenstrahl“ und „Ventus“ bringen sie Schülern und Jugendlichen ihre Arbeit nahe.

Zur Bilanz nach zehn Jahren aktiver und offen-siver Arbeit gehört: Demenz ist in der Region kein so großes Tabuthema mehr, erzählt Ute Hopper-dietzel. Während einer Aktionswoche konnte sogar eine Fotoausstellung eröffnet werden, in der viele ihren Alltag mit dementen Angehörigen in Bildern zeigten. Das, so die Sozialpädagogin, wäre früher undenkbar gewesen.

www.altenhilfe-rummelsberg.de

Demenzkompetente häusliche Pflege erfordert:Gutes Personal- und Ehrenamtsmanagement

ROMEO und JULIA Projekte der Diakoniestation der Rummelsberger

Nach einer Umfrage von Infra- test im Jahr 2002 leisteten An-gehörige bei Pflege und Be-treuung eines demenzkranken Familienmitgliedes im Durch-schnitt 36,6 Wochenstunden – ohne Freizeitausgleich.Über die Hälfte der Pflegenden (64 Prozent) gaben an, dass sie keine ungestörte Nachtruhe haben. (Kompetenzzentrum Demenz)

i

1) siehe auch: Band 4 Praxisreihe der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. „Helferinnen in der häuslichen Betreuung von Demenzkranken“

Page 8: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

8

„Nicht nur für Menschen mit Demenz“, heißt es ausdrücklich in der Zeitungsankündigung. „Mit Köpfchen“ soll es durch den Stadtgarten gehen. Ein Spaziergang über ca. 800 Meter, der rund 75 Minuten lang Sinneswahrnehmungen, Konzent-ration und Aufmerksamkeit mit leichten Bewe-gungsübungen an frischer Luft kombiniert: Brain Walken. Seit November 2013 steht dieses An-gebot im Programmkalender der Diakoniestation Recklinghausen.

„Hier wird nicht etwa Wissen abgefragt und es geht nicht um Perfektion“, betont die Dip-lom-Sozialpädagogin Grit Ohler. Zwar sollen Wort- und Ratespiele der Gedächtnistrainerin die Bildung neuer Nervenzellen anregen: „Das ist ja lebenslang möglich“, so Grit Ohler. Aber vor allem ist es auch ein Erlebnis, das Menschen mit und ohne Demenz zusammenbringt.

Egal wie das Wetter ist – am monatlichen Brain-Walk nehmen neben Erkrankten und ihren pflegen-den Angehörigen viele Seniorinnen und Senioren aus umliegenden Wohngebieten teil. Der Kontakt bei solch gemeinsamem Spaziergang baut Hemm-schwellen ab und mindert Berührungsängste.

Als Vermittler verstehen sich viele der Angebote, die auf dem Programm der Diakoniestation stehen. Dabei geht es vor allem auch um Lebensfreude und Spaß: „Turne bis zur Urne“ – unter dem hu-morvollen Motto werden Seniorinnen und Senioren ab 80 und Menschen mit Demenz gemeinsam zu einem Fitnessprogramm eingeladen. „Fit für 100“ lautet der korrekte Name des Kurses. Er wurde von Bewegungsgerontologen der Deutschen Spor-thochschule Köln entwickelt. Zwei Kolleginnen der Diakoniestation haben sich dort ausbilden lassen und ein Zertifikat erworben.

„Es geht auch hier nicht um Leistungen oder gar um Überforderung“, so Grit Ohler, Jede und jeder macht mit, soweit das möglich ist. Aber die Übungen mit leichten Hanteln und Fußman-schetten helfen Muskelgruppen zu kräftigen, die im Alltag dringend gebraucht werden. So lassen sich Schwäche und Stürze verhindern. Und die Nachfrage nach dem zweimal wöchentlich statt-findenden Kurs bestätigt: Von „Fit für 100“ wollen viele profitieren.

