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7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Ueber
Harmonie
und
Complication
Von
Dr.
Victor
Goldschmidt
a.
o.
Professor an
der
Universität
Heidelberg,
Mit
28
in
den
Text
gedruckten
Figuren.
Berlin.
Verlag
von
Julius
Springer.
1
90
1.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Ist
es
der
Einklang
nicht,
der
aus
dem
Busen
dringt
Und in sein
Herz die Welt zurückeschlingt?
Wenn
die
Natur
des
Fadens
ew'ge
Länge
Gleichzeitig
drehend
auf
die
Spindel zwingt,
Wenn
aller
Wesen
unharmon'sche Menge
Verdriesslich durcheinander
klingt,
Wer
theilt die
fliessend
immer
gleiche Reihe
Belebend ab, dass
sie
sich rhythmisch regt?
Wer
ruft das
Einzelne
zur allgemeinen Weihe,
Wo
es
in herrlichen
Accorden
schlägt?
Des
Menschen
Kraft,
im
Dichter
offenbart.
(Göthe.
Faust. Vorspiel
auf
dem
Theater.)
Die Zahl
ist das Wesen
der
Dinge.
(Pythagoras.)
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Vorwort.
Harmonisch
nennen
wir
eine
Gruppirung oder
Gliederung-,
die
unser Geist,
als
seinem Wesen
und den
Sinnen angepasst,
dem
Gemüth
vvohlthuend
aus
der
Welt der
Erscheinungen
auswählt
oder,
die
Aussenwelt verändernd,
schafft.
In
dieser
Auswahl
und diesem
Schaffen
bilden
unser Sinn, unser
Geist
und
Gemüth
ihr
Wesen
ab
und wir
können deren
Eigfenart
in
diesem
Bild
Studiren.
Jeder
Sinn zeigt mehr oder
minder deutlich
erkennbar
seine
Harmonie.
Am
vollkommensten
das
Gehör
im Geniessen
und
Schaffen der zur
Musik
gruppirten
Töne;
dann
das
Gesicht
im
Auswählen und
Ordnen
der
P'arben
und
räumlichen
Massen zu Werken der bildenden Kunst.
Aber
auch der
Geist
und
das
Gemüth
als
Ganzes
lassen eine Harmonie erkennen,
geniessend
und
schaffend.
Es
zeigt
sich nun
die
Harmonie
in ihren
verschiedenen
Formen
beherrscht
durch
ein einfaches
Erscheinungs-
und
Entwicklungs-
Gesetz,
das
Gesetz
der
Complication.
Dasselbe
Gesetz aber
fmden wir
objectiv bei
der
Differenzirung
der Naturgebilde
vom
Einfachen
zum
fein
Geghederten,
so
bei
den
Tönen,
den
Farben
und,
besonders
scharf
präcisirt, bei den
Krystallen.
Flarmonie ist
die Concordanz
zwischen
der
Aussenwelt
und
unserem
Gemüth,
vermittelt
durch
eine Concordanz
mit
den Sinnen
und
dem
Geist.
Solche
Concordanz
empfinden
wir
als
wohlthuend. Sie
ist
uns
deshalb
er-
wünscht,
und der
Wunsch
ist
der
Antrieb
zum
harmonischen
Schaffen.
Die
Harmonie ist
der Schlüssel zum
Verständniss
der
Natur,
indem
sie
das
auswählt,
was
unseren einzelnen Sinnen und
dem
widerbildenden
Ver-
einiger
der Sinnes
-Wahrnehmungen,
dem
Geist,
angepasst
in
der
Aussenwelt
enthalten
ist.
Aber
nur
daraus
besteht die
unserer
Erkenntniss
zugängliche
Natur.
Die Natur
ist
uns
nur
dadurch
zugängHch,
erkennbar
und
genuss-
bringend, dass
sich
in
unseren Sinnen, im
Geist
und
Gemüth
Processe
ab-
spielen, die,
von
den
Vorgängen
der
Aussenwelt
inducirt,
diesen
analog
(parallel)
verlaufen,
von
den
gleichen
Gesetzen
beherrscht
sind.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
IV
—
Erkenntniss-Theorie ist daher die
Zusammenfassung
derjenigen
Ge-
setze,
die
dem Geist
und
der
Aussenwelt
gemeinsam
sind.
Jedes
solche
Gesetz
ist
ein Baustein
der Erkenntniss-Theorie
Der
versuchte
Nachweis,
dass
das
die
Harmonie beherrschende
Gesetz
der
Complication
ein
solcher
Baustein
sei,
bildet
den
Inhalt
der vorliegenden
Studie.
Indem
ich
diese
Untersuchung
der
Oeffentlichkeit
übergebe,
bin ich mir
der
Schwierigkeit der Aufgabe
wohl bewusst. Ebenso der
Lückenhaftigkeit
der Durchführung.
Wenn
ich mich trotzdem zur
Herausgabe
entschloss,
so
geschah das,
um einen
zeitlichen
Abschluss zu
gewinnen
und
nicht
ohne
strenge
Selbstkritik.
Bereits
1893
war
der
wesentliche
Inhalt
niedergeschrieben
und
zum
Druck
bestimmt.
Seitdem
habe
ich
das
Manuscript
immer
aufs
neue
hervorgeholt, ergänzt
und
berichtigt.
Ich
weiss wohl,
dass ich
mich
theilweise auf
Gebieten
bewege,
die ich
nicht
wie
ein
Fachmann
beherrsche. Es
wäre
aber
jeder
in
der
gleichen
Lage, der es
unternähme,
verschiedene Wissenschaften durch
ein geistiges
Band
zu
verknüpfen,
aus
dem,
was den verschiedenen Gebieten
der
Erkennt-
niss
gemeinsam
ist,
auf
die
Natur des menschlichen
Geistes
zu schliessen.
Ein
Antrieb,
diese
verknüpfende
Arbeit
selbst
zu
versuchen,
nicht
sie
anderen
zu
überlassen,
lag
für
mich
darin,
dass
ich
glaubte,
auf
dem
Special-
gebiet
meiner
Untersuchungen,
der Krystallographie, im Gesetz
der
Compli-
cation,
den
Schlüssel
zum
Verständniss
der
Harmonie
gefunden
zu haben.
War
aber dieser
Weg
der
richtige,
so
schien
es
nicht
wahrscheinlich,
dass
ein
Nicht-Krystallograph
ihn
finden
oder
begehen würde.
Um Irrthümer
auf
fremden
Gebieten möglichst
zu vermeiden,
habe ich
vor
der
Drucklegung
Stücke,
bei
denen
es
wünschensvverth
erschien.
Freunden
und
Kennern
der
bezüglichen
Gebiete
vorgelesen und
um
deren
Kritik er-
sucht.
Es
waren
die
Professoren
E.
Askenasy,
R.
Gottlieb,
A.
Horstmann,
G.
Landsberg,
Geheimrath
Th.
Leber
und
Dr.
R.
Magnus in Heidelberg,
Prof. L.
Edinger
in
Frankfurt,
Dr. Ben.
und Im.
Friedländer in
Berlin
und
Prof.
J.
Rosenthal in Erlangen.
Besonders
eingehend wurden die
philosophi-
schen Theile
mit Prof.
P.
Hensel in
Heidelberg
besprochen.
Ich bin
den
Genannten
dankbar
für
ihr
geneigtes
Gehör und
ihre
kritischen
Bemerkungen,
die
vielfach klärend
und berichtigend
gewirkt
haben.
Heidelberg
im
Dezember 1900.
V.
Goldschmidt.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Inhalt.
Seite
Vorwort
iil
Einleitung
i
Entwicklung
der Krystallformen
3
Harmonie der Töne
7
Analyse
einiger Musikstücke
41
Physiologischer und psychologischer
Grund
der Harmonie der
Töne
...
59
Harmonie
im psychologischen
Sinn
68
Rhythmus in
der
Musik
71
Harmonie
der Farben
73
Zur
Physiologie
von Licht
und
Farben
84
Historische Entwicklung
des
Farbensinns
97
Entwicklung
des
Farbensinns beim
Kind
104
Farben
der
Blüthen
und
Früchte
106
Zur
Psychologie von Licht und
Farben
109
Complioation
113
Entstehung der Manichfaltigkeit
in
der
Natur
durch Complioation. . . . 113
Complication
auf
verschiedenen
Gebieten
115
Complication
in der formellen Kunst
1
20
Complication
in
den
Zahlensystemen
121
Harmonie
und
Complioation
in
Gehirn
und Psyche
129
Schluss
136
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Einleitung.
rvcoi)^i
aeavrov,
erkenne
dich
selbst,
ist
das
Endziel
aller
Wissenschaft.
Von
den Dingen
besteht
für
uns nur
das, was unsere
Sinne
aufnehmen
und
unser
Denkorgan verarbeitet.
Unsere Fähigkeit,
die Aussenwelt
zu
verstehen,
lässt sich so
erklären,
dass sich in
unserem
Geist Vorgänge
abspielen
(Mikro-
kosmos),
die
den
Vorgängen
in
der
Nc^tur
(Makrokosmos)
analog
verlaufen.
Die den Naturerscheinungen
analogen Geistesprocesse
nennen
wir
Natur-
gesetze.
Die
Naturgesetze existiren für
uns
nur,
sofern
sie
zugleich
Gesetze
unserer
Sinne
und
unseres Geistes, d h.
unserer
Erkenntniss
sind.
Alle
Wissenschaften
haben
am
Ausbau
der Theorie der Erkenntniss
mitzuarbeiten.
Dies
Gebiet
ist
allen
gemeinsam.
Haben wir
durch
das
Studium einer
Wissen-
schaft
einen
Fortschritt in der
Theorie der Erkenntniss gemacht, so
entsteht
die
Aufgabe,
diesen in den
anderen
Wissenschaften
zu
prüfen,
zu
sehen,
ob
das
gefundene
Gesetz auch
die
anderen
Wissenschaften beherrscht.
Das
ge-
schieht,
indem wir
es versuchsweise auf die
anderen
Gebiete übertragen.
Vermöge
solcher
Uebertragung
kann
ein
Wissensgebiet
durch
ein
anderes
Befruchtung erfahren.
Beispiel.
Darwin hat für
die
Thiere
die
Gesetze der Descendenz
und
des Kampfes
ums
Dasein aufgestellt.
Er
übertrug dieselben auf
die
Pflanzen.
Aber
viele andere
Wissen-
schaften
sind
durch
Uebertragung
dieser
Gesetze
befruchtet
worden.
Beherrscht
ein
Gesetz alle
Gebiete,
so
ist
es
ein
Grundgesetz der
Er-
kenntniss.
Die
Krystallographie
hat von
anderen Wissenschaften
vielfach
Gesetze
und
Methoden übernommen. Chemiker,
Physiker,
Mathematiker
haben die
in ihrer
Wissenschaft
ausgebauten
Principien mit
ungleichem
Erfolg
in
die
Krystallographie eingeführt.
Es hat aber
auch die
Krystallographie
ihre
eigenthümlichen Erkenntniss-Methoden
und Gesetze.
Unter
diesen können
solche sein,
die, auf
andere
Gebiete
übertragen,
sich
auch
dort
als
giltig er-
weisen
und
als wichtig,
indem sie
aufklärend
und
anregend
wirken,
die
also
die
oben
genannte
erkenntniss-theoretische Bedeutung
besitzen.
Goldschmidt,
Harmonie
eie.
1
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Ein
solches
Gesetz
von
allgemeiner
Bedeutung ist,
wie
ich
glaube, das
Gesetz
der
Complication,
nach
dem
sich aus
einfacher
Anlage
die
Manich-
faltigkeit
der
Krystallformen
entwickelt. Nach ihm
entsteht, wie
ich
zu zeigen
versuchen
will,
eine
reiche
Manichfaltigkeit
auch in anderen
Gebieten
der
be-
lebten,
wie der
unbelebten
Natur.
Dem
menschlichen
Geist aber
erscheint
gerade
die
aus
diesem
Gesetz
erfliessende Manichfaltigkeit
als harmonisch,
wohlthuend,
schön, kurz
als
congenial
d. h.
dem Erfassen durch
die Sinne
und
der
Verarbeitung
durch
Empfindung und
Verstand angepasst. Aus
dem
Umstand,
dass das
nach
dem
Gesetz der
Complication
Entwickelte
der
Ein-
richtung
unserer Sinne
und
unseres
Geistes
angepasst ist,
schHessen
wir, dass
das Gesetz
der
Complication
auch
die
Entwicklung
unserer Sinne
und
unseres
Geistes
beherrscht.
Wir sehen
hier
die
Möglichkeit, die
metaphysischen Begriffe
„harmonisch
und „schön
naturwissenschaftlich herzuleiten.
Die
vorliegende
Arbeit
schliesst
sich
organisch
an die Untersuchungen
des
Verfassers
über
das Wesen
der
Krystalle.
Im
Index
der
Krystall-
formen^)
wurde das
Formen-Material
gesammelt,
kritisch
gesichtet
und
ge-
ordnet,
und dabei
in eine
Form
gebracht,
die
eine Discussion in
den
Zahlen-
reihen,
wie
in
deren
Abbild,
der
Projection
ermöglichte.
Diese
Discussion
zeigte,
dass die
ganze
Entwicklung der Krystall-
formen^)
von
gewissen
Primärflächen ausgehend
beherrscht
ist
von
einem
einfachen
Gesetz, dem
Gesetz
der
Complication.'*^) Dies Gesetz
um-
schliesst zugleich
das
Gesetz von der
Rationalität der Indices,
das
Gesetz
der
Zonen, sowie
das
Gesetz der Constanz
der Winkel. Das
sind, zu-
sammen
mit
dem
Gesetz
der
Gesammtformen
die
bisher
bekannten
Haupt-
gesetze der
formellen
Krystallographie.
Zwei Untersuchungen über Verknüpfung der Krystall-PartikeH)
suchten
den
Zusammenhang
zwischen
den
krystallbauenden Kräften
der
Par-
tikel
und den
Formen
darzulegen
und
die
Entwicklung
der
Formen
nach dem
Gesetz
der
Complication
genetisch zu
begründen.'^)
Bisher schien es,
als
sei das
Gesetz
der
Rationalität
der
Indices
eine
specielle,
in der Natur vereinzelt
dastehende Erscheinung,
die nur
den Kry-
st
allen
eigenthümlich
ist.
Es
zeigte
sich
aber, dass
das
nicht
der
Fall
ist,
dass vielmehr
das
Gesetz
der
Complication
(von dem das
von der
Rationalität
der Indices
ein
Theil ist) auch andere grosse Gebiete
beherrscht.
Es
ist,
wie
')
Berlin,
Springer.
1886
—
1892.
'^)
Zeitschr.
f. Kryst.
1897.
28.
i
u.
414.
^)
Ebenda
S.
13.
•*)
Ebenda.
1897. 29.
38;
1898.
29.
361.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 13/153
—
3
—
ich g-laube
im
Folg-enden
zeig-en
zu
können,
die
Grundlage
der
Harmonie
und
drückt
dadurch
der
Musik
seinen
Stempel
auf.
Sind
die
gezogenen
Schlüsse
richtig-,
so
bestimmt es
gewisse
Einrichtungen
des
Ohrs.
Es
findet
sich
objectiv
bei den Spectral-Linien,
subjectiv
bei
den
Farben
und
giebt
Einblick
in
das
Wesen
des
Auges.
Das krystallographische
Gesetz
der
Complication
erscheint
als ein
weittragendes
Entwicklungs-
Gesetz für
die Bildung
der
Manichfaltigkeit
der
Natur,
ja
der
menschlichen Sinne
und
des
menschlichen
Geistes.
Bestätigt
sich
das,
so
wird die Krystallographie
zum
Schlüssel
für
das
Verständniss
andrer Gebiete der
Natur
und
Hefert
ihren
Beitrag
zur
Theorie
der
Er-
kenntniss.
Andrerseits werfen
die
Gebiete,
in denen
das
gleiche
Gesetz
herrscht,
Licht
zurück
auf die Krystallographie.
Die
Krystallformen
haben
ihre
Har-
monie
wie
die
Töne
und
Farben,
wie
Auge
und Ohr
und
wie
der
mensch-
liche
Geist. Wir
verstehen
die
Gesetze
der
Krystallformen,
indem
wir
sie
den
höheren, allgemeineren
Gesetzen
der
Natur und
des
Geistes
unterordnen.
Ohne
eine
Betrachtung der Harmonie
der
Töne
ist die
Harmonie
der
Krystallformen
unverständlich. Andrerseits können
der Ton- und
Farbenlehre
zum Verständniss ihrer Harmonie
einige
Darlegungen aus
der
Krystallographie
nicht
erspart
werden.
Letztere
konnten
hier
nur kurz
und
andeutungsweise
gegeben werden; ich
muss
für
das
Nähere
auf
die
oben citirten
Publikationen
verweisen.
Ich
habe
bereits
an
mehreren
Stellen
die Beziehungen
zwischen
Krystallo-
graphie und
Harmonielehre
angedeutet.^)
Es
wurden
die Namen
„harmonische
Zahlen ,
„harmonische
Reihen ,
„Octavenform
der
Reihe ,
„Dominante
an-
gewendet
und gesagt,
dass
die Begründung dieser
Bezeichnungen
folgen
werde. Diese
Schuld
soll
hier
abgetragen
werden.
Entwicklung
der Krystallformen.
Krystalle
sind
bei ungestörter Ausbildung
von
ebenen Flächen
bedeckt.
Jede
Krystallart
hat ihr Formen-System,
d. h.
die
an
ihr
beobachteten
Flächen
stehen
in
einem
gesetzmässigen
Zusammenhang,
sowohl
unter
sich,
als
mit
den
physikalischen Eigenschaften und
dem
Bau
des
Krystalls aus,
wie
wir an-
nehmen,
parallel
aneinander
gereihten
gleichen
Partikeln.
Unter den
Flächen,
die
eine Krystallart
hervorbringt,
und
deren
Zahl
ist
bei
manchen
Arten sehr
gross,
sind
gewisse
Flächen
besonders wichtig
durch
Häufigkeit
und
Grösse,
andre sind
seltener,
andre
ganz selten. Mit
')
Zeitschr.
f.
Kryst.
1896.
26.
7:
1897.
28.
25.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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der
Häufigkeit
nimmt
die
Grösse
und
endlich
die Sicherheit
der Beobachtung-
ab.
Danach
haben
die
Flächen
einer
Krystallart
eine
bestimmte
Rang-
ordnung.
Die
wichtigsten
nennen
wir
Hauptflächen, Primärflächen,
auch
Primärknoten
mit
Rücksicht
auf
eine
Darstellung
durch
Projection,
in der
sich
die
Flächen
als
Punkte
(Knoten)
abbilden.
Es
zeigt
sich
nun,
dass
die schwächeren
(abgeleiteten)
Flächen sich
zwischen
die
Hauptflächen
(Primärflächen) in
bestimmter
Weise
einordnen.
Seien
AB
(Fig.
i)
2
Primärflächen, so
bildet sich
bei
fortschreitender
Difl erenzirung
eine
Fläche C,
die
die
Kante A
B
parallelkantig
unter
be-
stimmtem
Winkel
abstumpft. C
ist schwächer,
im
Rang
niederer,
als A und
B.
Geht
die
Differenzirung
weiter, so
entstehen
Flächen D, E, die die Kan-
ten AG,
BG
abstumpfen.
Die Flächen
D und
E
sind
schwächer
als
G.
Bei
noch
weiterer
Differenzirung
bilden
sich
schwache Kanten
-Abstumpfungen
FGHl.
Wir haben
hier
3
Stadien
der regelmässigen
Entwicklung:
No
=
N3
=
A
A
.
.
A
.
•
A
.
D
F
D
.
...
.
B
.
G
.
.
•
B
•
G
•
E
.
B
G
G
H
E
I B
Flg.
I.
Meist
geht
die
Entwicklung
nur
bis
N^,
oft
bis
N^,
selten
bis
N3
und
äusserst
selten
darüber
hinaus.
Die
zwischen
2
Primärflächen
entwickelten
(abgeleiteten)
Flächen
bilden
mit
diesen
eine
Zone
(Primärzone),
charakterisiert
durch
parallele
Kanten. Die erste
abgeleitete
Fläche
G,
die
wichtigste,
nennen
wir
Dominante,
wenn
zwischen
2
Primärflächen:
Primärdominante.
Die
gleiche
Entwicklung
kann
sich
an
der
Kante
zwischen
2
anderen
Primärflächen
vollziehen
z.
B.
zwischen
AK
oder
BK
(Fig.
i).
Wir
sagen:
es
spannen
sich
Primärzonen
AB,
AK,
BK
zwischen
den
Primärflächen
(Primär-
knoten)
A,B,
K.
Weitere
Differenzirung bringt
Zonen
zwischen
je
einer
Primär-
fläche
und
einer
Primärdominante
z. B. GK
(Secundärzonen);
dann
zwischen je
2
Primärdominanten (Tertiärzonen).
Die beiden
Flächen,
zwischen
denen
eine
Zone
sich
spannt,
nennen
wir
die
Endknoten
der
Zone.
Auch die
Zonen
haben
ihre
Rangordnung. Mit
dieser
Entwicklung ist
ein
grosser
Formen-
reichtum
geschaffen,
besonders,
wenn
die
Zahl der
Primärflächen
gross
ist
und die
Differenzirung
in
den
Zonen weit
geht,
bis N^
oder N3.
In
jeder
Zone
folgt die
Anordnung
der
Flächen einem
bestimmten
Zahlengesetz,
das
für
alle
Zonen
aller
Krystallarten
das
gleiche ist.
Wir
nennen
es das
Gesetz
der
Gomplication. Es
regelt
den
Ort
resp.
die
Neigung
der
Einzelflächen,
ihre
Grösse
und
Rangordnung
und
gestattet, nicht
beobachtete
Flächen
als
wahr-
scheinlich
vorherzusagen, beobachtete
auf
ihre
Wahrscheinlichkeit
zu
prüfen.^)
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Ersetzen
der
Flächen
durch
ihre
Normalen.
Auffassung
der
Normalen
als
Richtungen
der
Partikelkräfte.
Zwischen
den
Flächen
und
den
krystall-
bauenden
parallelgestellten
Theilchen
(Partikel)
besteht
eine
Beziehung-.
Die
hypothetisch
eingeführte
Beziehung
sei
die,
dass
jede
am
Krystall
mögliche
Fläche
senkrecht
steht
zu
einer
der
Partikelkräfte.
Der
Partikel
schreiben
wir
Primärkräfte
zu von
bestimmter
Richtung
und
Intensität,
und
nehmen
an,
die Primärkräfte
der
Partikel
(und
zwar
aller,
da
die
Partikel
parallel
orientiert
im Krystall
sitzen)
stehen
senkrecht
auf
den
Primärflächen.
Wir
ersetzen
die
Flächen
durch
ihre
Normalen
(Senkrechten
zu
den
Flächen)
aus
einem
Punkt
innerhalb
des
Krystalls
und
haben
so
die
Richtungen
der
flächenbauenden
Partikelkräfte.
An
Stelle der
Primärflächen
treten
Primärkräfte,
an
Stelle
der
abgeleiteten Flächen,
abgeleitete
Kräfte.
Die
Krystallmessung
giebt,
indem
sie
die
Lage
der
Flächen
ermittelt,
die
Richtung
der
Partikelkräfte.
Wir
,£
£
i L-^r
können aber auch
deren relative
In-
/
/'
^^
,'
^-
^
tensität
finden. /
/
x'' /
^-
Deduction der
Flächen
einer
Zone
v-- f--yrß
^^-t
aus
den
Primärkräften.
Seien A,
B
lyyJ/\^^^^
-
:
(Fig.
2)
die
Primärkräfte
,
die
senk-
Ij/^^^y'
'
recht
zu
sich die
Flächen
A,
B
(Fig.
i)
^^^
*
?'
Yxg.
2.
bilden,
so ist genetisch das
empirisch
gefundene
Gesetz der
Entwicklung
folgendes:
Die
Kräfte
A,
B
zerfallen
in
2
Hälften,
von
denen
die einen
a,
b
sich
zur
Resultante
c zusammen-
legen. Zu
c
senkrecht entsteht die
Fläche
C.
Wiederholt
sich
der Process,
so tritt
la
mit
ic
zusammen
zu
einer
Resultante
d,
ebenso
Ib
und
ic zu
e.
Bei
nochmaliger
Wiederholung des
Processes
schieben
sich
weitere,
schwächere
Resultanten
zwischen
ad,
de, ce,
eb
ein
etc.
So
finden
wir
Richtung
und
Intensität
der abgeleiteten Kräfte,
dadurch
Ort
und
Rangordnung
der
abge-
leiteten
Flächen.
Die
Flächen
stehen
senkrecht
zu
den
Kräften,
die
Rang-
ordnung entspricht
der
relativen
Intensität.
Zahlengesetz
der
Complication.
Wir
ziehen
durch
A
parallel
B
eine
Gerade
AZ
(Fig.
2)
und
verlängern
Ma,
Md,
Mc,
Me,
Mb
bis
zum
Durchstich
mit
AZ,
so
sind
die
Richtungen Ma,
Md,
Mc,
Me,
Mb
charakterisirt
durch
die Durchstichpunkte
A,
D,
C,
E,
B. B
liegt
im
UnendUchen.
Setzen
wir
nun
AC
=
MB'=
I
=
der
Primärkraft
in
Richtung
MB,
so
ist,
wie
sich
zeigen
lässt,
AD
=
I,
AC=i,
AE
=
2,
AB
=
00.
Das
Durchstechen
der Ge-
raden
AZ nennen wir
projiziren,
die
Durchstichpunkte
Projectionspunkte.
Die
Projectionspunkte
charakterisiren
die
Lage
der
Flächen,
ihr Ort
ist
gegeben
durch
die
Zahlen
o
•
i
•
i
•
2
•
cx).
Diese
Zahlen
nennen wir
die
harmonischen
Zahlen,
ihre
Reihe
harmonische
Zahlenreihe
und,
wenn
lückenlos,
Normalrcihe.
In den
Normalreihen und
harmonischen
Zahlen
drückt
sich
unser
Entwicklungs-
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—
6
—
f
Primärflächen
: A
B
Nq
= o
oo
^==
Normalreihe
o.
I.
CompHcalion:
A
•
• •
C
• • •
B
Ni
= o
.
• •
I
.
..00
=
Normalreihe
i.
,
2.
Complication
:
AD
•
C
•
E
•
B
1^2
=
o
^
1 .
2-oo^^
Normalreihe
2.
3.
Complication:
AFDGCHEIB
N3=o||fi|230ü=^ Normalreihe
3.
u.
s.
w.
Es ist
klar,
wie
die Reihe bei
einer
4.,
5.
Complication
aussehen
würde.
Aber
die
Natur
geht,
mit
seltenen Ausnahmen, über
N3 nicht hinaus.
Umformung
einer
Reihe
auf
die
Form
•
I
•
oo.
Die
Zahlenreihe
einer
Zone
zeigt
nur
dann
zwischen
o
•
oo den
gesetzmässigen
Verlauf,
wenn die
Punkte
o
•
cxd
den
Endknoten des
Zonenstücks zugehören. Kennen wir
die
Endknoten,
so
können
wir ihnen die
Zahlen
o
•
oo beilegen und
aus den
Zwischenzahlen
beurtheilen,
ob
die Reihe
normal
oder gestört ist.
Umgekehrt
erkennen
wir die Endknoten
als solche daran, dass
die
Reihe
normal wird,
d.
h.
unserem
Zahlengesetz folgt,
wenn
wir
die Endknoten
o
•
oo nennen.
Stehen
nun
an den
Endknoten,
in
Folge
vorheriger
anderweiter
Annahme,
nicht
o
•
oo, sondern
andere
Zahlen
z^
•
z^,
so
können
wir die
Reihe
in die
Form
o
•
oo
bringen, indem
wir
statt
jeder
Zahl z
der Reihe setzen:
Z
—
Zt
P
=
Zo
—
z
Beispiel.
Es
sei eine Reihe
gefunden:
Flächen: A
ü C
E
B
7 I
^
^
-^
2
und
wir vermuthen,
A und B
seien
die
Endknoten,
so ist
in obiger
Formel
Zj
=
i,
z^
=
2
und
wir
bilden:
p
=
=
o
§
I
2
OO
=
No
^
2
—
Z
Wir erkennen,
dass
nach
dieser Umformung
die
Reihe den
gesetzmässigen
Verlauf
hat,
und
aus
dem
gesetzmässigen Verlauf schliessen
wir
umgekehrt,
dass
in
der
That,
wie
wir
vermuteten,
AB
die
Endknoten
der
Entwicklung
sind.
Die
Rangordnung
der
Flächen zeigt
sich
in der
Einfachheit der
Zahlen
in
der
Reihe
o
•
i
•
oo.
Den
höchsten Rang
haben
o
oo
dann
i
dann
|
2
dann
i f
|
3
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—
'
7
—
Aus
der
Entwicklung-
in
allen
einzelnen
Zonen
(Primärzonen,
Secundär-
zonen, Tertiärzonen
u.
s.
w.),
ausgehend
von
den
Primärflächen,
setzt sich
das
Formensystem einer
Krystallart
zusammen.
Das ist in
grossen
Zügen ein
Bild
von
der
Entwicklung
der
Formen,
wie
wir
es
bei
den
Krystallen aller
Systeme
und
jeder
beliebigen
Zusammen-
setzung finden.
Harmonie
der
Töne.
In
der
Musik
ist
die
Auswahl
der
Töne
zu
harmonischen
Gruppen
Menschenwerk
d. h.
ein
Abbild
des
menschHchen
Geistes
und
zwar
des
Geistes
der
menschlichen
Gesammtheit.
Denn das
von
Einzelnen
als
harmonisch
Zu-
sammengestellte wird
von der
Gesammtheit
als schön
und
wohlthuend
em-
pfunden.
In
dieser
Gemeinsamkeit
liegt die
MögHchkeit des
Geniessens
musi-
kalischer
Compositionen
durch
die Zuhörer.
Bei
den Krystallformen
ist nicht
eine gefällige
Auswahl getroffen,
sondern alles
Vorhandene
ist
nüchtern
verzeichnet,
in
Zahlentabellen
und
Figuren niedergelegt.
In
diesen
Aufzeichnungen,
der
Wiedergabe
der
von
Menscheneinfluss
freien
Zusammenstellungen
der
Formen
durch die
schaffende
Natur,
spricht
sich
unmittelbar
und
für
alle
Krystallarten geltend
das
Gesetz
der
Complication
aus.
Es soll
nun
nachgewiesen
werden, dass die Tongruppen,
die unser Ohr
als
harmonisch
aus
der
unendlichen Verschiedenheit des
ErkHngenden
aus-
wählt, dem
gleichen
Gesetz der
Complication folgen.
Wir
wollen zeigen,
wie
sich
aus
diesem
Gesetz die Elemente einer
musikalischen Harmonielehre ab-
leiten
lassen
und
zwar
die
Zusammensetzung
der
harmonischen
Accorde
und
Folgen, das Wesen der
Tonleitern und Tonarten
und
der
Aufbau
von Musik-
stücken
aus Accorden
und Folgen.^)
Musikalische
Zahlenreihe. Diatonische Tonleiter.
Gehen
wir
von
einem
Grundton
z.
B.
c
aus,
so
gehören
zu
diesem
andere
Töne
d
e
f
• • •
deren
Schwingungszahlen
pro
Zeiteinheit mit denen
von
c
in
einfachem
rationalem
^)
Der
Erste,
der Beziehungen
zwischen
Krystallformen
und
harmonischen Tönen
suchte,
dürfte
Chr.
S.
Weiss
gewesen
sein.
(Betrachtung
der
Dimensionsverhäknisse
in
den
Hauptkörpern
des
sphäroedrischen Systems
und
ihren
Gegenkörpern
im
Vergleich mit
den
harmonischen Verhältnissen
der
Töne. Abh. Berlin.
Ak.
22.
Oct. 1818).
Er
vergleicht
im
regulären Würfel,
Octaeder,
Tetraeder,
Dodekaeder,
Leucitoeder
die
Längen
aus
dem
Mittelpunkt
nach
den Ecken,
den
Kanten- und
Flächen
-Mitten
und
zieht
eine
Analogie
zwischen
deren Verhältnissen
yf^: V2
i
\l4
•
V^;
•
• •
^d
den
Schwingungsverhältnissen
3
:
2
;
4
:
3
;
. . .
der Töne.
Herr
Geheimerath
Weisbach
in Freiberg
hatte
die Güte,
mich
auf
diese
Publikation
aufmerksam
zu machen.
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—
8
—
Verhältniss
stehen.
Für c=i ist
die Zahl
z
der
Schwingungen,
zunächst
in
der
sogenannten
diatonischen
Tonleiter:
c
defgahc^)
^
^
8
4
3
2
3
8
^
Grundton Secund
Terz Quart Quint Sext
Septim
Octav
Die
reciproke
Reihe
cdefgahc
1
1
T-§.43.2.3.8i
Z
9
5
4
3
5
T3'
2
giebt
das Verhältniss der Schwingungs dauern
d.h. der
Zeit, die
die
einzelnen
Schwingungen
für
die
verschiedenen Töne brauchen,
zugleich
der
Längen
d.
h.
der
Wege
der
einzelnen fortschreitenden
Wellen
oder
der
Längen
der
als
Ganzes schwingenden
musikalischen
Instrumente,
als
Längen
der Orgel-
pfeifen,
der
Stimmgabeln, der schwingenden Stücke
der
gleichen
Saite. Spanne
ich eine
Saite
auf den
Grundton
c
und
drücke in
i
der
Länge nieder,
so
dass beim
Anstreichen
f
der
Länge
schwingen,
so erklingt
die
Quint
g.
Endknoten der Octav.
Wir wollen den
Grundton (c)
und
den Octavton
(c)
die
Endknoten
der
Octav,
d. h. des
Inbegriffs
der
Töne
zwischen
c
c,
nennen.
(Das Wort
Octav hat im
Gebrauch
der
Musik einen doppelten
Sinn.
Man nennt
Octav
das
Gebiet zwischen
c
und
c;
zugleich
nennt man
c
die
Octav
von
c.)
Die Wahl
des
Grundtons
ist beHebig. Das
als
Grundton
unseres
Systems
übliche
c
hat
264
Schwingungen
pro Secunde
nach Verabredung
der
deut-
schen
Naturforscher-
Versammlung
von
1834.
Die Wahl des
Grundtons
nennt
man die
Stimmung.
Man pflegt
zur
Bezeichnung der
Stimmung
nicht die
Zahl
der
Schwingungen
für c,
sondern die für a
=
1
c
=
440
anzugeben. Eine
neuere
Verabredung
der
Pariser
Akademie
(Pariser
Stimmung)
hat
für
a
435
Schwingungen
pro Secunde festgesetzt,^)
doch
werden diese Verabredungen
nicht
immer eingehalten.
Man findet
die Instrumente
höher
oder tiefer ge-
stimmt, oft
zum
grossen
Unbehagen der
Sänger.
Tonsysteme
auf
verschiedenem
Grundton.
Statt
auf
c mit
264
Schwin-
gungen
kann
man
das
ganze Tonsystem
auf einem anderen Grundton auf-
bauen
z.
B. auf a
mit
435
Schwingungen.
Die
diatonische
Tonleiter
ist
dann:
a
h
eis
d
e
fis
gis
a
^
*
8
4
3
2
3
8
^
*)
Wir
wollen,
von einer
mittleren
Octav
ausgehend,
die
Töne der
höheren
Octaven
mit
Strichen
über
den Buchstaben
bezeichnen,
die der
niederen Octaven
durch
Striche
unter
den
Buchstaben.
Also:
••••c^d^e^---cde--cde'--
cde*--
cde--
cde--
Dies
erscheint
zur Uebersicht
bequem.
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—
9
—
Die
Verhältnisszahlen
z der
Schwing-ung-en
sind die
gleichen.
Die
Schwingung-s-
zahlen
selbst
sind
auch
die
gleichen
nur
mit
dem
Constanten
Faktor
k,
der
die
Grundtöne
ineinander
verwandelt.
Ist
a
=
f
c,
so
erhalten
alle
Töne
des
Tonsystems
auf
a
den gleichen
Coefficienten
f.
Im
Uebrigen
sind
beide
Ton-
systeme
gleich.
Allg-emein:
ist
der
neue
Grundton
c'
=
kc,
so
werden
die
Schwingungszahlen
n
für
alle Töne
im
neuen
Tonsystem
: zu
n'
=
k
n.
Gleichheit
der
Zahlen
z
resp.
I
für
alle
Tonsysteme,
z
und
1
sind
Ver-
hältnisszahlen.
Im
Verhältniss kann
der constante
Faktor
k
weg g-ehoben
wer-
den.
Daher
sind die
Zahlen
z
resp.
1 g-leich
für alle
denkbaren
Tonsysteme.
Wir
studiren
den Charakter
der z-Reihe
für
ein
bestimmtes
System
und
kennen
ihn
dadurch
für alle.
Unsere folgenden
Betrachtungen
beziehen
sich
nur
auf
die Verhältnisszahlen
z
resp.
1.
Diese,
nicht
die
Schwingungszahlen
pro
Zeiteinheit
bestimmen
die
Harmonie.
Unser Tonsystem
baut
sich
ansteigend auf dem
Grundton
c auf
(C-Dur),
absteigend
auf
a
(A-Moll).^)
Wir
verfahren daher
allgemein,
indem wir
den
Grundton
unseres Tonsystems
=
i
setzen
und
c
(resp.
a)
nennen.
Die
Fortsetzung
der Reihe über
Grundton
und Octav nach
beiden
Seiten
liefert
Töne,
die musikalisch
mit denselben Buchstaben bezeichnet
werden,
wie die
Töne
innerhalb der ersten (mittleren)
Octav.
Wir haben:
c-'-f
g-a-'C
•••
f-
g-a
•••c---f-ga
•
•
•
c
•••
f-
ga-«c--«
„
1
2
3
5.
j
4
3
5.
.O...Ä
o
10
./i...l6./;.20.,.Q...
23
4
6'^
323
^
30
3
^
3^3
o
•
=
•••«1
•••l-l-l
•••
2)..-
.-2(1
...f-
f
.
I-.-
2)...
...(I
...|
.|
.f
...2)
..4(1
•••
I
-f.
f
•••
2)...
=
(••1,
I,
2,
4---)
(I
•••
I
•
l-f
2)
Die Reihe
geht nach
beiden
Seiten
ins
Unendliche. Sie
ghedert
sich
periodisch
in
harmonisch
gleichwerthige
Stücke (Octaven).
Für das
Ohr
wahr-
nehmbar,
musikalisch brauchbar,
ist
nur
eine
kleine
Zahl
von
Octaven.
Die
Zahl
ist
verschieden für
verschiedene
Personen,
doch
nicht
in
weiten
Grenzen.
Jede
Periode
hat
die
gleichen Zahlen,
abgesehen
von
dem
Faktor
• •
•
2,
I,
2,
4
• • •
=
2 ,
worin
n eine
+
ganze
Zahl
ist.
Wir
können
schreiben:
z
=
2n
(i
.
. .
f
.
I
.
f
.
. .
2),
worin
n
=
•
• •
3,
2,
i, o, i,
2,
3
• • •
Harmonische
Gleichwerthigkeit
der
Octaven.
Gleiche
Töne
in
jeder
Octav.
Reduction
auf das
Intervall
cc. z
=
I
•
I
2.
Umstellen
der
Töne
in
der
Harmonie.
Wir
wollen
für die
folgenden
Betrachtungen
die
gleiche
Zahl
obiger
Reihe
für jede Octav
als
gleichwerthig
ansehen,
d.
h.
den
Faktor
2
weglassen.
Die
Berechtigung
dieser
Annahme
spricht
sich
darin
aus,
dass
1) Charakteristisch
für
C-Dur
resp.
A-Moll als
Anfangs-Tonarten
ist
das
Fehlen
von
Aenderungs-
Zeichen
^
und
t>.
Wir
betrachten
das
Verhältniss
von
C-Dur
und
A-Moll
weiter unten
(S.
37)
näher.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
10
—
man
Töne,
die
um
eine
Octav
von
einander
abstehen,
mit
demselben Buch-'
Stäben
bezeichnet.
Man
nennt:
I
=
c;
l
=
g-;
|==a
•
•
.
Ebenso:
2
•
i
=
c;
2
-1
=
g ;
2
-f
=
a
• • •
für
beheb
iges
ganzzahhges
n.
Man
sagt
zwei Stimmen
singen
dieselben Töne
(unisono) z. B.
c
f
g
a,
wenn
auch
in
verschiedenen
Octaven.
Alle c unter
sich, alle
f, alle
g
unter
sich
gelten
harmonisch
als
gleichwerthig.
Wir
dürfen, ohne
Aenderung
der
Harmonie,
jeden
Ton um
Octaven
verlegen,
ein
z
mit
einem beliebigen Vielfachen von
2
multipliciren
oder
divi-
diren.
Das
benutzen wir,
um
zum
Vergleich
alle
Töne in
das
Intervall
z=i---l---2
zu
verlegen.
Bei
den
folgenden
Rechnungen
lassen
wir
alle
Faktoren
2-
weg,
die
den Ton aus dem Intervall
z
=
i
• • •
2
weg-
brächten.
Beispiel:
g
=
f.
Die
Quint von
g
ist
f
x
|
=
f.
Dafür
setzen
wir
f
=
d, divi-
diren
durch
2,
um
den Ton in das Intervall
i
•
••
2
zu
bringen.
Wir
schreiben
kurz:
3
v^
3
9
2
'^^
2
8«
Aus
der
Annahme
der
harmonischen
Gleichwerthigkeit
der
Octaven
folgt
ferner,
dass
wir
statt
der
Töne
die
Buchstaben
schreiben
und
die
Töne
(Buch-
staben)
in
der Harmonie
umstellen
können. Danach ist:
c
e
g
=
(harmonisch
gleichwerthig) ceg
=
egc==gce==gce-
•
•,
der
C-Dur-Accord.
Reihe der Schwingungszahlen.
Setzen wir
statt
der
Verhältnisszahlen
z
die
Schwingungszahlen
für
c
Schwingungen
pro
Secunde für
den
Grundton,
so
ändert
sich nur
der
constante
Faktor.
Wir
haben die Reihe:
2n
c
(i
• •
•
f
.
I
•
f
•
• •
2),
worin
n
=
•
• •
3,
2,
i,
o,
i,
2, 3,
• •
•
Bei
anderer
Wahl
des
Grundtons.
Für
das
Tonsystem
ändert
sich
nur
der Coefficient.
Geben
wir
dem Grundton
die
Schwingungszahl c'
=
k
c, so
ist die
Reihe:
2n
c'
(i
•
• •
f
•
f
•
f
•
•
•
2),
worin
n
=
•
•
•
3,
2,
i,
o,
i,
2,
3
•
•
•
c'=
kc
Tonleiter
nennt man
die
Reihenfolge
der Töne
innerhalb
der
Octav.
Die
Anordnung erfolgt
nach
steigender
Schwingungszahl. Von
den
innerhalb
einer
Octav möglichen
Tönen
wird
nur
eine
beschränkte Zahl
für
die
musi-
kalisch
gebrauchten Tonleitern
ausgewählt.
Je
nach dieser
Wahl unterscheidet
man
3
Arten von
Tonleitern:
diatonische,
chromatische
und
enharmo-
nische.
Die
allgemeine
Form einer
Tonleiter
ist in
Zahlen:
^
*
3 2
3
^'
Wir
wollen
zunächst
das
Wesen dieser
3
Arten von Tonleitern
aus
unserem
krystallographischen
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—
11
—
Diatonische
Tonleiter.
Umformung.
Die
diatonische
Tonleiter
zeigt
die
Schwingungszahlen:
_
cdefgahc
^
*
84323
8
^
Diese Form
der
Zahlenreihe:
z
=
i
• • •
I
• • •
2
fanden
wir
auch
bei
den
Krystallen
und
nannten
sie
Octavenform^)
wegen
Analogie
mit
der
Musik.
Geeignet zur Diskussion
der Entwicklung
der
Krystallformen
zeigte
sich
aber nicht diese, sondern
die
Form
p
=
o
• •
•
i
• • •
co.
Wir
er-
halten die
Reihe
der
p
aus
den
z durch
die
Transformation:
z
—
I
Die
umgekehrte Transformation,
d.
h. die
Auffindung
jedes einem
p
ent-
sprechenden
z,
geschieht
durch
die
Formel:
,_
2p
+
l
p
+
i
Wir
wollen diese
Transformation
auf
die
musikalische
Zahlenreihe
an-
wenden. Ihr Sinn und
ihre
Berechtigung
für die Krystallformen wurde
in
der
Zeitschrift für
Krystallographie
1897,
28,
25
nachgewiesen.
Sie
soll hier
zu-
nächst
durch
Analogie auf die musikalischen
Zahlenreihen angewendet
werden.
Wir
sehen
die
Berechtigung
dieser
Uebertragung
aus
der
Brauchbarkeit
der
Schlüsse,
indem
die musikalischen
Reihen
in der umgewandelten
Form
p
=
o
• • •
I
• ' •
00
Einblick
geben
in das Wesen
der
Harmonie.
Ein deduc-
tiver
Beweis
soll
nachträglich versucht werden.
Wir
wollen die
p
harmonische
Zahlen
nennen.
Der Name
wurde auch
für
die
Krystalle
angewendet.^)
Die
diatonische
Tonleiter
hat
die
Schwingungszahlen:
cdefgahc
z=
I
f
f
I
I
f
¥
2.
Darausfolgt:
p
=
^^^
—
=
0^1^12700
(Diatonische
p-Reihe)
2
—
z
Die
krystallographischen
Normalreihen.
Wir
fanden
für die Krystalle
die Normalreihen
:^)
00
00
00
00
CX3
1)
Vgl.
Zeitschr.
f. Kryst.
1897.
28. 25.
2)
Ebenda. S.
25.
Zeile
14
v.
o.
lies
^^^
statt
^
No
=
N,
=
N.
=
N3
=
N4
=
N5
=
•
.
i
...
T
...->..
.
2
'
L 1
2
j
3.
-7
.
^
.
3
2
'
3
'
'^
2
-^
J
I1213.23.t4:3.5-5,.
4352534^323^2^^
U.
S
W.
2
—
p
p
—
2
*)
Vgl.
Zeitschr.
f.
Kryst.
1897.
28.
11.
Die
Hälften
dieser Reihen
(zwischen
o
und
i)
sind in
der Zahlentheorie
als
Brocot'sche
Reihe
bekannt.
(Vgl.
E.
Cahen,
Theor.
d.
Nombres,
Paris
1900,
S.
333.)
^-v
U^^~>^
^U *vwJWy-A,>K
I
Vv^j
'hU
I^S^
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
12
—
Diese
Normalreihen
wurden
für
die
Krystallformen auch als harmonische
Reihen
bezeichnet.
Vergleich
der
diatonischen p-Reihe
mit
den
itrystaliographischen
Normal-
reihen.
Die
diatonische
p-Reihe ist:
cdefga-h
c
Wir
bemerken
an
ihr
Folgendes:
1.
Sie ist
symmetrisch,
wie
die
krystallographischen
Normalreihen, ab*
gesehen
von der
fehlenden
3.
Rechts von
dem Mittelpunkt
i
stehen die
Reciproken
der
linken
Seite.
2.
Der
Mitteipunict
I
ist
nach
den
Endknoten
o
•
00
der
wichtigste
Punkt
der
Reihe,
musikalisch
wie krystallographisch. Er
entspricht der Quint
und
hat
musikalisch
den
Vorzugsnamen
Dominante.
Dieser
Name wurde
auf
die
Krystallographie
übertragen.^)
3.
Die
Zahlen
7
(d) und
7
(h)
passen
nicht
zu
den
krystallographischen
Normalreihen.
ad
I.
Zur
Symmetrie
fehlt
die
Zahl
p
=
3.
Sie
entspricht
dem
Ton
b
mit
der
Schwingungszahl z
=
5.
Fügen
wir
diese
zu,
so
haben wir:
cdef
gabhc
p
=
0732i237oo.
Damit
stellt
sich
merkwürdiger
Weise
die
alphabetische Reihe
a
b
c d e
f
g
her.
Nur
h
erscheint
eingeschoben.
Harmonische
Wirkung
der
Symmetrie.
Einen
angenehmen
Klang
geben
die
Folgen:
c-g-c:
p
=
o.
•• ••.
00
cfgac:
p
=
o-
-1^12
•
-oo
cegbc:
p
=
o-^-i-3-oo
cdghc:
p
=
o
j
• •
I
• •
7
00
Man
prüft das
leicht, indem
man
die
Töne
der Reihe
nach
am
Ciavier
anschlägt.^)
Versuch,
cesg
mit
den Schwingungszahlen
z=
i
ff,
den
harmonischen
Zahlen
p
=
o
^
I
gibt systematisch
ergänzt
die
Folge
p
=
o
i
.
I
.4
00
mit
z
=
I
f
•
I
•
f
2
c
es
g
b' c
c es
g b'
c
Das
eingeschobene
b'
(z
=
f)
ist höher
als
b
(z
=
J)
und
tiefer
als
h
(z
—
\^).
In
der
That,
wenn wir
am
Ciavier
eine
Folge
c
es
g
b
c
bilden,
so
befriedigt uns diese nicht,
*)
Vgl.
Zeitschr. f.
Kryst.
1897.
28.
25.
-)
Ob man
wohl
dabei von
einem
symmetrischen
Klang
reden
kann?
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—
13
—
auch nicht
c
es
g
h c.
Unser Ohr
verlangt
zu
c es
g
c
einen zu
es
symmetrischen
Ton
b'
mit
p
=
4,
z
=
I
zwischen
b und
h,
der
auf dem
Ciavier
fehlt,
auf
der
Geige aber
sich
hervorbringen lässt.
ad
2.
Die
Dominante
p
=
I
spielt in
der
Entwicklung-
der
Formen,
wie
der
harmonischen
Töne
eine
hervorrag-ende
und
ähnliche
Rolle.
Sowohl
bei
der
freien (harmonischen)
Entwicklung-
innerhalb
der
Octav
(der
freien
Zone
^),
als auch
bei
der
Weiterbildung-
nach
aussen:
In
der
Musik
zur
Fortbildung-
der
Tonarten (siehe
weiter
unten),
in der
Krystallographie
zum
Ausbau
des
Zonenverbandes
durch
Bildung-
von
Secundär-,
Tertiär-Zonen.^)
ad
3.
Ausfallen
von
i
und
7
aus
der
Reihe.
Motivirung
der
d
und
h.
Die Zahlen
^
(d)
und
7
(h)
passen nicht
in die
diatonische
p-Reihe,
wenn
wir
sie
mit
der
krystallog-raphischen
Normalreihe
vergleichen.
In
der
That
g-e-
hören
d
und
h nicht in den
harmonischen
Verband
c
•
g-
•
c
=
o
•
i
•
00
(C-Dur),
sondern
in
den
nächst
verwandten^)
g
•
d
•
g*
(G-Dur).
Wir
haben:
Zwischen
cc: cefga
c
mit
den
harmonischen
Zahlen
p
=
o
§
^
i
2
00
und den
Schwingungszahlen
z=iff--
3
Analog
gebaut, aber
den
Grundton
c um
eine
Quint
verlegt,
auf
die
Domi-
nante
g
haben
wir:
Zwischen
g
g
:
ghcdeg
mit
den
harmonischen
Zahlen
p=
0^^1200
„
__
3
i'j
5
4 3
5
2^
^
—
2
\^
4 3 2
3
'^)
Es
kommen
den
Tönen
d
h
nicht die
harmonischen
Zahlen
7
•
7
zwischen
c
c
zu, sondern
i
•
3
zwischen
g
•
g.
So, durch
harmonische
Entwicklung
zwischen
g
g,
nicht
zwischen
c
c
sind
d und
h in
unsere Tonreihe
ge-
kommen.
Damit entfallen
die irregulären Zahlen
7
•
7
aus
der
diatoni-
schen
Reihe.
Diese
baut
sich
vielmehr
aus
2
harmonischen
Reihen
von
der
Form:
p
=
o
3
2
I
2
00.
Diese
Reihen
haben die
grösste
Aehnlichkeit
mit den
krystallographischen
Normalreihen.
Entstehung
und
Bedeutung
der diatonischen
Tonleiter.
Die diatonische
Tonleiter
besteht
danach aus
2
heterogenen
Stücken;
beide
von der
gleichen
Form.
Eins
harmonisch
entwickelt
zwischen
c
c
und
eins
(um
eine
Quint
verlegt) zwischen
g
g.
Die Bedeutung der
diatonischen
Tonleiter besteht
darin, dass
sie
rein
d.
h.
mit
genauen
Zahlen,
die Töne
liefert, die zum
Aufbau
harmonisch
ein-
facher
Musikstücke
dienen.
Wir haben in
ihr die
Töne:
1)
Vgl.
Zeitschr. f. Kryst.
1897.
28.
409,
445-
^
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14
der
steigenden
Harmonie^)
für
C-Dur
für
G-Dur
der
fallenden Harmonie
für
A-Moll
für
E-Moll
P
=
o
1
3
1
2
I 2
oo
c
e f
g
a
c
g
h c
d
e
g
und
o
T
3
T
2
I
2
OO
a
f
e d
c a
e
c
h a
g
e
Dazu einige
wichtige
Accorde
weiter
verwandter
Tonarten facf:p
=
03ioo
in
F-Dur,
hgeh
:p=03ioo in
H-Moll. Wie
sich
aus
solchen
Accorden
die
Musikstücke
aufbauen,
werden
wir unten sehen.
Wir
erkennen
an
den
Zahlen, dass die
diatonische
Tonleiter
kein ein-
faches
harmonisches
Gebilde
zwischen den
Endknoten
c
c ist,
sondern
ein
Aggregat
mehrerer
harmonischer
Gebilde.
Es
ist
eine
Vorrathskammer,
in
der
die
Töne
der
Dur-Harmonien
zwischen
c
c
und
g
g,
zugleich
die
der
Moll-Harmonien a
a
und e e,
der
Tonhöhe nach
geordnet, für den
Gebrauch
niedergelegt
sind. Eine
gute
harmonische
Wirkung hat
die
diatonische
Tonleiter
als Ganzes nicht,
weder
im Zusammenklingen
aller
ihrer
Töne, noch
im
Abspielen
der Folge.
Solche
Aggregate,
solche
Vorrathskammern,
in denen
die Töne
noch
anderer
Harmonien
niedergelegt
sind,
sind
die
übrigen
Arten von
Tonleitern,
die chromatische und die
enharmonische.
Wir
werden
deren
Zusammen-
setzung
weiter unten
betrachten.
Eine
als Instrument ausgeführte
chromatische
Tonieiter ist
das
Ciavier.
Man
erkennt
an
ihm
leicht
den Charakter als
Vorrathskammer,
der
man
die
Töne
in
harmonischen
Gruppen als
Accorde
und
Folgen zum
Gebrauch entnimmt.
Vergleich mit den
krystallographischen
Normalreilien.
Lassen
wir d
=
i
h
=^
7
als
nicht
zur Harmonie
c c
gehörig weg,
so
lautet
unsere
harmonische
Reihe:
c
e f
g
a
(b)
c
p
=
o
i
1
I
2
(3)
oo
Sie
steht
zwischen
den
Normalreihen: N,
o
und:
N3
=^
O
3
2
^
T
3
1
2
•
00
2
3
00.
Auch
bei
den
Krystallformen
beobachten
wir
oft
Reihen,
die
in
der
Entwicklung
zwischen zwei
Normalreihen stehen.
Ergänzung
der
harmonischen Tonreihe
p
=
i H
2
(3)
oo
zur
Normal-
reihe
N3.
Für
N3 fehlen
p
=
f ,
I.
Diese
entsprechen
z
=
I,
f
d. h. den
Tönen fis,
as
zwischen
c
c.
