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1853. ANNALEN A-0. 9. DER PHYSIK UND CHEMIE. BAND XC. I. Ueber das Entsteherr con ‘I’hrer aids d’lbildendt?!m Guse; oon G. Mugnus. P I e h r als sechszig Jahre sind verflossen, seitdem man an- gefangen Gas ziir Beleuchtung zu benatzen, aher dennoch ist die Eigenschaft, auf welcher seine Leuchtkraft, und so- lnit seine ganze Anwelldung beruht, namlich die Ausschei- dung von Kohle in der Gluhhitze, nicht vollstandig bekannt. Die Entdecker des blbildenden Gases, die Holldiidischeii Ph ysi kcr D e i in a 11 , v a n T r o o s t ~v y k , L a vv r e 11 b e r F; uiitf Ron d t I) erwSlineu scbon in ihrer ersten Bekaiintinachung 1793 die Abscheidung von Kohle iu der Gluhtiitze atis die- sem ( h e . Seitdein sind vcrschiedene Untersnchungeii so- wohl iiber dieses Gas, als aiich iilier das BUS Steiukolileii veriiffentlicht. Atifser der Wiederholung der holl~ndischen Versnche, welclie Vauquelin wid Hecht 7, auf Veran- lassung der Philomatischen Gesellschaft zu Paris \ oruahinen, haben spater Eerthollct 3), .TI]. Thomson 4), Th. de Saussure 5), Dr. Henry 6), Rrande ;), J. Davy 9, so wie G. B i s c h off in Bonn’) sicli theils init Steinkohlengas, theils mit Grnbengas, theils init den verschiedeiien Kohlen- wasserstoffgasen beschaftigt. 1) Jourriuf de Physiyue XLV, 246 imd Gilbert’s Annalen 11, 201. 2) Annufes dc Cllirrzir XXL 64 und Gilbert’s Annalen IT, 210. 3) 316moires dr PInstifut 17, 269. 4) Proeeedirigs of the Gfusgow Phif. SOC. I. 165. 5) Annufrs de Chh. LXXF’III, 57, auch Gilbert’s Annalen XLII. 349. 6) Philosvph. Trunsuet. for 1808. 282 und for 1821. 136. 5) Phifos. Trunsmt. fvr 1820. 11. 8) Edinb. Journ. of Sciene. IV. 43. 9) Jumeson’s Journul XXZX, 309 11. XXX, 127. PoggendorN’s Annal. Bd. XC. 1

Ueber das Entstehen von Theer aus ölbildendem Gase

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1853. A N N A L E N A-0. 9. DER PHYSIK UND CHEMIE.

BAND XC.

I. Ueber d a s Entsteherr con ‘I’hrer aids d’lbildendt?!m Guse; oon G. M u g n u s .

P I e h r als sechszig Jahre sind verflossen, seitdem man an- gefangen Gas ziir Beleuchtung zu benatzen, aher dennoch ist die Eigenschaft, auf welcher seine Leuchtkraft, und so- lnit seine ganze Anwelldung beruht, namlich die Ausschei- dung von Kohle in der Gluhhitze, nicht vollstandig bekannt.

Die Entdecker des blbildenden Gases, die Holldiidischeii Ph ysi kcr D e i in a 11 , v a n T r o o s t ~v y k , L a vv r e 11 b e r F; uiitf

Ron d t I ) erwSlineu scbon in ihrer ersten Bekaiintinachung 1793 die Abscheidung von Kohle iu der Gluhtiitze atis die- sem ( h e . Seitdein sind vcrschiedene Untersnchungeii so- wohl iiber dieses Gas, als aiich iilier das BUS Steiukolileii veriiffentlicht. Atifser der Wiederholung der holl~ndischen Versnche, welclie V a u q u e l i n wid H e c h t 7, auf Veran- lassung der Philomatischen Gesellschaft zu Paris \ oruahinen, haben spater E e r t h o l l c t 3), .TI]. T h o m s o n 4 ) , Th. d e S a u s s u r e 5 ) , Dr. H e n r y 6 ) , R r a n d e ;), J. D a v y 9, so wie G. B i s c h o f f i n Bonn’) sicli theils init Steinkohlengas, theils mit Grnbengas, theils init den verschiedeiien Kohlen- wasserstoffgasen beschaftigt.

