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802 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. II. JAI-IRGANG. Nr. 19 7. MAI 1932 5. Bei Pneumoniekranken (lob~re Pneumonie) wurden ~hnliche Verh~ltnisse gefunden, mit dem Unterschiede, daB die Verminderung des Orthophosphates durchaus im Vorder- grunde steht. Diese Ver~Lnderung ist im Stadium der kriti- schen L6sung reversibel. 6. Bel t3ronchopneumonien und fieberhaften Erkran- kungen nichtpneumonischer Art sind keine deutlichen Ver- ~nderungen nachweisbar. 7. Es wird darauf hingewiesen, daB bei Kreislaufkranken, je nach Schwere, eine HyperphosphatXmie bei der nach- gewiesenen Hyperphosphaturie vorliegt. Wir ]assen Hyperphosphat~imie als akut nachweisbares Symptom der Phosphatverarmung bel Kreislau]kranken au/. Literatur : ~ H. ]~PPING]~R, F. KlSCH u. H. SCHWARZ, Das Ver- sagen des Kreislaufes. Berlili: Julius Springer 1927 -- B. GROAG U. H. SCHWARZ, Arch. f. exper. Path. 121, 23 (1927) -- H. EPPINGER, D. LASZLO U. A. SCHLIRMEYER, Klin. Wschr. 1928, 2231 -- H. ]~P- PINGER, Zur Pathologie der Kreislaufkorrelationen in Bethe-Berg- maliii, Handbuch der Physiologie 16 II (1931). -- 2 D. LASZLO, IKlin. Wschr. z928, 1411 -- Habilitationsschrift 1931. -- s Zusam- mengefaBt in O. MEYERHOF, Die chemischen Vorg~nge ira Muskel. t3erlin: Julius Springer 193 o. -- ~ H. SCHWARZU. M. TAUBENHAUS, Biochem. Z. 236, 474 (1931) -- ~ H. K. BARRENSCHEENU. B.Vs HELu Biochem. Z. 23o, 33 ~ (1931). -- y R. MEIER n. E. THOENES, Arch. f. exper. Path. I61, 119 (1931). -- ~ A. N. DRURY U. A. SZENT- GY6RGYI, J. of Physiol. 68, 213 (1929). -- s M. HOCHREIN U. J. KEL- LER, Arch. f. exper. Path. I931. -- ~ K. ZIPF, Med. Klin. 193o, 1615 -- Arch. f. exper. Path. 157, 97 (193 ~) -- Klin. Wschr. I93I. -- ~0 I. GREENWALD, J. of biol. chem. 63, 339 (1925). -- ~x H. Jos:r, Hoppe-Seylers Z. 165, 171 (1927). -- 12 p. GY6RGV, Bioehem. Z. 161, 157 (1925). -- ~s F. EICHHOLTZ, R. ROBISON a. L. BRULL, Proc. roy. Soc. Lond. 99, 91 (1925). TUMOREN IM BEREICH DES 4. VENTRIKELS MIT REGELWlDRIGER SCHLAGRICHTUNG DES CALORISCHEN NYSTAGMUS (und Untererregbarkeit des Vestibularis) bel beiderseits intakter Cochlearisfunktion. ~foll Prof. HERMANN FRENZEL, Oberarzt der Universit~tsklinik und Poliklinik ftir Hals-, Nasen-und Ohrenkraake K5In (Direktor: Professor GITTTICH). Die Priifung der Vestibularisfunktion dient der Feststel- lung von Erkrankungen des Ohrlabyrinths, auBerdem stellt sie aber die Funktionsprtifung eines Hirnnerven dar. Als solche ist sie ~ftir die neurologische Diagnostik von Bedeutung. Sie vermag das Bestehen einer organischen Erkrankung zu sichern und so die Differentialdiagnose zwischen psychogen llnd organisch bedingten Beschwerden zu erleichtern. Sie vermag aber auch in FMlen von Hirnerkrankung die topische Diagnose zu beeinflus.,.en. Die Funktionsergebnisse, die hier in Frage kommen, kann man in zwei Gruppen teilen: i. J~nderungen der Erregbarkeit (quantitative St6rung), 2. Abweichungen von der Gesetzm~Bigkeit der Erregungs- effekte (qualitative St6rung). Jknderungen der Erregbarkeit, von denen die Unter- und Unerregbarkeit als Zeichen einer Vestibularissch~digung die wichtigsten sind, sind bel Erkrankungen des Sch~delinneren ein h~ufiges Vorkommnis, sie sind jedoch nur sehr bedingt topisch verwertbar. Seltener, aber um so wichtiger sind die Ergebnisse der Gruppe II, die ein Durchbrechen der Gesetzm~Bigkeit ira Auftreten oder Aussehen der vestibul~ren Erregungseffekte darstellen. Normalerweise treten die vestibul~ren Erregungseffekte, von denen in erster Linie der Nystagmus und in zweiter Linie das Vorbeizeigen (als das aus der Ftille der vestibul~ren Ein- fliisse auf die K6rpermuskulatur herausgegriffene Einzel- symptom) methodologisch bedeutsam sind, unter konstanten Untersuchungsbedingungen in gesetzm~Biger Weise auf. Als Beispiel sel das Ergebnis bei der calorischen Pri~]ung, die uns hier ausschlieBlich interessieren soll, herausgestellt. Bekanntlich erfolgt die Erregung des Vestibularis bei der calori- schen Priifung durch Spfllung des Geh6rganges mit flber- oder unter- k6rperwarmem Wasser. Ublich ist die Kaltspfllung, w~hrend die HeiBspfllung nur als Zusatzmethode gebraucht wird. Die im Geh6rgang erzeugte Abk~hlung loflanzt sich vom Geh6r- gang nach dem Sch~delinnern hin fort, trifft hier auf die Bogeng~nge und erzeugt eine Str6mung der Endolymphe, die an den Sinlies- endsteUen des Vestibularis die Erregung ausl6st. Durch IKaltspiilung entsteht ein zut nicht gesp Sei~e ge- richteter horizontaler (oder horizontal-rotatorischer) Rucknystagmus, begleitet von Vorbeizeigen nach der gespiilten Seite. Zum Beispiel bei IKaltspiilung rechts eill Linksrucken (sehnelle Phase nach links) und Vorbeizeigen IIaeh rechts. Durchbrechungen dieser Gesetzm~Bigkeit k6nnen nun hinsichtlich des Nystagmus seine Schlag/orm sowie seine Schlagrichtung betreffen. So kann ein Ausfall der schnellen Phase des Nystagmus entstehen, mithin eine calorische Dauerablenkung der Augen in der Richtung der langsamen Phase. Oder es entsteht statt des calorischen Nystagmus eine Hertwig-Magendiesche Schiel- stellung der Augen. SchlieBlich kann -- worauf in dieser Mitteilung an Hand dreier F~lle von Hirntumoren hingewiesen werden soll -- eine gesetzwidrige J~nderung der Schlagrichtung auftreten, indem z. ]3. statt des Nystagmus zur Gegenseite ein solcher zur ge- spiilten Seite oder ein Vertikalnystagmus entsteht. Derartige Durchbrechungen des gesetzm~13igen Ablaufes des calorischen Nystagmus stehen in leicht erkennbarem Gegensatz zu dem Ergebnis, wie ihn einfache Untererregbarkeit bedingt. Denn diese gibt sich in versp~tetem Eintritt sowie Abnahme der Dauer und der Intensit~it des Nystagmus zu erkennen, wobei jedoch das gesetzm~/3ige Aussehen des Nystagmus unver- ~ndert bleibt. Kasuistik. Fall 1. Elfriede H., 6 Jahre. ] am 2o. IV. 1926 auf die Universit~ts-Nervenklinik Greifswald aufgenommen und ara 12. V. 1926 zur Chirurgischen I™ verlegt. Auszug aus der t™ der Chirurgischen Klinik: Seit Sommer 1925 wird der Hals etwas schief gehalten. Weih- nachten I925 I™ iiber I™ Husten, Fieber und Ohrensehmerzen rechts. Anfallgs Februar Kopf nach rechts geneigt gehalten, wenn sie einell Gegenstand fixieren wollte. Mitte Februar 1926 Unsieherheit und Stolpern beim Gehen. Seit Mitre M~rz ,,Schiefes Goe BeJund: Periphere Facialisl~hmung rechts. Andeutung von Ataxie ira rechten Arm und reehten Bein. Ausgesprochen ataktischer breitbeiniger Gang mit Abweichen von der geraden Linie. Ara IO. V. ergibt die Punktioll des rechten I™ Anhalt fiir gef~Breiehen Tumor (Nervenklinik). 14. V. 1926. Sch~deltrepana- tion. Freilegung des rechten Kleinhirns. Tumor wird nicht gefunden. Ohruntersuchung am 22. IV.: Trommelfell bds. v611ig o. ]3. Cochlearis bds. intakt. Spontallnystagmus vom Typus des un- regelm~iBigen ]31ickrichtungsnystagmus. ]3ei t~echtsblick grobschl~giges Rechtsruckeli, bel Linksblick grobschl~giges Linksrucken, bel Au]blick grobsehI~giges Auf- rucken, bel Abblick Augenruhe. ]3ei Geradeausblick rotatorischer Rucknlystagmus nach links, gruppenweise von protrahiert lang- samen Phasen, also ~Raddrehung nach rechts unterbrochen. Unter der Leuchtbrille ira Dunkelzimmer bel Bllck geradeaus ebenso rotatorischer Nystagmus IIach links, daneben aber des 6fteren vertikales Rucken nach oben. Unter der Leuchtbrille haben die Augen st~ndig das ]3estreben, in eine Deviationsstellung von etwa 2o Grad nach links in der sie in iRuhe liingere Zeit verharren, bis durch eine ]31ickbewegung wieder Nystagmus angefaeht wird. Calorische Prfifung im Sitzen, I™ um 60 Grad nach hinten gelieigt (Optimumstellulig I der horizontalell Bogeng~nge). Augen- beobachtung unter der Leuchtbrille im Dunkelzimmer, in spontaner Ruhestellung der Augen, ci. h. bei Deviation nach links um etwa 2o Grad. Spfllung mit Otocalorimeter, Wasser von 27 ~ 2~echtes Ohr: Bel IOO ccm tritt ein langsames Nachrechtsziehen der Bulbi bis in die Mittelstellulig ein und der spontali vorhandelie rotatorische Nystagmus nach links wird sichtbar, aber etwas st~rker als spontan. Linkes Ohr: Bei 70--8o ccm tritt eine deutliche Zunahme der Deviation bis in die linke Endstellung ulid hier unter Einhal- tung der extremen Deviationsstellung ein Vertikalnystagmus nach oben ein.

