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K. F. Jahr u. H. Witzmann. Ober amphotere Oxydhydrate usw. 145 Uber amphotere Oxydhydrate, deren wiiRrige Lbisungen und kristallisierende Verbindungen Der Ubergang der Monowolframationen in die lonen der Hexawolf- ramsaure bei Erhohung der Wasserstoffionen-Konzentration waB- riger Alkaliwolframatlosungen Von KARL FRIEDRICH JAHR und HANS WITZMANN Mit einer Figur im Text XV. Mitteilung I. Zusammenhang und Ziel der vorliegenden Untersuchung In einer groBeren Reihe von Arbeitenl), denen sich auch die vorliegende anfugt, haben sich G. JANDER und seine Mitarbeiter mit der Untersuchung der Hydrolyse- und Aggregationsvorgange be- schaftigt, die sich in den waBrigen Losungen sowohl der Alkalisalze mehrwerbiger, schwacher, anorganischer Sauren als auch der Per- chlorate bzw. Nitrate mehrwertiger, schwacher, anorganischer Basen abspielen, wenn man ihre [H+] schrittweise derart verandert, daB sich das jeweils untersuchte System seinem isoelektrischen Punkt nahert. Dabei wachst in fast allen Fallen die MolekulargroBe der als Hydrolyseprodukte auftretenden Ionenarten, und zwar im all- genieinen in den Losungen der Basen, z. B. in Eisen(3)salzlosungen2), nach einer kontinuierlichen und stetig ansteigenden Kurve, dis- kontinuierlich und nicht monoton dagegen in den Losungen der Sauren, 2. B. der Molybdiinsiiure.3) Am isoelektrischen Punkt jedes untersucb ten Systems oder doch in seiner unmittelbaren Nahe herrscht stets das hochste Molekulargewicht cler in der Losung befindlichen Teilchen, und hicr beobachtet man auch am haufigsten die Ab- scheidung der beliannten geltlrtigen Oxydhydratfallungen, wie z. B. des Wolframsaiirehydrates, oder (lor Rluminiumoxydhydrate. ______ I) G. JANDER u. Mitarbeiter, Z. anorg. u. allg. Chcm. 180 (1929), 129; 187 (1930), 60; 193 (1930), 1; 194 (1930), 383; 200 (1931), 257; 201 (1931), 361; 206 (1932), 241. z, G. JANDER u. A. WINKEL, Z. anorg. u. allg. Chem. 193 (1930), 1. 3, G. JANDER, K. F. JAHR u. W. HEUIIESHOVEN, 2. anorg. u. allg. Chem. 194 (1930), 383. 2. anorg. u. allg. Chem. Bd. 208. 10

Über amphotere Oxydhydrate, deren wäßrige Lösungen und kristallisierende Verbindungen. XV. Mitteilung. Der Übergang der Monowolframationen in die lonen der Hexawolframsäure bei

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K. F. Jahr u. H. Witzmann. Ober amphotere Oxydhydrate usw. 145

Uber amphotere Oxydhydrate, deren wiiRrige Lbisungen und kristallisierende Verbindungen

Der Ubergang der Monowolframationen in die lonen der Hexawolf- ramsaure bei Erhohung der Wasserstoffionen-Konzentration waB-

