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172 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 345. 1966 Uber Chalkogenocarbonate. XXIII l) Untersuchungen uber Perthiokohlensaurea) 2. Perthiokohlensaure H,CS4 in waRriger LOsung3l4) Von G. GATTOW und J. WORTMANK') Mit 7 Abbildungen Inhaltsiibersicht Mit Hilfe von Leitfahigkeits- und pH-Messungen wurdc unter variablen Bedingungen das Verhalten von SC(SH)(SSH) in wa5rigen Losungen zwischen 0 "C und 25 "C untersucht. Neben den Aquivalentleitfiihigkeiten von CS:- und H,CS,, die sich durch die Temperatur- funktionen (in cm2 . g-Aquiv.-l Q-l; T in OK) A: (CS:-) = 2,25. T - 566,4, AT (H,CS,) = 7,24. T - 1704,3. beschreiben lassen, konnten die beiden Dissoziationskonstanten des H,CS, bei 20,O "C zu K,, = (3,5 5 0,5) .10-4, KB2 = (4,8 4 0,5) . 10-8 ermittelt werden. Die thermodynamischen Kenngroben der Dissoziation wurden errechnet. Durch Leitfahigkeitsmessungen zwischen 0 "C und 13 "C konnte nachgewiesen werden, daB der Zerfall des H,CS4 in wabriger Losung formal nach dem Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung erfolgt; Zerfallskonstante (kin Min.-l; T in OK): log k = -3,02 * los. T-l + 11,566; Aktivierungsenergie des Zerfalls: AH, = 13,8 f 0,5 kcal/Mol; Halbwertszeit bei 10,O OC: 8,17 . Min. 1) XXII. Mitteilung: B. KREBS u. G. GATTOW, Angew. Chem. 78,210 (1966); Angew. Chem. Intern. Ed. 5,250 (1966). XXI. Mitteilung: A. MULLER u. B. KREBS, Z. anorg. allg. Chem. 345,165 (1966). 2) Vgl. Vortragsreferat: G. GATTOW u. J. WORTMANN, Angew. Chem. 77,1081 (1965) ; Angew. Chem. Intern. Ed. 4,1085 (1965). 3) 1. Mitteilung: 0. GATTOW u. J. WORTMANN, Z. anorg. allg. Chem. 345, 137 (1966). 4) Urn den Siiurecharakter in waSriger Losung zu kennzeichnen, wurde - an Stelle der fur den wasserfreien Zustand gultigen Bezeichnung SC(SH)(SSH) - die Schreibweise H,CS, gewahlt. 5) Teil der Diplomarbeit J. WORTMANN, Gottingen 1965.

Über Chalkogenocarbonate. XXIII. Untersuchungen über Perthiokohlensäure. 2. Perthiokohlensäure H2CS4 in wäßriger Lösung

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172 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 345. 1966

Uber Chalkogenocarbonate. XXIII l)

Untersuchungen uber Perthiokohlensaurea)

2. Perthiokohlensaure H,CS4 in waRriger LOsung3l4)

Von G. GATTOW und J. WORTMANK')

Mit 7 Abbildungen

Inhaltsiibersicht Mit Hilfe von Leitfahigkeits- und pH-Messungen wurdc unter variablen Bedingungen

das Verhalten von SC(SH)(SSH) in wa5rigen Losungen zwischen 0 "C und 25 "C untersucht. Neben den Aquivalentleitfiihigkeiten von CS:- und H,CS,, die sich durch die Temperatur- funktionen (in cm2 . g-Aquiv.-l Q-l; T in OK)

A: (CS:-) = 2,25. T - 566,4,

AT (H,CS,) = 7,24. T - 1704,3.

beschreiben lassen, konnten die beiden Dissoziationskonstanten des H,CS, bei 20,O "C zu

K,, = (3,5 5 0,5) .10-4,

KB2 = (4,8 4 0,5) . 10-8

ermittelt werden. Die thermodynamischen Kenngroben der Dissoziation wurden errechnet.