Die regelmäßigen Tanzveranstaltungen stehen dagegen ausschließlich für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen auf dem Plan. Auch hier ar-beitet eine ausgebildete Fachkraft, die es versteht, alle zur Musik in Bewegung zu bringen und jeden den Rhythmus spüren zu lassen. Selbst jene, die nicht mehr von ihrem Sitz aufstehen können.

„Impulsgeber wollen wir sein“, beschreibt es Grit Ohler. Nicht nur für Kranke, sondern auch für ein soziales Umfeld in Recklinghausen. Und damit für das Leben um alle Familien herum, die ihre kranken Angehörigen zu Hause pflegen und betreuen.

www.diakonie-recklinghausen.de

Demenzkompetente häusliche Pflege erfordert:Besondere Leistungsangebote

Brain-Walken, Fitness, Tanzen Angebote der Diakoniestation Recklinghausen

„Auch Menschen mit Demenz sind aktiv, wollen sich bewegen, Freude haben. Mit der Erkrankung ist ja schließ-lich das Leben nicht zu Ende.“

Grit OhlerDiplom-Sozialpädagogin

Page 9: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

9

Eine etwa 90 m2 große Wohnung im hessischen Haiger: Um den großen Tisch im Wohnzimmer sit-zen acht Frauen und Männer, Kaffee duftet, auf Tellern liegt selbstgebackener Kuchen. Alle haben sich begrüßt, von ihrer Woche erzählt – zumindest so gut das eben noch möglich ist.

„Als wir vor über zehn Jahren unser Projekt „Herbstsonne“ starteten,“, erzählt Nadine Hepp, Diplom-Sozialpädagogin der Diakoniestation Haiger, “ging es darum, Menschen mit Demenz, die zu Hause gepflegt werden, ein wenig Abwechslung und Anregung zu bieten. Vor allem aber auch die pflegenden Angehörigen zu entlasten.“ In-zwischen ist die Nachfrage so enorm gestiegen, dass es längst tägliche Gruppentreffen gibt; die Gäste werden mit einem Fahrdienst zu Hause ab-geholt und auch wieder zurückgebracht. Während sie gemeinsam Musik hören und singen, basteln und handarbeiten, leichte Bewegungsübungen oder auch Gesellschaftsspiele machen, haben Sohn oder Tochter, Ehefrau oder Lebenspartner Zeit für sich. Zeit, die sie dringend nötig haben: „Wer nicht re-gelmäßig vom Dauerpflege-Job entlastet wird, ist nach ein paar Jahren ausgebrannt“, sagt Nadine Hepp. Gliederschmerzen, Magen-Darm-beschwerden, Herz-Kreislauferkrankungen und Depressionen sind nicht selten die Folgen.

Das Betreuungsprojekt der Diakoniestation - in seiner Form einzigartig in Hessen - ist personell gut ausgestattet: mit einer Diplom-Sozialpädago-gin, drei gerontopsychiatrischen Fachkräften und ausschließlich examinierten Pflegefachkräften. Dazu kommt ein Team von ausgebildeten freiwilligen He-ferinnen und Helfern. Finanziert wird es zu einem großen Teil aus den gestiegenen Betreuungs- und Entlastungsleistungen (SGB XI, §45b-d), dennoch ist in so manchen Familien Überzeugungsarbeit zu leisten. „Angehörige können bei einem ersten Kennlern-Treffen dabei sein“, so Nadine Hepp. Und danach ist bisher noch jeder wiedergekommen.

