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ANNALEN DER CHEMIE UND PHARMACIE, - CXXIV. Bandes drittes Heft. Untersuchungen nus den1 Laboratoriurn von L. Carius, a. 0. Professor zu Heidelberg. 15. Ueber Aethylenmonosulfiydrat und die IsZthionsgure ; von L. Carius. __ Dem Aethylenalkohol entspricht, wie ich schon fruher $+) andeutete, auch ein Oxysulfhydrat von der Zusammcnsetzung Ich habe diesen Korper, den ich Aet~~ZenmonosPlZ~~~~ra nennen will, in der analogen Weise erhalten, wie das Glycerin- monosulfhydat , namlicli durch Zersetzung des Aethylen- oxychlorides **) mit uberschiissigem Kaliumsulfhydrat : *) Diese Arinalen Ed. CXXII, 71. **) Aethylenoxychlorid habe ich dargestellt durch ErwXrmen im Waeserbade im Kolben mit aufwlrts gerichtetem Kuhlrohr von Aethylenalkohol mit Halbchlorachwefel in gerhgem Ueberschuk ; es findet dann folgende Reaction statt : c3 B,Hi (@2{ 'e), + (c12s2)!Z = (d H j2 + ('IH)% + sf), + ' 3 ; wird der Halbclilorschwefel nicht gleich Anfnngs in lrleinem Ueberschufs angewandt , so entsteht neben dem Oxychlorid noch Annal. d. Chernie u. Pharm. CXXIV. Rd. 3. Heft. 17

Ueber Aethylenmonosulfhydrat und die Isäthionsäure

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Page 1: Ueber Aethylenmonosulfhydrat und die Isäthionsäure

ANNALEN DER

CHEMIE UND PHARMACIE, -

CXXIV. B a n d e s d r i t t e s H e f t .

Untersuchungen nus den1 Laboratoriurn von L. Carius, a. 0. Professor zu Heidelberg.

15. Ueber Aethylenmonosulfiydrat und die IsZthionsgure ; von L. Carius.

__

Dem Aethylenalkohol entspricht, wie ich schon fruher $+)

andeutete, auch ein Oxysulfhydrat von der Zusammcnsetzung

Ich habe diesen Korper, den ich A e t ~ ~ Z e n m o n o s P l Z ~ ~ ~ ~ r a ~ nennen will, in der analogen Weise erhalten, wie das Glycerin- monosulfhydat , namlicli durch Zersetzung des Aethylen- oxychlorides **) mit uberschiissigem Kaliumsulfhydrat :

*) Diese Arinalen Ed. CXXII, 71.

**) Aethylenoxychlorid habe ich dargestellt durch ErwXrmen im Waeserbade im Kolben mit aufwlrts gerichtetem Kuhlrohr von Aethylenalkohol mit Halbchlorachwefel in gerhgem Ueberschuk ; es findet dann folgende Reaction statt :

c3 B,Hi (@2{ 'e), + (c12s2)!Z = (d H j2 + ('IH)% + sf), + '3;

wird der Halbclilorschwefel nicht gleich Anfnngs in lrleinem Ueberschufs angewandt , so entsteht neben dem Oxychlorid noch

Annal. d . Chernie u. Pharm. CXXIV. Rd. 3. Heft. 17

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258 Ca r iu s, iiber Aeth~ytenmonosulfhydrat

Die Methode der Darstellung des neuen Sulfhydrates ist genau dieselbe, wie die des Glycerinmonosulfhydrates") ; wegen des niedrigeren Siedepunktes des Aethylenoxychlorides mufs aber das Sieden der alkoholischen Losung im Kolben mit aufsteigendem Kuhlrohr vorgenommen werden , und es darf nur etwa Stunde unterhalten werden, nach welcher Zeit die Ausscheidung des Chlorkaliunis beendigt ist. Die vom Chlorkalium abfiltrirte Flussigkeit verdunstet man nach dem Uebersiittigen mit verdunnter Salzslure bei 3O-4Oo in einer flachen Schale , bis sich eine olige Flussigkeit abscheidet; darauf lost man den Ruckstand in kaltem Wasser, wascht das ausgeschiedene Sulfhydrat rnit wenig Wasser , lost in wenig verdunntern Alkohol , filtrirt , wenn nothig , und dampft diese Losung im luftverdunnten Raurne ab. Der Riickstand ist reines Aethylenmonosulfhydrat , vorausgesetzt, dafs man bei der Darstellung zu langes Erhitzen und beim Abdampfen der erhaltenen Losung eine zu hohe Temperatur vermieden hat.

