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334 8. Uber Molekula&rafte imd elektrische Ladungern der Molekule; vow Max Reiwgawuum. So mannigfach die Bemuhungen sind, uber GroBe und Wirkungsweise der Molekularkrafte einen wenigstens an- genaherten AufschluB zu erhalten , so vereinzelt sind die Qersuche , direktere Beziehungen derselben zu fernerliegenden, namentlich den elektrischen Erscheinungen zu finden. Die folgenden Darlegungen beanspruchen nicht in diesem Sinne eine fertige Theorie zu sein, doch glaube ich, in der Hoffnung , vielleicht eine Anregung irgendwelcher Art geben zu konnen, mit der Mitteilung derselben nicht zuriickhalten zu sollen. Die Vorstellung von den Molekularkraften , welche nach einigen Seiten betrachtet werden soll, ergibt sich in einfacher Weise. Wir nehmen an, daB die neutralen Molekule positive und negative elektrische Ladungen enthalten von der GriiBe, welche aus den elektrolytischen Erscheinungen folgt, und machen ferner die Annahme, daB diese Ladungen sic,h an ortlich ge- trennten Stellen des Molekules befinden. Diese Vorstellung, welche bekanntlich auf dem Gebiete der Optik mit Erfolg eingefiihrt worden ist, ergibt als direkte Kon- sequenz Molekurlarkrafte elektrostatischer Natur , welche , wie wir zeigen wollen , wahrscheinlich die Hauptforderungen , die an solche Krafte zu stellen sind, erfiillen. Betrachten wir das Problem zunachst in qualitativer Weise, so sehen wir sogleich, daB die durch die Ladungen ausgeiibten Krafte eine starke Funktion der Entfernung sein mussen, da jedes Molekul gleichviel positive wie negative Ladungen enthalt.

Uber Molekularkräfte und elektrische Ladungen der Moleküle

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8. Uber Molekula&rafte imd elektrische Ladungern der Molekule;

vow M a x Reiwgawuum.

So mannigfach die Bemuhungen sind, uber GroBe und Wirkungsweise der Molekularkrafte einen wenigstens an- genaherten AufschluB zu erhalten , so vereinzelt sind die Qersuche , direktere Beziehungen derselben zu fernerliegenden, namentlich den elektrischen Erscheinungen zu finden.

Die folgenden Darlegungen beanspruchen nicht in diesem Sinne eine fertige Theorie zu sein, doch glaube ich, in der Hoffnung , vielleicht eine Anregung irgendwelcher Art geben zu konnen, mit der Mitteilung derselben nicht zuriickhalten zu sollen.

Die Vorstellung von den Molekularkraften , welche nach einigen Seiten betrachtet werden soll, ergibt sich in einfacher Weise.

Wir nehmen an, daB die neutralen Molekule positive und negative elektrische Ladungen enthalten von der GriiBe, welche aus den elektrolytischen Erscheinungen folgt, und machen ferner die Annahme, daB diese Ladungen sic,h an ortlich ge- trennten Stellen des Molekules befinden.

Diese Vorstellung, welche bekanntlich auf dem Gebiete der Optik mit Erfolg eingefiihrt worden ist, ergibt als direkte Kon- sequenz Molekurlarkrafte elektrostatischer Natur , welche , wie wir zeigen wollen , wahrscheinlich die Hauptforderungen , die an solche Krafte zu stellen sind, erfiillen.

Betrachten wir das Problem zunachst in qualitativer Weise, so sehen wir sogleich, daB die durch die Ladungen ausgeiibten Krafte eine starke Funktion der Entfernung sein mussen, da jedes Molekul gleichviel positive wie negative Ladungen enthalt.

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Molekularkrafte und elektrische Jadungen der Molekule. 335

Ferner folgt sofort, daB die Molekularkrafte im Mittel in einer Anziehunyskraf 't bestehen.

Denken wir uns die Richtungen aller Molekiile geometrisch willkiirlich verteilt, so wiirde offenbar die Summe aller Ab- stoBungen nahe gleich der Summe aller Anziehungen sein, und der Mittelwert der Kraft wiirde verschwinden. Da jedoch durch die Ladungen Drehmomente ausgeiibt werden stets in dem Sinne , da8 entgegengesetzte Ladungen einander zugedrebt werden, so muB als Mittelwcrt aller Molekularwirkungen eine Anziehiing resultieren.

Die Theorie erfiillt somit qualitativ die beiden all- geineinsten an sie zu stellenden Forderungen.

Im einzelnen enthalt sie noch verschiedene Moglichkeiten der Vorstellung, auf welche wir kurz eingehen wollen.

Es ergibt sich zunachst die Frage: 1st der Abstand je zweier entgegengesetzter Ladungen auf dem Molekiil als eine (nahezu) konstante GroBe zu betrachten, oder ist er eine Funktion der BuBeren verteilenden Krafte ?

Und ferner: Sind die Ladungen am Molekiil selbstandig beweglich, oder sind sie mit demselben so verbunden, daB ein auf die Ladungspaare ausgeiibtes Ihehmoment gleichzeitig eine auf das Molekiil ausgeubte Kraft bedeutet?

Zu cliesen beiden Fragen brauchen wir fur das unten be- ha,ndelte Problem von vornherein nicht Stellung zu nehmen.

Dagegen werden wir eine andere allgemeine Voraussetzung machen, daB namlich die auftretenden elektrischen Krafte groB genug sind, uni Drehungen wirklich in der zur Verfiigung stehenden Zeit auszufiihren, wobei wir es dabingestellt sein lassen, ob sich die Molekiile selbst an den Drehungen be- teiligen, oder ob sich diese nur auf die an den Molekiilen befindlichen Ladungen erstrecken.