Genau wie bei Angehörigentreffs und -schu-lungen, die die Diakoniestation regelmäßig durch-führt. Hier können sie sich austauschen, über ihre Probleme mit anderen Betroffenen reden. Aber sie lernen auch, ihren schweren Alltag zu meistern und den dementen Vater oder die Ehefrau richtig anzusprechen, ihre Gefühle besser zu verstehen und herausforderndem Verhalten zu begegnen. Nadine Hepp: „So helfen wir auch, Gewalt in der Pflege zu vermeiden.“

www.diakoniestation-haiger.de

Demenzkompetente häusliche Pflege erfordert:Entlastung pflegender Angehöriger

Herbstsonne Angebote der Diakoniestation Haiger

„Ihr werdet einen demenz- erkrankten Menschen nicht mehr ändern. Ihr müsst an Euch arbeiten.“

Nadine HeppDiplom-Sozialpädagogin

42 Prozent aller deutschen Pflegebedürftigen wurden 2014 einzig und allein durch zu Hause tätige Angehörige versorgt. Diese Angehörigen sind in aller Regel weiblich.

(Aus dem Bericht des statistischen Bundesamtes 2015)

i

Bilder: © Deisel

Page 10: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

10

Als die Ost-Berliner Großsiedlungen Marzahn und Hellersdorf in den 1970er und 1980er Jahren gebaut wurden, waren Altern und Demenz kein Thema. Es zogen ja vor allem junge Familien in die Plattenbauten. Christen waren die wenigsten von ihnen. Mit den Jahren ist der Altersdurch-schnitt deutlich gestiegen; Vorbehalte gegenüber der Kirche gibt es jedoch bei vielen noch immer.

„Aber die Menschen, die einmal Gast in un-serer Diakonie Haltestelle waren, kommen wie-der, weil Ihnen hier geholfen wird“, sagt Bärbel Henke. Die Pflegedienstleiterin der Diakonie-Station Hellersdorf-Marzahn und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun alles, um den Weg ins evangelische Gemeindehaus von Hellersdorf zu erleichtern, in dem ihr Projekt Diakonie Haltestelle untergebracht ist. Hier sind all jene willkommen, die sich ohne Hilfe im Leben nicht mehr zurechtfinden: In der Betreuungsgruppe werden unterschiedliche Ak-tivitäten für Menschen mit Demenz oder psychi-schen Erkrankungen angeboten. Sie haben einen spielerischen, jahreszeitlichen oder aktivierenden Charakter. Die Gäste können dazu von zu Hause abgeholt und wieder zurückgebracht werden. Und wer es wünscht, zu dem kommt eine ehrenamt-liche Helferin oder ein Helfer auch nach Hause, um für eine stundenweise Begleitung und Betreu-ung zu sorgen.

Die Diakonie Haltestelle ist damit nicht nur Hilfe für die Betroffenen, sie ermöglicht pflegenden An-gehörigen auch eine Auszeit, entlastet vom kraft-zehrenden Alltag, berät zu Problemen und Krisen-situationen in der Pflege und gibt auch Tipps bei der Beantragung von Leistungen.

In der Hellersdorfer Diakonie Haltestelle, übrigens derzeit eine von 25 gleichartigen Einrichtungen in ganz Berlin, arbeitet ein Team von Fachkräften und Freiwilligen. Alle sind professionell geschult und können auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz eingehen. Mit der Diako-nie-Station stehen sie in einem engen Kontakt. So wird bei regelmäßigen Fallbesprechungen gemein-sam überlegt, welche Unterstützung ganz indivi-duell notwendig ist, was die einzelnen Angehöri-gen dringend brauchen: Das können Fachärzte oder spezielle Therapeuten sein, aber auch die Begleitung beim Einkaufen, zu einer Behörde, in den nahen Park oder zum traditionellen Fest der Hausgemeinschaft.

