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K. F. Jahr u. G. Jander. Amphotere Oxydhydrate usw. 201 Uber amphotere Oxydhydrate, die Losungen ihrer hydro- lysierenden S a k e und ihre hochmolekularen Verbindungen Uber die Polyvanadate , die aus waBrigen Kaliumvanadatlosungen verschiedener [H+] auskristaliisieren Von KARL FRIEDRICH JAHR und GERHART JANDER XXVI. Mitteilungl) I. Zusammenhang und Ziel der vorliegenden Untersuchung Im Rahmen unserer systematischen Untersuchungen der Hydro- lyse- und Aggregationsvorgange2) in den waiBrigen Losungen der Salze vieler schwacher, sauerstoffhaltiger, mehrwertiger anorga- nischer Sauren und Basen haben wir uns auch mit dem System der l) XXV. Mitteilung: G. JANDER u. I<. F. JAHR, Z. anorg. u. allg. Chem. 319 (1934), 263. 2, In der kiirzlich erschienenen XXII. Mitteilung aus seiner Arbeitenreihe ,,Zur Kenntnis der Iso- und Heteropolysauren" beschiiftigt sich A. ROSENHEIM mit den Strukturhypothesen fur die Heteropolyverbindungen [Z. anorg. u. allg. Chem. 220 (1934), 731 und setzt sich in ihr auch mit den von uns mehrfach entwickelten Vorstellungen iiber deren Aufbau und Natur auseinander. Da aber die Ausfiihrungen A. ROSENHEIM'S Iediglich eine nochmalige, zusammenfassende Darstellung der Llteren Anschauungen bedeuten, ohne unseres Erachtens fur deren Richtigkeit in irgendeiner Beziehung neue Beweispunkte zu erbringen, und da wir andererseits bereits in einer groBeren Anzahl friiherer Veroffentlichungen [Z. anorg. u. allg. Chem. 214 (1933). 145 und 276; 215 (1933), 310; 217 (1934), 65; 219 (1934), 2631 unter ausfiihrlicher kritischer Wiirdigung der Vorstellungen und der Beweisfiihrung von MIOLATI,COPAUX und ROSENHEIM unseren eigenen Standpunkt eingehend dargelegt haben, glauben wir auf eine gesonderte, zu- sammenfassende Entgegnung vorliiufig verzichten zu konnen. Wir mochten nur bemerken, da13 uns das Bemiihen A. ROSEK'HEIM'S, die wesentlichen Unterschiede in den beiderseitigen Anschauungen iiber die Entstehung und den Aufbau der Iso- und Heteropolyverbindungen lediglich zu geringfiigigen Meinungsver- schiedenheiten iiber die Molekulargewichte einzelner Anionen und dergleichen zu verkleinern, nicht mehr augkngig erscheint. Es handelt sich hier doch in Wirk- lichkeit um die Frage, ob die Entstehung der Iso- und Heteropolyverbindungen zukiinftig in dem groI3en Zusammenhang der Hydrolyse- und Aggregations- erscheinungen in den Losungen schwacher anorganischer Sauren und Basen iiberhaupt betrachtet werden soll, oder aber, ob diese Verbindungsklasse wie bisher, in ein allzu kiinstliches Schema gebracht, eine verhaltnismM3ig isolierte

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K. F. Jahr u. G. Jander. Amphotere Oxydhydrate usw. 201

Uber amphotere Oxydhydrate, die Losungen ihrer hydro- lysierenden Sake und ihre hochmolekularen Verbindungen

Uber die Polyvanadate , die aus waBrigen Kaliumvanadatlosungen verschiedener [H+] auskristaliisieren

Von KARL FRIEDRICH JAHR und GERHART JANDER

XXVI. M i t t e i l u n g l )

I. Zusammenhang und Ziel der vorliegenden Untersuchung

Im Rahmen unserer systematischen Untersuchungen der Hydro- lyse- und Aggregationsvorgange2) in den waiBrigen Losungen der Salze vieler schwacher, sauerstoffhaltiger, mehrwertiger anorga- nischer Sauren und Basen haben wir uns auch mit dem System der

l) XXV. Mitteilung: G. JANDER u. I<. F. JAHR, Z. anorg. u. allg. Chem. 319 (1934), 263.