1 ) Jourriuf de Physiyue XLV, 246 imd G i l b e r t ’ s Annalen 11, 201. 2) Annufes dc Cllirrzir XXL 64 und G i l b e r t ’ s Annalen IT, 210. 3) 316moires dr PInstifut 17, 269. 4 ) Proeeedirigs of the Gfusgow Phif. SOC. I. 165. 5 ) Annufrs de C h h . LXXF’III, 57, auch Gi lbert ’s Annalen XLII. 349.

6) Philosvph. Trunsuet. for 1808. 282 und for 1821. 136. 5 ) Phifos. Trunsmt. f v r 1820. 11. 8) Edinb. Journ. of Sciene. IV. 43. 9) Jumeson’s Journul XXZX, 309 11. X X X , 127.

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Zu dieseii sind in neuerer Zcit noch F r a n k l a n d ' s I )

vortreffliche Beitruge zur Kenntaifs des Processes der Gns- bereitung gekoinmen , die ziini Zwcckc hnben, die Vorziigc des Verfahrens von TV ti i t e danuthun, dcr das Steinkohlcn- gas dadurch schneller ails den gliilieiiden Retorten, in de- iieii cs erzeugt mordeii, fortschafft, d a b er aiidre Gase, die aus gluhcnden Holzkohlen oder Coaks und Wasser- diimpfen bcreitet wcrdeii, i n diese ciulcitct. Dn indefs F r a n k 1 a u d sich nur init dein Steinkohlengas bescheftigt hat, das ein Geinisch aus verschicdeneu Gasen ist, so konnte die Zersetzung des reinen blbildenden Gases von ihm nicht weiter verfolgt werden.

Eine Uutersuchung, melclie die Zersetzung dicses Gases specie1 bchandelt, ist von RI a r ch a II d I). Uieser lcitetc iilbildcndcs Gas, das nus Schwefelsiiurc uiid Alkohol dar- gcstellt war, durch Knlkrnilcli und Schwcfels:iurc, urn es zu reinigen, fcrner uber kaustisches Kali, um es zu trochuen. und sodmn durch cine gluhende Riihre, die mit Kupferdrallt gefullt mar. Das Gas, das aus dieser Rahre kam, anoly- sirte er, iiidein er es durch cioe mi l Kupfcroxyd gefiillte gluheude Glasriihre leitete, und die Menge des gebildcteii Wassers so wie der Kohlens3iire bestimmte. Er fnnd, dnfs es anfangs fast reiues Sumpfgas war, iiachdein aber die Rijhre die volle Weifsgluhhitze angenornmen hatte, bestand es nus fast reinem Wasserstoff. AlIcr Kohlenstoff liatte si ch ausg es chi e d en.

Das ails Schwefelsjiure und Alkohol crzeugte iilbilclcnde Gas hat, nachdem cs SO mcit als indglich von schmcfliclitcr Saure, hcther und WeiniildPinpfen befreit ist, cinen ci- geiithiimliclien Geruch. Als ich aber solches Gas durch eiiic gliiheiide GlasrBhre leitete, beinerlite ich, dafs jeiicr Gc- ruch verscliwiuiden war, und dafs das\ Gas dell Gcrilch von Steinkohlentheer angciiommen hatte. Diese Ilcobach- tung veranlafste die folgenden Versuche.

Bei Gelegenheit einer fruheren Bekanntinachung iibcr I ) L i e b i g und W i i h l e r Annalen der Cliemie und Pharmacie 1,XXXII. 1. 2 ) Journal fiir praktirchc Cliemie XXVI, 458.