Durch Leitfahigkeitsmessungen zwischen 0 "C und 13 "C konnte nachgewiesen werden, daB der Zerfall des H,CS4 in wabriger Losung formal nach dem Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung erfolgt; Zerfallskonstante ( k i n Min.-l; T in OK): log k = -3,02 * l o s . T-l + 11,566; Aktivierungsenergie des Zerfalls: AH, = 13,8 f 0,5 kcal/Mol; Halbwertszeit bei 10,O O C : 8,17 . Min.

1) XXII . Mitteilung: B. KREBS u. G. GATTOW, Angew. Chem. 78,210 (1966); Angew. Chem. Intern. Ed. 5,250 (1966). XXI. Mitteilung: A. MULLER u. B. KREBS, Z. anorg. allg. Chem. 345,165 (1966).

2) Vgl. Vortragsreferat: G. GATTOW u. J. WORTMANN, Angew. Chem. 77,1081 (1965) ; Angew. Chem. Intern. Ed. 4,1085 (1965).

3) 1. Mitteilung: 0. GATTOW u. J. WORTMANN, Z. anorg. allg. Chem. 345, 137 (1966). 4) Urn den Siiurecharakter in waSriger Losung zu kennzeichnen, wurde - an Stelle der

fur den wasserfreien Zustand gultigen Bezeichnung SC(SH)(SSH) - die Schreibweise H,CS, gewahlt.

5 ) Teil der Diplomarbeit J. WORTMANN, Gottingen 1965.

G. GATTOW u. J. WORTMANN, Perthiokohlensliure H,CS, in waDriger Losung 173

Fur das CS:--Ion wurden bei 20,O "C der STOKESsche Radius zu rs = 1,78 a, der Radius des hydratisierten Ions zu rHydr. = 3,67 a und der Grenzwert des Diffusionskoeffizienten zu Do = 1,21 f 0,05 cm2/Tag berechnet.

Summary The behaviour of SC(SH)(SSH) in aqueous solutions betwecn 0°C and 25°C was inve-

stigated by means of conductivity and pH measurements. The equivalent conductivities (AT) of CSi- and of H,CS,, as well as the dissociation constants K,, und f(8, of H2CS4 were determined. The thermodynamical data of the dissociation were calculated.

From electrical data i t is concluded that the decomposition of H,CS, in aqueous solution is a first-order reaction. The decomposition constant, the activation energy, and the half-life were determined.

Furthermore, the STOKES radius of the CS:- ion, the radius of the hydrated ion and its diffusion coefficient were calculated.

Wahrend im 1. Teil unserer Untersuchungens) uber die Darstellung, die Eigenschaften und die thermochemischen KenngroBen der wasserfreien Perthiokohlensaure SC(SH)(SSH) berichtet worden ist, sol1 im vorliegenden Teil das Verhalten waBriger Losungen von SC(SH)(SSH) behandelt werden.

Auf Grund des Saurecharakters in waBriger Losung ist zu erwarten, daB die Perthiokohlensaure H,CS,4) in zwei Stufen dissoziiert :

H,CS, + HCS; + H+

HCS, + CS:- .+ H+.

Durch die relativ groBe Zersetzungsgeschwindigkeit des H,CS4 in Wasser wurden die Messungen an diesem System erheblich erschwert.

I. Leitfahigkeitsmessungen An waBrigen Losungen von Na,CS46) und H,CS46) wurden bei verschie-

denen Temperaturen elektrische Leitfahigkeitsmessungen in Abhangigkeit von der Zeit durchgefuhrt, die im Hinblick auf die 1. Dissoziationskonstante, die thermochemischen Daten der Dissoziation, der Zerfallskinetik und -kon- stante, sowie auf die Aktivierungsenergie des Zerfalls, auf die Bquivalent- leitfahigkeit und GroBe des hydratisierten CSz--Ions ausgewertet werden konnten.