Aethylenmonosulfhydrat ist eine farblose Fliissigkeit von der Consistenz des gewohnlichen Aethylenalkohols; sie riecht eigenthiimlich schwach nach Mercaptan und ist specifiscli schwerer als Wasser. Sie lost sich in reineni Wasser wenig, in solchem, dem nur wenige Procente Alkohol zugesetzt sind, dagegen sehr leicht, in reinem Aether sehr wenig.

einc in Wasser unlosliche, eigenthumlich riechende Flussigkeit (ein schwefligsnuer Aethcr?). Man erhitzt bis zur Beendigung der Gasentwickelung , lost das Oxychlorur in Aether, giefst yom Schwefel ab, schuttelt mit feuohtem kohlensaurem Kali und destillirt , nachdem vorher der Aether im Wasserbade itbdestillirt war. Die Ansbeute an reinem Oxychlorid ist nahezu die der Theoric entsprechende. Diese Aiiiialen Bd. CXXIV, 222.

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und die Isiithionsiiure. 259

Die analytischen Resultate sind : Durch Verhrennung mit chromsaurem Blei wurden aus 0,3456 Grin.

Substanz 0,3925 IZohlerisiiure und 0,241 1 Wasser erhalten ; durch Oxydatiorr im augeschmulzeiien Kohre aus 0,2542 Grin. Substana 0,7577 schwefelaaurer Baryt.

Berechnet nacli der Formel

Gefunden Kohlenstoff 30,96 Wasserstoff 7,75 Schwefel 40,95 Sauerstoff -

30,77 7,69 41,02 20,52

100,oo

Da das Aethylenmonosulfhydrat nur 1 At. S enthalt, so mufs rneiner fruheren Voraussetzung zufolge aucli nur 1 At. H direct durch Umlegung rnit Salzen durch Metall vertreten werden, obgleich 2 At. uberhaupt vertretbaren Wasserstoffes vorhanden sind. Auch hier findet diese Beziehung vollkommen statt; die Liisung des Sulfhydrates wird durch die Salze der s. g. schweren Metalle flockig gefallt ; die Eiederschlage werden besonders bei der Blei-, Quecksilber- und Silher- verbindung rasch kornig und erweichen sammtlich unter 100" zu zahen klebrigen Massen ; nur die Quecksilberverhindung schmilzt zu einer obgleich sehr zahen Flussigkeit. Die Queck- silberverbindung ist weifs, ziemlich Ioslich in starkem Alkohol und scheidet sich aus dieser Losung bei langsamem Ver- dunsten bei gewiihnlicher Temperatur in langen ftldenartig gekrummten Krystallnadeln ohne bestimmbare Form ab.

Die Zinkverbindung ist weifs , die Kupferverbindung schmutzig-blaugrun , die Bleiverhindung hellgelb die Silher- verbindung gelblich. Alle sind in Wasser und Sauren nicht, in Alkohol ziemlich liislich und werden durch Kalinmsulf- hydrat leicht zerlegt.

Die Aiialyse der Quecksilbwverbindung ergah :

17 *

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260 C a r iu s, iiher Aeth9lenmonosulfhydrat

Durch Oxydation in1 eugeschmolzenen Rohre wurden aus 0,5645 Grm. Substauz 0,7353 schwefelsaurer Ihryt erhalteii, und durch Gluhen mit kohlensaurem Natron aus 0,6768 Substanz 0,3908 Quecksilber.

Berechnet nach der Formel 8 G2H4

Gefuiiden s i m W f 5 Q - 25,44 Schwefel i 7 , m 18,07

Quecksilber 56,75 56,49

100,oo

Aethylenmonosulfhydrat wird durch Salpetersaure sehr leicht oxydirt; mit uberschussiger verdunnter Salpetersaure ini Wasserbade langsam erwarmt farbt es sich rasch roth, ent- wickelt rothe Dampfe und lost sich sehr bald auf. Der nach dem Abdampfen bleibende Ruckstand wird durch Auflosen in Wasser und nochnialiges Abdampfen von der Salpetersaure befreit, und so ein farbloser, dickflussiger, sehr saurer Riick- stand erhalten, der fast reine .lsYiithionsiiur.e mit nur Spuren von Schwefelsaure und Oxalsaure ist , welche letzteren nur dann in grofserer Menge entstehen, wenn bei der Oxydation zu concentrirte Salpetersaure angewandt war. Zur Ent- fernung dieser Verunreinigung neutralisirt man die warme wasserige Losung des Abdanipfruckstandes rnit kohlensaurem Blei und scheidet aus der Losung des Bleisalzes das Blei durch Schwefelwasserstoff ab. Durch Abdampfen des Filtrates erhalt man die reine Saure als farblose zahe Flussigkeit, die auch nach mehrtagigem Stehen im lurtverdunnten Raume nichts Krystalliriisches zeigt.