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das Carbykulphat habe ich erwiihnt, d a t sich das Olbil- dende Gas gnnz gut darstellen l a m , iiidein man in eincm geriiumigen Kolben Schwefelsaure init etwa ihres Gc- tvichts Alkohol inischt und erliitzt, bis die Masse anfiingt sich zu fiirben, und daun durch einen Welter’schen Trich- ter, der durch den im Halse des Kolbens befindlichen Kork geht, von Zeit zii Zeit kleine Mengeu Alkohol nachgiett. Hr. M i t s c h e r l i c h hat seitdein vorgeschlagen, den Alkohol dampff6rinig zuzufiigen, indew inan ilin in einem besonderen Kolben kocht, und die Dampfe in die zuvor mit 30 Proc. Wasser verdiinnte uud bis 165O C. erhitzte Scliwefels%urc leitet. Zwar sagt Hr. M i t s c h e r l i c h , dafs man gut tlruc, urn das Gas schnell und bequeni darzustellen, sich der ursprtinglichen Methode zu bedieiien, und zu 4 Theilen Schwefelsaure auf eininal einen Theil Alkohol hinzuzufugen nnd vorsiclitig zu erwarmen; indefs habe ich gefunden, dafs die Methode, bei welcher der Alkohol als Dampf in die Schrvefelsaure geleitet wird, sowohl in Bezug auf Schnellig- keit der L)arstellung als auf Reiiihcit des Gases allcii aii- dcrii vorzuziehen ist, uiid habe iiiich deshalb dicser stets bcdient.

Um das Gas von allein Weiaiil und Aether so wie voii etma vorhandener scliweflichter Saure zu befreicii, die iibri- gens niemals zu bemcrkcn war, wurdc es zunachst durch mehrere Gefafse mit concciitrirtrr Schwefelslure und so- d a ~ ] ~ ] durch kaustischcs K n l i gelcitct. Um fcruer aucll sicher zu seyn, dafs keiiie freindc Gasarten beigemisclit waren, wurde eine kleine Quaiititat des Gases iiber Queck- silber aufgefangcn und raucheiide Schwefelsiiure hinzuge- bracht. Bisweilen wurde ctmas davon iiber Wasser mit Chlorgas gemischt, von dcm eine Probe durch kaustisches Kali vollstandig absorbirt murdc. Nachdem d a m das hol- l:iiidische Oel sich gebildet hattc, murde kaustisches Kali hiuzugefiigt, um das uberflussigc Chlorgas fortzuschaffen. Sclbst wenn das auf diese Weisc als rein erkannte ijlbil-

1 ) POggCndorf f ’ s Annnlen xT,vIr, 524. 1 ) RIi t sc l i er l i ch , 1,clirburh der Clwmie 4te Aufl. 1. 196.

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tlcnde Gas his zuiii Gluhcii in einer Gli1stiillrc erhitzt wurdc, so cntstand Theer.

Mali koiiritc glaubea, dafs das Gas vielleicht nocli gc: riiige Spuren voii Sauerstoff enthielt, da nach deli Unter- siichuiigcn voii S c h rii t t er uber das Leuchten des Phos- phors sicli iiocli Spuren dcsselbcii in Gasatten finden, die auf inaiiiiigfaltige Weise gerciiiigt siiid. Von diescn koiinte zwar die zieiiilicli betriichtlichc Meiige des Theers iiiclit lierriilireii, uin aber siclier zu seyn, dafs der Theer sich bilde, sclbst wenn das Gas vollkoininen frei ron Sauerstoff ist, lvurdc Blbildendes Gas durch eine lange GlasrBlire ge- Icitct, die an ihrein einen Elide eiii Stuck Phosphor ent- hielt, iiiit deiii aiidern aber uiiter Quecksilber tauchte. Nacli- dein das Gas cine kingere Zcit durch die RBhre gestriimt hatte, und rorausgcsetzt werdeii honiite, dafs alle atmospll8- i.isclie Luft cntferiit sey, wutdc dcr Phosplior geschmolzcii, ui i t l dadurcli dns Gas aucli voii der lctzteii Spur VOII Sauw- stoff befreit. Als nun in zieinliclier Entferiiung voin I’hos- phor die Riihre bis ziiin Gliiheii erhitzt wurde, eiitstaiid sogleicli Theer.