riger Alkaliwolframatlosungen Von KARL FRIEDRICH JAHR und HANS WITZMANN

Mit einer Figur im Text

XV. Mitteilung

I. Zusammenhang und Ziel der vorliegenden Untersuchung

In einer groBeren Reihe von Arbeitenl), denen sich auch die vorliegende anfugt, haben sich G. JANDER und seine Mitarbeiter mit der Untersuchung der Hydrolyse- und Aggregationsvorgange be- schaftigt, die sich in den waBrigen Losungen sowohl der Alkalisalze mehrwerbiger, schwacher, anorganischer Sauren als auch der Per- chlorate bzw. Nitrate mehrwertiger, schwacher, anorganischer Basen abspielen, wenn man ihre [H+] schrittweise derart verandert, daB sich das jeweils untersuchte System seinem isoelektrischen Punkt nahert. Dabei wachst in fast allen Fallen die MolekulargroBe der als Hydrolyseprodukte auftretenden Ionenarten, und zwar im all- genieinen in den Losungen der Basen, z. B. in Eisen(3)salzlosungen2), nach einer kontinuierlichen und stetig ansteigenden Kurve, dis- kontinuierlich und nicht monoton dagegen in den Losungen der Sauren, 2. B. der Molybdiinsiiure.3) Am isoelektrischen Punkt jedes untersucb ten Systems oder doch in seiner unmittelbaren Nahe herrscht stets das hochste Molekulargewicht cler in der Losung befindlichen Teilchen, und hicr beobachtet man auch am haufigsten die Ab- scheidung der beliannten geltlrtigen Oxydhydratfallungen, wie z. B. des Wolframsaiirehydrates, oder (lor Rluminiumoxydhydrate. ______

I ) G. JANDER u. Mitarbeiter, Z. anorg. u. allg. Chcm. 180 (1929), 129; 187 (1930), 60; 193 (1930), 1; 194 (1930), 383; 200 (1931), 257; 201 (1931), 361; 206 (1932), 241.

z, G. JANDER u. A. WINKEL, Z. anorg. u. allg. Chem. 193 (1930), 1. 3, G. JANDER, K. F. JAHR u. W. HEUIIESHOVEN, 2. anorg. u. allg. Chem.

194 (1930), 383. 2. anorg. u. allg. Chem. Bd. 208. 10

146 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 208. 1932

Durch eine Fulle voneinander unabhangiger Untersuchungs- methoden, vor alIem durch die direkte Ermittlung der Molekular- groBe der Ionenarten, die in den i m s t a b i l e n Gle ichgewicht befindlichen Losungen verschiedener [H+] jeweils vorherrschen, mit Hilfe der Messung ihrer speziellen Diffusionskoeffizientenl), aber auch durch die analytische Untersuchung der aus den gleichen Losungen kristallisierenden isopolysauren bzw. isopolybasischen Salze, durch Aufnahme von Absorptionsspektren2), durch potentiometrische, konduktometrische und thermometrische Titrationen lieB sich in vielen Fallen nicht nur ein nahezu luckenloses Bild der Aggregations- und Hydrolysevorgange gewinnen, die der eigentlichen Oxydhydrat- fallung vorausgehen, sondern es konnten auch gelegentlich3) gewisse Schlusse bezuglich der chemischen Natur der die Oxydhydratgele aufbauenden Substanzen und der chemischen Vorgange bei der Oxydhydratalterung gezogen werden. Ferner ergaben diese Unter- suchungen, z. B. im Fall der Molybdansaure, eine einheitliche, genetisch begrundete Systematik der aus Losungen verschiedener [H+] kristallisierenden isopolysauren Salze, also eine Formulierung dieser Yerbindungen, die nicht nur ihre analytische Zusammen- setzung, sondern auch die Vorgange berucksiehtigt, die sich in den Salzlosungen vor der Kristallisation abgespielt hatten. Dalj sich auch interessante SchluBfolgerungen bezuglich der Entstehung und Konstitution der bekannten Heteropolysauren ergeben haben4), sei liier nur kurz erwahnt ; eine demnachst erscheinende Veroffentlichung wird sich mit dieser Seite des Gesamtarbeitsgebiets ausfuhrlich be- schaftigen.

Ein typisches Beispiel fur den Verlauf der Aggregationsvorgange in den Losungen der Alkalisalze schwacher anorganischer Sauren bietet die Betrachtung des Systems der Isopolymolybdansauren. Setzt man einer Natriummonomolybdatlosung steigende Mengen von Salpetersaure hinzu, so treten die Ionen der Monomolybdansaure unter dem EinfluB der wachsenden [H+] nacheinander zu den hoher aggregierten ionen einer Tri-, Hexa-, Dodeka- und Eikositetra- molybdansanre zusammen, und jeder Ionenart ist ein eigenes,

l) G. JANDER u. H. RCHULZ, Kol1.-Ztschr., Eg.Bd. 36 (1925), 113; Z.