Tumoren im Bereich des 4. Ventrikels mit Regelwidriger Schlagrichtung des Calorischen Nystagmus

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Page 1: Tumoren im Bereich des 4. Ventrikels mit Regelwidriger Schlagrichtung des Calorischen Nystagmus

802 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . II. J A I - I R G A N G . N r . 19 7. MAI 1932

5. Bei P n e u m o n i e k r a n k e n (lob~re P n e u m o n i e ) w u r d e n ~hn l i che Verh~ l tn i s se ge funden , m i t d e m Un te r sch i ede , daB die V e r m i n d e r u n g des O r t h o p h o s p h a t e s d u r c h a u s i m Vorder- g r u n d e s t eh t . Diese Ver~Lnderung i s t i m S t a d i u m der kr i t i - s c h e n L 6 s u n g revers ibel .

6. Bel t 3 r o n c h o p n e u m o n i e n u n d f i ebe rha f t e n E r k r a n - k u n g e n n i c h t p n e u m o n i s c h e r A r t s ind ke ine de u t l i c he n Ver- ~ n d e r u n g e n n a c h w e i s b a r .

7. Es wird d a r a u f h ingewiesen , daB bei K r e i s l a u f k r a n k e n , je n a c h Schwere, eine H y p e r p h o s p h a t X m i e bei der n a c h - gewiesenen H y p e r p h o s p h a t u r i e vor l iegt . Wir ]assen ” Hyperphosphat~imie als akut nachweisbares Symptom der Phosphatverarmung bel Kreislau]kranken au/.

L i t e r a t u r : ~ H. ]~PPING]~R, F. KlSCH u. H. SCHWARZ, Das Ver- sagen des Kreislaufes. Berlili: Julius Springer 1927 - - B. GROAG U. H. SCHWARZ, Arch. f. exper. Path. 121, 23 (1927) - - H. EPPINGER, D. LASZLO U. A. SCHLIRMEYER, Klin. Wschr. 1928, 2231 - - H. ]~P- PINGER, Zur Pathologie der Kreislaufkorrelationen in Bethe-Berg- maliii, Handbuch der Physiologie 16 II (1931). - - 2 D. LASZLO, IKlin. Wschr. z928, 1411 - - Habil i tat ionsschrif t 1931. -- s Zusam- mengefaBt in O. MEYERHOF, Die chemischen Vorg~nge ira Muskel. t3erlin: Julius Springer 193 o. - - ~ H. SCHWARZ U. M. TAUBENHAUS, Biochem. Z. 236, 474 (1931) �9 -- ~ H. K. BARRENSCHEEN U. B.Vs HELu Biochem. Z. 23o, 33 ~ (1931). - - y R. MEIER n. E. THOENES, Arch. f. exper. Path. I61, 119 (1931). -- ~ A. N. DRURY U. A. SZENT- GY6RGYI, J. of Physiol. 68, 213 (1929). - - s M. HOCHREIN U. J. KEL- LER, Arch. f. exper. Path. I931. -- ~ K. ZIPF, Med. Klin. 193o, 1615 - - Arch. f. exper. Path. 157, 97 (193 ~ ) -- Klin. Wschr. I93I. - - ~0 I. GREENWALD, J. of biol. chem. 63, 339 (1925). - - ~x H. Jos:r, Hoppe-Seylers Z. 165, 171 (1927). - - 12 p. GY6RGV, Bioehem. Z. 161, 157 (1925). - - ~s F. EICHHOLTZ, R. ROBISON a. L. BRULL, Proc. roy. Soc. Lond. 99, 91 (1925).

TUMOREN IM BEREICH DES 4. VENTRIKELS MIT R E G E L W l D R I G E R SCHLAGRICHTUNG

DES CALORISCHEN NYSTAGMUS (und Un te r e r r egba rke i t des Vestibularis) bel beiderseits

intakter Cochlearisfunktion. ~foll

Prof. HERMANN FRENZEL, Oberarzt der Universit~tsklinik und Poliklinik ftir Hals-, Nasen- und Ohrenkraake K5In

(Direktor: Professor GITTTICH).

Die P r i i f u n g der V e s t i b u l a r i s f u n k t i o n d i en t der Fes t s t e l - l u n g v o n E r k r a n k u n g e n des O h r l a b y r i n t h s , a u B e r d e m s te l l t sie abe r die F u n k t i o n s p r t i f u n g eines H i r n n e r v e n dar . Als so lche i s t sie ~ftir die neu ro log i sche D i a g n o s t i k v o n B e d e u t u n g . Sie v e r m a g d a s B e s t e h e n e iner o r g a n i s c h e n E r k r a n k u n g zu s i ch e rn u n d so die D i f f e r en t i a ld i agnose zwi schen p s y c h o g e n l lnd o r g a n i s c h b e d i n g t e n B e s c h w e r d e n zu er le ichtern .

Sie v e r m a g aber a u c h in FMlen v o n H i r n e r k r a n k u n g die t op i sche Diagnose zu beeinflus.,.en. Die F u n k t i o n s e r g e b n i s s e , die h ie r in F r age k o m m e n , k a n n m a n in zwei G r u p p e n te i len:

i . J~nderungen der E r r e g b a r k e i t ( q u a n t i t a t i v e S t6 rung) , 2. A b w e i c h u n g e n v o n der Gese tzm~Bigke i t der E r r e g u n g s -

e f fek te (qua l i t a t ive S t6 rung) . Jk n d e ru n g en der E r r e g b a r k e i t , v o n d e n e n die Unter- u n d

U n e r r e g b a r k e i t als Ze ichen e iner V e s t i b u l a r i s s c h ~ d i g u n g die w i c h t i g s t e n s ind, s ind bel E r k r a n k u n g e n des Sch~de l inne ren ein h~uf iges V o r k o m m n i s , sie s ind j edoch n u r seh r b e d i n g t t o p i s c h v e r w e r t b a r .