In Ihulichcr Weise wurde eiiic a11 deiii cineii Elide zugescliinolzenc uiid gekruniiiite Glasriihre init Blbildcndcm Case gefiillt und init Quecksilber gesperrt ; darauf wurde zuiikhst etwaa Phosphor iii den gekruiuintcn Tlieil gebraclit und daselbst geschmolzen. Sodanii wurde die Riihre a i i

einer aiiderii Stelle bis Zuni Gliilien erhitzt , woranf dcr Tlieer sicli iiacli kurzer Zeit an der iiiiicrii Til’iliid der Riihre vcrdichtcte. E:s ist also a u k r Zweifcl, dafs dieser entstcht, aucli wenn rollkoinlneii voii Sauerstoff befreites iilbildeudes Gas dcr Gluliliitze ausgesetzt wird; und dafs e r daher iiichts aiideres als die Bestandtheile dieses Gases d. i. Kohlenstoff unrl Wasserstoff enthalten kanii.

Wiirde der obere Tlieil eiiier gekruinniten RBhrt oder Glocke, die init dein reinen (‘lase gefiillt und niit Queck- silber gesperrt war, i n eiiiein Bade voii leichtfliissigein Me- tall erliitzt, desseii Tcinperatur wetiig hiiher als die des liochenden Quccksilbers w a r , SO nahm das Gas iiicht deli

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C;erucli voii Theer an, sondern behielt seitieii urspruiig- lichen Geruch. Die Bilduiig des Theers atis deiii db i lden- &ti Gase beginnt daher bei eiiier Temperatur, die jedeii- falls hirher als 360" C. ist, und sie scheint iiicht linter der flothgliilihitze einzutreteii.

Bei de r duokleii Rothgluth entsteht aber der Theer iu solclier Menge, dafs er sicli in Tropfcii sainmelt. Der- selbe ist iiur theilrveise fluchtig, denn versucht inaii ihu zu destillirea, so bleibt iminer etmns Kolilc zuriick. E r ist &her auch nicht iininer von gleicher Bcschnffeiilieit, denn bald f6Ht er heller, bald dunkler aus.

W e n i i sicli der Theer bildet, so veriiiiiidert sicli das Voluliieii des Gases, aus dein e r entsteht. Diese Veriiiin- deriiiig ist vcrscliieden j e nach der Zersetzmg, welche der Theer selbst erfahrt, Bei verschiedeiien Restiminungen be- trug das Volu~iicn des zurtickgebliebeuen Gases, bei der Teiiiperatur und linter deli1 Drucke tles aiigewaiidteii :

84,4 Pror. 93,6 '1

89,4 11

88,9 89,7 Proc. voii diescui.

92,l "

___-.

Iiii Mittcl So wie das Volumeu des ziiriickbleibeiideii Gases UII -

gleich aiisfMt, so ist auch sciiie Zusaiiiineiisetzuiig verscliie- den. Stets bestand es zum griil'stel? Theile aus Siiiilpfgas, doch enthielt es aul'ser etwas anzersetztem dbildendeii Gase und den D%inpfen voii Theer, aucli Wasserstoff. Die Meu- geu aber, in welcheii diese Substanzen sicli fandeii, waren verschieden. Dabei aber braiiiite das zuriichgebliebeiie Gas stets mit einer zieinlicli leachtendeii Floinme, etwa wic (lie des gewiihnliclien Leuclitgnses ails Steinkolilcil.