Deshalb hat die Diakonie-Station für sie ein wei-tes Netz im Bezirk Marzahn-Hellersdorf gespannt. Es reicht erst einmal hin zu vielen medizinischen und therapeutischen Einrichtungen und Experten: beispielsweise ins Krankenhaus, zu Hausärztin-nen aber auch zu Logopäden oder Physio- und

Demenzkompetente häusliche Pflege erfordert:Einen festen Platzunter starken Partnern

Haltestelle in der Großsiedlung Ein Angebot der Diakonie-Station im Berliner Bezirk Hellersdorf-Marzahn

„Menschen mit Demenz müssen nicht ausge-grenzt leben, sondern können noch lange Anteil an ihrer sozialen Umgebung, an der Nachbarschaft nehmen – wenn sie dabei unter-stützt werden.“

Bärbel HenkeKrankenschwester und Pflegedienstleiterin

Friederike von Borstel und Claudia Ott (EVAP)mit Friederike Pfaff-Gronau (Diakonie-Pflege Verbund Berlin)

Das 10-jährige Bestehen der Diakonie Haltestellen im vergangenen Jahr war Anlass für einen Festgottesdienst. Ehrenamtlich Mitarbeitende, Koordinato- rinnen und Koordinatoren der Diakonie Haltestellen sowohl an Demenz er-krankte und ihre Angehörigen trafen sich dazu in der Berliner Zwinglikirche.

Bilder: © DWBO/ Nils Bornemann

Page 11: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

Ergotherapeuten, in stationäre Altenpflegeheime und Pflegestützpunkte. Auf der Suche nach im-mer neuen Wegen aus einer Krise, einem Konflikt und nach Entlastungslösungen stehen die Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter der Diakonie-Station heute in engem Kontakt mit Kirchengemeinden, Begegnungsstätten für Senioren, Selbsthilfegrup-pen, Nachbarschaftshilfen – und nicht zuletzt mit Wohnungsbaugesellschaften und dem Bezirksamt. Als Mitglied des „Netzwerkes im Alter“ der Kommu-ne Hellersdorf-Marzahn gestalten sie die Schaffung von neuen Versorgungsangeboten aktiv mit und tragen damit zu Veränderungen im Quartier bei.

So gibt es seit 2014 einen Mobilitätshilfedienst der Diakonie im Bezirk. Das vom Jobcenter geför-derte Projekt hilft nicht nur immobilen Menschen am sozialen Leben teilzunehmen. Es schafft auch neue berufliche Perspektiven für Begleiterinnen und Begleiter.

www.diakonie-hellersdorf-marzahn.de

www.diakonie-mobil.de Diakonie Haltestelle – ein Berliner Erfolgsprojekt

Vor über zehn Jahren startete das Projekt der Berliner Diakonie. Sein ehrgeiziges Vorhaben: Viele geschulte Freiwillige sollen eine stunden-weise Betreuung für Menschen mit Demenz oder psychischen Erkrankungen ermöglichen. Und das niedrigschwellig, wohnortnah, unbü-rokratisch und kostengünstig. Bis heute ist ein Netz von 25 Einrichtungen entstanden; in jedem Bezirk der Hauptstadt gibt es mindestens eine Diakonie Haltestelle. Für sie arbeiten 30 pro-fessionelle Koordinatorinnen und Koordinatoren und über 500 Freiwillige.

www.diakonie-haltestelle.de

i

11

(v.l.n.r.): Mathias Wirtz (Diakonie Haltestelle Spandau), Heike Domann (Diakonie Haltestelle Pankow/Weißensee), Marita Marschall (Diakonie Haltestelle Neukölln)

Page 12: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

„Wir brauchen mehr Menschen, die es vermögen, Brücken zu schlagen. Nur so helfen wir, Vorurteile und Ängste zu überwinden.“

Norbert SchmelterKrankenpfleger und Geschäftsführer von Pflege LebensNah

12

Page 13: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

13

Zuerst bleiben die Kollegen weg, dann Nach-barn und Freunde, schließlich kommen selbst enge Verwandte immer seltener zu Besuch. Norbert Schmelter, der seine Berufslaufbahn als Gemeindekrankenpfleger begann: „Immer wieder habe ich erlebt, wie Menschen einen sozialen Tod sterben.“ Weil das Unausweichliche verdrängt wird, Betroffene sich schämen, Angehörige aus Angst vorm „Gerede der Leute“ ihre Tür fest zu-schließen und auch, weil Außenstehende unsicher sind, wie sie mit Betroffenen umgehen sollen.

Zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern des diakonischen Pflegeunternehmens Pflege LebensNah in Rendsburg ging er vor fast sechs Jahren in die Offensive: Die schleswig-hol-steinische Kleinstadt sollte eine demenzfreundliche Kommune werden. Das Team des Pflegedienstes hängte das Thema Demenz buchstäblich an die ganz große Glocke, wandte sich an die lokale Presse, hielt Vorträge und führte Gespräche in Schulen, organisierte Veranstaltungen, Konzerte, Filmabende. Immer auch für und mit Betroffenen.

Die Kampagne sorgte für große Resonanz, half aber dem Pflegedienstleister auch, ein Netz zu knüpfen, das in den Folgejahren immer dichter geworden ist. Pflege LebensNah unterhält heute enge Kontakte zu lokalen Ärzten und zur Rends-burger Imland Klinik, zu kirchlichen und kommu-nalen Einrichtungen und Verwaltungen, zu Betrie-ben, Schulen, Banken, zu Polizei und Feuerwehr. „Wir wollen und müssen immer wieder aufs Neue sensibilisieren“, so Norbert Schmelter. Da-mit es auffällt, wenn eine alte Dame zum dritten Mal an einem Tag dasselbe einkauft. Damit richtig reagiert wird, wenn jemand nachts im Schlafanzug die Straße entlangläuft, damit betroffene Familien mitmenschliche und ganz praktische Hilfe in ihrer schwierigen Situation erhalten.

„Das Verantwortungsbewusstsein für Men-schen mit Demenz und ihre betreuenden An-gehörigen muss in den Kommunen noch viel größer werden“, mahnt der Pflegedienst-Chef. Und er wird inzwischen in Rendsburg und Um-gebung gehört. Pflege LebensNah betreut heute mit geschulten Fachkräften viele Menschen zu Hause, in sechs Wohngemeinschaften und drei Tagespflegen.

Zwischen 60 und 80 Prozent der Gäste dort leiden an einer demenziellen Erkrankung. „In un-serem Unternehmen arbeitet eine Vollzeitkraft für die Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen – und derzeit denken wir auch daran, einen Arzt für die Diagnostik einzustel-len“, so Norbert Schmelter. Die niedergelassenen Hausärzte in der Region werden weniger, oft fehlt ihnen die Zeit für entsprechende Untersuchungen – oder die Erfahrung, eine beginnende Demenz zu erkennen. Noch immer ist die Erkrankung auch in Rendsburg ein Thema, das vielen Angst macht. Aber, so Norbert Schmelter, mit der Kampagne und regelmäßigem öffentlichem Auftreten habe Pflege LebensNah viel erreicht: „Die Menschen finden heute den Weg leichter und eher zu uns. Sie wissen, wir sind ihre Partner ganz in der Nähe – und Tag und Nacht zu erreichen.“

www.pflegelebensnah.de

Demenzkompetente häusliche Pflege erfordert:Netzwerken im Quartier

Brücken schlagen zu den Familien Pflege LebensNah in Rendsburg

Etwa 35,9 Prozent aller Deut-schen über 14 Jahren enga-gieren sich in einem Ehren-amt. Rund ein Drittel dieses Engagements bezieht sich auf Ältere. Für eine ehrenamtliche Begleitung von Menschen mit Demenz entscheiden sich zum übergroßen Teil Frauen, die äl-ter als 50 Jahre sind.

(Fachtagung: „Mehr Hilfen fürMenschen mit Demenz und ihre Angehörigen“, Dezember 2014)

i

Bilder: © LebensNah

Page 14: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

14 Fachbeitrag

Pflege zu Hause durch einen ambulanten Pflegedienst (Pflegesachleistungen)

Pflegesachleistungen können vollständig für die Hilfe durch einen ambulanten Pflegedienst einge-setzt oder auch mit dem Pflegegeld kombiniert werden. Die Ansprüche auf Pflegesachleistungen liegen monatlich zwischen 231 € in Pflegestufe 0 (mit Demenz*) und 1.612 € in Pflegestufe 3 (ohne und mit Demenz*) bzw. 1.995 € in Härtefällen (mit Demenz*).