Fügen
wir
diese
ein,
so
erhalten
wir:
^)
Ueber die
steigenden
und
fallenden
(Dur und Moll)
Harmonien
geben
einige
der
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—
15
—
N3:
p
=
oii|i|23^
entsprechend:
z=iff||
5342
den Tönen:
c
e f
fis
g
as a b
c.
Die Reihe
nähert
sich
unserer
chromatischen
Tonleiter,
ist
jedoch
nicht,
wie
diese,
ein
Aggregat, sondern
ein
harmonisch
entwickeltes
Ganze.
Es
fragt
sich,
ob
unsere
Musik
diese
Reihe
verwerthet,
die
Complication
so
weit
treibt.
Ich
glaube
nicht.
Zur
Begründung
dieser
Meinung
möchte
ich
Fol-
gendes sagen:
Unsere Musik
hat
sich,
wie
ich
unten
darzulegen
versuchen
werde,
polyphon
entwickelt,
und
zwar
durch
Aneinanderreihen
von
Accorden
aus
der
Reihe
p
=
oHi2(3)oo resp.
p
=
o
i
i
i 2
(3)
00
mit
wechselndem Grund-
ton. Die Grundtöne
unter
sich
in
einfacher
Verwandtschaft,
zunächst
nach
den
harmonischen
Zahlen
o
00,
dann
0100, 02i2oo---
Für
solchen
Auf-
bau
der Musikstücke
aus harmonisch
sich
aneinander
reihenden
Accorden
ist die
Differenzirung innerhalb
der
Octav bis zur
vollen
Reihe
N3
wohl
zu
complicirt.
Die
harmonische
Verknüpfung
der
fortschreitenden
Grundtöne
giebt
zusammen
mit
den von
ihnen
getragenen
stehenden
Accorden
bereits
eine hohe
Manich-
faltigkeit. Die Rücksicht
auf die
Accorde
wirkt
beschränkend
auf
die
Ent-
wicklung der Tonfolgen
d.
h.
auf
die
harmonische
Entwicklung
innerhalb
der
Octav.
Anmerkung.
Es
ist
nicht
ausgeschlossen,
dass
das
Wesen
der
harmonischen
Ton-
reihe
sich wohl in
den
Zahlen
p
ausdrückt,
dass
aber
das Charakteristische
darin
ein
anderes ist, als
bei den
Krystallformen.
Möglicherweise
haben
wir
in den Zahlen
p
=
o
i
I
I
2
(3)
00
die
fortlaufenden
ganzen
Zahlen
0123
mit
ihren
Reciproken
zu
sehen
^).
Als Weiterent-
wicklung
wäre dann zu
erwarten:
nicht:
o|||i|23oo
sondern:
o
| |
|
i
234
00.
Aus
der Untersuchung
der
Musikstücke
konnte
ich eine Entscheidung
nicht gewinnen.
Es
kommen darin
|,
|,
aber auch
}
vereinzelt vor.
Wegen
der
Analogie mit
den Krystall-
formen
bei der
ersten
Deutung
und den daraus
sich
ergebenden Consequenzen halte ich
diese
für
die
richtige,
wollte
aber auch
die zweite Deutung
nicht
unerwähnt
lassen.
Einstimmige
und
mehrstimmige
IVIusik.
Wo
mehrstimmige
Entwicklung
der
Musik
nicht
stattgefunden
hat,
wo
also
nicht Accorde,
nur Tonfolgen
benutzt werden,
kann
sich die
Complication
innerhalb
der
Octav
reicher ge-
stalten.
Dabei
dürfte
die
Reihe
N3
erreicht,
vielleicht
überschritten
werden.
Solche
einstimmige Musik
hat
sich
im Orient
hoch
entwickelt
und
erhalten,
so
bei den
Arabern,
Indern,
Japanern.
Es
fmden sich
da in den Tonreihen
Feinheiten,
die
unsere Musik
nicht
kennt,
wohl deshalb,
weil
sie
sich nicht
oder
schwer
mit
unseren Accorden
vertragen.
Es ist
jedoch möglich,
dass
ein
feinsinniger
Künstler
die
Schönheit beider Entwicklungen
vereinigt, etwa,
^)
Das Gleiche
gilt
von
den Farben.
Siehe
weiter
unten.
(S.
75.)
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
16
—
indem er
die
verfeinerten orientalischen Tonfolgen
wechseln
lässt
mit
unseren
einfacheren
Accordgängen. Möglich, dass dies
auch bereits
geschehen
ist.
Anmerkung.
Ich
habe versucht,
mir über
die
Frage
der weitergehenden
Compli-
cation
innerhalb
der
Octav Klarheit
zu
verschaffen durch Aufsuchen
der
hochentwickelten
einstimmigen
Musik
in
ihrer
Heimath,
in
Tunis,
Indien
und
Japan.
Doch
fand
ich
mich
selbst
nicht
befähigt
zu einem entscheidenden Urtheil und
muss dies besseren
Musikern
überlassen.
Doch eins glaube
ich gefunden
zu
haben, dass unsere
mehrstimmige Musik,
wo
sie
eindringt,
die
zarten
Feinheiten
der
einstimmigen Musik
zerstört;
sozusagen
den
Flügelstaub
von
dem
Falter
abstreift.
Der Process
vollzieht sich
derzeit
in
Japan.
Die
Musik der
Japaner
erscheint
uns dürftig, weil
die
Accorde
fehlen,
und unrein,
weil
Zwischen-
töne da sind, die
unsere
vereinfachte
Entwicklung der
Tonfolgen nicht
hat.
Andererseits
erscheint dem musikalisch feinsinnigen
Japaner
unsere Musik
in
der
Tonfolge roh,
da
die
Feinheiten
der
Entwicklung
zwischen
den
Tönen
fehlen.
Die Accorde auf den
Tonfolgen
sitzend,
geben
ihm zu
viel
und stören
ihm
den
Genuss
seiner
zarten, fein beweglichen
Folgen. Dadurch ist
verständlich,
dass er
seine
Musik mehr
liebt.
Diese
Deutung erklärt, warum
die japanischen
Melodien
einen mehrstimmigen
Satz
nicht
vertragen»
ohne
dadurch ihren
Charakter
zu
verlieren. Mit Rücksicht auf
die Accorde
verschiebt
sich
um ein
Kleines die Tonfolge.
Und
damit ist das Musikstück
nicht
mehr
dasselbe. Es
ist
europäisch
geworden.
Feinere Ohren als die
meinigen
dürften die
Schiebung
bei
diesem
Wechsel stärker
empfinden
und genauer
klarstellen.
Uebrigens muss
das Studium
der hochentwickelten
einstimmigen
Musik für
musikalisch
feine Ohren
ein
eigenartiger hoher
Genuss
sein.
Accorde
und
Folgen.
Accord
nennen
wir eine
Gruppe
harmonischer
Töne
in g-leichzeitig-em
Erklingen. Folge eine
solche
im
Erklingen
nach
einander.
Statt
Folge
können
wir auch sagen
aufgelöster Accord oder
fortschreitender Accord
und schreiben
c
—
f-
—
g
—
a—
c im Gegensatz
zum
stehenden
Accord
cfgac.
Gewisse Accorde sind besonders
wohlklingend,
harmonisch, für den Aufbau
der
Musikstücke besonders
wichtig. Wir nennen
sie
Hauptaccorde.
Die
Accorde
sind
charakterisirt durch die
Buchstaben
ihrer
Töne
oder
durch
ihre harmonischen
Zahlen
(p)
und den Grundton,
auf
den
sich
die
Zahlen
beziehen.
Wir
wollen schreiben:
c e
g
=
o
3
I
(c).
Das
soll heissen: der
Accord
ceg
hat
die
harmonischen
Zahlen
p
=
o
3
I
in Bezug
auf den
Grunton
c.
Durch
Verlegen
der
Töne
um
Octaven
wird,
wie wir
schon
sagten
(S.
9)
der
harmonische
Charakter
eines Accordes
nicht
geändert.
Es
sind
harmo-
nisch
gleichwerthig
ceg=cge
=
egec-
•
•
Wir
bezeichnen
im Fol-
genden
alle
mit
c e
g
=
o
i
i
(c).
Verschiedene
Deutung
eines AcCOrds.
Die
gleichen Töne
können
durch
harmonische
Entwicklung
zwischen
verschiedenen
Endknoten
entstehen.
Durch
Annahme
eines
anderen
Grundtons
erhält ein
Accord andere
Zahlen.
Da-
durch
haben
wir
die
Möglichkeit
verschiedener
Deutung.
Z.
B.
ceg
=
03i(c)
gce
=
022
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 27/153
sind
—
17
—
Die
HauptaCCOrde
aus
der
harmonischen
Reihe:
p
==
i
i
I 2
(3)
oo
c
e
f
g
a
(b)
c
Ol
=
o
I
oo
02l2=0ll2(X)
und
o
i
2
oJi3
=
oii3oo
und
o
i
i
O32
=
oi2oo.
Wir
wollen sie einzeln
betrachten:
I
==
I
00
=
C
g
C,
die
krystallog-raphische
Normalreihe
N^.
Die
leere
Quint.
Das
ist
die grundlegende
harmonische
Theilung.
Allerdings
nur
ein
Zvveiklang.
02l2==02l2oo
=
cfgac,
die
krystallographische
Normalreihe
N^,
soUte
nach
Analogie mit
den
Krystallen
der
wichtigste
mehr
als
zweitönige
Accord
sein,
c
f
g
a c
klingt aber als
Accord
nicht
gut.
Es
stört
die
Nähe
von fga
durch
Interferenz
(Rauhigkeit)
bei
gleichzeitigem
Erklingen.
Diese
Störung
entfällt, wenn wir
g
=
i weglassen.
022oo:=:cfac
gibt
einen
guten
Klang.
Die
störende
Interferenz
entfällt
auch
bei
oll
2
00
=
c
—
f
—
g
—
a
—
als Folge. Beim
Erklingen
nach
einander
stört die
Nähe
von
fga
nicht.
Ja,
mir scheint
diese
Folge von allen
die
melodischeste
zu
sein.
Sie spielt
die
Hauptrolle
beim
Aneinanderreihen
der
Grundtöne
der
Accorde
zum
Auf-
bau
der
Musikstücke.
Wir werden das
weiter
unten
kennen
lernen
(vgl.
S.
42
flgd.).
Oil==03loo
=
cegc,
nennt man den
Dur-Accord
oder Dur-Drei-
klang.
Er
ist,
den
Zahlen
nach, die nächst einfache
Gruppe. Hier
stört
Inter-
ferenz durch
Nähe
der
Töne
nicht.
Das
gibt
o
i
i
00
vor
o
1
i
2 00
als
Accord
den
Vorzug,
nicht
als
Folge.
Uebrigens ist
o
1
2
00
(c)
=
c
f
a
c
harmonisch
=031
00 (f)
=
f
a
c
f,
also
ebenfalls
ein
Dur-Accord,
nur auf
anderem
Grundton,
nur
eine Quint
abwärts gelegt. Der Dur-Accord
ent-
spricht also
zugleich
o
2
2
oo und
o
3
i 00. Das erhöht seine
harmonische
Wichtigkeit.
Der
Dur-Accord
ist
der wichtigste
Accord
der steigenden
Har-
monie, vielleicht
der
ganzen
Musik.
3
I
3
00
=-
c e g b
c,
der
symmetrisch
ergänzte
Dur-Accord,
er
wirkt
harmonisch
als
Accord
und
Folge.
Das Eintreten
von b
:=^
3
macht den
Accord
voller,
den
Wohlklang
gesättigter.
In
der That
fmden
wir im vier-
stimmigen Satz von
Musikstücken
den
Accord
o
i
i
3
00 an
besonders
be-
tonten, wichtigen Stellen
(vgl.
Beisp.
4,
S.
50).
3
2
=
3
2
00
^^
C e a
C
ist
ein Moll-
Accord
=
o
i
i (e)^)
=
e
c
a.
Die
^)
lieber
diese Schreibweise
siehe unten
S. 19.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 28/153
—
18
—
Deutung
o
3
2
ist
den Moll-Accorden zu
geben,
da wo
sie
zwischen die
Accorde
eines
Dur-Stücks
eingestreut
sind, die
Deutung
o
f
i
^)
denselben
Accorden
in
Moll-Stücken
(vgl.
Beisp.
5,
S.
52.)
Verwandtschaft
der Tonarten.
Verknüpfung
durch den
Dur-Accord,
Fortbildung
der
Tonarten
auf
der
Quint.
c
e
g
==
o
i
i
(c)
ist
der
Dur-Accord
zwischen c
c.
Zugleich
ist
derselbe
Accord
g
c
e
=
o
1
2
(g)
zwischen
g
g.
G-Dur
ist
ansteigend die
C-Dur
nächst
verwandte
Tonart.
Die
Verschiebung
des
Grundtons
ist eine Quint.
Die
Gemeinsamkeit
dieses
wichtigen
Accords
ist
einer
der
Gründe der
Zusammengehörigkeit
(Verwandtschaft)
von
C-
und
G-Dur.
Allgemein
verknüpft der
Dur-Accord
jede Dur-Tonart
mit
der
auf
ansteigender
und auf absteigender
Quint gebildeten
Dur-Tonart,
z.
B.
C-Dur
mit
G-Dur
ansteigend, mit
F-Dur absteigend.
Es
ist
nämlich:
c e
g
=
o
3
I
(C-Dur)
g
c e
=
o
2
2
(G-Dur)
c
{
a
=
O2
2 (C-Dur)
f
a c
=
o
3
I (F-Dur).
Wir
kommen auf
diese Fortbildung der
Tonarten
auf der
Quint
zurück.
Harmonie
der reciproken
Schwingungszahlen, der Wellenlängen, Schwin-
gungsdauern.
Wir
fanden
mit
wachsenden
Schwingungszahlen
in
der
Octav
c c
die
Töne
c
e f
g
a
c
-
f
I
f
2
mit
den
harmonischen
Zahlen:
p
=
32i
2
00.
Setzen
wir nun
statt
der
z
ihre
Reciproken,
so
erhalten wir:
c
e
f
g
a
c
1
^
_
4
3.
2
3.
i
1
=
—
=
1
5
4 3
5 2
z
Diese
Reciproken
haben
ihre
selbständige
Bedeutung. Sie
geben
das
Verhältniss der
Wellenlängen
(1),
der
Schwingungsdauern
der
Töne
resp. der
Länge
der entsprechenden
Saiten,
Pfeifen
u.
s.
w.
Sie
geben zugleich
die
Intervalle
nach abwärts,
die
fallenden
Intervalle. Ist für
c=i,
g
=
2
die
Quint aufwärts, so ist reciprok
f
=
f
die
Quint
abwärts
d.
h.
der
Ton,
dessen
Quint aufwärts
c
=
i
ist. Denn es ist
f
•
1
=
i.
Auf die
Wellen-
längen
1
kann
man, so
gut wie
auf
die
Schwingungszahlen
z,
die Gesetze
der Harmonie
beziehen.
Wir
können
nun
die
—
, ohne
Aenderung
der
harmonischen
Bedeutung
Li
der
Töne,
mit
2
multipliciren
oder
dividiren,
d.
h. die
Töne
um eine
Octav
auf-
oder
abwärts verlegen.
(Vgl
S.
9.)
Wir
multipliciren
mit
2,
um
der
Reihe
wieder die
Octavenform
i
•
• •
2
zu geben,
und erhalten:
*)
Ueber
diese
Schreibweise
siehe
unten
S.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 29/153
—
19
2
Z
f
g
c
I.
Das
-
über z
soll
andeuten,
dass
die
Zahlenreihe
der
z
Reciproke
zur
Zahlenreihe der
z
enthält.
Um
die
den
p
entsprechenden
harmonischen
Zahlen
p
d. h. die Reihe
in
der
Form
o
•
angegeben,
nach
der
Formel:
oo
zu
erhalten,
transformiren
wir,
wie
S.
1
und
erhalten:
2-z
§ a
p
=
oo
o,
wobei das
—
über
den
Zahlen nicht
„minus sein
soll, sondern
nur ein Index
zur Bezeichnung der
harmonischen
Zahlen
p
im Gegensatz
zu den
p.
Die
p
wollen
wir die
fallenden
harmonischen Zahlen nennen, im Gegensatz
zu
den
p,
den
steigenden
harmoi ischen
Zahlen. In der Reihe
der
p
ist
f
=
I
die
fallende
Dominante,
die absteigende
oder fallende
Quint.
Die Zahlen der obigen Reihe
p
sind nicht dieselben,
wie die der Reihe
p.
Der
Analogie
nach
müssten
sie
lauten:
p
=
o
oo.
Welchen
Tönen
entsprechen
nun
diese
Zahlen?
Wir
finden
das,
indem
wir
bilden:
_
-
2p+l
P+l
(vgl.
S.
II).
Das
—
der
p
wird
bei dieser
Umrechnung,
weil
nicht
minus,
sondern
nur ein
Index,
nicht
berücksichtigt.
Wir erhalten
aus:
p
=
o
f
5.
4
3 5
4
3 2 3
I
2
OO
2.
daraus
z
5
2 3
5
^>
entsprechend
den
Tönen:
c
as
g
f
es
c
Directe
Berechnung
von
p^
aus
p,
von
p
aus
p.
Aus
den
Formeln
2P+
I
Z
—
I
—
_
2
~
'
Z
'
ergibt sich
2
—
z
^
P
H
I
1
1
=
21;^
=
21
für
denselben
Ton,
bezogen
auf
denselben
Grundton.
Z.
B.
in
Octav
c'c
ist
für
g: p
=
i
;
p
=
I
für
a:
=
p
=
2
(S.
II)
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—
20
Berechnung
von
p
aus
z,
von z
aus
p.
Aus
den
Formeln
2p
+
I
Z
—
I
-
..
I
—
—
•
P
=
z
:
P+i
(S.
6); p
=
P
=
1
2^
ergibt
sich;
2
-f
2p
-
2
—
z
p
—
1
+
2p
2Z-2
für
denselben
Ton,
bezogen
auf
denselben
Grundton.
Z.
B.
in
Octav
c
c
ist
für
g
:
p
=
;|
;
^
=
I
für
e
: z
=
I
; p
=
f.
Zusammenstellung
der
Formeln.
z
—
I
I
P=
-
2p
P+^
„_
2+20
I+2p
2
Z
P-
2-Z
—
z
—
I
P^3p
7=
^^P+
'
p+i
—
2
—
Z
—
2
P -
-
2
—
Z
^
2Z
—
2
Z
Steigende
und
fallende
Harmonie.
Dur und
Moll.
Wie
die
Harmonie
der
ansteigend
entwickelten
Töne
beherrscht
ist
durch die
steigenden
harmo-
nischen
Zahlen
p,
so
ist
die
Harmonie
der
absteigend
entwickelten
Töne be-
herrscht
durch
die
fallenden
harmonischen
Zahlen
p.
Es
zeigt
sich,
dass
die
steigende
Harmonie
das ist, was wir
Dur
nennen,
die
fallende,
was
wir
Moll
nennen.
Wir
bezeichnen
als:
Steigend
harmonische
Reihe
—
Dur-Reihe:
P
—
=
O
3
2
1
2
oo
z.
B.
C-Dur-Reihe:
c
e f
g
a
c.
Fallend
harmonische
Reihe
—
Moll-Reihe:
P
—
O
i 1
I 2 oo
z.B.
C-Moll-Reihe:
c
as
g
f
es
c.
Zwischen
steigender
und fallender, Dur-
und
Moll-Harmonie
besteht
volle
Reciprocität.
Dur baut
sich
aus
den
Schwingungszahlen
(z)
ebenso
auf, wie
Moll
aus
deren
Reciprocen, den
Wellenlängen
(1).
Jede
harmonische
Erscheinung
in
Dur
hat
ihr Gegenbild
in
Moll.
Wir
werden
dies
im Folgen-
den
im
Einzelnen
betrachten.
In
der Entwicklung
aufwärts liegt der
Dur-Charakter,
in der
Entwick-
lung
abwärts
der Moll-Charakter.
Ob
wohl
hierin
der psychologische
Unter-
schied der
Wirkung
begründet ist,
Dur
als
frohes,
muthiges
Aufstreben
und
Lebhafterwerden,
Moll als wehmüthiges
Absinken
und
Matterwerden?
Wir
haben oben die
Hauptaccorde
der
steigenden
Harmonie
betrachtet.
Wir
wollen nun die
Hauptaccorde
der fallenden
Harmonie
ansehen.
Dabei
zeigt
es sich,
dass
wir das
über
die Accorde
der steigenden
Harmonie
Gesagte
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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21
wörtlich
abschreiben
können,
indem
wir
nur
für
alle
p
setzen
p
und
an
Stelle der
zu
p
gehörigen
Buchstaben
die
zu
p
gehörigen
(vgl.
S.
i/).
Die
Hauptaccorde aus
der
fallenden
harmonischen
Reihe*.
sind
p
-
3
I
2
1
2
(3)
oo
z. B:
c
as
g-
f
es
(d') c in
C-Moll
oder:
a
f
e
d
c
(b')
a
in
A-Moll
O I
o 1 oo
O
i
I 2
—
o IT 2
OO
und
O
i
2
o
i
2
3
o
Ili
oo
und
o
i~i
o
i
2
o
i
2 es:
).
Wir wollen
sie
einzeln
betrachten:
Ol
=
Oloo
=
cfc,
die
krystallographische
Normalreihe
N^
=
o
i
co.
Die fallende
leere
Quint. Das ist die
grundlegende
harmonische
Theilung.
Allerdings
ein
Zweiklang,
c
f
=
o
i
(c) ist harmonisch
zugleich
steigende
Quint f
c
=
o
I
(f).
Somit ist
o
i
harmonisch
gleichwerthig
mit
o i.
2
12
=01
l2oo=
cgfesc,
die
krystallographische
Normalreihe
N^
sollte
nach Analogie
mit den
Krystallen der
wichtigste
mehr
als
zwei-
tönige
fallende
Accord
sein,
c
g
f
es
c
klingt
aber
als
Accord
nicht
gut.
Es
stört
die
Nähe
von
g
f
es durch Interferenz
(Rauhigkeit)
bei
gleichzeitigem
Erklingen.
Diese
Störung
entfällt, wenn wir
f
=
i
weglassen,
o
i
2
oo
=
c
g
es c
gibt einen guten
Klang.
Die
störende
Interferenz
entfällt
auch
bei
oii
2oo==c
— g
—
f
—
es—
c
als Folge.
Beim Erklingen
nach
einander
stört die
Nähe von
g
f
es
nicht.
Diese
Folge spielt
die
Hauptrolle
beim Aneinanderreihen der
Grund-
töne
der
Accorde zum
Aufbau von
Musikstücken
mit
fallender
Harmonie
(vgl.
Be^sp.
5,
S.
52)._
Oi|==03loo
=
casfc
nennt
man
den
Moll-Accord
oder
Moll-
Dreiklang.
Er
ist den
Zahlen
nach
die
nächst
einfache Gruppe.
Hier stört
Interferenz durch
Nähe
der Töne
nicht.
Das
gibt o
i
i
oo
vor o
i
i 2
oo
als
Accord den
Vorzug,
nicht als
Folge.
—
Uebrigens
ist
o
1
2
oo
(c)
=
c
g
es
c
harmonisch
=
03
i
00
(g)
=
g
es
c
g,
also
ebenfalls
ein
Moll-
Accord,
nur auf anderem Grundton, um
eine
Quint
aufwärts
gelegt.
Der
Moll-Accord
entspricht
also
zugleich
o
i 2
00
und
o
3
i
00.
Das
erhöht
seine harmonische
Wichtigkeit. Der
Moll-Accord
ist
der
wichtigste
Accord
der fallenden
Harmonie.
Er
concurrirt
an
Wichtigkeit
mit
dem
Dur-
Accord.
IT
3
00
=
c
as f
d'
c,^)
der
symmetrisch
ergänzte
Moll-Accord.
Er
^)
d'
ist
nicht
das
d (z
=
f
)
unserer
diatonischen
Reihe,
auch_nicht
=
es
(z
=
|).
2
I
2
D
—
—
Es steht
zwischen
beiden. Denn es
ist nach
der
Formel:
z
=
—
(S.
20)
für
p
=
3;
I
+
2
p
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
22
—
wirkt
harmonisch
als
Accord
und
Folge.
Das
Eintreten
von
d'
=
3
macht
den
Accord
voller, den
Wohlklang
gesättigter (vgl.
Beisp.
4,
S.
50).
012=
3 2
00
=
c as
es
C
ist ein Dur-Accord =031
(as)
=
as c
es.
Die
Deutung o
3
2
ist den Dur-Accorden
zu
geben,
da,
wo
sie
zwischen die
Accorde
eines Stückes
fallender
Harmonie (Moll-Stückes)
eingestreut
sind,
die
Deutung
o
3
i
denselben Accorden
in
Stücken
steigender
Harmonie
(Dur-Stücken)
(vgl. Beisp.
5,
S.
52).
Verwandtschaft der Tonarten. Verknüpfung
durch
den
Moll
-Accord.
Fortbildung
der Tonarten,
c
as
f
==
o
i
i
(c)
ist
der
MoU-Accord
zwischen
c c.
Zugleich
ist
derselbe Accord
f
c as
=
o 1
2
(f)
zwischen
f f, F-Moll ist
fallend
die
C-Moll nächst
verwandte Tonart.
Die
Verschiebung
des
Grund-
tons
ist
eine
Quint.
Die
Gemeinsamkeit
dieses
wichtigen
Accords
ist
einer
der
Gründe
der Zusammengehörigkeit
(Verwandtschaft) von C-Moll
und
F-
Moll.
Allgemein
verknüpft
der Moll-Accord
jede
Moll-Tonart mit
der
auf ab-
steigender
und auf
ansteigender
Quint gebildeten Moll-Tonart.
Z.
B.
C-Moll
mit
F-Moll
absteigend,
mit G-Moll
ansteigend. Es ist nämlich:
c
as
f
=
o
I
£
(C-Moll)
f c as
=
o
I
2
(F-Moll)
c
g
es
=
o
i
2 (C-Moll)
g
es c
=
o
i
T
(G-Moll).
Wir
kommen
auf diese
Fortbildung
der
Tonarten
auf
der
Quint
zurück.
Vierfache Deutung des
Dur-Accords.
Wir
haben bereits
3
Deutungen
des
Dur-Accords
kennen gelernt.
Dazu
kommt
noch eine
vierte:
c
e
g
=
o
3
I
(c)
und
g
c
e
=
o
i
2
(g)
in
steigender
Harmonie
|
e
c
g
=
o
3
2
(e)
und
g
e
c
=
o
4
i
(g)
in fallender
Harmonie
J
(vgl.
den
Accord-Schlüssel S.
39).
Genau entsprechend
haben
wir:
Vierfache
Deutung
des
Moll-Accords.
c
as f
=
o
3
I
(c)
und f c as
=
o 2
2 (f) in fallender
Harmonie
1
as
c
f
=
o 3
2
(as) und
f
as
c
==
o
J
i
(f)
in
steigender Harmonie
J
o
3
2
und
o
4
I
sind
die Formen
des
Dur-Accords bei
fallender
(Moll)-
Deutung des Stückes, o
3 2
und
o
4
i
sind
die
Formen des Moll-Accords
bei
steigender
(Dur)-Deutung
des Stückes. Unter diesen ist in fast
allen
Fällen
o
3
2 resp.
o
i
2 anzunehmen
(vgl. die
Beispiele
S.
42
f
Ige), o
4
i
resp.
o
4
I ist,
soweit
meine Beobachtung reicht,
nur in
wenigen
Fällen
an-
zunehmen.
In
Beisp.
6,
S.
54a halte
ich
o
i
i
für
gesichert.
Der, wenn
auch
seltene,
Nachweis
von
p
=
i
lässt
darauf
schliessen,
dass die harmonische
Entwicklung
ausnahmsweise
bis
p
=
4
geht.
Tonart
nennen
wir
einen Ton
z. B. c mit seinen
Octaven
und
den
Tönen der
harmonischen
Entwicklung
innerhalb
der Octaven.
Wir
unter-
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
23
—
Tonarten
mit steigender
Harmonie
(Dur)
und
mit
fallender
(Moll).
Die
Entwicklung
in
der
Octav
kann
vom
Grundton
aus
ansteigen
zum
höheren
Octavton,
das nennen
wir
steigende
oder Dur
-Harmonie.
Z.
B.
C-Dur
zwischen c
und c; oder
sie
kann
vom
Grundton
aus
fallen
zum
nächst
niederen
Octavton,
das
nennen
wir
fallende,
oder
Moll-Harmonie.
Z.
B.
A-Moll
zwischen a
und a.
Wir
sehen in den
Accorden
der
Moll-Tonarten
genau
das
absteigende
Spiegelbild
der Accorde der
steigenden
(Dur)-Tonarten.
Die weitere
Ausbildung
des
Tonsystems
kann
auf
zwei
Arten geschehen
1.
durch
feinere Dififerenzirung
innerhalb
der
Octav. (Enharmo-
nische
Entwicklung);
2. durch Fortbildung auf
verändertem
Grundton.
Die
enharmonische
Entwicklung
d.
h.
die
Differenzirung
innerhalb
der
Octav geschieht, wie
wir sahen, nach dem Gesetz
der
Complication,
das wir
von den Krystallen her
kennen.
Wir
fanden
in
der Musik,
wie
bei
den
Krystallen, die harmonischen Reihen:
Steigend:
No
Fallend:
No
Ni
N.
N3
p
=
o
00
p
=
o
I
00
p=0--J-T--2-00
p
=
o.i.§.f.i.f.2.3-oü
z.
B.
:
c
•
e
•
f
•
fis
•
g
as
a
b
c
p
=
o
00
p
=
o
• • • • • • •
I
(30
p
=
o--|-i--2--oo
P
=
oT-i-f-^-|-2-3.oo
Eine weitere
Complication
innerhalb
der
Octav
zur
Bildung
von
i\4.p
'-'4
3 5
2 5 3
4
^
3 23
^20^
^-^
resp.
.p
—
4352534
^323^^204^
-^
glaube
ich
für
unsere
Musik nicht
annehmen
zu
dürfen.
Vielleicht
existirt sie
in der einstimmigen
Musik
mancher
Völker.
Allenfalls
ist
der
MoU-Accord
c es
g
c ausnahmsweise
als
p
=
o
i
i
oo
zu
deuten,
der
Dur-
Accord
als
p
=
o
i
I
00.
In
den weitaus
meisten
Fällen
erklä.rt_sjch
der
Dur-Accord
steigend
als
o
i
i oo
resp.
als
ol
200^
fallend
als
oi 2
co; der
Moll-Accord
fallend
als
o
i
i
00
resp.
als
o
I
2
00,
steigend
als
052
00.
Wir
haben
das oben
besprochen
vgl.
die
Beispiele
S.
42
tlgdc.
Die
Zahlen
p
gehen
über
3
selten
hinaus.
Grenze der
Entwicklung
bei
den
Krystallen.
Merkwürdigerweise
geht
die
Entwicklung
durch
Complication bei
den
Krystallen
auch
nur
bis N3.
Selten
erreicht
sie
N4,
und
wo
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
24
—
dies
der
Fall
ist,
ist
vielleicht eine andere
Deutung
anzunehmen,
nämlich
die
Wirkung
der
Dominante
von
N4 als
Primärknoten
oder
verstärkter
Knoten und
Zerfall
von
N4
in
zwei
selbständige
N3.
Beispiel. Calcit.
Zone
p.
ej
99.
Zeitschr.
f.
Kryst.
1897. 28.
S.
29.
Accord
analog der
krystallographischen
Combination.
Immer
erscheint
in
der
Musik
als
Accord
nur
ein
Theil
der Normalreihe
N3
und zwar
meist
folgende Auswahl:
Steig-end:
o
00
=
Octav
Fallend:
o
00
=
Octav
I
00
=
leere
Quint
o
i
cxd
=
leere Quint
0^2
ool
T^
A
1
o
:
2
00]
^^
1, A
1
=
Dur-Accord
^
=
MoU-Accord
o
3
I ooj
o
i
I
ooj
o
3
2 00
=
Moli-Accord
o
i
2
00
=
Dur-Accord
Dieser
Auswahl
entspricht
die Auswahl
der
Natur
bei
den Krystallen
zur
Bildung- der
Combinationen.
Auch hier
tritt die volle
Reihe N3 mit
ihren
9
Flächen
an
einem
Krystall
selten
auf. Meist nur
eine
Auswahl.
Der
Grund
ist
in
beiden
Fällen der
gleiche:
die gegenseitige
Störung
zu
sehr benachbarter
Kräfte
resp.
Bewegungen durch
Interferenz.
Zu
nahe
Töne
stören
einander
durch
Rauhigkeit
im
Accord,
in
der
Folge
durch
In-
einanderfliessen
für
unsere
Empfindung.
Bei
den Krystallen
gehen
zu sehr
benachbarte
Flächen
durch
Rundung
in einander
über.
Rangordnung
der
harmonischen
Töne
einer
Tonart.
Wir
können
den
zwischen zwei
Endknoten
entwickelten
und
so eine Tonart
bildenden
harmo-
nischen
Tönen
eine
Rangordnung
geben
und zwar nach
der
Entwicklung
aus
den
Endknoten
durch
Complication
und
nach
der
entsprechenden
Wichtigkeit.
Diese
drückt
sich
aus
in den
harmonischen
Zahlen:
p
=
ooo.i-§2.i-3[f
•
2
•
i
' ' -
'\
z.
B.:
c
c
•
g
•
f
a
•
e
•
b
[fis
•
as
•
es
•
• •
•].
Es ist
die
gleiche
Rangordnung,
die
wir bei
den Krystallflächen
der
freien
Zone
kennen
lernten
(vgl.
Zeitschr.
f.
Kryst.
1897,
28.
Seite
11 u.
18).
Wie bei
den
Krystallen
ist
das im
Rang
Höchste
das Wahrscheinlichste.^)
Nach
der
Wahrscheinlichkeit
bemisst sich
die Zahl
der beobachteten
Fälle,
die
Häufigkeit.
Wird
die
Rangordnung
niedrig,
die
Wahrscheinlichkeit
gering,
so
wird
die
Beobachtung
vereinzelt
und
unsicher. Die
Reihe reisst
praktisch
ab.
So reisst
unsere
harmonische
Reihe
praktisch
ab nach
p
=
3
oder
3.
p=
3
ist
wesentlich
seltener
als
die
vorhergehenden;
f
•
I
i
sind
vereinzelt
und
unsicher.
Die
comphcirteren
Zahlen
kommen nicht
in
Betracht.
Praktisch
haben
wir
daher
die
harmonischen
Reihen:
•)
Vgl.
Zeitschr.
f.
Kryst.
1897.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
25
—
Dem
Rang der
p
nach
geordnet:
Steigend:
p
=
ooo-i-22-i-(3)-.-
Fallend:
p
=
Ooo-i-22-i-(3)---
Der
Grösse der
p
nach
geordnet:
Steigend:
p
=
032i2(3)oo
Fallend:
p
=
32i2(3)oo
Fortbildung
auf
verändertem
Grundton.
Die enharmonische Entwicklung
erfolgt
also nach
den
Zahlen
p
=z
-{-o
3 i
1200
d.
h.
nach dem
Gesetz der
Complication. Sie
liefert
zwischen
c c
folgende
Töne
c
e
t
g-
a c
steigend:
P
I
3
1
2
I
2
00
z
—
I
5
4 3
3
2
5
3
2
c
as
g
f
es
C
fallend
P
—
T
3
I
2
I 2 00
z
2
8
5
3
2
4
3
6
5
I
Die
Fortbildung des
Tonsystems
könnte
nun in der
Weise
erfolgen,
dass
einer
dieser
Töne
nach
dem
andern
zum
Grundton
gewählt
wird,
zwischen
ihm und
seiner
Octav die enharmonische Wirkung
sich
vollzieht. Bei
dieser
Verlegung
multipliciren sich alle z
mit
dem
z
des
neuen Grundtons.
Es
sei
z.
B.
g
mit
z
=
|
der
neue
Grundton,
so erhalten
wir
die
Töne:
steigend
p
—
I
3
I
2
I
2
00
z
—1(1
5
4
4
3
3
2
5
3
2)
z^).
f
i5
8
I
9
8
5
4
3
2
§•
h
c
d
e
§•
(G-Dur)
fallend
p
—
T
3
T
2
I
2
00
z
—1(1
4
5
3
4
2
3
3
5
i)
z^)—
1
6
5
8
I
9
5
3
2
g
es
d
c
b
g'
(G-Moll)
In
der
That
erfolgt die
Fortbildung
in
dieser Weise.
Die
Rolle
der
verschiedenen
Töne der
Reihe
p= +
032i2(X)als
Grundtöne bei
dieser
Fortbildung
ist aber
verschieden.
Sie
richtet
sich
nach
der Rangordnung
der
Zahlen,
nämlich
o
00
•
i
•
2
2
•
3
•
Wir
haben
danach
3
Arten
der
Fortbil-
dung:
.auf
p
^
±00
d. h.
auf
der
Octav,
auf
p
=
± i
d.
h.
auf
der
Quint,
auf
p
=
±
i,
2 und
3,
d. h.
auf
den
Zwischentönen.
^)
Die
Zahlen z
um
Octaven
vedegt
zwischen
i
• •
•
2
(vgl.
S.
9).
Diese
in
den
folgenden
Rechnungen
stets
angewandte
Verlegung
durch
Multiplication
mit
2in
werden
wir
nicht mehr
besonders
erwähnen.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
26
—
1.
Fortbildung
auf
der Octav:
steigend
p
^=
oo
und fallend
p
==
oo.
Sie
füllt
das
Tonsystem
mit
einer
Reihe
gleichwerthig-er
Perioden (Octaven),
liefert
aber
harmonisch
keine
neuen
Töne.
Wir
brauchen sie
nicht
weiter
zu
besprechen.
2.
Fortbildung
auf der Dominante
(Quint)
steigend auf
p
=
i,
fallend
auf
p
=
I.
Sie
ist
für
den Ausbau
unseres
harmonischen Tonsystems
die
wichtigste.
Sie
liefert
die
gebräuchlichen
Tonarten
mit
allen ihren
Tönen.
Wir
haben
sie
eingehend
zu betrachten.
3.
Fortbildung
auf
den
Zwischentönen
zunächst
steigend
auf
p
=
i,
2
fallend
auf
p
=
§,
2,
untergeordnet
auf
höheren Zahlen
p
=
±
i,
3,
• . .
Das
Wirkungsfeld
dieser Fortbildungen
ist
die
Detailarbeit zum Aufbau
nicht
der
Tonarten,
sondern
der
Musikstücke.
Sie
liefern
die
Folge
der
Grundtöne
der
Accorde
bei
den
Musikstücken.
(Vgl.
die
Beispiele
S.
42
fgde.)
Beim Auf-
bau
der
Musikstücke finden wir
die
Fortbildung
der
Grundtöne
der
Accorde
steigend
auf
p
=
1,
dann
auf
p
=
i,
2,
selten
auf
p
=
i,
3
und
unsicher
auf
p
=
f
, I,
4
• •
•
,
entsprechend
der oben
dargelegten Rangordnung.
Ebenso
fallend
auf
p=i,
dann
p=2,
2,
selten
aufp
=
3,
3
und
unsicher
auf
f,
I,
4
• • •
•.
Alle
3
Arten
der Fortbildung
bestehen
nebeneinander
und wiederholen
sich.
Sie
führen
oft
auf
ungleiche,
dicht
benachbarte
Töne.
Der
hier-
durch entstehende
Conflict
wird durch
einen Compromiss behoben (Temperi-
rung).
Wo
die
Differenz sehr klein
ist,
bemerkt
sie
das
Ohr
nicht.
Ausbau
des
Tonsystems
durch Fortbildung
auf
der
Dominante (Quint)
p
=
±
I.
Gehen
wir
von
einem
Grundton
aus,
z.
B.
c
(mit 261
Schwingungen
pro
Secunde),
so
gehören zu
diesem
seine
Octaven auf-
und
abwärts und die
harmonischen
steigenden
und
fallenden
Töne
innerhalb
der Octaven.
Sie
bilden zusammen
die
Tonarten
C-Dur und
C-Moll.
Durch Verlegung
des
Grundtons
c
um
eine Quint,
steigend
nach
g,
fallend
nach
f,
bilden
sich
die
nächstverwandten Tonarten
G-Dur
und
G-Moll,
F-Dur
und
F-Moll. Der
Process
der
Fortbildung
auf der
Dominante,
das
ist
der Verlegung des Grundtons
um
eine Quint
wiederholt
sich.
Wir gelangen
von
g
aufwärts
nach
d,
von
f
abwärts nach
b. Damit
gewinnen wir
die
Grundtöne
der nächst
verwandten
Tonarten
D-Dur
und D-Moll, B-Dur
und
B-Moll und alle Töne
dieser
Ton-
arten.
Die
Grundtöne
bilden
eine
nach
beiden
Seiten ins
UnendHche
fort-
schreitende
Reihe
(Quinten-Reihe.
Siehe
unten
S.
28).
Die
auf
ihnen
in
der
angegebenen
Weise gebauten
Tonarten
bilden
zusammen
unser Tonsystem.
Es
umfasst alle
in unserer
Musik
verwendeten
Töne.
Den Anfang
dieser
Entwickelung
verlegen wir nach
c
und denken unser
Tonsystem
auf
c
aufgebaut.
Wir
könnten
ebenso
gut
den
Anfang
in
einen
anderen
Ton
der
Ouintenreihe
verlegen.
Für die fallenden Harmonien legen
wir
in
der
That den
Anfang
nach
a.
Dieser Anfang
ist
mit
435
Schwingungen
pro Secunde
unter
den
Musikern
verabredet. Es angefertigt,
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—
27
-
die
diesen
Ton festlegen
und
den
Andern
bekannt
g-eben.
(Pariser
Stim-
mung.)
Reihe
der
Dominanten
(Quinten).
Wir
erhalten,
von
c
ausgehend,
durch
wiederholte Quintenbildung,
d.
h.
wiederholte
Multiplication
resp.
Division
von
z
=
I
mit
2
folgende
Reihe:
3\-3
abgeglichen
16
8_
81
27
/12.8.\
/3.2\
isij
(27j
(I)-
( )•
16
9
8.
5
as
6
5
es
f
1\2
(i)
3.
4
2.1
Äi
g
d
Widersprucli
zwischen
der
Entwicidung
nach
Quinten
und
nach
Octaven
mit
innerer
DifTerenzirung.
Bei
der Differenzirung
in
der
Octav
erhielten
wir
die
Töne:
steigend: c
e
f
g
a
c
mit
z
I
5
4
4
3
3 5
2
3
2
fallend
r
c es
f
g
as
c
mit
z
=
I
3
8
2
5
2
Das stimmt
mit
den obigen
Zahlen
für
Fortbildung
auf
der Quint
nur
für
c
f
g.
Dort hatten wir:
as
12 8
81
=
1-58;
es
3.2
27
i'iS;
a
=
16= 1*69; e
=
8i
64
1*27
hier:
as
=
f
==-
i*6o;
es
=
f
==
r20;
a
Der
Unterschied ist
gering:
1-67;
e
=
f
^
1-25
für
as
für
es
für
a
für e
128
81
32
27
27.
16
81
64
81
:
80
statt
I
81
: 80
„
I
80:81
„
I
80:81
„
I
Ausgleich.
Temperirung. Gestatteter
Spielraum.
Man
nennt
16:15
= 1
067
einen halben
Ton. Dann
ist das Intervall
81 :
80=
1*013 etwa ein
Zehntel
Ton. Die Differenz ist
zu
fein, um den
meisten
Ohren
bemerkbar zu
sein
oder
sie unangenehm zu
berühren.
Wir
vereinigen
die
zwei
nur
um das
Ver-
hältniss
81
:
80
differirenden Töne
und
nehmen
für
sie
die
einfachere
Zahl
der
Entwicklung in der Octav.
Solchen
Ausgleich
unter
Verwischung
kleiner
Differenzen
nennt
man
Temperirung.
Das
Verhältniss
(Intervall)
80
:
81
wollen
wir
den gestatteten
Spielraum
nennen.
Stimmung
der
Saiten-Instrumente.
Unsere
wichtigsten
Saiten-Instrumente,
Violine,
Viola,
Cello,
sind
in
Quinten
gestimmt.
Sie
geben
ein
Bild
der
Fortbildung auf
der
Dominante.
Jede
Saite
ist
ein
Instrument
für
sich.
Sie
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
28
—
zusammen
mit
ihrer
harmonischen
Differenzirung-
bilden einen
Theil
unseres
Tonsystems.
Die
Stimmung, d.
h.
die
Herstellung-
der
harmonischen
Beziehung-
zwischen
den
4
Saiten
erfolg-t nach
der
Quint.
Die
Töne
der leeren
Saiten
sind
c
g
d a
e.
Bei ihrer
Stimmung
stossen
wir
auf
einen Conflict zwischen
Qintenstimmung
und
Octavenharmonie,
Wir
haben:
c
g
d
a
e
Z
= 1
2 8
i.0
5. 5.
9
3
4
Sollen c
g
a e
dem
c-
System angehören,
so
sind cg
und
ae
reine
Quinten.
Denn
1X1=1;
1x1
=
1
(oder
J).
Dagegen
ist
gd
nur
reine
Quint
für
d
=:=
f
=
I
X
I
X 2,
ad nur
für
d
=
-9°
=
f
X
f.
Der
Widerspruch
ist nicht
zu
beseitigen.
Der
Ausgleich des Widerspruchs geschieht
durch
Temperiren,
d. h. durch Vernachlässigen
des halben Fehlers nach
beiden
Seiten.
Der Fehler ist
I
:
^9^
=
fo
,
statt i , der
obige gestattete
Spiel-
raum.
Wir
stimmen so, dass
d
nach
g
und
nach a möglichst genau
als
Quint erklingt.
Der
halbe Fehler,
der
Fehler
von
d
nach beiden Seiten (etwa
ein Zwanzigstel-Ton) ist dem
Ohr nicht störend.
Reihe der Dominanten
(Quinten).
Die
Fortbildung
kann,
wie
wir
sahen,
nach oben und nach
unten
geschehen,
nach
steigenden und nach
fallenden
Dominanten,
nach
p
=
±
l.
Gehen
wir von
c aus,
so
haben
wir:
steigend:
c
g
d
a e h fis eis
gis
•
•
•
fallend; c f
b
es
as
des
ges
ces
fes
•
•
•
Wir
können
die
zwei Reihen
bei
c zusammenstossen
und
erhalten eine
einzige
Dominanten-Reihe:
Dur-Nummern
••TT
TO
9
87
6
5
4
3
2
T
O
I
2
3
4
5
6
7
8
9
10
II
12
13
14
•
•
ases
eses bes
fes ces
ges
des as
es b
f c
g
d a
e h fis
eis gis dis
ais
eis his
fisis cisis
..
T4' T3'
T2'
TT'
Tö'
9'
B'
7'
6'
5'4'3'2'
T'o'
i'2'
3'
4'
5'
6'
7'
8'
9'
10' 11'
•••
•&
^ ^
•
Moll-Nummern
•
•
c
g
d
Die
Eigenschaften
der
Dominantenreihe
sind
für
unsere
Musik
wichtig.
Wir bemerken
folgende
Punkte:
I.
Die
Reihe
verläuft von beliebig
gewähltem
festem Anfang
nach
beiden
Seiten steigend
und
fallend
ins
Unendliche.
Die
physiologische Grenze liegt
da,
wo
unser
Ohr
die
Schwingungen
nicht
mehr
als
Ton
auffasst.
Harmonisch
wird
die
Grenze
der
Reihe
erreicht,
da
wo
in
ihr
harmonisch
gleichwerthige
Töne
wiederkehren.
Das
ist
theoretisch
nirgends
der
Fall,
praktisch
nach
der
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
29
—
2.
Zum
Studium der
Harmonie
verlegen
wir
die
Töne
der
Dominanten-
reihe
in
das
Intervall c
c
mit z
^
i
• •
-2
(die
mittlere
Octav)
durch
Multi-
plication
mit
2
' ',
wobei
m eine
ganze
Zahl
ist.
Jeder
Ton
erhält
eine Be-
zeichnung
(Buchstaben
c, d,
f
•
• •
fis,
gis,
as,
des
• •
•)
ohne
Berücksichtigung
der
Octav,
in
der er
liegt,
d. h.
so,
als
ob er
in
der
mittleren
Octav
läge.
3.
Wir
können
die
Reihe
nach
rechts
(steigend)
oder
nach
links
(fallend)
lesen.
Jeder
Ton
der
Reihe
ist der
Grundton
zweier
unserer
Tonarten,
einer
Dur-
und
einer
Moll
-Tonart.
Nach
diesem
Grundton
wird
die
Tonart
benannt:
C-Dur, C-Moll,
G-Dur,
G-MoU
•
• •
4.
Die
Nachbarschaft
der
Töne der
Reihe,
steigend
und
fallend,
be-
zeichnet
die
Verwandtschaft
der
entsprechenden
Tonarten.
Die
nächsten
Verwandten von C-Dur
sind
danach
G-Dur und
F-Dur,
die
von
A-MoU:
D-Moll
und
E-MoU.
5.
Die
Reihe
zerfällt
in Perioden von
je
7
Tönen.
Jede
folgende
Periode
enthält die gleichen Töne, wie
die vorhergehende,
nur
um einen
halben
Ton verschoben,
in
steigender Richtung
aufwärts, in
fallender abwärts. So
bilden sich:
nach
rechts
(steigend)
die
erhöhten
(3)
Töne: fis
eis
gis
dis
ais eis
his
nach
links (fallend)
die
verminderten
(|?)Töne: b es
as
des
ges
ces
fes
In der folgenden
Periode:
nach
rechts (steigend)
die
$j^
(^)
Töne:
fisis,
cisis,
gisis
•
•
•
nach
links
(fallend) die
|?l?
Töne: bes, eses,
ases
•
•
•
6.
Die
erhöhten und die
verminderten
Töne folgen
in
der
Reihe
nach
ihrer
Wichtigkeit
und
Häufigkeit:
fis,
eis, gis
• • •
resp.
b,
es,
as
• •
•
Die
Quintenreihe
giebt
unmittelbar
die
Rangordnung
im
ganzen Tonsystem.
(Diese
Rangordnung
ist
eine andere
als
die oben
untersuchte
harmonische
in
der
Octav.)
7.
Wir
geben den
Tönen
der Reihe
eine
laufende
Nummer
und zwar
in
doppelter Weise. Von c
steigend
o
i 2
• •
•
und
fallend
o
i
2
•
•
•
Diese
nennen
wir
Dur-Nummern.
Ausserdem
von
a
steigend
o
i'
2'
•
• •
und
fallend
o
i'
2'
•
•
•
Diese nennen
wir
Moll-Nummern.
8.
Berechnung
der
Schwingungszahl
eines
Tones
z
aus
seiner
Nummer.
Setzen wir
für
c z
=
1,
so
ist:
3
\
-
7
für
jede
Dur-Nummer
n
z„
=
(I)
z.B.
für eis:
z
=-
(l) ,
für
ces:
^
=
{2)
für
jede Moll-Nummer
n' z„'
=1
(I) '
z.
B.
für
ais:
z
=
f
(l)\
Die
so
erhaltenen
Zahlen
verlegen
wir
durch
Multiplikation
mit
dem
nöthigen
2-
in
die
mittlere
Octav c
c
mit
z
=
i
•
•
I
• •
2.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 40/153
—
30
—
Die Aufrechnung-
von
z
mit
Verlegung
in
die Octav
c
c
ist am
ein-
fachsten
folgende
Beispiel
i.
eis.
Die
Dur-Nummer
ist
7.
Wir haben also:
z
=
(§)''.
lg
I
=
0-17609. lg
{^y
=
7
X
0-17609
=
1-23263
Wir subtrahiren oder
addiren
m.
Ig2
:=
m
x
030103,
m so
gewählt, dass
die Differenz
resp. Summe zwischen
lg
i
und lg
2
fällt, d.h.
grösser
ist
als
o,
kleiner
als
0-30103.
Also:
Igr(l)^
=
7
X
0-17609
=
1-23263
Wir subtrahiren:
—
4
x
0-30103
==
—1*20412
lg
z
=
0-0285
1
;
z
=
I
068
==
ff
Beispiel
2.
ces.
Die
Moll-Nummer
ist
-7. Wir
haben also:
z
=
(1) ^
Ig(l) ''
=
-7
X
0-17609 =
-1-23263
Wir
addiren:
5
X
0-30103
=
i
505
15
lg
z
=
0-27252;
z
=
1-873
=
^8^.
Beispiel
i
und
2
liefern den
Zahlen-Nachweis für
Eigenschaft
5.
Ver-
schiebung
um
einen
halben
Ton
bei
Verschiebung
um
7
Quinten
auf-
oder
abwärts
und
Rückverlegung in die
Octav
c
c.
Einen halben
Ton nennen
wir das
Verhältniss Zj
:
Z2
=
i
:
ff
Nun berechneten
wir
in
Beisp.
I.
Für
c;
Zi
=
i:
für
eis:
Z2
=
jf
;
Zj
:
Z2
=
i
:
yf
=
§
Ton
aufwärts
Beisp.
2.
Für
c:
Zi
=
2;
für ces:
Z2
=
\^;
Zi
:
Z2
=
2
:
^s^
=
{f
:
i
=
^
Ton
abwärts.
Die
Verschiebung beträgt
danach
in
Zahlen genau
einen
halben Ton.
Von dem
in eis resp.
ces
verschobenen
Grundton
beginnt die
Quintenbildung
wie von
c
aus,
die
neue
Periode.
9.
Die
praktische
Grenze
der
Tonbildung
geht steigend
bis
his
(n=
12,
n'
==
9),
fallend
bis bes (n
=
9,
n'
=
12).
Es
ist
nämlich
mit dem
gestatteten
Spielraum
81
:
80
his
==
c,
bes
=
a
d.
h.
12
Quinten
sind
fast
genau
7
Octaven.
In Zahlen,
nach
obiger Art
berechnet,
haben
wir
nämlich:
für
his:
für
c :
'1=
^
J
2^
X
roi3
für bes:
Z2
=
(f) ^
1 „
•
z
=
(^V^
für
a
:
z,
==
©^
j
'
'
''^
In
mittlere
Octav
verlegt:
==
1-013
=
81 : 80
Lassen
wir
diesen Ausgleich
zu,
wie das
in
der
That
geschieht,
so
kommen
nach
12
Nummern
der
Reihe,
auf-
und
absteigend,
dieselben
Buch-
staben
(Töne)
wieder.
Damit ist
nach
der
Entwicklung
durch
Fortbildung
auf
der
Dominante
das
Tonsystem
praktisch
abgeschlossen.
Die
in
der
Reihe
darüber
hinausgehenden
Töne
fisis, cisis
•
• •
sowie
bes,
eses,
ases
• •
•
haben
nur
eine
Bedeutung
für
Verschiebung
des
Anfangs
des
ganzen
Ton-
systems.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
Si-
lo.
Jede
Periode
d. h.
je
7
aufeinanderfolgende
Töne
der
Quintenreihe,
von
beliebiger
Stelle
angefangen,
bilden
eine
diatonische
Tonleiter
z.
B.:
ioi2345=fcgda
e
h
nach
Tonhöhe
geordnet:
cd
e
f
g
a h
=:=
C-Dur
3
4
5
6
7
8
9
=
d
a e h
fis eis gis
„
„
„
ah
eis
d e
fis gis
=-
A-Dur.
1
1.
Die Quintenperiode
bfcgdae^2ioi234
enthält
die
7
ersten
Buchstaben
des
Alphabets:
a b
c
d
e
f
g
dann
folgt h
als
No.
5.
12. Zwei anschliessende
Perioden
liefern
die
sogenannte
chromatische
Tonleiter
z. B.
I
• •
-12
nach der
Tonhöhe
z
geordnet:
c
eis
d
dis
e
(eis)
f
fis ggis aais h (his)
oder:
8-
• •
5 „
„
„
„
cdes d
es e(fes)
fgesg
as
a b
h(ces)
Dabei können
die Töne No.