2, Q. JANDER 11. TH. ADEN, 2. phys. Chem., Abt. A 144 (1929), 197. s, G. JANDER u. A. WINKEL, Z. anorg. u. allg. Chem. 193 (1930), 1. 4, G. JANDER, D. MOJERT u. TH. ADEN, Z. anorg. u. allg. Chem. 150

phys. Chem., Abt. A 149 (1930), 97.

(1929), 129.

K. F. Jahr u. H. Witzmann. ffiber amphotere Oxydhydrate usw. 14.7

charakteristisches Gebiet der [H+] zugeordnet, innerhalb dessen gerade sie in der Losung vorwiegend bestandig ist. Im einzelnen lieB sich bei steigender Aciditat der Losung folgender Reaktions- verlauf ableiten :

1. 3 [MoO4l2- + 3H+ + [HMo,0,,13- + H,O(

2. 2 [HMo,OlJ3- + H+ + [HMO,O,,]~- [HMo,0,J5- + 2H+ ts [H,Mo,O,,]~-

Trimolybdiinsaure, Bereich der [H+]: 10-6J5 bis Hexamolybdansaure, Be- reich der [H+]: 10-4~~ bis

Dodekamolvbdansaure. Be-

10-1.5

reich der [k+]: 10-195 bis 10-1 Eikosi tetramolybdansiiure, Nahe des isoelektrischen Punktes - 10-o*Q.

Die 1Jmwandlung der niedriger molekularen in die hoher mole- kulare Anionenart und umgekehrt vollzieht sich hierbei jedesmal in einem relativ schmalen Gebiet der [H+]. Die zahlreichen isopoly- sauren Salze der MolybdansBure reihen sich nach der Art ihrer Ent- stehung und nach ihrer analytischen Zusammensetzung zmanglos in diesen Aggregationsmechanismus ein, sind also als Alkalisalze ver- schieden hoch aggregierter Polymolybdiinsiiuren zu betrachten.

Die TJntersuchung des Systems der Wolframsaurel), die ja der Molybdansaure chemisch weitgehend ahnlich ist, nach den gleichen Gesichtspunkten und Methoden ergab jedoch uberraschenderweise ein in mancher Hinsicht anderes und zwar einfacheres Bild des Aggregationsverlaufs. Denn erstens fuhrt die Aggregation der Mono- wolframationen, die in alkalischen Wolframatlosungen existieren, uberhaupt nur zu einer Hexawolframsaure ; hoher aggregierte Wolfram- sauren sind in waBriger Losung auf die Dauer nicht bestandig. Und zweitens fehlt jeder Anhaltspunkt fur die Existenz einer der Tri- molybdansaure analogen Triwolframsaure mit einem eigenen, charakte- ristischen Bestiindigkeitsbereich der [H+]. Die schrittweise Steigerung der Aziditiit zunachst alkalischer Wolframatlosungen iiber eine [H+] von etwa 10-6*s hinaus fuhrt vielmehr nach der Gleichung:

6(WOJ2- + 7H+ f--L (HW602J5- + 3H20 unmittelbar zu der in sauren Wolframatlosungen bestandigen Hexa- wolframsaure, von der sich die sogenannten Para-wolframate ableiten,

I ) H. SCHULZ u. G. JANDER, Z. anorg. u. allg. Chem. 162 (1927), 141; G. JANDER, D. MOJERT u. TH. ADEN, Z. anorg. u. allg. Chem. 180 (1929), 129; G. JANDER u. W. HEUKESHOVEN, Z. anorg. u. allg. Chem. 187 (1930), 60.

10*

148 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 208. 1932

die also als Al$HW,O,,.aq xu formulieren sind. Auoh in den ver- diinnten (0,l n an W) Losungen der sogenannten Metawolframate herrschen nachweisbar ebenfalls Ionen einer sechsfach aggregierten Wolframsarire, (H,W,0,1)3-, vor. Eine Steigerung der [H+] uber den Wert - lO-1>5 hinaus verursacht die praktisch vollstandige Ab- scheidung der voluminosen weiBen Wolframsaurehydrate.