Dabei setzen wir voraus, daB die in die Kraftrichtungen gedrehten Ladungspaare nur geringe Schwingungen ausiiben. Man kann sich eine Dampfung der Schwingungen verursacht denken durch die mit denselben notwendig verbundene Strah- lung und Energieiibertragung. Im folgenden ist von Schwin- gungen um die Ruhelagen uberhaupt abgesehen, da ihre Ein- fiihrung ganz spezielle Annahmen iiber die Ladungen und die Tragheitsmomente der Molekiile notig machen wiirde.

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Die Resultate scheinen diese Vernachlassigung zu rechtfertigen. Andernfalls n aren die aus dem Gaszustand folgenden Werte als untei e Grenzen aufzufassen.

Was ilbrigens unsere erste Frage anbetrifft, so wird es sich Rrnigsteu; als wahrscheinlich herausstelleri, daD der Abstand der Ladungen durch die Wirkung der andexen Molekiile nicht erhebiich geandert wird. I)

_ luf die zweite Frage werden wir spater noch kurz zuruckkommen.

SchlieMlich haben wir uns noch zu entscheiden in der Frage nach der Zahl der auf dell Xolekiilen anzunehmenden Ladungspaare.

CVir machen hier die wohl naheliegendste dnnahme, dap von uhnlicher Grspe, wie die Zahl der Ladungen eines elektrolytischen Ions, auch die ZahE der Ladungspaare auf' einem Molekiile ist. Wir konnen daher, wo es in unseren Rechnungen nur auf die GroBenordnung ankommt , jedem Molekul nur ein einziges Ladungspaar zuschreiben.

Diese Auffassung stimmt scheinbar nicht uberein rnit einer anderen, in letzter Zeit mehrfach (von H. A. L o r e n t z , W. W i e n u. a.) geauBerten Vorstellung, daB die Materie iiber- heupt nur aus Ladungspaaren (Elektronenpaaren) besteht. Auch in diesem Falle ergeben sich, wie z. B. W. W i e n bemerkt hat %I, elektrostatische Wirkungen zwischen Atomen und Holekulen mit sehr rascher Abnahme mit der Ent€ernung.

1) Dafiir sprechen auch anderweitige , mit der Zustandsgleichung zusarnmenhangende Uberlegungen. Bei konstautem Abstand der Ladungen ergibt sich eine Abnahme der Kraft zurn mindesten (wenn namlich die entgegengesetzten Ladungen dauernd aufeinanderzu gerichtet sind) nach dem Gesetz der vierten Potenz der Entfernung. 1st aber der Abstand der Ladungen etwa angenahert proportional der auBeren Kraft , so wurde die Abnahme der Kraft mit der Entfernung eine so auflerordentlich vie1 raschere werden, daB dies schwer mit den Folgerungen aus der Zn- standsgleichung iiber das Verhaltnis von Virial und Potential in Uber- einstimmung zu bringen ware. Vgl. uber letzteres M. Rein ga n u m, Theorie uud Aufstellung einer Zustandsgleichung. Dissertation, Giittingen 1899.

Natiirlich schlieBt die Vorstellung nahezu konstauter Ladungsabstande nicht aus, daB, wie es in der Theorie der Dispersion eingefuhrt wird, die Entfernung einer Laduug aus ihrer Ruhelage proportional der wirkendeu Kraft ist.

2) W. W i e n , Ann. d. Phys. 5. p. 504. 1901.

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Molekularkrafte und elektrische Ladungen der Molekule. 337

Dennoch wird es gerechtfertigt sein, zunachst eine eigent- liche Ionentheorie der Molekularkrafte zu versuchen. I)

Hierdurch wird jene Vorstellung von der Konstitution der Atome aus vielen Elektronen keineswegs ausgeschlossen, wofern wir uns nur denken, daB die Atome aus besonders dicht ge- fugten positiven und negativen Ladungen bestehen. Dann wurden sich sogar Krafte zwischen den eigentlichen Ionen- ladungen und Atomen ergeben, wahrend eine unmittelbare Wirkung zweier Atome aufeinander (ohne Vermittelung der Ionen) nur in groBter gegenseitiger Nahe auftreten wiirde. z,

Doch wollen wir hierauf nicht naher eingehen. Es soll vielmehr im folgenden versucht werden, einen An-

haltspunkt fiir die Wahrscheinlichkeit unserer Vorstellung da- durch zu erhalten, da8 wir die Grokenordnung des Abstandes der Jadtingen aiif den Molekulen nach einigen unabhangigen Methoden zu schatzen versuchen. Hierzu ist es notig, zu- nachst eine Frage der Gastheorie naher zu betrachten.

I. Potential der Molekularkriifte (Theorie der inneren Reibung).

Wir bestimmen die Dichte des Gases in unmittelbarer Umgebung eines Molekules.

Es sei c der Durchmesser der Molekule, E eine sehr kleine GroBe, urn jedes Molekiil sei eine Kugelschale mi t den Radien 6 und 6 + E beschrieben. Das Gesamtvolumen dieser Kugelschalen ist Vo. Die Zahl der auf den Kugelschalen liegenden Molekulzentren bezeichnen wir mit n,. Es werde ferner der ubrige Raum des Gases mit 7, die Anzahl der Molekule daselbst mit ng bezeichnet. Es soll uberall, auch an den Stellen gro8erer Verdichtungen (in der niiheren Um- gebung eines Molekiils), das Eigenvolumen der Molekule klein gegen den zur Verfugung stehenden Raum sein und vernach- lassigt werden konnen. Sind keine Krafte vorhanden, so ver-

1) Vgl. auch M. Reingenum, Physik. Zeitschr. 2. p. 241. 1900. 2) Es beruht hierin eine Miiglichkeit der Erklarung der StoS-

wirkungen der Gastheorie, wofern dieselben nicht auf dem jedenfalls auch fur Elektronen anzunebmenden Widerstand gegen Durchdringung beruhen.