11. 12
resp.
8.
7
entfallen,
denn es
ist
mit
dem
gestattetem
Spielraum
81
:
80
eis
=
f,
his
=
c,
ces
=
h,
fes
=
e.
Dann
umfasst
die
chromatische
Tonleiter nur
12
aufeinander
folgende Töne
der
Quintenreihe.
13.
Drei anschliessende
Perioden
liefern
die
sogenannte
chromatisch-
enharmonische
Tonleiter.
Z. B.
die 21 Töne No.
8
—
12.
Diese
lauten
nach
der
Tonhöhe
(z) innerhalb
der
Octav
c c
geordnet:
c
des
eis
d
es dis
e
fes
f
ges
fis
g
as
gis
a
b
ais
h
ces
his
c.
Die Reihe enthält die
{(
und
t?
Töne
zugleich.
Die
jf
und
[?
Töne
des
eis,
es
dis,
ges
fis, as
gis, b
ais
treffen
sich
etwa
in
der
Mitte.
Der
II
Ton
ist
jedesmal
etwas
höher
als
der
[?
Ton,
und
zwar
um
das
Inter-
vall
81
:
80.
Denn
es
ist:
z.
B.
für eis z,
=
(1)'^
:
2^
=
1*068
1
^
o
für
des Zj
==
(|)
^
X
2^
=
1*053
J
z,
(IfTon)
(ly
3''
^
^
Dagegen
rückt
fes
an e,
eis
an
f, ces
an
h,
his
an
c
wieder
bis
auf
das
Intervall
81
:
80
heran.
Zwischen c
des,
eis
d
• •
bleiben
Abstände
von
2
Ton.
14.
Wir
können
nach
dem
gleichen
Princip
weiter
bilden:
4
an-
schliessende
Perioden
zu
einer
Tonleiter
von
28
Tönen
vereinigen.
So
er-
halten
wir z.
B.
von
8—19
ausser
den
I?
und
#
Tönen
noch
die
Jtjt
Töne
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 42/153
—
32
—
fisis,
cisis
:.
• •
oder
von 15—
12
die
{(,
\?
und
[7(7
Töne.
Dann
Tonleitern
aus
5
Perioden
mit
35
Tönen, z. B.
15
—
19.
Die
ff^
und
bb
Töne,
auf
die
Octav
cc
reducirt,
schieben sich zwischen
die
anderen.
Sie
bringen aber nichts
Neues,
wenn wir
das
Intervall 81 :
80
für den Spielraum jedes Tones
gestatten.
Wir haben z.
B.:
für
fisis :
z^
=
(1)^^
:
2^
=
i'520
\
z^
: Zj
=
l'Oiß
für
g
:
Zj
=
I
=1*5
i
81
: 80
=
1*014.
Wir
finden
also in der
Dominantenreihe
eine
Erklärung
für
das Zu-
standekommen
unserer
3
Arten
von
Tonleitern.
Jede
derselben
bildet
ein
geschlossenes
Stück der
Dominantenreihe; die Töne durch
Octavverlegung
in eine Octav
c c
zusammengeschoben. Wir haben daher
in
den
Tonleitern
nicht
eine
einfache harmonische
Entwicklung innerhalb
einer
Octav,
sondern
ein Aggregat,
eine Zusammenschiebung.
Wir
lernten
noch eine
andere Art der Entstehung
der
Tonleitern
kennen,
nämlich durch Entwicklung
nach den
Zahlen
p^oiii
200 zwischen
c c,
dann zwischen
g
g,
f
f
• •
•
Diese
Töne ebenfalls
durch
Octavenverlegung
zwischen
c
c
geschoben.
Sie
decken
sich theils
vollständig,
theils
bis auf
den
Spielraum
8i:8o
mit
den
durch
Quintenbildung
erhaltenen
Tönen.
Wir
haben beide
Bildungsweisen als
neben einander
bestehend
anzu-
nehmen
und
zwar
so,
dass
die
Grundtöne
der
Tonarten
sich
nach
Quinten
fortbilden,
und
dass zwischen
diesen
Grundtönen
und
ihrer
Octav
sich
die
harmonische
Entwicklung nach den Zahlen
o
i i
i 2
vollzieht. Die
harmo-
nisch
erlaubte Verlegung
in eine
Octav
und die Ordnung
nach
der
Höhe (z)
gibt
die Tonleitern.
15.
Die
Reilie der
ganzen Töne
erhalten
wir
aus
der Dominantenreihe
durch
Ueberspringen
von
je
einem Ton
z.
B.
:
6
4
I
2
o
2
4
I
6
8
•••
=
••
•
ges
as
|
b
c
d
e
|
fis gis
•
•
•
Daneben:
53|ii3
5j79..-^.--
des
es
|
f
g
a
h
|
eis dis
• •
•
Und zwar
folgen die
Töne
nun
nach
der
Grösse
von z
und
den
Buch-
staben
des
Alphabets.
Der
Grund
hierfür
ist
in
den
Zahlen
z
ersichtlich.
Beweis:
Sei
n die
Nummer eines Tons, so ist die
zweitnächste
=
n
-]-
2.
Damit
ist:
z,
=
(IK^^
I
,^
.
,^
_
(|)n^
2
.
(|)n
_
(1)2
_-=
I
==
2
X
f
^
Octav
+
ganzer Ton,
Zi
=
(I)
J
denn
Z2
:
Zi
=
|
nennen
wir
das
Intervall
eines
ganzen
Tones.
So
erhalten
wir
durch
Zusammenschieben
von
2 ganztönigen
Reihen
sowohl die
diatonische
Tonleiter
c d e
f
g
a
h,
als
auch die
chromatische
in
jf
und
[7
und
aus
beiden
zusammen die chromatisch-
enharmonische
Reihe.
^)
^)
Vgl. Lobe, Katechismus
d.
Musik.
1881.
14.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 43/153
—
33
Ja,
auch die
erweiterte
Reihe
mit
x
=
O
und
b
b
setzt
sich
ebenso
aus
2
g-anzzahlig-en Reihen
zusammen.
In diesem Licht
erscheint
uns
jede
Tonleiter
als
zusammengeschoben
aus
2
Reihen ganzer Töne,
von
denen
jede
im
gleichmässigen
Intervall
I :
8
fortschreitet.
16.
Die kleine
Gruppe
bis
4
enthält
die
Töne
c
g
d
a
e
für
die
Stimmung unserer
Streichinstrumente.
aufwärts
abwärts.
Sie
bilden
die
Mitte
der
Dominanten-Reihe
und
zwar
haben
c
g
d
a
zugleich
die
kleinsten und
dieselben Dur-
und
Moll-Nummern,
nämlich:
o
Violine
•
g
d
a
e
Viola
c
g
d
a
Cello
c
g
d
a
Bass •
g
d
a
e
•
I
2
3
(4)
—
Dur-Nummern
g
d
a (e)
2 I
O
(I) Moll-Nummern.
Die Saiten-Instrumente
geben ein Bild
der Entwicklung
des
Tonsystems.
Jede
Saite
hat
ihre
Tonbildung
durch
harm.onische
Theilung;
jede
folgende
Saite ist aus
der
vorhergehenden entwickelt
durch
Verlegung
in
die
Quint.
Zur Wahl der Quintendistanz dürften
die
5
Finger der Hand
mitgewirkt
haben.
17.
In
der
Notenschrift
bezeichnet
man
den
Anfang
der
Tonzählung
durch
die
SchlÜSSel.
Solcher
Schlüssel
hat
man
3
Arten:
M-
gt
C-Schlüssel : Alt-, Tenor- und
Discant-Schlüssel
(veraltet Mezzosopran-Schlüssel)
F-Schlüssel:
Bass-Schlüssel
(veraltet
Bariton-Schlüssel)
G-Schlüssel: Violin-Schlüssel
(veraltet
Französischer
Schlüssel)
F
C
G
sind die
3
mittleren
Töne i o
i
der
Dominantenreihe.
Die
C-Schlüssel
sind
die
älteren.
Das
entspricht
dem
Anfang
unseres
Ton-
systems.
F
G
sind die
Quint
nach unten
und
oben.
18.
Wir
unterscheiden
Dur-
und
Wloll
-Tonarten
und
benennen
jede
der-
selben
nach ihrem Grundton.
(Näheres
siehe
weiter
unten.)
Die
Dur-
und
Moll-Tonarten
haben eine
bestimmte
Reihenfolge
nach
der
Zahl
der
vorge-
schriebenen
Jf
oder
\?.
Die
Dominantenreihe
zeigt
diese
Reihenfolge
und
zwar
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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34
giebt sie
jeder
Tonart
eine
Nummer,
die
Nummer
ihres
Grundtons.
Die Num-
mern
der
jlJ-Tonarten
sind -|-)
die der
[7-Tonarten
—
.
Die Zählung-
der Dur-
Tonarten
beginnt
bei
c,
die
der Moll-Tonarten
bei
a.
Die
Nummer in der
Dominantenreihe
giebt
für jede Tonart
die Zahl der
vorg-eschriebenen
| f
resp.
1?
an.
Beispiele:
h
hat
die
Dur-Nummer
-\-
s
d.h.
H-Dur
hat
J(|lijtjl(j(
vorgezeichnet,
h
hat
die
Moll-Nummer
-f-
2
d.
h.
H-MoU
hat
jj
jl
vorgezeichnet,
c
hat die
Moll-Nummer
—
3
d.
h.
C-Moll
hat
1?
1?
1?
vorgezeichnet,
c
hat die
Dur-Nummer
o
d.
h.
C-Dur
hat
keine
Vorzeichnung.
Jede
folgende
Tonart,
nach oben
oder
unten, entwickelt
sich aus der
vorhergehenden
durch
Fortbildung
der
Grundtöne auf der
Dominante
(nach
der
Dominantenreihe).
Innerhalb
der
Tonart entwickeln
sich
die
Töne
harmo-
nisch
zwischen
Grundton
und
Octav
und
zwar
für
Dur nach
der
Zahlenreihe
p
=
o
3
2
I 2
00,
für
Moll
nach
p
=
o
3 i
i
2
00.
Fortbildung
auf
den
Zwischentönen
p
=
±l,
2;
1
• • •
fmden wir
neben
Fortbildung
nach o,
i
bei der
Accordfolge
der Musikstücke. Wir erkennen
diese
Art
der
Fortbildung
bei
der Analyse von
Musikstücken, wie solche in
den
Beispielen S.
42
durchg-eführt
ist. Wir
wollen aus den
Resultaten
(vor-
greifend) das
Hierhergehörige
an einem Beispiel
kurz
zeigen
und
verweisen
für
das
Einzelne
auf
die
eingehendere
Darlegung-
weiter
unten.
Stabat
Mater
von
Palästrina
(vgl.
S.
54a).
Sta-bat
ma-ter
do
c
d
es
es es
c
c
as
as
as
as
g
b
e
f
c
b
b
I
b
g
c
as
es as
0^1
ofi
ofi
ofi
0^1 0^1 0^1 ofi
lo
-
ro
es des
b
f
b
,1
sa
c
g
e
c
as as
es
o
as
P
=
es as
•v/-
b
c
2
I 2
es
=
Text
=
Accorde.
=
harmonische
Zahlen
der
Accorde
=
Grundtöne
der
Accorde
[tende
Harmonie)
=
harmonische
Zahlen
der
Grundtöne
(Fortschrei-
=
Töne der
fortschreitenden
Harmonie
:=
harmonische
Zahlen
der
fortschr.
Harmonie
=
Grundton d.
fortschr.
Harmonie
u.
d.
ganzen Satzes.
Das
Stück
besteht aus
einer
Reihe
von
Accorden.
Jeder
Accord
besteht
aus
einem
Grundton
und mehreren
zugehörigen
harmonischen
Tönen: z.
B.
cegc=03io(c);
dann
bfbd
=
oi03
(b).
Wir
schreiben
dafür
unter
Ordnung
nach
der
Grösse
und Weglassung
der
Wiederholungen:
O3
i
(c);
o
3
I
(b).
Die Grundtöne der
Accorde
bilden
eine
Reihe
verwandter
Töne,
charakterisirt
durch
ihre
harmonischen
Zahlen
p
=
o
2
i 2
(as)
in
unserem
Beispiel. Wir haben eine
Fortbildung
von Grundton
zu
Grundton
nach
den
Zahlen
p
=
o
§
i
2.
Das ist was
wir zeigen
wollten. In den
Beispielen
erkennen
wir
bei
Fortbildungszahlcn Grundtöne
eine
Rangordnung
nach
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
35
Häufigkeit
und
Wichtigkeit:
p
=
oii2
(selten
i
•
•
•).
Es
ist
die
selbe
Rangordnung,
die
wir
S.
24
für
die
harmonischen
Töne
innerhalb
der
Octav
kennen
lernten
und
die
das
Gesetz
der
Complication
den
Tönen,
wie
den
Krystallformen
vorzeichnet.
Jeder Grundton
ist der
Träger
eines
Accords,
d.
h.
zwischen
ihm und
seiner
Octav
hat
sich
harmonische
Entwicklung
voll-
zogen,
die,
wie wir
sahen,
durch
das
gleiche
Gesetz
beherrscht
ist.
Ableitung der
4
Classen
von
Tonarten,
Jf-Dur,
jf-Moll,
l^-Dur,
I7-M0II.
Wir wollen
Punkt
18
(S.
33)
etwas
näher
ausführen.
Wir
haben
die
steigende
(Dur)
und
die
fallende
(Moll)
Harmonie
kennen
gelernt, ferner die
Fortbildung
nach
steigender
und
nach
fallender
Dominante.
Daraus
ergeben
sich
folgende
Combinationen:
Jt
Dur-Tonarten:
auf
steigender
Dominante
steigende
Harmonie
=4-4-
i
Moll
„
„
„
„
fallende
„
=
+
-
[?
Dur
„
„
fallender
„
steigende
„
=
-
+
b
Moll
„
„
„
„
fallende
„
=
-
-
Damit
sind
die
4
Möglichkeiten
erschöpft
und
zugleich
die
in
der
Musik
angenommenen
4
Classen von
Tonarten.
Ableitung
der
|f
Dur-Tonarten:
auf
steigender
Dominante
steigende
Har-
monie.
Wir
gehen von
c
aus
und bilden
der
Definition
nach
die
steigende
(Dur-)Harmonie
P
z
t
1
I
§
I
A
3
3 2
00
2
c
e
f
g
a
c
=
C-Dur.
Die
gleiche
Harmonie
bilden
v/ir
dann auf
den
steigenden
Dominanten
g
d a
e
h
fis
• •
•,
indem
wir
diese,
der
Reihe
nach,
zu
Grundtönen
machen.
Durch
diese
Verlegung des
Grundtones multipliciren
sich
die
Zahlen
z
=
I
4
3232
mit dem
z
des
neuen
Grundtons.
So erhalten
wir bei Reduction
auf
das
Intervall
z
=
i
• • •
2
No.
Harmon. Zahl:
Multiplicator
:
p
=
1
i
I
2
„
T
5 4 3
5
Z
^
4
3
2 3
Vor-
zeich-
nung
I
2
3
4
5
C-Dur
G-Dur
D-Dur
CI e|
f|
gf
a|
gf
h\^
CI
d|
e|
(
df
(fis)ll
gl
(a)f|
h^s^l
\d\^
fisfl
(g)|f
a|
(h)f^/
A-Dur
E-Dur
H-Dur
a|
cisfl
d\^
e|
fisff
ef
gisff
a|
h\^ eis
ff
h¥dis(||)l
e|fis(||)lgisff
1
Ott«
«»»
tt«
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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36
—
Um
für
die
Haupttön
c c
f
g-
a
• • •
des
g-anzen
Systems
den
gleichen
Klang-,
dasselbe
z
festhalten
zu
können,
ist
mancher
Ausgleich
nöthig.
So
sehen
wir
d mit
z
=
f
und
z
=
-9°
auftreten.
Die
Schwankung
f
1-9°
=
81
:
80
liegt
innerhalb
des
gestatteten
Spielraums (S.
27).
Ableitung
der
fjj
Moll-Tonarten:
Auf
steigender
Dominante
fallende
Har-
monie.
Wir
gehen von
a
als
No.
o
der
Zählung-
aus
(Moll-Nummern
der Do-
minanten-Reihe
S.
28)
und
bilden
auf
a
der Definition
nach
die
fallende
Har-
monie
mit:
„ _
_
p=032l200
_
8
3 4
6
_
Z=25235l
a
f e
d
c
a
^
A-moll
wie
sie
sich
durch
Inversion
der
steigenden
Harmonie
p
=
o
i
I
i
2
00
er-
ergeben
hat
(vgl.
S.
19).
Die
gleiche
Harmonie
bilden
wir
dann auf
den
steigenden
Dominanten
a
e
h fis
eis
gis
•
• •
durch
Multiplication
von
z des
Grundtones
mit
i
I
I
i
1.
So
erhalten
wir
bei
Reduction
auf
das
Intervall z
=
i
•
• •
2
:
No.
Harmon.
Zahl:
Multiplicator
:
p
=
i
i
12
z
=
I
1 1
ff
Vor-
zeich-
nung
I
2
A-Moll
E-Moll
H-Moll
af
ff
e|
d^,^
ci
ef
CI
h\^
af
g^
(
h\^
gl
(fis)fl
e|
df|
l(h)|f(g)l?
fisfl
(e)\^,^di,^J
3
4
5
Fis-Moll
Cis-Moll
Gis-Moll
fis
ff
di^
eis
ff
h(f^)\^af
eis
II
af
gis
ff
fis
ff
e|
gis
ff
ef
d\sam
cisff
h\^
«tt«
Auch hier,
wie
oben,
der
nöthige
Ausgleich,
besonders
bei d
und
h,
innerhalb des
gestatteten
Spielraums 81:80.
Ableitung
der
^
Dur-Tonarten:
Auf
fallender
Dominante
steigende
Har-
monie.
Wir gehen
von c aus,
dem
Anfang
der
Dur-Tonarten.
Wir
bilden
auf
c
der
Definition
gemäss
die
(Dur-)Harmonie
mit:
p
=
o
00;
Dann
ebenso auf
den
fallenden
Dominanten
c
f
b
es
as
des
• •
der
Do-
minantenreihe
(S.
28)
die
Dur-Harmonien
durch
Multiplication
des
Grundtons
mit I
4
3 2
f.
So erhalten
wir,
bei
Reduction
auf
das
Intervall z
=
i
•
•
•2*.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
37
—
No.
Harmon.
Zahl:
Multiplicator
:
P
=
O 1
1
I
2
Z
=
I
1
f 1
1
Vor-
zeich-
nung
o
I
2
C-Dur
F-Dur
B-Dur
CI
e|
ff
g|
a|
H
a|
b^^
CI
d^g^
fb
1
d
1
es
f
(f)|2
g
||
Ib^,^
d^,^
(es)lf
ff(g)|fj
3
4
Es-Dur
As-Dur
Des-Dur
es|
g|
as|
b|
CI
asf
c
I.
des
11
esf
f|
desil
ff
gesfl
asf
b
^,^
Auch hier,
wie
oben,
der nöthige
Ausgleich
innerhalb
des
Spielraums
8i
:8o.
Ableitung
der
b
Moll-Tonarten:
Auf
fallender
Dominante
fallende Har-
monie.
Wir
gehen
von
a
aus,
dem Anfang
der
Moll-Tonarten.
Wir
bilden
auf
a
(z
=
I),
der
Definition
gemäss, die
fallende
(Moll-)Harmonie
mit:
p=oiii2cx);
z=2f|ffi
Dann
ebenso
auf
den
fallenden
Dominanten
a
d
g
c
f
b
• • •
der
Domi-
nanten-Reihe
(S.
28)
die
Moll-Harmonien
durch
MultipHcation
des Grundtons
mit
I
5 I
3 5
(vgl.
S.
19).
So erhalten
wir
bei Reduction auf
das
Intervall
z
=
I
.
. .
2:
No.
Harmon. Zahl:
Multiplicator:
p
=
l
1
I 2
,,
T
8 3
4
6
^
*
5
2
3
5
Vor-
zeich-
nung
I
2
A-Moll
D-Moll
G-Moll
a|
ff
e|
d^,^
CI
/
d^,^
b^^
a|(g)|^
ff|
1
d| b|
(a)f|
gl
(f)ef
g^
es|
df
CI b|
3
4
C-Moll
F-Moll
B-MoU
CI
asf
g|
f|
esf
ff
desif
CI
b^^
asf
|bi,^(ges)||
ff
(es)lf
desif|
l
bf
gesll
(f)U
esf
desfi/
Auch hier, wie
oben,
der
nöthige
Ausgleich,
besonders
bei
b
und
d,
innerhalb
des
gestatteten
Spielraums.
Warum
beginnt
die
Moll-Zählung
bei a,
wenn
die
Dur-Zählung
bei
c
be-
ginnt?
Mit
anderen Worten:
Worin
besteht
die
Verwandtschaft
von
C-Dur
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
38
—
und
A-Moll?
Wir
finden
die
Erklärung^
hierfür darin,
dass
die Tone
der Dur-
Harmonie
p
=
032i2oo
für
C
und
seine
beiden nächsten
Verwandten,
stei-
gend
G-Dur
und fallend
F-Dur,
dieselben
sind,
wie die
Töne
der
Moll-Harmonie
p
=
032i2oo
für
A
und seine
nächsten
Verwandten,
E-MoU
steigend
und
D-Moll
fallend;
nämlich:
c
d
e
f
g-
a
(b) h,
wie aus
den
Tabellen
S.
35
—
37
ersichtlich.
Es setzen
sich
aber
(wie
wir unten sehen werden),
die
einfachen
Stücke
in
C-Dur aus
Harmonien
(Accorden)
auf
c
f
g-
zusammen,
die
einfachen
Stücke
in
A-Moll aus
Harmonien
(Accorden)
auf
ade.
Beide
arbeiten somit
wesentlich
mit
den gleichen
Tönen
c d
e
f
g
a
(b)
h.
Drei
Arten
der
Verwandtschaft
der
Tonarten
unterscheiden
wir:
1.
durch
gemeinsamen
Grundton, z. B.
C-Dur mit
C-MoU;
2.
durch
Fortbildung
auf
der
Dominante,
steigend
und
fallend,
z.B. C-Dur mit
G-
und F-Dur,
ebenso
C-Moll
mit
G-
und
E-Moll;
3.
durch
Gemeinsamkeit der
harmonischen
Töne, z.
B.:
C-Dur
mit
A-Moll.
Töne
an
Wichtigkeit
verstärltt durch mehrfache
Entstehung.
Der
gleiche
Ton
entsteht
in
verschiedenen Tonarten auf
verschiedene
Weise, die
sich
in
den
harmonischen
Zahlen
(p)
ausdrückt.
So
ist
c
Grundton in
C-Dur
und
C-Moll
(p
=
o),
Dominante
in
F-Dur
(p
=
i),
es
hat
p
=
1
in
G-Dur
u.
s.
w.
Hat
nun
ein
Ton
kleinzahliges
p
für
C-Dur und zugleich
für
die
verwandten
Tonarten,
so
ist
er
für die Musikstücke in C-Dur
besonders
wichtig,
denn er
erscheint
in
Accorden
nicht nur von C-Dur, sondern
auch der
verwandten
Tonarten.
Aus
solchen
aber setzt
sich
ein
Musikstück
in
C-Dur
zusammen.
Ein
Bild der
Wichtigkeit der
Töne
für
C-Dur gibt
folgende
Tabelle.
Sie
zeigt die
harmonischen
Zahlen
für c
d
es
e
f
g
a b h
in
den
C-Dur
nächst-
verwandten
Tonarten
(vgl.
den Accord-Schlüssel
S.
39):
C-Dur G-Dur F-Dur
A-Dur
C-Moll
c
I
2
I
2
d
I 2 I
es
I
2
e
I
3
2
T
2
f
I
2
T
3
I
g
I
T
2
a
2
I
3
b
3
I
2
•
I
• • •
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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39
—
Hervorzuheben
ist
folgendes:
c
hat
in
den
verwandten
Tonarten
C-,
G-, F-Dur,
A- und
C-Moll,
die
Zahlen
p
=
o
i
i'2;
umgekehrt
haben
c
f
g-
a
in
C-Dur die
Zahlen:
o
I
i
2,
das
sind
die
Zahlen der
Normalreihe
N^
=
oi
i
2
oo.
Analogie
mit
der
Krystallographie.
Eine
Fläche
wird
verstärkt
durch
Ein-
schneiden
einer
Zone/)
d.h.
durch
Zug-ehörigkeit
zu
2
Zonen,
in
deren
jeder
sie
durch
Complication
nach
dem
Gesetz
der
harmonischen
Zahlen
entsteht.
Eine
Fläche
ist besonders
wichtig-,
wenn
sie
in
mehreren
in
ihr
sich
schneiden-
den Zonen
einfaches
p
hat.
Tonsystem.
Die
Töne
der
verschiedenen
Tonarten
zusammengefasst,
bilden
unser
Tonsystem.
Eine
zweite
Art
der
Bildung
unseres
Tonsystems,
nämlich
durch
Fortbildung
auf
der
Quint
allein,
haben wir
oben kennen
ge-
lernt.
Beide
Arten
der Bildung
bestehen neben
einander.
Für
die Bildung
resp.
Aufschliessung
der einfacheren,
vielleicht auch der
complicirteren
Musikstücke
genügen
die
aufgestellten
Harmonien:
Dur-Harmonie:
p=032i2 3oo
•
Moll-Harmonie:
p=032i2 3oo
Ihre
Zusammenstellung
für
wechselnden
Grundton
(chromatische Ton-
leiter)
liefert
folgenden
Schlüssel:
Accord
-
Schlüssel.
Harmon.
Zahlen
steigend
—
2^
Harmon.
Zahlen
fallend
-s
—
^
Dwr-Accorde
-
-^
P
=
0^
(i)
(i)
I
3
I
2
1
(1)
2
3
(X)
c
d
es
e
f
g
as
a
b C
eis dis
e
eis
fis
gis
a
ais
h
eis
des
e fes
f
ges
as
a b
ees
des
d
eis
f
fis
g
a b
h
e d
dis f fis
§
gis
ais
h
e
eis
dis
es
f
ges
g
as
I3
h
e
des
es
e
fis
g
gis a
h
c
eis
d e
f
g
as
a
b
c
des
d
dis
f
fis gis a
ais
h
eis
d
dis
e
fis
ges as
a
b
h
des
d
es e
ges
9
a
b
h
c
d
es
e
f
g
gis
ais
h
e
eis
dis e
eis
fis
gis
as b
ces
e
des
es
e
f
ges
as
a
h
c
eis
d
e
f
fis
g
a
ais
c
eis
d
dis
eis
fis
g
gis
ais
b
c
des
d
es
f
ges
g
as
'^
h
eis d
dis
e
fis
g
gis
a
h
c
d
es
e
f
g
as
a
b
c
p
=
00
T
2
(1)
1
2
1
3
(T)
(I)
IVIoll-Acoorde
1)
Vgl.
Zeitsehr.
f. Kryst. 1897.
28.
419.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 50/153
—
40
—
Bestimmung
eines
Accords mit
dem Schlüssel. Bezeichnung
eines
Accords
durch
Grundton
und harmonische Zahlen
(p
in Dur,
p
in
Moll). Der
Schlüssel gibt
nach rechts die
steigenden
(Dur)
-Harmonien,
charakterisirt
durch
die
harmonischen Zahlen:
P
=
o
(i)
^
i
i
I
2
3
oo
nach
links
die
fallenden
(Moll)
-Harmonien, charakterisirt
durch
die
harmo-
nischen
Zahlen:
o
(i)
3
2
I
2
3
OO.
Wir
können
damit für jeden
Accord
nach
Wahl des
Grundtons
die
harmonischen
Zahlen
ablesen
und
zwar
für steigende
und
fallende Deutung.
Durch
den
Grundton
und die zugehörigen harmonischen
Zahlen
können
wir
einen
Accord
bezeichnen.
Wir
wollen
zunächst
den
Dreiklang
betrachten.
Derselbe
lässt,
wie
wir
oben
(S.
17)
sahen,
4
Deutungen zu.
Beispiel
i.
Dur-Accord.
Deutung
i:
ceg;
p
=
o
^
i,
Grundton
c. Wir schreiben:
o
^
i
oder
o
^
i
(c)
c
2
:
gce
;
p
=
0^2
g
„
3:
ecg;
p
=
oi
2
„
„
4:
gec;
p
=
o
i
I
„
Beispiel
2.
Moll-AcCOrd.
g
0^2
„
o
i
2
(g)
g
oi^
„
oi
2
(e)
e
o
i
I
«
o^
I
(g)
8'
steigend
(Dur)
fallend
(Moll)
Deutung
i
:
a
f d;
p
=
o
^
i,
Grundton
a.
Wir
schreiben;
o
i
i
oder
o
|^
1
(a)
2
: d
a
f
;
p
=
o
i
2
„
d
„
„
3:fad;p
=
o|2
„
f
„
„
4
:
d
f
a
;
p
=
o
^
I
„
d
„
a
oI 2
„
d
1
2
(d)
fallend
(Moll)
i
2
„
f
d
i
2
(f)
-
i
I
(d)
steigend
(Dur)
Willkür in
der Deutung,
Wir
haben
für
jeden
Dreiklang die
Wahl
zwischen
4
Deutungen,
2
steigenden und 2
fallenden. Es ist
in jedem
speciellen
Fall die
Frage,
welche
zu wählen
sei.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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-
41
—
Folgende
Regeln
für
Wahl
der
Deutung
glaube ich
aus
meinen
bis-
herigen Untersuchungen
entnehmen
zu
können,
1.
Zunächst
ist
die
einfachste
Deutung-
die
wahrscheinHchste.
In
der
Reg-el
ist c
e
g-
als
o
3
I
(c)
aufzufassen,
a
f
d
als
o
i
i.
2.
Ein
zusammenhäng-endes
Tonstück
lässt
sich
entweder
steigend
oder
fallend
deuten. Herrschen
die
Dur-Accorde,
so ist
die
steigende
Deutung
vorzuziehen.
(Beisp.
Gaudeamus
S.
46,
Gott erhalte
S.
50);
herrschen
die
Moll-Accorde,
so
ist
die
fallende
Deutung
vorzuziehen.
Sind
Dur-
und
Moll-Accorde
im
Gleichgewicht,
dann
sind
beide
Deutungen
gleich-
berechtigt. (Beisp.
Mendelssohn,
Es
ist
bestimmt
.
. S.
52.)
3.
Durch
das betreffende
Stück
resp. einen
geschlossenen
Theil
des-
selben
(freier
Abschnitt,
Satz)
ist
die
steigende
oder
fallende
Deutung
fest-
zuhalten,
nicht
innerhalb
desselben
damit zu
wechseln.
4.
Finden
sich bei steigender Deutung
zwischen
den
Dur-Accorden
(o
3
i)
Moll-Accorde,
so sind diese
in
der Regel
als
o
3
2
aufzufassen,
aus-
nahmsweise als
(o
4
i).
(Beisp. Palästrina,
Stabat
mater
dolorosa
S. 54a.)
Finden sich
bei
fallender Deutung zwischen den
MoU-Accorden
(o
3
i)
Dur-Accorde,
so
sind diese
in
der
Regel als
(o
32)
aufzufassen,
ausnahms-
weise
als (o
4
i).
Die
Begründung
dieser
Regeln liegt
in Folgendem:
Je
nach der
Deu-
tung
ergeben sich für
die
Accorde
andere Grundtöne.
Die
Grundtöne
aber
stehen
unter
sich
in
einem Verband.
Sie
bilden
in ihrer
Folge
die
fortschrei-
tende
Harmonie des Tonstücks.
Halten
wir obige
Regeln
fest, so
ergibt
sich
für
die
fortschreitende Harmonie
eine
einfache
Gesetzmässigkeit,
die sich
wieder
in
den
harmonischen
Zahlen
ausspricht.
Dies
gilt
wenigstens für
die
ein-
facher
gebauten Stücke, die
ich
bis
jetzt
allein
zur
Untersuchung
nahm.
Die
fortschreitende
Harmonie (Folge
der Grundtöne)
bewegt sich
da jedes-
mal in den
harmonischen
Zahlen
p
=
o
I
i 2 resp.
o
2
i
2,
selten
oii
12
(vgl. die
folgenden
Beispiele).
Analyse
einiger
Musikstücke.
Wir wollen nun
versuchen,
mit
Hilfe
unserer
harmonischen
Zahlen
und
des obigen
Schlüssels (S.
39)
einige
Musikstücke
zu
analysiren;
zunächst
einfache
4
stimmig gesetzte.
An
dieselben
wollen
wir
einige
allgemeine
Be-
trachtungen
knüpfen. Wie
weit
diese
Betrachtungen
auch
für
complicirte
Stücke gelten,
welche
neue
Gesetze
da
hinzutreten,
soll
Gegenstand
späterer
Untersuchung sein.
Auf die
Melodie
kommt
es
uns
zunächst
nicht
an,
son-
dern
nur
auf
die
Harmonie;
die
Melodie
folgt
besonderen
Gesetzen.
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—
42
Beispiel
1. Fr.
Sucher:
[Ee=H
r
9iEB
-fS2-
i
K^-
:t=::=^
-[-
:t:=:J
Ich
hab'
mich er
^P=^
z^:
:ö:
j_4_-
i
r-
^
r
—
tizizz-t::
ge
-
ben
mit
Herz
und mit
Hand
I
—
^
ö*-
(fi-
t
dir
I.
Satz
Ich
hab
mich er
-
ge-
ben
mit
Herz un(
[i
mit
Hand
g
e.
d
e
c
g
g g
f
g
e
g
c
h
h
c
O
g
C
C
h
c
g g
g
g
g
e
g
g
g
g
g
g
c
O
ö
g
e
c
g
e
d
g
c
o
o|i
Ofl
Oi2
Ol.
Ol.
o
oii
oii
3
Ol
oii
g
c
g
g
c
c
O
c
g
g
c
a a
f f
c c
a
f
I
0^1
oii Oil
o
p
=
c
g
O
I
c
Spaltung
in freie
Stücke.
Jedes
Musikstück
besteht
aus
Sätzen.
Jeder
Satz
lässt
sich'
in freie
Stücke
(Abschnitte)
spalten,
(im
Beispiel
durch
Verticalstriche
angezeigt)
deren
jeder
harmonisch
ein
Ganzes
ist.
In
jedem
solchen
freien
Stück
finden
wir
Aufbau
und
Folge
der
Accorde
nach
dem
Gesetz
der
harmonischen
Zahlen
(Complication).
Es
ist
nun
Aufgabe
der
Analyse
eines
Musikstücks,
dieses
in freie
(harmonisch
einheitUche)
Stücke
zu
spalten,
deren Bau
in
sich
und
ihren
Zusammenhang
unter
sich
nach-
zuweisen.
Den
Schlüssel
zu
dieser
Analyse
liefern
die
harmonischen
Zahlen
(Normalreihen).
Analogie
mit
der
Krystallographie.
Jedes
Krystallformensystem
besteht
aus
Zonen.
Jede
Zone lässt
sich
in
freie
Stücke
spalten,
deren
jedes
ein
harmo-
nisches
Ganzes
ist.
In
jedem
solchen
freien
Stück
finden
wir die
Anordnung
der
Flächen
nach
dem Gesetz
der
harmonischen
Zahlen
(Complication).^)
Es
ist
nun
Aufgabe der
Analyse
eines
Formensystems,
die
Zonen
aufzu-
suchen, sie
in freie
Stücke
zu
spalten,
deren
Bau
in
sich
und
ihren
Zu-
sammenhang
unter
sich
nachzuweisen.
Den
Schlüssel
zu
dieser
Analyse
liefern die
harmonischen
Zahlen
(Normalreihen).
Anschreiben
der
Buchstaben
statt
der
Töne.
Da
es
ohne
Aenderung
der Harmonie
erlaubt
ist,
die
Töne
um
Octaven
zu
verlegen, so
genügt
es
^)
Vgl.
Zeitschr.
Kryst.
1897.
28. 25,
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^^-
V4
43
—
=[::
j
i
Land
voll
Lieb'
und
Le
-
ben,
mein
deut
-
sches
Va
-
ter
-
land.
*
-X -^X=--
\
—
r-
atir^
S
2.
Satz
Le-
ben
g
e
e
c
c
c
c
c
'i'
0*
c c
mein
deut
sches
f
e
Va
f
d
ter- land
o-
e
0\\
0|^2
0^13
Oil
013
O^
Oil
Accorde.
=
Harmonische Zahlen der
Accorde.
=
Grundtöne der
Accorde.
Fortschreitende
Harmonie. (Folge der Grundtöne.)
Harmon.
Zahlen
d.
fortschr.
Harmonie.
=
Grundton
d.
fortschr.
Harm,
(hier
d.
ganzen
Stücks).
für unsere Analyse,
die
Buchstaben
statt
der Noten anzuschreiben.
Aus
demselben Grund
dürfen
wir
die
harmonischen
Zahlen
des
Accords umstellen.
Wir
schreiben
sie
der
Gleichmässig-keit
weg-en
der
Grösse
nach,
und lassen
die Wiederholung-en
weg
z. B. o
i
i
(c)
für
c
g
e
g
=
o
i
i
i (c).
Stehende
Harmonie
(Accord).
Fortschreitende
Harmonie (Folge).
Wir
wollen die zugleich
erklingenden
harmonischen
Töne eine
stehende
Har-
monie
oder
einen
Accord
nennen.
Für
jeden
Accord
fixiren wir
seinen
Grundton und
seine
harmonischen
Zahlen.
Eine
Anzahl sich
folgender
Accorde
bilden
einen
Abschnitt
(Satz).
Die
Accorde
eines
Abschnittes
(in
Beispiel
i und
den
anderen)
reihen
sich
harmonisch
aneinander
d.
h.
ihre
Grundtöne
zeigen einen
harmonischen
Zusammenhang.
Sie
bilden
eine
fort-
schreitende
Harmonie
(Folge).
Wir
sprechen
von
harmonischer
Folge
der
Accorde,
wie
ihrer
Grundtöne.
Der
Zusammenhang
der
Grundtönc
äussert
sich
in deren
harmonischen
Zahlen.
Wir
finden
als
GrundtÖne
der
Accorde
in
Beispiel
1
im
ersten
Satz c
g
entsprechend
den
harmonischen
Zahlen
p
=
o
i
mit
Grundton
c.
Satz
2,
der
etwas
complicirter
gebaut
ist,
zeigt
als
Grundtöne
der
Accorde
c
f
g,
ent-
sprechend
p
=
o
i
I,
ebenfalls
mit
Grundton
c.
Auf
c
ist
somit
das
ganze
Stück aufgebaut.
Wir
nennen
c
den
Grundton
de?
ganzen
StÜCkS.
Steigende
Harmonie.
Dur-Charakter
des
Stücks.
C-Dur.
Wir
finden
in
Beispiel
i
fast
ausschhesslich
Dur
-Accorde
o
I
i.
Nur
2
Moll-Accorde
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—
44
—
o
i
2
sind
eingestreut.
Wegen
dieses
Vorwiegens
deuten
wir das
ganze
Stück
nach
steigender
Harmonie
und
sprechen
ihm
Dur-Charakter
zu. Die
Folge
der
Grundtöne
c
f
g
=
o
i
i
(c)
können
wir
auch
fallend deuten als
c
g
f
=
olT
(c).
Gegen
diese
Deutung
spricht
das
Fehlen
von f
im
ersten Satz
und
sein
Zurücktreten
im
zweiten Satz.
Wir haben
somit
auch
in
der
Folge
der
Accorde
steigende
(Dur)-Harmonie.
Wir sagen:
das
Stück ist
aufgebaut
auf
c
mit
Dur-Charakter
in
Folge
und
Accorden.
Es
geht in
C-Dur.
Vorherrschen
von
p
=
i
1
in
den Accorden,
von
i
I
in
den
Folgen.
Diese
auffallende
Erscheinung
finden wir
in
Beispiel
i und
in
den
folgenden
Beispielen.
Dur-
und
Moll-Stücke,
steigende
und
fallende
Auslegung,
machen
hierin
keinen
Unterschied.
Bei
fallender
Harmonie
finden wir
in den
Accorden
p
=
o
3
I,
in
den
Folgen
o
§
i.
Was mag
die
Ursache
sein?
Wir
können
die
Erscheinung
folgendermassen
motiviren.
Die
beste
und
daher
beHebteste,
d.
h.
wahrscheinlichste
Harmonie
in
Accord
und
Folge
ist
die
einfachste.
Ein
Mass der
Einfachheit (der
Ableitung)
bieten
die
Zahlen.
Danach
ist
p
=
o
§
i
die einfachste
Flarmonie, die
nächste
o
i
i.
Sie
würde
auch
im
Accord
den
Vorzug
haben
;
nämlich
c
f
g
=
O
2
l
(voll-
Beispiel
1.
2.
Deutung.
Ich hab mich
er
-
ge- ben
mit Herz und
mit
Hand
Dir
Land
voll
Lieb
und
g
e
d
e
c
g g
o-
f
g
e
c
a a
a a
g
c
h
h
c
g g
C c
h
c c
f
f
f
f
g
8'
o-
t3
ü'
g
e
g g
g
g
g
c c c
c
c
g
c
g g
e
c
g
e
d
g
c c
f f a
f
oi2 OI.2
0|2
0I2
0^2
Oi2
0^13
oi
Oi2
0^2
0^2
0i2
0i2
g g
d
g
g g
g g g
g
c c
c
c
c
g
c
g
Gegen diese
Deutung
spricht die
untergeordnete Rolle von
d
=
i
gegenüber
c
=
2
in
den
Grundtönen.
Das
verstösst
gegen
die
Rangord-
nung
(vgl.
S.
24
und
34).
Eine
Begründung
der
Verwandtschaft
der
Tonarten
durch Fortbildung
auf
der Quint
(Dominante)
ergibt
sich aus
Obigem, c e
g
=
o
i
i (c)
ist
zu-
gleich
g
c
e
=
o
I
2
(g);
ebenso
ist c
as
f
=
o
i
i
(c) zugleich
f
c
as
=
o
i
2 (f).
Haben
wir
also
C-Dur
mit
dem
Hauptaccord
c e
g
=
o
i
i
(c), so
besitzen
wir
zugleich
für
G-Dur
den
Hauptaccord
g
c e
=
o
1 2
(g).
Damit ist
der
neue
Grundton
g
gewonnen,
mit
ihm
seine
Harmonien. Hierin
Hegt
wohl
der
Grund
für
die
Weiterbildung
auf steigender
Dominante
(vgl.
S.
22,
26
u.
35).
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
45
ständig-er
oii2oo=-cfg-ac) vor
c
e
g
=
o
i
i
(vollständiger
o
i
i
3
oo
=
ceg-bc), wenn nicht
beim
Zusammenkling-en
die Nähe
von
^
i
2
durch
störende
Interferenz
rauh
klänge.
Fällt
dagegen
i heraus,
(cfac
=
02 2oo)
so ist die
Störung
beseitigt
und
der
Accord
klingt
angenehm
(vgl.
S.
17).
Beim
Fortschreiten
(Folge)
stört
die beim
gleichzeitigen
Erklingen
(Accord)
störende
Nähe
nicht.
Daher
tritt
hier
die
einfachere
Harmonie
o
2
I
2 00
in
ihre
Rechte und
wird
o
i
i
vorgezogen.
Anmerkung. _Zu
Gunsten des
Fortschreitens
o|i
mag
mitwirken,
dass
0^1 z. B.
cfg auch als
feg
=
I
o
I
gedeutet
werden
kann
d.
h.
als
Grundton
mit
Unter-
und Ober-
Dominante.
Allerdings
finden wir
auch
o|i2
in
den Folgen
(vgl.
Beisp.
6:
Stabat mater)
ebenso
wie
o|^i3
in
den
Accorden
(vgl. Beisp;
4:
Gott
erhalte)
und
zwar
an bevorzug-
ter Stelle.
Umdeutung
von
f I
in
0^2,
ebenso
von
i I
in i 2.
Der
Accord
p
=
o
i
I
z.
B.
c
e
g
lässt
sich
auch
als
o
i
2
=
g
c e
deuten
(vgl.
S.
17).
Dabei verlegt
sich
der
Grundton
um eine
Quint.
Bei
dieser
Deutung
hätten
wir in
den
Accorden
von
Beispiel
i
vorwiegend
p
=
o
§
2
(das
Fehlen
von
i
motivirt
durch
störende
Interferenz),
in
den
Folgen der
Grundtöne
o
1
i.
Beide
Deutungen
geben
eine
befriedigende
Analyse.
Le-ben
mein
deut sches
Va
ter
land
g
e
g g
fe
f
g
e
e
c e e fc
d
h
c
c c
c h
g
g g
g
c c c
g g
g g
c
0^2
12
0i2 0i2
0|-2
013
oi
0I2
g g g g g g
er
g
Accorde.
=
Harmonische
Zahlen
der
Accorde.
=
Grundtöne
der
Accorde.
=
Fortschreitende
Harmonie
(Folge
d.
Grundtöne).
=
Harmonische
Zahlen
der fortschr.
Harmonie.
=
Grundton
des Ganzen.
Dasselbe
gilt
für den
Moll-Accord.
Es ist
c
as
f
=
o
3
i
(c)
=
f
c
as
=
=
022
(f).
Haben
wir C-Moll
mit
seinem
Flauptaccord
o
3
i
(c),
so besitzen
wir
zugleich
für
F-Moll den
Hauptaccord
o
2
2
(f).
Damit
ist
der
neue
Grund-
ton f
gewonnen,
mit
ihm
seine
Harmonien.
Flierin liegt
wohl
der
Grund für
die
Weiterbildung
auf
fallender
Dominante
(S.
35).
Die
Verwandtschaft
von
C-Dur und G-Dur
ist
in den
zwei
Deutungen von
Beispiel
i
ersichtlich,
denn
dessen
Harmonie
lässt
sich
ebenso auf
g
wie auf
c
aufbauen.
Die
analogen
Umdeutungen und Betrachtungen
gelten
auch
für
die
anderen
Beispiele.
Wir
wollen
sie da
nicht
wiederholen.
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—
46
—
Die
Mög-lichkeit
verschiedener
Deutung-
beweist
nicht,
dass
eine
der
Deutung-en
falsch
sei.
Sie
zeigt
vielmehr,
dass
der
gleiche
Zusammenklang
auf
verschiedene
Arten
dem
Ohr
zusagen
kann.
Die
mehrfache
Deutung
des
gleichen
Accords
entspricht
einer
mehr-
fachen
harmonischen
Wirkung
auf
unsere
Empfindung,
c e
g
in
einem
C-Dur-
Beispiel
2.
x:^
Sil
r
—
r- -r
—
v==x.
&
--1
—
-J-
f
post
ju
-
Clin
-
daiTj
Gau-de-
a
-
miis
i-gi-tur,
]u
-
ve-nes
dum
su
-
mus,
j
post
mo
-
les
-
tair
aL=tEfei=t
r-~-~r
g-~
;T^r
^
-
-
t—
r-'-r
—r- -T^-f—
fr
f
r
a-
r rj-
trr
f
Gau-de
-
a
-
mus 1
-
gi-
tur
JU
-
ve
-
nes
dum
SU
-
mu
c
g
g
c
a
a
a
h
c
d
h ce
c
g
e
e
g
f
f
f
g
g
g
g
g-
g
c
c
c e
f f
f
d
d
d
d
eg
e
c
c
c e
f
f
f
d
e
h
g
c
•
c
Ol
o|i
°i^
O^I
oi oi
oi
oii
oii2
oii
oii
oii
oi
c
c C
c
f
f
f
g
g
g
g
c
c
c
o
f
g
i
I
c
Bemerl(ungen.
Wir
finden wieder
die Accorde
mit
p
=
oii,
die
Folgen
mit
p
=
o
2
I.
Der
gemeinsame
Grundton ist
c.
Der
Aufbau
der
3
Sätze
ist
etwas
künstlicher
als
bei Beispiel
i.
Dort
01, oii,
hier
oli;
oi;
O2I.
Bemerkenswerth
ist
o
i
i
3
im vorletzten
Accord
statt oii,
was
dem
Abschluss
eine
grössere
Fülle
gibt; ferner der
Moll-
Accord
o
3
2
kurz
vor
Schluss
an
gleicher
Stelle wie in
Beispiel
i.
Die
unregelmässigen
Accorde
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—
47
—
Stück
wirkt
anders als
in
einem
G-Dur-Stück.
Wir können
den
gleichen
Accord in
verschiedener
Auffassung-,
d. h. in
verwandtschaftlicher
Ver-
knüpfung nach verschiedenen
Richtung^en als
harmonisch gemessen.
In
dieser verknüpfenden Vielseitigkeit liegt ein
Grund
der Wichtigkeit
der
Haupt-
accorde.
y^
ju
-
ven
-
tu
-
tem,
se
-
nee
-
tu
-
tem
-Q--^
nos
ha
-
be
bit
hu
mus
^^=^
i-
u
-H
st ju
-
cun
dam
ju
-
ven
-
tu
-
tem
i3t
mo
-
les
tarn
se
-
nee
-
tu
-
tem
nos
ha-
be
-
bit
hu
-
mus
c
d d
e
c d
d
c
h af
ed
e
d
c
a
h h
c
g
g g
g g
f-
aa
c h
c
;
^
g g g
e
h h
e
e
a
•
fa
g
f
e
g g
g
c
c
g g
e
e
f-
df
g
g
c
T
0^2
o^i
o|i
o*i
oll
oii
o|i
0*'
0|2
o^
•012
o^i
o|i3
oi'
C
g g
c
c
g g
c
g
f .f
c
g
C
c
g
c
f
g
o I
°
i
I
c
c
juvenes,
jucundam,
molestam,
habebit
sind
wohl
als
Durchgänge^)
anzusehen
zur
bequemen
Führung-
der Stimme
in
benachbarten
Tönen h
c
d, d
c
h,
g
a
h,
f
e
d über
unbetonte
Silben, die
dadurch
eine
unvollkommene
Harmonie
trifft.
Habebit
ist
zwar
betont,
doch
ist
in
dfae
das
e
wohl
nur als
Vorschlag
im
Uebergang-
f
e
d
der obersten
Stimme
anzusehen,
der
zur Moll-Harmonie
fad
hinüberführt.
^) Vgl.
Lobe,
Katechismus
d.
Musik.
Leipzig
i88i.
S.
84.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Beispiel
3.
Fr.
Sucher.
48
P^
.f
zi=:=f
--^^-,u—
tzst?:
1^1^
f
\=X
r
-G-
A-,-J-
-|ö-
l^
-^-
:t:
ö
t:
Ich
hatt'
ei
-
nen
Ka
-
me
-
ra
-
den,
ei
-
nen
bes
-
sern
find'st
du
-i^-h=X=:^^-=^=^l^^=i
§^^fe_EBEÖ-:^
mf
tx--
--&-
^^^
—
r-
^-a-n
S^
m-?:
-#
#
—
#-
tzzzzt—
ÖBEES
feEi
glei
-
chem
Schritt
und
Tritt.
X-±:t
-«:
m.
Ich hatt ein'
Ka
-
me
-
ra
-
den
f
b
d
d
c b
f
f f
b
b
a
ff
f d
f
f f
d
d
f
ii
oll
o|i oll o|i oll
b
einen
bessern
findst
du
nit
b
c
d
f f
es d
f
a
b
d
d
c
b
f
•
b
b
a
a
f
d
f
b
b
f f
b
oll oll
Ol
b
f
o
I
b
f
b
o^i
0^2
0I13
0^1
b
f
f b
Die
Trommel
schlug
zun:
b
c d
d
d
c
beb
b b
a
d
es
f
f
f
f
Id
•
13
b b
b
o^
xoli
oll oll
oll
b
b
b
b
f
Wieder finden
wir
in den
Accorden o
i
i.
Gegen
Schluss
der
Sätze
den
Moll-Klang-
o
i
2 oder
den vollen
Dur-Klang- o
i
i
3.
An
den
Stellen
x
Ueber-
gänge. Das
auffallende
oi i
i
in zum ist
wohl
so
zu
verstehen,
dass
b
nicht
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49
—
mi
-^-^^-A
-J X
t?=d=t:
nit.
Die Trom
-
mel
schlug
zum
Strei
-
te,
er ging
an mei
-
ner
Ä>—i-T
-G-
II
/
H5;
--^n
=F=^=F
-^-
--J-x
&-
r
r
—
r- -t
i
--J-
:i
:t==|i:
Strei
-
te
es
c
Ol
X
o
er
ging an
d
c
'c
b a
a
f
f
f
f
mei
-
ner
a
g
f
•
f
.
Sei
te
es
c
b
b
•
f
X
oll
oi-i
oll oll oll
X
oll oll
013
bffff-fbf
d
b
es
c
f
f
b
f
o
I
b
in gleichem Schritt
und
Tritt
f
d d c c
d
b
c
b
b a a b
f
f
f
f
f f
a
b
d
f
es d
o^i oll
oi
I
oii o^i
3
oll
f
b b
f
f
b
b
f
I
b
zum
Accord
gehört,
sondern
als
Orgelpunkt^)
im
Bass
festgehalten
ist.
—
In
den
Folgen
finden
wir
nur b
f
;
p
=
o
i
(b).
Also
noch
einfacher
als
in
Beispiel
i u.
2. Vielleicht
zu
einförmig durch
Fehlen
von
i.
^)
Vgl.
Lobe,
Katechism.
d. Musik.
Leipzig
1881.
S.
86.
Goldschmidt,
Harmonie
etc.
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—
50
—
Beispiel
4. J.
Haydn.
1797.
CantabiU.
»w
ms:
p
A
4
:^q
±=t-
::t^^:
A
,
&
-&-
Gott
er
-
hal
-
te
Franz den
Kai-ser,
un
-
sern gu
-
ten
Kai
-
ser
Franz.
^^^EEEE^^
:i
:^H=|:
t-
--l--
t-^
Gott
er
-halte
g
a
ha
a
h d
g
fis
g
•
•
g
•
•
Oi
Ol
o^|i
g
d
g
d
Franz
den Kai
h
a
d
fis
a
c
fis
d
fis
c
a
d
ser,
g
h
g
o|i3
oii
oii3
oii3o|
d
g
d d
g
g
d
o I
unsern guten
e d c
h
c
h
fis
g
a
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••dg
c
g
d g
Kai
a
e
ser
Franz.
h
e
g
g
d
e
d
g
fis
eis
eis d
0|-2
0^42
g
Der harmonische Aufbau
ist
wieder
der gleiche,
o
i
i in den
Accorden,
o
2
I in den
Folgen.
Bemerkensvverth
ist die
Rolle
des Accords
o
i
i
3.
Er
erscheint
3
mal
und
zwar
an den stärkst betonten
Stellen
:
Franz, Kaiser,
guten.
Man
darf
wohl
o
3
i
3
00 gegenüber
o
i
i
00
den
vollen,
gesättigten, auch
den
symmetrischen
Dur-Accord nennen.
Die Wichtigkeit
des
Accords
o
3
I
3
00 kann
als
Beleg
dafür
dienen,
dass
die
Complication
in der
Octav
bis
3
gehe,
dass die Bildung
von
o
i
i
3
00
als
Produkt
einer einheitlichen
Complication
anzusehen
sei. o
3
i Hesse
sich
ja sonst
auch, wie wir
sahen, als
o
2 2
deuten,
so
dass
für
o
i
i eine
Complication
bis
3
nicht
nothwendig an-
genommen
werden
müsste.
Auf
dem
2.
Wort
Kaiser
finden
wir die
Moll-Accorde
o
7
2,
oi
f
2
•
o
3
2
(e)
ist
fallend
gedeutet
=
o
i
i (e), o
i
I
2
(g)
ist
=
o
i
i
3
(h).
Die
beiden
sind
das
MoU-Aequivalent
der
Dur-Accorde
O
i
i
;
o
i
i
3.
Wir
können
o
3
I
3
00 als den
vollen,
gesättigten,
symmetrischen
Moll-Accord ansehen.