Um die Identitat dieser Saure mit der Isathionsaure nach- zuweisen , wurde durch Neutralisation rnit den kohlerisauren Salzcn das Baryum- und das Kaliumsalz dargestellt. Anderer- seits waren dieselben Salze aus durch Kochen der Losung von Aethionsaureanhydrid in Wasser erhaltener Isathionsaure dargestellt. Die beidcn Kaliumsalzc zeigten wie die beiden

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und die Isiithionsaut*e. 261

Brlryumsalze gleiche Krystallformen, soweit sich dariiber ohne Messung der Krystalle , die nicht moglich war, entscheiden liefs, was am besten durch das Mikroscop gelang; die beobach- teten Formen sind die bekannten. Die Salze der aus Aethylen- nionosulfhydrat erhaltenen Saure liefsen sich nach dem Trocknen hei 100"auf 300O etwa erhitzen, ohne Gewichtsverlust zu er- leiden; das Baryumsalz gab folgende analytisehe Resultate :

Durch Verbrennnng mit chronisaurem Blei wurderi aiis 0,5688 Grm. Substanx 0,2540 Kohlensaure und 0,1279 Wasser erhalten, und durch Oxydation im zugeschmolzenen Rohre aus 0,2865 Grm. Substanx direct 0,1754 und ilurch F!lllung des Filtrates durch Chlorbarynm noch 0,1790 schwefelsanrer Baryt.

Berechnet nach der Pormcl Gefuiiden 6,H6Bat3-8,

Kohlenstoff 12,17 12,40 Wasserstoff 2,510 2,58 Baryum 35,74 35,40 Schwefel 16,87 16,54 Sauerstoff - 33,08

-_ 100,oo

Das Aethylenmonosulfhydrat wird also durch Oxydation einfach in Isathionsaure+*) iibergefuhrt, indem, wie ich er- wartet hatte, auf das 1 At. 6 desselben 3 At. 8 aufgenom- inen werden. Die Isathionsaurc besitzt daher auch jedenfalls eine der athylschwetligen Saure iihnliche Constitution. Um die& noch weiter zu priifen, habe ich isathionsaures Baryum, aus Aethionsaure dargestellt, mit iiberschussigern Phosphor- superelllorid destillirt , mit der Vorsicht, dafs sie als inniges Gemenge sehr allmalig erhitzt wurden ; dabei entweicht Salz- siiuregas und destillirt ein Gemenge von Phosphoroxychlorid, Chlorthionyl und einer wie Aethylenchloriir riechenden fluch-

*) Aethyleneulfid , 86,H,, wird wahrscheinlich durch Oxydatioii ebenfalls IsathionsBrtre liefern, ur,d, da es leicht darstellbar ist, vielleicht zur Darstcllung derselben in grolserem Mafsstabe dienen kdnnen.

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tigen Flussigkeit. Die Reaction findet also stdtt nach der Gleichung G,H,HBa80, f (PCI,), = CIH + C1,G2H, + CIHa + C1,SQ + (CI3P43),

Da bei dieser Reaction keine nachweisbare Menge von Chlorsulfuryl gehildet wird, so ist dadurch die Abstammung der Isathionsaiire von der schwefligen Saure und dem Aethylen- alkohol anstatt von der Schwefelsaure und dem Aethylalkohol nachgewiesen, ebenso wie durch ihre Entsteliung mit Aethylen- monosulfhydrat; und den einfachsten Ausdruck fur diese Entstehungs- und Zersetzungsweise liefert eine Formel, welche die Isathionsaure als erste Aethersaure der schwefligen Saure and des Aetliylenalkohols darstellt ; die Disulfatholsaure ist der zweite solche saure Aether :

Cn r izr s, iiber Aeihylenmonosulfhydrat

Da die Shuren die Zusammensetzung von Aethylenalkohol + dem Arihydrid der schwefligen Saure haben und die analoge Zusanimensetzung bei allen Korpern wiederlrehrt, die in ahn- licher Weise sich der schwefligen Saure anschliefsen, gleich- vie1 ob von einem Alkohol oder einer Saure abstammend, so schlage ich vor, fur alle diese sehr zahlreichen und ver- schiedenartig benannten Korper darauf gestutzt eine gemein- same Benennung zu grunden. Danach sind dann die beiden oben genannteir Sauren als glycolmono- und glycoldi- schweflige Saurc, oder auch als athylenmono- und athylendi- schweflige Saure zu bezeichnen , die Essigschwefelsaure als glycoxylschweflige Saure u. s. f.