2, In der kiirzlich erschienenen XXII. Mitteilung aus seiner Arbeitenreihe ,,Zur Kenntnis der Iso- und Heteropolysauren" beschiiftigt sich A. ROSENHEIM mit den Strukturhypothesen fur die Heteropolyverbindungen [Z. anorg. u. allg. Chem. 220 (1934), 731 und setzt sich in ihr auch mit den von uns mehrfach entwickelten Vorstellungen iiber deren Aufbau und Natur auseinander. Da aber die Ausfiihrungen A. ROSENHEIM'S Iediglich eine nochmalige, zusammenfassende Darstellung der Llteren Anschauungen bedeuten, ohne unseres Erachtens fur deren Richtigkeit in irgendeiner Beziehung neue Beweispunkte zu erbringen, und da wir andererseits bereits in einer groBeren Anzahl friiherer Veroffentlichungen [Z. anorg. u. allg. Chem. 214 (1933). 145 und 276; 215 (1933), 310; 217 (1934), 65; 219 (1934), 2631 unter ausfiihrlicher kritischer Wiirdigung der Vorstellungen und der Beweisfiihrung von MIOLATI, COPAUX und ROSENHEIM unseren eigenen Standpunkt eingehend dargelegt haben, glauben wir auf eine gesonderte, zu- sammenfassende Entgegnung vorliiufig verzichten zu konnen. Wir mochten nur bemerken, da13 uns das Bemiihen A. ROSEK'HEIM'S, die wesentlichen Unterschiede in den beiderseitigen Anschauungen iiber die Entstehung und den Aufbau der Iso- und Heteropolyverbindungen lediglich zu geringfiigigen Meinungsver- schiedenheiten iiber die Molekulargewichte einzelner Anionen und dergleichen zu verkleinern, nicht mehr augkngig erscheint. Es handelt sich hier doch in Wirk- lichkeit um die Frage, ob die Entstehung der Iso- und Heteropolyverbindungen zukiinftig in dem groI3en Zusammenhang der Hydrolyse- und Aggregations- erscheinungen in den Losungen schwacher anorganischer Sauren und Basen iiberhaupt betrachtet werden soll, oder aber, ob diese Verbindungsklasse wie bisher, in ein allzu kiinstliches Schema gebracht, eine verhaltnismM3ig isolierte

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alkalischen und sauren Losungen des Vanadinpentoxydhydratesl) beschiiftigt. Durch Molekulargewichtsbestimmungen nach der Dif- fusionsmethode, durch Aufnahme von Lichtabsorptionskurven, durch Messungen der [H+] und andere Untersuchungen mehr konnte ein recht geschlossenes und iiberzeugendes Bild von dem Ablauf dieser hauptsachlich von der [H+] abhangigen Hydrolyseprozesse gewonnen werden: In alkalischen und neutralen Vanadatlosungen, bis etwa zur [H+] lo-', treten nacheinander drei wohldefinierte, innerhalb bestimmter Bereiche der [H+] bestandige Anionenarten auf, die der Mono-, der Di- und der Tetravanadinsaure. Jede dieser unserem Auge farblos erscheinenden Verbindungen hat eine eigene, charakte- ristische Kurve der Ultraviolettabsorption. In allen saureren Vanadat- losungen bis etwa zur [H+] ist dagegen nur ein einziges Anion, das der Pentavanadinsaure, als bestiindiges Hydrolyseprodukt nach- weisbar. Die Pentavanadinsaure ist orangerot gefarbt und entsteht beim Ansauern von Tetravanadatlosungen uber ein intermediar auf- tretendes, hohermolekulares Zwischenprodukt, die unbestandige Okto- vanadinsaure2).

In allen starker sauren, bestandigen Losungen des Vanadin- pentoxydhydrates bildet das fiinfwertige Vanadin einfachmolekulare blafigelbe Kationen vom Typus (VO,)+ oder (VO)+++ bzw. (V02. aq)+ oder (VO - a,)+++. Nur innerhalb eines verhaltnismafiig engen Be- reiches der [H+] in der Nahe des isoelektrischen Punktes sind die Losungen des fiinfwertigen Vanadins nicht stabil, sondern zersetzen sich langsam unter Abscheidung rotbrauner, bliittriger Niederschlage,

Stellung innerhalb der Chemie anorganischer Komplexverbindungen einnehmen SOU. Eine Verschleierung der hier auftauchenden, grundsatzlichen Auffassungs- unterschiede diirfte unseres Erachtens kaum zu einer KlKliirung des Fragen- komplexes beitragen.