Die Bestimmung der Molekulargemichte erfolgte in allen Fallen clurch Messung der speziellen Diffusionskoeffizienten der in den Wolframatlosungen verschiedener Aziditat existierenden Wolfram- saureionen. Der Uiffusionskoeffizient bildet ein Ma13 fur die Ge- schwindigkeit, mit der sich ein Massenteilchen in einem zylindrischen GefB13 der Schwere entgegen nach oben bewegt, und ist nach RIECKE~) entsprechend der Gleichung

der Wurzel aus dem Molekulargewicht des diffundierenden Teilchens umgekehrt proportional. Die Ermittlung der speziellen Diffusions- kaeffizientsn des in alkalischen Losungen bestandigen Monowolfram- saureions und des in sauren Losungen vorliegenden Hexawolfram- saureresters stutzt sich auf nunmehr insgesanit je siebenzehn Diffusions- versnche dreier verschiedener Beobachter. Die Diffusionskoeffizienten betragen im Mittel aus diesen Bestimmungen fur die Monowolfram- saure Dlo.x =0,535 und fur die Hexawolframsaure Dlo.x = 0,238. Aus diesen gut gesicherten Zahlenwerten lnssen sich unter Benutzung clcr Reziehung D,YM, = D V M ,

morin M , das gcsuchte Molekulargemicht des Ions mit dem ge- messenen Diffusionskoeefizionten D,, M das bekannte Molekular- gewicht eines Vergleichsions mit dem ehenfalls bekannten Diffusions- koeffizicnten D bedeuten, dic zugehorigen Molebulargewichte der CIroBcnordnung nach richtig berechnen. Verwendet man z. B. als Vergleichsion das in snuren Molybdatlosungen in einem bestimmten Eereich der [H+] anzunehmendc Hexainolybdalion (Na,H,Mo,O,,)- mit dem Molekulargewicht 961 und dem speziellen Diffusionskoef- fizienten 0,28, so ergibt sich fur das in alkalischen Wolframatlosungen vorliegende Ion das Molekulargewicht 263. Nimmt man in den sauren Wolframatlcisungen das analoge Hexawolframation (Na,H,W,O,,)-

l) E. RIBCKE, 2. phys. Chem. 6 (1890), 564; R. 0. HERZOG, 2. Elektrochem. 16 (1910), 1003.

K. 3’. Jahr u. H. Witzmann. nber amphotere Oxydhydrate usw. 149

mit dem Molekulargewicht 1489 und dem speziellen Diffusions- koeffizienten 0,238 an, so errechnet sich fur das Monowolfraination der -Wert 295. Beide Zahlen stimmen mit dem fur das Ion (NaW0,)- theoretischen Molekulargewicht 271 gut uberein.

Wahrend uns also eine fur die Berechnung der Molekulargewichte der Monowolframsaure und der Hexawolframsaure durchaus aus- reichende Anzahl von Diffusionsversuchen an alkalischen und sauren Natriumwolframatlosungen zur Verfugung steht, sind in dem engen Gebiet delr [H+], in dem sich der Ubergang der Monowolframsaure in di.e Hexawolframsaure und umgekehrt vollzieht, bisher nur einige wenige Di ffusionskoeffizienten gemessen worden. Der Einwand, daB die Nicht.beobachtung einer der Trimolybdansaure andogen Tri- wolframsaiire mit einem eigenen charakteristischen Bestandiglieits- berejch der [H+] vielleicht nur auf die geringe Anzahl der in dem strittigen Gebiet der [H+] gemessenen Diffusionskoeffizienten zuriick- zufuhren sei, muBte also nicht ganz unberechtigt ersclieinen, obwohl die konduktometrische Titration einer Natriumwolframatlosang mit Salpetersaure im Gegensatz zur analogen Titration einer N a t riuin- . molybdatliisung ebenfalls keinen Anhaltspunkt fur die Existenz einer Triwolframsaure bot. Wir haben uns daher bemuht, durch eine ausreichende Anzahl von Diffusionsversucheii gerade in dem Bereich der [H+], in dem die Aggregation der Monowolframationen zur Entstehung der Hexawolframsaure fuhrt, die Frage nsch der Exisienz eines Triwolframsaureions rnit einem eigenen, wenn aucli kleinen Bestandigkeitsbereich endgultig zu entscheiden.