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—
51
—
Trotzdem
haben
wir
hier im
Dur-Satz c
e a als o
i
2
(c) aufzufassen,
nicht
als oll
(e),
eis
e
g-
h
als
o
i
f
2
(g)
nicht
als
oi
i
3
(h).
Sonst
wäre
die
einfache
Folge
der
Grundtöne
gestört,
auf
denen
augenscheinlich
das
Stück
gebaut
ist.
Das
ist
ein
Beleg
aus
vielen
für
die oben
ausgesprochene
Regel
für
die
Deutung
der
Accorde
(S.
41),
dass
innerhalb
desselben
Satzes
die
steigende
oder
fallende
Deutung
der
Accorde
festzuhalten
sei.
Beachtenswerth
ist
ferner
der
Aufbau
dieser
classischen
Composition,
wie
er
sich
im
Einzelnen
in
den
harmonischen
Zahlen der
Grundtöne
aus-
spricht:
II
Gott
erhalte
Franz
den
Kaiser
unsern
guten
c
g
dg
Kaiser Franz
c
g
dg d
g
d d
g d g
I I
I
010
i
10
L?
w
^
/,
y
8
X^^
y]
d
A
^ b
Q^
D
Der
schöne
Wechsel
von
gleichen
(parallelen)
und
symmetrischen
Theilen.
Die Sätze
I
und
II
sind
verschieden
gebaut.
a
=
/5,
y==d,
£
=
rj
und
f
=
'J^,
wenn
wir
uns
den
am
Schlüsse
fehlenden
Accord
oi
i
(g)
zudenken.
Asym-
metrisch
B,
C
parallel
D.
In
II
bemerken
wir
2
ineinander
geschobene
sym-
metrische
Stücke io
I
0§
und
i
oio
i.
Der
Symmetrie
der
harmonischen
Zahlen
entspricht
die
Betonung,
wie
oben
angedeutet.
Parallelismus
und
Symmetrie
spielen
eine wichtige
Rolle
im
harmoni-
schen,
wie
im
rhythmischen
Bau
der
Musikstücke,
ebenso
wie
beim Bau der
Krystalle.
Analogon.
Aehnliche
Verhältnisse
von
Symmetrie
und
Parallelismus
finden
wir in
der
Rhythmik
unserer
Verse.
So
z.
B. aufs
schönste
in
den
2
Arten
von
Hexametern,
wie
sie
Homer
in
harmonischem
Wechsel
aneinander
reiht, und im
Pentameter:
Mfjviv
äsiös 'd'Ea
IJrjXrjidösco
'Axi^i]og,
-L-
OvXo^Evrjv,
fj
/LivQi'
'AxaioTg
akyi ed^rixs
-L-
Tempora
si
fuerint
nubila
solus
eris:
-^
Ebenso
fmden
wir
den
Wechsel
von
Parallelismus
und
Symmetrie
manich-
fach und
wundervoll in
den
Chören der
griechischen
Dramatiker
und
den
Figuren
der
Tänze.
Ich
will mich
hier nicht
in
diese
verlockenden
Gebiete
abziehen
lassen.
Sie
erfordern
eine
selbstständige
Behandlung.
Nur
die
ge-
meinsame
Ursache
will ich
hervorheben.
4*
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—
52
—
Ursache
des
Rhythmus
in
Musik,
Sprache
und Tanz sind
die
von
uns
beständig
ausgeführten
und
beobachteten
periodischen Bewegungen:
Herzschlag
(Puls),
Athem
und
Schritt.
Alle drei
enthalten das
Princip des
Parallelis-
mus,
d.
h. das
periodische
Wiederholen
des
Gleichen,
und
der
Symmetrie,
d.
h.
das
spiegelbildUche
Wiederholen
des
Gleichen.
Symmetrie bringt
der
Athem als Ein-
und
Ausathmen.
Ja,
der ein-
zelne
Athemzug
zeigt
Symmetrie durch schwaches
Anfangen,
Verstärken nach
der Mitte
und Abnehmen
gegen das Ende;
-=:
=—
eine musikahsch
wich-
tige
Form.
Ein
Einathmen
und ein
Ausathmen
bilden ein
symmetrisches
Paar, das als Ganzes
parallel
(periodisch)
sich wiederholt. Der
Schritt
bringt
Symmetrie im Gegensatz
von
links
und
rechts,
vorwärts
und
rückwärts.
Eine
Bewegung
rechts
und
eine
links
bilden eine
in
sich
symmetrische
Einheit,
deren
mehrere
sich
parallel
anreihen (Marsch,
Tanz).
Aus
der Eigenart und
Combination dieser Naturmasse
bilden
sich unsere
musikalischen
und
metrischen
Rhythmen,
Verse,
Sätze.
Ich will hierauf
nicht
näher eingehen und behalte mir vor, eine
ausführlichere Darstellung
an anderem
Ort zu
geben.
Beispiel
5.
F.
IVIendelssotin.
^^^^f^^^^«^¥f^»^
Es
ist
bestimmt
in Got-tesRath,dass
man
vom
Liebsten,
was
man hat,muss
scheiden.
fnf
^
ilffi
J^--
1-
:ti=t:
s/
tri-ir^U=i
?=?^
:1=::|:
TT
-J—
-U^^
*
—
•
—
•-
3^^
-=^::X=X
w=^
X-^-p
Deutung in
steigender
Harmonie:
Es
ist
be-stimmt
in
Got
-
tes
Rath, dass man
vom
Lieb-sten, was
man
hat,
muss
schei
-
den.
(7
b
a
c
b
a
a
g
f
a
g
f
02
02 o|
t
e
a a
d e
d
c
d d
b
b
f
f
b
b
Oi
Oi2 Oi2
0|I
O
b
f
f
b
c
Ol
I
a
b
fis
g
d
g
d
g
b
a
e
f
g
f
c
f
oll
0|^2
Oil
02
0|2
0|^I
0^13 O
bbdbfccf
f
b
c (d)
o
i
I
(2)
c
g
f
f
f
d
a
b
b
a
e f
c
c
c
f
0^1
0^12
o|3
oii
f
b c f
V
'
f
b c
r^
I
T
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—
53
—
Deutung
in
fallender
Harmonie:
Es
ist
be-stimmt
in Got
-
tes
Rath,
dass
man
vom
Lieb-sten,
was
man
hat, muss
schei
den.
I
^I
oi
°i
o^i
oii
0I2
Oi2
0|-2
oxi
0I2
il
0|-I
0I2
0i|2
Oi
o|2
0il2
Oif
0i2
c
d a
a
a e
d d d d
fis
d a
e
e a
a
d e
a
a
e d
a
(fis)
e
d
a e
d
°i
'
o(i)IT
ol^
a
a a
Dies
Beispiel
zeigt, wie
man
die Deutung
auf steigender
und fallender
Harmonie
ableitet
und nebeneinander
stellt
und wie
man in
den
Zahlen
ein
Mittel
hat, zu
entscheiden,
welche
Deutung-
vorzuziehen
sei.
Wir
finden
hier
die
Deutung in
fallender
Harmonie
fast
gleich-
berechtigt
mit
der
steigenden,
wenn auch die
steigende
den
Vorzug
ver-
dient.
Für
diesen Vorzug
spricht die grössere
Zahl der
Dur-Accorde,
die
grössere
Einfachheit
der Zahlen,
das
Auftreten von
3
statt
f
in
den
Accorden
und
von
2
statt
4
in
der
mittleren Folge.
Bei
steigender
wie fallender
Deutung
haben
wir in
den
Accorden
die
Zahlen
o
3
i
und
o
i 2,
in den
Folgen
der Grundtöne
die
Zahlen o
i
i.
Die
Annahme
von
2 resp.
4
in
der
mittleren
Folge
gründet
sich
allein
auf
den
Accord
d fis
a
in
der nicht
betonten
Silbe
„vom .
Das
zeigt
die
unter-
geordnete
Bedeutung
dieses
Accordes
beim
Aufbau des
Stückes.
bdfg
=
03i
2(b) auf
Scheiden
enthält zugleich
den
Dur-Accord
o
i
I
und
den
Moll-Accord
o
3
2.
Es ist aber
wohl als
der
Moll-Accord
O
3
2 (b d
g)
anzusehen,
in
den
hinein
das fremde f
verhalten
ist,
statt
des
folgenden
e,
das ihn
zum vollen
Moll-Accord bdeg
=
03
3
2
ergänzen
würde.
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7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 65/153
»i.
ot.o}.
o{
0i.O.2
0}.0}.0i,
Oi.joj.
.J.
f f
'
es
des c
des
des
b
as as b
c des des r
c
f
°ai
.
oj
1
'°as
7
XOi
2
0ii oi
des
CS d es d es
des as
»i-
des
oJ,
ol.oi,
as des
des
Oj.
1
f
1
Ol
f
Sta-bat ma
ter
do
oJ.
—
54
—
Bemerkungen zu
Beispiel
6.
Dieses classische Musikstück
wurde
gewählt als
Beispiel
(ics\'crsuchs, ein
Stück
von
complicirtcrem
Bau
durch
die harmonischen
Ziihlen
aufzuschliessen.
Das
Beispiel
ist
von besonderem Interesse, «eil es
Hclmholtz
in
seiner
„Lehre
von
den Tonempfindungen
(1877
Seite
407)
besprochen und allgemeine
Betrachtungen
über
das Vcrhältniss
der
älteren
ICirchenmusik zur neueren Musik
daran geknüpft
hat.
Es war
Helmholtz
nicht
gelungen den
Zusammenhang der Accordc
zu
erkennen;
während in unseren harmonischen
Zahlen
dieser Zusammenhang
klar
hervortritt, so
dass das Kunstwerk
als
durchsichtiger, einheitlicher
Bau
erscheint. Ein Umstand,
der eine
wesentliche
Stütze unserer Deutung
ist.
Helmhottz
gibt
nur den Anfang
und zwar
mit a
beginnend, der in unserer
Schreibweise
lautet:
lo
ro
-
sa Er bemerkt
dazu: „Hier
finden wir
. . .
eine
c
1)
a Reihe
von
Accorden aus den
verschiedensten
Ton-
a
g c
arten
von
A-Dur
bis
F-Dur anscheinend
regellos
f d
eis durcheinander
gewürfelt,
gegen
alle
unsere
Regeln
f
g
a. der Modulation.
ojl
o} i oj i
.Zweitens
vermissen
wir
überhaupt
dasGefühl für
a g f f
c
f
g
a
dieVerwandtschaft der
aufeinander
(olgcndcnAccorde.
r
f
g
a S. 408:
„Wenn
also auch
bei
I'alästrina
und
^2
^
'
Gabrieli
sich schon
eine
feine
künstlerische
Em-
c pfindung
für die
ästhetische
Wirkung der einzelnen
verschiedenartigen
Accorde zu erkennen gibt, und insofern die
Harmonien bei
ihnen
schon
ihre
selbständige
Bedeutung haben,
so
fehlen
doch noch
diejenigen
Erfindungen, welche
den musikalischen Zusammenhang des
Accordgewebes in sich selbst
herstellen sollten.
Accordc.
Wir flnden wieder fast ausschliesslich
die Dur-.Accorde
o'i
und
die
MoU-Accordc
o }
2. Beide
der
Zahl nach
etwa
im
Gleichgewicht.
Zu
Anfang
und
Schluss
des
Satzes „dum
pendebat
erscheint die
leere Quint
o i.
Beachtcnswerth
ist der Moll-Accord
o
} I.
Er
erscheint
an wichtiger Stelle
bei
„dolorosa
(lacrymösa) und
bei
„glädius .
Jedesmal
beim
Ucbcrgang
zum
Schluss.
Der
.'\ccord
o i
I
lässt
schlicsscn,
dass die harmonische
Diffcrenzi-
rung
innerhalb der Octav ausnahmsweise
bis i geht.
Folgen der
(iriin<itöne der Accorde. Wir
fmden o
i
I
2,
ausnahms-
weise o i
.
I
.', wie
111 den
Mirhcrgehenden
Beispielen, nur
etwas
reicher.
Harmonisclier
Aufbau der
einzelnen
Sätze.
Wir wollen
die
Harmonie
untersuchen,
indem wir die
Ucbcrgangs-Accorde
weglassen
und
nur die auf
die
Silben fallenden
anschreiben.
Durch
Abscheidung
dieser
Details
klärt
sich
das
Bild.
Die Grundtöne
der
Accorde
zeigen
folgende Zahlen:
Stabat
matcr
dolorosa Ebenso:
Juxtra crucem
läcrymosa
c b as
as es
as b c
c b as a s es as b c
21
1
0jl2
21
OjI2
Wir erkennen
einen wundervoll
symmetrischen Bau
mit
dem
Grundton
es
als Symmetriepunkt in der Mitte.
Eine
Steigerung
der Harmonie zur
Mitte und
Lcuckart,
Leipzig,
S.
S4l
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55
ein
Ausklingen
nach
dem
Schluss
hin.
Das entspricht
dem
Sinn
und der Be-
tonung .
Genau symmetrisch
ist
der
Bau,
wenn wir die 2
gleichen
Accorde
auf
„mater
und
„crucem
als einen
ansehen. Kurz
vor Schluss
steht der
einzige
MoU-Accord
o
i
i (b), aus
dem
dazu
symmetrischen o
3
i
(b) durch
Verminderung
von d
in des
entstanden.
Dum
pen-de-bat
c
as es
b
2
^01
fi
b
I
U-us
as
c
i
2
es
Der
Aufbau
wäre wieder symmetrisch (mit Steigerung nach der Mitte),
wenn
nicht in der gekürzten zweiten
Hälfte
es
^
o
fehlte. Die
3
ersten
Sätze
bilden
2 Stollen
und
einen Abgesang.
Die anderen
Sätze
stellen
sich
folgendermassen
dar:
Cu-jus
a
-
ni-mam ge-men-tem
as
as as
000
es
des
as
I
2
o
con
-tris-
as
es
T
ta-tam et do-len-tem
as
as as
es
des as
0001
2
o
as
as
Wir sehen
einen Auftakt „Cujus
resp.
„contris ,
dann
für beide Sätze
das
gleichgebaute
Hauptstück
in as.
Nach
diesen
beiden
Parallelstücken
(Stollen)
folgt
wieder
ein
Abgesang,
bestehend
aus
2
harmonisch
symmetrisch
gebauten
Stücken:
per trän
-
si
-
vit
gla
-
di
-
us
as
des
as
des
c
f
c
f
o
lOI
loio
as
f
Der
harmonische Bau der
ganzen
Composition
stellt
sich
folgender-
massen dar:
Stabat
mater
Juxta
crucem
•
dö
•
lä
•
lorosa
•
crymosa
}
dum pendebat
•
filius
Cujus
ani
Contris
-
tatam
•
mäm
•
et
•
gementem
•
dolentem
1
per
-
transivit
•
gladius
mit
den
Grundtönen
der Accorde
:
c
b
as
c
b
as
as
as
•
es
•
es
as
as
b
b
c
c
}
c as
es
b
•
b
•
as
c
c c as
as
es as
as
as
äs
•
äs
•
es
es
des
des
as
as
/
as
des as
des
•
c
f
c f
und deren
Zahlen
2
I
1
2
I
i
1
2
I
2
•
6
•
6
I
2
I
2
I
I
2
2
1
/
2 -1
6
I
•
I
.
1
2
^
i i
I
•
6
•
6
I
I
i
2
1
2
1
/
I
Ö
I
•
1
I
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—
56
mit
den
Grundtönen
der
Sätze
:
es
es
•
es
es
as
,
^
as
•
f
as
und
deren
Zahlen
zum
Grundton
as.
Abg-esehen
von
i
bei
„cujus
stellt
sich der
ganze
so
reich
gegliederte
Bau
des
Stückes,
mit
dem
manichfachen Wechsel
paralleler
und
symmetrischer
Theile,
in
den
Zahlen
der
Normalreihe
N^
=
o
2
i
2
dar.
Auch die
Anforde-
rungen
der
Rangordnung
sind
erfüllt.
Der
Accent sitzt
jedesmal
auf
der
Zahl
o.
Das
auffallende
y
hat
aber
seinen
besonderen
Grund.
Es
gehört
zu
dem schwachen
Auftakt
„Cujus ,
der
das
zweite
Hauptstück mit
dem ersten
verknüpft.
Es besteht
nur
aus
einem
Accord (c e
g),
demselben,
mit
dem
das
erste
Hauptstück
abschhesst. c
ent-
spricht
p
=
2
in
Bezug
auf
den
Grundton
es
des
ersten
Hauptstücks
und
p
=
|^ in
Bezug
auf
den
Grundton
as des
zweiten.
Das
Bedürfniss des
Uebergangs,
die
Aufgabe,
beiden
Theilen
zugleich
zu
dienen, hat
seine
Zahl complicirter
gemacht.
Der zweite
Theil
setzt voll
harmonisch
erst mit
„animam
ein.
Eine
Bestätigung
dieser
Deutung
sehen
wir
darin,
dass
die
Parallelstelle „Contris- ,
die
eine
solche
Verknüpfung
verschiedenartiger Theile
nicht
zu vollziehen hat,
nicht mehr
auf
c
mit
p
=
i
aufgebaut
ist,
sondern
auf
as mit
p
= o,
dem
Grundton der
beiden
be-
nachbarten,
durch „contris-
verknüpften
Theile.
Folgendes
möge
noch
hervorgehoben
werden:
Die
Steigerung
der
Harmonie
zum
Grundaccord nach
der
Mitte
und
das
Abnehmen
gegen das
Ende im
ersten Satz
finden
wir
in
grossen
Zügen
im
Aufbau der
ganzen
Composition
wieder. Sie
ist
auf
as
aufgebaut.
Aber
der
erste
Theil
sitzt
nicht
auf dem
Grundton, sondern
auf der
Dominante
es
(p
=
i).
Er
ist nur
ein
Vorspiel.
Ein vierstimmiger Chor
beginnt
piano
und
steigt zum
Mezzoforte
an,
im
Wechselgesang mit einem
zweiten
Chor.
Dann
erst
folgt
das
Hauptstück,
aufgebaut
auf
dem
Grundton
des
Ganzen
as
(p
=
o).
Jetzt
vereinigen sich
beide
Chöre
im Forte
zum „et
dolentem
pertransivit . Sie
singen laut
klagend
den Schmerz
der Mutter,
deren
Herz
durchbohrt wird.
Dann klingt es
leise aus in f
mit
p
=
2.
Es ist wunderbar,
wie
der
complicirte Bau
dieses
classischen
Stückes
sich in
den harmonischen
Zahlen
ausspricht, und
es
ist kein
Zweifel, dass
diese
Zahlen
der
Schlüssel
sind
zum
Verständniss
der Harmonie.
Es
entstand
nun
die
Frage,
ob
etwa
individuelle
Eigenthümlich-
keiten
des
Componisten
aus
den
harmonischen
Zahlen
abgelesen
und
mit
ihrer
Hilfe
zu Begriffen gefasst
werden
könnten,
ob
es
etwa
zur
Eigenart
Palästrina's
gehöre,
die Sätze
symmetrisch zu
bauen mit
dem
Schwer-
punkt,
dem
Grund-Accord in der
Mitte? Um
dies
zu beurtheilen,
müssten
Palästrina's
Werke darauf geprüft
und
mit denen
Anderer
vergHchen
wer-
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—
'57
—
den.
Das
nächste
Beispiel,
das
ich
untersuchte,
zeigte
die genannte
Eigen-
thümhchkeit
wieder.
Es
möge
im Folgenden
abgedruckt
werden.
Beispiel 7. Palästrina.^)
riten.
ppp^
Et
in
-
eli
-
na
-
to ea
-
Pi
-
te
e
-
mi
-
Sit
spi
-
ri
-
tum
eis
eis
h
a gis fis e e
fis fis
e
d
d
eis
a
a
gis
fis e d eis eis
d
d
eis h
h ais
e e
e
eis
eis
a a a a
a a
fis
fis
fis
a a e
fis eis
d
a a
d
d
a
h h
fis
0*1
o*' oji
0|-2
o|2
o^i
0*'
°i'
0^1
o^i oji
0i2
0^2
oll
a a e
a e
d
a a
d d
a
d
d
fis
a
d e
a
d fis
o
i
o
i
2
Wir
fmden
folgende Reihenfolge
der
Grundtöne:
Et
m
•
cli
-na-to ca-pi-te
•
e
-
mi-sit
spi
-ri-
tum
a
a
e
a e
d
a a
.
d d a
d
d
fis
o o
•
I O
I
i
o o
I
2
i
^
i i
^
2
O
2
2
2
a
Die
Symmetrie
der Anlage,
deutlich sichtbar, wäre
vollständig,
wenn
wir
nach
„in
einen
Accord
auf
dem Grundton
d
=
1
einfügten
und
einen
Accord
auf fis
=
2
im
zweiten Theil
statt
der Pause
vor
„emisit .
^)
Naumann,
Geseh. der
Musik.
1885,
461.
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—
58
—
Bestätigt
sich
für Palästrina
die
Vorliebe für
symmetrischen
Bau
mit
dem
Grundaccord
in der Mitte, so
sehen
wir
in
diesem Beispiel,
wie
Eigenschaften
der
Compositionen
eines Meisters sich in
der
Folge
der harmonischen
Zahlen
aussprechen,
so
dass
deren
Eigenart
zur Charakterisirung
des
Componisten
dienen
kann.
Zusammenfassung.
Fassen
wir die
Resultate zusammen,
so
fmden
wir,
dass
das
Gesetz
der Complication
uns einen
Einblick
in
das Wesen
der
musikaHschen
Harmonie gestattet. Wir
sind
im
Stand,
aus
ihm die
Accorde
und
Folgen abzuleiten,
die
Begriffe
Moll
und
Dur zu
begründen,
die
ver-
schiedenen
Arten
von
Tonleitern aufzubauen (diatonische,
chromatische,
en-
harmonisch-
chromatische),
die
Verwandtschaft der
Accorde und
Tonarten
durch einfache Zahlen auszudrücken, die
4
nicht übersteigen.
Wir
fanden
die
Ausbildung
unseres
Tonsystems
durch
harmonische
Entwicklung
der
Töne
innerhalb
der Octav
nach
dem
Gesetz der
Complication,
dann
durch
Fort-
bildung
auf der Octav
p
=
o,
00,
weiterauf der Dominante
p=i,
endHch
auf
den
nächst
wichtigen
abgeleiteten
harmonischen
Zahlen
p
^
i,
2,
3
gemäss
der Rangordnung, die das
Gesetz
der Complication vorzeichnet.
Wir
konnten
einen
Schlüssel aufstellen
(Seite
39),
der
uns befähigte,
Musikstücke zu
analysiren,
d. h. ihren
Aufbau in
den
harmonischen
Zahlen
(p)
der
Accorde und
der Folgen
der
Grundtöne
zu
erkennen.
Der ganze
harmonische
Bau
der untersuchten
Stücke
drückte
sich
in
den
Zahlen
0123
und
deren
Reciproken
| l
i
00 aus.
Es
ergab
sich
Allgemeines,
so
das
Beherrschtsein
der
Accorde durch
die Zahlen
p
=
03i,
O32,
das der Folgen
der
Grundtöne
durch
p
=
o
1
12;
der
Aufbau
aus parallelen und
symmetrischen
Stücken u. A.
Andrerseits
Individuelles,
der speciellen
Composition oder
dem
Componisten
Eigen-
thümliches;
so z.
B.
bei
mehreren
Stücken
von
Palästrina
die
Verleg'ung
des
Schwerpunktes
(Grund-Accord
und
Betonung)
in
die Mitte
eines
sym-
metrisch
gebauten
Satzes.
Alles
dieses
und vieles
Andere Hess
sich
aus
der
harmonischen
Zahlen-
reihe
ablesen,
die
wir bei
den
Krystallformen,
als
deren
Entwicklung
be-
herrschend,
kennen
lernten.
Als
beiden
heterogenen Gebieten
gemeinsam
erkannten
wir das
Entwicklung-Gesetz
der
Complication.
Es
erübrigt
noch eine
physiologisch
-psychologische
Begründung
der
Harmonie,
d. h.
der Nachweis,
warum
solches,
was
sich
in der
Aussenwelt
nach
dem
Gesetz
der
Complication
entwickelt
hat,
bei
der
Aufnahme
durch
unsere
Sinne
und
bei
Verarbeitung
durch
unseren
Geist
als
harmonisch
(congenial,
sympathisch,
wohlthuend)
empfunden wird. Dies möge
in
den
folgenden
Seiten für
die
Töne
versucht
werden.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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59
Physiologischer
und psychologischer
Grrund
der
Harmonie
der
Töne.
Die
Natur,
wie
die
musikalischen
Instrumente,
bringt
Töne
aller
Schwin-
gung-en
hervor.
Aus diesen
wählt
unser Ohr
Gruppen
aus,
die
ihm
im gleich-
zeitigen
Erklingen
(Accord)
oder
in der
Folge
wohlthuend,
angepasst
sind.
Die
so
als
zusammengehörig
ausgewählten
Töne
nennen
wir
harmonische
In
der
Art
der
Wahl
bildet sich
die
Einrichtung
des
Ohres
ab
und
wir
können
aus
der
Natur
des Gewählten zurückschliessen
auf
die
Einrichtung
des
Ohres.
Wir fanden für
die harmonischen Töne
zwei
Grund-Eigenschaften:
1.
Irrationales
Yerhältniss der
Grundtöne,
das ist
Gleichgiltigkeit
des
Grundtons
in
Bezug auf
Schwingungszahl
(Wellenlänge).
2.
Rationales
Verhältniss
der harmonischen
Töne
zum
Grundton
und
unter
sich.
Entwicklung der harmonischen
Töne
zwischen
Grundton
und
Octav
nach dem Gesetz der
CompHcation
(Normalreihe,
harmonische
Zahlen).
Analogie mit
der
Entwiciciung
der
Krystallformen.
Wir
haben
bei
den
Krystallen
eben-
falls
Irrationalität
der
Grundwerthe
(Elemente),
Rationalität zwischen
den
zu einer Krystall-
art
gehörigen, aus
den gleichen
Primärknoten
entwickelten
Formen
(Symbole, Indices).
Entwicklung der
Formen
zwischen den Knoten
nach
dem
Gesetz
der
CompHcation (Nor-
malreihe, harmonische
Zahlen).
Wir schliessen
in Betreff der
Einrichtung
des
Ohres folgendes:
1.
Das
Ohr
ist
im
Stand,
beliebige
(unter
sich
irrationale)
Töne auf-
zunehmen.
Das
kann auf zwei Arten
gedacht
werden:
a. Es
hat
für jeden
Ton ein
besonderes
Aufnahms-Organ,
oder:
b.
Es
hat eine Vorrichtung
zum
Accommodiren
auf den Ton.
2.
Die
Aufnahme des Grundtones befähigt
das
Ohr
zur vorzugsweisen
Aufnahme
der
zu
diesem
Grundton
gehörigen
harmonischen
Töne.
ad I.
Es
fragt sich: Ist
Annahme
a
oder
b
zu
machen,
oder
können
beide
Annahmen zugleich
bestehen?
Für a
spricht
die
von
Helmholtz
beschriebene Einrichtung
des Corti-
schen
Organs.
^)
Dies erscheint danach
als
ein Instrument
mit
vielen
Stäbchen,
deren
jedes
auf
einen Ton
abgestimmt
ist, den
es
aufnehmen
und den zum
Gehirn
führenden
Nerven
übergeben kann.
Diese Auffassung ist
wohl derzeit
von
den
Meisten
angenommen.
Mach^)
erweitert
Helmholtz' Auffassung.
Er
vermuthet,
es
könne
jedes
Stäbchen
als
Ganzes
und
in
Theilen
schwingen
und
so
die
Obertöne aufnehmen.
^)
Lehre
v.
d.
Tonempfindungen.
1877.
227.
^)
Beiträge
zur
Analyse
der
Empfindungen.
Jena
1886.
S.
113.
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-
61
—
Wir stellen uns
den Process
folgendermassen
vor:
Ein
herankommender
Ton
bestimmt
das harmonische
Organ sich ihm
anzupassen, d. h. in
Längen
zu
schwingen,
die den
Wellenlängen des
Tons
entsprechen.
Damit fixiren
sich
im Organ die Primärknoten. Ist die Fixirung
geschehen,
so
bedingt
die
Vertheilung
der
Primärknoten
eine
Fähigkeit
zur
Bildung
abgeleiteter
Knoten
nach
dem
Gesetz der
Complication. Diese
abgeleiteten Knoten theilen
die
Gebiete zwischen den Primärknoten, entsprechend
den zum
Grundton gehörigen
harmonischen
Tönen. Nach Festlegung
der Primärknoten
genügt
eine leichte
Anregung (Auslösung),
um
die
abgeleiteten
Knoten
zu erzeugen.
Das
heisst:
nach
Accommodirung
auf
den
Grundton spricht das
Ohr leicht an
auf
die
zu-
gehörigen harmonischen
Töne; nicht
so auf
andere.
Analogen
i.
Ein
Bild
des Vorgangs giebt die gespannte
Saite.
Nach
Spannung
auf
den
Grundton
(die
Primärknoten
bilden
die
Enden
der
Saite)
ist
sie
geneigt,
abge-
leitete Knoten zu
bilden,
deren
Abstände die Saite
einfach
rational
theilen. Eine
leichte
Beeinflussung
an
Stelle eines
prädestinirten Knotens
bestimmt
dessen
Bildung
(Flageolet-Töne).
Eine gespannte
Membran
theilt sich
beim
Erklingen
eines
Tons
und zeigt
aufge-
streuten
Sand nach KnotenHnien
geordnet. Mit Aenderung des Tones
ändern sich
die
Knotenlinien (Savart's Klangfiguren).
Analogon
2.
Beim
Kr
stall
fixirt
der
Bau
der Partikel die Lage
der krystall-
bauenden und flächenbildenden
Primärknoten.
Sie liefern die
Primärform.
Die Fixirung
der
Primärknoten bedingt
eine
Fähigkeit zur
Bildung
abgeleiteter
Knoten
nach dem Gesetz
der
Complication (abgeleitete
Flächen). Eine leichte Anregung
(Aenderung
in
der Mutter-
lauge) genügt,
abgeleitete
Knoten
(Flächen)
zu erzeugen.^)
Zur
Accommodirung des harmonischen
Organs
sind
Vorrichtungen nöthig,
die
dies ermöglichen. In
der
That
besitzen
sowohl das
Trommelfell,
als
das
Corti'sche
Organ Spannmuskeln,
deren physiologische Bedeutung, soweit
ich
erfahren
konnte, noch
nicht
gesichert
ist.
Das
Functioniren
des harmonischen
Organs
kann
folgendermassen
ge-
dacht
werden: Schwingt das
harmonische Organ im
Ohr
bei
schwächster
Spannung
als
Ganzes,
so
nimmt
es
den
tiefsten
Ton
auf,
zu
dessen
Aufnahme
es
fähig
ist.
Kommt
ein diesem
naheliegender
Ton heran, so
accommodirt
sich
das Organ
durch
Anspannen oder Lockerlassen
auf diesen. So
ist
der
Grundton
des Ohres veränderlich
in gewissen
Grenzen.
Eine
bestimmte
Spannung des
harmonischen
Organs,
ein
bestimmter
Grundton
des
Ohres, prädestinirt
die
Bildung bestimmter
abgeleiteter
Knoten
und
zwar durch Halbirung
(Octave) und
weitergehende
Theilung
innerhalb
der
Octav
nach
dem
Gesetz
der
harmonischen
Zahlen
(CompHcation).
Die
Stücke,
zwischen
zwei
abgeleiteten
Knoten
schwingend,
nehmen
die
zum
Grundton
gehörigen harmonischen Töne
auf.
Kommt nun
ein
Ton
heran,
der
einem
oder
mehreren
der
vorbezeich-
neten
Knotenabstände
entspricht,
so
wird
er
leicht
aufgenommen.
Liegt
er
^)
Vgl.
Zeitschr. f.
Kryst. 1897. 28.
7.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
62
—
einem
solchen
nahe,
so bestimmt
er
das
Organ, sich
durch geänderte
Spannung-
zu
accommodiren,
so
dass
ein
Knotenabstand
genau
dem
Ton
entspricht.
Musikalisch
fein
hören
^)
heisst
danach, die
Spannung genau einem
Ton
accommodiren
resp. eine
kleine
Differenz
zwischen Ton und Spannung
bemerken.
Die
Feinheit
im
musikalischen
Hören,
durch Natur-Anlage
ver-
schieden,
kann
ausgebildet
werden
durch
Uebung
in diesem Vergleichen und
Accommodiren.
Falsche
Töne.
Das
Organ
sei auf
einen erklingenden Ton oder Accord
accommodirt,
den
es
eben
aufnimmt.
Es
ertöne
dazu
ein
benachbarter
Ton,
so
entsteht
ein
Widerstreit
der
Accommodirung,
der unangenehm
empfunden
wird.
Wir
sagen
der
neue
Ton
klingt
falsch.
Das
Organ
kann
auch
vom
Gehirn
her
(durch Innervation)
gespannt,
auf
einen
gedachten,
erinnerten
Ton
accommodirt
werden. Dann klingt ein
gehörter
benachbarter
Ton
falsch.
Aufnahme
eines
Accordes.
Durch
die
Spannung
sind die
harmonisch
zusammengehörigen
Knoten,
Töne
vorgezeichnet
(prädestinirt). Sie
bilden
beim
Zusammenklingen
Accorde.
Die
Töne eines
Accords
können
daher
bei
derselben
Spannung
und
Knotenbildung,
d. h. zugleich aufgenommen
werden.
Ein
Ton
kann
verschiedenen
Harmonien
angehören,
d. h.
verschiedener
Spannung
und
verschiedener
Knotenbildung.
Spannen
(Accommodiren)
des
harmonischen
Organs
erfolgt
auf Anregung
des
herankommenden
Tons.
Wir
können
die Spannung aber
auch
vollziehen,
ohne
dass
ein
Ton
herankommt.
Nachdem
die
Spannung
des
harmonischen
Organs
auf
einen
Ton
vollzogen ist,
bedarf
es
einer
schwachen
Anregung,
um
den
Eindruck
dieses
Tones
vom
Gehörorgan
dem
Gehirn
zuzuführen.
Spannung
und
Anregung
kann
durch
Innervation
vom
Gehirn
her,
vielleicht
unter
Mitwirkung
der
Nachbarorgane
geschehen;
so
dass
ohne
Anregung
von
aussen
das
harmonische
Organ
des
Ohrs
erklingt.
Man kann
Töne
denken,
Töne
träumen.
Ohr
und
Mund.
Unser
Hauptorgan
zum
Hervorbringen der
Töne ist
der
Mund.
Seine
Töne
übertragen
sich
auf
das
Ohr
auf
äusseren
und
inneren
Wegen.
Innen
durch
die
Eustachische
Röhre
und
durch
die
festen
Theile
des Kopfes.
Bringe
ich
einen
Ton
im
Mund
hervor,
so
stellt
sich
das
Gehörorgan
auf ihn
ein.
Durch
Wiederholung
und
Vererbung
bildet
sich
ein
fester
Zusammenhang
zwischen
Tönen des
Mundes
und
Ein-
stellen
des
Gehörorgans,
eine
Gemeinsamkeit
der
Action
und
dadurch
Gegenseitigkeit,
so
dass
auch
umgekehrt
eine
bestimmte
Einsteilung
des
Gehörorgans
die
entsprechende
Tönung
im
Munde
bedingt
(einstellt,
anregt,
erwartet,
wünscht). Denke
ich
einen Ton,
so
will
ich ihn
zugleich
singen,
summen,
pfeifen,
und
wird
das Denken
lebhaft,
so
kommt
der
Ton
unbewusst
im
Mund
zur
Lautbildung.
Die
Einstellung
des
Mundes
zur
Erzeugung
eines
Tones
bewirkt
die
Einstellung
des
Ohrs
zu
dessen
Aufnahme
und
umgekehrt.
Es
kann
sein,
da
ss
die
Einstellung
des
Mundes,
vielleicht
verbunden mit
der
Athmung,
die
^)
Anm.
Fein
Hören
und
musikalisch
fein
Hören ist
nicht
dasselbe.
Das
heisst:
Empfindlichkeit
für
Tonschwingung
ist
etwas
Anderes
als die
Fähigkeit
des
Ohrs
zu
weitgehender
harmonischer
Differenzirung
und
genauer
Anpassung.
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—
63
—
obengenannte
Anregung ist,
die
die
gedachten
Töne
hörbar
macht,
ohne
dass von
aussen
etwas klingt.
Wahrnehmung
der Spannung des
Gehörorgans. Denke
ich einen Ton,
so bemerke
ich
zwischen
Ohr
und
Kehlkopf einen
Druck.
Denke
ich
einen höheren
Ton,
so
empfinde ich
einen
stärkeren
Druck,
so
weiter,
bis ich
einen höheren
Ton
nicht
mehr
denken
kann.
Dabei
entsteht
das
Gefühl, als könnte
ich
nicht
stärker
drücken.
Das
Denken
eines
tieferen
Tones
bringt
das
Gefühl
eines
Lockerlassens
oder Ausweitens
und
zwar
umso
mehr,
je
tiefer
der Ton
ist, bis
zu
einer Grenze, wo
weiteres
Nachgeben
als
unmöglich
empfunden
wird. Dies Denken bringt
sogar
eine
Ermüdung
der betreffenden
Theüe
hervor.
Die
so gedachten
Töne
sind im Allgemeinen
die,
die
der Mund
hervorbringen
kann,
doch
sind
die
Grenzen weiter.
Ich kann Töne
noch denken,
die
der
Mund
nicht
mehr
hervorbringt.
Die genannte
Pressung dürfte
zusammenhängen
mit
der
Spannung
des
Stimmorgans oder
des
Gehörorgans
oder
beider
zugleich.
Ich halte letztere
Annahme
für
die
wahrscheinliche.
Vielleicht
lässt sich
ein experimentaler Beweis
erbringen,
dass
der
Wechsel
der Spannung
des
Gehörorgans
resp.
die Arbeit der
sie
bewirkenden
Muskeln
(ev.
neben
der des
Stimmorgans)
beim
Denken
der
Töne
empfunden
wird.
Das
würde
direkt
die
Accommodirung des
harmonischen
Organs für
verschiedene
Töne
durch
wechselnde
Spannung
zeigen.
Entwicklung des
Tonsystems,
Die
ersten
abgeleiteten
Knoten
können
wie primäre
wirken,
indem
sich
zwischen
ihnen aufs
Neue
Knotenbildung-
vollzieht. Das
sich harmonisch
compHcirende
Stück ist dann
2,
f
• • •
mal
so
gross als
das
ursprüng^liche. Musikalisch sagt
man: Der Grundton
ist um
eine
Octav,
eine
Quint
• • •
verlegt.
Das
kann
sich wiederholen.
Wir
er-
halten
harmonische
Ton-Entwicklung
durch Fortbildung
auf
der
Octav,
der
Quint
u. s.
w.
wie
wir sie
kennen lernten.
Alles nach
dem Gesetz
der Com-
plication.
So
entwickelt sich das Tonsystems.
Analogie.
Entwicklung des
Formen-Systems
bei
Krystallen.
Der
analoge
Process
bei
den
Krystallen
ist die Bildung
der
abgeleiteten Knoten
(Flächen) zwischen den
primären (Primär-
zonen)
mit einer
ersten Dominante,
entsprechend der Quint. Dann
Bildung von
Secundär-
zonen
zwischen
den Primärknoten und ersten Dominanten,
von
Tertiärzonen
zwischen
den
ersten
Dominanten
u.
s.
w.
Alles nach dem
Gesetz der
Complication. So
entwickelt sich
das
Formensystem.
Die
Verwandtschaft
der
Töne
und
der
Accorde
beruht
danach
in
der
Gemeinsamkeit
der
Knoten. Zwei Töne
(Accorde)
betrachten
wir
als
um
so
näher
verwandt,
je
mehr
und je
wichtigere
Knoten des
harmonischen
Organs
(bei
gleicher
Spannung)
ihnen
gemein
sind.
Untere
und
obere
Grenze
der
Tonempfindung.
Die
untere
Grenze ist
gegeben
durch
die Fähigkeit
des
Lockerlassens
des
harmonischen
Organs.
Die
obere
Grenze ist die,
wobei
bei fortgesetzter
Theilung
die Kleinheit der
Abstände
ein freies
Schwingen des
Zwischenstücks
nicht
mehr
zulässt.
Die
Grenze
ist
nicht
scharf
und
individuell
verschieden.
Analogie
bei
den
Krystallen.
Je
weiter die
Dififerenzirung
geht,
desto
schwächer
werden
die
Flächen
und desto kleiner
ihr
Winkel-Abstand.
Bei einer
gewissen nicht
scharfen
Grenze
tritt
Unsicherheit
in Position
und Erkennung
ein
(gewisse
vicinale Formen).^)
^)
Vgl.
Goldschmidt,
Index d.
Krystallformen.
1886.
I.
147.
Zeitschr.
f
Kryst.
1897. 28.
7.
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—
64
—
Zwei
Arten
von
Dissonanz
unterscheiden
wir:
1.
Disharmonie.
Die
Töne
g-ehören nicht zum gleichen Accord, nicht
zur
gleichen
Entwicklung
in der Octav.
2.
Rauhigkeit.
Die Töne
bewirken
durch g'eg'enseitige
Nähe
eine
störende
Interferenz.
ad
I. Disharmonie.
Wir
schlag-en zugleich die Accorde
an:
ceg
=
o 3
I
(c)
und
g
h d
=
o
3
I
(g).
Jeder
der
beiden ist für sich
harmonisch.
Er
entspricht
einer
bestimmten
Einstellung
des
Ohrs und
einer
bestimmten
Auffassung
des
Geistes.
Beide
zugleich
aufzunehmen
ist nicht möglich.
Die
Zumuthung
des
Unmöglichen
und die Anstrengung, es
doch leisten
zu
wollen,
ist
das
Quälende
solcher
Disharmonie.
Beispiel.
Es
spielen
zugleich
zwei Musiker
jeder ein
anderes Stück.
Jedes
für
sich
harmonisch,
im
Zusammenklingen
quälend
wegen
der
Zumuthung
und
doch
Unfähig-
keit beide
aufzunehmen.
Die
Aufnahme
von
Disharmonien kann
geschehen
durch raschen
Wechsel
in
Aufnahme der
Theile.
Dazu
hilft
Uebung und
Erziehung.
Die
Ausbildung
der
Fähigkeit,
Disharmonien zu zerlegen und
in
so
rascher
Folge
aufzunehmen,
dass
die
Aufnahme gleichzeitig erscheint, kann bis zur Virtuosität
gebracht
werden.
Einem, der das
gelernt
hat,
der wohl auch
das
Talent des
raschen
Wechsels
besitzt,
können Disharmonien Freude machen, mehr
als
Harmonie,
die
ihm
nicht
das
anregende
Spiel
gewährt.
Analogon.
Es
gibt
unruhige
Geister,
die
eine
einfache
Beschäftigung unbefriedigt
lässt
und die
erst
in
ihrem
Element sind,
wenn
sie Mehreres zugleich
thun und aufnehmen.
Auch
hier ist
es,
streng
genommen,
kein Zugleich,
sondern
rascher
Wechsel. Es
ist
eine
Disharmonie der
Thätigkeit,
die anregt,
aufregt und die
Nerven anstrengt.
Aus
dem
Gesagten
erklärt sich,
warum Musikalisch-Unerzogene
Disharmo-
nien nicht
mögen.
Mit
Verfeinerung
der
musikalischen
Ausbildung
wächst
die
Freude
an
Disharmonien, d. h. an
complicirten
Aufgaben
und
rasch
wech-
selnden
Reizen
bei
Künstlern
und
Publikum.
Wiederholt
sich die Arbeit der Aufnahme
von
Disharmonien,
so
wirkt
das aufregend
und nervös machend
für solche, die
die
Aufnahme
vollziehen
können,
quälend
und
ermüdend
für solche, die
es
nicht können. Das
ist
der
Zustand
eines Theiles
der
modernen
Musik.
Nach
der
Anstrengung
der
Disharmonie wird die
Rückkehr zur
mühe-
losen
Aufnahme
der
Harmonien
als Ausruhung und
Wohlthat
empfunden.
Daher
werden
in
guten Musikstücken
Disharmonien
aufgelöst,
d. h.
von
Wohl-
klängen
gefolgt,
und
sie
schliessen
in
einfach
harmonischen Accorden.
ad
2.
Rauhigkeit
durch
Interferenz
benachbarter Töne
wurde
von
Helm-
holtz
eingehend
studirt. ^)
Ihm
verdanken wir
die Kenntniss der
hier
gelten-
den
Gesetze.
Er
betrachtet
ihr
Fehlen
geradezu als
Kennzeichen
der
Harmonie.
^)
Lehre
von
den
Tonempfindungen.
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65
—
Solche
Rauhig-keit wird
stets
als unang-enehm
empfunden, doch
ist
ihr
Fehlen
zur
Erklärung
des
positiven
Genusses der Harmonie nicht
ausreichend,
wie
Mach^) hervorhebt.
Die Beseitigung-
der störenden
Rauhigkeit
klärt
die
harmonischen Klänge,
aber
es
vermag
nicht
ihren Wohlklang
zu bewirken.
Es
ist
eine kritische
Arbeit am Fertigen,
aber
selbst
unfruchtbar.
Eine
Er-
klärung
der
Harmonie
fmden
wir
in
der Entwicklung
der
musikalischen
Töne
und
dem Functioniren des
Gehörorgans nach
dem
gleichen
Gesetz
der
Com-
plication.
Harmonische
Entwicklung schliesst
Rauhigkeit
im
Zusammenklingen
nicht
aus.
Wir
fanden Rauhigkeit
im
Accord
p
=
oii200
=
cfgac.
Diese
entfiel
durch
Weglassen
der
I
(g).
Das
verschaffte
dem
Accord
p=:oii=ceg
den Vorzug vor
oii=cfg.
In
der
Folge,
bei der durch
Nicht-Zusammenklingen
die
Rauhigkeit
entfällt,
tritt
die einfachere
Harmonie
o^i
in
ihr Recht vor
oii.
Analogon.
Disharmonie
und Rauhigkeit in der
Formen-Entwiciciung
der
Krystalle.
Der
Disharmonie in
der Musik nach
obiger
Auffassung
entspricht
bei
den Krystallformen
folgende
häufige Erscheinung:
Zwei
oder
mehr heterogene
Ursachen
suchen
Flächen-Normalen
ähnlicher
Richtung
hervorzubringen.
Die Flächen-Normale
kann
nicht diesen
zugleich
gerecht
werden,
sie
erhält
schwankende Position.
Die
Fläche
wird
krumm
oder uneben,
der Reflex
ausgedehnt,
das
Symbol schlecht,
in die
Reihen
nicht passend. Es
verschwindet
die,
der Harmonie
entsprechende, ebene
Ausbildung
und
die
Einordnung
an
einen
durch
die
Gesetze
der CompHcation und
der
freien Entwicklung vorgezeichneten
Ort.
Beispiele
sind
manichfaltig,
je
nach der
Natur
der heterogenen Ursachen.
Häufig
finden
wir:
Nahes Zusammenrücken
heterogener
Knoten durch Zwillingsbildung, durch
heteroaxiale
und schiefe Verwachsung, durch
isomorphe Verwachsung und fremde
Einlage-
rung.^)
Jede
Störung eines
Krystalls
in
Bau
und
Zusammensetzung
liefert
solche
Dis-
harmonien.
Der
Rauhigiceit
in der
Musik
nach
obiger
Auffassung entspricht
bei den
Krystall-
formen
folgende häufige
Erscheinung:
Zwei oder
mehr
Flächen-Normalen entstehen
an
einfachen,
ungestörten
Krystallen dicht
bei
einander,
so
dass
sie
einander
ablenken. Die
Flächen werden
krumm
und
erhalten einen
schwankenden
Ort.
Es bilden sich
Ueber-
gangsflächen,^)
Vicinalflächen
und
manche
Arten
von Conflictflächen.*)
Beispiele
sind
manichfaltig nach
Art der
Ablenkung
und
des
Conflictes. Häufige
Ursachen solcher Unebenheit
(Rauhigkeit)
sind
: Benachbartes
Einschneiden
mehrerer
Zonen,
Ablenkung
durch
dichtes
Vorbeistreichen
oder
schiefes
Einschneiden
starker
Zonen,
ein
starker Knoten
in
der
Nähe
eines
schwachen
Zonenstückes
u.
A.
Frage.
Ist Wohlklang,
d.
h. Harmonie
in
Accorden und
Folgen,
ein
nothwen-
diges
Erforderniss
der
Musik?
Die
neueste
Musik
erkennt dies
Erforderniss
theil
weise
nicht
an.
Es
fragt
sich:
Soll
man definiren:
Musik
ist
die
Kunst, durch
Wohlklang
der
Töne
auf Ohr
und
Gemüth
zu
wirken, oder
genügt die
Definition:
Musik ist
die
Kunst,
durch
Töne auf
Ohr
und
Gemüth
zu
wirken.
*)
Beitr.
z.
Analyse
d.
Empfindungen.
Jena
1886.
114
u.
119.
2)
Vgl. Zeitschr.
f.
Kryst.
1898.
29.
381.
^)
Vgl. Zeitschr.
f.
Kryst.
1896. 26.
i.
'*)
Vgl.
Hessen b
erg.
Senckenb.
Abb.
1869.
7.
36.
Goldschmidt,
Index d.
Kry-
stallf.
1886.
1.
536.
Goldschmidt, Harmonie etc.
*'
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—
66
—
Ich
glaube,
das
Wort Wohlklang
kann
nicht
entbehrt
werden,
wenn die Musik
eine
schöne
Kunst
sein soll.
Gewiss können auch
Missklänge
das Gemüth, und
zwar
aufs
Heftigste,
bewegen.
Schreien,
Stöhnen,
Jauchzen
kann
Furcht, SinnHchkeit
oder
Freude
lebhafter
ausdrücken
und
erregen
als die
schönsten
Wohlklänge.
Mit solchen
Wirkungen
arbeitet
bewusst
die neueste
Musik
(Kakophonien).
Doch dürfte
in
dieser
Einführung eine
Entartung
der
Musik
zu
sehen sein. Sie
führt
in
ihrer
Weiterbildung
vom
Harmonischen
zum
Naturalistischen
zurück,
zu
den Anfängen
der Musik, zu
dem
Furcht-,
Wuth- und
Liebes-
geheul
der
Wilden.
Die
Kunst,
durch Töne
auf
Ohr und
Gemüth
zu
wirken, besitzt
auch
die Sprache.
Erst
durch
den
Wohlklang
wird sie
zur
Musik.
Die
Grenze
ist
nicht
scharf. Durch
Vermehrung
des
Wohlklangs
wird Deklamation zum Gesang.
Ueber
die
physiologische ZuläSSigiceit
der
Hypothese
suchte ich
mir
Klarheit
zu
verschaffen und bin besonders
Herrn Prof.
J.
Rosenthal
in Er-
langen
und
Herrn Prof.
L. E
ding- er in
Frankfurt dankbar
für
deren
Mit-
theilungen.
Soviel
ich
erkennen
konnte,
ist
die
Hypothese
der
Accommo-
dirung
des
harmonischen
Organs
(wahrscheinlich
des
Cor
ti' sehen Organs,
vielleicht
auch des Trommelfells oder
eines
anderen
Ohrtheils)^)
durch
Druck
und
Spannung und die
Differenzirung
durch
Knotenbildung
nach dem
Gesetz
der
Complication
nicht
im Widerspruch mit
den
physiologischen Thatsachen,
wenn
sich
auch
die
Rolle der
einzelnen
Theile
des
Organs
dabei
noch
nicht
sicher deuten lässt.
Die
Helmholtz'sche Erklärung
lässt
das
Corti'sche Organ
als
eine
Claviatur
erscheinen,
die
bereit
ist,
eine grosse,
aber
begrenzte
Zahl
von
Tönen
aufzunehmen.
Sie gibt aber keine
Erklärung
für die
Zusammengehörigkeit
und
die
wohlthuende
Wirkung
der
harmonischen Tongruppen. Sie
erklärt,
wodurch die
Harmonie
gestört
wird, aber
nicht,
durch
was sie
bewirkt
wird.^)
Gegen unsere Hypothese
kann eingewendet
werden,
dass
sie physio-
logisch
nicht
genügend
begründet
ist.
Es fragt
sich anderseits
ob
Helmholtz'
physiologische Deutung
genügend gesichert
ist.
Ob
nicht
vielmehr statt
des
Ansprechens
auf
fest vorgezeichnete
Töne
ein
Accommodiren anzunehmen
ist,
dessen
die
Organe
fähig
und
zu
deren
Ausführung
die
nöthigen
Apparate
vorhanden
sind.
Für die
Accommodirung
spricht
auch folgendes: Wir
können
beim Hören
eines
mehrstimmigen
Satzes
einer
beliebigen Stimme folgen z. B. dem
Tenor
oder der Flöte,
so
dass wir
diese fast ausschliesslich
hören,
die anderen ab-
geschwächt.
Wir
accommodiren
das Ohr
auf
die
eine
Stimme
resp.
deren
Töne
oder
Accorde
der
Reihe
nach.
Analog accommodiren
wir das
Auge
') Vgl.
E. Mach.
Wien.
Ak.
Sitzber. 1863.
48
(2)
296.
-)
E.
Mach
sagt
hierüber
(Beitr.
z.
Analyse
d.
Empfindungen.
Jena
1886.
S.
119):
„Bei
aller
Anerkennung,
die der
Helmholtz
'sehen
Theorie
entgegengebracht
wurde,
hat
es
doch
nicht an
Stimmen
gefehlt,
welche
die Unvollständigkeit derselben
hervorgehoben
haben.
Ziemlich
allgemein
hat
man das positive Moment bei
Erklärung
der
Harmonie
vermisst,
indem
man
sich
mit
dem
blossen
Mangel an
Schwebungen
als
zureichendem
Merkmal
der
Harmonie
nicht
zufrieden
geben
wollte.
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67
—
abwechselnd
auf verschiedene
Gegenstände
unserer
Umgebung , wobei
die
anderen
undeutUch
erscheinen.
Geschähe keine Accommodirung-,
so
hätte
ein
Musikstück eine
bestimmte
Wirkung
auf das
Ohr.
Eine
Auswahl
in
der
Aufnahme ist nur
durch wechselnde
Accommodirung denkbar.^)
Je
nach
Talent
und
Uebung
im auswählenden
Accommodiren
kann
ein
Zuhörer
aus
einem
Chor- oder
Orchesterstück
mehrere
Stimmen
zugleich
d.
h.
in unmerklich
raschem
Alterniren
verfolgen. Ihm
löst
sich ein
mehrstimmiges
Stück in
Einzelstimmen
auf. Ein
ungeübtes
oder
minder
talentirtes
Ohr folgt
nur einer
Stimme,
oder alle verwirren
sich
zu
einem
dem
Geräusch ähn-
lichen Getön.
Einwand. Man
könnte die
Auswahl
im
Gehirn
allein (nicht
im
Ohr)
suchen und
sich den Vorgang so
vorstellen
, dass
mehrere Systeme
von Knotenbildung
zugleich
das
harmonische
Organ
theilen, wie
mehrere
Wellensysteme
zugleich über
einen Wasserspiegel
hingehen.
Accommodirung
der
Aufmerksamkeit,
die
nun
eine
That
des
Gehirns
wäre,
wählte
eines dieser Knotensysteme
aus und folgte ihm. Es ist
zu
prüfen,
ob
diese Auf-
fassung
die
richtige
ist,
und
wenn
dies
der
Fall ist, ob nicht
die
Auswahl
seitens
des
Geistes eine
Bevorzugung
im Gehörorgan
zur
Folge hat,
das
heisst,
eine Accommodirung
des Ohrs
auf
das Ausgewählte,
so dass beide
Erklärungen
zusammenfallen.^)
Für
Accommodirung
sprechen
ferner gewisse
pathologische
Erscheinungen,
die
von ausgezeichneten
Musikern an sich
selbst
beobachtet
wurden
(krank-
haftes
Falschhören),
So
schreibt
der
Componist
Robert Franz
an
seinen
Sohn^): „Was
nun
deine
Fragen
betrifft,
so
versagten
mir vor
einigen
lo
Jahren
die
Ohren
nicht
den Dienst
in
Bezug
auf
verwandtschaftliche
Verhältnisse der Tonarten
unter
einander, sondern in
Bezug
auf
ihre
locale Nähe.