Sel tener , abe r u m so wich t ige r s ind die E r g e b n i s s e der Gruppe II, die e in D u r c h b r e c h e n der Gese tzm~Bigke i t i ra A u f t r e t e n oder A u s s e h e n der v e s t i b u l ~ r e n E r r e g u n g s e f f e k t e da r s t e l l en .

N o r m a l e r w e i s e t r e t e n die v e s t i b u l ~ r e n E r r e g u n g s e f f e k t e , v o n d e n e n in e r s t e r L in ie der Nystagmus u n d in zwei ter L in ie d a s Vorbeizeigen (als da s a u s der Ftille der v e s t i b u l ~ r e n E in - fli isse au f die K 6 r p e r m u s k u l a t u r h e r a u s g e g r i f f e n e Einzel - s y m p t o m ) m e t h o d o l o g i s c h b e d e u t s a m s ind , u n t e r k o n s t a n t e n U n t e r s u c h u n g s b e d i n g u n g e n in gese tzm~Biger Weise auf .

A l s Beispiel sel da s E r g e b n i s bei der calorischen Pri~]ung, die u n s hier ausschl ieBl ich i n t e r e s s i e r en soll, he rausges t e l l t .

Bekannt l ich erfolgt die Erregung des Vestibularis bei der calori- schen Priifung durch Spfllung des Geh6rganges mit flber- oder unter- k6rperwarmem Wasser. Ublich ist die Kaltspfllung, w~hrend die HeiBspfllung nur als Zusatzmethode gebraucht wird.

Die im Geh6rgang erzeugte Abk~hlung loflanzt sich vom Geh6r- gang nach dem Sch~delinnern hin fort, trifft hier auf die Bogeng~nge und erzeugt eine S t r6mung der Endolymphe, die an den Sinlies- endsteUen des Vestibularis die Erregung ausl6st.

Durch IKaltspiilung ents teht ein zut nicht gesp�9 Sei~e ge- richteter horizontaler (oder horizontal-rotatorischer) Rucknystagmus, begleitet von Vorbeizeigen nach der gespiilten Seite. Zum Beispiel bei IKaltspiilung rechts eill Linksrucken (sehnelle Phase nach links) und Vorbeizeigen IIaeh rechts.

D u r c h b r e c h u n g e n dieser Gese t zm~Bigke i t k 6 n n e n n u n h i n s i c h t l i c h des N y s t a g m u s se ine Schlag/orm sowie seine Schlagrichtung be t re f fen .

So k a n n ein Aus fa l l der schne l l en P h a s e des N y s t a g m u s e n t s t e h e n , m i t h i n eine ca lor ische D a u e r a b l e n k u n g der A u g e n in der R i c h t u n g der l a n g s a m e n Pha se . Oder es e n t s t e h t s t a t t des ca lo r i schen N y s t a g m u s eine H e r t w i g - M a g e n d i e s c h e Schiel- s t e l l ung der A u g e n .

SchlieBlich k a n n - - w o r a u f in dieser M i t t e i l u n g an H a n d dre ier F~lle v o n H i r n t u m o r e n h i n g e w i e s e n w e r d e n soll - - eine gese tzwidr ige J~nderung der Schlagrichtung au f t r e t en , i n d e m z. ]3. s t a t t des N y s t a g m u s zur Gegense i te ein solcher zur ge- sp i i l ten Seite oder ein V e r t i k a l n y s t a g m u s e n t s t e h t . De ra r t i ge D u r c h b r e c h u n g e n des gesetzm~13igen A b la u fe s des ca lor i schen N y s t a g m u s s t e h e n in le icht e r k e n n b a r e m G e g e n s a t z zu d e m Ergebn i s , wie i h n e in fache U n t e r e r r e g b a r k e i t bed ing t . D e n n diese g ib t s ich in v e r s p ~ t e t e m E i n t r i t t sowie A b n a h m e der D a u e r u n d der In tens i t~ i t des N y s t a g m u s zu e rkennen , wobei j e doc h da s gesetzm~/3ige A u s s e h e n des N y s t a g m u s u n v e r - ~ n d e r t b le ibt .

Kasuistik.

Fall 1. Elfriede H., 6 Jahre. ]�9 am 2o. IV. 1926 auf die Universi t~ts-Nervenklinik Greifswald aufgenommen und ara 12. V. 1926 zur Chirurgischen I™ verlegt. Auszug aus der t™ der Chirurgischen Klinik:

Seit Sommer 1925 wird der Hals etwas schief gehalten. Weih- nachten I925 I™ iiber I™ Husten, Fieber und Ohrensehmerzen rechts. Anfallgs Februar Kopf nach rechts geneigt gehalten, wenn sie einell Gegenstand fixieren wollte. Mitte Februar 1926 Unsieherheit und Stolpern beim Gehen. Seit Mitre M~rz ,,Schiefes Gœ

BeJund: Periphere Facial isl~hmung rechts. Andeu tung von Ataxie ira rechten Arm und reehten Bein. Ausgesprochen atakt ischer breitbeiniger Gang mit Abweichen von der geraden Linie.

Ara IO. V. ergibt die Punktioll des rechten I™ Anhal t fiir gef~Breiehen Tumor (Nervenklinik). 14. V. 1926. Sch~deltrepana- tion. Freilegung des rechten Kleinhirns. Tumor wird nicht gefunden.

Ohruntersuchung am 22. IV.: Trommelfell bds. v611ig o. ]3. Cochlearis bds. intakt . Sponta l lnys tagmus vom Typus des un- regelm~iBigen ]31ickrichtungsnystagmus.

]3ei t~echtsblick grobschl~giges Rechtsruckeli, bel Linksblick grobschl~giges Linksrucken, bel Au]blick grobsehI~giges Auf- rucken, bel Abblick Augenruhe. ]3ei Geradeausblick rotatorischer Rucknlystagmus nach links, gruppenweise von protrahiert lang- samen Phasen, also ~Raddrehung nach rechts unterbrochen.

Unter der Leuchtbrille ira Dunkelzimmer bel Bllck geradeaus ebenso rotatorischer Nys tagmus IIach links, daneben aber des 6fteren vertikales Rucken nach oben. Unter der Leuchtbrille haben die Augen st~ndig das ]3estreben, in eine Deviationsstellung von etwa 2o Grad nach links �9 in der sie in iRuhe liingere Zeit verharren, bis durch eine ]31ickbewegung wieder Nys t agmus angefaeht wird.

Calorische Prfifung im Sitzen, I™ um 60 Grad nach h in ten gelieigt (Optimumstellulig I der horizontalell Bogeng~nge). Augen- beobachtung unter der Leuchtbrille im Dunkelzimmer, in spontaner Ruheste l lung der Augen, ci. h. bei Deviation nach links um etwa 2o Grad. Spfllung mi t Otocalorimeter, Wasser von 27 ~

2~echtes Ohr: Bel IOO ccm t r i t t ein langsames Nachrechtsziehen der Bulbi bis in die Mittelstellulig ein und der spontali vorhandelie rotatorische Nys tagmus nach links wird sichtbar, aber etwas st~rker als spontan.

Linkes Ohr: Bei 70--8o ccm t r i t t eine deutliche Zunahme der Deviation bis in die linke Endste l lung ulid hier unter Einhal- t ung der ex t remen Deviationsstel lung ein Vertikalnystagmus nach oben ein.

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7. MAI I932 KLINISCHE W O C H E N S C H

Beide N y s t a g m u s s o r t e n , sowohl der v o m r ech t en als a u c h der v o m l inken Ohr ber erzeugte , hal te i l w~hrend der Spi i lung m i t 3oo ccm an, u m d a n n allmi~hlich abzuk l ingen .

Exitus a m 15. V. 1926. Autopsie (Pathol . I n s t i t u t Greifswald): HfihnereigroBe Ge-

schwuls t , v o m Boden des 4. Vent r ike ls ausgehend , in die Vent r ike l - h6hle sowie in den W u r m des Kle inh i rns vo rwachsend . U m s c h r i e - bene B l u t u n g in der Geschwuls t . Verlegui lg des 4. Vent r ike l s u n d des A q u a e d u c t u s sylvi i . Deu t l i che r H y d r o c e p h a l u s i n t e r n u s der be iden Sei ten- u n d des m i t t l e r en Geh i rnven t r ike l s . His to log isch : Kleinzel l iges Sa rkom.