2. Die Durchfiihrung und Auswertung der Diffusionsversuche

Die zur Durchfiihrung der Diffusionsversuche benutzten Natrium- wolframatldsungen waren alle 0,0974 n. an Natriumwolframat und 1 n. an Natriumnitrat. Sie waren ferner durch wechselnde Mengen einer 0,5846 n-Salpetersaure derart abgestuft worden, daB in ihnen die Anzahl der auf ein Wolframation entfallenden Wasserstoffionen von dem TYerte Null an regelmaBig um 0,l zunahm, bis schlieBlich in der sauetsten Losung der Wert 1,6 erreicht wurde. Dadurch wurde zugleich eine geeignete Abstufung der [H+] ermoglicht, die von dem Wert 10-996 in der ursprunglichen Natriumwolframatlosung stebig zunahm bis zum Wert Die Losungen wurden folgendermaI3en bereitet : 50 em3 einer an Natriumwolframat (pro analysi, KAHL- BAUM) 0,2435 molaren Ausgangslosung wurden zusammen mit 50 em3 einer 5 n-?S atriumnitratlosung und der jeweils notwendigen Salpeter-

150 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 208. 1932

sauremenge in einem MeBkolben auf 250 em3 verdunnt. Nach einigen Tagen wurde die [H+] dieser Losungen mit Hilfe eines Doppel- keilkolorimeters nach BJERRUM-ARRHENIUS gemessen. Als Uber- schichtungsfliissigkeit wurde stets eine 1 n-Natriumnitratlosung ver- wendet; ihre spezifische Zahigkeit betrug x = 1,07. Im ubrigen geschah die Durchfuhrung und Auswertung der Diffusionsversuche unter Beachtung aller notmendigen VorsichtsmaBregeln so, wie es in lruhcren Arbeitenl) bereits ausfuhrlich beschrieben worden ist. Insbesondere sei hier darauf hingewiesen, daB sich samtliche zu den Diffusionsversuchen verwendeten Natriumwolframatlosungen im stabilen Gleichgewichtszustand befanden. Am Ende jedes Diffusions- versuches wurde der Inhalt des Diffusionszylinders in vier gleichen Scliichten getrennt abgelassen, und der Gehalt an Wolframsaure der ersten (von unten), der dritten und der vereinigten zweiten und vierten Schicht nach dem von A. ROSENHEIM~) abgeanderten GIBES’- schen3) Verfahren gravimetrisch ermittelt.

I n der folgenden Tabelle (S. 151 u. 152) sind alle Zahlen und Angaben, die sich auf die Diffusionsversuche beziehen, ubersichtlich zusammengestellt worden.

Tragt man die so ermittelten speziellen Diffusionskoeffizienten in Abhangigkeit von dem negativen Logarithmus der Wasserstoff-

ionenkonzentration der ein- zelnen Losungen in ein rechtwinkliges Koordinaten- system ein, so ergibt sich der durch Fig. 1 dargestellte Kurvenzug, der dem Verlauf einer potentiometrischen Ti- tration in stark gepufferter Losung BuBerst ahnlich ist.