W u r d c das iilbildeiicle Gas der ~ol le i i IVei~sgliihltifse iiusgesetzt, so veriuiiiderte sicli seiii Voluinen iiiclrt, solidem cs vermehrte sich. Eiue Porcellairriibre wiirde oil dcin eiiieii Ende versclilosseii , uiid a11 dein aiidcrn durcli eiiie (;Ins- riihre SO riiit ciiicr dtirc!i Quecksilber gcspcrrteii Gloche

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iir Verbindung gebracht, dafs das Gas aus der Riihre uii- geliindert in die Glocke, uud aus dieser wieder in die Riihre zurfickgelangen konnte. Naclrdeln Rbhre und Glockc gaiiz mit albildendcm Gase gefullt worden, wurde die erstere i u einem Windofen in einerLiinge von 18 Zoll bis zum Weifs- gliihen erhitzt. Damit hierbei das Gas sich frei ausdelinen konnte, wurde die Glocke, die zietnlich tief in das Queck- silLer taucbte, aus diesem allmiilig herausgezogen, und spater mahrend der Abkiibloiig des Porcellaiirohrs wieder eingesenkt. Als nach Beendigung des Versuchs das Gas wieder uiiter den friiheren Driick und auf die. friiliere Tem- peratrir gebracht war, liatte sich sein Voluiiien verdoppelt. Die Untersucliung zcigte, dafs es jetzt fast aus reinem Wasscrstoff bestand, das kaum den Geruch von Theer hatte. Ganz ahnlich verhielt sicli das glbildende Gas, als es sehr langsaln durch eine Porccllanriilirc geleitet wurde, die vollkoinmeii wcikgliibend war. Es bildete sich keiii Tlirer, dagegen scliied sich eine grofse Menge Kolile ab, uiid das Gas, das atis der Riihre lierauskam, war fast reines Wasserstoffgas, frei vou dein Theegeruch.

Es gcht hieraus Iiervor, d a t der Thecr nur iu der Roth- gliihliitze ciitsteht, durcli WeiCsgliililiitze hingegeu wiedcr i n Kohle uud in Wasserstoff zerlegt &d.

Fine iialiere Einsicht in den Vorgang bei seiuer Bil- diiiig war nur mbglich durch eine Uutersuchung seiner Zusammensetzung. Um einc fiir die Analyse hinreichende Menge zii gewiniieii, wurde das aiif die oben angegebene Weise gereinigte iilbildende Gas durch eine Glasriihre geleitet, die einen Durchmesser von etwa 0,J Zoll hatte uiid die in einer Ltinge von 16 Zoll rothgluhend war. Der entstandcne Theerdainpf wurde, uin ihn zu verdichten, mit deiii zcrsctztcii Gase durcli eine laiige diiniie Glnsriihre geleitet, die iiur 0,2 Zoll Durchinesser hatte. Auf diese Weise gcwnnn uian, inncrhalb cincs Tagcs, cine zur An+ lyse hinrcichendc Meiigc Theer, etwa 0,3 Grammes.

Wird eiiic niclit fluchtige organisclic Substanz in eiiicr iuivcr;indcrliclien Teinperatur erhaltcn, bei welcher sic sich