Annalen der Physik. IV. FOlge. 10. 22

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338 Jd. Reinganum.

halten sich die JIolekiilzahlen n, zu ng wie die zur Verfugung stehenden R h m e 1, zu Vn. Da jedoch Anziehungskraifte an- zunehmen sind. so ist dieses Verhaltnis mit e--2hX(a) zu multi- plizieren. FO (6) die Arbeit darstellt, welche geleistet wird, nenn ein Molekul aus dem Raume P in den Raum 7, ge- bracht wird.l) h ist durch die Beziehung definiert:

n-orin m die Masse eines Atomes und u2 das mittlere Geschwin- digkeitsquadrat bezeichnet.

Die Arbeit x (c) ist fur den eigentlichen Gaszustand (nahe) gleich zu setzen der Arbeit, die bei Snnaherung aus unendlicher Entfernung bis in den Raum 7, geleistet wird. Bezeichnet P(T) die Kraft zweier Molekule, T ihre Entfernung, so ist

U

Berucksichtigen wir ferner die Gasgleichung pro Massen- einheit in der Ausdrucksweise der kinetischen Theorie

(3) u2

3 ~ = zz 1 1 ,

und setzen wir ?z

c = - -x(n), (4) R

- 2hx(c ) = 2 (5) T

so w i d : ?

Hiermit wird das Verhaltnis der Molekulzahlen :

Die GroBen n,/P, und ng/ 7, sind den Dichten Q, und p, Die Dichte Q, kann, da nu gegen n, und V, proportional.

1) Vgl. hieruber L. Bo l tzmann, Gastheorie 11. p. 167 2) Vgl. die Beeeichnungen M. Re inganum, Ann. d. Phys. 6.

p. 533. 1901. Gleichung (10) 1. c. ist auf der rechten Seite mit dem negativen Voreeichen zu versehen.

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Molekularkrafte und elektrische Laduugen der Molekule. 339

gegen Y eine kleine Zahl ist, gleich der beobachtbaren Dichte des Gases Q gesetzt werden. Es wird daher die Dichte in der nachsten Umgebung eines Molekules:

(7)

Die StoBzahl der Molekule ist bei konstanter Temperatur der Dichte des Gases proportional. Da fur dieselbe nur die Dichte in der unmittelbaren Umgebung des Molekuls in Be- tracht kommen kann, 80 ist sie proportional der GroBe e,,.

Es ist daher die Stokzahl durch die Anziehungskrafie im Perhaltnis e c l T vergriipert.1)

Die Korrektion fur den Fall der Anziehungskrafte ist deshalb so einfach einzufuhren, da woder durch innere noch durch auBere Krafte bei Temperaturgleichgewicht die mittleren molekularen Geschwindigkeiten und die ungeordnete Verteilung derselben verandert werden. Es nehmen nur die skalaren GroBen der Dichte und des Potent(ia1es an verschiedenen Stellen des Raumes verschiedene Werte an.

Nunmehr ist die mittlere Weglange 1 leicht zu finden. Sie hangt mit der StoBzahl v und der mittleren molekularen Geschwindigkeit u’ durch die Beziehung zusammen:

l . v = u’.

Da u’ durch die Krafte unbeeinfluBt bleibt, dagegen v‘ im Verhaltnis ec lT vergrSBert ist, so ist die mittlere Feglange 1 im Perhaltnis eCI T kleiner geworden. Unter Beriicksichtigung ihres Wertes ohne KrafteB) wird sie daher:

1 I - _ ~ ~ _ _ _ _ 0 ’

- - (8)

)I572 N d e T

worin N die Zahl der Molekiile in der Volumeneinheit bedeutet. An diesen Ausdruck ist jedoch noch eine Bemerkung zu

knupfen. Die durch denselben dargestellten Wege sind nicht

1) Man erhUt dasselbe Resultat, wenn man beachtet, daB das Virial der StoSe im Verhaltnis e c l T vergr6Bert ist, und hierauf denselben Satz anwendet. Vgl. M. Reingauum, 1. c. p. 537.

2) Vgl. L. Bol tzmann, Vorlesungen I. p.,82. 22 *

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340 M; Reinganum.

mehr geradlinig, sondern durch die Anziehungskrafte mehr oder weniger gekriimmt. l)

Suchen wir die mittlere Entfernung 2' zweier Stellen auf- einander folgender ZusammenstoDe, so mug daher diese GroBe kleiner ausfallen als 1.

Leider bietet, selbst wenn das Anziehungsgesetz bekannt ist, die exakte Bestimmung von 1' auBerordentliche Schwierig- keiten. Wir beschranken uns daher auf eine qualitative Be- trachtung. Es miissen sich jedenfalls mit wachsender Tem- peratur I' und 1 wegen Abnahme der Bahnkriimmungen einander nahern. Wenn diese GroBen nicht zu sehr voneinander ver- schieden sind, was umsomehr erfiillt ist, j e rascher die An- ziehungskrafte mit der Entfernung abnehmen, so kann dieses Verhalten jedenfalls angenahert durch die Beziehung darge- stellt werden:

2' =-- 1 1 1 ' _ _

e ''

worin k eine geeignet zu wahlendeKonstante bedeutet und der Nenner sich nicht zu sehr von Eins unterscheidet. Setzen wir

so ergibt sich wegen (8) fur 1': (9) c + k = c',

~- 1

1 / 2 n . N u s e T Von den bekannten Eigenschaften der Gase, fur welche

die mittlere Weglange besondere Bedeutung besitzt, ist die innere Reibung experimentell am besten durchforscht. Wir beschranken daher die Anwendung unseres Resultates auf diesen Fall, bemerken jedoch, daB auch die Theorie der Warme- leitung und Diffusion durch dieselbe in Einklang mit der Er- fahrung gebracht wird.