Fig. 1 laBt folgendes er- kennen: Vom alkalischen Ge- biet bis etwa zur [H+] 10-8

existiert in waBrigen Alkaliwolframatlosungen lediglich das Mono- wolframation. Im sauren Gebiet, etwa von der [H+] 10-6 bis zur [H-+] 10-1,5 sind nur Hexawolframsaureionen bestandig. In

7

Fig. 1

1) P. OIIOLM, Z. phys. Chem. 50 (1904), 312; G. JANDER u. Mitarbeiter, KolLZtschr. Erg.-Bd. 36 (1925), 113; Z. phys. Chem. Abt. A 149 (1930), 97.

z, A. ROSENHEIM u. J. JAEXICKE, Z. anorg. 11. allg. Chem. 101 (1917), 221. 3, W. GIBBS, Sm. Chem. Journ. 1 (1879), 217.

K . F. Jahr u. H. Witzmann. Uber amphotere Oxydhydrate usw. 151

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0,5: 1

0,5: 1

0,6: 1

0,7 : 1

Tabellarische Obersicht

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2,02

2,13

2,15

2,13

2,54

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238

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VIII.

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1) 46,52 3) 15,66

2 + 4 ) 37,82 1) 47,60 3) 15,07

2+4) 37,33 1) 40,89 3) 18,35

2+4) 40,76 1) 40,98 3) 18,27

2+4) 40,75 I ) 52,24 3) 12,29

2 + 4 ) 35,47 1) 49,27 3) 13,97

2+4) 36,76 1) 52,85 3) 12,23

2+4) 34,92 1) 42,28 3) 17,69

2+4) 40,03 1) 50,46 3) 13,27

2+4) 36,27 1) 57,49 3) 9,21

2+4) 33,30 1) 50,53 3) 13,41

2+4) 36,06 1) 47,97 3) 14,76

2+4) 37,27 1) 50,66 3) 13,33

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0,38

152 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 208. 1932

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31,05

31,05

33,12

Tabellarische Ubersicht (Fortsetxung) - [II.

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VIII.

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2+4) 29,63 1) 63,73 3) 6,25

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2+4) 30,62 1) 63,36 3) 6,57

2+4) 30,07 1) 59,14 3) 8,30

2+4) 32,56 1) 63,50 3) 6,22

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1) 56,30 3) 10,13

2+4) 33,57 1) 56,64 3) 8,88

2 f 4 ) 34,48 1) 50,24 3) 13,64

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0,234

0,253

0,24

K. F. Jahr u. H. Witzmann. Uber amphotere Oxydhydrate usw. 153

dem relativ breiten Ubergangsgebiet, das sich von der [H+] c-’ 10-8 bis zur [H+] - 10P erstreckt, also innerhalb zweier Zehnerpotenzen der Waaserstoffionenkonaentration, konnen beide Ionenarten neben- einander bestehen. Die Umwandlung der Monowolframationen in die Ionen der Hexawolframsaure erfolgt ferner vollkommen konti- nuierlic h ; keinerlei Anzeichen spricht fur die Existenz eines zwischen dor Mono- und Hexawolframsaure liegenden, gesondert erkennbaren Zwischenproduktes. Damit ist endgiiltig der Nachweis erbracht, daB eine der Trimolybdansaure analoge Triwolframsaure im Verlauf der Aggregationsvorgange im Wolframshuresystem nicht in Er- scheinung tritt.

Ein Vergleich der durch Fig. 1 wiedergegebenen Kurve mit der friiherl) mitgeteilten aeigt, da13 die neue, die durch eine vie1 groBere Zehl von Messungen gestiitzt ist, wesentlich flacher verlauft. Wahrend die anderen friiher angegebenen Diffusionskoeffizienten mit den Ergebnissen der vorliegenden Versuchsreihe innerhalb der zulassigen Fehlergrenze befriedigend ubereinstimmen, war lediglich der Diffu- sionsversuch Nr. 15 offenbar eine Fehlmessung; er fuhrte zu der Annahme der fruher mitgeteilten, den wirklichen Tatsachen nicht ganz entsprechenden, steil ansteigenden Kurve des Diffusions- verlaufes.