Vefsuche von HANTZSCH und BUCERIUS '), die elektrische Leitfahigkeit von wLDrigen H,CS4-Losungen zu bestimmen, scheiterten an der hohen Zersetzungsgeschwindigkeit der Saure in Wasser.

s, NLhere Einzelheiten iiber die Darstellung usw. siehe beis). 7 A. HANTZSCH u. W. BUOERIUS, Ber. dtsch. ohem. Ges. 59, 796 (1926).

174 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 345. 1966

Die relativ grol3e Zerfallsgeschwindigkeit der Perthiokohlensaure in waI3riger Losung verlangte die Anwendung einer besonderen Versuchs- technik :

Zu einer sich in der MeBzelle befindlichen Na,CS,-Losung bekannter Konzentration wurde bei der gewiinschten Versuchstemperatur unter Ruhren eine genau aquivalente Menge n/10 HC1 in einem SchuB hinzugegeben, die das H,CS, in wal3riger Losung in Freiheit setzte. Bereits 5 1 0 Sek. nach der Saurezugabe konnte mit der Aufnahme exakter MeBwerte begonnen werden. Die Leitfahigkeit des in der Losung anwesenden NaCl wurde durch Differenzbildung eliminiert. Die Leitfahigkeiten der Zerfallsprodukte H,S, CS, und S konn- ten - wie Vorversuche zeigten - vernachlassigt werden, da CS, und S keine bzw. H,S eine innerhalb der Fehlergrenzen liegende Leitfahigkeit besitzen (vgl. 6)).

Da wegen des Zerfalls des H,CS, die Leitfahigkeit sich nach groBenordnungsm~5ig 10 Sek. um die Halfte verringerte, wurde das LeitfahigkeitsmeBgerSit (Metrohm Kon- duktoskop E 365) an einen automatischen Schreiber (Metrohm Potentiograph E 336) ange- schlossen, der die Leitfahigkeit direkt in Abhangigkeit von der Zeit, aufzeichnete. - Eine geringe Tragheit des Schreibers konnte korrigiert werden.

Die wahren Leitfahigkeiten der unzersetzten Substanzen konnten durch Extrapolation der gemessenen Leitfiihigkeitswerte auf die Zeit ,,Null" be- stimmt werden, da die Reaktionsordnung des Zerfalls bekannt war (nahere Einzelheiten siehe an spaterer Stelle). Die Messungen mit Na,CS, erforderten gleichfalls eine Extrapolation, da in diesem Palle die Leitfahigkeit infolge Zersetzung urn 0,2 -0,4y0 in 10 Minuten zunahm.

Ver s u c h s d u r chf i ihr u n g : Die Eichung der LeitfahigkeitsmeBanordnung erfolgte praktisch vor jeder Messung mit 0,01 n KC1-Losung ( x = 1,223 - em-1 R-' bei 18"Cg)); bei allen Versuchen fand dreifach destilliertes Wasser Verwendung, dessen Leitfahigkeits- wert getrennt ermittelt und bei den Messungen korrigiert wurde.

Fur die Untersuchungen wurden a mMol Na,CS, 4 3 H,08) eingewogen und in x ml H,O gelost ; die Losung wurde schnell auf die MeBtemperatur abgekiihlt. GleichermaBen wurde eine Losung von 2a mMolHC1 in y ml H,O abgekiihlt. Die TauchmeBzelle10) befand sich in der Na,CSb-Losung ; ein Magnetriihrer sorgte fur gute Durchmischung wahrend des ganzen Versuches ll). Zur Zeit t = 0 erfolgten gleichzeitig die Inbetriebnahme des Schreiberantriebe und die Zugabe der Salzsaure in einem SchuB. Spatestens nach 10 Sek. lag eine homogene Losung von Perthiokohlensaure der Konzentration a/(x + y) Mol/Liter vor, die auswertbare Ergebnisse lieferte. Nach etwa 1 Min. war die Messnng mit dem volligen Zerfall der SLure beendet .