Pflege durch Angehörige (Pflegegeld)

Pflegebedürftige werden von Angehörigen oder anderen privaten Pflegepersonen betreut und er-halten dafür ein monatliches Pflegegeld zwischen 123 € (Pflegestufe 0, mit Demenz*) und 728 € (Pflegestufe 3, ohne und mit Demenz*).

Verhinderungspflege

Wenn pflegende Angehörige zum Beispiel Ur-laub machen wollen oder krank werden, haben Pflegebedürftige bis zu sechs Wochen im Jahr das Recht auf eine Vertretung. Diese kann durch einen ambulanten Pflegedienst oder eine private Pflegeperson, die kein naher Angehöriger des Pfle-gebedürftigen ist, übernommen werden.

• Leistungsanspruch: Alle Pflegestufen inklusi-ve Pflegestufe 0 jährlich bis zu 1.612 €

• Außerdem kann bis zu 50 Prozent des Leis-tungsbetrages für Kurzzeitpflege (das sind bis zu 806 Euro) künftig zusätzlich für Verhinde-rungspflege ausgegeben werden,

Kurzzeitpflege

Der Leistungsanspruch für die Kurzzeitpflege wurde auf maximal 1.612 € erhöht. Der im Kalen-derjahr bestehende, noch nicht verbrauchte Leis-tungsbetrag für Verhinderungspflege kann auch für

Leistungen der Kurzzeitpflege eingesetzt werden. Dadurch kann der Leistungsbetrag der Kurzzeit-pflege maximal verdoppelt werden; parallel kann auch die Zeit für die Inanspruchnahme von vier auf bis zu acht Wochen ausgeweitet werden.

Pflegehilfsmittel

Als Pflegehilfsmittel (unabhängig von der Pfle-gestufe monatlich bis zu 40 €) gelten Hilfsmittel wie Betteinlagen und Einmalhandschuhe, wenn sie zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitra-gen oder ihm eine selbstständigere Lebensfüh-rung ermöglichen.

Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds

Die materielle Unterstützung kann schon ab der Pflegestufe 0 beantragt werden: Bewilligt werden max. 4.000 €. Bei mehreren Anspruchsberech-tigten, die zusammen wohnen (z. B. in einer WG) bis 16.000 €.

Tages- und Nachtpflege

Ab dem 1. Januar 2015 können die Leistungen der Tages- und Nachtpflege neben der ambulanten Pflegesachleistung/dem Pflegegeld in vollem Umfang in Anspruch genommen werden. Die Leistungsbe-träge liegen zwischen 231 € in Stufe 0 und 1.612 € in Stufe 3.

Betreuungs- und Entlastungsleistungen

Betreuungs- und Entlastungsleistungen gibt es für alle Pflegestufen (monatlicher Grundbetrag: 104 €/ erhöhter Betrag: 208 €).

* Gilt für Personen mit dauerhaft eingeschränkter Alltagskom-petenz im Sinne von § 45 a SGB XI. Das sind vor allem an Demenz erkrankte Menschen.

Gesetzliche Möglichkeitenzur Finanzierung von Pflegeleistungen

Seit dem 01.01.2015 gilt das „Erste Pflegestärkungsgesetz - PSG I“ – Einige Neuregelungen:

Page 15: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

15Fachbeitrag

Beim Pflegegeld

Der Pflegebedürftige ist für den Erhalt des Pfle-gegeldes von der Steuer befreit.