1' = C' - (10)

Der Koeffizient der inneren Reibung 7 betragt z, (11) = A Q U A , wenn wir mit 1 die mittlere Weglange ohne Riicksicht auf etwaige Veranderung durch Anziehungskrafte bezeichnen, Die

1) Diese Unterscheidung findet sich nicht in meiner Mitteilung,

2) L. Boltzmann,, 1. c. p. 81. Physik. Zeitachr. 1. c.

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MoZekuIarkrafte und elektrische Ladungen der LWolekub. 341

Herleitung dieser Gleichung 1aBt unmittelbar erkennen , daB fur il die mittlere Weglange mit der Bedeutung I' einzusetzen ist. Denn es kommt nur darauf an, in welcher Entfernung von einer im Gas gedachten Ebene die Molekule ihren letzten ZusammenstoB erfahren haben, und nicht auf die Lange des wirklich zuruckgelegten Weges. Die Konstante k betragt bei der in (3) festgesetzten Bedeutung von u 0,32271.

Es ergibt sich daher aus (10) und (11):

0 32271 . e . u 0,39525. q 1/% 1/T c'

.-. - 9 = -L- ~- - ___~.___

N n u2. - C' - (1 2)

V2.n N 5 9 e T e T

Diese Gleichung der inneren Reibung hat mit der be- kannten, ohne Rucksicht auf Krafte abgeleiteten, die der Hr- fahrung entsprechende Eigenschaft gemeinsam, den Reibungs- koeffizienten als unabhangig von der Dichte zu ergeben.

Uberlegen ist sie der alten Gleichung insofern, als sie den Tempera,turkoeffizienten der Reibung richtig zu beschreiben gestattet.

Es ist bekannt, daB die Anwendung der Gleichung ohne Krafte eine Abnahme des Molekulardurchmessers mit steigen- der Temperatur ergibt, und deB man gezwungen ist, dies durch irgend welche Annahmen zn erklaren. Die bisher vorge- schlagenen Annahmen sind besonders deshalb unbefriedigend, da aus ibnen nicht hervorgeht, weshalb die Temperaturkoeffi- zienten der Reibung bei den einzelnen Gasen verschieden sind. Nach der hier gegebenen Auffassung bleibt der Molekular- durchmesser konstant, und die von der alten Theorie ab- weichenden Telnperaturkoeffizienten lassen sich in einfacher Weise durch den die Wirkung der intramolekularen Krafte dnrstellenden Ausdruck im Nenner beschreiben.

Derselbe Gedanke ist ubrigens schon von W. S u t h e r l a n d eingefuhrt worden.1) Durch vereinfachende Annabmen in seiner Ableitung erhalt er jedoch ein von dem unserigen verschie-

1) W. Sutherland, Phil. Mag. (5) 36. p. 507. 1893; vgI. auch 0. E. Meyer, Die kinetischeTheorie der Gase, 2.Aufl. 11. p. 166 und mathem. Zus. p. 79. 1899. Anwendungen finden sich bei Lord R a y l e i g h , Beibl. 24. p .968 . 1900 und P. Breitenbach, Ann. d. Phys. 6. p.166. 1901.

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342 M. Reinyanum.

denes Resultat. Statt einer Exponentialfunktion enthalt seine Qleichung den Faktor 1 + C/T, wobei C sich von der von uns eingefuhrten GroBe c urn einen Zahlenfaktor unterscheidet. Wegen ihrer Form versagt diese Gleichung bei groBeren Tem- peraturkoeffizienten der inneren Reibung, sodal3 das Verhalten der DLmpfe hoher siedender Fliissigkeiten sowie das des Queck- silberdampfes nicht mehr durch die Gleichung von S u t h e r - l a n d darstellbar ist.

Wir wenden uns nunmehr zu einigen Anwendungen der Formel (1 2), einerseits um die Verwendbarkeit derselben zu zeigen, und andererseits urn Werte fiir c' zu erhalten, welche wir zur Priifung der eingangs auseinandergesetzten Theorie verwerten konnen.

Zur Anwendung eignen sich besonders die von B r e i t e n- bach l ) an Luft, Kohlenstiure, Methylchlorid, Athylen und Wasserstoff angestellten Beobachtungen. Die Versuche sind bei funf verschiedenen Temperaturen bis zur Hohe von 302O C. unternommen. Da die Beobachtungen bei der tiefsten Tem- peratur (- 15' bez. - 21 O C.) eine systematische Abweichung zeigen und nicht denselben Qrad der Sicherheit wie die ubrigen besitzena) , so sollen dieselben hier nicht verwendet werden.

Aus den Werten von q fur 15O und 302O C. wurden die GroBen c' berechnet. Es wurden die korrigierten Werte fur q der unter 2) zitierten Arbeit zu Grunde gelegt. Es ergibt sich folgende Tabelle.

Tabe l l e I.

I '' I 'Mt. I % 5 qo No TC up u .108cm 8.109 ~ r n I

1,19 0,39

1) P. B r e i t e n b a c h , Wied. Ann. 67. p. 803. 1899. 2) P. B r e i t e n b s c h , Ann. d. Phys. 6. p. 166. 1901. 3) Ober die Berechnung von t& vgl. W. N e r n s t , Theor. Chemie

3. Aufl. p. 203. 1900.

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t-- I 7. lo7 ber. 7.10‘ beob. t 7 . lo7 ber. 7 . lo7 beob.