1. Leitfahigkeit und Grolle des CSi--Ions Die spezifischen Leitfahigkeiten x der Na,CS,-Losungen wurden bei

drei verschiedenen Konzentrationen ( 1 , O . bis 5 ,3 . g-Aquiv./Liter)

8 ) G. GATTOW u. B. KREBS, Z. anorg. allg. Chem. 323, 13 (1963). 9, G. JONES u. B. C. BRADSRAW, J. Amer. chern. Soc. 55,1780 (1933).

la) Eingeschmolzene platinierte Platinelektroden; Zellkonstante 0,722 cm-I. 11) Zur Konstanthaltung der Temperatur (&0,2 "C) blieb das MeBgerat wiihrend der

Messung im thermostatisierten Kuhlbad.

G. GATTOW u. J. WORTMANN, Perthiokohlensaure H,CS, in wiioriger Losung 175

zwischen 5,O und 25,O "C bestimmt ; die errechneten Bquivalentleitfahigkei- ten A, sind der Tab. 1 zu entnehmen.

Aus den A,-Werten wurden mit Hilfe der DEBYE-HUCKEL-ONSAGER- Niiherung 12) die Werte der LquivalentleiDfahigkeiten fur unendliche Ver- diinnung des Na,CS, berechnet ; die Gultigkeit der Naherungsgleichung 12)

ist bei den vorliegenden Konzentrationen noch gegeben.

e w& s ,-

+

Tabelle 1 Aquivalentleitfahigkeiten Ac stark verdunnter waBriger Losungen v o n Na,CS, be i v e r -

schiedenen Temperaturen

60

5,o 10,o 15,O 20,o 25,O

86,4 100,8 115,8 131,6 147,6

Die Aquivalentleitfahigkeit des CS!--Ions bei unendlicher Verdiinnung A,(CS:-) wurden aus den A,-Werten des Na2CS, nach KOHLRAUSCH bei Kenntnis der Bquivalentleitfahigkeit des Na+-Ions berechnet ; wegen des Vorhandenseins von, aus Umsetzung mit dem Losungsmittel entstandenen, weiteren Ionen (HCS;, OH-) mufiten zusatzliche Korrekturen eingefuhrt werden 13). Die Bquivalentleitfahigkeit des CS:--Ions, die in Abb. 1 wieder- gegeben sind, lassen sich im Temperaturbereich von 0 "C -25 "C durch fol- gende lineare Beziehung ausdriicken (T in OK; Genauigkeit : 3 0,5 em* . g- dquiv.-l SZ-1) :

A:(CSi-) = --566,4 + 2,25 - T (cmz * g-Aquiv.-l Sz-l).

Fur die Stsndardaquivalentleitfahigkeit bei 20,O "C folgt A: = 93,3 f 0,5 cm2 . g-dquiv.-l R-1.

Nach STOKES und EINSTEIN 14) 1aBt sich aus der Aquivalentleitfahigkeit und der Viskositiit des Losungsmittels ein formaler STOKESscher Radius rg

12) P. DEBYE u. E. HUCREL, Physik. Z. 24, 311 (1923); L. ONSAGER, Physik. Z. 27,

lS) Niihere Einzelheiten siehe bei G. GATTOW u. M. DRAQER, in Vorbereitung; M. DRAGER,

14) Vgl. R. A. ROBINSON u. R. H. STOKES, ,,Electrolyte Solutions", New York 1955.

388 (1926).

Diplomarbeit Gottingen 1965; vgl.

176 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 345. 1966

berechnen, der Leitfahigkeitsgro5en mit DiffusionsgroQen verbindet : rs = 0,820 z/A0 * q = 0,732 * T/D, q.