1) G. JANDER u. Mitarbeiter, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 49; 212 (1933), 1; 217 (1934), 65; Z. phys. Chem. (A) 168 (1934), 283.

a) Die von A. ROSENHEIM [Z. anorg. u. allg. Chem. 96 (1916), 1391 in sauren Vanadatlijsungen angenommene orangefarbene 6-Vanadinsiiure-Aquosiiure, H,[H,(VO,),], ist in Wirklichkeit eine Pentavanadinsaure. Eine Identifizierung dieser Verbindung mit dem von uns beobachteten, dunkelbraunroten Zwischen- produkt, der Oktovanadinsiiure, wie sie A. ROSENHEIM neuerdings [Z. anorg. u. allg. Chem. 220 (1934), 731 versucht, ist ganz unmoglich, denn die Oktovanadin- s h r e ist sehr unbestiindig und unterscheidet sich nicht nur in der Farbe, sondern auch in allen ihren chemischen Reaktionen auf das sinnfiilligste von der in saurer Losung bestandigen Isopolysiiure. Dazu kommt noch, daD die von A. ROSEN- HFJM der 6-Vanadinsiiure-AquosLure zugeordneten (1 : 2)- und ( 2 : 3)-Vanadate eindeutig das Verhalten von Penta- und nicht von Oktovanadaten zeigen.

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die in der Literatur als Vanadinpentoxydhydrate angesprochen werden. In solchen Losungen existieren nebeneinander Pentavana- dinsaureionen und Vanadankationen.

Aus alkalischen nnd neutralen Vanadatlosungen kristallisieren die farblosen Ortho-, Di- und Metavanadate, deren in der Literatur vielfach beschriebene Darstellungsbedingungen, analytische Bu- sammensetzung und Eigenschaften sie ohne Schwierigkeiten als Salze der Mono-, Di- und Tetravanadinsiiure erkennen lassen. Aus allen saureren Losungen dagegen, in denen nachweislich nur ein bestandiges Anion, das der Pendavanadinslure, existiert, ist dennoch bisher eine groBe Anzahl sehr verschieden zusammengesetzter, orange- roter ,,saurer Vanadate" gewonnen worden : Ihr analytisches Ver- haltnis MeI2O : V205 schwankt nach den Angaben der Literatur zwischen 0,86 und 0,33! Um am der Fulle dieser Verbindungs- typen diejenigen herauszufinden, die aus ausgeruhten, in stabilem Gleichgewicht befindlichen Vanadatlosungen von bekannter Kon- zentration und definierter [H+] kristallisieren, haben wir bereits fruherl) eine Reihe von Versuchen durchgefuhrt und bekanntgegeben, die sich auf die sauren Vanadate des Natriums und der Erdalkalien bezogen. Es ergab sich, daB im allgemeinen Verbindungen vom Typus n Me1,0.5V205.aq (n = 3 oder 4), also Salze der Pentavanadinsaure kris tallisierten.

Nur aus stiirker angesauerten Bariumvanadatlosungen wurden Salze der Zusammensetzung 2Ba0.3V20,-aq und 3Ba0.4V205.aq gewonnen, Verbindungen also, deren Zugehorigkeit zur Pentavana- dinsiiure nicht ohne weiteres klar zu erkennen ist. In derartigen Losungen existieren aber bereits in groBerer Konzentration Kationen mit funfwertigem Vanadin (Vanadanionen). Dazu kommt noch, daS sowohl die (2 : 3)- wie die (3 : 4)-Vanadate des Bariums die gleiche Farbe zeigen wie das Barium(4 : 5)-Vanadat und sich .such - bei mikroskopischer Betrachtung - bezuglich ihrer Kristallform von diesen nicht unterscheiden lassen. Sie sind ebenso schwer loslich wie das Pentavanadat und verhalten sich vor allem auch in ihren gesamten chemischen Eigenschaften genau wie dieses. Alle diese Griinde zwangen zu der Annahme, dal3 diese Salztypen Pentavana- date darstellen, als deren Kationen auBer Bariumionen auch Vana- danionen fungieren. Diese Annahme bietet nun die Moglichkeit, die zahlreichen, in der Literatur beschriebenen, ihrer Darstellung

') G. JANDER u. K. F. JAHR, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 49.