182,4 99,1 2554 2207 302,O 2993

2203 2559 7 182,4 2226 2993 302,O 2682 2682

.-____

t 1 7 . lo7 ber. 1 7 . loT beob. t 77 182,4 1729 1706 182,4 302,O 2139 2139 302,O

7 . lo7 ber. 7. loT beob.

1530 1826 1826

302,O 182,4 7 1392

Molekularkrafte und elekbische Ladun.gen der Molekiile. 343

c’ ergibt sich also urn so groBer, je hoher die kritische Temperatur des betreffenden StoEs ist. Da letztere als ein MaB fur die Kohasion angesehen werden kann, so erweist sich c’ in der Tat als ein MaB der Kohasionskrafte, was auch vermoge der Beziehung (4) der Fall sein muB.

Die folgende Zusammenstellung gibt einen Uberblick uber die Anwendung der Gleichung (12). Aus den beobach- teten Werten von r j fur 15OC. ist fur die beiden hoheren Tem- peraturen jedesmal r j berechnet und der beobachtete Wert hinzugesetzt. Fur 302 O C. miissen berechnete und beobachtete Werte wegen der Rerechnungsweise von c’ zusammenfallen.

Die Ubereinstimmung ist innerhalb der Grenzen der Re- obachtungsfehler. Nur die etwas grijBere Abweichung bei Methylchlorid bedarf vielleicht einer Erklarung.

Die sechste Kolumne der Tab. I enthalt ferner die aus (12) und (3) berechneten GroBen LVoncra. Diese in der Gas- theorie bedeutsame Grope ergibt sich nunmelir unabhayig von

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344 M. Reinganum.

der Temperatur, ein Resultat, welches die Bestirnrnuny molekularer Dimensionen zu einer bedeutend einwandsfreieren und sichereren macht.

lassen sich bekanntlich die Molekulardurchmesser B berechnen durch Kombination mit der von van d e r Waa l s eingefiihrten Gr6Be b=+No a n3. Es kann aber natiirlich auch der Molekulardurchmesser aus No a ca gefunden werden, wenn die Zahl No (Loschmidtsche Zahl) anderweitig gegeben ist. Es ergibt sich dann 19 in den- selben Genauigkeitsgrenzen , innerhalb deren No bekannt ist. B ist also in noch engere Grenzen eingeschlossen.

Wir wahlen fur die Zahl der Molekule in der Volumen- einheit bei O o und Atmospharendruck den Wert, den P l a n c k aurch Verbindung der Strahlungstheorie mit der kinetischen Theorie des zweiten Hauptsatzes erhalten hat l):

Aus den Werten der GroBe No a

No = 2,76.10".

Mit Hulfe dieses Wertes sind die Molekulardurchmesser der sieben ten Kolumne berechnet.

Bevor wir weitere Anwendungen machen, sol1 noch ein moglicher Einwand besprochen werden. a)

Wir haben das Theorem von Bo l t zmann , welches fur statische Zustande abgeleitet ist , auf den dynamischen Vor- gang der inneren Reibung angewandt. a) Dies konnte einen merklichen Fehler verursachen, da das Gesetz von Maxwell sich nur fur statische Zustande ableiten la&. Dann muBte aber der Fehler um so geringer sein, je langsamer die Be- wegung des Gases ist. Es muBte also der Reibungskoeffizient eine Funktion der Geschwindigkeit der Gasbewegung sein. Da ein solcher EinfluB bisher, soviel mir bekannt ist, nicht beobachtet wurde, so durfte dieser Einwand gegen die Theorie hierdurch praktisch keine Rolle spielen.

Nunmehr wenden wir uns der eigentlichen Aufgabe zu, einen Anhaltspunkt fur die zu An fang auseinandergesetzte elektrostatische Theorie der Molekularkrafte zu gewinnen. Wir

1) M. Planck, Ann. d. Phys. 4. p. 564. 1901. 2) M. Reinganum, 1. c. Physik. Zeitscbr. Diskussion.

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Molekularkrafte und elektrische Ladungen der Molekiile. 345

leiten aus unaerer Vorstellnng einen Ausdruck ab fur die in (2) definierte GroBe

J P ( r ) d r. 00

U

GemaB den Uberlegungen p. 335 und 336 nehmen wir an, daB jedes Molekiil ein Ladungspaar enthalt, und daB die Krafte genugend groB sind, daB im Moment des StoBes die entgegen- gesetzten Ladungen sich einander zukehren, daf3 also die vier vorhandenen Ladungen in eine Linie fallen.

Betrachten wir den Fall, da8 Ladungen und Molekule fest miteinander verbunden sind, so nehmen letztere an der Drehung Teil. Es mussen also zwei Molekule im Augenblick des StoBes parallele Lagen im Raume haben. Korrespondierende Punkte der Molekiile haben also gleiche Entfernung voneinander. Da die Entfernung der Zentren c betragt, so hat also auch die gegenseitige Entfernung der Mittelpunkte der beiden Ladungs- paare den Wert G .

Besonders anschaulich ist diese Festsetzung bei zwei- atomigen Molekulen, wenn wir uns vorstellen , daB die Atome durch die Ladungen aneinander gebunden werden. Dann fallt das Zentrum des Molekules angenahert mit der Mitte des Ladungspaares zusammen, und bei dem StoBe zweier Molekiile ist der Abstand der Zentren der beiden Ladungspaare von- einander nahe gleich dem Abstande der Zentren der Molekiile oder gleich ihrem Durchmesser 0.