Hatte ich
z.
B.
ein Stück in
C-Dur
gehört, so
vernehme
ich
das
D-Dur
noch eine
Zeitlang
in C-Dur. Die
naheliegende
Tonart
musste sich
förmlich
erst
Terrain
erkämpfen.
. . .
War
die
Tonart festgestellt,
dann gingen
die Ohren in
die
entlegensten
Uebergänge
mit.
Dies Verhalten
scheint zu
beweisen,
dass
eine
krankhafte
Schwächung
in der
Fähigkeit
des Accommodirens
auf den
Grundton
vorlag,
während
die
Fähigkeit
des
Organs
zur
harmonischen
Differenzirung
nicht
gelitten
hatte.
Einen
ähnlichen
Fall berichtet
Stumpft)
von
einem
gehörleidenden
Musiker
(Beck
h).
Dieser
schreibt:
„(Ich
hörte) beim
Schliessen
des
gesunden
Ohres mit
dem
kranken
jede
Musik
einen halben Ton tiefer,
aber
dennoch
in richtiger
Harmonie.
Ich
machte
den
Versuch
tausendmal,
jedesmal
mit dem
alten
Erfolg.
1)
Vgl.
E.
Mach.
Wien. Ak.
Sitzber.
1863.
48
(2)
297.
Er
sagt
u. A.:
„Wollen
wir
nun,
der
Richtung
unserer
Physiologie
entsprechend,
unter
Aufmerksamkeit
nicht
irgend
ein
mystisches
Ding,
sondern eine
körperUche
Disposition
verstehen,
so
liegt es
sehr
nahe,
sie
wenigstens
zum
grössten
Theil
in
der
veränderhchen
Spannung
der
Ohrmuskel
zu
suchen.
So reducirt
sich
ja
auch
das,
was der
gewöhnliche
Mensch
aufmerksames
Sehen
nennt,
grossentheils
auf Accommodation
und
Augenaxenstellung.
Wem
die
Accommodation
fehlt,
der
kann
noch
so aufmerksam
sehen
wollen, er
wird
doch
nicht
sehen.
-)
Vgl.
C. Stumpf.
Tonpsychologie
1883.
i.
417.
^)
Ebenda S.
424.
K*
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—
(38
-
Die
Erscheinungen
könnten
entweder
so
erklärt werden,
dass
das
er-
krankte
harmonische
Organ
auf gegebene
Anregung nicht
mehr
die
richtige
Accommodirung
vollzieht,
oder
dass das harmonische
Organ
richtig
funktionirt,
aber
eine
Nervenerkrankung
die
Ueberleitung
oder
die
Verarbeitung
im
Gehirn
falsch
macht.
Vielleicht
liefert
dieser pathologische Zustand
eine Handhabe
zur
experimentellen
Prüfung
der
Accommodirung.
Harmonie
in psychologischem
Sinn.
Wir
gebrauchen das
Wort
Harmonie in dreifacher
Bedeutung: im
Sinn
der
Physik
als Verhältniss
der
Schwingungen
harmonisch
zusammengehöriger
Töne;
im
Sinn
der
Physiologie als
Wirkung
harmonischer Töne auf unser
Ohr
und
Gehirn;
im
Sinn
der
Psychologie
als
Genuss,
Freude
unseres
Gemüths
an
den
harmonischen Tönen,
Erkenntnisstheoretisch ist
es
wichtig,
festzustellen,
dass
unser Verstand
für
die
3
heterogenen,
aber
orga-
nisch
verknüpften Begriffe ein
gemeinsames
Wort
(Harmonie)
gewählt
hat.
Für
jede
Sinnes-Empfmdung besteht
aber
die
Aufgabe,
den
Zusammen-
hang
zwischen
dem
entsprechenden physikalischen
Vorgang
(in der
äusseren
Natur),
der
(physiologischen) Verarbeitung
durch
das
Aufnahmsorgan,
dann
durch das
Gehirn
nachzuweisen, ferner
(psychologisch)
deren Wirkung
auf
das
Gemüth
zu
zeigen,
endlich
(erkenntnisstheoretisch)
zu
erkennen,
wie
der
Verstand
die
Vorgänge
verarbeitet und
die zugehörigen
Begriffe
bildet.
Wir können
defmiren
:
Harmonie ist eine den
Sinnen
und
dem
Gemüth
WOhlthuende
Gruppirung.
Harmonie
der
Töne
ist
danach eine
dem
Ohr und
Gemüth wohlthuende
Gruppirung von Tönen;
Harmonie der Farben
ist eine
dem
Auge
und Gemüth
wohlthuende Gruppirung
von
Farben.
Indem
wir
annehmen, dass das
den
Sinnen
und dem
Gemüth
wohlthut,
was
der Eigenart
der Sinne angepasst ist,
können
wir auch
defmiren:
Har-
monie
ist
eine
den
Sinnen
angepasste,
destialb
dem
Gemüth
wohlthuende
Gruppirung.
Harmonie der
Töne
ist danach eine
der Eigenart des Ohrs
an-
gepasste,
deshalb
dem
Gemüth wohlthuende
Gruppirung
von
Tönen.
Har-
monie der
Farben ist eine
der Eigenart
des
Auges angepasste,
deshalb dem
Gemüth wohlthuende Gruppirung von Farben.
Es
entsteht
nun
die
Frage:
Wieso
wird
Harmonie
als Genuss
empfunden?
Um dies
zu beantworten,
fragt
es
sich:
Was
ist Genuss.
Ich
glaube,
man kann sagen:
GenuSS
ist
eine
gefühlte
Förderung
unserer
Lebensfunotionen.
Unsere
Lebensfunotionen
bestehen in Thätigkeit
und
Erholung.
Das
Leben
setzt
sich
zusammen
aus den Functionen
vieler
Organe.
Jedes
Organ
hat
bestimmte
Functionen,
deren
Bcthätigung
ein Theil unserer
Lebensfuno-
tionen
ist.
Jedes
Organ
hat demnach
die
ihm cigenthümlichen Genüsse
durch
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—
69
—
Thätigkeit und
Erholung-
in
der
seiner
Einrichtung
entsprechenden
Weise.
Wir haben
Genüsse
des
Ohrs,
des
Auges,
der
Nase,
des
Magens,
des
Geistes u.
s.
w.
Die Genüsse
von
Auge
und
Ohr
nennen
wir das
Schöne.
Die
Er-
zeugung
der
Genüsse
für
Auge
und
Ohr
nennen
wir
Kunst.
Der
Begriff
Kunst
gilt
erweitert
auch
für
die
Genüsse
der
anderen
Organe.
Wir
sprechen
von Kochkunst
(für
Zunge
und
Magen),
Parfümeriekunst
(für
die
Nase),
Gym-
nastische
Kunst
(für
Bethätigung
der
Muskeln)
u. s.
w.
Im
Gegensatz
zum
weiteren
Begriff
bezeichnen
wir
die
Künste
für
Auge
und
Ohr
als
die
Kunst
des
Schönen
oder
die
schöne
Kunst.
Schön
ist,
was
Auge
oder
Ohr
erfreut.
Die schöne
Kunst
für
das
Ohr
nennen
wir
Musik.
Ein
Theil
der
Musik
ist
die
Harmonie
der
Töne.
Durch
Functioniren
eines
Organs
tritt
Ermüdung
ein.
Die
wohl-
thätig
empfundene
Abnahme
der
Ermüdung
nennen
wir
Erholung.
Eine
Gesammt-Erholung
aller
ermüdeten
Organe
gewährt
der
Schlaf.
Er
ist
des-
halb
ein
Genuss. ^)
Die
Einleitung
der
Thätigkeit
durch
Einwirkung
von
aussen
nennen
wir Anregung,
die
Einleitung
der
Erholung
Beruhigung.
Die
Kunst
wirkt
auf
die
Sinne
anregend
oder beruhigend.
Anmerkung. Die
Bethätigung
jedes
Organs
ist
begleitet
von
gewissen
chemischen
Vorgängen (z.
B.
Oxydationen).
Durch
sie
wird
das
Organ
verändert,
seine
Aufnahms-
fähigkeit
vermindert;
es
ermüdet.
Im
folgenden
Zustand
der
Erholung
spielen
sich
die
rückläufigen Processe
ab
(z.
B.
Reductionen),
durch
die der
ursprüngHche
chemische
Be-
stand
und damit die
Aufnahmefähigkeit
des Organs
wiederhergestellt
wird.
Die
chemischen
Vorgänge
der
Erholung
können
wir
Regenerirung
oder
Ernährung
der
Einzelorgane
nennen.
Ohne
diese
Selbstregulirung
gäbe
es
kein
dauerndes
Functioniren
der
Organe.
Die
Spiele der Menschen
und
Thiere erklären
sich
durch den
Genuss,
den
sie
ge-
währen
durch
Förderung
(Anregung
und
Ausübung)
gewisser
Lebensfunctionen
:
Functionen
des
Körpers
oder
des
Geistes.
Wir
haben
körperliche und
geistige
Spiele.
Auch
die
Musik gehört zu den
Spielen, wie
es der
Sprachgebrauch
ausdrückt. Wir
spielen
Ciavier
und Geige, der
Musiker
ist
uns
ein
Spielmann.
Wir
können
sagen:
Musik
ist
ein
Spiel,
das
dem
Ohr
Genuss
gewährt.
Anregung
und
Erholung
beim
Genuss der
Harmonie
der
Töne.
Töne
wirken
anregend auf
das Ohr.
Als
Genuss wirken die
Anregungen, wenn
sie
dem
Ohr
congenial,
d. h.
der
Einrichtung
und
dem
Functioniren
des
Ohrs
angepasst
sind.
Dem
entsprechend
wählt
das
Ohr die
Töne
aus
in
den
Grenzen
(Höhe),
in
der
Stärke und
in
der
Gruppirung und
macht daraus
die
Musik.
Solche
Gruppirung
der
Töne
nennen wir
Harmonie.
Die
Erholung
bei
der
Musik
besteht in
Ruhe und Abwechselung.
^)
Sleep
that
knits
up the
ravell'd
sleave
of
care,
The
death of
each day's
life, sore labours
bath,
Balm
of
hurt minds,
great natures
second
course,
Chief
nourisher
in
life's feast,
—
.
(Shakespeare, Macbeth.
Act
II. Sc.
i.)
Euch
fehlt
das
Labsal
aller
Wesen,
Schlaf.
(Macbeth.
Act
III. Sc.
5.)
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—
70
—
Abwechselung'
ist
eine
Combination
von
Thätig-keit und Erholung.
Während
ein
Theil
thätig
ist,
ruht
der
andere.
Durch einen
Ton
oder Accord
werden
gewisse
Theile
des
harmonischen
Organs
in Thätig'keit versetzt und
ermüden,
andere
ruhen.
Es
bilden
sich
Knoten
(Ruhepunkte)
und
Schwingung s-Maxima.
Die
Abwechselung
bringt einen
anderen
Ton
zum
Erklingen,
andere
Organ-
theile
in
Thätigkeit.
So
umschliesst
ein Musikstück im Wechsel
der
Accorde
zugleich
Anregung
und
Erholung.
Da die Erholung im
Wechsel nicht
voll-
ständig
ist,
tritt
allmählich
Ermüdung des
gesammten
harmonischen
Organs
ein.
Der
dann
gewünschte
Genuss
der Erholung ist eine
Pause
nach
einem
Satz
und
nach
mehreren Sätzen
eine
längere
Pause
oder
der
Schluss.
Die
Ablösung
eines
Tons
(Accords) durch
einen
anderen ist also
eine
Erholung.
Zugleich
ist diese
Neu-Einstellung selbst ein Genuss,
als
eine
der
Einrichtung des
harmonischen
Organs
angepasste
Arbeit,
wenn
der
Wechsel
so
erfolgt, dass
ihn
das
Organ
leicht
ausführt.
Daher
löst
die
Musik
einen
Accord
durch einen
verwandten
Accord ab, d.
h.
einen
solchen, zu
dessen
Aufnahme das Organ
sich
möglichst
mühelos einstellt, indem
es
einen Theil
der
Knoten festhält,
einen
Theil
harmonisch verlegt.^)
Das
erklärt die
Folge
der
Grundtöne
der Accorde
beim
Aufbau
der
Musikstücke
nach
den
harmo-
nischen
Zahlen
p
=
o
^
i 2
oo,
wie
wir sie oben
in den
Beispielen
kennen
lernten.
Rascher
und
schwieriger
Wechsel
der
Harmonie
wirkt
ermüdend
und
auf-
regend,
wie andere
anstrengende und
hastige
Arbeit. Aber die Uebung
(Trainirung),
auch
das Talent
dazu,
macht
solche
Arbeit erträglich, selbst
er-
wünscht, ja
reizvoller
als
die leichte Arbeit. Manchem
durch vielen
Genuss
verwöhnten Ohr erscheinen
die einfachen
Harmonien
und
Folgen
als
zu leicht
und
zu
reizlos,
es
verlangt
stärkere Reize.
Das
kann
sich krankhaft
steigern,
bis nur
noch
Dissonanzen und
Kakophonien
packen
oder
das
Fortissimo
schmetternder
Trompeterchöre.
Der
Ort der
mechanischen
und
dadurch chemischen
Arbeitsleistung
und
somit der
Ermüdung
dürfte in den
Ruhepunkten (Knoten)
zu
suchen
sein, nicht
an
den Stellen
der
Schwingungs-Maxima
(Bäuche). So erklingen
die Saiten,
wie Helmholtz'^)
gezeigt hat,
nicht in
der
Mitte, sondern
da,
wo
sie
aufgelagert
sind,
bei der
Geige
am
Steg.
Geräusche
nennen
wir unregelmässige
Erschütterungen
des
Gehörorgans.
Sie
werden
meist
nicht
als Genuss empfunden.
Doch
wirken
manchmal
Ge-
räusche
durch sanfte
Anregung
in der Ruhe,
durch Beruhigung
in
der Auf-
regung
wohlthuend
auf
Ohr
und
Gemüth,
so
das Rauschen der
Bäume, das
Plätschern
der
Wellen,
das
Brausen
des
Meeres,
das
Ticken
der
Uhr,
das
Schnurren
des
Spinnrads.
Ein
solches Rauschen versetzt
das
harmonische
Organ
in
sanfte
Schwingungen
mit
unbestimmten
Knoten.
Alle
Töne,
alle
^)
Vgl.
Seite
13.
17.
35-
^)
Helmholtz,
Lehre v.
d,
Tonempfindungen.
1877. S.
93.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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71
—
Accorde,
alle
Folgen
sind
darin.
Aus ihm
kann
ein musikalischer
Sinn
alle
Melodien
heraushören, indem
er die
harmonische
Complication
des
Organs
hineinträgt
in
die
Natur.
Die
Geräusche
werden ihm
besonders
leicht
zu
Musik,
wenn
sie
zugleich
rhythmisch
sind.
So
hörte
Mendelssohn
im
Rauschen
von
Meer
und
Wind in den
Höhlen
einer
der
schottischen
Inseln
das Thema
zu
seiner
Hebriden-Ouverture.
Entwicklung
;
Verfeinerung
von
Ohr
und
Geist durch
weitergehende
Complication.
Wir wissen,
dass
die
musikalische
Ausbildung
des
Ohrs durch
Anlage
und
Erziehung
verschieden
ist.
Wir
fanden,
dass
das
Ohr in
seiner
Wahl
bis
zur harmonischen
Reihe
Ng
geht,
vielleicht,
bei
besonders
fein ent-
wickelten
oder ausgebildeten
Ohren,
bis
N^. Es ist
anzunehmen,
dass sich
hier,
wie
überall in
der
Natur,
eine
Entwicklung
vom Einfachen
zum
Compli-
cirten
vollzogen
hat,
dass der
Verfeinerung
in Ausbildung
des
Ohrs beim In-
dividuum
eine Verfeinerung
im
Verlauf
der
Generation
entspricht.
Auch dem
die
Töne
verarbeitenden
Geist,
der mit
dem
Functioniren
der
Organe
Schritt
hält, dürfen
wir
eine Verfeinerung
nach
dem
Gesetz
der Complication bis zur
harmonischen
Reihe
Ng
oder
N^
zuschreiben.
Rhythmus in
der
IVIusik.
Tv&fjiog
von
qecd
fliessen,
das
Fliessende,
zunächst
in
der
Rede,
dann
in
Gesang und
Tanz,
bezeichnet
die
Eigenart
des
periodischen
Wechsels
innerhalb
der
Bewegung.^)
Rhythmisch
sind
unsere
körperlichen
Bewegungen: Athem,
Herzschlag
und
Schritt.
Von
ihnen
haben
Rede
und
Marsch,
Gesang
und
Tanz ihre
periodische
Eigenart,
ihren
Rhythmus.
Andere periodische Bewegungen
nennt
man rhythmisch,
wenn
ihre
Periodicität
in den ungefähren
Zeitgrenzen
obiger
Naturmaasse
liegt und
unsere
Sinne
deren einzelne
Perioden-Maxima
(Stösse) wahrnehmen, z.
B.
das
Kolben-
spiel
der Dampfmaschine,
den
Pendelschlag
der Uhr.
Rhythmisch
nennen
wir
eine Wellen-
oder Pendelbewegung.
Werden
aber deren
Schwingungen
so
rasch und
kurz,
dass
man
die einzelnen
Stösse
nicht
mehr
unterscheidet,
so
hört
man
auf,
von
Rhythmus
zu reden.
So
bei
Ton-
und
Licht-Schwingungen.
Ebenso spricht
man nicht mehr von
Rhythmus, wenn
die
Perioden
viel
grösser
werden, als die obengenannten
Naturmaasse; z.
B. der
periodische
Wechsel
von
Tag
und Nacht,
von Sommer und Winter, von
Ebbe
und Fluth.
Die
Poesie,
wie
die
Wissenschaft erweitern die Grenzen, die der
Sprachgebrauch
dem
Wort gezogen hat.
Für die Erkennung
der Entstehung des
Begriffes
Rhythmus
und
seines
Wesens
ist
die Grösse
seines Naturmaasses
wichtig.
Ausser
der
Harmonie und
deren Wechsel
(Melodie)
befriedigt
und
er-
freut
das
Ohr
der
Rhythmus.
Wir
schlössen, dass
in
der
Harmonie
die
Eigenart
des
Ohrs sich abbilde, weil
das
Ohr aus der
Gesammthcit
der
Töne
das ihm Gefällige
danach
auswählt.
Es
fragt
sich,
ob
auch
im
Rhythmus
die
^)
Wolke man
Rhythmus
übersetzen, so könnte
man
sagen:
„Wellenschlag
der
Bewegung
im
Anschluss
an
die
ursprüngliche Bedeutung.
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—
72
—
Eigenart
des
Ohrs
sich
abbilde.
Ich
glaube,
nur
theilweise,
indem
das Ohr
einer
rhythmischen
Aufnahme von Tönen
fähig
ist, ein
Wechsel von
solchem
Anregen
und
Nachlassen
ihm entspricht.
Im
Wesentlichen aber
ist
das
Ohr
für den
Rhythmus
nur der
Vermittler.
Wir
nehmen
an,
Genuss
sei eine
ge-
fühlte
Förderung
der Lebens -Functionen, jeder in ihrer
Weise.
Das
rhyth-
mische
Functioniren
aber
ist
dem
Athem
(Sprache
und
Gesang),
dem
Herz-
schlag
(Puls)
und Gang
(Marsch und
Tanz) eigenthümlich.
^)
Auf diese
Organe
wirkt
fördernd,
anregend, und dadurch
im
Gefühl
als
Genuss, der Rhythmus
der
Töne.
Das Herz
schlägt
lebhafter beim Takt^)
(Rhythmus) der Musik,
der
Athem
belebt sich
im
Rhythmus
von
Gesang
und
Tanz; der
Takt
der
Trommel
regt
den
Marsch an
und der
Rhythmus
eines
Walzers
lässt
die
Füsse
des
jungen Volkes nicht in Ruhe.
^)
Bei der
Harmonie
der
Töne
liegen
die
Verhältnisse
am
günstigsten, um
die
Verknüpfung
der Physik,
Physiologie und
Psychologie einer
Sinnes-
Empfmdung
zu
studiren aus folgenden
Gründen:
1.
Hier
hat
das
Gemüth
durch
eine
reiche
Auswahl,
durch
Schaffen
der
ganzen Musik,
gezeigt,
welche
Gruppirungen ihm
wohlthun.
Diese
Aus-
wahl
ist
in
präciser
Schreibweise (Noten),
niedergelegt
und
lässt
sich
objectiv
discutiren.
Eine musikalische
Nomenclatur
und
Harmonielehre
hat
manchen
Zusammenhang
der
Harmonien
festgelegt.
Musikalische
Instrumente,
Auf-
führungen,
gebildete Musiker
bieten
sich
reichhch
zum
Experimente.
Kein
anderer
Sinn
hat
zur
strengen Untersuchung
des ihm
durch
Harmonie Wohl-
thuenden
ein so reiches, wohlgeordnetes,
zum
Studium geeignetes Material
geliefert.
In der
Auswahl des
Harmonischen
aberzeigt
das auswählende
Gemüth,
was
dem Ohr
angepasst ist und gibt
in
der
Eigenart
des
Ausgewählten
Kenn-
zeichen für
die
Einrichtung des
Ohrs.
Nur die
Harmonie
liefert diesen
Schlüssel.
2.
Physikalisch
liegen die
Verhältnisse
einfach.
Die
Akustik
ist
eine
gut
ausgebaute
Wissenschaft (auch
die
Optik,
während
uns eine
Physik
des
Geruchs,
des
Geschmacks, des Tastgefühls
fehlt).
Die
Töne
sind defmirt
^)
Auch
das
Taktschlagen der
Hand,
das Trommeln
mit
den
Fingern
sind diesen
Organen
eigenthümliche
rhythmische Bewegungen.
*) Die
Begriffe
Takt
und
Rhythmus
sind nicht
streng
geschieden.
^)
Wir
lesen
bei
Gibbon
bei Schilderung
der Eroberung
Constantinopels durch die
Türken:
„Das
Geschrei der
Furcht
und
des
Schmerzes
wurde
von
der
kriegerischen
Musik
der Trommeln,
Trompeten
und
Becken
übertönt,
und
die
Erfahrung
hat
bewiesen, dass
die
mechanische
Wirkung
der Töne,
indem
sie den
Umlauf
des
Blutes und
der
Lebens-
geister
beschleunigt,
auf
die
menschliche
Maschine
kräftiger
wirkt,
als die
Beredsamkeit
der Vernunft
und
Ehre.
(Gesch.
d.
allg. Sinkens
u.
endl. Unterg.
d.
röm. Weltreichs.
Deutsch V.
Sporschil.
1863.
Bd.
12, S.
152.)
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—
73
—
durch
ihre
Schwing-ungszahlen,
die
unter
sich
harmonischen
Töne
durch
das
Verhältniss
ihrer
Schwingun^szahlen.
Dies
Verhältniss
aber
drückt sich
aus
durch
einfache
rationale
Zahlen.
3.
Physiologisch ist
die
Untersuchung-
nicht
leicht,
aber auch
nicht
schwerer
(vielleicht leichter)
als
bei
einem
der
anderen
Sinne.
Wenn
irgendwo, so
ist
daher
bei
den
Tönen Aussicht,
zunächst
für
einen
der Sinne
(das Gehör)
Klarheit
zu
gewinnen
über
den
Zusammenhang
zwischen
dessen Physik, Physiologie,
Psychologie
und
Erkenntnisstheorie,
zu finden,
welches
der
Causalnexus ist, welche
Gesetze
diesen
gemeinsam
sind.
Das
Verknüpfende ist
die Harmonie.
Die Harmonie
der
Töne
aber ist,
wie ich
zu
zeigen suchte,
beherrscht
durch
das
Entwicklungs-Gesetz
der Complication
und der harmonischen
Zahlen, das
uns
die
Krystallographie
geliefert hat und
das
die
Entwicklung
den Krystallformen
vorzeichnet.
Ist die
Aufgabe
für
das Ohr gelöst,
so ist
zunächst die
Lösung
für
das
Auge anzugehen. Ich will
im Folgenden
versuchen
zu
zeigen, dass auch
da
(bei den
Farben)
die
Harmonie
beherrscht
ist
durch
das Entwicklungs-Gesetz
der
Complication.
Harmonie
der
Farben.
Spectrum.
Wir
definiren
die verschiedenen
Lichtarten
objectiv (physi-
kalisch)
nach
Wellenlängen
resp.
deren
Reciproken, der
Zahl
der
Schwingungen
pro
Secunde;
subjectiv (physiologisch)
nach der
Farbe.
Lösen
wir das
Sonnenlicht spectral
auf,
so
zerlegt es
sich
in eine
Reihe
von
Farben.
Ein
normales Auge unterscheidet im
Spectrum:
Roth, Gelb, Grün,
Blau, Violett.
Die Sprache
hat
für diese Farben Worte
geschaffen,
die
jeder
versteht
und
verstand, bevor
das
Spectrum
bekannt
war.
Ein natürliches
Spectrum
liefert der Regenbogen;
aber nicht nach dessen
Theilen
sind die
Farben
benannt.
Zu
den
Spectral-Farben
kommen:
Schwarz
für
Fehlen
alles
Lichts,
weiss
für Licht
aller
Schwingungen
zugleich.
Ausserdem
hat
die
Sprache
für
Grau
und Braun
Worte
gebildet.
Wir
wollen
weiter
unten
deren
Er-
klärung
versuchen.
Es ist wichtig,
zu constatiren,
dass
gerade für
diejenigen
Farben
im Spec-
trum, die wir in
Begriffe
zu
fassen
und
zu
benennen
das
Bedürfniss
fühlen,
Namen
und
Begriffe
(Worte)
in der Sprache
vorhanden
sind.
Diese
Namen
und
Begriffe
sind
zur
Bezeichnung der
Farben
aller
Dinge
gebüdet,
unabhängig
vom
Spectrum.
Wir
schliessen hieraus:
Diese
benannten
Spectralfarben
sind für
uns
etwas
qualitativ
Verschiedenes.
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74
—
Wir
schliessen
\reiter:
Die
Farbengebiete
des Spectrums
sind
objectiv
(physikalisch)
nicht
definirt.
Die
Lichtarten
der
verschiedenen Wellenlängen
reihen
sich
stetig
aneinander.
Die
Farben sind
vielmehr ein Abbild der
Ein-
richtimg
unseres
Auges.
In
diesem
Abbild
können
wir
das
Wesen
des
Auges
studiren.
Das Auge
greift
aus
der continuirlichen Reihe der Strahlen
verschiedener
Wellenlänge
ein
Gebiet
heraus,
das seiner Wahrnehmung
zugänglich
ist
(Licht)
und
scheidet
dies Gebiet
in Untergebiete,
die ihm qualitativ
verschieden
sind, d.
h.
für deren
Aufnahme es
besondere Theilorgane des
Gesammt-Auges
hat
(Farben).
Analogon.
Das Ohr greift
aus
der
continuirlichen Reihe der
Schwingungen
ein Gebiet
heraus,
das
seiner Wahrnehmung zugänglich ist (Töne). Unter
den
Tönen
fasst
es Gruppen
als
harmonisch
zusammengehörig
auf.
Im
Bild
dieser
Wahl studiren
wir
das
Wesen
des
Ohres.
In
der Spanne
Licht, die
unser
Auge aufnimmt,
beobachten
wir
folgende
merkwürdige Thatsachen:
1.
Das
Aufnahmsgebiet
des
Auges
(Licht) umfasst ziemHch
genau
eine
Octav,
d.
h.
die
Wellenlänge des
tiefsten
Roth ist doppelt so
gross
als
die
des
höchsten Violett. Scharf
lässt sich die Grenze nicht
ziehen.
Der Grund
dafür
ist,
dass
die Aufnahms-Organe
des Auges
nichts Starres
sind,
sondern
organische
(plastische, quellbare) Gebilde,
deren Aufnahmsfähigkeit
individuell
und
zeitlich
innerhalb
gewisser
Grenzen
schwankt.^)
2.
Das
Sonnenspectrum
zeigt eine
grosse
Zahl
schwarzer
Linien
(Frauen-
hofer
Linien)
von ungleicher
Stärke.
Die
stärksten bilden, wie
es
scheint,
eine
eigenartige
Gruppe. Sie wurden
zuerst bemerkt
und
mit
ABCDEFGH
bezeichnet.
Diesen entsprechen die folgenden
Wellenlängen^) und
harmonischen
Zahlen:
Farben:
Töne:
Frauen-
hofer
Linie
Farben
Wellen-
länge
A
in
Zehn-
milliontel
mm
l
=
Ver
Well«
A
:
3930
lältniss der
anlangen
nahe
stehend:
z
=
Verhält-
niss
der
Schwing.
proSecunde
z
=
2:l
p
=
harmo-
nischeZahlen
2(Z-X)
2
=
Verhält-
niss
der
Schwing,
proSecunde
für
A
=
I
p
=
harmo-
nischeZahlen
p
^(^-^)
Buch-
staben
in
A-Moll
2-Z
P
2-Z
A
^
7608
i 935
2
000=
2
I
I
A
B
[Roth
6870
1748
1750=1
8
7
I
3
8
T
I
•3
(H)
C
)
6563
1-670
1-667^1
6 I
2
1
I
2
C
D
Gelb
5893
1-500
1-500=1
4
3
I
4
3
I
D
E
Grün
5270
i'34i
i'333==|
3
2
2
3
2
2
E
F
Blau
4861
1-237
1-250=1
8
3
8
3-
3
F
G
(Indigo)
4308
1-096
i-iii=i^
9
3
8
<3
3-
8
(G)
H
Violett
3969
lOIO
rooo=:
I
2
00
2
CV)
A
I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX X
^)
Ueber
einen
weiteren
Grund
vgl.
S.
91.
*) Nach
Rowland vgl.
Landauer
Spectralanalyse
1896
S.
52.
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—
75
—
Dividiren
wir die
Wellenläng-e
X
(Col. III)
durch
die Constante
3930,
so
erhalten
wir
1
(Col.
IV),
die
Verhältnisszahlen
der Wellenlängen.
Diese stehen
sehr
nahe den
Zahlen:
1
=
2
I
I
I
I I
i^
I.
(Col.V.)
Das
ist
eine
Zahlenreihe
von
der
Octavenform:
i
•
i
•
2.
(Vgl.
S.
11.)
Nehmen
wir
die
Reciproken:
i A
3.
2 3.
4
9
2
7 5 3 4 5
10
-7.
I,
SO
haben wir
die
Verhältntsszahlen
der Schwingungen
pro
Secunde.
Durch
Multiphcation
der
Reihe mit
2,
wodurch
sich
das
Verhältniss nicht
ändert, er-
halten
wir
die
Schwingungszahlen
z
=
2
:
1 wieder
in
Octavenform:
z
=
y
-
I
f
f f
I f
I-
2.
(Col.
VI.)
Wir
bilden
hieraus,
wie
bei
den
Krystallformen
und
den
Tönen,
die
harmonischen
Zahlen
p
nach
der
Formel:
2(Z-I)
')
p
=
2
—
Z
imd
erhalten
aus: z
=
I
f I
f
I
f
I-
2
^
2
(z
-
1)
2
—
z
für
die
Linien:
ABCDEFGH
o
I
i
I
2
3
8
(x.
(Col.
VII.)
Das
ist
wieder wesentlich
unsere
Normalreihe:
N3
=-
O
I
i
I
I
I
2
3
(X),
wie
wir
sie bei den
Krystallen^)
und
den
Tönen
kennen
lernten.
Es
fehlen
f
und
I.
Dag-eg-en
erscheint die
auffallende
Zahl
8,
von
der
zu
untersuchen
ist,
ob
sie zur Reihe
gehört.
Anmerkung
I.
Vielleicht
ist, wie
für die Töne
hervorgehoben
wurde (S.
15),
das
Gesetz der
Reihe dargestellt
durch
die
ganzen
Zahlen
p
=
o.i-2-3.
•
•
und
ihre
Reci-
proken,
so dass:
(X)
sich
weiterbildete
N2
=
2
I
2
nicht
zu N3
=
1
3
I
2
2
3
I
3
2
2
3
sondern
zu:
[N3] =
3
I
2
I
2
3
und
weiter zu:
[N4]
=
1
4
I
3
I
2
•
I
2
3
Diese
Frage
wird
sich
klären
,
wenn
die
physikalische
Bedeutung
der
Transformation
p
= (z
—
Zi)
:
(z2
—
z)
klargelegt
ist, die
bei Tönen,
Farben
und
Krystallformen
zu
den harmo-
nischen Zahlen führt, der
gemeinsame
Schlüssel
ist.
Eine
solche
Klarlegung
soll
an
anderer
Stelle versucht
werden.
^)
Vgl. Seite
20.
Der
Coefficient
2
wurde
zugefügt,
um
p
=
i
bei
D
zu
erhalten.
2)
Vgl. Seite
6,
sowie
Zeitschr.
f.
Kryst. 1897.
28.
11.
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76
—
Anmerkung
2.
Unsere
Umrechnung
:
p
=
(z
—
z^)
:
(zg
—
z) .entspricht
einer projec-
tivischen
Transformation.
Sie bedeutet
geometrisch eine
andere
Wahl der
Coordinaten
und
ihres
Anfangs,
sowie
der Masseinheiten. Solche Transformation ist
oft tief
eingreifend,
in-
dem
nur bei
gewisser
Wahl
scheinbar complicirte Verhältnisse einfach
und verständ-
lich werden.
Beispiel
i.
Wir
definiren
einen
Kreis
als
den
Ort
aller
Punkte
mit
gleichem
Ab-
stand
von einem Punkt,
dem Mittelpunkt.
Seine Formel
lautet in
Polar
-Coordinalion
aus
dem Mittelpunkt,
der Definition
entsprechend:
r
=
const.,
unter
Umständen
r=
i.
Lege ich
den
Coordinaten-Anfang nicht
in den Kreis-Mittelpunkt
und nehme
nicht
Polar-Coordinaten,
so
wird
die
Formel
complicirter
und
nicht
unmittelbar
deckend mit der Definition,
der
Construction und
der
Anschauung
des
Kreises.
Beispiel
2. Die
Astronomie
der
Alexandriner legte
den festen
Punkt,
den
An-
fang der Coordinaten
auf
die
Erde.
In
Folge
dessen
beschrieben
Sonne und
Planeten
complicirte, schwer
verständliche Bahnen
(Epicyclen).
Die
Verlegung des Coordinaten-
Anfangs
in
die
Sonne
durch
Copernicus
brachte
Klarheit
und
Uebersicht
und
erscheint
als eine
fundamentale
Reform
in
der
Astronomie. Sie
befähigte
Kepler
die
Planetenbahnen
als Ellipsen
zu
erkennen,
und
Newton, der
Erscheinung eine
mechanische Erklärung
zu
geben.
Der
entscheidende
Schritt aber
war
die
Transformation
des
Copernicus.^)
Die Zahlen
der Columnen
IV und
V
stimmen
nicht absolut,
aber
doch
so
nahe,
dass die
Uebereinstimmung-
nicht
als
zufällig
angesehen
werden
kann,
besonders nicht
bei
Berücksichtig ung der
Einfachheit
der
Zahlenreihe
p
und
der
g-rossen
Zahl
der Glieder.
Stärker
abweichend ist
nur A.
Vielleicht
lässt
sich
für
die
Differenzen
ein
Grund
finden.
Fig -
3
gibt
eine
vergleichende
graphische
Darstellung
von
1
—
i
aus
Col. IV und
V.
Col. V.
(Berechnet)
Col.
IV.
(Beobachtet)
p=
00
1
1
2
3
^
^
1
f
t
f
^
f
'
I
I
I
I
I
t
;
I
I
I
I
I
I
I
»m
4 b
#--
4
4
•—
H
FE
D
C B
Die
Abweichungen sind
grösser
als
die
Beobachtungsfehler.
Bestätigt
sich
daher
das
vorliegende Zahlengesetz
als
den
Ort
der Spectrallinien
im
WesentHchen
bestimmend,
so
ist die thatsächliche Abweichung von dem
Ort
durch
secundäre
Einflüsse
zu erklären. Analog bewegen
sich
die Planeten
nicht
streng
in
Ellipsen,
trotz der Richtigkeit
der
Kepler'schen Gesetze, und
^)
Das
Gefühl,
von
der
Grösse
seiner
That
und
der
Freude
an
derselben
spricht sich
in
Copernicus'
Worten
aus
(J.
Müller,
Lehrb.
d.
kosmischen
Physik.
1856.
S.
118):
„Durch
keine
andere
Anordnung
habe
ich eine
so bewunderungswürdige Symmetrie
des
Universums,
eine
so
harmonische
Verbindung der
Bahnen finden
können, als
da
ich
die
Weltleuchte,
die
Sonne,
die
ganze
Familie
der kreisenden
Gestirne lenkend,
in die
Mitte
des
schönen
Naturtempels,
wie
auf einen
königlichen
Thron gesetzt.
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77
—
die
Krystallflächen
sitzen
nicht
streng-
so, wie
es
das
Gesetz
der
Zonen
und
der Complication
(Rationalität
der
Indices)
vorschreibt.
Analogie
mit den
Tönen.
Wir
fanden
für
die
Moll-Harmonie:
die
Schwingungs-Zahlen:
z
=
i
f
f
|
f
2,
hierzu die harmonischen Zahlen:^)
p
=:
o
§
i
2
3
co,
dazu die Töne
z.
B. in A-Moll;
A C
D
E F
A
Das sind
merkwürdig-er
Weise
g-erade
die
Buchstaben
der
zu
denselben
harmo-
nischen
Zahlen gehörig^en Frauenhofer
Linien.
Bei
den Farben
tritt
hinzu
die Linie:
B
mit z
==
f
; p
==
|.
Entsprechend
H
in
A-Moll.
^j
G
mit
z
=
I;
p
=
8.
Entsprechend
G
in
A-Moll.
p
=
3
passt in
die
Reihe;
p
=
8
fällt heraus.
Das führt
zur
Frag-e,
ob
die
Linie
G
überhaupt
zu
diesem Accord
gehört.
Wir
fanden
das
Analoge
bei
den Tönen
D
=
j;
H
^^
7
der C-Dur-Tonleiter
(S.
13).
Sie gehören
nicht
zur C-Dur-Harmonie,
sondern
zu
der
nächst
verwandten:
G-Dur.
Die
in den
Sonnen-
Accord
der
Frauenhof
er
'sehen
Linien
nicht
passende
Linie
G
gehört als
H^
dem
Spectral-Accord des
Wasserstoffs an,
bei
dem
es
die
harmonische Zahl
p
=
2
hat
(siehe
unten).
Auffallender Weise
gerade
des
Wasserstoffs,
unseres
einfachsten
Elementes
mit
dem Atomgewicht
i,
dessen
Accord
mit
dem Sonnen-Accord
so
nahe
verwandt
ist,
dass
noch
2 weitere
von
seinen
4
Spectrallinien
sich mit
solchen
des
ersteren
decken.
Nämlich:
die Wasserstoff-Linien:
Ha Hß
mit
den
Frauenhofer
Linien:
C
F
Sollte
der
Sonnen-Accord
der Frauenhofer-Linien einem
Ur-Element
angehören, das in
der
Sonne
vorwiegend
vertreten
ist,
und
dessen
nächster
Verwandter
der
Wasserstoff
ist?
Einwand.
Es
könnte
eingewendet
werden, das Hervortreten
der
Zahlen
p
=
olii2
300
sei
nur
ein
zufälliges,
in
die
Reihe
hineingetragen
durch Ausnützung des
durch
die Ab-
weichungen der
Beobachtungen
vom berechneten Ort
gegebenen
Spielraums.
Um
diesen
Einwand zu
prüfen,
ist zu
untersuchen:
Wie
gross
ist
die
Wahrscheinlichkeit (W),
dass
bei
^)
Siehe
oben
S.
14.
Dort wurde statt
p
p
geschrieben
und die
Reciproken ein-
gestellt. Also
p
=
(x>
2
I
;
I
o
statt:
p
=
o
I
I
2
3
cc
Das
geschah zur
Unterscheidung
von den
Zahlen der
Dur-
Harmonie.
Hier
wollen
wir
die
p
für
steigende z
ansteigend nehmen.
Für
den
Charakter
der Reihe
ist das ohne
Bedeutung;
die
z
bleiben
dieselben.
^)
Es
ist das
H
in A-Moll, das
sich
mit
dem
H in
G-Dur
nicht
genau
deckt.
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78
—
willkürlicher
Wahl
einer
Linie
(D)
als
Dominante
(p=i)
die
übrigen
6
mit
den
obigen
Zahlen
in
den
beobachteten
Spielraum
fallen?
Um
W
zu
berechnen,
sehen
wir noch
einmal zu,
wie
verfahren
wurde,
um
die
har-
monischen
Zahlen
p
zu
gewinnen:
Frauen- Wellen-
Verh.
d.
Wellenlängen
Harm.
Abwei-
Spiel-
hofer
Linie
länge
beob.
1'-
'
3930
berechnet
1
Zahlen
P
chung
1-r
raum
2
(1
-
r)
A
7608
1.935
2.000
=1
2
0.065
0.130
=:a
B
6870
1.748
1.750=
l
I
3
0.002
0.004
=
ß
C
65Ö3
1.670
1.667=
1
I
2
0.003
0.006
=
y
D
5893
1.500
1.500
t=
1
I
=b
E
5270
1.341 1.333=
1
2
0.008
0.016
=
£
F
4861
1.237
1.250=
1
3
0.013 0.026
=
t,
G
(4308)
(1.096)
(i.iii=i^)
(8)
—
—
H
3969
I.OIO
1.000=
I
00
O.OIO
0.020
=
ri
Wir
dividirten
die
Wellenlängen
l für
die
Frauenhofer-Linien
durch
3930
und
mach-
ten
dadurch
D
zur
Dominante,
d.
h.
seine
Zahl
=
|,
analog
der
Quint
(Dominante)
bei
den
harmonischen
Tönen.
So
erhielten
wir das beobachtete
Verhältniss
der
Wellenlängen
in
den
Zahlen
1^
=
^:3930.
Daneben wurden
die
Zahlen
1
gestellt, die
Verhältnisse
der
Wellenlängen,
die
den erwarteten
harmonischen
Zahlen
p
=
oi|i2300
entsprechen,
und
zwar
vermöge
derselben
projectivischen
Transformation,
die bei
den harmonischen
Tönen
und
den
Krystallformen
zu eben
diesen
Zahlen
p
geführt
hatte,
und die
auf
die
Zahlen
1'
angewendet
wurde, in
der
Erwartung,
gerade diese Zahlen
wiederzufinden.
Durch
die
Umrechnung,
die
Anwendung der Transformation, wurde
eine
Willkür-
lichkeit
nicht
hineingebracht.
Es
wurde vielmehr die durch die
Discussion
der
Töne
und
der
Krystallformen
fest
gegebene
Umrechnungsformel
angewendet.
Die
berechneten
Werthe
1 differiren
von
dem beobachteten
1'
um die
Abweichung
1
—
1',
die
theils
-\-
theils
—
ausgefallen
ist.
Die Abweichung
nach
beiden
Seiten
(+)
vom
berechneten
Punkt
zusammengenommen
2
(1
—
V)
wollen wir den
Spielraum
nennen.
Er
möge
für die
Linien
A
B C D
E
F H mit
a
ß
y
ö
e
^
rj
bezeichnet
werden.
Die Frage
ist
nun:
Wie
gross ist die
Wahrscheinlichkeit
(W), dass
bei
fester
Wahl
von
D als
Dominante
{ö
=
o)
die
6
Linien
A
B
C E F
H
zugleich
durch
Zufall in
den
beobachteten
Spielraum
fallen,
d. h.
ohne dass
ein
Gesetz
ihnen
diesen
Ort
vorzeichnet?
Wir können
folgendermassen
rechnen:
Wir
denken uns
die
zu untersuchende Strecke (L),
das
ist
der Abstand
zwischen
A
und H, (die
Farben-Octav
unseres Auges) in den
Verhältnissen
1
gemessen:
L
=
2
—
1
=
1,
eingetheilt in
eine sehr
grosse Zahl
(N)
Einheiten
und
theilen diese
N-Einheiten in
2 Gruppen.
6
unserer
Einheiten
seien
schwarz, d.
h.
mit einer
Linie
besetzt
(-f-),
die
anderen
N
—
6
farbig,
d.
h.
mit keiner
Linie
besetzt
(
—
).
Die
Zahl der
möglichen
Anordnungen
von
N-Einheiten
ist
die
Zahl ihrer
Ver-
tauschungen (Permutationen)
=
N
=
N
(N —
1)
(N
—
2)
• •
•
•
3
2
•
i.
Die
Wahrschein-
lichkeit
für
eine bestimmte
dieser
Anordnungen
ist
also
=
i
; N
Theile
ich
nun
die
N in
eine
Gruppe zu
6
Einheiten
mit
Linie
(-}-)
nnd
eine von
N
—
6
Einheiten
ohne
Linie
(
—
),
so
sind unter
den
6
Einheiten
6
Vertauschungen möglich, unter
den
N
—
6
(N
—
6)
Beide zusammen
geben
b (N
—
6)
Anordnungen,
d. h.
Möglichkeiten
der An-
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—
79
—
Ordnung.
Soll
nun,
wie
in
unserem
Fall, die
Vertauschung der
-|-
Einheiten
unter sich,
die der
—
Einheiten unter sich
nicht
als eine
Aenderung
gelten,
so
ist
die
Zahl
der mög-
lichen
Vertauschungen,
die
eine
iVenderung der Anordnung bringt:
N
N
(N
—
i)
•
• •
(N
—
5)
=(?>
(N—
6)
6
N6
.
....
wofür
wir bei
sehr
grossem
N
setzen können:
-r—
.
Die Wahrschemlichkeit
einer
be-
stimmten
dieser Anordnungen
(z.
B.
1
=
2
• •
|
• •
i)
ist
N6
6
6-5-4-3-2-I
720
=
^
•
er
N6
^
~
N6
~
N6
Nun
geben
wir
dem
Ort der
Linien
einen
Spielraum
2
(1
—
1')
und
zwar
2
(1
—
1')
=
a
für die
Linie A,
=
ß
für B u.
s.
w. (Nach unserer
Tabelle
S.
78.)
In
den Spiel-
raum
a
mögen
a-Einheiten
fallen,
in
ß
b-Einheiten
u.
s.
w.
,
so
kann
die
Linie
A
a
ver-
schiedene Stellen
einnehmen,
B
b
verschiedene
Stellen
u.
s.
w.
Diese
combinirt
geben
abcefh
Möglichkeiten.
Die
Wahrscheinlichkeit, dass
eine
dieser
MögHchkeiten erfüllt
ist,
das
ist
unsere
gesuchte
Wahrscheinlichkeit
(W), dass
jede
Linie in
ihren Spielraum
fällt,
ist
also:
W
=
^
.
abcefh
=
6i
^
.
b
.
^
.
e
i
h
w
^^
aocein
'n
^
n N
N
N
a
b
Nun ist
aber
—
=
a,
--
=^
ß
-
•
•
unserer obigen
Tabelle,
daher
•
N
N
^
W=
720
aßysC'i]
Von
den
Werthen
aß
•
ist
=
0.130
sehr
gross
gegen die
anderen.
(Vgl.
Fig.
3
S.
76.)
Da wir nun das
Maximum der
Wahrscheinlichkeit
suchen,
um zu
zeigen,
dass
-auch
dieses
sehr klein ist,
so
dürften
wir
sicher
gehen, indem
wir a
festhalten,
an Stelle
der
übrigen
deren
Maximum
t
=
0.026
setzen. So
erhalten
wir
als
obere
Grenze
der
Wahr-
scheinlichkeit
:
W
=
720
X
0.130
X
0.026^
=
o.oooooi
Also eine
Wahrscheinlichkeit im
Maximum
von
i
zu
einer
Million.
Das
ist so
gut
wie keine Wahrscheinlichkeit.
Mit anderen
Worten:
Es
liegt
hier
kein
Zufall
vor, nicht
das
Produkt
einer
Interpretation
mit
willkürlichem
Ausgleich,
sondern
ein
empirisch
ge-
wonnener
Erfahrungssatz,
mit
dem als
Thatsache,
als
Gesetzmässigkeit
zu
rechnen
ist,
selbst
wenn
eine
befriedigende
physikalisch-mechanische
Deutung
noch
nicht
gefunden ist.
Analogon.
In
der
Krystallographie
gilt der
Erfahrungssatz
von
der
Rationalität
der Indices
(Axen-
Abschnitte)
als
ein
Gesetz
und
zwar
als
ein
Grundgesetz
dieser
Wissenschaft, trotzdem
die
gefundenen
Flächenorte
bei
der
Messung
stets
um
den
berechne-
ten
Ort
schwanken
und
zwar
über
die
Grenze
der
Beobachtungsfehler
hinaus,
und
es
gilt
das
Gesetz
unabhängig
davon,
ob
eine
physikalisch
-mechanische
Deutung
desselben
be-
kannt ist.
In der Astronomie
gelten
die
Kepler'schen
Gesetze
unabhängig
davon,
ob
ihnen
eine mechanische
Begründung
gegeben
wurde,
wie dies
nachträglich
durch
Newton
geschah.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 91/153
—
80
Spectrum
des
Wasserstoffs.
Wir
finden
hier
Aehnliches
Spectral-
Linien
Wellenlänge
X
in
Zehnmil-
liontel
mm^)
1
=
Verhältniss d.
Wellen-
längen
X
:
3266
nahe stehend
z=Verhältn.
d. Schwing.
pro
See.
z
=
2:I
p
=
harmon.
Zahlen
2(Z-I)
^
2—
cjra---
-
--i
H„
Hy
H6
6563
4861
4341
4101
2-009
1-488
1-329
1-255
2
•
000
=
2
I
-
500
=
1
1-333
=
1
1-250
=
1
I
4
3
3
2
8
5
I
2
3
I
II.
III.
IV.
V. VI.
Fig-.
4
gibt
eine
vergleichende graphische
Darstellung-
von
1
—
i
aus
Col.
III
u.
IV.
Col.
IV.
(Berechnet)
Col. III
(Beobachtet)
p
=
oo
^
f
—
t
1
—
f-
•
I
I
I
I
I
-
I
I
Wasserstofflinien :
H^
H,
Us
H«
Fig.
4-
Auch
hier
kann
die
Gesetzmässigkeit
keine zufälHge sein.
Bei
den
Linienspectren anderer
Elemente,
die
ich
nachgerechnet habe,
ist es
nicht so
einfach.
Vielleicht hat die
Einfachheit
etwas damit
zu
thun, dass Wasserstoft
das
Element
vom
kleinsten Atomgewicht
ist,
wohl
das einfachst
gebaute.
Licht-Accorde.
Linien -Accorde
des
Sonnen-Spectrums.
Nach Obigem
bilden
die Frauenhofer
Linien
ABCDEFH eine harmonische
Zahlen-
reihe,
einen
Licht-
Accord.
Wir
können
sagen:
den
Haupt-Sonnen-
Accord.
Die Endknoten dieser
Reihe
(A
H)
fallen
zusammen
mit den Grenzen
der
Lichtwahrnehmung
unseres
Auges. Zwischen
diesen
Endknoten hat sich
die
Entwicklung
des
Auges zur Farben-Wahrnehmung
vollzogen.^)
Dies
und die Auffassung
des
Wasserstofif-Spectrums, ebenfalls als
Licht-
Accord,
wirft
ein eigenartiges
Licht
auf
das Wesen der Frauenhofer 'sehen
Linien
und
der
Spectrallinien überhaupt. Die
schwarzen
Linien des
Sonnen-
Spectrums
erscheinen
danach
als ein
Aggregat von Accorden zwischen
ver-
schiedenen
Endknoten und
in
verschiedenen
Stadien der
Differenzirung.
Aber
*)
Landauer,
Spectralanalyse
1896.
S.
124.
-) Dass
gerade
der
Haupt-Sonnen-
Accord
der Accord
unseres
Auges ist, darf
uns
nicht
wundern,
denn
die
Sonne
hat mit
ihrem
Licht
unser
Auge gemacht.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 92/153
—
81
—
alle
wahrscheinlich
nach
dem
gleichen
Gesetz
der
Complication
entwickelt,
das uns
die
Krystallographie
lieferte,
das
wir
bei
den
harmonischen
Tönen
wiederfanden
und
dem
wir hier beim
Licht
wieder
begegnen.
Hierbei
erscheinen
die Hauptlinien
des
Sonnenspectrums
als
harmonische
Gliederung
(Knotenbildung)
eines
Ganzen.
Sie
decken
sich
aber
zugleich
mit
scheinbar
unabhängigen
Linien
der einzelnen
Elemente.
Wie
das
zu
erklären
sei,
soll
Gegenstand
einer besonderen
Untersuchung
sein.
Bestätigt
sich
die
Auffassung
der
Spectral-Linien
als
Licht-Accorde,
so
werden
deren
Endknoten
und
Dominanten
für
die
verschiedenen
Elemente
und Verbindungen
aufzusuchen
sein.
Dabei
dürfte
das
periodische
System
der Elemente
eine
Handhabe
und ein
Objekt
der
Erkenntniss
bilden.
Diese
Hypothese
bedarf genauerer Prüfung,
um
gesichert
zu
sein.
Hier
interessirt
sie
uns
vom
Standpunkt der
Erkenntniss
der
Einheit
der
Natur.
Analogon.
Das
Aggregat
der
Linien-Accorde
des
Sonnenspectrums
entspricht
nach
Art
des
Zustandekommens
unserer chromatischen
Tonleiter,
die, wie
wir
zeigten
(S.
13),
entsteht
durch Aufeinanderlegen
verschiedener
harmonischer
Reihen
(Accorde).
Die
Ton-
leiter
wird vereinfacht
durch
temperirenden Ausgleich,
durch
Zusammenfliessen
naher
Töne
in einen.
Bei den
schwarzen
Linien des
Sonnenspectrums
finden wir
ein
solches
Zusammen-
fliessen
objectiv
nicht, subjectiv
besteht
es durch die
mangelhafte
Fähigkeit
der
Instru-
mente und des Auges,
Gruppen
benachbarter Linien
aufzulösen.
Möglicherweise ist
unsere
Licht-Octave ein
Glied einer Reihe von
Octaven,
die
sich
periodisch
aneinander
reihen,
wie
die
Octaven
der
Musik.
Dafür
spricht
der
Umstand,
dass
der
Eindruck
des
letzten
violetten Lichts
dem
des
letzten
rothen
ähnlich
ist.
(Violett
zwischen Blau
und
Roth).
Beide laufen
in den
Begriff
Purpur
zusammen.^)
Die
Extreme
be-
rühren sich. Das ist eine
für
Perioden
charakteristische
Erscheinung.
Farben
und
Spectrallinien.
Von den Frauenhofer'schen
Hauptlinien
liegen
A B
C
im
Roth,
D
im Gelb,
E
im
Grün,
F
im
Blau,
(G
im
Indigo),
H
im
Violett.
Wir haben:
p=o|ii
23
8
oc
Linien:
ABCDEF
G
H
Roth Gelb
Grün
Blau (Indigo)
Violett.
(Purpur) (Scharlach) (Roth)
Von den Zahlen
treten,
wie wir
sahen,
t,
8,
entsprechend
den Linien
B
G,
in der
einfachen
Moll-Harmonie nicht auf (vgl.
S.
'JJ^.