Wird das Pflegegeld an andere pflegende Per-sonen weitergegeben, muss folgendes beachtet werden: Die Einnahme ist für all jene steuerfrei, die eine Pflegeleistung als Angehörige von Pflegebe-dürftigen erbringen oder die moralisch bzw. sittlich verpflichtet sind, Leistungen zur Grundpflege oder zur hauswirtschaftlichen Versorgung zu erbringen.

Steuerfrei sind nur Zahlungen bis zur Höhe des dem Pflegebedürftigen gewährten gesetzlichen Pfle-gegeldes. Die Zahlungen an die Pflegeperson sind auch dann steuerfrei, wenn der Pflegebedürftige anstelle des Pflegegeldes (nach SGB XI) Leistun-gen aus einer privaten Pflegeversicherung (nach Vorgaben des SGB XI) oder eine Pauschalbeihilfe nach Beihilfevorschriften erhält.

Das Pflegegeld ist steuerpflichtig, wenn es an Personen gezahlt wird, die weder zu den Ange-hörigen zählen noch sittlich oder moralisch dazu verpflichtet sind.

Bei ehrenamtlichen Leistungen

Der materielle Begriff der Ehrenamtlichkeit setzt folgendes voraus:

• das Fehlen eines eigennützigen Erwerbs- strebens

• die fehlende Hauptberuflichkeit • den Einsatz für eine fremdnützige Einrichtung

Ehrenamtlich Tätigen steht ein Ersatz für ihre Aufwendungen zu: etwa für Geldauslagen, Sach-aufwendungen, den Verbrauch von Material und Gegenständen, das Eingehen von Verbindlichkei-ten, die Übernahme fremder Schuld.

Gemeinnützige Körperschaften können Ehren-amtlern zusätzlich steuerfreie Leistungen gewäh-ren. Der Gesetzgeber stellt mit dem Übungslei-terfreibetrag den Betrag von 2.400 € steuerfrei. Steuerfrei kann auch eine sog. „Ehrenamtspau-schale“ in Höhe von 720 € (§ 3 Nr. 26 bzw. 26a EStG) gewährt werden.

Ehrenamtliche Übungsleiter und andere eh-renamtlich tätige Mitarbeiter fallen nicht unter die Mindestlohnregelungen, die zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist.

Steuerliche Aspekte

Autor:

Jan GrabowCURACON GmbHWirtschaftsprüfungsgesellschaft

Page 16: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

16

Wie finde ich einen demenzkompetenten Pflegedienst?

Verfügt der Pflege- dienst über ein Konzept, das speziell auf die Pflege und Betreu-ung von an einer Demenz erkrankten Menschen abge-stimmt ist?

1. Verfügt der Pflegedienst über ein Kon-zept, das speziell auf die Pflege und Be-treuung von an einer Demenz erkrankten Menschen abgestimmt ist?

� JA � NEIN

2. Wird das demenzspezifische Pflegekon-zept regelmäßig auf seine Wirkung über-prüft?

� JA � NEIN

3. Wird die Arbeit durch eine besondere Kommunikationsstruktur gestützt?

� JA ✓ Regelmäßige Einzel-Fall-Besprechungen mit

Betroffenen und Angehörigen ✓ Regulär wiederkehrende Fallbesprechungen

zwischen den Bezugspflegekräften im Team ✓ Regulär wiederkehrende Fallbesprechungen

zwischen den Bezugspflegekräften und dem interdisziplinären Team (pflegerisches, thera-peutisches und ärztliches Personal)

✓ Supervision im Team

� NEIN

4. Verfügen die Mitarbeiter über demenz-spezifische Qualifikation? z. B.:

� JA ✓ Gerontopsychiatrische Fachkraft ✓ Gerontotherapeutin ✓ Qualifizierung nach § 45b SGB XI mit

Stunden ✓ Qualifizierung mach § 87b SGB XI ✓ gerontopsychiatrische Basisqualifikation

� NEIN

5. Sind freiwillig Engagierte im Pflegedienst tätig?

� JA � NEIN

6. Werden die freiwillig Engagierten zum Thema Demenz geschult?

� JA � NEIN

Page 17: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

www.bkk-diakonie.de

Gesundes Arbeiten in der diakonischen Altenhilfe – dazu haben wir Ideen. Näheres unter www.bkk-diakonie.de/bgm

7. Bietet der Pflegedienst pflegeri-sche/betreuerische Leistungen an, die für Menschen mit einer Demenz besonders versorgungsgerecht sind?