Fall 2. E r h a r d R., 24 J a h r e alt . K l i n i k s a u f n a h m e A n f a n g M~rz 1928. A u s z u g aus der Kra i lke i lgesch ich te der Mediz in i schen Uni - ve r s i t~ t sk l in ik Greifswald :

Seit S o m m e r 1927 S c h m e r z e n ira Rfieken, die a l lm~hl ich i m m e r m e h r z u n a h m e n . Seit W o c h e n Unf~higke i i , s ich au fzu r i ch t en . t™ S t 6 r u n g der Sensibi l i t~t u n d der Mot i l i t~ t bemerk t .

Be]und: Ref lexe lebhaf t , an den A r m e n s t~rker als an den Beinen . I™ pa thologische i l Reflexe. Motor ik , Kra f t , Sensibi l i t~t o. B. Ke ine Adiadoehokinese , keine Atax ie . Pup i l l en rund , rech ts = l i n k s , reagierei l au f L i c h t u n d Konve rgenz . S t auungspap i l l e bds. Ne tz - h a u t b l u t u n g e n u m die Papil le .

Ara 3. 111. s ind die Per ios t - u n d Sehnenre f lexe an den A r m e n n u r noch s chwach , an den Beineil n i c h t m e h r auszu l6sen . H a u t - ref lexe o. B. L inke r T r i g e m i n u s (Cornea) vie l le icht e twas schw~cher e m p f i n d l i c h als rechts .

A m 8. I I I . s ind die Pe r ios t sehnenre f l exe s~mt l i ch er loschen, sensible Ref lexe s~mt l i ch e rha l ten .

Ohruntersuchung. Be]und ara 8. I I I . : T rommel fe l l bds . reizlos, r e ch t s ger inge Res iduen . H 6 r v e r m S g e n bds. no rma l . S e n s o r i u m fret.

Bel Blick n a c h rechts , l inks, oben u n d u n t e n grober N y s t a g m u s m i t e iner der B l i ck r i ch tung jeweils e n t s p r e c h e n d e n S e h l a g r i c h t u n g Bel Blick geradeaus , a u c h u n t e r der Leueh tbr i l l e im Dunke l - z immer , A u g e n r u h e . ( S p o n t a n n y s t a g m u s v o m T y p u s des regel- m~Bigen B l i c k r i c h t u n g s n y s t a g m u s . )

Calorische P r t i fung in Ri ickenlage des Pa t . , K o p f u m 3 ~ Grad e r h o b e n ( O p t i m u m s t e l l u n g I der hor izonta le i l Bogeng~nge) . Augen - b e o b a c h t u n g u n t e r der Leuchtbr i l l e bei Bl ick ge radeaus im Dunke l - z i m m e r .

Rechts d u r c h E i nb l a sen s t u b e n w a r m e r L u i t in den GehSrgang p r o m p t u n d ausgiebig erregbar . Es t r i t t der typ ische , in den r e c h t e n Orb i t a l ha l f t en sch lagende L i n k s n y s t a g m u s auf .

Links t r e t e n dagegen auf den g le ichen Reiz h i n z u n a c h s t n u r e inige gesetzmXBig n a c h rech t s sch lagende hor izon ta le N y s t a g m u s - rucke auf, d a n n schlieBt sich, v e r b u n d e n d u r c h ein seh r l a n g s a m e s R e e h t s z i e h e n der Bulbi , e in zur gespi i l ten Seite, also a t y p i s c h ge- r i ch t e t e r L i i l k s n y s t a g m u s an, der g e m i s c h t i s t au s r o t a to r i s chen R u c k e n n a c h l inks u n d ve r t ika l en R u c k e n n a c h oben. Dieser N y s t a g m u s i s t s eh r grobschl~gig Ilnd ganz aul3ergew6hnl ich lange d a u e r n d .

Be/und a m 15. I I I . 1928, Calorische P r i i fung e rg ib t heure ganz a i lde ren B e f u n d : S p o i l t a n n y s t a g m u s wie frfiher, aber bei Bl ick ge r adeaus u n t e r der Leuehtbr i l l e V e r t i k a l n y s t a g m u s n a c h oben.

Calorische P r i i fung u n t e r den g le ichen B e o b a c h t u n g s b e d i n g u n - gen wie obeil:

2~echts: W a s s e r s p t i l u n g des GehSrgangs m i t W a s s e r von 2o ~ fiir 15 Sekundei l e rg ib t keineil N y s t a g m u s !

Links: Mit 5 S e k u n d e n 27 ~ typ i sch , abe r s c h w a c h er regbar . E s t r i t t 2o S e k u n d e n n a c h Spt i lbeginn ein 75 S e k u n d e n l ang d a u e r n d e r hor i zon ta le r R u c k n y s t a g m u s n a c h rech t s auf, von seh r ger inger Ampl i t ude , in k n a p p mi t t le rer , oft geringer , zuwei len seh r ge r inge r F requenz . Kont ro l l e m i t IO S e k u n d e n 2o ~ erg ib t krMti - ge ren t y p i s e h e n R e c h t s n y s t a g m u s .

Exitus a m 17. I I I . Autopsie (Pathol . I n s t i t u t Greifswald): Schnel l w a c h s e n d e s

Gl iosa rkom, v o m W u r m ausgehend , bds. k l a m m e r a r t i g in die obe ren R e g i o n e n des Bodens des 4. Vent r ike l s e inwachsend . Str iae acus t i cae bds . v o m T u m o r ergriffen.

Fal l3 . Ju l iu s M., 1I J a h r e aiE. Un ive r s i t~ t sk inde rk l in ik , K61n. I ™ a m 5. VI I . 1928. A u s z u g aus der K r a n k e n - gesch ich te :

Seit 3 M o n a t e n h~uf iges ~be l se in , zuwei len E rb rechen . Seit 3 W o c h e n V e r s e h l i m m e r u n g : Kopf -R t i ckenschmerzen , E r b r e c h e n I - - 2 m a l a m Tage, sei t e iner W o c h e zuwei len Doppe l t s ehen .

Nervenstatus: Keine pa tho log i schen Reflexe, die phys io log i schen Ref lexe s ind normal . G a n g uns i che r u n d t a u m e l n d , keine Atax ie . I™ Adiadochokinese , keine H y p o t o n i e . Keii le Sensibi l i t~ts- s t6 rung .

Augenhintergrund: Bds. Papil l i t is . Pup i l l en g le ichrund , gleich- wei t . R e a k t i o n auf L i ch t u n d K o n v e r g e n z p r o m p t . B l i ck l l i hmung l inks .

R I F T . I I . J A H R G A N G . N r . 19 8 0 3

I m we i t e ren Ver lau f wurde z u n e h m e n d e S t a u u n g s p a p i l l e fes tgeste l l t , u n t e r d e m 18. V l I . i s t no t i e r t : Bab in s k i posi t iv , s t a rk e r "Schwindeh L a s s š posi t iv . Deu t l i che Atax ie .

A m 2I. VI I . w u r d e Ventr ike lpunkt ioI1 g e m a c h t (G. R. TIL- MANN). D r u c k des Vent r ike l l iquors : 650 m m Wasse r . Es w u r d e n l inks 5 ~ c c m k la ren L iquors abgelassen , der cy to log i sch n o r m a l ist . GesamteiweiB : o ,o i %.

Ohruntersuehung a m 8. VII , I I . V l I . u n d a m 25. VI I . 1928, wenige Tage n a c h der V e n t r i k e l p u n k t i o n .