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nach aber vielfach nur mangelhaft charakterisierten und daher haufig schwer reproduzierbaren Polyvanadate, die alle das Geprage von Pentavanadaten tragen, ganz allgemein als Metall-Vanadan- Pentavanadate aufzufassen und zu formulieren.

Diese Hypothese gewinnt erheblich an innerer Wahrscheinlich- keit, wenn es gelingt, aus Vanadatlosungen, deren [H+] schrittweise gesteigert wird, auch mit anderen Kationen Polyvanadate zu kri- stallisieren, deren Analyse wiederum nur, soweit sie aus sau re ren Losungen gewonnen wurden, eine von den einfachen Salzen der Pentavanadinsaure (n MeT20 5 V,O,. aq) abweichende Zusammen- setzung erkennen 1aBt. Im folgenden wird eine Reihe von Ver- suchen beschrieben, die unter den genannten Gesichtspunkten die Darstellung definierter Kaliumpolyvanadate zum Ziel hatten. Denn gerade die in der Literaturl) beschriebenen Polyvanadate des Kaliums zeigen in ihrer Zusammensetzung die grofite und uberraschendste Mannigfaltigkeit.

II. Die Darstellung der Sake, ihre Zusammensetzung und Eigenschaften

Beim Ansauern einer kalten, verdunnten Kaliumtetra(meta)- vanadatlosung tritt fast augenblicklich ein kristalliner, aus schonen goldglanzenden Blattchen bestehender Niederschlag auf, dessen Zu- sammensetzung nicht nur von der Konzentration an Vanadin und der erreichten [H+], sondern auch von der Geschwindigkeit des Saurezusatzes, von der Art des Ruhrens und von der Temperatur in komplizierter, nur schwer reproduzierbarer Weise abhangt. Aus der Zusammensetzung derartiger Abscheidungen lassen sich daher keinerlei Schlusse auf die in der Losung vorhandenen vanadin- haltigen Anionen ziehen.

Es muB vielmehr erstrebt werden, aus ausgeruhten, im stabilen Gleichgemicht befindlichen Losungen verschiedener, systematisch ab- gestufter [H+] durch langsame Kristallisation einheitliche Salz- abscheidungen zu gewinnen. Es wurde folgendermaBen verfahren : Je eine etwa Mol Vanadin enthaltende Gewichtsmenge (7 g) des kauflichen Kaliummetavanadates, 1,04 K,O 1 V,0,.0,78 H20, wurde in einem Becherglaschen, das sich innerhalb eines groljen auf 75O erwarmten Heizbades befand, in 25 cm3 Wasser gelost. Zu den heitien, an Vanadin annahernd zweimolaren Losungen wurden aus

I) Vgl. GMELIN-KRAUT, Handbuch d. anorg. Chem. Bd. 111, Abt. 2 (1908, S. 135-138 und ABEGG, Handbuch d. anorg. Chem. Bd. 111, Abt. 3 (1907), S. 769-774. Ferner A. ROSENHEIM, Z. anorg. u. allg. Chem. 96 (1916), 169.

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einer Burette abgemessene Mengen einer 1 m-Essigsaure langsam hinzugesetzt. Die Essigsaure lief dabei mit einer Geschwindigkeit von 1 em3 pro Minute aus der unter die Flussigkeitsoberflache tauchenden Burettenspitze in die Vanadatlosung ein, die durch einen wirksamen Flugelruhrer lebhaft mechanisch geruhrt wurde. Die nach beendetem Saurezusatz kraftig orangeroten, klaren Polyvana- datlosungen wurden solange in dem Heizbad belassen, bis sich dieses - im Verlauf von etwa 15 Stunden - auf Zimmertemperatur ab- gekuhlt hatte. Die immer noch klaren Losungen wurden dann bei O0 zur Kristallisation gebracht. Diese setzte um so eher ein, je saurer die Losungen waren. Auch die Ausbeuten - maximal 3 g - nahmen mit steigender Aziditat deutlich zu.