Es bedeuten: z = Ladung des Ions; 9 = Viskositiit des Losungsmittels; Do = Grenz-

Bei 20°C errechnet sich fur das CSi--Ion ein STOKESSCher Radius von wert des Ionen-Diffusionskoeffizienten ; T = Temperatur in OK.

rs = 1,78 A. Da die SToKEsschen Radien in sehr vielen Fallen nicht reell sind und lediglich formale

GroBen darstellen, wurde der effektive Radius rHydr. des hydratisierten CS:--Ions aus der Kalibrierungskurve von NIGHTINQALE 15) bei 20 OC zu

rHydr. = 3,b7 A ermittelt l*).

sionskoeffizienten des CSf-Ions bei 20 "C zu Aus der STOKES-EINSTEINschen Gleichung14) errechnet sich der Grenzwert des Diffu-

Do = 1,21 f 0,05 cm2/Tag.

2. Leitfahigkeit dcr Perthiokohlensaure Nach KOHLRAUSCH ergibt sich aus den A,-Werten fiir CSi- (siehe Abb. 1)

und H+ die Aquivalentleitflhigkeit des H2CS, fur unendliche Verdiinnung. Wie der Abb. 2 zu entnehmen ist, liegen die Werte gut auf einer Geraden und lassen sich zwischen 0 "C und 25 "C durch die Temperaturfunktion

beschreiben (T in "K; Genauigkeit: A,T(H,CS,) = -1704,3 + 7,24 - T (cmz * g-Lquiv.-l R-l)

1,0 cm2 - g-Aquiv.-l Q-l).

i

Abb. 2. Temperaturabhangigkeit Abb. 3. Extrapolation der der Aquivalentleitf&higkeit der 1. Dissoziationskonstanten

Perthiokohlensaure von H,CS, auf c = 017)

l5) E. R. NIGHTINGALE, J. physic. Chem. 63, 1381 (1959). lo) Der Radius des hydratisierten CSi--Ions konfite zu rHydr. = 3,60 d bestimmt

werdens).

G. GATTOW u. J. WORTMANN, Perthiokohlensliure H,CS, in wlil3riger Losung 177

Fiir die Standardaquivalentleitflhigkeit der Perthiokohlensaure bei 20,O "C folgt A: (H,CS,) = 418,s 5 1,0 cm2 . g-Bquiv.-lG-1.

3. Dissoziationskonstante Die Bestimmung der 1. Dissoziationskonstanten der Perthiokohlensaure

konnte wegen der leichten Zersetzlichkeit dieser Saure nur .bei + 2,O "C er- folgen, da eine sichere Extrapolation der spezifischen Leitfahigkeiten auf die Zeit t = 0 auch bei Kenntnis des Zerfallsgesetzes nur bei tiefen Tempe- raturen moglich war.

Zur Auswertung gelangten die MeBergebnisse von 5 verschiedenen Konzentrationen im Bereich von 0,002 bis 0,Ol Mol H,CS,/Liter bei +2,0 "C. - Die Berechnung der 1. Disso- ziationskonstanten K,, erfolgte in bekannter Weise iiber den wahren Dissoziations- grad a (Kombination KOHLRAUSCH-BJERRUM-OSTWALD) durch sukzessive Niiherung 8)

und nach der Theorie von DEBYE, HUCEEL und O N S A Q E R ~ ~ ) unter besonderer Beriicksich- tigung von zusiitzlichen Wechselwirk~ngen~~). Die konzentrationsunabhiingige thermo- dynamische Dissoziationskonstante Kal wurde durch graphische Extrapolation der (pK,, + D)-Werte17) auf die Konzentration c = 0 erhalten (vgl. Abb. 3).

Die 1. Dissoziationskonstante der Perthiokohlensaure betragt bei + 2,o "C

K,, = (2,8, -1: 0,2,) - 10-4.

Unter der Annahme, daB die Temperaturabhiingigkeit von Ka, des H,CS, iihnlich ist wie die der Trithiokohlensiiure a), l i iDt sich der Standardwert der 1. Dissoziationskonstanten der Perthiokohlensiiure bei 20,O "C zu

K,, = (3,5 f 0,5) .10-4 abschiitzen.