Be]und a m 8. VI I . I928: T rommel fe l l bds . o . B . S p o n t a n - n y s t a g m u s v o m T y p u s des regelmliBigeil :B l i ck r i ch tu n g sn y s t ag m u s . Bel Reehtsblick sehr f r equen te s R e c h t s r u c k e n , k n a p p mi t te l , f a s t feinschl~gig. Bel Linksblick f r equen t e s mi t t e l sch lag iges L in k s - ruckeil . Sowohl das R e c h t s r u c k e n als a u c h das L i n k s r u c k e n t r i t t in g ruppe l lwe isen Schlagfolgen auf, die u n t e r b r o e h e n s ind v o n l a n g s a m e m Ri ickgle i ten der Bulb i in die Mi t te l s te l lung , ui ld zwar bel L inksb l i ck a u s g e s p r o c h e n e r als bel Rech t sb l i ck .

Bel Au]blick mit t e l sch lag iges , m i t t e l f r e q u e n t e s A u f r u e k e n . Bel Abblick a n g e d e u t e t e s Abruckei l .

Bel Blick geradeaus A u g e n r u h e . A u c h u n t e r der Leuch tb r i l l e ira D u n k e l z i m m e r bel Bl ick ge radeaus A u g e n r u h e .

Calorische P r t i fung in Rf ickenlage des P a t i e n t e n m i t u m 3 ~ 1 7 6 e r h o b e n e m Kopf ( O p t i m u m s t e l l u n g I der ho r i zon ta l en Bogeng~nge) . A u g e n b e o b a c h t u n g u n t e r der Leuch tb r i l l e bel Bl ick g e r ad eau s im D u n k e l z i m m e r .

Spt i lung des GehSrgai lges m i t W a s s e r v o n 27 o fiir 5 S e k u n d e n ergib t bds. ke inen N y s t a g m u s ! io Sekundei l 27 ~ rech t s e rg ib t a n g e d e u t e t Vertikalnystag�9 n a c h oben! 60 Sekunden 20 ~ rechts: deutlieher Vertikalnystagmus nach obenl IO S e k u n d e n 27 ~ liilks a n g e d e u t e t H o r i z o n t a l n y s t a g m u s n a c h rechts , aber seh r uns icher . 6o S e k u n d e n 20 ~ l inks : a n g e d e u t e t H o r i z o n t a l n y s t a g m u s n a c h rechts , aber w i e d e r u m sehr uns ieher .

Coch lea r i s funk t ion bds . i n t ak t . F1t is tersprache wird bds . au s fiber 4 m E i l t f e r n u n g v e r s t a n d e n . Obere Tongrenze bel 2oooo H e r t z bds . (Monochord), u n t e r e Tongrenze bel 16 He r t z bds .

c 128 u n d c �87 we rden bds zu E n d e geh6r t . Be]und ara I I . VI I . 1928 u n v e r ~ n d e r t . Be]und a m 25. VI I . 1928: Pa t . i s t s eh r r i e l e lender geworden .

Cochlear is wie fr t iher i n t ak t . Calorisehe P r t i fung u n t e r den g le ichen B e d i n g u n g e n wie oben :

60 S e k u n d e n 13~ rech t s v ie l le icht ve r t ika le r A u f n y s t a g m u s , aber uns icher . E inwandf r e i e r R i i ckgang der E r r e g b a r k e i t gegent iber der e r s t en U n t e r s u e h u n g . L inks v611ig u n e r r e g b a r m i t � 9 Spf i lung von 13 ~

Exitus infolge A t e m l ~ h m u n g a m 31. V I I I . 1928.

Abb. i. Gehirn des Falles 3.

Autopsie (Pathol . I n s t i t u t K61n) : E p e n d y m t u m o r des 4. Ven t r i - kels m i t s t a rke r K o m p r e s s i o n der Medul la ob longa t a u n d der P o n s (s. Abb. I).

E s f a n d s i c h a l so s t a t t d e s n o r m a l e n , z u r n i c h t g e s p i i l t e n Se i t e s c h l a g e n d e n c a l o r i s c h e n H o r i z o n t a l - b z w . h o r i z o n t a l - r o t a t o r i s c h e n N y s t a g l n u s :

f fm FaUe 1 ( S a r k o m , v o m B o d e n d e s 4. V e n t r i k e l s a u s - g e h e n d ) .

be l L i n k s s p i i l u n g : d › c o n j u g u › n a c h l i n k s u n d n a c h E r r e i c h e n e x t r e m e r L i n k s d e v i a t i o n V e r t i k a l n y s t a g l n u s n a c h o b e n .

Ira Falle 2 ( G l i o s a r k o m d e s W u r m s , in d e n B o d e n d e s 4. V e n t r i k e l s e i n g e w a c h s e n )

be l L i n k s s p i i l u n g : l a n g s a m e A u g e n d e v i a t i o n n a c h r e c h t s (!) u n d r o t a t o r i s c h e r N y s t a g m u s n a c h l i n k s (!) g e m i s c h t m i t V e r t i k a l n y s t a g m u s n a c h o b e n .

Page 3: Tumoren im Bereich des 4. Ventrikels mit Regelwidriger Schlagrichtung des Calorischen Nystagmus

804 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . I I . J A H R G A N G . N r . 19 7. MAI 1932

Ira Falle 3 ( E p e n d y m o m des 4 - V e n t r i k e l s ) . Bei Rech t s sp f i l ung : V e r t i k a l n y s t a g m u s n a c h oben. Die geseh i lde r t en E r g e b n i s s e l assen s ich z u s a m m e n f a s s e n

in fo lgende s S y n d r o m : Regelwidrige Schlagrichtung des calorischen .Nystagmus

(mi t V e s t i b u l a r i s u n t e r e r r e g b a r k e i t ) bel beiderseits intakter Coehlearis]unktion.

W e n n a u c h die h i s to log i sche U n t e r s u c h u n g fehlt , so k a n n wohl ke in Zweifel da r f ibe r be s t ehen , dal3 dieses E r g e b n i s in d e n v o r l i e g e n d e n F~l len au f S t 6 r u n g e n ira ze l l t ra len Kern - b a h n e n g e b i e t des Ves t ibu l a r i s b e r u h t . Das i s t d e s h a l b anzu - n e h m e n , weil die u r s~ch l i chen K r a n k h e i t s p r o z e s s e in d iesem Geb ie t bzw. se iner e n g s t e n N a c h b a r s c h a f t gelegen s ind u n d weil eine pe r iphe re E n t s t e h u n g in A n b e t r a c h t de r u n g e s t 6 r t e n Coch lea r i s funk t ion u n w a h r s c h e i n l i c h ist .

Das ves t i bu l~ re K e r n b a h n e n g e b i e t , sowei t es der N y s t a g - m u s e n t s t e h u n g d ient , l i e g t b e k a l l n t l i c h im H i r n s t a m m u n d r e i c h t v o n de r Area ves t i bu l a r i s m i t i h r e m H a u p t z e n t r u m , d e m D e i t e r s s c h e n Kern , bis zur Vierhf igelgegend. I n de r Area ve s t i bu l a r i s t i n d e n die p e r i p h e r e n F a s e r n ih re p r im~re E n d - s t~ t te . Von h ie r aus z i ehen ste n a c h I n n e r v a t i o n de r A b d u - censke rne in die L~ngsbf indel , u m au f s t e igend z u m Troch le - ar ts- u n d Ocu lomoto r iu sgeb i e t zu gelangen. Wese l l t l i chen Ante i l a n d e m Z u s t a n d e k o m m e n des ves t ibu lXren N y s t a g m u s n i m m t wahr sche in l i ch a u c h die F o r m a t i o re t icular is . I m ein- ze lnen silld zwar die I ™ zu den kom- p l i z ie r t en F u n k t i o n e n de r v e s t i b u l ~ r e n Augenmuske l r e f l exe n o c h s t r i t t ig . A b e r soviel weiB m a n m i t aus r e i chende r Sicher- he i t , d ag de r ge s am t e zu r E n t s t e h u n g des ves t ibu lXren Nys tag - m u s dienel lde K e r n b a h n e n k o m p l e x au f die soeben skizzier te H i r n s t a m m r e g i o n zusammengedr~ tng t ist. Al ldere H i rn t e i l e d i i r f t en h 6 c h s t e n s h e m m e l l d e bzw. e n t h e m m e l l d e Einflf isse en twicke ln .