Die Kristalle wurden durch ein Glasfrittenfilter von der Mutter- lauge getrennt, mit wenig eiskaltem Wasser, dann mit Aceton ge- waschen und so analysiert, wie das bereits fruherl) ausfuhrlich mit- geteilt wurde.

Tabelle 1 enthalt Angaben uber die our Darstellung verwen- deten Losungsmengen, die nach dem Saurezusatz auf 1 Mol KVO, jeweils entfallende Essigsaure in Molen und die Zusammensetzung der auskristallisierenden Salze.

Tabelle 1 - - ii .f! g $

d

__ __ 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 a 12b

Kalium- .anadatlosung

Molari- tat an ranadin

2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1

-

:ms __ - 25 25 25 25 50 25 25 25 50 50 50 50 50

Essigsaure --

cm3 - __ 10 20 30 40

100 70 80 20 80

100 120 100 100

Zusammensetzung der auskristallisierenden Salze

Prozentzahlen ~

K,O - ~

22,16 22,25 21,79 16,Ol 15,05 15,12 14,75 20,97 16,78 20,75 14,75 15,47 19,80

~

v2°5 __ - 72,69 73,59 71,12 79,45 85,25 84,96 84,45 68,21 78,49 68,70 82,75 78,02 71,81

__ H2O __ __ 5,15 4,16 7,09 4,50 - -

0,80 10,82 4,73

10,65 2,50 6,53 8,89

Molekular- verhaltnisse

K 2 0 : V,05 : H,O

2,95 : 5,OO : 3,56 2,94 : 5,OO : 2,85 2,96 : 5,OO : 5,04 1,95 : 5,OO : 2,86 2,05: 6,OO: - 2,07 : 6,OO: - 2,03 : 6,OO : 0,58 2,98 : 5,OO : 8,02 2,06 : 5,OO : 3,34 2,93 : 5,OO : 7,80 2,07 : 6,OO : 1,83 1,92 : 5,OO : 4,23 2,68 : 5,OO : 6,30

Betrachtet man nun die chemische Zusammensetzung der bei den Versuchen 1-7 gewonnenen Kristalle, so ergibt sich, daB aus angesiuerten Kaliumvanadatlosungen, die sich im stabilen Losungs-

I ) G. JANDER u. K. F. JAHR, Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 49.

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gleichgewicht befinden, drei wohldefinierte Polyvanadate kristalli- sieren konnen, in denen das molekulare Verhaltnis K,O : V,O,, mit steigendem Sauregrad der Losung, nacheinander die Werte 3 : 5, 2 : 5 und 2: 6 (1 : 3) annimmt. In einer Reihe weiterer Versuche (Nr. 8-11) wurde gepruft, ob auch bei halb so groBer Konzentration der verwendeten Losungen die Ergebnisse der ersten Versuche repro- duziert werden konnen. Es ergab sich, daB aus Losungen, deren Essigsauregehalt unter 0,8 Molen pro Mol Kaliummetavanadat (KVO,) betragt, wieder nur ein Kalium(3 : 5)-Vanadat kristallisiert (Ver- such 8). Aus Losungen, denen 0,s-1,O Mole Essigsiiure zugesetzt wurden, kann ein (3 : 5)- oder ein (2 : +Penadat oder auch, wie weitere Versuche zeigten, ein Gemisch beider Salze kristallisieren.

Interessant ist es, daB der Kristallisationsvorgang in derartigen Losungen planmaBig geleitet werden kann: Versuch 10 wurde noch einmal wiederholt. Doch wurde die angesauerte Losung jetzt auf zwei GefaBe verteilt: Der eine Teil der Losung (12a) wurde mit den im 9. Versuch gewonnenen Kristallen - 3K,0-5V20,.aq - ,,ge- impft", wahrend dem anderen Kristalle der Zusammensetzung 2K20.5V,0, - aq (Versuch 30) zugesetzt wurden. Versuch 12a ergab ein (2 : 5)-Vanadat, Versuch 12b ein Salz, das annahernd die Zu- sammensetzung eines (3 : 5)-Vanadats besitzt.