Die GIBBssche Freie Enthalpie (Dissoziationsarbeit) der 1. Dissoziationsstufe errechnet sich bei 2 , O O C zu

AG, = 4,6 & 0,5 kcal/Mol.

4. Zerfall der Perthiokohlensfure in wlSriger Losung Wahrend bisher nur die Anfangswerte (bei t = 0) der gemessenen Leit-

fahigkeiten betrachtet wurden, sol1 im folgenden die zeitliche hderung, die Auskunft iiber die Geschwindigkeit und die Reaktionsordnung des Zerfalls gibt, untersucht werden. Der Tab. 2 sind die experimentell bestimmten rela- tiven spezifischen Leitfahigkeiten - abziiglich der NaC1-Werte - als Funk- tion der Zeit und Temperatur zu entnehmen 18).

17 Es bedeuten: D = ( 2 A I/JI)/(i + vi) mit A = 1,8246 lOe/(e T)slz; ,n = Ionen-

ls) Die Werte waren im untersuchten Konzentrationsbereich (0,Ol und 0,02 m H,CS,) starke; E = Dielektrizitiitskonstante des H,O; T = Temperatur in OK.

praktisch konzentrationsunabhingig. 12 2. anorg. all& Chemie, Bd. 345.

178 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 345. 1966

1a,3 18,O 19,O 20,l 25,O 2 5 3 33,2 33,6 34,6 2 i ,2 26,8

Aus der Abb. 4, die einen Teil der MeBwerte graphisch wiedergibt, ist z u ersehen, daB der Zerfall des H,CS, in Wasser stark temperaturabhangig ist 19). Im log x - t-Diagramm liegen die relativeii x-Werte sehr gut auf einer Ge-

Tabelle 2 h d e r u n g d e r r e l a t i v e n s p e z i f i s c h e n L e i t f a h i g -

k e i t e n wLDriger H,CS,-Losungen m i t d e r Ze i t l* )

i4,6 9,6 13,2 7,2 13,4 7,2 14,l 7 , l 17,3 8,4 17,7 8,5 20,4 8,4 21,O 8.6 19,8 6,7 1 3 3 3 3 12,4 2,6

28,3 32,9 36,2 40,3 53,4 54,8 80,O 85,7 103,l 112,2 132,O

x (in Skt.) nach t Sek.

23,O 24,7 26,l 28,6 36,2 37,4 51,6 53,O 60,1 54.5 59,7

-0,5 ~ 2 , 0 ~ 2 , 2 +2,5 +3,4 +3,5 $5,5 +6,1 +7 ,7

~ 1 0 , O -12,5

35,8 45,6 50,2 57,O 77.5 7 9 3

125,4 138,9 1762 228,3 284,8

raden; d. h. es handelt sich hier urn eine Zerfallsreaktion 1. Ordnung. Dabei kann jedoch iiber die Molekularitat des Zerfalls nichts ausgesagt werden. Die mit steigender Polaritat des Losungsmittel zunehmende Begunstigung

des Zerfalls 20) zeigt die entscheidende Beteilung dieser Substanzen am Zer- fallmechanismus. In verdunnten Losun- gen sind die Losungsmittel immer im grol3en Uberschul3, d. h. in praktisch

Y konstanter Menge vorhanden und gehen somit nicht in die Berechnung der Reaktionsordnung ein. Aussagen uber den genauen Zerfallsmechanismus lassen sich vorlaufig nicht machen.

Der Zerfall erscheint formal als Reaktion 1. Ordnung. Da13 die Konzentration derH,O+- Ionen einen EinfluD auf den Zerfall hat, zeigen folgende Versuche: Wird HCl im UberschuB zugefiigt, dann vergroDern sich die Halbwerts-

zeiten des Zerfalls zunachst, um bald darauf abzufallen. Wird mit einem UnterschuD an Salzsilure gearbeitet, dann sind die Halbwertszeiten zuerst kleiner und werden spiiter groBer. Die MeBwerte liegen in diesen Fallen nicht auf Geraden im log x - t-Diagramm.