Es l~tBt s ich also a n n e h m e n , daB in d ieser H i r n s t a m m - region die u r s~ch l i chen S t6 runge l l gelegen s ind, die zu d e m b e s c h r i e b e n e n gese tzwidr igen ca lor i schen N y s t a g m u s gef i ihr t h a b e n . W o u n d wie diese S t 6 r u n g e n i m e inze lnen angegr i f fen h a b e n , I/~Bt s ich schwer sagen, u n d auch die h i s to log ische U n t e r s u c h u n g wfirde uns d a n i c h t wei te rhe l fen , d e n n n e b e n de r A u s d e h n u l l g des T u m o r s k o m m e n ja a u c h seine u n m i t t e l - ba ren , m i k r o s k o p i s c h n i c h t b e g r e n z b a r e n N a c h b a r s c h a f t s - w i r k u n g e n in t3e t rach t .

W i r k 6 n n e n also n u r s u m m a r i s c h sagen, daB es sich u m S t 6 r u n g e n u n d , ,Kurzsch l f i s se" in d e m e inem v e r z w i c k t e n e l ek t r i s chen S c h a l t w e r k ve~g!™ K e r n b a h n e n k o m p l e x des Ves t ibu la r i s i ra H i r n s t a m m h a n d e l t .

P r a k t i s c h wesen t l i ch is t n u n die Frage , wiewei t wir es h ie r m i t e inem S y n d r o m zu t u n h a b e n , das k l in i sch-d iagno- s t i sche iRfickschlfisse a u f d e n :Si~~ de r S t 6 r u n g ira Z e n t r u m g e s t a t t e t . W e n n wir a u c h n a c h d • Gesag t en d a r i n e in genau auf Mi l l imete r loka l i s ie rbares S y m p t o m n i c h t sehen dfirfen, so w~tre die T a t s a c h e , daB d a m i t ein i m I - I i rn s t amm bzw. se iner u n m i t t e l b a r e n N a c h b a r s c h a f ™ sp ie lender ProzeB ge- s i che r t w e r d e n k a n n , s c h o n wich t ig genug.

Unse re s E r a c h t e l l s i s t dies de r Fal l , sowei t s ich aus d e m v o r l i e g e n d e n sp~r l i chen Mate r i a l solche F r a g e b e a n t w o r t e n l~Bt. Z u m i n d e s t i s t die ganze A r t de r S t 6 r u n g bei Berf ick- s i c h t i g u n g de r n o r m a l e n a n a t o m i s c h - p h y s i o l o g i s c h e n ]3ezie- h u n g e n e in so l l achdr f ick l icher Hinweis au f den Sitz i ra H i r n - s t a m m , dal3 es s ich lohl len dfirf te, in Zuku l l f t auf das Auf- t r e t e n des gesch i lde r t en S y n d r o m e s a u f m e r k s a m zu ach ten .

AuX G r u n d de r a n a t o m i s c h e n Gegebe l lhe i t en i s t z u n ~ c h s t a n z u n e h m e n , daB die k r a l l k h a f t e n Vorg~nge, die zu den ge- s ch i l de r t en Gese t zwid r igke i t en des ca lo r i schen N y s t a g m u s ff ihren, d o r t zu s u c h e n sind, wo die n e r v 6 s e n E l e m e n t e ffir die e inze lnen S c h l a g r i c h t u n g e n rXuml ich g e t r e n n t l iegen u n d e iner i so l ie r ten SchXdigung ih re r se lbs t oder i h r e r a s soz i a t i ven F a s e r n ausgese t z t s ind. Das i s t v o r a l l em i m z e n t r a l e n Kern - geb ie t de r Fal l . D a abe r a u c h i m p e r i p h e r e n L a b y r i n t h die r~tumlich g e t r e n n t e n S innesends t e l l en S o n d e r b e z i e h u n g e n zu b e s t i m m t g e r i c h t e t e n N y s t a g m u s s o r t e n h a b e n , so i s t der Aussch luB e iner l a b y r i n t h X r e n t ; n t s t e h u n g die V o r a u s s e t z u n g ffir die V e r w e r t b a r k e i t als top i sches H i r n s y m p t o m .

I n u n s e r e n F~l len schl ieBt die i n t a k t e Coch lea r i s funk t ion ei l len l a b y r i n t h ~ r e n Sitz de r S t 6 r u n g aus, d e n n eine s t~rkere l a b y r i n t h ~ r e V e s t i b u l a r i s a f f e k t i o n ohne gleichzei t ige Cochle- a r i s s t 6 r u n g i s t ganz u n w a h r s c h e i n l i c h . I ra f ibr igen s ind Ge- s e t zwid f igke i t en des e x p e r i m e n t e l l e n N y s t a g m u s e r f ah rungs - gem~B ara ehes te l l bei c i rcumscr ipte i1 L a b y r i n t h i t i d e n illfolge L a b y r i n t h f i s t e l zu e rwar ten . L a b y r i n t h f i s t e l n s ind abe r l e ich t e r k e n n b a r ( F i s t e l s y m p t o m , ursXchl icher Mi t te lohrprozeB) .

W e n n d e m n a c h , wie in u n s e r e n F~llen, die f ragl ichel l V e s t i b u l a r i s s t 6 r u n g e n bel n o r m a l e m 1Viittelohr ul ld n o r m a l e r Coch lea r i s funk t ion als r e t r o l a b y r i n t h ~ r a n g e s p r o c h e n werden mfissen, so i s t es s chon auf G r u n d de r soeben a n g e s t e l l t e n 13berlegungen l laheliegelld, sie als z en t r a l anzusehen . Bei r e t r o l a b y r i n t h ~ r e n Af f ek t i onen des N e r v e n s t a m m e s s ind Ge- s e t zwid r igke i t en des ca lo r i schen N y s t a g m u s b i she r u l l b e k a n n t .

I ) agegen l iegen einige t 3 e o b a c h t u n g e n vor, in d e n e n H i r n - s t a m m e r k r a n k u n g e n zu ~ h n l i c h e n ' E r s c h e i n u n g e n geff ihr t h a b e n . So e r w ~ h n t GRAttE 1, dal3 bei c a u d a l e n D e i t e r s h e r d e n e x p e r i m e n t e l l de r ho r i zon ta l e N y s t a g m u s feh l t ul ld daB s t a t t dessen v e r t i k a l e r N y s t a g m u s au f t r i t t , wie er a n e igenen F~llen, die n i c h t n~ther gesch i lde r t s ind, b e o b a c h t e t ha t . E r b e z i e h t s ich fe rner au f einige I3eobach tungen v o n FREEMAN~, MAUTH- NER 3, W O D A K u n d HERMANN 4.

Die F~ille der le tz tgenannten Autoren geh6ren allerdings nicht hierher, da es sich bel WODA�9 und HERMANN um das Auftreten von vert ikalem Pendelnystagmus in 2 F~llen von Abducensparese handelte, der nur beim Blick in der Richtung der Parese au�9 Bel Beobachtung in der Prim~rstellung bzw. der l~uhelage der Augen, wie ste in unseren Untersuchungen grundsXtzlieh vorgenom- men wurde, verhiel ten sich jedoch die FMle von WODAK und HERMANN nicht auff~illig, wenn man davon absieht, daB ara pare- t ischen Auge s t a t t des horizontalen bzw. horizontal-rotatorischen Nystagmus nur rotatorischer Nystagmus typischer Schlagrichtung auftrat , was durch den Ausfall der Abducensfunktion als peripher- bedingte Erscheinung des Augenmuskelapparates erkl~rlich ist

Der FMI von I'r ist ein rechtsseitiger KleinhirnabsceB mit encephalit ischen Herden in derl~edulla oblongata (nach Masern), bei dem durch Kaltspfilung eine minutenlange andauernde Hertwig- Magendiesche Schielstellung eintrat .

FI~EEMAN beschreibt ein ausgedehntes Gliom der Pons, das bel linksseitiger Taubhei t und gutem Geh6r der rechten Seite einen horizontalen Spontannystagmus, am stXrksten beiBlick nach rechts, zeigte. Nach Rechtsdrehungen wurde der Spontannystagmus ffir io Sekunden aufgehoben, nach Linksdrehung ffir 2 5 Sekunden ver- stXrkt. Spfilung 16ste weder von rechts noch von links her Nystagmus aus, wenn der I™ aufrecht gehalten wurde. Bel Rfickbeugung des Kopfes (also E innahme der Optimumstellung. Ref.) t r a t aber nach Spfllung rechts ein deutlicher Aufnystagmus (a marked reaction upward) ein mit einer Neigung zur d› conjugu› nach links. Spfilung links ergab keine calorische 1Reaktion.