8
passt
nicht in
die
Reihe,
\
passt
zwar, ist aber nur
selten im
musikalischen
Accord
enthalten.
In
der
musikalischen
Untersuchung wurde
3
für
obiges
\
geschrieben.
Wir
haben
da
die Moll-Accorde:
o
1^
i,
0^2
und
o
I
2,
selten
0^13
(vgl. S.
21).
Bei den Spectrallinien sehen
wir,
dass
G
einer
Farbe
(Indigo)
angehört,
deren
Begriff
nicht
allgemein verbreitet
ist.
B
ist von
C
in
manchen
Sprachen
^)
Vgl.
Helmholtz
Handb. d.
physiol. Opt.
1896.
S.
325
u.
326.
Fig.
133
u.
134.
Gn
I
(1 snh
in i
(1
1,
HarmoTuHohro
etc.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
82
—
beg-rifflich
geschieden,
in
anderen
nicht.
Wir
haben im Lateinischen
ruber
und
rufus,
im
Eng-lischen
pink
und
red, im
Deutschen Rosa
und
Roth.
Im
Deutschen
ist
roth
zugleich
der
allgemeinere
Begriff, zu dem
auch Rosa
g-ehört.
Im
Eng-lischen
sind
pink
und
red ausschliessend,
wenn
auch nicht
scharf
begrenzt.
Die
Farbe mit
p
=
t
(B)
steht
also
an der
Grenze der Begriffs-Entwick-
lung-,
ebenso
wie
der entsprechende
Ton
(p
==
3)
an der Grenze der har-
monischen
Entwicklung
steht.
Für
Auge
und Ohr
geht
also
die
Complication
gleich
weit.
Scheiden
wir nun
B
=
3
und
G
=
8
aus,
G
als wahrscheinlich
nicht
zum
Accord
gehörig,
B
als
für
Auge
und
Begriff
noch
nicht
sicher
von
A
und
C
geschieden,
so erhalten
wir
folgendes
Bild:
Frauenhofer
Linien:
A
C
D
E
F
H
Harmonische
Zahlen:
p=
o
i
i
2
3
00
Farben:
Purpur Roth
Gelb Grün
Blau Violett
Töne
in
A-Moll:
A
C
D
E
F A
Wie
wir
sehen,
sind die
harmonischen
Zahlen
unserer begrifflich
wohl
defmirten
Farben
zugleich
genau
die
der
Töne
der
Moll-Harmonie. Durch
ein
merkwürdiges
Zusammentreffen
stimmen
die
Buchstaben
der Frauen-
hofer-Linien
mit denen
der
Töne in
A-Moll
überein.
Rangordnung der
Farben.
Auffallend
unscharf sind
die Begriffe
bei
den
Endknoten
Purpur
und
Violett. Das
mag daher
kommen, dass
hier
zugleich
die
unscharfe
Grenze der
Wahrnehmung
liegt. Darüber
hinaus ist
Dunkel.
Man
möchte
sagen: Purpur
ist
ein
Verlaufen von
Roth, Violett
ein
Verlaufen
von Blau ins
Dunkle.
Die stärkst
leuchtende Farbe
ist
Gelb, die
Dominante
des
Farben-
Accords,
mit
der
harmonischen
Zahl
p
1=^
i.
Goldgelb,
die
goldene Sonne,
die kaiserliche Farbe
Chinas. Sie
hat unter
den Farben den
höchsten
Rang.
Dann folgen
Roth
mit
p
=
I
und Grün mit
p
=
2.
Hinter
beiden
zurück-
stehend
Blau mit
p
=
3
und
Scharlach
mit
p
=
t.
Letzteres
nicht
sicher
von
Roth
(p
=
2)
geschieden.
Diese
Rangordnung
entspricht,
den
Zahlen
nach,
derjenigen, die
wir
bei
der Entwicklung
der
Krystallformen
und der
harmonischen
Töne
kennen
gelernt
haben.
Nur die
schwache
Rolle
der
Endknoten ist
den Farben
eigen-
thümlich.
Wir
wollen
für sie
unten
eine
Erklärung versuchen
(vgl. S.
100).
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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83
—
Harmonische
Farben.
Farben-Accorde.
Als
harmonische
Töne
erkannten
wir
solche,
die
sich
zwischen
den
beiden
Endknoten
(Gnmdton
und
Octav)
nach
dem
Gesetz
der
harmonischen
Zahlen
(Complication)
ableiten.
Wir
fanden
die
Complication
der
Töne
bis
zur
Reihe:
steigend
p=
o
I
3
I
2
I
2
(3)
OO
z.
B.
C E
F
G
A
(B)
C
(C-Dur)
oder
fallend
p
=
oo
(i)
2
I
T
2
I
3
o
z.
B.
A
(H)
c D
E F
A
(A-Moll)
Danach hatten wir
innerhalb
der
Octav
(zwischen
Grundton
und
Octav-
ton)
4
bis
5
harmonische
Töne.
Durch
Verlegung-
des
Grundtons
erhielten
wir
andere
Töne,
harmonisch
in
Bezug
auf
den
neuen
Grundton
und
dessen
Octav.
So bildete sich unser
Tonsystem.
Uebertragen
wir
das Princip,
so sind
harmonische
Farben
solche,
die
sich
zwischen den
beiden
Endknoten
(Grundfarbe
und
Octav)
nach
dem
Gesetz
der harmonischen Zahlen
(Complication)
ableiten.
Wir
fanden
die
Complica-
tion hier
fortgeschritten
bis
zur
Reihe:
P=o
i
ii
2
3
00
oder p
=:
00
(3)
2
I
i
I
2
3
o
Spectralfarben
:
Purpur
(Scharlach)
Roth
Gelb
Grün
Blau
Violett
Charakt.
durch
die
Frauenhofer
Linien:
A
B
C D
E
F
H
Es
ist die gleiche Zahlenreihe
wie
bei
den
Tönen;
aber Anfangs-
und
Endknoten wechseln
nicht. Es
giebt
daher
nur
einen
Satz
harmonischer
Farben.
Das sind
die
reinen
Spectralfarben
mit den
Wellenlängen
der
Frauen-
hofer
Linien
ABCDEFH.
Farben-Accorde.
Farben-Dreiklänge
(Tricoloren).
Gewisse
Zusammen-
stellungen der
reinen
Farben werden
mit
VorHebe
gewählt.
So
besonders
:
Blau-Weiss-Goldgelb;
Grün-Weiss-Roth;
Blau-Weiss-Roth.
Es zeigt
sich
nun,
dass
gerade diese
Combinationen
den
einfachsten
und
wichtigsten
Accorden
der
Musik entsprechen.
Wir
sahen
(S.
^y
u.
82),
dass
die
Frauen
hofer-Linien
und die zuge-
hörigen
Farben
genau
einer
Moll-Harmonie
entsprachen. Wir
fanden:
Frauenhofer
Linien:
A
B
Entsprechende
A-Moll-Töne:
A
Harmonische
Zahlen:
p
^^^
o
|
In
der
fallenden Moll-Schreibweise:
p
=
00
3
Entsprechende Farben:
•
(Schar-
lach)
c
D
E
F
H
c D
E F
A
I
2
I
2
o
j
00
2 I
IT
2
r
3
Roth Gold-
gelb
Grün Blau
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
84
—
Wir
haben also
für
obige
bevorzugte Combinationen
folgende
Zahlen:
Blau
—
Goldgelb:
F=-
Il.^:_
'^FD
Grün
—
Roth
pz=..i.2-=EC
Nehmen
wir
dazu
die
Endknoten
o
oo als
gemeinsame
Vertreter
der
weissen
Farbe
oder
eines
dunklen
Hintergrundes,
so
haben wir:
Blau
—
Weiss
—
Goldgelb
:
p'=o
T ^
'^
_^
^
=
AFDAin A-Moll
Grün
—
Weiss
—
Roth
p
=
o-|.200 =
AECA„
„
Der
nächst
wichtige
Accord
in
der
Musik ist o
i
2
oo, der
Dur-Accord
innerhalb
eines
Moll-Stückes.
Er
entspricht den
Farben:
Blau
—
Weiss
—
Roth
:
p
=
o
J
•
.
7
oo
=
AFCA
in
A-Moll.
Letztere Zusammenstellung
von
Farben ist
vielleicht
die behebteste
von
allen.
Wir bemerken
das an den
Nationalfarben
(Frankreich,
England,
Amerika, Russland und die
Niederlande
haben
die Flagge
blau-weiss-roth)
und
an den National-
Costümen.
O3I00;
O2200;
O3200
sind
die
wichtigsten
und
in
einfachen
Musikstücken
fast
ausschliesslich verwendeten
Accorde
innerhalb
der
ab-
steigenden Octav (Moll),
wie
wir dies
bei Analyse von
Musikstücken
kennen
lernten.
Wir
fanden dort,
dass
diese
3
Hauptaccorde in
der
Musik
sich
in
4
facher
Art
deuten lassen (vgl.
S.
22
und
Schlüssel
S.
39)
durch
Ver-
legung der Töne
um
eine Octav.
AFD
=
oIT(a);
DAF
=
ol^
(d);
FAD
=
oi2
(f);
DFA
=
oi
i
(d)
ECA
=
oTT(e);
AEC
=
ol2(a);
CEA
=
oi2(c);
A
C
E
=
o
i
i (a)
FAC
=
oii(f); CFA
=
oi2(c);
AFC
=
oT2(a);
CAF
=
oTT(c)
Bei den Farben,
bei
denen
wir
nur eine
Octav
besitzen, ist
eine solche
Verlegung
und
Umdeutung
nicht
möglich.
Wegen der Analogie
mit
den Accorden der
Musik wollen wir die ge-
nannten
Gruppen als Farben-
Accorde
bezeichnen. Blau —
Weiss
—
Gold-
gelb,
Grün
—
Weiss
—
Roth
und
Blau
—
Weiss
—
Roth,
als
Farben-Drei-
klänge
oder Tricoloren.
Zur
Physiologie
von
Licht und
Farbe.
Young-Helmholtz'
Theorie.
Zur
Erklärung
der Farben-Empfindungen
dient
die
Young-Hclnilioltz'sche
Theorie.
Th.
Young
nimmt
an:
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
85
—
„Es
gibt
im
Auge
3
Arten
von
Nervenfasern.
Reizung
der
ersten
erregt
die
Empfindung
von Roth,
Reizung
der
zweiten
die
von
Grün,
Reizung
der dritten
die
Em-
pfindung
von
Violett (Helmholtz,
Physiol.
Opt.
1867.
291).
Maxwell
nimmt
statt der
Organe
für
Violett solche
für
Blau
an.
Helmholtz
schliesst
sich
Young
an,
sagt aber
(S.
292):
„Man
würde
dieselben
Vortheile,
welche
die
Hypothese
von
Young
für
die
Er-
klärungen
bietet, erhalten,
wenn
man die
Annahme
machte,
dass
innerhalb jeder ein-
zelnen
Faser
dreierlei
von
einander
verschiedene
und von
einander
unabhängige Thätig-
keiten
auftreten
könnten
•
•
•
•
Da aber
die
ursprüngliche
von
Young
aufgestellte Form
dieser
Hypothese
eine
grössere
Bestimmtheit
der
Vorstellung
gibt, so wollen
wir
sie,
wenn
auch
nur
im Interesse
der
Darstellung,
in
ihrer
ursprünglichen
handgreiflicheren
Gestalt
beibehalten.
Als
Aufnahme-Organe für
Licht
und
Farbe
betrachtet
die
Physio-
logie gewisse
Gebilde (Zapfen
und Stäbchen)
der Netzhaut,
in
denen
die
Nerven
endigen.
Von
diesen
sind
wahrscheinHch
die
Zapfen
befähigt
zur
Aufnahme
von Licht und zur
Unterscheidung
der Farben,
die
Stäbchen
nur
zur
Auf-
nahme
von
Licht, d. h.
zur Unterscheidung von
Hell und
Dunkel.^)
Im
Sinne
der
Young -Helmholtz'
sehen Theorie
hätte
man
3
Arten
von
Zapfen
zu unterscheiden
(für
Roth,
Grün, Violett), über
die Netzhaut
ver-
theilt,
wie
die
Steinchen einer
Mosaik,
oder
man
hätte
anzunehmen,
dass
in
jedem dieser
Zapfen
3
Arten von
Nervenfasern endigen
(für Roth,
Grün,
Violett). Welche von beiden Annahmen
von
den
Physiologen derzeit
als
die
richtige
angesehen
wird,
darüber
konnte
ich
aus
der
Literatur
Klarheit
nicht gewinnen. Beide
Meinungen
finden
sich vertreten.^)
^)
„Wahrscheinlich sind
es
bei
den höheren
Thieren
die
Zapfen
der
Netzhaut,
welche
zugleich
Farben empfinden.
Dafür
spricht
die
Thatsache,
dass die
im
Dunkeln
lebenden
Thiere,
wie
Igel,
Maulwurf,
Fledermaus,
keine
oder nur
sehr wenige
Zapfen
be-
sitzen. In der Dunkelheit
aber hört
die
Farbenempfindung
auf
und
nur
die Licht-
empfindung
bleibt;
bei
Nacht sind alle
Katzen
grau,
sagt
schon ein
altes Sprichwort.
(C. Vogt,
Physiol.
Briefe.
Giessen
1874.
409.)
Vgl. auch
Fussnote
i
Seite
93.
^)
L. Hermann, Lehrb.
d.
Physiologie
1889,
schreibt:
„Da
die
Zapfen
an
ihren
Innengliedern
eine
feine
fibrilläre
Strichelung
zeigen
und
auch
die
von
ihnen
ausgehenden
Radialfasern viel
dicker als die der Stäbchen und
von
fibrillärem
Bau
sind,
auch
sich
in
der Zwischenkörnerschicht in
ein
Multiplum von
Fibrillen
auflösen,
so
wäre
es
möglich,
dass
jeder
Zapfen ein
solches
Multiplum von
Nervenendigungen
darstellt,
wie
es
die
Young
'sehe Theorie
verlangt.
Ueber
die
Ursache
aber,
weshalb
bestimmte
Farben
vor-
zugsweise bestimmte
Elemente erregen, und
über
die
Art
der
Zerlegung
des
gemischten
Lichtes
in
den Zapfen (welche
übrigens
schon
durch
die
ellektive
Erregbarkeit der
Elemente
gegeben sein
würde)
ist
nicht
das
Mindeste
bekannt,
(S.
555-)
„Neuere
Messungen (Brücke) deuten
übrigens
darauf,
dass
auch
beim
Menschen
die Farben
nicht im Bereich
eines einzelnen
Zapfens,
sondern
erst
im
Bereich
eines
Zapfencomplexes
unterschieden werden, so dass
also
vielleicht
jeder
Zapfen
nur
eine Grund-
farbe
percipirt.
(S.
556.)
Die
der Young-Helmholtz'schen
entgegenstehende
Hering'sche
Theorie
legt
mehr
Gewicht
auf
die
chemischen
Vorgänge
bei
der
Aufnahme
von
Licht
und
Farbe,
als
auf
die
Localisation
der
entsprechenden
mechanisch-physikalisch
Vorgänge,
um
die es
sich
für
uns
hier
handelt.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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86
Die
Annahme
einer
mosaikartigen
Vertheilung- der
3
Arten
von Farb-
organen
(Zapfen)
in
der
Retina
befriedigt
uns
nicht.
Es
wäre nöthig, eine
bestimmte
Gruppirung
anzunehmen.
Jedes
Grün-Organ
müsste
in
seiner
unmittelbaren
Nähe
die
nöthigen
Roth-
und Violett-(Blau-)Organe haben, da-
mit
ein
auf diese
Stelle
der Retina
geworfenes
Bildchen seine Farbe
(auch
eine
Mischfarbe)
zeigen
kann,
die sich
nicht
ändert, wenn
ich das
Auge
bewege,
d.
h.
das
Bildchen
auf
eine benachbarte
Stelle, der
Retina
verschiebe. Es dürften
sich
nicht,
wie in
Mosaikbildern,
grössere
gleichfarbige
Gruppen
beisammen
finden.
Die
Gruppirung
der
Farb-Organe
kann
keine
zufällige sein; sie ist
ja
das
Product
natürlicher
Entwicklung.
Die
räumliche
Vertheilung
folgt,
wie
wir wohl
annehmen
dürfen, dem
Gang
der
Entwicklung. Wir
hätten
lauter
kleine
Gruppen
anzunehmen, deren
jede
alle Farben aufnimmt.
Solche
Gruppirung
verschiedener
Zapfen^)
in der Netzhaut ist
nicht beobachtet.
Es
ist
aber
kein Grund
gegen
die
Annahme,
dass
jeder
Zapfen eine solche
Gruppe
vorstelle,
der
Träger
dieser
complicirten
Fähigkeit
sei.
Retinabild
und
ZapfengrÖSSe.
Gegen
die
Annahme,
dass
die
Farben erst im Bereich
eines
Zapfen-Complexes
unterschieden
werden,
sprechen
folgende Betrachtungen und
Zahlen:
Die
Wahrnehmbarkeit
resp.
Unterscheidbarkeit
der Farben hängt
vom
Sehwinkel
ab,
d.
h.
von
der
Grösse
des
Netzhautbildes.
Nach
Fechner^)
erscheint auf schwarzem
Grund
ein
gelbes
Quadrat
noch
farbig unter einem
Sehwinkel von
39 ,
ein hellblaues
aber
erst
unter
68 .
Bei
normaler Sehweite
von
30
cm entspricht
39
Sehwinkel einer
Seite
des
gelben
Quadrates
=
0.06
mm,
68
einer Seite
=
0.10
mm.
^
Das
Netzhautbild
hat
etwa
-^^
vom
Durchmesser
des
Objects
in
30
cm
Entfernung.
Somit
ist
die Seite eines
farbig
erkennbaren
Retinabildes
für
Gelb
=
0.003 rnm,
für
Blau
=
0.005
mi^i-
Das
ist
aber
gerade
der
Durchmesser eines
einzelnen Zapfens,
und
zwar für Gelb
dessen Minimum,
d.
h.
ein
Retinabild
von der Grösse eines
Zapfen-Querschnitts
erscheint
uns
noch farbig.
Eine
Uebersicht
giebt
folgende
Tabelle:
Seh-
Seite
d.
färb. Seite d.
färb.
Durchmesser eines
Farbe
winkel
Quadr.
in
erkennbaren
Hinter-
Be-
Zapfens
^)
Secun-
30
cm
Seh-
Retinabildes grund obachter
im gelben
Fleck
den
weite mm mm
=
0.003
11^1^
in
anderen
Theilen
der
Retina
gelb
3Q
0.06
0.003 schwarz
Fechner'^)
blau
68 O.IO
0.005
n
n
=
0.0045
—
0.0067
grün, gelb
43
0.06
0.003
n
Aubert*)
roth
5^
0.08
0.004
35
'?
Mittlerer
Abstand^)
zweier
Zapfenmitten
roth
35
0.05
0.003
weiss
n
im
gelben Fleck
grün,
gelb
57
0.08
0.004
>?
n
=
0.009 irim
blau
69
O.IO
0.005
n
»
*) Vgl.
Fussnote
i
S.
93.
2)
Eisenlohr-Zech,
Lehrb.
d.
Physik.
1876.
302.
—
»)
Helmholtz,
Physiol.
Optik.
1896. S.
33.
—
*)
Helmholtz
1.
c.
S.
374.
(Umgerechnet.)
—
^)
Berechnet
aus
Beobach-
tungen
von
Helmholtz,
Hirschmann,
Salzer,
CI.
Du
Bois-Reymond
(Helmholtz,
1.
c.
S.
260).
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
87
—
Noch
wesentlich
kleinere,
ja unendlich
kleine
Retinabilder
können
farbig
empfunden
werden,
wenn die
Lichtstärke
genügt;
so
erscheinen
uns
gewisse
Fixsterne farbig.
Gelb
hat bei der
Annahme
mosaikartig
vertheilter
roth-, grün-
und violett- (blau-)
aufnehmender
Zapfen keine
selbständige
Zapfen.
Ein
als
gelb
erkennbares Retinabild
müsste
daher
eine
Gruppe
von mehreren
Zapfen
zugleich
treffen,
was
obigen
Zahlen
wider-
spricht.
Je
nachdem
das
Retinabildchen
einer
physiologischen
Mischfarbe
(wie
Gelb
im
Sinne
der
Young-Helmholtz'schen Auffassung)
von
0.003 mni
Grösse
bei
wiederholtem
Versuch,
einmal
einen
roth
empfindlichen Zapfen
allein
trifft,
dann
einen violett-
(blau-)
oder
grün-
empfindlichen allein, müsste die Farbe
wechseln,
eine
andere oder
keine
wahr-
genommen
werden,
was der Beobachtung
widerspricht.
Eine
Lösung
des
Widerspruchs
könnte
in
der
Unruhe
des Auges gefunden
werden,
die das
Retinabildchen
beständig
über
eine
Gruppe
benachbarter
Zapfen
hingleiten Hesse.
Um
dies
Schwanken
auszuschliessen,
das Retinabild
zu fixiren,
haben
Aubert und Förster
bei
ihren
Messungen das
im verdunkelten Zimmer
durch
ein schwarzes
Rohr
beobachtete
Quadrat,
dessen
Farbe
beurtheilt
werden
sollte,
nur für
einen
Moment
mit einem
elektri-
schen
Funken
beleuchtet.^)
Rangordnung.
Die
Angaben
von
Fechner und
Aubert
geben den Farben
resp.
der
Empfänglichkeit
des
Auges
für dieselben eine
Rangordnung.
Es ist wieder dieselbe,
die
das Gesetz
der
Complication vorzeichnet.
Ein
kleineres Retinabild
genügt
zur
Er-
kennung
von
Gelb und
Roth
als von
Blau.
Das
Zurücktreten von
Gelb
hinter
Roth
bei
weissem
Hintergrund
(Aubert)
erklärt sich aus
dem geringeren
Gegensatz
von
Gelb-
Weiss
als von
Roth-Weiss. Es
kommt
nämlich
bei diesen
Versuchen
nicht
nur
auf
die
Auffassung
der
Farben,
sondern
auch der
Verschiedenheit
vom
Hintergrund
an.
Das
Genügen
eines
kleineren
Retinabildes für
Gelb als
für
Blau
spricht
dagegen,
dass
Zapfen für
Blau
vorhanden
sind,
für
Gelb
fehlen.
Angaben
für Violett habe
ich
nicht
gefunden.
Anmerkung.
Tritt
zum
Schwarz-Weiss
unserer
Schrift
noch
eine Farbe,
so
ist
es
Roth,
nicht
Gelb,
das
sich
von
Weiss
zu wenig
abhebt.
Die dritte
Farbe
soll
sich
zu-
gleich
von
Schwarz und
Weiss
möglichst unterscheiden.
Dagegen ist die
Linirung
und
Rastrirung
unserer Hefte durchweg in Blau, der
schwächsten
Farbe. Sie
soll sichtbar sein,
aber
hinter
Schwarz und Roth zurücktreten.
Facettenaugen
der
Insekten.
Als
Aequivalent der
Zapfen
im Wirbelthier-Auge
sind
wohl
bei den
Insekten die
Sehstäbchen
anzusehen,
deren
Endflächen
die Mosaik
des
Facettenauges bilden. Man
nimmt
an,
dass
jede
Facette,
resp.
das
zugehörige
Sehstäbchen
von
einem
Punkte
des
Objekts die
Farbe
(auch
Mischfarbe)
aufnimmt,
also
jedes Stäbchen
zur
Aufnahme jeder Farbe befähigt ist.
Es
sind aber
Anzeichen
vorhanden,
dass
die In-
sekten
die
Farben ähnlich und
mit der
gleichen
Rangordnung
wahrnehmen,
wie
wir
(vgl.
Seite
106
flg.).
Die Analogie deutet
darauf
hin, dass
auch
jeder
Zapfen
unseres
Auges
jede
Farbe
aufnehmen könne.
1)
Sie
schreiben hierüber
(Arch.
f.
Ophthalm.
1855.
3(2)
Seite
2):
„Wenn
Messungen
auf
der
Netzhaut
angestellt
werden
sollen,
so
wird es
zunächst
nothwendig
sein,
dieselbe
zu fixiren. Der elektrische
Funke
ist
von
so
kurzer
Dauer,
dass es
unmöglich
ist,
während
desselben
eine
Augenbewegung
auszuführen.
Was daher
während
dieser
Zeit gesehen
wird,
wird
von
der ruhenden,
unbewegten
Retina
gesehen.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
88
—
Wir
wollen
folgende
Hypothese
einführen:
Erklärung
durch Complication
und harmonische
Knotenbildung.
Jeder
Zapfen^)
der Netzhaut
ist
Aufnahme-Organ für
das
Licht
und
die
Farben
zugleich.
Die Aufnahmsfähigkeit
ist
in ihm
entwickelt
durch
Knotenbildung nach
dem
Gesetz
der
Complication,
Die
Complication
der
einzelnen
Zapfen kann
verschieden
weit
gehen: bis
Nq, N^,
N2, N3
viel-,
leicht
bei
einzelnen bis
N^.
Je
nach der
Anregung
von
aussen
reagirt
das
Aufnahme-Organ
weiss,
als
Ganzes,
oder farbig,
nach
den durch
die Compli-
cation vorgezeichneten
Knoten.
Die
höchst
differenzirten Aufnahme-
Organe häufen
sich
in
der Mitte
des Gesichtsfelds
(im gelben Fleck) und
nehmen
nach
der
Peripherie ab.
Wir wollen
diese
Hypothese
ein wenig*
ausführlicher darlegen.^)
Entwicklung
des physiologischen Licht-Organs (Zapfens)
durch
Knoten-
bildung.
Das Licht-Organ
(Zapfen) werde
durch
das
Licht
als
Ganzes in
Schwingungen versetzt.
Der
Lichtreiz, durch
den Sehnerv zum Gehirn
ge-
führt, macht
den
Eindruck
von
Hell,
Weiss.
Zugleich
ist das Licht-Organ,
wie
eine
schwingende Membran,
einer
harmonischen
Theilung
fähig
und
einer
Knotenbildung.
Die
Knotenbildung erfolgt,
wie
die analoge bei den
Tönen, nach dem
Gesetz der
Complication
und
der
harmonischen
Zahlen:
p
=
o 2
I 2
3
00.
Die
Endknoten liegen fest.
Das
Sonnenlicht hat
sie
aus-
geprägt
und
eine
beständig
wiederholte
Einwirkung
befestigt
sie.
Durch
die
Endknoten
sind die
abgeleiteten Knoten vorgezeichnet.
Bestimmte
Knoten-
bildung bewirkt,
dass das Organ
in
entsprechenden
Theilen schwingt, auf
entsprechend schwingende herankommende Lichtwellen reagirt.
Die
Wirkung
ist eine
qualitativ
charakteristische
(Farbe).
Bildet
sich
z.
B. ein
Knoten bei
der
Dominante
p
=
i,
so reagirt der so differenzirte
Zapfen
auf
die
ent-
sprechende Farbe D
=
Gelb; bildet
sich
ein Knoten bei
p
=
2,
so
reagirt
der Zapfen
auf E
=
Grün.
^)
Wir sprechen
hier
und im Folgenden von
Zapfen (statt Zapfen und
Stäbchen)
als
Auf-
nahms
Organe;
der
Kürze wegen
und
weil
im gelben Fleck, dem
Gebiet
höchst
entwickelter
Gesichts-Wahrnehmung
nur Zapfen
vorhanden sind,
die Stäbchen
fehlen
(Helmholtz, Physiol.
Opt.
1896.
33).
Wo
nöthig
sind
die
Worte ,.und
Stäbchen
zuzufügen.
Sollten
die
Zapfen
auf
Grund
physiologischer
Untersuchung
als
Aufnahme-Organe für
Farbe und Licht
durch
andere
Gebilde
ersetzt werden,
so überträgt
sich auf diese unsere
Deutung.
^)
Die
Hypothese
enthält nichts
über die Art der
Uebernahme
und Fortleitung
des
Licht-
und Farbenreizes
durch
die
Nervenfasern.
Der Apparat ist
einem
Telephon
ver
gleichbar,
wobei
der
Zapfen
die
Rolle
der
Aufnahmeplatte
spielt,
das
Bündel
der
zuge-
hörigen
Nervenfasern
die
Rolle
des Leitungsdrahtes.
Wie
weit die
Analogie
zutrifft, ist
Gegenstand
besonderer Betrachtung.
(Ueber
Analogie
vgl.
S.
134).
Es
ist auch nichts ausgesagt
(präjudicirt)
über
die
begleitenden
chemischen
Processe,
die die
Kraft
zur
Ausführung
der bei dem Vorgang
geleisteten
Arbeit
liefern und
das
er-
müdete
Organ
regeneriren
(vgl.
die
Anmerkung
S.
69).
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—
89
—
Durch die Festleg-img-
der
Endknoten
ist
die
Erzeug-ung-
der
abge-
leiteten
Knoten
als Fähigkeit
vorgebildet:
Kommt
ein
gelber Licht-
strahl
heran,
d. h.
ein
solcher,
den
der
Zapfen
aufnehmen
kann,
wenn
er die
Knotenbildung
p
=
i
vollzogen
hat,
so vollzieht
er
diese
Knotenbildung
unter dem anregenden
Einfluss
des
gelben
Lichts
und
wird
dadurch
em-
pfänglich
für die
Aufnahme
gerade
dieses
Lichts.
Der physiologische
Ein-
druck
ist Gelb. Kommt
grünes Licht
anregend
heran,
so
vollzieht
sich die
Knotenbildung
p
=
2
entsprechend;
der
physiologische
Eindruck
ist
Grün.
Analogien.
Der
gleiche
Vorgang
findet
sich
bei
den
Tönen.
Auch
dort voll-
zieht
sich die
Knotenbildung
des
harmonischen
Organs
unter
dem anregenden
Einfluss
herankommender
entsprechender
Töne.^)
Auch
bei
den
Kry
stallen
finden wir
den
analogen
Vorgang.^)
Bilder.
Alle
Zapfen, die
von
der
gleichen
Anregung, dem
gleichen
Licht
getroffen
werden,
reagiren
ebenso,
benachbarte,
die
von
anderem
Licht
getroffen werden,
vollziehen
die letzterem
entsprechende
Knoten-
bildung
und
nehmen
das
andere
Licht
auf. So können
wir
auf verschie-
denen
Theilen
der Retina
zugleich
und
auf
demselben nacheinander
verschiedene Farben wahrnehmen.
Auf
diese Weise
erhalten
wir
im
Auge
Bilder
der
angeschauten
farbigen
Gegenstände.
Mischfarben. Jeder
Zapfen
kann
verschiedene
Knoten zugleich
bilden und
so
auf
verschiedene Farben
zugleich ansprechen.
Den
Eindruck
nennen
wir
Mischfarbe.
Das
Analogon
in
der
Musik
ist
ein
Accord,
bei
den
Krystallpartikeln
eine Combination.
Der physiologische
Eindruck ist
abhängig
nicht
nur
von der
Knotenbildung, sondern
zugleich
von
der absoluten und relativen
Intensität
(Helligkeit)
der
ankommenden
Lichtarten.
Anmerkung.
Der Eindruck einer Mischfarbe
wird
auch
dadurch
hervorgebracht,
dass
benachbarte
Färb
-
Organe (Zapfen) durch verschiedene
Farben
angeregt
werden
und der
Eindruck
verschmilzt.
Beispiel: Ein
Stoff
macht den
Eindruck
von
Grau.
Bei
näherem
Zusehen
(Fixiren
des
Auges
oder
Vergrösserung durch
eine Linse)
bemerkt
man,
dass
er
schwarze,
weisse,
blaue,
rothe Fäden
enthält.
Grundfarben. Farbenknoten.
Das
Spectrum
ist,
wie
wir
sahen,
ein
Abbild
des
Farb-Organs unseres Auges.
Es
zeigt
breite
Streifen
von
Purpur,
Roth,
Gelb,
Grün, Blau,
Violett,
an den
Grenzen durch
Uebergangsfarben
in-
einander
verlaufend.
Analogon.
Das
Bild gleicht
den
scharfen
Krystallflächen
einer
freien
Zone,
die
an
den
Grenzen
durch Rundung in
einander
übergehen. Die
Analogie
beider
Erscheinungen
ist
nicht
zufällig.
Wir
nehmen an,
dass
jeder
quahtativ
verschiedene
Streifen des
Spectrums
einem
Knoten
(Farb-Element)
des
Licht-Organs
entspricht,
d.
h.
dass
jedes
^)
Vgl.
S.
6i.
^)
Vgl.
Zeitschr.
f.
Kryst.
1897.
28.
7
und
416.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
90
Farb-Element
(Knoten) durch Licht
aus dem
entsprechenden
Streifen
physio-
logisch
wahrnehmbar
ang-eregt wird.
Die
Anregung
qualitativ
gleich,
so dass
die
Wirkung aller Theile des Streifens auf
das
Farb-Element
den
Eindruck
der
gleichen Farbe
macht
(z.
B.
Gelb),
aber
quantitativ
verschieden
und
zwar
an
Stärke
des
Eindrucks von
einem
mittleren
Punkt
nach den
Seiten
ab-
nehmend.
Fig.
5
möge
dies
illustriren.
Die
Abbildung
dieser
Wirkung
in
allen Knoten
führt
zu
den Figuren
S.
loo flgde.
Den
Eindruck der
angeregten
Farb-Elemente
nennen
wir
Grundfarben.
Ihre
Zahl
deckt
sich
mit
der Zahl
der selbständigen Farb-Element-Arten.
Den mittleren
Punkt stärkster
Wirkung
nennen
wir den
Knotenpunkt.
Der
Knotenpunkt
jeder Farbe
lässt sich physio-
^eib
logisch
nicht
scharf
feststellen.
Unsere
Hypo-
these
sagt, dass
die
Knoten eine
harmonische
Reihe
bilden,
und
dass
ihr
Ort
sich
deckt
mit
dem Ort
der
wichtigsten
Frauenhofer'schen
Linien.
Den Grund
dieses
Deckens
fanden
wir
in der
Entwicklung
der
Farb-Elemente
und
der
Fig.
5.
Frauenhofer'schen
Linien
nach dem gleichen
Gesetz
der Complication.
Concentration
der
Wirkung
auf
die
Farbknoten
durch Componenten-
Bildung.
Das
Farborgan hat
vermöge
seiner
Complication
bevorzugte
Auf-
nahm
sfähigkeit
für
die
Lichtschwingungen
entsprechend
den
Linien
ACDEFH.
Kommt Licht heran
mit Wellenlänge,
die
genau E
entspricht
(yl
=
5274
Zehn-
milliontel
Millimeter),
so
reagirt
darauf
der Knoten
E des
Farb-Organs
und die
Sinnes-Wirkung ist
Grün.
Kommt ähnliches
Licht
z.
B.
A
=
5300,
so
liefert
dies eine starke
Componente
nach
Grün,
eine
schwache
nach Gelb.
Das
Licht
im
Spectrum
erscheint noch
wesentlich
Grün.
Licht mit
X
==
5400
liefert
eine stärkere
Componente an den
Knoten
D;
das
Grün
erhält eine stärkere
Beimischung von
Gelb.
Die
physiologische
Wirkung
muss
nicht
proportional
der physikalischen
sein.
Es
ist
dabei
wohl
eine Majorisirung denkbar,
so dass
eine schwache Compo-
nente nicht
empfunden wird.
Das
würde
erklären,
warum
jede Farbe
in grösserer
Ausdehnung
ihren
Charakter
nicht wesentlich
ändert;
warum im Spectrum
breite
rothe,
grüne,
gelbe... Streifen
bestehen,
die Mischfarben
untergeordnet
sind.
Analogen.
In
der Kraftsphäre
der
Krystallpartikel
sind gewisse Richtungen
durch
den Bau der
Partikel
als Primärknoten bevorzugt,
ausserdem
sind
abgeleitete
bevorzugte
Richtungen
aus
den primären
entstanden
nach
dem Gesetz
der
Complication.
Senkrecht
zu
diesen
Richtungen
bilden
sich
die
Flächen.
Das
Kraftsphäroid der
Partikel
concentrirt
sich
in die
Vorzugs-Richtungen,
indem
jede
Kraft
einer
Zwischenrichtung in
Componenten
nach
den
Vorzugs-Richtungen
zerfällt.
(Vgl. Zeitschr. f.
Kryst.
1897. 28.
S.
414.)
Jeder
der
durch
Knotenbildung
selbständig
gewordenen
Organtheile
(Elemente
des
Farb-Organs)
beherrscht
ein
bestimmtes Gebiet
in seiner
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—
91
—
Umgebung-.
Er kann
Schwingungen
nicht nur
von
einer
Wellenlänge
aufnehmen,
sondern
auch
(durch
Componentenbildung)
benachbarte
in
nicht
scharf
be-
grenztem
Umkreis.
Wäre das
nicht,
so
erschiene
uns
das Sonnenspectrum
aus
mehreren
scharfen
Linien bestehend.
Nach
den
Nachbargebieten
nimmt die
EmpfmdKchkeit
ab,
aber es
überdecken
sich
theilweise
die
Wirkungs-Gebiete.
Auch
in
den
Endknoten
ist
die
Grenze
der
Wahrnehmung
nicht scharf.
Das
Spectrum bricht
nicht scharf
ab,
sondern
verläuft
an beiden Enden,
licht-
schwacher werdend,
ins
Dunkle.
Reine Farben und
Uebergangs-Farben.
Nach
dieser
Auffassung ist
jedes
Th eil
Organ
(Element)
nur für
eine
Farbe
empfänglich.
Nur für Gelb, Roth,
Grün,
Blau, Purpur,
Violett. Eine Farbe,
die
nur
eine
Art Element
wahr-
nehmbar
anregt, nennen
wir reine Farbe
im
physiologischen
Sinn.
Phy-
sikalisch
ist eine
reine Farbe eine
solche,
die
nur
Licht gleicher Wellen-
länge
enthält
(homogenes
Licht).
Beide
Begriffe
decken
sich
nicht.
Homogenes
Licht
kann
durch
Componenten-Bildung
mehrere
Elemente
zugleich
wahr-
nehmbar anregen,
andererseits
hat
jedes Element
ein Spectralgebiet
von ge-
wisser Breite,
in dem
die
Nachbarelemente
noch
nicht
wahrnehmbar
angeregt
werden,
die Farbe
physiologisch rein
ist.
Der
mittlere
Ort
(Knoten)
der
reinen
Farben
ist
durch
das
Gesetz
der
Complication vorgezeichnet.
Er sitzt
an
der
Stelle
der
Frau
enhof
er
'sehen
Linien
ACDEFH.
Die
nicht
reinen
Farben
des
Spectrums erscheinen
als
Gemische,
indem
auf Licht der
be-
treffenden Wellenlänge
zwei
benachbarte
Arten
von Elementen
zugleich
mit
verschiedener
Intensität reagiren. Solche
wollen wir
Uebergangs-Farben
nennen.
Spectralfarben
sind
danach reine Farben oder
Uebergangsfarben.
An
eine
Accommodirung
der
Aufnahme-Organe
für
Licht
und
Farbe
durch
wechselnde Spannung
in massigen
Grenzen in
Folge
äusserer
oder
innerer
Einflüsse
kann gedacht
werden.
Dadurch
würden sich
die
Endknoten
verschieben
und
entsprechend
die abgeleiteten Knoten.
Ich
vermuthe,
dass
manche
physiologische
Erscheinungen
sich
dadurch
erklären.
Die
Zahl
der
Farb-Element-Arten
ist
nicht
nothwendig
constant.
Nicht
für
alle Menschen
die
gleiche,
nicht
einmal für
denselben
Menschen
durch
das ganze
Leben. Es ist denkbar,
sogar
wahrscheinlich,
dass
die
Differenzi-
rung
im Lauf des
Lebens sich verfeinert, einen
Höhepunkt
erreicht
und
mit
fortschreitendem
Alter
sich
zurückbildet,
indem
das zuletzt
Entwickelte,
Feinste,
zuerst
erlischt,
das Erste, Gröbste,
sich
am längsten
erhält.
Ferner ist
anzu-
nehmen,
dass
bei verschiedenen
Menschen
die
Differenzirung
verschieden
weit
geht
und danach
die
Zahl
der
Farb-Element-Arten
verschieden
ist.
Bei
den
allgemeinen
Betrachtungen
wollen
wir
einen
normalen
Menschen
d.
h.
einen
solchen
der
Durchschnitts-Entwicklung auf
der
Höhe
des
Leben
im
Auge
haben.
Ungleiche Entwicklung
der
einzelnen
Licht-Elemente
in
demselben
Auge.
Auch
im normalen
Auge ist
anzunehmen, dass nicht
alle
Licht-Elemente
bis
zum
gleichen
Grad
der
Complication entwickelt
sind.
Die
höchst
entwickelten
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—
92
—
(bis
N3)')
sitzen
im
centralen
Theil der
Netzhaut.
Es
folgt
eine Zone
mittlerer
Entwicklung-
(N2
und
NJ
^).
Noch
weiter
nach aussen
„gibt
es
einen
periphe-
rischen
Gürtel,
in
dem
wir
total farbenblind sind .^) (N^).
Es
erscheint
uns
natürlich,
dass
im
centralen
Theil der Netzhaut,
dem Fixirpunkt,
dem
meist
gebrauchten
Punkt,
die
Entwicklung
am
weitesten fortgeschritten
ist.
Analogien.
Diese
Anordnung
mit
fortschreitender Complication nach
der
Mitte
erinnert
an
die
Blüthen
vieler
Compositen.
Ob
wohl
bei
dem
Facetten-Auge
der
Trilobiten
die centralen Theile die
höchst
ent-
wickelten
waren und
ob
sie
es
bei
dem der Insecten noch
sind?
Jedes
Licht-Element
des
Auges
hat (als
selbständiges Organ)
seine eigene
Farb-CompHcation.
Wenn
also
bei
normalem Auge
im
centralen
Theil die
Entwicklung
am weitesten geht,
so
kann
auch
da
die Zone
höchster
Entwick-
lung grösser
oder kleiner sein. Es
können beliebig viele
und
beliebig
geord-
nete
Elemente in der Entwicklung
zurückgeblieben,
andre vorangeeilt
sein.
Es
sind alle Uebergänge
möglich
zu
einem Auge, das
man
abnormal
nennt.
Dort kann das
Gebiet
der höchsten
Entwicklung
sehr klein
sein
oder
fehlen,
getheilt
sein oder excentrisch
liegen. Man
kann von einer
Topographie
des
Farbensinnes'^)
im
Auge
sprechen und die Vertheilung
in einer
Pro-
jection z.
B.
der
stereographischen
oder
gnomonischen abbilden.
So lassen
sich
die
verschiedenen Arten
der
Farbenblindheit
mit
ihren
Uebergängen
erklären.
Der
Farbensinn
ist
stärker
oder
schwächer,
je
nach
der
Zahl
der
hochdifferen-
zirten
Licht-Elemente. Unabhängig
von
der
Farben-Complication
ist der
Grad der
Licht-
empfindhchkeit
für
jedes
einzelne
Element.
Es scheint,
dass
er für
ein
normales
Auge nach
der Peripherie
abnimmt.
Kleinheit
der Zapfen.
Es mag
die
F'rage
entstehen,
ob
ein
so
kleines
Gebilde,
wie
ein
Zäpfchen der Netzhaut,
Wahrnehmer der verschiedenen
Farben
zugleich sein
könne und
ob
nicht der
verschiedene Grad
der
Complication an
den
einzelnen
Zäpfchen sichtbar
sein
müsse.
Dagegen ist folgendes
zu
sagen:
Die
Wellenlänge
für
A
beträgt 0.0008
mm,
die
für
H
0.0004
mm,
das
sind
kleine
Grössen
gegenüber der
Grösse
der
Netzhaut-Zapfen
(0.06
mm
lang,
0.003
—
0.007
^^ dick).^) Es
gehen
4
— 18
Lichtwellen
auf
den
Durchmesser
eines
Zapfens.
Auch
den Krystallpartikeln
schreiben wir die
Fähigkeit
der
Complication
zu; deren
Grösse
aber liegt
weit
unter
der
Grenze
der
Sichtbar-
keit.
Man
ist
ausserdem
in
der Physiologie
gewöhnt, kleine Gebilde als
Träger
der
wunderbarsten
Manichfaltigkeit von
Eigenschaften zu sehen.
So
birgt ein
^)
Die Normalreihen
Ng N2 mit ihren
Varianten:
N,: p
=
o|i|i|23OO;p
=
0|.§i23OO;p:=oii23O0;...
p
=
o|i2oo;
p=oiioo;
p
= oi200;...
p
=
o I
00 (wobei von
Farben
nur
Gelb erkannt
wird)
0-
p
=
o
00
(Totale
Farbenblindheit, nur
Hell und
Dunkel unterschieden).
^)
Holmgren,
Die
Farbenblindheit. 1878.
S.
39.
^)
Helmholtz, Physiolog.
Opt.
1867.
19.
'3
N
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—
93
—
mikroskopisches Ei oder
Spermatozoon
die
Eigenschaften
vergangener
und
zukünftiger
Generationen, und
doch
sehen sie
einander
so
ähnhch
„wie
ein
Ei
dem
andern . Auch ist
nicht
ausgeschlossen,
dass
Unterschiede
im
Bau
der
Zäpfchen
gefunden
werden.
Farbige und
farblose
Licht-Organe.
Es
ist
denkbar,
dass
von
den
Licht-
Organen
des
Auges
nur
ein Theil
sich
zu
Farb-Organen
entwickelt
hat;
sowohl
bei
der Art als
beim
Individuum;
dass ein Theil
nur
Hell
und
Dunkel
unter-
scheidet.
Sollten
etwa die
Zapfen
der Netzhaut
zu
Farb-Organen
entwickelte
Stäbchen
sein? Dafür spricht,
dass
an der
Stelle
höchster
Entwicklung,
im
gelben
Fleck,
nur Zapfen
sich
finden,
ihre Zahl
gegen
die der
Stäbchen
nach
der
Peripherie abnimmt,^)
ebenso wie
der
Farbensinn
nach
dem
Rand
abnimmt.
Ob wohl
Untersuchungen
da
sind
über das
Verhältniss
der
Zapfen
zu
den
Stäbchen bei
Farbenblinden?
Entwicklung
der
Farb-Organe
aus
den
Licht-Organen
durch
Uebung.
Wir
können
den
Entwicklungsvorgang
folgendermassen
deuten:
Durch
den
Bau
des Licht-Organs
zur
Aufnahme
der
Octave des
Sonnenlichts
sind die
End-
knoten
festgelegt
und
dadurch
nach
dem
Gesetz der
Complication
die
abge-
leiteten Knoten in
absteigender
Rangordnung
(Wahrscheinlichkeit)
vorgezeichnet,
d.
h.
schwingt
das
Organ auf
Grund
gewisser
Anregung
nicht
als Ganzes,
son-
dern in
Theilen
durch
Knotenbildung,
so
ist
die
grösste
Wahrscheinlichkeit
für
Knotenbildung
entsprechend
p
=
i, ...
Die
Wahrscheinlichkeit
wird im
speciellen Fall
zur
Wirklichkeit,
die
Fähigkeit
zur
Eigenschaft.
Nach
dem Gesetz
der
Wahrscheinlichkeit
wird das Wahrscheinlichste
am häufigsten
zur
Wirklichkeit.^) Von
den
Knoten ist also der
häufigste die
Dominante
p
=
i
(Gelb), dann
p
=
2
(Roth);
p
=
2
(Grün).
Die
häufige
Knotenbildung
bei
der
p
=
i
entsprechenden
Stelle
des
Licht-Organs
bringt
an
dieser eine
Veränderung
hervor,
die
der
Knotenbildung
angepasst ist. Diese
Veränderung
erleichtert
eine wiederholte
Knotenbildung
an
dieser
Stelle. Es
bildet sich eine
Organtheilung
(Gliederung)
mit
Theil-Organen
für
p
=
i.
Es
entsteht
ein
Knoten,
der
nicht
nur
durch
das Gesetz der
CompHcation
vorgezeichnet, sondern nun
durch besondere
Anpassung
ausgezeichnet ist.
Das Gleiche
geschieht
dann für die
Knoten
p
=
2]
p
=
2;
p
=
3;...
Einprägen
der
Knoten. (Gliederung.)
Der
Grad
der
Einprägung
(Schärfe
der Gliederung) kann verschieden
sein,
von
zarter
Andeutung
bis zu tiefer
Einprägung
für
jede
Knotenart.
Doch
bildet sich
auf
Grund
der
Wahrschein-
lichkeit (Häufigkeit) eine
bestimmte
Rangordnung.
Bei
normaler
Ausbildung
1)
Helmholtz,
Physiol.
Opt.
1896.
33.
C.
Vogt.
Physiolog.
Briefe.
1874.
375.
„Aus
dem
Fehlen
der Zapfen
bei
den
Nachtthieren
(Eule,
Fledermaus),
für
welche
der
Farbensinn
unnütz
wäre,
schliesst
man,
dass
die
Zapfen
die
farben-percipirenden
Netz-
haut-Elemente
sind,
während
die
Stäbchen
nur
Intensitäten
zu
unterscheiden
vermögen
(M.
Schultze). (L.
Hermann,
Lehrb. d.
Physiologie.
1889.
555).
»)
Vgl. Zeitschr.
f.
Kryst.
1897.
28.
7.
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—
94
—
sind
die
Knoten
p
=
i
am
tiefsten
eingeprägt, dann
p
=
1;
2,
dann
p
=
3.
Uebcr
p
=^
4
hinaus
wird die
Fähigkeit
so
schwach, die
Häufigkeit so
klein,
dass
ein
Einprägen
sich
nicht
mehr
vollzieht. Damit
ist die Entwicklung
(Gliederung)
des
Organs
praktisch
abgeschlossen.
Analoga.
Steter
Tropfen
höhlt
den
Stein da,
wo
er
immer
aufs
neue
auffällt.
Man
geht
vorzugsweise
getretene Wege und tritt diese
immer
tiefer
ein.
Ein Gedanke
prägt
sich
dem
Gedächtniss
immer
tiefer ein durch Wiederholung.
Oft
gehörte Melodien
und
Harmonien
werden
leicht
aufgenommen.
Eine
gewisse
Aehnlichkeit
mit
den Knoten haben
die erhöhten Stäbchen auf dem
Griffbrett
der
Guitarre
oder
die
Löcher
in der Flöte.
Sie
zeichnen
den Ort der bevor-
zugten
Töne
vor und
bewirken,
dass gerade
diese hervorgebracht
werden.
Die
Einprägung
der Knoten
kann
äusserlich erkennbar sein,
aber
sie
muss
es
nicht.
Man
merkt
der
Hand
und
dem Auge des
Künstlers nicht
an,
dass
er
besonders
geschickt
ist.
Entwicklung
der
Organe (Gliederung)
durch
Uebung
der
vorgezeichneten
Fähigkeiten
erscheint
als
ein
allgemeines Gesetz
der organischen
Natur.
Entwicklung
und
Vererbung.
Die durch Uebung d.
h.
durch
immer
wiederholte
Einwirkung
des
Lichts
und
der Farben
erlangte
Ausbildung
des
Farben-Organs
wird durch Vererbung
übertragen,
so
dass sie den
jetzigen
Menschen
angeboren
ist,
resp. nach
kurzer
Entwicklung
sich bildet.
Bildet
sie
sich
nicht
oder
unvollständig,
so
bleibt
er
farbenblind.
Frühere
Gene-
rationen
dürften
farbenblind
gewesen
sein,
vielleicht werden spätere
mit
weitergehender Dififerenzirung
des Farben-Organs
geboren.
Festigkeit der Farben-Begriffe.
Sicherheit
des
Farben-Urtheils.
Bei
den
harmonischen
Tönen
wechselt
der Anfang der
Octav und
mit
ihm die
abgeleiteten
Töne. Entsprechend wechseln
im aufnehmenden
harmo-
nischen
Organ
des
Ohrs,
wie wir
annahmen, die
Endknoten und die
abge-
leiteten
Knoten
durch
Accommodirung
und andere
Anordnung
der
Knoten.
Wegen
dieses
Wechsels
wird
die
Lage
der
Töne,
die
relative
wie
die
absolute,
dem
Gedächtniss
nicht
leicht
eingeprägt. Nur
Wenige
sind im
Stand,
das
Bleibende in
diesem beständigen
Wechsel zu erfassen und
festzuhalten.
Besonders
selten
ist
ein
sicheres Urtheil über
absolute
Tonhöhe.
Anders bei den
Farben.
Da
haben wir
nur eine Octav
mit festem
An-
fang und
Ende
(festen
Primär-Knoten),
fester
Dominante (Gelb) und
fest be-
stimmten Ableitungen
(Knoten) nach
den
harmonischen Zahlen.
Die
Licht-
und Farb-Organe
des
Auges
sind
einer
anderen
Vertheilung
der
Knoten
nicht
fähig.
Daher
setzen sich
die
Eindrücke
der abgeleiteten
Farben
durch
stete
Wiederholung in
gleicher
Weise bei
Allen
im
Gedächtniss fest.
Der
Ein-
druck
p
=
I (Gelb)
wird
wieder
erkannt,
ebenso der Eindruck
p
=
2
(Roth);
p
=
2 (Grün);
p
=
3
(Blau).
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—
95
-
Farben-Blindheit
ist
die
Eig-enschaft
g-ewisser
abnormaler
Augen,
die
im
Uebrigcn
scharf
sein
können,
die
Farben
unvollzählig-
oder
gar
nicht
zu
sehen.
Die Young--Helmholtz'sche
Theorie
erklärt
die
Beobachtungen
an
Farben-
blinden durch die
Annahme,
dass von
den
3
Farb-Organen,
für
Roth,
Grün,
Violett (resp. Roth,
Grün,
Blau.
Maxwell)
eines
oder mehrere
verkümmert
sind.
Je
nach
dem
angenommenen
Fehlen
oder
mangelhaften
Wirken
des
Organs
für Roth, Grün
oder Violett
(Blau)
unterscheidet
man Roth-,
Grün-,
Violctt-
(Blau-)Blindheit
oder
totale
Farbenblindheit.^)
Organ für Gelb.
Gelb-Blindheit.
Es
fehlt
bei
Young,
Helmholtz
und
Maxwell
die
Annahme
eines
Organs
gerade
für
die
nach
unserer
Entwicklungs-
Hypothese
wichtigste
Farbe, die
Dominante:
Gelb
und
entsprechend
eine
Gelb-Blindheit. Die
Erklärung
des
Widerspruchs
kann
eine
verschiedene
sein:
1.
Das
Gelborgan
ist bei
eingetretener
Differenzirung
(Complication)
zunächst
ausgebildet. Es
fehlt
nur
bei
totaler
Farbenblindheit
und
wird
von
Verkrüppelung
und
Erkrankung
am
wenigsten betroffen.
Daher
Gelb-Blindheit
nicht
constatirt.
2.
Die
Dominante
Gelb
übernimmt
einen
grossen
Theil
der
Function
des
Gesammt-Organs
unter
Zurücktreten
der Endknoten.
Daher
ist
Gelb
in
physiologischer
Wirkung
(Eindruck)
dem
Weiss
ähnlicher
als
eine
der
anderen
Farben.^)
Das
Wegnehmen
oder
Schwächen
von Gelb aus dem
Farbenconcert
wirkt ähnlich
der
Entziehung
von
Weiss.
Dies
Entziehen wird
weniger
als
Aenderung
der
Farben,
wie
als
Verdunkelung
empfunden.
Farben-Blindheit
erscheint
nach meiner
Auffassung
als
Unfähigkeit
der
Licht-
und
Färb-
Organe im
Auge,
die
harmonische Knotenbildung
so
weit
gehend
zu
vollziehen,
wie
in einem
normalen
Auge.
Das
Analogon für
Töne
ist die
Unfähigkeit
des
Gehörorgans,
die
harmonische
Knotenbildung
so
weit
gehend
zu
vollziehen,
wie
ein normales
Ohr.
Das ist die
Unfähigkeit,
musikalische
Harmonien
zu gemessen.