300 - 12.5”C

10 20 30 40 t[Sek]

Bbb. 4. Zerfall der Perthiokohlensiiure in waDriger Losung

Is) Als Zerfallsprodukte entstehen in wLDriger Losung H,S, CS, und Schwefel. *@) Nach H. v. HALBAN, A. MACKERT u. W. OTT [Z. Elektrochem. angew. physik. Chem.

29, 445 (1923)l betragen die Geschwindigkeitskonstanten des Zerfalls von H,CS, bei 11 “C k = 3,8 * 10-8 Xn.-l in CCl,, k = 7,7 . Min.-l in Aceton und k = 5,3 . lo-’ Min.-l in Methylalkohol; in H,O ist k = 8,71 Min.-l (siehe Abb. 5).

G. GATTOW u. J. WORTMANN, PerthiokohlensLure H,CS, in wiiBriger Losung 179

15,7 11,l 10,7 9,9 9,3 9 2 7-7 7,2 6,4 4,9 4,4

Die aus den experimentellen MeBwerten berechneten Halbwertszeiten und die Geschwindigkeitskonstanten des ZerfalIs von H,CS, in waflriger Losung sind in der Tab. 3 wiedergegeben.

0.2625 0,1855 0,1775 0,1650 0,1550 0,1534 0,1284 0,1200 0,1083 0,0817 0,0734

Tabelle 3 Ha 1 b w e r t s z e i t e n zE u n d G e s c h w i n - d i g k e i t s k o n s t a n t e n k b e i m Z e r -

f a l l v o n H,CS, i n wal3riger - - L o s u n g la)

T ("C)

- -0,5 + 2,o +2,2 + 2,5 + 3,4 +3,5 i- 5,5 +6,1 +7,7 i 10,o +12,5

(Min.-')

2,56 3,74 3,91 4,20 4,47 4,52 5,40 5,78 6,38 8,48 9.45

ZO *o

TPC] - +20 +10

Abb. 5. Temperaturabhiingigkeit der Geschwindigkeitskonstanten des Zer- falls von H,CS4 in wMriger Losung

im Vergleich zu der von HzCS,8)

Die Geschwindigkeitskonstanten des Zerfalls von H2CS4 lassen sich im Temperaturbereich von -0,5 "C bis + 1.2,4"C durch die Gleichung (k in Min.-l; T in OK)

log k = -3,02 . lo3 . T-l + 11,566

beschreiben (vgl. Abb. 5).

saure in Wasser Daraus folgt fiir die Aktivierungsenergie des Zerfalls der Perthiokohlen-

AH, = 13,B f 0,5 k~allM01

fur eine mittlere Temperatur von +6 oC21).

11. pH-Messungen Die Beetimmung der pH-Werte erfolgte im Temperaturbereich von f0 "C bis +25 "C

mit dem Metrohm-Potentiograph E 336 unter Verwendung von T- und UX-Glaselektroden. Benutzt wurden 0,0003 bis 0,002 m Losungen*,) von Na,CS, . 3 H20s) in Wasser. Um den EinfluB von gelostem CO, auszuschalten, wurde frisch destilliertes Wasser (dreifach) ver- wendet.

2 1 ) Zum Vergleich sei die Aktivierungsenergie des Zerfalls der Trithiokohlensaure in

22) Zur Untersuchung gelangten Liisungen mit maximal 9 versohiedenen Konzentra- Wasser aufgefiihrt: AHA = 16,6 f 0,2 kcal/Mol8).

tionen bei den jeweiligen Temperaturen. 12*

180 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 345. 1966

f O +10 +15 +20

1. Dissoziationskonstante Schwieriger als die Ermittlung der 1. ist prinzipiell die Bestimmung der

2. Dissoziationskonstanten. Da bei der Perthiokohlensaure diesen beiden Konstanten recht weit auseinander liegen, kann mit relativ guter Genauigkeit die Methode der pH-Messungen in Losungen neutraler Salze des H&S4 her- angezogen werden.