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zersetzt, so bilden sich wiihrend der ganzcn Zcit der Er- hitzung dieselben fliichtigen Producte, bis cine bei dieser Trmperatur nicht fluchtige Verbindung zuruckbleibt. Steigt aber die Temperatur, so wird aiicli diese Verbiuduiig wie- dcr zersetzt; es bilden sich neue fluchtige Producte, uiid es bleibt cine andere niclit fluchtigc Verbindung zuriick. Dieser Vorgang wiederholt sich, bis schlicfslich iiur Kolilc a15 Ruckstand bleibt. Weiiii daher die Temperatiir iiiclit vollkomiiien constant ist, so entstehen mit dcr Aendcrung dcrselben verschiedeiie fluchtige Verhinduiigen, und ebenso eutstehen solche, wenn die erhitzte Substanz niclit iiberall dersclben Teinperatnr ausgesetzt wird. Diefs ist abcr fast iiiiiiier dcr Fall, denn an den Wlnden der Geftibe ist die Hitze etcts griiGer als in ihrer Mitte. Daher eiitstehen bei der trockncii Destillatioii immer gleichzcitig verschiedene Zersetznn,Rsproductc, uin so mehr als nicht imr die niclit fliichtigeii lleste der Zersetzuug init steigender Tmiperatnr iinmcr wieder zersetzt werdeu, sondern auch die fluclitigen, ~venn sic zersetzbar sind. Dalier komint es, dafs aucli dcr Tlieer aus dein blbildenden Gase cin Geiniscli von verschie- deneii Zersetzungsproducten ist. Dcnn inan ist a u k r Standc die Teinperatur der gliihenden Riihre, in wclcher er erzeugt wird, constant zu erhalten. Aufscrdern ist a n den Waudcii dieser Riihre die Temperatur stcts hiiher als in ihrer Mittc, wo das hiiidurcligebcnde Gas cine Abkiihlung bemirkt; rind endlich ist der beiin Eiiitrcten in die Riihre sicli bil- tlende Theerdampf dcr Hitze l5nger ausgesetzt, und iiininit tlalicr eine hiiliere Temperatur an, als dcr a n ciricr andcrn Stclle der Riilire z. B. nahe beim Austritt des Gases ge- bildetc.

pliiclit inimer fie1 daher der Theer gleicli aus, bisweilcii war er, wie schon oben berncrkt, dunkler, bisweilen heller; bisweilen war cr so fluclitig, dafs inan ihn in cinciii unbe- deckten G e W nicht w#gcn konntc. D a m aber eiiiigc Zeit der Luft ausgesetzt vcrfluclitigte sicli ein Tlicil, und darnach war es niiiglicli deli zuriickgebliebcnen in ciiicin l’orcclla~ischiffchen zn ~ H g e a , ohne dicfs zu bcdcckcii.

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\Venn sicli Hiichtige Substanzeii zcrsetzen, so braucheii die Yroducte der Zersctzung tiiclit wiedcr fliichtig zu seyli, und bei der Zersetzuog des iilbildenden Gases bilden sich auch niclit fliichtige Producte, da, wie schon bemerkt, dcr Theer iiicht vollkoininen destillirbar ist.

Gewik wlre cs wiinschenswertli gcwescn , die elenieu- tare Zusainmcnsetzung jedes einzelnen Zersctzungsproductes zu ermittclii. Allein da mati fur jetzt iiiclit iin Stande ist, dicse Producte zu trennen, so mufste icli inicli begniigen, den gauzen Theer 211 analysiren. Es ist inders einleuch- tend, dafs cs nicht iiiiiglich war ihn iininer von gleichcr Beschaffenheit zur Analgse anzumeiideii ; uiid daher riilireti die Abmeichungen i i i deli Resultaten.

Die Analysen wiirdeu nuf die Weise ausgefiilirt, dafs die Substanz in einein Schiffchen ails Porcellan abgewogen uiid init clicseiii in das iiiit Kupfcrosyd gefiillte Holir ge- bracht wurde. Wlihreiid dcr Verbrc~ i i iu~g wurde Sauer- stoff uhcr das Kiipferoxyd gcleitet. Der Tlieer hat die unangeiielime Eigcnschaft, d a t er sich leicht iiber deli Rand des Scliiffcliens zieht, wenn er warin mird, uiid sich daun in dem hiiitercn Tlicile der Kiihrc an den Wziiden der- selben verbreitet. Uin dicfs zu hindern, murdc hioter den1 Schiffclicn iiocli cine Quantitzt Kupferbxyd gcbraclit, die wahrend der Verbrennung der Substaiiz bis zuin Gliiben erhitzt ward, so dafs der Theer sich sogleich zersetzte, so- bald er init diesein Kupferoxyd in Beriihrung kam.