Sind die Ladungspaare nicht fest mit dem Molekul ver- bunden, so bleibt bei dem zuletzt angegebenen Beispiel immer noch bestehen, da8 der Abstand der Mitten der Ladungspaare nahezu gleich dem Durchmesser B ist. Wir wollen daher auch bei dieser Auffassung allgemein annehmen, daB bei den StoBen sich die Mittelpunkte der Ladungspaare bis zur GroBenordnung der Molekulardurchmesser einander nahern.

Wir berechnen die bei der Beruhrung zweier Molekiile gewonnene elektrische Arbeit, die wir nach (2) mit

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346 M. Reingatziim.

bezeichnen konnen. Wir nennen 6 den Abstand der beiden Ladungen auf einem Molekule oder die Lange des Bipols. Die Summe der bei der Beruhrung gewonnenen Arbeit besteht aus zwei negativen Gliedern, die von dem Potential der Ab- stoBung bei der Entfernung CT herruhren , und zwei positiven Gliedern, von welchen eines die Arbeit der Anziehung bei der Entfernung n--6, das andere diejenige bei der Entfernung n + S darstellt. Bezeichnen wir rnit e die GroBe einer elektrischen Ladung, so ergibt sich:

Kombination mit (4) und (5) ergibt:

Wir setzen S klein gegen CT und vernachlassigen daher im Nenner der linken Seite sSa gegen ~9. Es wird aus unseren Eesultaten hervorgehen, daB dies erlaubt ist. Hierdurch ergibt sich aus (14) mit Rucksicht auf (1 ) :

Multiplikation von Zahler und Nenner mit AT: ergibt mit Riick- sicht auf (3) und die Beziehung

N o . m = po

Die GroBen des Ziihlers sind durch die Tab. I gegeben. Die- selbe enthalt allerdings c', doch ist nach (9) der Fehler nicht zu grog, wenn wir c' gleich c setzen, zumal es uns nur auf die GroBenordnung ankommt. R eo ist eine allgemeine Konstante und betragt im absoluten MaBe 3711. Die GroBe No e des Nenners ist aus dem elektrochemischen Aquivalent leicht zu erhalten. Sie ist gleich der Elektrizitiitsmenge, die an einem

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Molekularkrafte und elektrische Jadungen der Molekiile. 347

Kubikzentimeter eines beliebigen Gases unter Normalbedin- gungen haften wiirde, wenn jedes Molekul eine Ionenladung mit sich fiihrte. An einem Grammion haftet die Elektrizitats- menge 9654.3 . 1 010 elektrostatische Einheiten.

Ein Kubikzentimeter Gas enthalt bei Oo und Atmo- spharendruck

Hieraus folgt 4,461.10-6 g-Mol.

No. e = 1,292. lolo.

Fur den Abstand der Ladungen erhalten wir mit Hulfe dieser Werte aus (16) die in der letzten Kolumne der Tab. I ver- zeichneten Grogen.

Bus diesen Werten yeht hervor, dap die Grope der berech- neten 6 Werte Reinen Widerspruch ergibt und auch nicht un- wahrscheinlich ist. Die Werte betragen durchschnittlich den 30atm Teil der ~olekulardurchmesser.

Auch unsere in (14) eingefuhrte Vernachlassigung yon tia gegen cz erscheint daher gestattet.

Jedenfalls scheint hiernach die Erklarung der Molekular- krafte der Gase im wesentlichen eine mogliche zu sein.

11. Anwendung auf den festen Zustand (Zugfestigkeit).

Fu r den festen Zustand bieten sich ebenfalls einfache Gesichtspunkte dar.

Zunachst sieht man ohne weiteres, daB diejenige Bedin- gung erfullt ist, die jedenfalls an eine auch den festen Zustand umfassende Theorie zu stellen ist : sie fiihrt zu Kraften polaren Charakters.

Ferner stehen der Theorie bei der Erklarung der elastischen Eigenschaften nicht nur Anziehungskrafte und kinetische Energie , sondern auch Abstohngskrafte zur Ver- fugung, was namentlich die Behandlung der Elastizitats- erscheinungen zu ermoglichen verspricht. Es wird so die Torstellung von P o i s s o n in gewissem Sinne bestatigt.

H. A. L o r e n t z hat schon darauf hingewiesen, dab durch eine elektrostatische Theorie der Molekulnrkrafte fester Korper

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348 M. Reinyanurn.

die Schwierigkeit beseitigt wird , welche die Erkliirung des Interferenzversuches von Michelson bietet. l)

Es sol1 das Pioblem der Festigkeit naher betrachtet werden. Wir konnen uns vorstellen, daB sich bei Abwesenheit iiuBerer Kriifte die mit den Ladungspaaren versehenen Molekiile in Gleichgewichtslagen befinden , oder vielmehr in Oszillationen urn dieselben begriffen sind, deren GroBe von der vorhandenen kinetischen Energie abhangt. Wird eine Zugkraft ausgeubt, so tritt erfahrungsgemao eine derselben proportionale und gleiche Gegenkraft auf. Nach unserer Auffassung kann sich eine Gegenkraft daduroh ergeben, daB die Molekule sich so richten, daB die Ladungspaare in der Richtung des Zuges eine grogere Gegenkraft entwickeln. Das heiBt es drehen die in der Zugrichtung liegenden Molekiile ihre entgegengesetzten Ladungen einander zu. Dieser Vorgang muB in der Tat statt- finden, da durch denselben Arbeit gewonnen wird und daher die durch die Zugkraft geleistete Arbeit ein Minimum wird, das Prinzip der kleinsten Arbeit also erfullt wird.