Der in Wirklichkeit verhaltnismaBig flache Verlauf der durch Fig. 1 dargestellten Kurve ist wohl darauf zuriickzufiihren, daB der Vorgang der Aggregation der Wolframationen in eine Reihe einander ablosender Einzelreaktionen zerfallt, die wahrscheinlich uber mehrere intermediar auftretende Zwischenprodukte zur schlieBlich allein be- standigen Hexawolframsaure fiihren. Dadurch erscheint der ganze Vorgang gleichsam als gepufferte Reaktion.

3. Dialyseversuche

In neuerer Zeit haben H. und W. BRINTZINGER~) den Verlauf der Dialyse einer Reihe geloster Stoffe durch geeignete Cellophan- membranen hinduroh studiert, die Dialysekoeffizienten gemessen und daraus nach der Gleichung 2

M = ($) die zugehorigen Molekulargewichte berechnet ; in diesem Ausdruck bedeuten 1 den Dialysekoeffizienten und K eine nur von der ver-

l) G. JANDER, D. MOJERT u. TH. ADEN, Z. anorg. u. allg. Chem. 180

2, 11. u. W. BRINTZINCER, Z. anorg. u. allg. Chem. 196 (1O31), 33. (lOSQ), 129.

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wendeten Membran abhangige Konstante. Mit Hilfe des Dialyse- koeffizienten bestimmten H. und W. BRINTZINGER auch den Aggre- gationsgrad der Wolframsaurel) in Natriumwolframatlosungen ver- schiedener [H+]. Dabei ergab sich in allen Losungen, deren [H+] 10-8 bis 10-6.6 betrug, der nahezu konstante Dialysekoeffizient 1 = 0,313, in allen Losungen dagegen, in denen eine hohere [H+] herrschte, der Dialysekoeffizient ii = 0,131. Aus diesen Werten konnten die Molekulargewichte der Mono- und der Hexawolfram- skiure richtig berechnet werden. Die Dialysemethode fuhrte also prinzipiell zu denselben Ergebnissen, wie die Methode der freien Diffusion.

Dennoch ergab sich ein wesentlicher Unterschied. Wahrend namlich die Diffusionsversuche ein breiteres, von der [H+] - bis zur [H+] - reichendes Wasserstoffionenkonzentrationsgebiet erkennen lassen, innerhalb dessen sich die Umwandlung der Mono- wolframsaure in die Hexawolframsaure vollzieht, sprechen die BRINTzINGER’schen Versuche fur eine fast sprunghafte, bei der [H+] 10-6,6 plotalich erfolgende Aggregation der Wolframsaureionen. DemgemaB nimmt der von BRINTZINGER angegebene Kurvenzug, der die Abhangigkeit des Dialysekoeffizienten von der [H+] ver- anschaulicht, einen beinahe treppenformigen Verlauf.

Um diesen Widerspruch zwischen den Ergebnissen der Diffusions- und der Dialysemethode aufzuklaren, wiederholten wir die BRINT- ZINGER’schen Versuche in der von ihm angegebenen Apparatur und unter genauer Einhaltung aller erforderlichen VorsichtsmaBregeln. Wir kamen dabei zu folgenden Ergebnissen :

1. Messungen in schwach alkalischen und sauren Wolframat- losungen ergaben tatsachlich konstante Dialysekoeffizienten, die die Molekulargewichte der Mono- und Hexawolframsaure richtig zu berechnen gestatteten. Der [H+] 10-676 kam jedoch keinerlei be- sondere Bedeutung zu. Der Ubergang der Monowolframsaure in die Hexawolframsaure volleieht sich vielmehr auch nach diesen Ver- suchen innerhalb des Bereiches der [H+] -

2. Wir hatten die groote Muhe, die Werte der [H+] unserer schwach alkalischen , zumal der im Ubergangsgebiet liegenden Losungen wahrend des Dialyseversuches konstant au halten. Dauernd wurde die [H+] durch die Kohlensaure der umgebenden Luft ver- iindert, so da13 eine fortwihrende Regulierung der Losungen not-

bis -

l) H. u. W. BRINTZINGER, Z. anorg. u. allg. Chem. 196 (1931), 55.