Die Analyscu ergnbcn folgeiide ~~rocentisclie Zusainuieu- sctzung fur den Thecr:

Kollleo- M'asser- Vci lust oilcr

stoff. stolf' Smierstoff. Summa. 100,172 I. 94,106 6,066 -

11. 92,461 6,652 0,887 100,000 111. 93,403 6,808 - 100,2 1 1

1111 Mittel 93,323 6,508

Uiese Zusnmnieiisetzung stimint zieinlicli gut init der des Kaplithaliiis, das aus

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Kohlenstoff 93,75 Proc. = 5 C Wasserstoff 6,25 " 2 A

100,oo B C t 2 H hrstebt.

Der Geruch des Theers ist aucli dem des Naphthaliiis ganz shulich; und bisweilen fanden sich, besonders wenn der fluchtigere Theil verdunstet war, kleine weifse Krystalle in demselben, die offenbar nichts anderes als Naphthalin waren. Man kbnnte daher den Theer als eine Mischung von verscbiedenen Kohlenwasserstoffen betrachten, welche wit dem Naplitbalin isomer sind, oder als eine Auflbsung vou Naphthalin in solchen isomeren Verbindungen.

Kiinmt man an, daL das olbildende Gas nur in Naph- thaliu und in Sumpfgas zerfallt, so sind acht Voluinina Olbildeudes Gas erforderlich, urn sechs Volumiua Sumpfgas und eiii Aequivalent Naphthalin zu bilden.

1 Naplitlialin = 5 C + 2 I I 6 Sumpfgas = 3c+(ia 8 albildendes G a s = 8 C + 8 #

Es miifstell folglicb sechs Achtel oder 75 Proc. von dem Yolumen des angewandten iilbildenden Gases als Sumgfgas zuriickbleiben. Bei den oben erwabnten Versuchcn ist im- mer etwas mebr als 75 Proc. zuruckgebliehen. Aber es war auch, wie schou obeii bemerkt, niclit alles iilbildeude Gas zersetzt; auch hatte sich eiu, wenn auch nur geringer, Theil des Theers wieder in Kohle uud Wasserstoff zersetzt.

Bur das iilbildeude Gas liefert eiuen Theer. Das Suinpf- gas bleibt hingegeu selbst bei der Temperatur unverandert, bei welcher das aller sclirverschinelzbarste bohmische Glas weich wird. 111 der Weikgliihhitze zerfallt es jedoch i a Kohlenstoff und Wasserstoff.

Es ergiebt sich hieraus, daCs die Zersetzuug des iilbil- denden Gases in der Weise stattfindet, dafs dasselbe in der Rothgluhhitze sich in Theer und in Sumpfgas zerlegt, und dab diese beide, sowohl der Theer als das Suuipfgas, i i i der WTeilsgluhllitze sirli wieder in Kolileustoff iuid Was- serstoff zerlegeo.

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Man kanu deshalb clas Sumpfgas gleichsam als eiti Zer- setzuugsproduct des blbildeuden Gases betracliten. Abcr das iilbildende Gas wird selbst iminer dorcli eiiie Zerset- zung erhalten, und ist dalier aucli als eiii Zersetzungspro- duct aazusehen. Dafs aber diescr Kbrper, der in seiner clieinischen Zusalnmensetzung >vie iti seinen physikaliscben Eigenschafteu soweit von den orgauischeii theergebeuden Substanzen entferut ist, eineii Theer lieferte, war fur mich sehr iiberraschend.