Ferner beobachtete NEUMANN ~ einen FMI von Acusticustumor iinks, der bel linksseitiger calorischer Unerregbarkei t durch Kalt- spfllung rechts einen calorischen Nystagmus nach rechts s ta t t nach links zeigte.

W i r r e c h n e n aueh m i t der M6gl ichkei t , daB s ich bel wei- t e r e n E r f a h r u n g e n das beseh r i ebene S y n d r o m als Anze ichen eines v o m 4. Ven t r i ke l he r w i r k e n d e n bzw. in der H i r n s t a m m - s u b s t a n z gelegenen Prozesses v e r w e r t e n lassen und somi t eine A b g r e n z u n g gegenfiber den basa l loka l i s i e r t en P rozessen vo r a l l em gegenfiber d e m I ™ g e s t a t t e n wird .

N l e i n h i r n b r f i c k e n w i n k e l t u m o r e n f f ihren zwar bei en t - sp r echende r Gr6Be ebenfa l l s zu H i r n s t a m m s y m p t o m e n und , wie die t 3 e o b a c h t u n g v o n •EUMANN zeigt, k 6 n n e n a u c h ste zu e iner rege lwidr igen S c h l a g r i c h t u n g des ca lor i schen Nys t ag - m u s ffihrell. A b e r in den b i she r b e k a n n t e n F/ i l len i s t d a n n t r a m e r die Coch lea r i s funk t ion gle ichzei t ig geschgdigt .

Als Anze i chen frit e inen i n t r a m e d u l l / i r e n bzw. ira 4. Ven- t r ike l loka l i s i e r t en ProzeB wird die regelwidr ige Schlagr ich- t u n g des ca lor i schen N y s t a g m u s d e s h a l b n u r d a n n gel ten k6nnen , wenn, wie in u n s e r e n 3 F/illen, die Coch lea r i s funk t ion i n t a k t ist .

Die in u n s e r e n F/ i l len v o r h a l l d e n e auBergew6hnl iche W i d e r s t a n d s f ~ h i g k e i t der Coch lea r i s funk t ion gegenfiber der v o m 4. Ven t r i ke l he r e inwi rkende n Sch~idigung i s t b e m e r k e n s - wer t . So h a b e n die Cochlear i skerne ira Fa l le 3 t r o t z der s t a r -

Page 4: Tumoren im Bereich des 4. Ventrikels mit Regelwidriger Schlagrichtung des Calorischen Nystagmus

7. MAI 1932 K L I N 1 S G t { E W O C H E N S C H R I F T . II . J A I { R G A N G . N r . 19 8o5

ken K o m p r e s s i o n des H i r n s t a m m e s (Abb. I) i h re F a n k t i o n e r h a l t e n .

]3ee in t r / i ch t igung der H 6 r f u n k t i o n bel T u m o r e n des 4. Ven t r ike l s wird a u c h v o n MARBrJRG y als z ieml ich se l t en beze ichne t .

Dur in u n s e r e n F~ l l en v o r h a ~ d e n e n U l t t e r e r r e g b a r k e i t des V e s t i b u l a � 9 messen wir m e t hodo l og i s ch niir un t e rgeo rd - ne te B e d e u t u n g bei, weil die B e u r t e i l u n g des E r r e g b a r k e i t s - g rades auBero rden t l i ch u l ts icher ist, soba ld dur N y s t a g m u s -- das wesen t l i chs t e K r i t e r i u m der E r r e g b a r k e i t - - q u a l i t a t i v v e r ~ n d e r t i s t

D e s h a l b e r w ~ h n e n wir die U n t e r e r r e g b a r k e i t in unsere r S y n d r o m b e n e n n u n g n u r in I™

Wie nus unseren Protokollen ersichflich, wurde die Nystagmus- beobachtung grundsatzlich bei Blick geradeaus bzw. in dur jeweiligen Ruhestel lung der Augen vorgenommen, und zwar mittels der Augenbeobachtung nn te r unserer Leuchtbri l le im Dunkelzimmer.

Eine derartige Untersuchungsmethode, die er gestattet , bei bester Betrachtungsm6glichkeit die Einflfisse dur vestibulgren Erregung an Augen zu beobachten~ deren optischer t™ mi t der Umgebung unterbrochen ist, so daB die hemmende Fixation ausgeschaitet /st und die Bewegungsvorgange deutl ich s ichtbar werden, ohne da[ t bes t immte willkilrhche Blickrichtungert ein- genommen weiden miissen, ist unseres ~ raeh tens geradezu eine Vor- bedingung fier zuverl~ssige 13efunde in FXllen, wie den oben be- schriebenen, l )ber Einzelheiten dur von uns geflbten l e t h o d i k unter r ichte t eine zusammenfassende Darstellung dur ,,Ohren~rzt- lichen Untersuchungsmethoden in dur neurologischen Diagnostik ''~.

ZusammenJassung: I n 3 F~ l l en roi1 H i r n t u m o r e n im ]3ereich des 4. Ven t r ike l s wurde eine regelwidr ige S c h l a g r i c h t u n g des cMorischen N y s t a g m u s b e o b a c h t e t , de ra r t , daB s t a t t des nor- malen, zu r n i ch tgesp i i l t en Suite g e r i e h t e t e n H or i zon t a l - bzw. h o r i z o n t a b o t a t o r i s e h e n N y s t a g m n s e in V e r t i k a l n y s t a g m u s IIach o b e n oder dag ein ro t a to r i s che r N y s t a g m u s zur gespi i l ten Seite a u f t r a t .

Diese E r s c h e i n u n g e n w a r e n v e r b u n d e n m i t Un te r e r r eg - b a r k e i t des Ves t ibular i s .

Die I - I6rfunkt ion w a r in a l len 3 F~l len be iderse i t s i n t a k t . Das S y n d r o m : Regelwidrige Sehlagriehtung des calorischen

Nystagmus (mi t U n t e r e r r e g b a r k e i t des Ves t ibular i s ) bei bds. ~ntr, kter CochIeari�87 wird als diagnos%isvh ve rwer t - ba re s I t i r n s t a m m s y m p t o m angesehen . Wei te re ]3eobach- t u n g e n mfissen zeigen, o b i h m d iHeren t i a ld i agnos t i s che Be- d e u t u n g zur U n t e r s c h e i d u n g zwischen SchXdigungen des H i r n - s t a m m e s v o m 4. Ven t r ike l he r u n d so lchen v o n de r Bas i s be r z u k o m m t .

L i t e r a t u r : t GRAHE, Handbuch der normalen und pathogenen Physiologie v. Bethe, Bergmann, Embden, Ellinger 15, 418 (~93o) , -

FR]gEI~~AN, Arch. of NetoEr. 7, 454 (�9 -- a MAUTH~~R, Msehr. Ohrenheilk. 59, 672 (1925). - - y WoI)aX n. HERMNAN, t™ Mbl. Augenheilk. 75, 322 (I925). - - �87 N~I)m~x~, zit. bei RAucB, Msehr. Ohrenheilk. 53, 639 (1919). - - ~ MARBU~G, Handbuch der Neurologie des Ohres 3, ~I9. -- 2 FRENZEL, Nervenarzt x93I, H. I ~ 3 .

SECHS LEBENSLAUFE ALS SOZlALHYGIENISCHER BEITRAG ZUR FRAGE ALKOHOLISMUS

UND TUBERKULOSE. Von

RUTH SELKE, Medizinalpraktikantin.

Aus dem S0ziaI-hygienischen Seminar der Universit~it Heidelberg {Leiter: Frau Dr. BAUM, Priv.-Doz. Dr. GUNDEL und Prof. FRAEI'~KEL).

Die B e z i e h u n g e n VOlt T u b e r k u [ o s e und A l k o h o i i s m u s s[iid schon off s t u d i e r t n n d er6rte~-t w o r d e n ; m i t wenig Er �9 Jedenfa l l s i s t der Versuch, d e n dur b e r f i h m t e Ber l ine r P a t h o - loge ORT~I in den l e t z t e n L e b e n s j a h r e i i ge~r ha t , die F r a g e au f G r u n d v o n Sektionsbe]unden zu klXren, gesche i te r t .