Die Auswertung der experimentellen MeSergebnisse erfolgte nach den ublichen Methoden unt,er Verwendung der 2. und 3. Niiherung nach DEBYE und HUCKEL~~) fur die Ermittlung der AktivitLtskoeffizienten und unter Beriicksichtigung des Einflusses der 1. Dissoziations- konstanten13). Aus den errechneten (pK,, + E)-WertenZ3) wurde durch graphische Extra- polation auf c = 0 die konzentrationsunabhiingige thermodynamische Dissoziationskon- stante Kaz erhalten (vgl. Abb. 6).

7,87 i,35 10-8

7,41 3,9, - 10-8 7,54 2,9, . 10-8

7,32 4,8, * 7 0 7 2

c ~ ~ ~ h o ( / ~ i t e d Abb. 6. Extrapolation der 2. Disso- ziationskonstanten von H,CS, auf

c = 025)

+25 1 7,24

Tabelle 4 2. Di s sozia t i on s kon s t a n t e G2

der Per th iokohlensgure in waDriger Losung

5,7, - 10-8

Wie der Tab. 4, in der die pK,,- und K,,-Werte wiedergegeben sind, zu entnehmen ist, folgt als Standardwert fur die 2 . Dissoziationskonstante der Perthiokohlensiiure bei 20,O "C

Ksz = (4,8 & 0,5) . 10-8.

2. Dissoziationsenthalpie, Dissoziationsentropie und Dissoziationsarbeit Aus der Temperaturabhiingigkeit von K,, (siehe Abb. 7 und Tab. 4)

lassen sich die Dissoziationsenthalpie AH, und die mit ihr durch die GIBBS-

23) Es bedeuten: E = (A . zf . v i ) / ( 1 + aB 1;) mit a = Aktivitat, z, = Ionenladung, p = Ionenstiirke. A und B stellen temperaturabhiingige Konstanten dar12)'3).

G. GATTOW u. J. WORTMANN, Perthiokohlensiiure HzCS, in waBriger Losung 181

HELMHoLTz-Gleichung verbundene Dissoziationsentropie d 8, der 2. Stufe berechnen.

Wie aus der Abb. 7 zu ersehen ist, existiert zwischen pKa2 und der reziproken absolutJen Temperatur 1/T kein hearer Zusammenhang ; d. h. die Dissoziationsenthalpie ist tempera- turabhjingig. Da im Temperaturbereich von * 0 "C bis +2O"C die Kurve nicht stark gekriimmt ist, kann die 2. Dissoziationskonstante der Perthiokohlen- siiure in 1. Niiherung durch die Temperaturfunktion (T in OK) -I]*;/', 75

p K 2 = 2,182 103 * T-1 - 0,13

beschrieben werden.

-T["c] 7 Fur AH,, A S , und fiir die GIBsssche Freie Dissoziationsenthalpie (Diasoziationsarbeit) +3u +2u +7u *u dGD der 2. Dissoziationsstufe folgt bei 20°C 3.2 3,4 3,6 3b

Abb. 7. Temperaturabhiingig- keit der 2. Dissoziationskon-

VWO~PK-I~C AH, = 10,O f 0,6 kcal/Mol,

A S , = -0,6 f 0,5 cd/"Mol,

AG, = 9,8 f 0,5 kcal/Mol. stanten Kaz von H2CS,

Herrn Professor Dr. 0. GLEMSER gilt unser Dank fiir die Bereitstellung von Instituts- mitteln. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie dem Fonds der Chemischen Indu- strie danken wir sehr fiir die uns zur Verfugung gestellten apparativen Hilfsmittel und fur die Unterstutzung unserer Arbeit.

Got t ingen , Anorganisch-chemisches Institut der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen am 4. Dezember 1965.