Die Erscheinung ist
sehr verbreitet,
ebenso
wie
die
der
Farbenblindheit.
Leute mit dieser
mangelhaften
Organi-
sation
nennt
man
unmusikalisch.
Analog
mit
Farben-BHndheit könnte
man
von
Harmonie-Taubheit
reden.
Normaler
Farbensinn
drückt sich
aus
durch
Complication bis
zur
Reihe:
p
=
o
i
I
23
oc
Purpur
Roth Gelb Grün Blau
Violett
Ueberfeiner
Farbensinn
schiebt
Knoten
ein
und
dürfte
die
Reihe er-
gänzen
zur
Normalreihe
N3:
^)
Die
Einzelheiten
sind
von
verschiedenen
Autoren
dargelegt,
z.
ß.:
Holmgren,
Die
Farbenblindheit.
Leipzig
1878.
Helmholtz,
Handb.
d.
physiolog.
Optik.
2.
Aufl.
1896.
Dort
findet
sich ein
ausgedehntes Literaturverzeichniss.
S. 11
73
—
12
14.
'^)
Weiss wein
nennen
wir
z.
B.
den
gelben
Wein.
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—
96
o
Purpur
Roth
•
Gold-
Scharlach
Orange gelb
t
2
3
CV)
Grün Blau
Violett
Schwefel-
gelb
Noch
weiterg-ehende
Complication
ist
denkbar,
z.
B.:
p
=
4
(Indigo)
als
Beginn
der
Normalreihe
N^. Auch für
die harmonischen
Töne
giebt
es
einen
überfeinen, d.
h, über das Normale
entwickelten musikalisch-harmonischen
Sinn.
Farben-Blindheit
ist
ein
Zurückbleiben
der
Farb-Organe in
der
Entwick-
lung. Man
unterscheidet
3
Arten,
die
sich durch
folgende
harmonische
Zahlen
ausdrücken
dürften
:
Blau-Blindheit:')
Roth-Blindheit;
Grün-Blindheit:
Purpur
Roth
Gelb Grün
Violett
o
Purpur
Purpur Roth
Ausserdem
wäre
wohl zu
erwarten:
[Grün- und Blau-Blindheit]:
p
^=
o
Bräunlich-
grau
I
Gelb
I
Gelb
Roth-
gelb
CV)
Grün
Violett
Violett
CV)
Bläulich-
grau.
Diese
Ausbildung-,
die
nur
Rothg^elb
als Farbe kennt,
wird nicht
angeführt.
Sie
ist
aber
durch
die
Begriffs-Entwicklung
der
Sprachen
wahrscheinlich
gemacht.
Totale
Farben-Blindheit:
oc
Bei ihr
werden Farben
überhaupt
nicht
g-esehen, nur Hell und
Dunkel
unterschieden.
Alle Dinge
erscheinen
dem
Total-Farbenblinden
etwa
wie uns
deren Photographie
oder ein
Kupferstich.
Vielleicht
ist bei manchen
Augen eine
andere
Abgrenzung
der
Licht-
Octave
oder
Verschiebung der
Dominante
anzunehmen. Dann wäre
etwa
Roth-
Blindheit
zu
deuten
durch:
P
=
2
o
1
2
4
cc
Purpur
Gelb
Grün Indigo Violett
o
i
1
2
oc
das
wäre
die
Verschiebung-
der Dominante
p
=
i
von
Gelb
nach
Grün. Für
diese
Auffassung
spricht
die
Angabe von
Helmholtz^):
„Die
g-rösste Licht-
Intensität
erscheint
den
Rothblinden
nach den Beobachtungen
von
Seebeck
auch
nicht,
wie
normalen
Augen,
im
Gelb,
sondern
im
Grünblau.
^)
Diese
Auffassung
gibt
Max well
's
Blau-Blindheit
vor Young-
Helmhol
tz' Violett-
Blindheit
den
Vorzug.
2) Physiolog.
Opt.
1896.
366. Holmgren,
Farbenbhndheit. 1878.
33
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97
—
Historische
Entwicklung
des
Farbensinnes.
Die Sprachforschung-
hat
uns EinbHck
in
die historische
Entwicklung- des
Farbensinnes gegeben.^)
Danach
ist
die
zuerst
unterschiedene
Farbe
das
Goldgelb;
zunächst
nicht
scharf
geschieden
von
seinen
Nachbarn
im
Spectrum.
^)
Die
nächsten
zu Begriffen
sich
abklärenden
Farben
sind
Roth
und
Grün.
Zu-
letzt
kam das
Blau.^)
Ein alter
Farben-Begriff
ist
Purpur.
UoQcpvQsog
ist
zugleich
violett
und
dunkelroth,
grau
und
dunkel.^)
Es verknüpft Anfang und Ende
des
Spec-
trums
p
=
o
und
p
=
oo.
Analog
ist
in
der
Musik
für
einen
Ton
z.
B.
C
^)
Vgl. L. Geiger, Zur
Entwicklungsgeschichte
der
Menschheit.
Stuttgart
187
1. S.
45.
^)
L. Geiger
sagt S.
57:
„In
den
ächten alten
Vedaliedern
gibt es
nicht
nur kein
Grün,
sondern
auch
das
Gelb
ist
nicht
die
reine
Farbe
des
Spectrums.
Im
Verlaufe der
Jahrhunderte
sinken
die Wörter,
welche
gelb
bezeichnen, zu
Grün herab,
höher
hinauf
gehen
sie selbst wieder
aus
Wurzeln
hervor,
von welchen das
Gold
benannt zu
werden
pflegt, als gelbroth und rothbraun.
Auch
heute noch werden die Begriffe Gelb
und
Roth
nicht
immer
getrennt,
besonders
nicht
in
der
Poesie. Wir finden im
Volkslied:
Es liegt
ein
Schloss
in
Oesterreich,
das ist
gar
hoch gebaut,
Von
Silber
und von
rothem Gold, mit
Marmelstein
vermauert.
Dabei ist entschieden an gelbes Gold zu
denken,
nicht
etwa an
eine
kupfrige
Legi-
rung. Umgekehrt finden
wir
bei
Shakespeare
(Macbeth.
Act
II.)
das
dunkelrothe
Blut
golden
genannt:
Here
lay
Duncan
His
silver
skin laced
with his
golden blood.
^)
Ueber das
späte
Auftreten des Begriffes
Blau sagt L.
Geiger S. 46:
„Auf einer
frühen
Stufe fehlt,
trotz tausendfach nahefiegender
und
oft dringend
gebietender
Gelegen-
heit,
die
Erwähnung
der
blauen Farbe
gänzlich.
S.
49.
„Die
Wörter,
welche
in
irgend einer Sprache für blau
gebraucht
werden,
bedeuten
zum
kleineren
Theil
ursprüng-
Hch grün, der grösste Theil hat
in
der
früheren
Zeit
schwarz
bedeutet.
Es
gilt
dies von
unserem Blau, welches
sich im
Altnordischen in
der
Zusammensetzung
blä-madhr,
schwarzer
Mann,
Mohr, findet
und
auch mit
dem
englischen
black
verwandt
ist.
S.
51
citirt
er
Theokrit
und
Virgil:
„Es
seien ja
auch
die
Veilchen schwarz
und
die
Hyacinthen.
S.
50.
„Bei Homer heissen
die
Haare
des
Odysseus
der
Hyacinthenblume
gleich,
und die
altgriechischen
Erklärer,
denen diese
Anschauung
noch
nicht
so
fremd
war,
beziehen
das
Bild
ganz
richtig
auf
die
schwarze
Farbe.
S.
51.
„Das
classische
Alterthum hat
überhaupt
kein
Wort für
das
reine
Blau
ge-
kannt.
Das lateinische caeruleus
ist von
einer
Unfassbarkeit,
welche
die
Philologen
zuweilen
zur
Verzweiflung
getrieben hat;
es
durchläuft
eine
Entwicklung
von
schwarz
über
grau
bis gegen
blau
hin.
^)
L,
Geiger schreibt hierüber
in seinem
Werk:
Ursprung
und
Entwicklung
der menschlichen
Sprache
und
Vernunft,
Bd.
2,
S.
322:
„Pindar
sagt von
den
Veilchen,
i'cov
^av&aioi
xai
jia/ujioQ(pvQO(.ig
axzXoi, wie
auch
Xenophanes
von
dem
Regenbogen
sagte:
Was
sie
Iris
nennen,
auch dies
ist
eine
Wolke,
purpurn
(jioQcpvgeov)
roth
und gelb
von
Ansehen;
so
dass
in
diesem
Worte
ur-
sprünglich
schwarz
und
dunkelroth
begriffen
und
zugleich
eine
Berührung
des
dunkel-
violetten
möglich
war.
In
späterer
Zeit
herrscht
die
Bedeutung
dunkelroth
vor.
r*
Gol
(1
seh
ini
(1
1,
Harnunüe
cto.
'
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—
98
—
mit
p
=
o
die
Octav
p
=^
oo
harmonisch
g-leichwerthig-,
wieder
C.
Violett
steht
uns
zwischen
blau
und
roth.
Im
altgriechischen
Sinn
spricht
Schiller
im
Taucher
von
purpurner
Finsterniss
und
den
dunklen
(purpurnen)
Roth-
wein
nennt
man
in
Italien
schwarz
(vino nero).
Die
historische
Entwicklung
der
Farben-Beg-riffe
entspricht
der
Ent-
wicklung
nach
den
harmonischen
Zahlen.
Zwischen den
Extremen schaltet
sich
wiederholt
je
ein
mittleres als
jüngeres
Gebilde
ein.
Wir
können
4
Sta-
dien
der
Entwicklung
unterscheiden:
Erstes
Stadium.
Charakterisirt durch
die
harmonische
Reihe:
No
==
o
.
•
•
•
oo.
Sie
zeigt
nur
Dunkel
im
Gegensatz
zu
Hell. Ein
bestimmter Farbensinn
fehlt.
Absolut
Farbenblinde
sind
noch
heute
in
diesem
Zustand.
Ihnen
er-
scheint
das
Spectrum,
wie uns
dessen
photographisches
Abbild.^)
Zweites
Stadium.
Charakterisirt
durch
die
harmonische
Reihe:
Ni
=
o
.
•
I
•
• •
oo
Gelb
Gelb,
eigentlich
Rothgelb
(Orange),
physikalisch
die Farbe
der
Natrium-
linie,
im
Leben
anknüpfend
an
Sonne,
Feuer,
Gold.
Sie versinnbildHcht
das
Leben,
sie
bezeichnet
den
Herrscher und
die
höchste Gottheit,
den
Sonnen-
gott.
In
China
ist
sie
die
kaiserliche
Farbe.^)
^)
Wir haben
noch
(nchtiger
wieder)
praktisch
ein
Schwarz-
Weiss-System
in
Schrift
und
Druck.
'^)
Wir finden
bei
L.
Geiger: Zur
Entwicklungs-Gesch.
der
Menschheit (S.
48):
Was
die
Farben betrifft, so
steigert
sich
die
Gleichgiltigkeit
in
Betreff
der
Mittelfarben
gegen die
Urzeit hin
in
immer
stärkerem
Maasse, bis
zuletzt nur die
äussersten
Extreme
Schwarz und Roth
(von
Rothgelb
nicht
geschieden, d.
Verf.)
übrig bleiben.
Ja
es
lässt
sich
nachweisen,
dass
der
geschichtliche
Fortschritt
sich
dem Schema
des
Farben-Spectrums
entsprechend fortbewegt,
dass
z. B.
für Gelb die
Empfindlichkeit
früher als
für
Grün
geweckt
war.
(S.
58):
„Der
Dualismus
von
Schwarz
und Roth
(wohl
Gelbroth, d.
Verf.) tritt
in
sehr
scharfen
Zügen
als eine
erste und
primitivste
Epoche
alles
Farbensinnes
hinter
der
bisher
geschilderten
hervor,
aber
auch diese
dualistische
Epoche
ist
nicht
ohne er-
kennbaren
Anfang. Wir
können
etymologisch
auf
einen
noch älteren
Standpunkt ge-
langen,
wo
auch die
Begriffe
Schwarz
und Roth in
die
unbestimmte
Vorstellung
des
Farbigen zusammenfliessen.
Ich möchte
dem
noch folgende
Bemerkungen
beifügen:
Eines
der
wichtigsten
und
ältesten chinesischen
Werke,
das
Tausendwörter-
Buch Tsian-tse-wen
(japanisch Sen ji
mon) beginnt mit den
Worten:
„Himmel
(und)
Erde
(sind)
schwarz
(und)
gelb.
^
J^
^
^.
[Das
Wort
hoang
^
bedeutet
nach
L.
Geiger
(Urspr.
d. Spr.
u.
Vern.
1872. 2.
314)
gelb und
röthlich,
auch
röthliches
Pferd.]
Commentatoren haben
dem einfachen Satz
philosophische
und
mystische
Deutungen gege-
ben,
z. B.: „Der
Himmel, das
männliche
Princip
(yö),
beginnt im
Nordosten,
deshalb ist
es
schwarz.
Die
Erde,
das weibliche
Princip (in),
beginnt im
Südwesten,
deshalb
ist es
gelb.
(Lange,
Einführung in die
Japan.
Schrift
1896.
S.
126.)
Welches
auch
die
Deutung
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—
99
—
Drittes Stadium.
Charakterisirt
durch
die
harmonische
Reihe:
Roth
Gelb
Grün
In
diesem
Stadium
finden
wir
Roth,
ausgeschieden
zwischen
Gelb^)
und
dem
bräunHchen
Dunkel.
Dann,
etwas
später
Grün
zwischen
Gelb
und
dem
vioIettgTauen Dunkel.
Historische
Belege
für
dies
dritte
Stadium
liefert
die
Sprachwissenschaft
und zwar für
beide
Stufen
o
2
i 00
und
o
i
i
2
00.
„Demokrit und die
Pythagoräer nahmen
vier
Grundfarben
an:
Schwarz,
weiss,
roth und gelb. Eine
Anschauung,
welche
lange
im
Alterthum
Geltung
behielt.
„Die
Chinesen
nehmen
seit
alter
Zeit
fünf
Farben, nämlich
noch
g'rün an. Das
Gleiche
findet
sich
bei arabischen
Philosophen.
Aristoteles
nennt
den
Regenbogen
dreifarbig, nämlich
roth,
gelb
und
grün. ^)
Alle diese
Scheidung
ist
ohne scharfe
Grenze. Diese
Unscharfe, dies Ineinander-
fliessen
ist
der
Begriffs-Entwicklung
eigenthümlich.
Es ist nicht
eine Spaltung, sondern
Bildung
neuer Centren,
jedes mit verlaufender
Sphäre.
Ich
vermuthe,
dass so die Ein-
richtung
des
farbaufnehmenden
Organs
im
Auge
ist, wie
die seines
Abbilds, des
Spectrums.
Bestätigt sich diese
Analogie, so haben wir
im Spectrum
zugleich ein
merk-
würdiges Beispiel der objectiven
Darstellung
von
Begriffsbildungen.
Das
wäre
erkenntniss-theoretisch
von
hohem Werth.
Anmerkung.
Farben der Metalle.
Auffallend ist, dass
alle Metalle
im auffallenden
Licht
grau
oder weiss sind, abgesehen von Anlauffarben,
den
Farben
dünner
Blättchen.
Nur das Gold ist gelb, das
Kupfer
roth.
Blaue
und grüne Metalle
giebt
es
nicht.
Auch
die
metallisch glänzenden Mineralien
sind weiss,
schwarz oder
grau, seltener gelb, aus-
nahmsweise
roth.
p
=
o
-
I
00
mit der Rangordnung
der
Häufigkeit
o
00,
i,
§.
Viertes Stadium.
Charakterisirt
durch
die
harmonische
Reihe:
N3
=
o
•
I
I
2
3
00
Roth
Gelb
Grün
Blau
oder:
N3
=
o
(I)
i
I
2
3
00
Purpur Scharlach
Roth Gelb
Grün
Blau
Violett
Roth
Blau
sein möge,
jedenfalls
ist Gelb hier
der
auserwählte
Vertreter
von
Licht
und
Farbe
zu-
gleich, gegenüber Schwarz,
dem Vertreter der
Finsterniss.
Die
Stelle
erinnert
merkwürdig
an
die
ersten
Worte
der
mosaischen
Schöpfungs-
Geschichte:
„Im
Anfang schuf
Gott
den Himmel
und
die £rde
....
und
Finsterniss
lag
auf der Fläche
der
Tiefe.
Und Gott
sprach:
Es
werde Licht,
und
es
ward
Licht.
In
die schwarze
Finsterniss
auf der
Erde
strahlte zum
ersten
Mal
vom
Himmel
her
feurig-
golden
das
Sonnenlicht.
Vielleicht
ist
unsere
Schöpfungs-Geschichte
zu
der
chinesischen
Anfangssteile
ein
Commentar.
1)
Wir
sagen
Gelb hier
und
im
Folgenden
für
Sonnen-Feuer-Gold-Gelb,
die
Farbe
der Natronlinie. Im
Sprachgebrauch
vollzieht
sich
derzeit
eine
Verschiebung.
Man
nennt
die Farbe
des
Schwefels Gelb und
die
des
Goldes
und
der
Natronlinie
Orange.
Solche
Schiebungen
der Wortbedeutung
sind
etwas
Gewöhnliches
in der
Geschichte
der
Sprache.
-)
L. Geiger, 1. c.
S.
54.
7*
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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100
—
Das
ist
der
heutige Stand
unserer
Erkenntniss
der
Grundfarben
(Spectral-
farben).
Die
Mischfarben
und
deren
Benennung- durch
Vergleich
mit be-
kannten
Gegenständen
oder durch eine
Skala
bilden ein
anderes
Capitel.
Die
Normalreihe
N3 ist
nicht
vollständig. Es
fehlen die Zahlen
p
=
f
und
I.
Das
Gleiche
fanden
wir
bei
den
harmonischen
Tönen.
Möglicher-
weise
ist die
Entwicklung des
Organs und
der
Begriffe
hiermit
nicht
ab-
geschlossen
und es ist
die Auffassung
der
p
und
I
entsprechenden
Farben
in
der
Bildung
begriffen, indem
sich
ein
Schwefelgelb
zwischen i
und
2
einschiebt,
ein Orange
zwischen Gelb
und Roth.
Das ist aber
un-
sicher.
Farben der
Endknoten.
Die heutigen
Farben
der Endknoten A
=
o
und
H
=
00 sind
Purpurroth und Violett.
Es
fragt sich:
Sind sie das
immer
gewesen?
Um
Licht in
diese
schwierige Frage
zu
bringen,
möge
ein Er-
klärungsversuch
gestattet
sein.
Nach
unserer Hypothese haben
wir
ein
Ausgehen
der
Entwicklung
von
den
beiden
Endknoten
und
Einschiebung der
Farben
resp.
der
Farben-
aufnehmenden
Organe
nach
dem
Gesetz der Complication.
Zur
Zeit
vor
Ein-
schaltung
der ersten
Farbe wirkten
beide Endknoten
allein.
Der
eine
reagirte
vorwiegend
auf Schwingungen
mit
l
=
3900,
der
andere
auf
solche
mit
X
=
7800.
Es waren
wohl
vor
der
Spaltung
2
Seiten
desselben Organs,
das
auf
Licht überhaupt
reagirte.
Es kann
sein,
dass
die
Scheidung
der beiden
Endknoten
sich
erst
voll-
zog
gleichzeitig
und in
Folge
Einschiebung
des
Zwischenknotens
p
=
i,
des
Organs
für die
Dominante,
für
die erste
typische
Farbe,
das
Rothgelb.
Der
Sinneseindruck,
die
physiologische Wirkung
beider
Endknoten
dürfte wenig
verschieden
gewesen sein.
Für
solche
Aehnlichkeit spricht
der
Umstand, dass
noch
heute mit Annäherung
an
die
Endknoten
der
Farben-
Eindruck
ähnlicher wird.
Das Gelbroth
geht in Roth über
und dies
wird
nach
dem
Ende
zu
bläulicher.
Das
Blau
andrerseits geht in
Violett
über
und
dies
wird gegen
das Ende zu röthlicher,
sodass
die
Enden in
ihrer
Sinneswirkung
sich
berühren.
Eine
graphische
Darstellung
der
Entwicklung
mögen
folgende
Figuren
geben:
Seit
Hell
BräxcnZCcTv
Biciulixih.
qr-cvuy
Fig.
6.
Fig.
7.
Erstes
Stadium.
(Fig.
6.)
Zunächst
haben
wir
eine
Periode
ohne
Theilung
anzunehmen.
Das
Auge,
das
heute
Färb-
und
Lichtorgan
ist,
war
damals
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—
101
—
nur
Lichtorg-an.
Empfäng-lich
für
Hell
und
Dunkel;
unterscheidend
zwischen
verschiedenen
Graden
der
Hellig-keit.
Das
heisst,
in
der
Sprache
der
Farben,
zwischen
Schwarz,
Grau, Weiss.
Zweites
Stadium.
(Fig-.
8.)
Das
Einschieben
des
Zwischenorgans
p
=
i
brachte
physiologisch die
erste
Farbe,
die
Dominante,
das
Rothgelb
der
„
Moth^M
Natronlinie. Das neue Organ
ent-
^rccu.
/^
\
cp-^ccic
wickelte
sich in
der
Mitte des
alten
auf
dessen
Kosten
und
nahm
für
sich
das
Maximum der
Lichtempfmd-
lichkeit. (Vielleicht
bestand
zwischen
dem
ersten
und zweiten
Stadium ein
Zwischenstadium
der
Spaltung
ohne
Einschiebung)
(Fig.
f).
Den
Endknoten
A
=
o
und
H
=
cxd
blieb einzeln
oder
gemeinsam
die
Aufnahme
von
Hell
und
Dunkel
von Schwarz, Grau,
Weiss.
Ihr
gemeinsames
Wirken mit D
=
i stellte
die
Wirkung
des ursprünglichen
Gesammtorgans her,
die
Farbe
Weiss.
Das ist
das archaische
Stadium der
Farben-Auffassung:
Schwarz
Rothgelb
Weiss,
wie
wir es
oben
(S.
98)
kennen gelernt haben.
Der Rest
in den
Endknoten
erscheint im
Verhältniss zum Weiss
des
Ganzen
schwächer,
also
Grau.
Durch
Einschiebung
von D
==
i
wurden
die Endknoten
getrennt
und
dadurch unabhängig.
Deshalb
entwickelte
sich eine
physiologische und psy-
chologische
Verschiedenheit beider durch
Beeinflussung
und Contrast. Wohl
quantitativ
und qualitativ.
Quantitativ
würde
der Gegensatz
heller
und
dunkler-grau bedeuten, qualitativ ein
Röthlich-Erscheinen
des Grau
bei A
=
o,
ein
Bläulich-Erscheinen
des
Grau
bei
FI
=
00.
In
der
Sprache
der
Farben
dürfte das
Röthlichgrau
von
A
=
o
zu
dem
Begriff
Braun
geführt
haben, das BläuHchgrau
von
H
=
00
zu dem
Begriff
Grau.
Danach
hätten wir ein
ausführliches
Bild
der
archaischen
Färb
-Auf-
fassung in:
A
D
H
.
Schwarz Braungrau
Rothgelb
Blaugrau
Schwarz
Weiss.
In
der That
sind die
Farbbegriffe
Braungrau
und
Blaugrau
sehr
alt,
wenn
auch
unscharf
und
nicht
streng
geschieden
von
Schwarz
und
Weiss.
Drittes Stadium.
(Fig.
9.)
Der
Process
der
CompHcation
wiederholt
sich.
Es schieben sich
die neuen
Organe
C
=
l
(Roth)
und
E^2
(Grün)
ein.
Sie entwickeln
sich
auf Kosten
der
älteren
Nachbarn.
Der
Dominante
D
=
I
bleibt ihre
Function,
die
Aufnahme
des
Rothgelb
als Centrum
der
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102
iSchrvcLf~zy^
räthZ.
^^
blctuly.
gr-ccu.
Jjtnz.<jrv
:
7^-
A
C
1
E
2
Jf
oo
Fig.
9.
Leistung,
wohl
vermindert
und modificirt
durch
die
neuen
Nachbarn.
Die
Verminderung
wohl compensirt durch die
gesteigerte
Lichtempfmdlichkeit
des
höher
entwickelten
Auges.
Die Endknoten haben
nun
verschiedene
Nach-
barn; während
beide vorher neben D
sassen.
Neben
A
=
o
tritt
C
=
|
(Roth),
neben
H
=
oo
tritt E
=
2
^^^
(Grün).
Dies
und
die wei-
tere
Trennung
durch
Ein-
schieben
dürfte
den Unter-
schied
der
physiologischen
Wirkung
der
Endknoten
vermehrt
haben
und
zwar
quantitativ,
wie
qualitativ.
Der
röthliche
Charakter
des
braun-grauen A
=
o
und
der
bläuliche
des
blau-
grauen
H
=
C50
dürften
in
stärkeren
Gegensatz
treten.
A
=
o
nähert
sich
dem
roth-dunkelen
Purpur,
H
=
oo dem
Violett.
Auch
dieses
Stadium zeigt uns
die
Geschichte der
Sprache
(S.
99)
und
zwar
im Griechischen der homerischen
bis classischen Zeit, bei
den
Arabern
und
Chinesen.
In
diesem
Stadium, dem das Wort
für Blau
noch
fehlt
und
das den Regenbogen
roth
—
gelb
—
grün nennt,
finden
wir
in
grosser
Ver-
breitung und hoher Wichtigkeit die Farbworte:
jioQcpvQeog,
yXavKog,
loeiöijg,
vaxlv&ivog, xvdvsog,
Jtohog,
cpaiog, OQfpvaTog, JieQxdg,
fAeXag
u. A. Es
sind
wohl
die
unscharf
begrenzten
Farben
der
Endknoten
in
der
damaligen
Auffassung.
Viertes
Stadium.
(Fig.
10.)
Der Process
der
Complication
wiederholt
sich
abermals.
Es
schiebt
sich r =^3
zwischen
E=2
und
H
=
oo.
Das
Organ
für
Blau
entwickelt
sich
auf
Kosten
der
Nachbarn.
Vielleicht
(?)
bildet
sich
auch
ein Knoten
B
=
i
(Scharlach) zwischen
A=o
und
C
=
i.
Die
Wirkung
der
Einschiebung aut
die
Endknoten dürfte wieder eine grössere
physiologische
Verschiedenheit
beider
sein,
so
dass wir heute,
da
wir in diesem
Stadium
leben, den
Endknoten
A
=
o
als tief
purpurroth,
den
anderen
H
=
00
als
violett
vor
uns
haben.
Einwand
gegen
den
historischen Nachweis
der Entwicklung
des Farben-
sinnes.
L.
Geiger^) hat
versucht,
die Entwicklung des
Farbensinnes
auf
dem
Weg
der
Sprachforschung
nachzuweisen.
Seine
Ausführungen wurden
ergänzt
^)
Ueber d.
Farbensinn der Urzeit.
(Vortrag
1867)
in Abb. z.
Entwicklungsgeschichte
d.
Menschheit
1871.
45
fgde.
Urspr.
u.
Entw.
d.
menschl.
Sprache
u. Vernunft 1872. Bd.
2.
S.
246 fgde.
rot?i
AFchwafü
i^cJtfVßWZ
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—
103
—
und
erweitert
durch H.
Magnus/) Die
Schlüsse
stiessen
auf
Widerspruch
zunächst
bei E. Krause,^)
dem
sich
bald
andre
anschlössen.
Krause
hob
hervor:
1.
Dass
die
Vögel
und
Insekten
Farben unterscheiden,
indem
auf dieses
Vermögen
die natürliche Zuchtwahl
nach
dem Farbenschmuck
der
Männchen
sich
gründet.
2.
Dass
uncultivirte Völker,
deren Farbworte
unentwickelt
sind,
doch
die
Farben genau
unterscheiden.
3.
Dass die
Egypter lange vor
Homer
die
Farben
Blau
und Grün
gebrauchten
und
Worte dafür
besassen.
Er schloss,
dass das
Fehlen
der
Farbworte,
das Fehlen
des
Farben-
sinnes nicht beweise.^)
Die
Lösung des
Widerspruchs
dürfte
folgende
sein:
Der
Schluss
ist
gewiss
richtig.
Wir
fmden
bei
den
in
der Malerei
und
in der
Feinheit
des
Farbensinnes
so
hochstehenden
Japanern
für Blau
und
Grün
das
gemeinsame
Wort
aoi.
Wir
unterscheiden mehr
als
hundert,
ja
ein
Colorist
mehr als tausend
Farben-Nuancen, aber die Sprache
(wenn
wir
von der
Kunstsprache
der Maler und Farbentechniker absehen) verwendet
nur
wenige Worte.
^)
Wenn
wir zwei
verschiedene Blau nebeneinander
halten, werden
wir sie
unterscheiden, aber beide
mit
dem
Namen Blau
belegen.
Wir unter-
scheiden sehr wohl
die Farbe zweier
Blätter und nennen
doch
beide
grün.
Jeden
Gegenstand
unserer
Umgebung
nennen
wir:
schwarz,
weiss, roth,
gelb,
grün, blau,
grau oder
braun.
Sogar
die
Spectralfarben
Purpur, Rosa,
Orange,
Violett
sind bei
uns
nicht
zu sprachlicher
Selbständigkeit gelangt.
Man
nennt
sie
Furpurroth, Rosenroth,
Orangegelb,
Veüchenblau
und ordnet
sie
den Be-
griffen Roth,
Gelb,
Blau
unter.
Die
Farbenbegriffe
Schwarz, Weiss,
Roth,
Gelb,
Grün, Blau, Grau,
Braun'*^)
fmden
sich
in allen Sprachen; man
könnte
sie
Begriffsfarben
nennen.
Fehlt
für eine
das
Wort,
so
ist
es jedesmal
Blau,
das
sich von Grau
und Grün
noch
nicht losgelöst
hat.
Fehlt
noch
eine,
so
ist
es
Grün,
das
mit seinen
Nachbarn
Gelb
und Grau
(Blau
fehlt schon)
zusammenfliesst.
Weiter
zurück
fallen
Roth und
Gelb
in einen
Begriff
zusammen.
EndHch
bleiben
als Be-
griffe
nur
Hell und
Dunkel.
^)
Die geschichtl.
Entwicklung
d.
Farbensinnes
1877.
2)
Kosmos.
1877.
I.
264
u. 428.
^)
H. Magnus
hat
nachträglich
diese
Auffassung
angenommen
und
seine
erste
Meinung
geändert.
Vergl.
dessen
Publication:
Unters,
üb.
d.
Farbensinn
der
Natur-
völker.
Jena
1880.
S.
44.
*)
Analogon.
Wir
unterscheiden
eine
Menge
von
Gerüchen
sicher
von
einander,
aber
die
Begriffe
und
Worte
für die
Gerüche
sind
wenig
entwickelt.
^)
Von
der
eigenartigen
Rolle
von
Grau
und
Braun,
Schwarz
und
Weiss
war
oben
die
Rede.
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*
.
—
104
—
Das
ist,
rückwärts
verfolgt,
der
Entwicklungsgang-
der
Farbbegriffe,
wie
ihn
Geiger
aus
den
Sprachen
nachwies und wie ihn
die
Untersuchungen
über
den
Farbensinn
der
Naturvölker^)
bestätigten.
Der
Verlauf
ist
der gleiche
bei
allen
Völkern.
Er
hat
sich
bei
einem
Volk früher
vollzogen,
beim
anderen
später
und
ist
bei
vielen
noch
heute nicht vollendet.
Völker
mit
unentwickelter
Sprache
nehmen
in
Berührung
mit
fortgeschrittenen
deren
Sprachbegriffe
auf.
Die
Entwicklung
des
Farb-Organs
bringt
nur
eine
beschränkte
Zahl von
reinen
Farben.
Diesen
schliesst sich die
Begrififsbildung
an.
«Die
Entwicklung
des
Organs
geht
der
Entwicklung des
Begriffs
voraus.
Die
Entwicklung
des
Begriffs
folgt
nach,
aber
in
der
von
der Entwicklung
des Organs
vorgezeich-
neten
Bahn.
Daher
ist
der
Schluss
nicht
richtig,
dass zur Zeit als der
Begriff
Blau
fehlte,
das
Organ
für
Blau
nicht entwickelt
war. Aber der
Schluss
ist
richtig,
dass
das
Organ
für
Blau sich
nach dem für
Grün
entwickelt hat
und
entsprechend
der
Begriff
Blau
nach
dem
Begriff
Grün.
Analogon.
Das
Ohr
war
ausgebildet
zu Aufnahme
und
Genuss harmonischer
Ton-
gruppen,
vor
der
polyphonen
Musik, vor der
Begriffsbildung
für
die
verschiedenen
Accorde
und
Tonarten.
Trotzdem
gibt
die
Begriffsbildung
bei
den
Tönen ein Bild
von
dem
Wesen
und
der
Entwicklung
des
harmonischen
Organs.
Für
die
Frage
der
vorliegenden Abhandlung ist
es
gleichgiltig,
wann
sich
der Process
vollzieht. Uns
interessirt:
1.
Die
gleichartige
Wahl der Begriffsfarben,
denn
sie
zeigt,
für
welche
Farben
besondere
Organtheile
anzunehmen
sind.
2,
Die
Ordnung
der
Begriffs
färben
nach
Rang
(Wichtigkeit,
Interesse)
und
Entwicklungsfolge.
Wie bei
den Krystallformen decken sich hier
Rang-
ordnung
und
Entwicklungsfolge. Das
gibt
einen
Einblick in den Entwicklungs-
gang
des
Farbenorgans.
Dieser folgt,
wie wir oben sahen,
dem
Gesetz
der
Complication
und der
harmonischen
Zahlen.
Entwicklung
des Farbensinnes
beim Kind.
Hierüber
besitzen
wir
eingehende
Beobachtungen von W.
Preyer.^) Sie
zeigen
für
die
Begriffsfarben
genau
die
gleiche
Rangordnung
und
Entwick-
lungsfolge,
die
w4r
durch
die
Sprachwissenschaft (historisch),
wie
bei
den
Natur-
völkern (ethnographisch),
kennen
gelernt
haben; dieselbe,
welche das
Gesetz
der
Complication
und der
harmonischen
Zahlen vorschreibt.
Preyer prüfte
sein
Kind,
das
sich normalsichtig
entwickelte,
von der
Geburt
an consequent
durch
mehrere
Jahre,
abwechselnd
nach
verschiedenen
Methoden, und kam zu folgendem Resultat.
(S.
12.)
*)
Vgl. Magnus,
Ueb.
d.
Farbensinn
d.
Naturvölker.
Jena
i88o.
^)
W.
Preyer.
Die Seele
des
Kindes.
Leipz.
1895.
Betreffs des
Einzelnen
möge
auf
dieses
Buch
verwiesen werden.
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—
105
—
.
Bezüglich
der Reihenfolge,
in der
die
Farben
bis zum
34.
Monat
richtig erkannt
werden,
ergibt
sich im Ganzen
Folgendes:
Urtheile
Procente
Nr. Farbe
richtig
falsch
richtig
falsch
:
Gelb
232
8
96.7
3.3
Braun
79
8
90.8
9.2
3
Roth
235
36
86.7
13.3
4
Violett
139
24
85.3
147
5
Schwarz
39
7
84.8 15-2
6
Rosa
76 29
72.4
27.6
7
Orange
47
23
67.1
32.9
8
Grau
35
33
51-5 48.5
9
Grün
lOI
123 45.0
550
10
Blau
61
151
28.8
71.2
„Von
den
vier
Hauptfarben
werden also Gelb und Roth
viel
früher
richtig
benannt
als
Grün
und
Blau
und
zwar
zuerst Gelb
—
Braun
ist
lichtschwaches
Gelb
—
dann
Roth.
Es ist wahrscheinlich,
dass
Blau
und Grünblau zuerst
nicht
blau
und
grünblau,
sondern grau
und
in ihren
dunkleren
Schattirungen
schwarz
empfunden
wurden.
Wir sehen
hier die
nachstehende
Rang--
und
Entwicklungsfolge:
Gelb
Roth
Violett
Grün
Blau
Procente
richtig:
96.7
86.7
85.3
450
28.8
Harmonische Zahl:
P
=
I
I
2
•
2
3
versteckt
darin:
P
=
•
00
Das
ist die Rang^ordnung-
der
harmonischen
Zahlen,
wie wir
sie
bei
den
Krystallformen ,
dann
bei
den Tönen
kennen
lernten.
Auffallend, aber
nicht
befremdend,
ist
die
hohe
Procentzahl
für
Violett.
Frey
er
bemerkt
dazu
(S.
12):
„Violett,
welches viel
früher
richtig
benannt
wurde als Grün
und
Blau
enthält
das
früh
wohlbekannte
Roth
und kann dem
Kind als
ein
schmutziges
Roth
oder
Dunkel-
roth
erschienen
sein.
Ich
vermuthe,
dass sich
unter den
Zahlen
für
Roth
und
Violett
noch
die
Endknoten
Purpur
(p
=
o)
und
Violett
(p
=
00)
verstecken.
Der
Vorzug
des
Gelb
vor
Roth
nach
Rang-
und
Entwicklung-sfolge
(frühere
Sicherheit
der
Erkennung-
und
-Vorliebe)
g-eht
aus
Preyer's
Be-
obachtung-en
hervor.^)
Die
Constatirung-
dieses
Vorzug-s
ist
uns
wichtig-
aus
folg-endem
Grund.
Die
Sprachvergleichung-
(in
alten
Schriften
und bei
Natur-
^)
Vgl.
Preyer,
Die Seele
des
Kindes,
S.
7
—
13.
S.
9
sagt
er:
„Beim
ersten
Ver-
such griff
es
aufs
Gerathewohl,
beim
zweiten
suchte
es
seine
Lieblings
färbe
Gelb.
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—
106
—
Völkern)
Hess
unentschieden,
ob Gelb
(Goldgelb)
oder Roth
(Feuerroth)
älter
sei.
Sie
führen
zu
der
Reihenfolge
:
Gelbroth
Grün
Blau
Diese
Reihenfolge wurde
von
Manchen
aufgefasst
als
Fortschreiten
nach
wachsenden
Schwingungszahlen.
Die
Beobachtungen
am
Kind
aber entscheiden
für
die
Folge:
Gelb Roth
Grün
Blau
Harmon.
Zahlen:
p
=
i
^
2
3
Das entspricht
nicht den
wachsenden
Schwingungszahlen,
sondern der
Rangordnung der
harmonischen Zahlen.
Bildung
der
Dominante
Gelb
(p
=
i) und
Einschieben
der
jüngeren Farben
Roth
(p
=
|)
und
Grün
(p
=
2),
später Blau
(p
=
3)
nach
dem Gesetz
der Complication.
Blau
als
jüngste
und
am
längsten
unsichere
Farbe
geht
aus
Preyer's
Beobachtungen
hervor in
Uebereinstimmung
mit
der
Sprachvergleichung.^)
Farben
der
Blüthen und
Früchte.
Die
Farben
der Blüthen
sind,
wie
die
Botaniker
annehmen,
entwickelt,
um
die
Insekten
anzulocken,
die
durch Uebertragen
des
Blüthenstaubs auf
die
Narhe
des
Pistills die
Befruchtung fördern.
Die
wichtigsten
Blüthenfarben
werden
also
diejenigen
sein,
die
den
meisten
Reiz
für
das
Insekten-Auge
haben.
Nun
zeigen
die Blüthenfarben
folgende
Rangordnung:
Ausser Weiss
ist
die
verbreitetste
und wichtigste
Gelb;
dann folgen
Roth
(mit
Rosa)
und
Bläulich-Violett.
Reines Blau
ist
selten
und Grün findet sich^)
wesentlich
bei
Pflanzen,
die
zu ihrer
Befruchtung
die
Insekten
nicht
brauchen.
^)
Preyer
(S.
12)
sagt:
„Hierauf beginnt endlich
die
richtige
Benennung
des
Grün,
während
Blau
noch
nicht
so
oft correct
bezeichnet
wird. Vor Vollendung des
dritten
Lebensjahres
wurde
auch Blau fast
jedesmal
richtig bezeichnet,
wenn
die
Aufmerksam-
keit
nicht
abgelenkt war.
^)
Wie
mir
Professor
E.
Askenasy
in
Heidelberg
mittheilte,
dem
ich
auch
folgende
Citate
verdanke:
Nach
Zusammenstellung von
Mc.
Nah
aus Dr.
Hooker's
,,
Flora der
britischen
Inseln
finden
sich bei
den Blüthen der
britischen
wilden
Pflanzen unter
909
Species
237
weisse,
238 gelbe,
144
rothe,
94
purpurfarbene,
87
blaue,
51
grüne
und
38
gemischte.
(Der
Naturforscher
herausg.
v.
W. Skiare
k
1876.
S.
134).
Unter
den
einzelnen
Farben
wird
vorzüglich Gelb im
höheren Norden
häufiger,
nächst
ihm
Roth,
am
seltensten
werden
blaue
Blüthen
...
Auf
10
gelbe
Blüthen
kommen
auf
der
Melville-Insel
1.2, in
Grönland
1.8,
in Lappland
2.0
in
Deutschland
3.3
blaue
Blüthen.
(Hildebrand,
Die
Farben
der Blüthen.
Leipzig
1897
S.
70
nach
Schübler
1833).
Nach
Kerner
von Marilaun
(Pflanzenleben 2.
S.
178)
entfallen
von
den
Blüthen
der
baltischen
Flora
auf
Weiss
33,
auf
Gelb
28, auf Roth
20,
auf
Blau
9,
auf Violett
8,
auf
Braun
2
Procent.
Nach
umfangreichen
Untersuchungen
von H. Müller
zeigen
gelbe
und
weissblüthige
Arten
sehr
hohe Zahlen
besuchender
Insekten,
während
die
blau-
gefärbten
meistentheils
nur
eine
verschwindende
Anzahl
von
Besuchern
haben.
(F.
Hilde-
brand,
Die Farben
d.
Pflanzen.
1879. S.
67).
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—
107
—
Der
Grund
für
das
Zurücktreten
des
Grün
ist
darin zu
suchen, dass
die
Insekten
die Farben
der
Blüthen
nicht
nur
sehen, sondern
sie
vom
Grün
der
Blätter
unterscheiden
müssen,
um
sie
aufzufinden.
Blau
ist
die
schwächst
entwickelte
Farbe.
An
ihrem
Zurücktreten
dürfte
(ausser der
hohen
Complication
p
=
3)
die
Aehnlichkeit
von
Blau
und Grün
mitwirken,
deren
Unterscheidung
auch
vielen menschhchen
Augen
Schwierigkeit macht.
Wo
(in
den
Hochalpen)
das
Grün
zurücktritt
wegen
grosser
Blüthen und
kleiner
Blätter
bei vereinzelt
am
Felsen
sitzenden
Pflanzen,
da
nimmt
das
Blau auffallend
zu. Wir
finden
da
reichlich
den
tiefblauen
Enzian
und das
lebhaft
himmelblaue
Vergissmeinnicht
neben
blauen
Glockenblumen
und
Veronica-Arten.
Analogon.
Bei unseren
Briefmarken
fehlt
Weiss als herrschende Farbe der
Marke.
Gelb
steht
an
Bedeutung
zurück
hinter
Roth,
Blau,
Grün,
weil
wir
die
Marken
meist
auf
weisse
oder gelbliche Adressen
kleben
und
das
Gelb
vom
Weiss sich am
wenigsten
abhebt.
Schrieben
wir
auf schwarzes
Papier,
so
wäre
Gelb
(ausser
Weiss)
die
domi-
nirende
Farbe.
Die
Aufschrift
auf unseren
dunkeln
Buchdeckeln
ist
gelb
(vergoldet).
Das
Gelb herrscht nicht
nur in den
Blüthenblättern. Auch
die
Staub-
gefässe zeigen
fast
ausschliesslich gelben
Blüthenstaub
und
der
Honig
ist
gelb.
Dahin
aber
sollen
vorzugsweise
die Insekten
gelockt werden.
Danach
erscheint
der Farbensinn
des
Insekten-Auges,
dessen
Diffc-
renzirung
sich
in
den
Blüthenfarben
spiegelt,
für
Farben
ebenso
eingerichtet,
wie das
menschliche.
Gelb
p
=
i
ist
Dominante
und
(ausser
Weiss)
die
wichtigste Farbe,
dann folgt
Roth
(p
=
2).
Das Grün
(p
=
2)
tritt
zurück
wegen
Gleichheit mit
der
Blattfarbe
, nicht wegen
eines
Defects
im
Auge,
denn
zweifellos sehen
die
Insekten das Grün der
Blätter
und
unterscheiden
es von
anderen Farben^).
Die
seltenste
Farbe
ist
Blau
(p
=
3).
Sic
ist
^)
Wir
besitzen
Beobachtungen von
Sir
John
Lubbock,
die
beweisen,
dass
die
Bienen
Farben wiederkennen, so besonders
auch das
Grün,
dass
sie aber
am
unsichersten
sind
in
der Unterscheidung von Grün und
Blau.
Er schreibt:
„Ich
fand, dass
Bienen
sich
bald daran
gewöhnen,
Honig
auf
Papieren
von
bestimmter Farbe zu
suchen. So
z. B.
setzte
ich
am
13.
September
eine
Biene
zu
etwas
Honig auf
einem
Glasstreifen auf
grünem
Papier,
und
nachdem
sie
12
Wege
zum
Korb
und
zurück gemacht,
legte ich
rothes Papier,
wo
das grüne
gewesen
war,
und
legte
einen
anderen
Honigtropfen
auf ein grünes Papier
in
Entfernung
von
etwa
einem
Fuss.
Die
Biene
kehrte
aber zu
dem
Honig auf dem grünen
Papier
zurück.
Ich
brachte
dann
vor-
sichtig das
grüne Papier mit der
darauf sitzenden
Biene
an
die
frühere
Stelle
zurück.
Als
die
Biene
weggegangen war, ersetzte
ich das
grüne
Papier
durch
ein
gelbes
und
legte
das
grüne
wieder
einen
Fuss
davon
ab.
Nach
den
üblichen
Intervallen
kehrte
sie
zu
dem
grünen
zurück.
Ich
wiederholte dasselbe,
aber
mit
orange
Papier
an der
Stelle
des
grünen.
Sie kehrte
wieder zum grünen zurück.
Dann
prüfte
ich
sie
mit
blau; sie
kam
wieder
zum
grünen.
Ich wiederholte
diesen
Versuch
mit
anderen
Bienen
und
mit
demselben
Erfolg,
obwohl
es
mir
schien, dass sie
in
manchen
Fällen
nicht
so
deutlich
unterschieden
zwischen
grün
und
blau,
als zwischen
grün
und
anderen
Farben.
In
anderen
Fällen
schienen
sie
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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~
108
—
deshalb
bei uns
besonders
geschätzt.
Gelb
dagegen wird,
als zu
gemein,
von
den
Gärtnern
möglichst
gemieden.
Unser
Auge
wählt auf
der
Wiese zu
den weissen
und gelben
die
selteneren
rothen
und
blauen
Blumen,
und
vereinigt
sie mit
den
grünen Blättern
und Gräsern
zu einem
S
trau
SS.
Nicht
so
gern, aber
theilweise
als
Ersatz
für
Blau,
nimmt
es die violetten
Blüthen.
Die
Farben
im
Strauss
geben
ein
Bild
von
Harmonie
und
Gleichgewicht
für
unser
Auge.
Es
ist
mehr
Roth
und
Blau, weniger
Grün
darin
als in den Farben
der Wiese.
Wegen
der
Uebereinstimmung
mit unserem
Auge können
wir
auch dem
Farborgan
im
Insekten-Auge die
Dominante Gelb
und
die
Entwicklung
nach
dem Gesetz
der
Complication zuschreiben.
In
den
Farben der
Früchte
haben wir grelle,
auffallende
Lockfarben
neben
grünen
und matten Schutzfarben (Versteckfarben), letztere,
um
die
Frucht,
so
lange
sie
unreif
ist,
im
Grün der
Blätter, wenn
reif
im Braun-
Grau
der
Rinde, der
Wurzeln, der
welken
Blätter und
des
Bodens zu verbergen.
Unter den Lock färben der Früchte, besonders
der
fleischigen,
herrscht
bei
uns das Gold-
Gelb, die
Farbe
der Reife,
daneben
Roth dann folgt
Violett. Reines
Blau
fehlt
fast ganz.
Wir
haben
hier
die gleiche Rang-
ordnung
wie bei den Blüthenfarben. Diesmal wohl für
das Auge der
Vögel
und
der
anderen
Thiere,
die
die Früchte
verspeisen
und
den Fruchtkern frei-
machen
sollen.
Also auch für das Auge dieser
Thiere
ist
Gelb, die Do-
minante
und
die
andern Farben zeigen die Rangordnung der Complication.
Die
Rolle des Grün
ist
eigenartig, wie bei
den
Blüthen. Es
versteckt
die
Früchte
zwischen den
Blättern. Roth als Lockfarbe ist
wohl verstärkt
gegen Gelb durch den
grösseren Contrast und
Abstand
von
Grün.
Die
Farben, die der
Mensch
bevorzugt
und
züchtet,
sind
als
Lock-
farben
für
das menschliche
Auge
anzusehen. Auch
hier
dominirt für die
Früchte
das
Gold-Gelb.^)
Im
Süden
beherrscht
noch
weit
mehr als bei
uns die Farbe Gelb den
Obstmarkt.
In
Italien
Orangen
und Citronen
neben Quitten
und
Mispeln, in
Algier, Tunis und
Egypten
kommen
dazu die Datteln.
Im
südlichen Indien
und
Ceylon
herrschen
Ba-
nanen,
Ananas
und Mango, dazu in
Japan
und
China der Kaki (die japanische
Mis-
pel) und
verschiedene
Orangen-Arten.
Von
unserem idealisierten
Fruchtbaum,
dem
Weihnachtsbaum,
dem
Entzücken
der
Kinder,
erzählt
das Bilderbuch:
„Goldne
Lichtlein
brennen dran,
Goldne Aepfel
hängen
dran.
ebenso
fest
an
einer
anderen
Farbe
zu
hängen,
an
die
sie
gewöhnt
waren.
(D. Natur-
forscher.
Herausgeg.
v.
W.
Sklarek
1876
S.
7.
„Nature
vom
11.
Nov.
1875).
Auch
dieses
Citat
verdanke
ich
der
gütigen
Mittheilung
von
Prof
E.
Askenasy.
^)
,,
Kennst
du das
Land, wo
die
Citronen
blühn.
Im
dunklen
Laub
die
Goldorangen
glühn?
(Goethe,
Mignon.)
„Und,
so weit
das
Auge
blicket,
Wogt
es
wie
ein
goldner
Wald.
(Schiller,
Das Eleusische
Fest.)
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
109
—
Gold-Gelb waren
die
Aepfel
in
den
Gärten
der
Hesperiden,
die
der
Hera
als
Brautg-eschenk
dienen
sollten.
Drei
derselben zu
holen
war
eine
Arbeit
des Herakles.
Goldgelb
war
auch
der Apfel,
den
Eris
bei
der
Hochzeit
des
Peleus
und
der
Thetis
unter
die
Gäste warf,
um
Neid und
Begehrlichkeit
zu entzünden, der
Zankapfel,
um
dessen
Besitz sich
die
höch-
sten
Göttinnen stritten, Hera,
Athene
und
Aphrodite,
aus welchem
Streit
der
trojanische
Krieg
entstand.
Zur
Psychologie
Ton
Licht und
Farben.
Die
Aufnahme von
Licht
ist ein
Genuss.
„Mehr
Licht , war
Goethe's
letzter
Wunsch.
Nach unserer
Auffassung vom
Genuss
beruht
die
Freude
am Licht
in der Anreg-ung
und Bethätig-ung
des
Lichtorgans
in
der
ihm
eig-enthümlichen
Weise. Wir
können hier
für
den
Genuss
von
Licht
und
Farbe
einen g-rossen Theil dessen
aussagen,
was
über
den
Genuss
der
Har-
monie der
Töne gesagt
wurde.
Um Wiederholungen
zu
vermeiden,
möge
auf
obige
Stellen
(S.
68
flg.) verwiesen
werden.
Genuss
von
Hell und Dunkel,
Weiss und Schwarz.
Das
Lichtorgan
functionirt
als
Ganzes,
indem es
Helligkeit aufnimmt,
und in
seinen
Theilen,
indem
es
Farben
aufnimmt.
Für
jede dieser Functionen
gibt
es
den
Genuss
der
gefühlten,
der Einrichtung
des Organs angepassten,
Förderung
durch
Be-
thätigung
(Anregung) und Erholung
(Beruhigung).
Anregung
des
Lichtorgans
als
Ganzes liefert
den
Genuss
des Hellen
(Weiss), Beruhigung
desselben
den
Genuss von Dunkel
(Schwarz).
Die
An-
regung
durch Helligkeit bringt morgens das
Oeffnen der
Augen,
das
frohe
Erwachen,
damit zugleich
Anregung der
anderen Thätigkeiten.
Die Beruhigung
durch
Dunkelheit
bringt abends
das
Schliessen der
Augen, damit
das
Ein-
stellen
der
anderen Thätigkeiten
und
den
Beglücker Aller,
den
Schlaf.
Genuss
der
Farben.
Das Lichtorgan in seinen harmonischen
Theilen
functionirend
, die Bethätigung
(Anregung)
seiner
harmonisch entwickelten
Theilorgane
(GHeder),
der
Farborgane, liefert
den
Genuss
der
Farben.
Auch
die
Intensität
des
Lichts muss, damit dies
angenehm
sei, in
den
der
Fähigkeit
des
Auges
entsprechenden
Grenzen liegen.
Zu
starkes
Licht thut
den
Augen
weh.
Zu
schwaches wird
nicht
empfunden,
oder
es
lässt
unbe-
friedigt,
indem
es
den
Wunsch nach
mehr
HeUigkeit
weckt.
Genuss reiner Farben.
Wechsel
der
Farben.
Farbenspiel.
Jedes
Farb-
organ
hat
seinen
eigenen
Genuss.
Anregung
durch
Aufnahme
seiner
eignen
Farbe
und
Beruhigung
bei
Aufhören
dieser
Farben
(Dunkelwerden).
Die
reinen
Spectralfarben
thun
dem xA.uge
wohl.
Man
findet
sie
schön.
Das
heisst,
es ist
dem Auge
angenehm,
wenn
für
einige
Zeit
nur
die
Farborgane
einer
Art
angeregt
werden,
während
die
anderen
ruhen. Nach
einiger
Zeit
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
110
--
stumpft
das
Auge
für
diesen Genuss
ab
(das betreffende
Theilorgen
ermüdet)
und
es
wünscht
Dunkelheit
oder
einen
Wechsel
der
Farbe.
Letzteres
ist die
Freude
am
Farbenspiel.
Geschieht
das
Spiel
mit
reinen Farben,
so
kommt
ein
Theilorg-an
nach
dem
andern
zur Bethätig-ung-,
während
die
anderen
ruhen.
Der
Genuss
dürfte
dann
am grössten
sein, wenn
jede Organart
nach
dem
Maass
ihrer
Leistungsfähigkeit
zur
Verwendung
kommt und
bis
zur
Neuver-
wendung
die
nöthige
Zeit
zur
Erholung
hat.
Der
Genuss
reiner
Farben neben
einander,
z.
B.
in
einem
Gemälde,
ist
für
die
einzelnen
Elemente
des
Farborgans der
beschriebene
Genuss von
An-
regung
und Erholung.
Denn das Auge ist in
beständiger
Bewegung
und
ver-
legt
dadurch
die
Bilder
auf
wechselnde
Stellen
der
Netzhaut, die
im
Fall
reiner
Farben
abwechselnd
von
je
einer angeregt
werden, für die
anderen
ruhen.