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wendig wurde. Wird dieser Umstand nicht genugend beachtet, so findet inan in samtlichen schwach alkalischen Losungen den gleichen Dialysekoeffizienten, der aber in Wirldichkeit nur ein und derselben Losung von der [H+] -lo-' entspricht. Hierauf ist unseres Er- achtens der unstetig erscheinende Verlauf der BRINTzINGER'schen Kurve hauptsachlich zur'uckzufuhren.

3. Die Dialysemethode bietet zweifellos gewisse Vorteile, die, abgeselien von dem nicht unerheblichen Zeitgewinn, insbesondere in der Mijglichkeit liegen, dariiber zu entscheiden, ob in dem gerade untersuchten Bereich der [H+] vorwiegend nur e ine Ionenart existiert, oder ob zwei oder mehrere miteinander im Gleichgewicht stehende Verbindungstypen in der Losung nebeneinander bestehen. Tm ersten Falle bleibt namlich der experimentell ermittelte Dialyse- koeffizient wahrend der ganzen Dauer des Dialyseversuches konstant. Im zweiten Fall dagegen verarmt die Losung im Verlauf der Dialyse rnehr und niehr an dem schneller wandernden Anteil, ihr Dialyse- koeffizient nimmt daher standig ab. Ein wahrend der Dialyse kontinuierlich sinkender Dialysekoeffizient zeigt also die Koexistenz zweier oder mehrerer Ionenarten verschiedener MolekuIargroBe an, 1al3t also z. B. die Umwandlung der Monowolframationen in die lonen der Hexawolframsaure innerhalb des Bereiches der [H+] - bis N 10-6 deutlich erkennen. Eine genaue Untersuchung dieses Ubergangsgebiets mittels der Dialysemethode wird aber andererseits gerade durch diesen Umstand erheblich beeintrachtigt, wenn nicht unmoglich gemacht. Denn nur konstante, wohl definierte Dialyse- koeffiaienten lassen sich zur Berechnung von Molekulargewichten heranxiehen. In solchen Fallen erscheint uns die Methode der freien Diffusion vorteilhafter, da sie die Messung mittlerer Diffusions- koeffizienten und damit die Berechnung mittlerer Molekulargewichte erlaubt. Die Erfahrungen, die wir im Verlauf der vorliegenden Untersuchung uber die Umwandlung der Monowolframationen in die Ionen der Hexawolframsaure sowohl mit der Diffusions- wie mit der Dialysemethode gesammelt haben, bestatigen durchaus diese Auffassung.

Zusammenfassung

1 . Durch Messung der speziellen Diffusionskoeffizienten einer Reihe 0,l n-Natriumwolframatlosungen verschiedener Aziditat wird die MolekulargroBe der Wolframsaureionen in Losung ermittelt, sowie insbesondere der Bereich der [H+] festgelegt, innerhalb dessen sich die Umwandlung der Monowolframsaure in die Ionen der Hexa-

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wolframsaure vollzieht. Die Ergebnisse fruherer Untersuchungen uber das gleiche Thema konnen bestatigt und durch ein umfang- reicheres Zahlenmaterial erweitert und erganzt werden.

2. Innerhalb eines breiteren Gebietes der [H+], das sich von - bis - 10-6 erstreckt, wandelt sich die in alkalischen und neutralen Losungen vorwiegend bestandige Monowolframsaure in die Hexawolframsaure um, deren Ionen in den sauren Wolframatlosungen vorherrschen. Diese Umwandlung vollzieht sich wahrscheinlich uber eine Reihe interrnediar auftretender Ionenarten, denen aber kein eigenes, charakteristisches Bcstandigkeitsgebiet der [H+] zugehort. Insbesondere sprechen keinerlei Anzeichen fur das gesondert erkenn- bare Auftrcten einer der Triinolybdansiiure analogen Triwolframsaure.

Giittingen., Anoryanische Abteilung cles Allgemeinelz Chemnischen U.izinersitatslaboratoriu~~, Juli 1932.

Bei der Redaktion eingegangen am 1. August 1032.