Wir konnen nun die Zugkraft so anwachsen lassen, daB sich die Bipole zur Erreichung der Gegenkraft vollig ihre ent- gegengesetzten Ladungen zukehren. Lassen wir die Zugkraft noch groBer werden, so kann sich eine weitere Gegenkraft jetzt nicht mehr entwickeln, es tritt daher das ZerreiBen des Korpers ein. Es ergibt sich also eine einfache Erklarung der Festigkeitsgrenze.

Quantitativ laBt sich der Vorgang in folgender Weise be- trachten , wenn wir Vereinfachungen in der Vorstellung uns gestatten wollen.

Wir denken uns die Zentren der Molekiile des festen Korpers in den Mittelpunkten von Wiirfeln , und bestimmen die Kraft an einem Querschnitt des Korpers als Summe der Krafte je zweier gegeniiberliegender Molekiile. Die Kompo- nenten der Krafte schief gegeniiberliegender oder weiter ent- fernter Molekiile lassen wir auBer Rechnung, da es uns nur auf die GroBenordnung ankommt und ohnedies die Vorstellung der molekularen Anordnung nur eine angenaherte ist.

1) H. A. Lorentz , Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Korpern p. 123-125. Leiden 1895.

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Molekularkrafte und elektrische Ladungen der Molekule. 349

Der Abstand zweier gegeniiberliegender Molekule sei r , d: sei wieder der Abstand der beiden Ladungen auf dem Molekul. Wir nehmen an, daB die Festigkeitsgrenze erreicht ist, daB also die Zugkraft so gro6 sei, daB entgegengesetzte Ladungen ganz aufeinander zugerichtet sind.

Die Kraft zwischen j e zwei Molekulen ergibt sich durch Differentiation des Ausdruckes (13) nach r, wenn wir in dem- selben die Entfernung o durch r ersetzen, und wieder 6 im Nenner gegen r vernachllssigen, zu :

- 6 a2 e2 9.4

k = --.

Der Zugkraft ist das entgegengesetzte Vorzeichen zu geben. Um die Kraft pro Flacheneinheit zu erhalten, haben wir diesen Wert mit der Zahl der in der Flacbeneinheit sich gegeniiber- liegenden Molekule zu multiplizieren.

Der Kubikzentimeter enthalt N oder , da jedem Molekul der Raum r3 zusteht, 1 / r 3 Molekiile. Auf die Langeneinheit kommen daher 1 / r , auf die Flacheneinheit 1 / r z Molekule. Multiplikation hiermit ergibt fur die Kraft pro Flacheneinheit, oder fur die Zerreihngskraft :

K = 6 Sa e2 9.6 ’

oder mit Rucksicht auf N = 1 / r 3 :

(16) K = 6 P ( e N ) 2 .

Die am Grammmolekiil haftende elektrische Ladung Eines Vorzeichens betragt nach p. 347 2,8962 . l O l S elektrostatische Einheiten. Die Volumeneinheit enthalt p /M Grammmolekule. Das Molekulargewicht der Metalle setzen wir nach dem, was daruber bekannt ist, gleich ihrem Atomgewicht A. Es ist daher :

e N = 2,8962 3 . 1014,

und es wird:

d’= 1,410.10-16. A ’ v g cm. 4 (17)

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350 M. Reinganum.

Bei Anwendung dieser Gleichung sind die exporimentellen Werte von K in Dynen pro Quadratzentimeter auszudriicken.

Nach den Versuchen von W e r t h e i m l) berechnet sich folgende Tabelle :

Kupfer 0,65.lO-9 cm o,n. 10-9 ,,

Silber 0~78.10-9 ),

Es ergibt sich also eine viillige obereinstimmung der Gropen- ordnung vvn 6 mit den friiher gefundenen Werten.

Bei dieser Rechnung liegen nattirlich eine Reihe von Ver- einfachungen vor. Da die kinetische Energie nicht beruck- sichtigt wurde, so ist die Anwendung der Gleichung (17) auf Temperaturen zu beschranken, fiir welche diese nicht zu sehr in Betracht kommt.

Ferner werden fur diejenigen Metallatome mehrere Ladungs- paare anzunehmen sein, welche mehr als eine Valenz besitzen.

Auch enthalt unsere Vorstellung die Annahme, daB die Beweglichkeit der Ladungen, welche, wie namentlich die neueren Untersuchungen ergeben haben, einem Teile derselben in den Metallen zugeschrieben werden mug, fur das Festigkeitsproblem nicht von unmittelbarer Bedeutung ist.

Die 6 Werte sind bei der Berechnung aus dem festen Zustand bei grogerer Entfernung der Molekule voneinander gefunden, als bei der Berechnung aus dem gasfdrmigen Zustand. Unsere erste im Anfang aufgeworfene Frage beantwortet sich daher wahrscheinlich so, da8 die Abstande der Ladungen von der Gr6Be der augeren Krafte nicht wesentlich beeinfluBt werden. Die Berechnung fiir den festen Zustand hatte sich auch mit der Annahme durchfiihren lassen, daB die Molekule selbst ihre Lagen behalten, und nur die Ladungen sich drehen. Dennoch erscheint es gerade bei dem festen Zustande un-

1) Vgl. z. B. Winkelmanns Handbueh der Physik 1. p. 307. 1891.