Bei der Darstellung von Aethylenmonosulfhydrat ist, wie oben erwiihnt, langes Kochen oder Abdampfen bei hoherer Temperatur sorgfaltigzu vermeiden, indem namlich das Aethylen- monosulfhydrat dabei eine ganz ahnliche Zersetzung erleidet, wie ich sie fur die Glycerinsulfhydrate aufgefunden habe; nur

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und die Isathionsaure. 263

scheint sie hier noch vie1 leichter statt zu finden. Verfahrt man wie oben fur die Darstellung von Aethylenmonosulf- hydrat angegeben, dampft aber die voni Clilorkalium abfiltrirte, mit Salzsaure neutralisirte Losung unter gelindem Sieden des Aikohols bis zur Entfernung des letzteren ab, so erstarrt die ausgeschiedene olige Flussigkeit beim Erkalten zu einer krystallinischen weifsen Masse , die gewohnlich noch etwas unverandertes Sulfhydrat einschliefst, und durch Waschen rnit sehr verdunntem kaltem Alkohol und Umkrystallisireri ails Alkohol rein erhalten wird. Dars bei der Entstehung dieser Substanz aus deni Aethylenmonosulfhydrat die Elemente von Schwefelwasserstoff austreten , wurde nachgewiesen durch langeres Kochen einer Losung von reinem Sulfhydrat in Al- kohol , wobei unter Entwickelung von erheblichen Mengen Schwefelwasserstoffgas dieselbe Substanz entstand, obwohl in weniyer reichlicher Menge, ohne Zweifel, da hier die Tem- peratur weniger hoch war, als bei dem ersten Versnche.

Die neue Verbindung krystallisirt aus Alkohol in mikro- scopischen, zu Haufchen vereinigten sehr feinen Nadeln, schmilzt unter 60° und lost sich nicht i n Wasser, leicht in Alkohol. Ihre Analyse lieferte Zahlen , welche mit der angenommenen Formel nicht sehr genau stinimen, aber auch keine andere wahrscheinlicher machen; der Grund ist wohl nur eine kleine Verunreinigung durch Aethylenmonosulfhydrat.

nurch Verbrennung niit ehromsarirem Blei wurden aus 0,2140 Grm. Suhstsnz 0,3061 Kohlensaure und 0,1556 Wasser erhalten, durch Oxydation im eugeschtnolzenen Rohre aus 0,3404 Grm. Substanz 0,6495 schwefelsaurer Baryt.

Uereehnet nach der Formel

Gefunden Kohlenstoff 39,OO Wasserstoff 8,08 Schwefel 26,81 Sauerstoff -

8,20 26,22 26,25

100,00

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264 Car i u s , iiber Aethylenmonosulfhydral u. s. w.

Diese Substanz ist daher ein dem von L o u r e n g o " ) zuerst dargestellten Diathylenalkohol entsprechendes Sulf- hydrat , das Diathylenmonosulfhydrat, und entsteht nach der

Die alkoholische Liisung des Korpers wird durch Metall- salze gefallt und die entstandenen Metallverbindungen zeigen ihnliche Farben und Eigenschaften wie die entsprechenden Verbindungen des Aethylenmonosulfhydrates.

Das Diathylenrnonosulfhydrat wird von verdiinnter Salpeter- saure sehr leicht oxydirt und dabei in eine Saure verwandelt, welche ein leicht liisliches Blei- und Baryumsalz bildet, die nur un deutlich in mikroscopischen Blattchen krystallisiren.

Die Analyse des bei 120° getrockncten Baryumsalzes gab : durch Verbrennung mit ohromsaurern Blei au8 0,5263 Grm. Sub-

stanz 0,2995 Kolllensaure und 0,1350 Wasser, und durch Gliihen an der Luft aus 0,4051 Grm. Substsnz 0,2422 sohwefel- sauren Baryt.

Berechnet nach der Formol 88

Baa Kolilenstoff 15,52 15,73 Wasserstoff 2,85 2.62 Baryum 44,25 44,91 Sohwefel - 10,49 Sauerstoff - 26,25

Gefunden 0*{ ( W * h

100,oo Die Untersuchung konnte wegen Mangels an Material

nicht weiter fortgesetzt werden ; die Analyse des Baryum- salzes zeigt indessen, dafs die Saure nach folgender Gleichung entstanden ist :

und dafs sie zweibasisch ist, wie die Isathionsaure, aber beide At. H leicht gcgen Metall austauscht.

*) Diese Annalen CXIIT, 253.