Aus starker angesguerten Losungen (Versuch 11) kristallisierte wieder ein (2 : 6)-Vanadat. Auch aus Losungen, deren absolute Kon- zentration nur halb so groB war wie in der ersten Versuchsreihe, wurden also die gleichen Salztypen erhalten.

Bemerkenswert erscheint uns die groBe TJbereinstimmung dieser Salze, der (3 : 5)- , (2 : 5)- und (2 : 6)-Vanadate, in ihrem gesamten physikalischen und chemischen Verhalten : Sie zeigten die gleiche orangerote Farbe, die, wenn das Salz in sehr kleinen Kristallen an- gefallen oder zu Pulver zerrieben war, sehr hell gelborange wurde. Unter dem Mikroskop waren stets die gleichen Kristallformen wieder- zuerkennen : Rhombische oder sechsseitige Blattchen, denen in ein- zelnen Fallen (2. B. Versuch 3) groDere und daher tiefer orange- farbene Doppelpyramiden mit abgestumpften Spitzen beigemischt waren. In ihrer Zusammensetzung zeigten ubrigens diese beiden Kristallarten, wie auch bereits R. MUNZER-LEYSER~) beobachtete,

1) R. MUNZER, ,,Uber die Zusammensetzung polyvanadinsaurer Salze." Dissert. Berlin 1921. Das bisher nicht gedruckte Manuskript, dessen Inhalt auch an anderer Stelle nicht veroffentlicht worden ist, wurde uns nach Erscheinen unserer 16. und 17. Mitteilung [Z. anorg. u. allg. Chem. 211 (1933), 49 und 212

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keinen Unterschied. Alle drei Salze zeigten die gleiche, verhaltnis- miiBig geringe Loslichkeit. Sehr charakteristisch - und wieder voll- kommen gleichartig - war ihr Verhalten gegen Sauren und Laugen: Wurden die frisch gewonnenen Kristalle bei Zimmertemperatur in (2 n-) Natronlauge suspendiert, so losten sie sich zum Teil zu einer kraftig orangefarbenen Losung, die erst nach stundenlangem Stehen allmahlich verblaBte und endlich farblos wurde. Diese Reaktion ist charakteristisch fur alle Losungen, die Pentavanadinsaureionen ent- halten. In (2 n-) Mineralsauren dagegen (Salpetersaure oder Per- chlorsaure) losten sich die Kristalle verhiiltnismaBig rasch zu bla13- gelben Vanadansalzlosungen : Auch dieses Verhalten weist auf die Pentavanadinsaure hin, die unter dem EinfluB iiberschussiger Wasser- stoffionen, unter glatter uberschreitung des in der Nahe des iso- elektrischen Punktes lisgenden Gebietes instabiler Losungen, sehr leicht in die einfach molekularen, positiv geladenen Vanadanionen ubergeht.

111. SchluBfolgerungen

Das Ergebnis der mitgeteilten Versuche erscheint uns in ver- schiedener Hinsicht nicht unwichtig. Zunachst konnte einwandfrei festgestellt werden, daB aus sauren Kaliumvanadatlosungen, sofern nur die Einstellung des Losungsgleichgewichtes abgewartet wird, nur drei ihrer Zusammensetzung nach verschiedene Polyvanadate aus- kristallisieren, die sich also aus der Fulle der in der Bteren Literatur genannten Salztypen deutlich herausheben. Von diesen Salzen sind diejenigen, die aus schwacher sauren Losungen gewonnen werden, deutlich als Salze der Pentavanadinsaure erkennbar : K3H4V5OI6. aq und K2H5V5OI6.aq. Aus allen starker sauren Losungen, die auBer den Ionen der Pentavanadinsaure noch erhebliche Mengen Vanadan- ionen enthalten, kristallisiert dagegen ein vanadinsaurereicheres Salz der Zusammensetzung 2 K,O .6V,O5. Dieses Salz hat, wie erwahnt, die gleiche Farbe und Kristallform wie die beiden Pentavanadate, und zeigt auch sonst - z. B. gegen uberschussige Hydroxyl- bzw. Wasserstoffionen - das gleiche Verhalten.