� JA ✓ Betreuungsangebote nach § 45b-d

SGB XI ✓ Verhinderungs- und Urlaubspflege ✓ Tagespflege ✓ 24-Stunden-Notruf für Demenzkranke

und ihre Angehörigen ✓ Überleitungspflege ✓ Alltagsbegleitung ✓ Hilfe bei der Wohnraumanpassung ✓ andere Leistungen

� NEIN

8. Bietet der Pflegdienst besondere, auf Menschen mit einer Demenz zu-geschnittene Freizeitangebote an?

� JA � NEIN

9. Bietet der Pflegedienst besondere Angebote für Angehörige von Men-schen mit Demenz an?

� JA ✓ Gesprächskreis für Angehörige ✓ Angehörigenschulungen ✓ Stammtisch ✓ andere Angebote

� NEIN

10. Bietet der Pflegedienst eine auf Menschen mit Demenz zuge-schnittene demenzspezifische Be-ratung an?

� JA ✓ psychosoziale Beratung ✓ Pflegeberatung ✓ Wohnraumberatung ✓ Beratung zu (technischen) Hilfsmitteln

� NEIN

11. Bestehen Kontakte bzw. Koopera-tionen des Pflegedienstes mit an-deren Akteuren in der Region?

� JA, mit ✓ Tagespflege ✓ Seniorentreffs/Begegnungsstätten ✓ Betreuungsgruppen ✓ Selbsthilfegruppen ✓ Alzheimer-Gesellschaft ✓ Pflegestützpunkte ✓ Wohn- und Hausgemeinschaften ✓ Kirchgemeinden ✓ Wohnungsbaugesellschaften ✓ Freiwilligenagentur ✓ Nachbarschaftshilfe ✓ andere Akteure

� NEIN

12. Bestehen verbindliche Verab-redungen/Kooperationen des Pflegedienstes innerhalb eines regionalen therapeutischen De-menz-Netzwerks?

� JA, mit ✓ Krankenhaus ✓ HausärztInnen ✓ FachärztInnen ✓ ErgotherapeutInnen ✓ LogopädInnen ✓ PhysiotherapeutInnen ✓ Gedächtnisambulanz ✓ andere therapeutische Netzwerke

� NEIN

Wie finde ich einen demenzkompetenten Pflegedienst?

17

Page 18: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

18

Notizen

Page 19: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

19

Page 20: Türen auf für starke Partner - devap.info · 3 Als wir im April 2014 den Startschuss für unseren Wettbewerb gaben, hatten wir ein klares Ziel – und einen sechsseitigen Fragebogen

HerausgeberDEVAP

Arbeitsgruppe „Demenzkompetenter Pflegedienst“- Sabine Jansen, Geschäftsführerin Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. - Imme Lanz, Geschäftsführerin DEVAP- Jan Grabow, CURACON GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft- Kristin Schulze, Diakonie Mitteldeutschland- Ralf Labinsky, Diakonisches Werk Schleswig-Holstein- Heike Wehrbein, DEVAP- Cathleen Schlüter, DEVAP

TextMieder & Schwarz I Journalistinnenbüro Berlinwww.journalistinnenbuero-berlin.de

KontaktDeutscher Evangelischer Verbandfür Altenarbeit und Pflege e.V. (DEVAP)Verantwortlich: Vors. Renate Gamp

Invalidenstraße 2910115 Berlin Tel.: 030 83001-267Fax: 030 83001-25277

[email protected] www.devap.info