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Molekularkrafte und elektrische Ladunggeu der Molekule. 351

gezwungener, die Molekule an der Drehung teilnehmen zu lassen, da bestimmte Richtungen der Molekiile selbst auch zur Erklarung der Kristallisation sicher die einfachste Annahme ist. In diesem Sinne heantwortet sich also wahrscheinlich die zweite zu Anfang gestellte Frage. l)

111. Beeiehungen zu chemischen Eigenschaften.

Obwohl durch die Ubereinstimmung der beiden verschie- denen Rechnungen die Zuverlassigkeit der Resultate erhSht wird, so ist es doch moglich, da8 durch die eingefiihrten Qer- einfachungen die GroBenordnung der AbstBnde der Ladungen etwas verandert gefunden ist. Wenn zum Beispiel im Gas- zustande im Augenblick des StoBes entgegengesetzte Ladungen im Mittel sich nicht vollig zukehren, so wiirde sich ein groBerer Abstand S berechnen. Ebenso wiirde sich bei analoger Annahme fiir den festen Zustand 6 aus der ZerreiBungskraft groBer er- geben. Dagegen wiirde es hier wieder kleiner ausfallen, wenn die Krafte nicht direkt beachbarter Molekiile mit in Rechnung gesetzt werden. Ganz absehen miissen wir von dem Umstand, da8 die Molekiile in den meisten Fallen mehr als ein Ladungs- paar enthalten werden.

Jedenfalls ist es im Hinblick auf diese noch vorhandenen Unsicherheiten der Rechnung von Interesse , daB auf einem ganz anderen Wege der Abstand der Ladungen ebenfalls von derselben GroBe wie hier gefunden wurde.

bestimmten den Wert S fur verschiedene Gase im Mittel zu 1,i. 10-9 cm. Die Methode beruhte darauf, daB einerseits die durch die Gase absorbierte Energie von Rbntgenstrahlen bolometrisch gemessen wurde. Andererseits wurde der sogenannte Sattigungsstrom im Gase ermittelt und hieraus die Zahl der in der Zeiteinheit gebildeten Ionen bestimmt. Die Berechnung geschah mit der Annahme, daB die absorbierte Energie zur Ionisierung verbraucht wurde. Es ergibt sich also eine vollstandige tibereinstimmung mit unseren Resulta ten.

R u t h e r f o r d und M c l y l i n g

1) Eine teilweise Beweglichkeit der Ladungen am Molekiil, die sich hei anderen Erscheinungen geltend machen kann, wird hierdurch nicht ausgeschloseen.

2) E. Rutherford u. M c K l i n g , Physik. Zeitschr. 2. p. 58. 1900.

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352 M; Heinganum.

Ferner ist es von Interesse, die Berechnungen ahnlicher Art von F. R i c h a r z zum Vergleich heranzuziehen. l) Richa rz , welcher das Verdienst hat, zuerst die Helmholtzschen Ideen uber die Ladungen der Molekule quantitativ nach verschiedenen Richtungen angewandt zu haben, erhalt aus der spezifischen Warme der Gase und aus der Dissoziationswarme ca. 20-330mal gr6Bere Werte fur den Abstand der Ladungen, als sie hier berechnet wurden, also Werte von der GroBenordnung der Molekulardurchmesser.

Die Berechnung von Hrn. R i c h a r z aus der spezifischen Warme der Gase beruht auf der Annahme, daB die Atome eines zweiatomigen Molekules mit entgegengesetzter Ladung versehen nach dem Ne wto nschen Gesetz umeinander rotieren. Hr. R i c h a r z macht jedoch selbst darauf aufmerksam, daB diese Vorstellung nicht genau sein kann, da sie keine geniigend stabile Bewegung ergibt. a) Wenn man bedenkt , wie genau differenzierte Anordnungen die Atome im Molekul nach den Ergebnissen der organischen Chemie besitzen, so hat in der Tat die Annahme freier Rotationen der Atome umeinander keine sehr groBe Wahrscheinlichkeit. Das aus derselben ab- geleitete Resultat ist daher zu unsicher, um als Widerspruch gegen unsere Werte betrachtet werden zu kiinnen.

Die zweite Berechnung von Hm. R icha rz beruht auf der Vorstellung, daB die beiden NO,-Gruppen des N,O,-Molekiiles durch eine positive und negative Ladung aneinander gebunden sind, und auf der Auffassung der Dissoziationswarme des Stickstoffdioxyds als elektrische Arbeit gegen diese Ladungen. Die Berechnung laBt sich bei dieser Annahme jedoch nur so durchfuhren, als ware nach der Dissoziation das eine NO,- Molekul positiv, das andere negativ geladen, d. h. als lage eine elektrolytische Dissoziation vor; dies ist aber in Wirk- lichkeit nicht der Fall. Die erwahnten Versuche von R u t h e r - fo rd und Mc Kl ing erlauben insofern eine sicherere Berech- nung, als wir es hier in der Tat mit einer der elektrolytischen analogen Dissoziation zu tun haben.

1) F. Richarz, Wied. Ann. 62. p. 385. 1894. 2) Vgl. hieriiber die Untersuchungen von F. Richarz, Wied. Ann.

48. p. 467. 1893.

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Nolekularkrafte und elektrische Ladungen der Molehub. 353

Es scheint mir daher, daB man die Resultate von Hrn. R i c h a r z nicht als Gegenbeweis gegen die unserigen betrachten kann, vielmehr eher das Gemeiusame hervorheben muB, daB beide zwar nicht ganz, jedoch angenahert zu derselben GroHen- ordnung fur die Entfernung der Ladungen fuhren. Jedenfalls ist die Theorie auch noch mit anders gewahlten Annahmen zu verfolgen, doch konnen die hier mitgeteilten Resultate hier- fur einen Anhaltspunkt bilden.

Muns te r i. W., November 1902. (Eingegangen 27. November 1902.)

Annalen der Physik. IV. Folge. 10. 23