A u c h klinisch l iegen die Verh~I tn i sse seh r kompl iz ie r t . Es g ib t Ti iberkul6se , die zu T r i n k e r n werden , ohlte daB ste Scha- den nehmei i . Liegt doch die Zei t n i c h t a l l zuwei t zurt ick, in de r r e i ch l i che r W e i n - I I n d t™ ein A t t r i b u t de r S a n a t o r i u m s b e h a n d l u n g war . A n d e r e r s e i t s k e n n e n wir T r i n : ke r m i t g u t a r t i g e n (c i r rho t i s ie renden) F o r m e n de r Tube iku lo se ;

andere , dle s ich t r o t z e i n g e t r e t e n e r H 6 h l e n b i l d u n g (Kavernen) l ange ha l t en , so daB m e h r em N e b e n e i n a n d e r als e in Gegen- e i n a n d e r be ide r E r k r a n k u n g e n zu b e s t e h e n sche in t , IInd w i e d e r u m schl ieBt v ie l faeh das L e b e n s d a s e i n zah l re i che r A1- koho i i s t en m i t eiiier s t t i rmi seh v e r l a u f e n d e n Tube rku lo se a b ~a lkohol i sche Ph™ N e u e r w a c h t e t~ indhe i~s in fek te spie~en in d iesen wechse lvo l len V e r h a l t n i s s e n o f t eine ebenso groBe Rol le wie N e u e r k r a n k u n g e n ira E r w a c h s e n e n a l t e r . A u c h aiif Gru i id v o n k l i n i s chen E i n z e l b e o b a c h t u n g e n k o n a m t m a n d e m P r o b l e m n i c h t ngher . A u c h de r Versuch , e inen Pa ra l l e l i smus zwischen A l k o h o l i s m u s und T u b e r k u l o s e s t e r b l i c h k e i t zu s u c h e n u n d zu t inden , f i ihr te n i c h t z u m Ziel.

N u r die A r b e i t e n DONATHS, de r e inen Rf ickgang de r T u b e r k u l o s e in d e n USA. de r R in f t i h rung des P m h i b i t i o n s - gesetaes gu t sch re ib t , sche inen als M a s s e n e x p e r i m e n t b e a c h t - l ich, d e n n die P r o h i b i t i o n w i � 9 s ich vo r a l l em auf die Sch ich t de r w i r t s c h a f t l i c h S c h w a c h e n aus, welche a u c h voi i T u b e r - kulose ara s t~irksten be t ro f I en s ind. Al le rd ings i s t zu be- denken , daB die T u b e r k u l o s e i ra l e t z t e n M e n s c h e n a l t e r a u c h iii dei i l t i ch t t rocke l t en L g n d e r n E u r o p a s w e n i g s t e n s b i s h e r in b e s c h l e u n i g t e m Rf ickgang begr i f fen ist.

N u r wenn m a n v o n d e m soz i a lhyg i en i s chen S t a n d p u n k t aus an die F r a g e heralttri%*, e r g e b e n s ich E i n s i c h t e n i n wich- t ige ]3ez iehungen be ider E r k r a n k u n g e n . Abe r ge r ade diese ]3e t r ach tungswe i se k o m m t in ~trztl ichen u n d V e r w a l t u n g s - k re i sen m e i s t zu kurz , obwoh l wei ln i r g e i i d w a n n dan l t h i e r das W o h l de r Fami l i e ui id dur G e s a m t h e i t , d e r Schu tz de r Gesu i iden de r F i i r sorge fiir die l ™ gleich g e o r d n e t ist, d e n e n m e i s t n u r schwer oder f i b e r h a u p t n i c h t zu he l fen ist .

H a t e in T r i n k e r Tuberku lose , so s t e h t i ra Vorde rg r i i nd des IKrankhe i t sb i [des u n d Geschehens nich• die T u b e r k u l ~ s e m i t i h r e r groBen N e i g u n g zum S t i l l s t a n d u n d Se lb s the i l ung in e i n e m FMI u n d zu ra scher L e b e n s v e r n i c h t u n g ira andere i i , s o n d e r n die Sueht -- d e n n ste i s t es, die t h e r a p e u t i s c h e r ]3eein- f l u s sung des K r a n k e n d e n W e g ver leg t . M a n h a t dei1 E in - d ruck , dal3 diese s e l b s t v e r s t ~ n d l i c h e A u f f a s s u n g noch i m m e r n i c h t G e m e i n g u t der Arzte , se lbs t de r Sozial / i rz te , u n d n i c h t de r W o h l f a h r t s ~ m t e r geworden ist .

Dur Sucht ige , dur A lkoho l i s t so gut wie dur Morph in i s t , w e n n i i b e r h a ~ p t , k a n n n u r d u r c h den P s y c h i a t e r und n u r in dur ge- s ch los senen A n s t a l t gebesse~t ode r gar gehe i l t werden . Die T u b e r k u l o s e u n d jedes a i idere L e i d e n i s t K o m p l i k a t i o n ode r , ,zweite t ™ d e r e n Qua len d u r c h die n a r k o t i s i e r e n d e u n d euphor i s i e r ende W i r k u n g des Genul3mi t t e l s d e m K r a n k e n n i c h t z u m B e w u B t s e i n k o m m e n . E r s t n a c h d u r c h g e f i i h r t e r E n t z i e h u n g i s t de r IKranke der B e h a n d l u n g zug~tnglich; deni i bei j ede r symptomta t i sche i l T h e r a p i e c h r o n i s c h e r K r a n k h e i t e n ist dur Arzt au f rixe U n t e r s t / i t z u n g dur K r a n k e n angewiesen . Gegen se inen Wi l l en l tnd ohne seine M i t w i r k u n g i s t ke in 1Kensch he i lbar . U n d ebei l sowenig g ib t es in s e inem U m k r e i s ei i ien F a m i l i e n s c h u t z oder Fami l ienf i i r sorge . ] ) e r T r i n k e r an- e r k e n n t u n d ler i i t ke ine P r o p h y l a x e u n d v e r w e n d e t aile FiJr- so rgemi t t e l , a u c h die ffir seine Fami l ie , fur A lkoho lbescha f fung .

W e r t u b e r k u l 6 s e T r i n k e r in groBer Z a h l a n s ich vorbe i - ziehelt s ah u n d Wem dabe i Ge legenhe i t g e b o t e n wurde, ih re F t i r s o r g e a k t e n e inzusehen , d e m ~ f f e n b a r t s ich die Unzu l~ng - l i chke i t u n s e r e � 9 A b w e h r m a B n a h m e n gegen diese G r u p p e ge- f~hr l icher Asozialer , d e n n diese a l l e in v e r u r s a c h e n die MiB- s tXnde; ste s ind f iberal l die gleichen. Keine i i dur a n i h r e r Be- h a n d l u n g be t e i l i g t en Arz t e ode r S o z i a l b e a m t e n t r i f f t e ine Schuld .

I ch greife aus v o n m i r se lbs t b e o b a c h t e t e n u n d d u r c h - g e a r b e i t e t e n F/illeii n u r einige be sonde r s t y p i s c h e heraus .

l . Dfe Akten fiber rien ge[ernten Arbei ter A., dur schan seit 1914 in Armenf�9 steht, waren erst ~on ~925 zu u Schon in einer ersten Ehe galten er und die EheI lau ftir unfXhig, ihre 3 Kinder zu erziehen, die deshalb in Ffirsorgeerziehung ge- nommen werden muBten. 2 weitere t™ befinden sich in Schwachsinnigenanstal ten, eines i m Waisenhaus. A n s zweiter Ehe s ta lnmen von 1924--1931 7 Kinder. Sechsmal war A. wegen Dieb- stahls vorbestraft .

Von Anfang an ist A. als Trin~er bekannt , auch die Frau t r ink t . NachbarschMt und Fiirsorgeheamten befichten, dag sich dus Ehepaar entweder in Wir• aufh~l~ oder d~g Sau‡ gelage in seiner VVohnung abgehal ten werden, Dur Hausha l t ist