Es mag auffalleod ersclieineu, dafs die Eutstehung des Them aus detn iilbildendeu Gase nicht schoii friiher beob- achtet worden ist, uin so mehr als unter den vielen Per- sonen, welche dasselbe einer hoheii Teinperatur ausgcsetzt haben, mehrere einen einpyreumatisclien Geruch bemerkteu. Schon die Hollaudischcn l'hysiker ') erwahueu deuselben, iiiid B e r t h o 11 e t beststigte diese Angabc '). Auch G. B i - scl ioff 3, bemerkte, als er das Gas ails einer Steinkohlcn- grube durcli eine gliihendc Porcellanriiltre leitete , einen ciiip9reiiuiatischen Gerucli, von dein er sagt, dafs er ghn- Iich dem voii Terpeutin gewesrn. Ebenso beobachtete er rwifse Dampfe, welche concetitrirte Schwcfelssure brauii f;irbten, auch fand er sogar eiuzcliie Tropfen von einem gru:ilichcn zahen Ode. Aber er hat 'den Gegenstand uiclit weiter verfolgt. M a r c h a n d dagegeii konnte, da er die Producte der Zersetzung sogleieh fiber Kupferoxyd leitete, iind als Kohleusiiure und Wasser bcstimmte, die Bildung von Theer nicht wahrnehmen.

Zwar sollte innii voraussetzen, dafs bei der ausgedchii- teii Auwciidung dieses Gases die Erzeuguug ron Theer aus demselben hlttc bfter bcobachtet werden miissen. In- defs liegt cler Grund, wefslinlb diefs tiicht gescliehen, thcils dariti, dafs der Theer nur ia der l~otligliihhitze entstelit, in liiibcrer Temperatiir ahcr das Gas nur Kohlc otid Was- serstoff liefert; thcils darin, dab das Steiukohlcngiis selbst

1 ) Juurnnl ifc Physiyuc Tunic XLV, p. 251. 2) M&roircs d c l'lnstitut l'untc CV, p 299. 3) Edinburgh -Nt,w. Philos. .Tuitrnrrl by JUIIICSOII XXIX, 325

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immer Theerdlmpfe beigemischt enthzlt, so dafs man, wenn neucr Theer sich in der Rothgluhhitze ails demselben bil- det, ihn nicht beobachten kann.

Das Eiitstehen von Theer aus blbildendem Gasc zeigt, dafs diefs sich vie1 mehr als das Sumpfgas den organischen, aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehenden Verbindangen, namentlich denen, welche in hbberer Tem- peratur eiiipyreulnatische Oele oder Theere bilden, anreiht. Die leiclitere Zersetzbarkeit dieses Gases ist auch dcr Grund, weshalb cs leichter Verbiudungen mit anderen Kbrpcrn, wie Chlor und wasserfreie SchwefelsSure, eingeht, als das Sumpfgas.

I n Bezug auf die Fabrikation des Steinkohlengases fuh- ren dic Versuche zu dem Schlusse, d a t der Theer, welcher stets als Beglciter dieses Gases auftritt, sich auf zwei ver- scbicdene Wciscn bildet. Theils nlmlich durch Zersetzung des bereits erzeagteu blbildenden Gases, theils gleichzeitig mit diesem unmittclbar aus der Substanz der Kohle. Denn, auch wenn die Kohle uicht geeignet d i r e 6lbildendes Gas zu bilden, so wiirde sie docb, ebenso wie die meisten vegc- tabilischen Stoffe, wie Holz, Cellulose, Torf, Zucker, Wein- s lure und viele andere, einen Theer oder empyreuinatische Oele bildeo. Dieser letzterc Antheil ist, da die Steinkoh- len Stickstoff enthalten, auch Stickstoff haltend, und liefert die in neuster Zeit so wichtig gewordenen Verbindungeu, Anilin, Leucolin etc. Der aus der Zersetzuug des iilbil- dcnden Gases entstandene ist frei vou Stickstoff, und liefert vorzugsweise Naphthalin.