Wir sind also, wie auch im Fall der aus stBrker sauren Barium- vanadatlosungen kristallisierenden (2 : 3)- und (3 : 4)-Vanadate, auf Grund der hier rnitgeteilten Beobachtungen und unter Berucksichtigung

(1933), 11 von Herrn Prof. A. ROSENHEIM freundlichst zur Einsichtnahme iiber- lassen. R. MUNZER findet, in Ubereinstimmung mit unseren Beobachtungen, dal3 aus angesauerten, waBrigen Vanadatlosungen fast ausschliel3lich Salze einer Pentavanadinsaure kristallisieren, die sie mit ROSENREIM als Hydrolyseprodukt H,[H,(VO,),OH] der 6-Vanadinsaure-Aquosaure, H,[H,(VO,),], auffal3t.

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aller bisher bekannt gewordenen Eigenschaften der waBrigen Vana- datlosungen zu der Annahme gezwungen, dal3 auch die Verbindung 2 K,0.6V,05 ein Salz der Pentavanadinsaure ist. Dieses Salz ent- halt aber auI3erdem noch kationisches Vanadin, ist also als Kalium- Vanadan-Pentavanadat anzusprechen.

Im Gegensatz zu den Kalium-(3 : 5)- und (2 : +Vanadaten, zu den Barium-(4 : 5)-, (2 : 3)- und (3 : 4)-Vanadateii, wie zu den meisten aus sauren Losungen kristallisierenden Salzen der Iso- und Hetero- polysauren uberhaupt kristallisiert das Kalium-(2 : 6)-Vanadat wasser- frei : Die Verbindung K,(VO)H,V,O,,. aq 1 scheint also sehr leicht unter Wasserabgabe in das Salz K2(VO)V5015 iibergehen zu konnen, wie uberhaupt die Vanadate und Polyvanadaie sehr leicht Wasser aufnehmen und abgeben, so dafi die Angaben der verschiedenen Autoren uber den Wassergehalt dieser Verbindungen haufig aus- einandergehen. Das wasserfreie Salz, K,O *3V,O,, sowie das analoge Ammoniumsalz sind bereits friiher verschiedentlich beschrieben worden, so von RAMMELSBERG~), NORBLAD~) und ROSENHEIM~).

Die Tatsache, daI3 aus angesauerten wafirigen Kaliumvanadat- losungen, die sich im stabilen Gleichgewicht befinden, ein wasser- freies Kaliumpolyvanadat kristallisiert, scheint uns darauf hinzu- weisen, daB dem Wasser fur den Aufbau dey Isopolysauren nicht unter allen Umstanden die so entscheidende, Struktur und Zusammen- halt des Molekuls bestimmende Rolle des ,, Konstitutionswassers" zufallt, wie sie z. B. A. ROSENHEIM in seiner ,,Aquattheorie" zum Ausdruck bringt. Fur die Polyvanadate zurn mindesten erscheint schon aus diesem Grunde ihre Auffassung als Derivate einer hypo- thetischen Aquosaure, H,,[H,O,], deren zentralen Bestandteil das Wasserstoffmolekul bildet und deren Sauerstoffatome ganz oder teil- weise durch (TO,)-Gruppen ersetzt sind, nicht statthaft. DaB anderer- seits dem Wasser in vielen anderen iso- und heteropolysauren Salzen sicherlich eine sehr groI3e konstitutive Bedeutung zukommt , bleibt durch diese einschrankende Feststellung selbstverstandlich unberuhrt.

Endlich haben diese Versuche ergeben, daI3 die Zusammen- setzung der aus Vanadatlosungen kristallisierenden Salze nicht nur stark von deren [Hi-] abhangt, sondern auch von der absoluten Kon- zentration der Losungen beeinflufit wird.

l) C. RAMMELSBERG, Sitzungsber. Akad. Berlin 1883, 3. 2, P. NORBLAD, Upsala Univ. Arsskr. 1873. 3, A. ROSENHEIM, Z. anorg. u. allg. Chem. 96 (X916), 172.

Berlin-DahEem, im September 1934. Bei der Redaktion eingegangen am 14. September 1934.