Sind die
Farben
im Gleichgewicht,
d. h.
ist
von jeder
so viel vor-
handen,
dass alle
Farborgane des Auges gleichmässig beansprucht
werden,
ist
ferner die
Lichtstärke
der Aufnahmsfähigkeit des
Auges am
besten ange-
messen, so ist
der Genuss
am grössten.
Den
analogen
Genuss
im
Wechsel
von
Anregung und Erholung
fanden
wir
bei den
Musikstücken in den Accorden und Folgen.
Mischfarben
wirken weniger anregend als reine
Farben, weil
sich
ihre
Wirkung
auf
die
verschiedenen Farborgane vertheilt.
Sie sind
deshalb
an-
genehmer,
wenn
wir
starke Anregung meiden
und
Beruhigung suchen. Man
nennt sie matte,
ruhige Farben,
im
Gegensatz zu
den
reinen, grellen, lebhaften
Farben.
Complementärfarben.
Als
complementär bezeichnet man zwei Farben,
deren
optische
Vereinigung
Weiss gibt. Man erhält sie,
indem
man
einen
Theil
des
Spectrums
zu einer
Mischfarbe
sammelt, und
den
Rest
zu einer
zweiten. Solcher Paare kann
man
beliebig
viele durch wechselnde
Auswahl
darstellen. Unter
ihnen sind
zwei Paare besonders
beliebt:
Roth
und
Grün,
Goldgelb
und
Blau.
Beliebt heisst,
dem Auge
wohlgefällig
und
deshalb
von
ihm mit Vor-
zug
ausgewählt,
etwa,
wie das Ohr
die harmonischen Töne als zusammengehörig
auswählt.
Besonders
beliebt sind
sie
mit Zwischenschiebung
von Weiss als
Roth-Weiss-Grün
und
Goldgelb-Weiss-Blau.
Anmerkung.
Die
Complementärfarben
Goldgelb-blau erhält
man leicht, indem
man
durch
ein
Glasprisma
oder
durch
eine nicht
achromatische
Linse
einen
weissen
Streifen
auf
schwarzem
Grund
betrachtet.
Complementärfarben
sind
deshalb
dem
Auge angenehm, weil
sie
dessen
Theile
gleichmässig
beschäftigen.
Warum
aber sind
gerade
obige
beiden
Combinationen
bevorzugt?
Ich
will eine
Erklärung
versuchen.
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-
111
—
Complementärfarben und
Accordfarben.
Roth
und
Grün,
Goldg^elb
und
Blau
als Complementärfarben sind
Mischfarben.
Wir
haben aber
Roth
und
Grün,
Goldg-elb
und
Blau
auch
als reine Einzelfarben:
Roth
=
C
=
1,
Grün
=
E
^
2,
Goldgelb
^
D
=
i, Blau
=
F
=
2.
Indem
das
Auge
sich
an der Zusammenstellung
von Roth
und
Grün
erfreut,
ist dabei
nicht
sicher,
ob
es
diese
als
Complementär-Farben
wählt
oder
wegen
einer
Har-
monie der
reinen
Farben
Roth und
Grün
(S.
84),
oder
aus
beiden
Gründen
zugleich, indem
es für den
Genuss
beide
Arten
nicht scheidet.
Ebenso
ist
es
mit
Goldgelb und Blau.
Praktisch stehen
ja bei der
Farbenwahl
weder
die
strengen
Complementärfarben
zur Verfügung,
noch
die
reinen
Spectral-
farben, sondern
Mischungen,
deren
Eindruck
diesen
nahe
kommt.
Ist
diese
Deutung
richtig, so hat das Auge
bei
den
Combinationen
Roth
und Grün,
Goldgelb
und
Blau, den
Genuss der
Complementär-Farben,
d. h. der
gleichmässigen
Inanspruchnahme des
ganzen
Farb-Organs
und
zu-
gleich die harmonische
Anregung
durch
einen
Farben-Accord.
In diesem
Zusammentreffen
wäre
dann der Grund
der Vorliebe
für
diese
Combinationen
zu
suchen.
•
-
.
Gleichgewicht
der
Farben.
Wir
betrachten
eine
Gruppe
von Farben
als
im
Gleichgewicht,
wenn
durch
sie die
entsprechenden Theile
des
Farben-
Organs
gleichmässig
beansprucht
werden.
Im
Gleichgewicht ist das Sonnen-
Spectrum.
Intensität
und
Ausdehnung.
Zum
Gleichgewicht
braucht jede
Farbe
eine
zu den
anderen
relative
Intensität
und
Ausdehnung.
Intensität
und
Aus-
dehnung
dürften einander
ersetzen,
so
dass ein
kleiner
intensiv
rother
Fleck
das
Gleichgewicht ebenso
herstellen
kann,
wie
eine
grössere
minder intensiv
rothe Stelle.
Die
Erklärung des
gegenseitigen
Ersetzens
von
Intensität
und
Aus-
dehnung
liegt in
Folgendem :
Stärkere
Intensität
bringt
stärkere
Anregung
des
Elements,
grössere
Ausdehnung
dagegen
bringt
bei
dem
beständigen
Wechsel der
Augenrichtung
häufigere
und
längere
Anregung
des
gleichen
Elements.
Intensivere
Thätigkeit
verrichtet
dieselbe
Arbeit
in
kürzerer
Zeit.
Prüfung von Gemälden
auf
Gleichgewicht.
Als
besonders
geeignete
Objecte bieten
sich
die
Bilder der
Meister,
die
mit
möglichst
reinen
Farben
gemalt
haben
(van Eyck, Cranach,
Crivelli,
BotticeUi
u. A.);
dazu
die
färben
prächtigen
Werke
orientahscher
Kunst.
Es
wäre
von
Interesse
an
Meister-
werken
zu
prüfen, ob in der
That
die
Summe
Weiss
ist.
Dabei
wären
Aus-
dehnung und Intensität
jeder
Farbe
zu
berücksichtigen,
auch
die
Mitwirkung
der Mischfarben.
Man
könnte
die
Farben
in
der
relativen
Grösse,
in
der
sie
das Gemälde bietet
auf einen
Farbenkreisel
setzen
und
rotiren
lassen.
(Zu
berücksichtigen
wäre
dabei
noch
die
Aenderung
der
Farben
durch
die
Zeit.)
Zur Herstellung
des
Gleichgewichts
der
Farben
wirken
Hintergrund,
Rahmen
und
Drapirung mit.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
112
—
Der
schaffende
Künstler setzt
die Farben so,
dass
sie ihn
befriedigten.
Ohne
zu
messen
oder
zu
rechnen,
bildet
er das
Gleichg-ewicht
und stellt es
her
durch
Zufügung
einer
Farbe,
wo
es
gestört ist.
Das Wohlgefühl, die
Ruhe
des
Auges
beim
Gleichgewicht
der
Farben
diktirt
ihm
das
Maass.
Der
Sinn
für
Gleichgewicht
der
Farben
ist
wichtig in
der
Kunst der
Decoration
und
der
Costüme.
Dem
Gleichgewicht
der
Farben
entspricht
ein
Gleichgewicht der Töne
im
Accord.
Soll
ein Accord im
Gleichgewicht sein,
so
darf
keine
Stimme
die
anderen
übertönen. Bei
den
Tönen
kann
das
Gleichgewicht
auch
durch
die
Folge
hergestellt
werden (Melodie, wechselnde
Stimmführung).
Bei einem
Gemälde
geht
das
nicht, wohl aber bei
wechselnden
Farben, z.
B. bei Auf-
zügen
mit
farbigen
Costümgruppen,
beim
Farbenspiel von
Beleuchtungen
auf
der
Bühne.
Dabei werden die
Theile
des Farben-Organs
abwechselnd be-
ansprucht,
so dass
die
Bethätigung
aller, auf
eine
gewisse
Zeit
vertheilt,
gleichmässig
ist.^)
Auch
bei den
Krystallen
finden wir
ein
Gleichgewicht
in der
Aus-
dehnung der
Flächen
einer
Combination.
Harmonische
Malerei.
Harmonie
der Farben
ist
eine
dem
Functioniren
des
Auges angepasste, deshalb dem Gemüth wohlthuende
Gruppirung von
Farben. Man
kann auch kurz
sagen eine dem Auge
wohlthuende
Gruppirung
von
Farben.
Wir
spalten
den Begriff
in zwei: Harmonie
und
Gleichgewicht.
Harmonische
Malerei
sei
danach
solche, die
mit
möglichst
reinen (har-
monischen) Farben malt und diese ins Gleichgewicht
zu
setzen sucht.
Analog
baut
die
harmonische Musik
ihre
Stücke aus reinen
Accorden
in
harmonischer
Folge
auf
und setzt
die
Töne
ins
Gleichgewicht.
Harmonische
Malerei
und
harmonische
Musik
entsprechen
dem gleichen
Bedürfniss der Sinne und
des
Gemüths.
Man
kann
in
diesem
Sinn
von
harmonisch gestimmten
Gemüthern
sprechen.
Dem
Bedürfniss nach
heftigeren Reizmitteln entsprachen
Gleich-
gewicht
und
Harmonie
nicht.
Man
suchte
in
der
Musik
dies sich
steigernde
Bedürfniss
zu befriedigen
durch
stärkere
Gegensätze
von Forte
und
Piano
einerseits,
andrerseits
durch
Dissonanzen und schliesslich
Kakophonien.
Dem
Bedürfniss
nach
heftigen
Reizmitteln entspricht
in
der
Malerei
das
Verlassen
der reinen Farben, das Vordringen
einer Farbe,
besonders
der
wirksamsten:
Gelb.
Der gewaltige
Meister und
Bahnbrecher
dieser
Richtung
ist
Rembrandt.
^)
Ein
Wechsel
der
Farben
beim
Anschauen
eines
Gemäldes
entsteht
übrigens
durch
die Bewegung
des
Auges,
durch
das abwechselnde Fixiren verschiedener
Theile
des Bildes,
indem auf den
gleichen
Theil
der
Retina
(die
gleichen
Farb-Organe)
ab-
wechselnd
verschiedene
Farben
fallen.
„Kräftig
auf
blühender Au
erglänzen
die
wechselnden
Farben,
„Aber der
reizende
Streit
löset in
Aninuth sich auf.
(Schiller, Spaziergang.)
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
113
-
Bei unserer
heutig-en
„Secession
finden
wir
Realistik
mit
unreinen
Farben
und
einseitig-er
Farbenwirkung
neben
schwärmerisch-phantastischen
Farbenspielen
mit
dem
Streben
nach
Harmonie
und
Gleichg-ewicht.
Harmonie und
Gleichgewicht
in
Farben
und
Tönen
sind
Idealisirungen.
In Verbindung'
mit
schönen
Formen
und
Rhythmus
und
ausg-eg-lichen
mit
den
Anforderung-en der
Naturwahrheit
charakterisiren
sie
die
c]
assische
Kunst. Die
realistische
Kunst
macht
sich frei
vom
Zwang
von
Harmonie
und Gleichgewicht. Sie
begibt
sich
damit
in
die
Gefahr,
über
dem
An-
regenden das Schöne
zu
vernachlässigen
und
zu
verwildern.
In
der
Geschichte
der
Musik,
wie
der
Malerei,
finden
wir
den
gleichen
Entwicklungsgang. Aus
rohen
Anfängen
Aufsteigen
zu
Harmonie
und
Gleich-
gewicht. (Classische
Periode.)
Dann
Aufsuchen
stärkerer
Reizmittel
neben
Nachlassen
des Sinnes
für
Harmonie
und
Gleichgewicht.
Das
ist
die
nach-
classische
Zeit,
die zur
Verwilderung
und
Verflachung
führt.
Neue
Samm-
lung
zu
Harmonie und
Gleichgewicht
kann
eine
neue
classische
Zeit
bringen.
So
schreitet
die Entwicklung der
Kunst in
Perioden
vorwärts.
Complication.
Entstehung
der
Manichfaltigkeit
in
der
Natur
durch
Complication.
Zwei Kräfte
vereinigen sich
im
Raum
durch
Addition
d. h.
durch
Zu-
sammenlegen
nach
Intensität und
Richtung.
Das
Resultat der
Addition
ist
eine
Kraft, die Resultante oder Summe.
Wie
Kräfte
werden
Geschwindig--
keiten, Beschleunigungen
durch Addition
vereinigt.
Die
Addition
ist
eine
Vereinfachung.
Aus mehreren
Stücken
wird
eins.
a
-j-
b
=
c. Dadurch kommt
keine Vermehrung
der
Einzelheiten,
keine
Difife-
renzirung in
die
Natur.
Aber
neue
Riciltungen
treten auf
Anmerkung.
Abgesehen
von
dem
speciellen Fall
der Addition
gleich gerichteter
y.
Kräfte,
bringt
jede
Addition
eine Aenderung der
Richtung
hervor.
Umgekehrt
kann
jede
Richtungs-Aenderung
als Addi-
tion
aufgefasst werden.
Es ist in
Fig.
n.
Ao
=
A^
-|-
D.
Durch Addition
von
D ist
die
Drehung
von
A^ um
-<
^
vollzogen,
Subtraktion
vermehrt
die
Einzelheiten
auch
nicht.
Wir
haben
Grössen
mit
gleicher
und
mit
entgegen-
p.
^^
gesetzter
Richtung.
Positive
und
negative.
Subtrak-
tion ist Addition
einer negativen
Grösse
zu
einer
positiven.
Auch hier wird aus
zwei
Stücken
eines.
a
—
b
=
c.
G
o
1
d
s c h in i (1
1
, Harnionie
etc.
°
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—
114
—
Multiplication
als
Naturprocess
ist Addition von g-leichen
Grössen. Um
2
a
zu
bilden
ist
a
und
a
zu
einer
neuen Einheit
zu
vereinigen.
Daher ist
auch
Multiplication
eine
Vereinfachung-, Sie vermehrt
die
Manichfaltigkeit
nicht.
Multiplication
mit
einer reellen
Zahl ändert auch
die
Richtung-
nicht.
Anders die
Division.
Division ist
Zerlegung (Spaltung, Zerfall) einer
Einheit
in
eine
ganze
Zahl
(2
oder
mehr)
gleicher
Theile.
Dadurch
vermehrt
sich
die
Zahl
der
Einheiten,
es
erhöht
sich
die Manichfaltigkeit.
Neue
Rich-
tung
tritt
aber
durch
Division
nicht auf.
Division
durch
ganze
Zahlen.
Es
fragt
sich:
Theilt die
Natur
durch
complexe
Grössen
oder
nur
durch
reelle, oder
gar
nur
durch
ganze Zahlen?
Kann
eine
Kraft,
eine Geschwindigkeit
in
m
-|~
^^^
gleiche
Theile
zerfallen
oder
nur in m
oder
gar nur in
2,
3,
. . .
6,
.
.
.
gleiche Theile?
(Gesetz
von
der
Rationalität
der
Krafttheilung).^)
Zerfall
in
eine
irrationale,
transscendente
oder
imaginäre
Zahl
gleicher
Theile
können
wir
uns
nicht
vorstellen.
Division
durch eine
Bruchzahl wäre
Spaltung
in
eine
ganze
Zahl
gleicher
Theile
und
Zusammenlegen
mehrerer
derselben.
Division und
MultipHcation
(Addition)
zugleich.
Division geschieht
auch
dabei
durch eine
ganze
Zahl.
Anmerkung.
Es
bleibt
zu
untersuchen,
ob
der
Zerfall
in mehr
als
zwei
gleiche
Theile
als
ein
Vorgang anzusehen
sei,
oder
als
Wiederholung
des Zerfalls in
Hälften. Mit
andern
Worten:
ob
die
Natur resp.
unser
Ausmesser der
Dinge,
der Verstand,
anders
als
dichotom
arbeite.
Dass
durch
Zerfall
in
Hälften
auch
eine
ungerade
Zahl
von
Theilen
entstehen
könne,
von
denen
einige unter
Umständen
gleich sind,
werden wir unten bei
der
Complication
sehen.
Von
unseren
4
elementaren
Rechnungsarten
sind
nur
2
als
mathema-
tische
Grund-Operationen
der Natur,
wie
des
Verstandes,
anzusehen:
Addition,
das ist
Zusammenlegung
von
2
(oder
mehr)
Einheiten
(Kräf-
ten u.
A.) zu
einer
neuen
Einheit
von
im
Allgemeinen neuer
Richtung.
Division,
das ist
Spaltung
einer
Einheit
(Kraft
u.
A.)
in
2
(oder
mehr,
jedenfalls
eine
ganze
Zahl)
gleiche
Einheiten
in.
der
alten
Richtung.
Vielleicht
sind
in dieser
Definition
für die
Grundoperationen
die
Worte
„oder
mehr
wegzulassen,
Complication.
In
der
Natur
sehen wir
erhöhte
Manichfaltigkeit
in
folgen-
der
W^eise
entstehen:
Zwischen
zwei
Kräften A
und
B
(Fig.
12)
bildet
sich eine
neue
C,
während
Reste
in
den
Richtungen
A
und
B
übrig
bleiben.
Durch
Wiederholung
desselben Processes
bildet sich
eine
neue
Kraft
D
zwischen
A
und
C,
ebenso
E
zwischen
B
und
C,
während Reste
in den
Richtungen
ABC
^)
Vgl. Verf.
Index der
Krystallformen.
Berlin
1886.
1.
S.
14.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 126/153
—
115
—
bleiben.
Aus
2
Kräften
sind
3,
dann
5
u.
s.
w.
geworden;
jede
von
bestimmter
Richtung-
und Intensität.
Die
Manichfaltigkeit
hat
sich
vermehrt
in
Bezug
auf
Zahl und
Richtung-
der
Kräfte.
Den
beschriebenen
Vorgang-
wollen
wir
als
Complication
bezeichnen.
In
der
organischen
Natur
nennt
man
die
Entwicklung
vom
Einfachen
zum
Complicirten
Differenzirung.
Wir
könn-
ten diesen Ausdruck
auf
das
unorganische
Gebiet
übertragen.
Wir
wollen
jedoch
den
Begriff
specieDer
fassen
und
mathema-
tisch
formuliren.
Da
aber
Differenziren
in
der
Mathematik
be-
reits
eine feste
Bedeutung
hat,
so
wurde
ein
anderes
Wort:
Complication
gewählt.
^^^
^B
Complication
ist
Spaltung
(Division)
und
Zu-
^ig
X2.
sammenlegen der
Theile
(Addition).
Durch
Division
allein
kann
die
Manichfaltigkeit
in
der
Natur
nicht
entstehen
(es
fehlt
die
Bildung-
neuer Richtung-en)
;
durch
Addition
auch
nicht
(es
fehlt
die
Ver-
mehrung-
der
Einzelkräfte);
wohl
aber
durch
beide
zusammen.
Complication
im engeren
Sinn.
Die
einfachste Theilung
ist
die
Halbirung;
die
einfachste
Addition
die
Vereinigung
von
je einem
Theil.
Wir
wollen
diesen
wichtigsten
Fall
Complication
im
engeren
Sinne
nennen
und
ihn
vor-
aussetzen,
wenn
wir
im
Folgenden
von
Complication
reden.
Complication
auf
TerscMedenen
GleMeten.
In
zwei
Abhandlungen^)
habe
ich
versucht,
aus dieser
einfachen An-
nahme
die Entwicklung
der
Krystallformen
in ihrer
ganzen Manichfaltigkeit
abzuleiten
(vg-1.
S.
5).
Eine
Transformations-Formel
p
=
(z
—
Zj):(z2—
z)
gestattete, alle
krystallographischen
Zahlenreihen
auf
eine einfache, vergleichbare
Form
,
die
der
Normalreihen
N=o---
i---oo
zu bringen.
Eine
Dis-
cussion der beobachteten
Zahlenreihen
liess die
Anfänge
der
Entwicklung
(Primärknoten),
die
Richtung
der
Primärkräfte
(senkrecht zu
den
Primärflächen)
bei
den
verschiedenen
Krystallarten
finden,
für
die
Einzelflächen
Rang
und
Wahrscheinlichkeit
feststellen.
Das lieferte die
Unterlage für eine
Kritik
der
Beobachtungen^)
und
gestattete unter Umständen das
Voraussagen
noch
nicht
beobachteter
Formen.'^)
Diese Consequenzen
hat die
Erfahrung
bestätigt und
dadurch
das Gesetz
für
die Krystallographie
gesichert.
Aber
auch
auf
anderen
Gebieten
zeigte
sich
das
Gesetz der
Complication
herrschend. So
bei
den
Tönen
unserer
Musik,
wie
oben
gezeigt
wurde. Die
^)
Zeitschr.
f.
Kryst.
1897.
28.
S.
i
u.
414.
^)
Ebenda S.
426.
•'')
Ebenda S.
446.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
116
—
Transformations-Gleichung-
p
=
(z
—
zj :
(z^—
z),
speciell
p
=
(z—
i)
:
(2
—
z),
angewendet
auf
die
Schwing-ungszahlen
der
harmonischen
Töne,
führte
zu
den
harmonischen
Zahlen
p
=
o
i
I
i
2
(3)
00,
die
Einblick
gewähren
in
den Bau
der
Musikstücke
und
die als Grundlage
einer
musikalischen
Harmonielehre
dienen
können.
Sie
werfen
Licht
auf
Einrichtung
und
Entwicklung
unseres
Ohrs.
Das
Analoge
zeigte sich
bei den
Farben.
Dieselbe Transformations-
Gleichung
p
=
(z
—
Zj)
: (z^
—
z),
angewendet
auf die Schwingungszahlen
der
Haupt-Spectral-Linien
und,
im
Anschluss
daran,
auf die der Farben
führte zu
den
gleichen
harmonischen
Zahlen
p
=
o
(1)
i^
i
23
00, die
Einblick
geben
in das
Wesen
der Spectrallinien
und
der Farben.
Sie
werfen
Licht
auf
die
Ein-
richtung
und Entwicklung
unseres
Auges.
Auch andere
Gebiete der
Natur
scheinen
von
dem
Entwicklungs-Gesetz
der Complication
beherrscht.
Es
seien
hier
einige
flüchtige
Ausblicke
ge-
stattet.
Harmonie
in
Geschmacks- und
Geruchs-Arten
besteht
wahrscheinlich
im
Sinne der
Harmonie
von Tönen und
Farben.
Es
werden Gerüche
und Ge-
schmacke
in
grosser
Manichfaltigkeit
unterschieden. Das
deutet
auf eine
Dififerenzirung
im
Aufnahm
s-
Organ
(Nase,
Zunge).
Manche
Gerüche
oder
Geschmacke sind
angenehm,
d.
h.
dem
Sinnes-Organ angepasst, andere
unan-
genehm; aber
wir
haben nicht,
wie
für
Töne und
Farben,
in
den Schwingungs-
zahlen
und
im
Spectrum
Mittel,
um
Gerüche
oder
Geschmacke
nach
Maass
und
Zahl
zu ordnen.
So fehlt
der
Nachweis für das Gelten des
Gesetzes
von
Harmonie
und
Complication
in
diesen Gebieten.
Für
eine Analogie
spricht
der
Sprachgebrauch und
die
Begriffs-
bildung,
die
oft
das
Gleichartige
vereinigt
und der
wissenschaftlichen
Unter-
suchung
den
Weg
zeigt. Die
Begriffe schön
(dem
Auge
oder
Ohr
gefällig)
und gut (dem
Geschmack
und
Geruch
zusagend) vertauschen sich.
Man
sagt,
es
schmeckt
oder riecht
schön,
aber
auch,
ein Musikstück
klingt gut
oder
ein
Büd
ist
gut
in
den
Farben.
Man
spricht
von
süssen
Tönen
und dumpfen
Gerüchen,
ja
Geschmack
ist
das allgemeine
Wort
für
den
Sinn
für das Schöne,
Harmonische.
Möglicherweise
lässt
sich einmal
auch
für
Geschmack und
Geruch
eine
Wissenschaft
in
Maass
und Zahl
aufbauen;
dann dürfte sich
auch dort
das
Gesetz
der
Harmonie
bewähren.
Organismen.
Eine
weitgehende
Aehnlichkeit zeigt
sich
zwischen
der
Entwicklung
der
Krystallformen
der freien
Zone
und
der
Septen
der
hexameren
Corallen.
Es
ist
von
Interesse,
das
schematische
Bild
in
Zittel's
Paläonto-
logie^)
(Fig.
13)
mit
unserm
Bild
der
freien Zone (Fig.
14)
zu
vergleichen.^)
^)
1880. I.
215 nach
Milne
Edwards
und
Haime.
-)
Zeitschr.
f.
Kryst.
1897.
28.
21.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
117
~
Beide
mög-en
deshalb
nebeneinander
hier
abg-edruckt
werden.
Man
vergleiche
auch
unsere
Fig.
2,
12
und
19
—
28.
Charakteristisch
ist
für
die
vorliegende
100
•
Fig.
13.
Entwicklung
der
Septen
der hexameren
Corallen.
100
1
l_
2
1 3 2
3^
4 3 f 2
3
3
4
4
3 5
#
2
3 4
00
Fig.
14.
Entwicklung
der
Krystallformen
in
der
freien
Zone.
Entwicklung,
wie
für
andere Entwicklungen
in der
Natur,
dass
sich
zwischen
je
zwei Alte ein
Junges
eindrängt, entstanden
durch
das
Zusammenwirken
der
beiden
Alten.
Ein Bild
der
Vertheilung, wie sie der
Complication
entspricht,
gibt
der
2,
3,
5
zehige
FusS
und die menschliche
Hand. Die Finger
der Hand zeigen
die Normalreihe
N^
=
o
i
i
2
00
und es
liegt die
Vermuthung
nahe,
dass
unser Gesetz deren
Grund-Anlage
vorgezeichnet hat.
Aehnlich
ist
es
bei
den
Blättern. Sollte
die
Vertheilung
der
Blatt
nerven
auf dem
gleichen Gesetz
beruhen,
so
dürfte man
sich
über die
Aehnlichkeit
gewisser
Blätter
mit
dem
Hahnenfuss
oder
der
Hand
nicht wundern.
Einwand.
Die Entwicklungsgeschichte
der
Thiere
zeigt
die
5
Finger
und
Zehen
hervorgegangen
aus
Verminderung
einer
grösseren
Zahl.^)
Dieser
Einwand ist vielleicht keine
Widerlegung.
Denn
das
einfache
Princip
arbeitet
sich oft
erst
spät
aus dem
Gewirr der
manichfachen
Anläufe
durch.
Die
Welt
ist nicht
nach
einfachem
Plan
gebaut. Sie
entwickelt
sich aus
dem
Chaos.
Beispiele:
So
hat
sich die
einfach
harmonische
Musik
aus
unregel-
mässig
gemischten
Tönen
roher
Vorfahren
herausgebildet.
Ein
Kind,
dem
man eine
Geige in
die
Hand
gibt,
oder
das
man
ans
Ciavier
setzt,
bringt
wirre
Töne,
wenig rhythmisch,
hervor
und
hat
seine
Freude
daran.
Erst
die
ein-
gehendere
Beschäftigung
mit
dem
Instrument, Entwicklung
und
Erziehung,
bringen
ihm
die
Vorhebe
für
einfache
Rhythmen,
für reine
und
harmonische
Töne, in
denen sich
das
einfache
Princip
der
musikalischen
Veranlagung
von
1)
Professor
L.
Edinger
in
Frankfurt,
ein
genauer
Kenner
der
Entwicklungsge-
schichte, machte mir diesen
Einwand.
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118
-
Ohr
und
Sinn
klar
herausarbeitet.
Hier,
wie
in jeder
Eigenschaft,
durchläuft
das
Kind
rasch
den
historischen
Entwicklungsgang seiner
Ahnen.
Das
einfache
Princip
unserer
Buchstabenschrift,
jedem charakteristischen
Sprachlaut
ein
Zeichen
zu
geben,
dringt allmählich
durch, und bald wird
es
kein
Volk
mehr
geben, das
anders
schreibt.
Aber nirgends ist
Schrift
nach
diesem
Princip
entstanden.
Ueberall
hat
sie
sich
aus
einem
Gewirr
gleichzeitiger und
wechselnder
Anläufe, aus
einem
Gemisch
von
Begriffs-, Silben
und
Lautzeichen
abgeklärt,
indem
sie
unbewusst
der
Entfaltung
ihres
einfachen
Princips
zustrebte,
das
heute
bei
uns jedes
Kind lernt
und
nach
dem
es
seine
eigenen
Schriften
erfindet.
Wir
finden
den
alterthümlich
complicirten
Zustand
der Schrift in
den
Hieroglyphen
und
Keilschriften.
Aber
auch in der
Schrift der
Japaner,
dieses
hochgebildeten
modernen
Volkes,
finden
wir
ein
Gemisch
chinesischer
Zeichen
von
theils
begrifflicher,
theils
phonetischer
Bedeutung
mit
Silbenzeichen.
Ein
Zeichen
für viele Laute,
einen
Laut
ausgedrückt
durch
vielerlei Zeichen,
einen
solch
complicirten Bau
der
Schrift, dass
zum Lesen
einer
japanischen Zeitung
die
Kenntniss
von
mehreren
tausend
Zeichen
nöthig
ist;
zum
Lesen
der
alten
und
neuen
Drucke
und
H^andschriften
noch
viel
mehr, während
das einfache
Princip,
dessen
Entfaltung
auch diese
Schrift in ihrer
Entwicklung zustrebt,
mit
etwa 20 Zeichen
auskommt.
Wir
finden in der
Natur neben
einander
2
Arten
der
Entwicklung:
1.
Vermehrung der
Manichfaltigkeit
durch
Complication
und
2.
Verminderung
der Manichfaltigkeit
(Vereinfachung)
durch
Vordrängen
weniger
Principien und
Abfallen
der übrigen.
Nach beiden
Arten der
Entwicklung,
deren
jede
wir einen
Fortschritt
nennen, schreitet unsere
Cultur
vorwärts, entstehen
und vergehen
Völker
und
Thiergeschlechter,
Wissenschaften, Religionen
und
Künste.
Complication
im Raum.
Der
Process der
Complication
vollzieht sich
in
einer Ebene.
Zwischen 2
Kräften A
B
(Fig.
15)
scheidet
sich
eine
erste Zwischen-
kraft
(Dominante)
F
und
andere
abgelei-
tete
Kräfte
aus.
Derselbe
Vorgang
kann
aber
zugleich in
einer
anderen
Ebene
stattfinden,
z.
B. zwischen
A
C,
und E
bilden,
zwischen B
C,
und
D bilden, dann
zwischen
DE, E F, FD
u.
s.
w.
Jede
ab-
geleitete
Kraft
kann mit
jeder ursprüng-
lichen,
wie
mit jeder
abgeleiteten,
zu
weiterer
Complication
zusammenwirken.
So
entsteht
Manichfaltigkeit
im
Raum.
Für
die
Kry stalle
habe
ich den
Vorgang
eingehender
studirt.
Dort
nennen wir
die
Ebene
eines
solchen
Zusammenwirkens
Zonen-Ebene.
Auf
der
Wichtigkeit
des Vorgangs
beruht die
Wichtigkeit
der
Zonen
(vgl.
S.
4).
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
119
—
Ursache
der
Complication.
Auslösung.
Verfeinerung.
Als
Ursache
der
Complication
sind
äussere
Anregungen,
Auslösung-en
anzusehen.
Durch
sie
wird eine wesenthche
Kraft nicht
zugefügt.
Die
Summe
ist
die
gleiche
ge-
bheben.
In
dem
Mass, wie
die
Manichfaltigkeit
sich
vermehrt,
schwächen
sich
die
Einzelwirkungen.
Die
Gebilde
werden
compHcirter
und
zarter.
Solche
Verfeinerung finden
wir bei den
Krystallen^
den
Organismen,
bei
unseren
Sinnes-Org-anen, im
Denken und in
der
g-esammten
Cultur.
Grenze
der
Complication.
Bei
den
Krystallen
geht
die
Complication
über die Normalreihe
N^
=
o
i
i
§
i
^
2
7,
co
nicht
hinaus.
In
seltenen
Fällen
vielleicht
bis
N^. Die
Dififerenzirung-
der Töne
geht,
soweit
ich
sehen
kann,
bis
Ng^),
die
der Farben
ebenso.
Auch in
anderen
Fällen,
von
denen
einige
unten betrachtet
werden sollen, scheint
die
Grenze
N3
selten
überschritten
zu
werden.
Durch wiederholte
Anwendung
des
gleichen
einfachen
Processes
schafft
die Natur
eine ungeheure
Manichfaltigkeit.
Der
algebraische
Ausdruck
der Complication
ist
das
arithmetische Mittel.
Räumliches
Mittel.
Sind
die
Primärkräfte
A und B,
so ist
die
durch
Com-
plication
entstehende
Zwischenkraft
die
Vereinigung
von
2
A
mit
2 B,
also
2
(A
-f-
B),
das
arithmetische
Mittel,
gleichwie
die Bildung
der
Resultante
aus
A
und
B
die
Summe A
-|-
B
ist,
mit
Berücksichtigung
der
Richtung.
Wir können
dies
das
arithmetische
Mittel
im Raum oder
das räumliche
Mittel
nennen.
Bei
den
Krystallen
fanden wir
die Entwicklung
vom
Einfachen
zum Com-
plicirten
hervorgebracht
durch
Einschiebung
nach obigem
Gesetz.
Bestätigt
sich
dasselbe
in den
andern
Gebieten,
so
haben
wir in der Bildung
der
Com-
plication, des
räumlichen
Mittels,
ein Gesetz
der
Entwicklung,
des
Werdens,
des
Schaffens.
Geist
und
Empfindung.
Es wurde
geschlossen,
dass unser
Geist
und
unsere
Empfindung
nach dem
gleichen Gesetz der
Complication
arbeite,
wie
unsere
Sinnes-Organe, das
Denk-Organ
nach
demselben
Gesetz
eingerichtet
und
entwickelt sei, indem
unser
Sinn Harmonie der Töne und Farben als Genuss
empfindet,
wir
aber
als
Genuss
definirten
eine
Belebung
der Functionen unserer
Organe,
entsprechend
deren
Einrichtung
und Fähigkeit.
Ein
Beweis
dafür,
dass
der Geist
nach
diesem
Gesetz
arbeitet,
könnte
darin
bestehen,
dass
sich
zeigen
Hesse,
dass er sich
nach diesem
Gesetz
schaffend
bethätigt.
Dies
scheint in
der That
der
Fall.
Wir
wollen
den
Nachweis
an
zwei
Beispielen
versuchen: an der formellen
Kunst
und an
den
Zahlen-
systemen.
In
beiden Fällen trägt
der Geist
seine
Eigenart in
die
Natur
hin-
aus,
gestaltet
und
ordnet
dieselbe
nach seinem
Ebenbild.
^)
Bei
besonders
fein entwickelten
oder
ausgebildeten
Ohren
vielleicht
bis
N4.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
120
—
Complicatiou
in
der
formellen
Kunst.
Der
Genuss
des
Schönen,
die
Freude
an der Kunst,
wie
an
der
Schön-
heit
der Natur,
besteht
darin,
dass
wir in
den Erscheinungen
unser
Wesen
(Denken
und
Empfinden)
wiederfinden. Durch
Zufügung
des
mit der Thätig-
keit
unserer
Sinne,
unseres Denkens
und Empfindens
gleichartig
Wirkenden
wird
unsere
Lebensthätigkeit
erhöht. Wir
werden
sympathisch,
d.
h.
im
Sinn
unserer
eignen
Functionen, angeregt,
belebt.
Darin
besteht der
Genuss.
In
der
formellen
Kunst
wird das als
schön
empfunden
(als
gefällig,
har-
monisch),
was
der
Einrichtung
unseres
Auges
und
des die
Gesichts-Eindrücke
verarbeitenden
Geistes
angepasst ist.
Dieser Einrichtung entsprechen
die
Ge-
setze
des
Schönen
in der Form. Sie
entwickeln und verfeinern
sich
mit
ihr.
Ist es
nun
wahr,
dass
das Auge
sowohl,
als der die Gesichts-Eindrücke
verarbeitende
Geist sich
beide
nach
dem Gesetz
der Complication entwickelt
haben,
so
dürfen
wir
erwarten, dass dies
Gesetz sich
in
der
absichtlichen An-
ordnung
der Dinge zu
einem
gefälligen (harmonischen) Ganzen ausspricht.
Versuch.
Unmittelbar
tritt
dies Gesetz
hervor
bei
Gegenständen
ver-
schiedener
Form
und
Grösse,
die
z.
B. auf
einem
Wandbrett oder
Kamin in
einer
Reihe
gefälUg
geordnet
sind.
Das Bedürfniss nach Harmonie gibt
ihnen
bestimmte
Folge
nach Grösse
und
Abständen. Es ist erst befriedigt,
wenn
diese
Ordnung hergestellt
ist.
In der Regel
wird die von Einem hergestellte
Anordnung
auch
den
Anderen
gefallen.
Ja
es
werden
Viele
unabhängig
für
dieselben Gegenstände
die
gleiche
Anordnung
treffen.
Fig
i6.
Fig.
17.
Fig.
18.
Fig.
16
—
18
geben
Beispiele
solcher
Anordnung,
Man
vergleiche
sie
mit
Fig.
13
und
14.
Es ist
wieder
die
Einschiebung eines
Kleineren
zwischen
zwei
Grössere.
Die
horizontalen
freien
Stücke
(hier der Unterlage
angehörend)
sind
dabei
wesentlich.
Der Grund, warum
das Gesetz
sich
gerade in
diesem
Fall
so
deutlich zeigt, ist
die Einfachheit
der
Bedingungen:
die Anordnung in
einer
Ebene
(entsprechend
der freien
Zone in der Krystallographie) und die
Gleichgiltigkeit
der
Gegenstände. Der Versuch lässt sich leicht anstellen.
Noch
unbefangener
ist
die Prüfung
an
schon durch
Andere aufgestellten
Gegen-
ständen.
Symmetrie
und
Harmonie.
Symmetrie
ist ein specieller Fall der Harmo-
nie.
Sie
entspricht
der Entwicklung
aus
zwei gleichen
Primärkräften
(Fig.
14,
16
—
18).
Es
gibt aber
auch
harmonische
Anordnung ohne Symmetrie.
Setzen
wir in
obigem
Beispiel
eine grosse Figur
ausser
der
Mitte,
so
ist
damit die
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—
121
—
narmonische
Ordnung
der
übrig-cn
vorgezeichnet (Fig.
19).
Diese
unsymmetrische
Anordnung
entspricht
in
der Krystallographie
der freien
Entwicklung
zwischen
zwei
ungleichen
Primärkräften.
Man
vergleiche
Fig.
19
mit
20,
letztere
gibt
das
Bild
krystallographischer Entwicklung
zwischen
zwei
Primärkräften
von
der
ungleichen
Intensität
100 und
25.^)
Symmetrische
und
unsymmetrische
Harmonie
der Formen.
Jede
der
beiden
ist
wesentlich
für grosse
Gebiete
der Kunst.
Die
symmetrische
Har-
monie
beherrscht
die Renaissance,
die
unsymmetrische das
Rococco
und
die
japanische Kunst.
Die
unsymmetrische
Harmonie
gestattet
dem schaffenden
Künstler
freiere
Entfaltung
durch
willkürliches Einsetzen
excentrischer
Massen
100
4
••
••
25
Fig
19.
p
=
112
T
3
3
X
1
2
3.
2
4
3
4
00
Fig. 20.
und
harmonischen
Ausgleich.
Symmetrische
Harmonie
trägt
in sich einen
hohen
Grad der Beschränkung.
Sie
ist
daher
leichter
zu
handhaben,
wird
aber leicht
handwerksmässig.
Die
unsymmetrische
Harmonie
bedarf
einer
strengeren
Selbstzucht
des
schaffenden
Künstlers,
um von
Anderen
als
Har-
monie
empfunden zu
werden.
Sie
ist
reizvoller,
aber
unruhiger.
Eine
Aus-
artung
der
Kunst
besteht
in
der
Verwechselung
der schwerer
verständlichen
unsymmetrischen
Harmonie
mit
der Regellosigkeit.
Complication
in
den
Zahlensystemen.
Die
Zahlensysteme zeigen,
wie
der
menschliche
Geist
Einheiten
zu
Gruppen zusammenlegt,
umgekehrt,
Mengen
in
untergeordnete
Einheiten
spaltet.
Indem
er
die Untereinheiten
zusammenfasst,
zugleich
anschaut,
sieht
er die höhere
Einheit
mit
ihrer
vorgezeichneten
Theilung
(Gliederung)
als
Ganzes.
Das
gibt
den
Begriff
der
Zahl.
Gruppirung ist
Zusammenlegen
(Verknüpfen)
mehrerer
Einheiten
zu
einem
Ganzen,
einer
höheren Einheit,
wobei
die
ursprünglichen
(niederen)
Einheiten noch
ihre Selbständigkeit
bewahren.
1)
Vgl.
Zeitschr.
f.
Kryst.
1897,
28.
S.
22.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
122
—
Gliederung ist
eine Theilung-,
bei der
der
Zusammenhang
der
Theile
nicht
zerrissen
ist, so dass sie
zusammen noch ein
Ganzes
bilden.
Gliederung
ist die absteigende, Gruppirung
die
aufsteigende
Ope-
ration.
Das
Produkt
beider
ist
das gleiche, ein
gegliedertes Ganze.
Beispiel.
Wir
haben
in
der Zahl
5
ein
Ganzes
und
zugleich
die
5
Einheiten, die
die
Zahl
ausmachen. Ein Bild
der
Zahl
5
ist die
Hand.
Sie
gliedert sich in
5
Finger.
Die
Gruppe
der
5
Finger
bildet
die
Hand.
Dem
Bedürfniss der Theilung und
Zusammenlegung
(Gliederung,
Grup-
pirung)
zugleich mit
dem
Bedürfniss
der
Anschauung
der Gruppen entsprechen
die Zahlen
und die Zahlensysteme mit ihren praktischen Formen, den
Maass-,
Gewicht-,
Münzsystemen.
Zahlensystem
ist
eine
Gliederung
der
in
Abständen
von je
i fort-
schreitenden
Zahlenreihe
in
Gruppen.
In der
Art,
wie die Gruppirung
vollzogen
wird, die
Zahlen
und
Zahlen-
systeme gebildet
werden, haben wir ein Bild, wie der Geist seine
Grund-
Operationen,
Theilung (Division)
und
Zusammenlegung (Addition) vollzieht.
Diese
vereinigte
Theilung
und Zusammenleg'ung
ist
aber nichts
Anderes
als
der
Process der
Complication. Wir dürfen also erwarten,
auch hier das
Zahlengesetz
der
Complication zu
finden.
Als
Grundoperation
der
Zahlenbildung
erscheint
die Bildung
von
Gruppen
2
•
3
•
5.
Wir
haben aber
für
2
•
3
•
5
eine unmittelbare Anschauung
des
gegUederten
Ganzen
in den Formen (Fig.
21
—
23):
3
Fig.
22.
Das
ist gerade die
Anschauungs-Form
der
Complication
und
der
Normalreihen
N^
N^
N^.
4
ist
uns
nicht
unmittelbar
an-
schaulich,
sondern
als Doppelhalbirung
oder
als
2
-{-
2 oder
gar
5
—
I (Römisch
IV), ebenso
6 durch
den Doppelprocess
5
-f-
i
4
(Römisch VI);
7
durch
den
Doppelprocess
5
-)-
2 (Römisch
VII).
^
x^
Die
Zahl
8
stellt
sich
dar
als
5
-|
3
(Römisch
VIII)
oder
10
—
2,
fig.
24.
nicht
durch
ein
einheitliches
Anschauungsbild.
^)
*)
Specielle
Untersuchungen
über
dies
Gebiet
will
ich
in
einer anderen bereits
vollendeten
Abhandlung:
„Ueber Entstehung
unserer
Zififern
vorlegen.
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—
123
—
Der
nächste Schritt nach
5
in
fortschreitender
Complication
wäre
die An-
schauung
von
9
=
N3
als
g-eg-Hcdertcs
Ganzes
(Fig*.
25).
Diese
Anschauung- ist
uns
noch
mögHch,
wenn
auch
nicht
so leicht
als
die
von
2
•
3
•
5
und ohne
weitgehende
praktische
Bedeu-
tung-.^)
Hiersind
wir aber an
der
Grenze
der
Zahlen-An-
schauung.
Dieselbe Grenze der
Entwicklung
(bis
N,
oder
^
NJ
fanden
wir
bei den
harmonischen
Tönen
und
den
Far-
^
Fig.
25.
ben.
Bei
den
Krystallformen
wurde
selten
N^
erreicht.
Die
AnschauHchkeit
der
10
(Fig-.
26)
lieg^t
in
der
Vereinig-ung
von 2 Fünfern.
Es
ist
der
Pro-
cess
Nq
und
N^
zugleich. Zum
Festsetzen
von
10
als
Grundlage
der
Gliederung-
unseres Zahlen-
10
Systems
wirkten mehrere Umstände
zusammen.
5
+
5 =
2x5
Fig.
26.
1.
Die
2 fünffingrigen
Hände.
2.
Unsere
Auffassung-sgabe für
zweiseitige
Symmetrie.
3.
Die Grenze der
Anschaulichkeit.
Unter
10
dominirt
die
An-
schauung
der
Zahlen,
darüber die
Reflexion
(Rechnung).
Bis
10
gehen
die
kleinen
Zahlen, bis
5
die
ganz
kleinen, über
10 die
grossen.
Nach
10 beginnt
das
grosse
Einmaleins.^)
Vierer-,
Zehner-,
Zwölfer-,
Sechziger-System.
Alle
diese
Systeme
sind
bei
uns
im
Gebrauch
für
Maass,
Gewicht
und
Geld,
und waren es noch
mehr, bis
vor Kurzem das Zehner-System
durch
gelehrten
Beschluss
und
Verordnung
vielen
Anwendungen
der
übrigen ein
Ende
machte. Sie
alle
sind
gebildet
durch die
Zahlen 2
•
3
•
5.
Das
Vierer-System
hat
sein
Feld da,
wo
das
grössere Ganze
die
Einheit
ist,
aus der
kleinere
Einheiten
von
untergeordneter
Bedeutung
durch
Theilung
gebÜdet werden.
Als anschauhche
Theilung finden
wir
stets
Halbirung,
wenn
nöthig
wiederholt.
Zur
anschauhchen
Zusammenfassung
mehrerer
Ein-
heiten
dagegen,
zu
einer
höheren
Einheit dienen
die
anderen
Systeme.
Wir
hatten
beim
Getreide:
I
Malter
=
4
Simmer
ä
4
Kumpf
ä
4
Gescheit
ä
4
Mässchen.
Der Malter war das
Hauptmaass,
die
anderen
seine
Theile.
Man
theilte:
I
Kreuzer
in
4
Pfennig.
Aufwärts
(zusammenfassend) bildete
man
Dreier
(Groschen),
Sechser,
Gul-
den
nach dem
Zwölfer-
und
Sechziger-System.
Beim
Gewicht
theilten
wir:
I Pfund
in
32
Loth ä
4
Quentchen.
^)
Man
vergleiche
übrigens
Fig.
28
S. 125.
2)
Ein
Thierchen mit
mehr
als
10
Füssen
nennen
wir
„Tansendfüssler .
Es
„regt
100
Gelenke zugleich , d.
h.
eine Zahl
weit
über
die
Grenze
der
Anschauung.
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—
124
—
Das
Pfund
war
das Hauptg-ewicht.
Aufwärts
bildete man
nach
dem Decimal-
System
den
Centner.
Ist
uns
beim Einkauf
ein Pfund
Kaffee oder
Zucker
zu viel,
so
nehmen
wir
ein
Halbes
oder
ein
Viertel
oder
gar
ein
halbes
Viertel,
nicht ein
Drittel.
Dagegen
kaufen
wir
6 Paar
Strümpfe
oder
ein Dutzend
Taschentücher, wo
das
Paar
oder
das
Stück die Einheit bildet.
Zeit-Eintheilung.
Das
Jahr
theilt
sich in
Semester
und Quartale
und
baut
sich aus
12
Monaten auf.
Der Monat
zerfällt
in
4
Wochen
und baut
sich aus
30
Tagen
auf.
Wegen
Rücksicht
auf
Sonne
und
Mond
klappt
die
Sache
nicht und wird
künstlich
ausgeglichen. Aus der
Theilung des
Monats
in
Viertel
kommt
die
ungewöhnliche, der
Complication nicht entsprechende
Zahl
der
7
Wochentage.
Der Tag
spaltet sich
in
2
Hälften,
Tag
und
Nacht,
der helle Tag
in
Vor- und
Nachmittag.
Darin zählt
man 12 Stunden.
Die
weitere Eintheilung
in
60 Minuten ä
60 Secunden
ist eine
scheinbare
Ausnahme.
Kreistheilung,
Zifferblatt,
Maassstäbe.
Zur Erklärung
dieser
scheinbaren
Ausnahme
möge
Folgendes
dienen.
Die Theilung der Stunde in
60
Minuten
ä
60 Secunden
ist
von
den Astronomen
(künstlich) auf die
Zeit
übertragen
vom
Zeitmesser,
der
Uhr und
den Theilkreisen,
die
den
Gang
der Gestirne
verfolgen. Die Eintheilung
in 2
x;
12
Stunden
ä
60
Minuten
ä
60
Secunden
verstehen,
heisst die
Entstehung der
Kreistheilung
verstehen.
Der
Kreis spaltet sich
in
Halbkreise,
Quadranten, Octanten durch
Hal-
birung, aber
auch
in
Sextanten.
Letztere Theilung
(sie
ist
in
der
That eine
Theilung,
nicht ein
Aufbauen) verdankt ihre Wichtigkeit der
Eigenthümlich-
keit
des
Radius,
der
Zirkelöffnung
oder
des
gespannten
Fadens,
mit
dem
man
den
Kreis
zieht,
diesen in
6
Theile
zu theüen.
Das macht, dass man
die
Kreistheilung in
Sextanten leichter
ausführt, als irgend eine
andere.
Man
theilt
nicht in
Drittel und
halbirt,
wohl
aber in
Sextanten
und
halbirt.
Das
gibt
die
12
(24)
Stunden des Zifferblatts, den Kreis, in dem die
Stunden an-
geschaut
und
gezählt
werden.
Dem
Anschauen und
Zählen
aber
entspricht
das Zwölfer-System.
So
befriedigt
das
Zifferblatt
die
Bedürfnisse der
Theilung
und
der Gruppirung
zugleich.
Die
Theilung
des Stundenkreises
in
60
Minuten,
des
Minuten-
kreises in
60
Secunden
dürfte entstanden sein
durch
Theilung
in
Sex-
tanten
und
Halbirung;
jedes
Zwölftel ausgefüllt
durch
die
anschauliche
Gruppe
von
5
Minuten. Das Zifferblatt
unserer
Uhren zeigt
auch
das.
Im
Leben der
einfachsten
*
Anschauungen
rechnet
man nach
halben
und
viertel
Stunden,
und
nicht
jeder,
der
mit
diesen
Begriffen
operirt,
weiss,
dass
man in
der
Stunde
60
Minuten
zählt.
Die
Kreistheilung
in
360°
=
6
X
60°
erklärt sich
wohl
durch
gelehrte
Uebertragung
der
für
den Vollkreis
naturgemässen
60
Theile auf
den Sex-
tanten
und
durch
das
Bedürfniss des
anschaulich
gruppirenden
Zählens.
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125
^0
Interessant
für unsere
Untersuchung-
ist das Bild
eines
MaasSStabes
für
Längenmessung-
(Zählung-
von
Centimetern,
MiUimetern
.
.)
oder
für
Winkel-
messung
(Zählung
von
Stunden,
Graden,
Minuten
.
.
.
am
Theilkreis). Die
Aehnlichkeit des
Bildes
(Fig.
27)
mit dem
der
Com-
plication
(Fig.
14)
ist
auffallend.
Es
unterscheidet sich
von
letzterem
durch
die
Gleichheit
der
Abstände
und
dadurch,
dass
dort die Linien
die
differenzirten
Ob-
jecte
darstellen, hier deren
Grenzen.
Wir
sehen
im
Maassstab,
was
die Anschauung
in die
Längen
hinein-
getragen
hat
,
um
sie
übersichtlich
,
verständlich zu
machen,
dem Geist zu
assimiliren.
^.
'
Flg.
27.
„Sie
theilt
die
fliessend
immer
gleiche
Reihe
Harmonisch ab,
dass
sie sich rhythmisch regt,
Sie
tritt uns
entgegen
im
Bild
des Complicationsgesetzes,
verändert
durch das
Bedürfniss
(secundären
Einfluss) des speciellen
Falles.
Compass.
Windrose.
Der
Kreis
der Seeleute, der Schiffs-Compass
zeigt
in seiner
Eintheilung
das
reine
Vierer-System.
Die
4
Cardinalpunkte
der
Windrose geben die
Himmelsrichtungen
Osten,
Westen,
Norden, Süden.
Diese
sind
entstanden
durch zweimalige
Halbirung
in Morgen und
Abend, Mittag
und
Mitternacht.
Jeder
Quadrant
zerfällt
durch
wiederholte Halbirung in
8
Striche.
Sein
Bild
(Fig.
28)
ist
mehrfach
interessant.
Es
zeigt,
ausser
der
fortgesetzten
Halbirung,
die
Einschiebung
der
schwächeren
(unwichtigeren)
jüngeren
Richtung
im
Sinn
und mit
der
Rangordnung
der
Compli-
cation.
Es
bildete sich
zwischen
Nord
und
Ost
zunächst
die
erste,
wichtigste
Abgeleitete
(Dominante)
Nordost,
dann,
durch erneute
Complication,
NNO
und
ONO
und
endlich
die
4
übrigen
untergeordneten
Striche.
Merk-
würdiger
Weise
geht
die
CompHcation
im
Quadranten
wieder
bis
zur
Normalreihe
N3,
wie bei
den
Tönen
(S.
23),
Farben
(S.
100),
Zahlbegriffen
(S.
123)
und
Krystallen
(S.
6
u.
23).
Com-
plication
bis N3
ist
die
Grenze unserer
Anschauung.
Fig. 28.
Das
Zwölfer-
System
trägt
zugleich
dem
Bedürfniss
der
Theilung
in
Hälften-Rechnuno-
und
dem
anschaulichen
Zusammenfassen
bis
zur
Compli-
o
cation
N^
=
3,
der
wichtigsten
von
allen.
Es
ist
recht
das
System
für
den
kleinen Markt.
Es
gibt
unsere
liebsten
Zahlenverhältnisse:
das
Paar,
den
Dreier, den
Sechser,
das
Dutzend
und
das
halbe
Dutzend
und
die
12
Stunden
der
Uhr.
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-
126
—
Das
Sechziger-System
befnedig-t
das
Bedürfniss
nach Theilimg
in
Hälften
und
nach
anschaulichem
Zusammenfassen
bis
zur Complication N^
=
5.
Es
ist der
consequente
Ausbau des
Zwölfer-Systems
durch
Zutreten
der
5.
Es
ist
aber
weniger
einfach und weniger
populär,
indem
es
an
die
Anschauung
höhere
Anforderungen
stellt.
Wir
haben den
Monat
zu
30
Tagen,
die
Stunde
zu
60
Minuten
ä
60
Secunden, wir
hatten den Gulden
zu 60
Kreuzern,
den
Thaler zu
30
Silbergroschen.
Das
System
ist
aber
nicht
so einfach,
dem
kleinen
Markt
nicht
so
angemessen und
nicht
so
populär
als
das
Zwölfer-
System.
Es
ist
künstlich
durch Gelehrte
und
Gesetzgeber eingeführt
als Verbesserung
des
Zwölfer- und
Vierer-Systems.
Wir
erinnern
uns an den Ersatz
der
32
Loth
im Pfund
durch
30,
der
24
guten
Groschen
im
preussischen Thaler
durch
30
Silbergroschen
(in
Sachsen
Neugroschen).
Aber
die
Silbergroschen
waren
nie
populär; das
Volk
hielt
zäh an dem Rechnen
mit
guten
Groschen
fest,
nachdem
die
Münze
längst
aus
dem
Verkehr
verschwunden
war.
Das Sechziger-System
ist
zugleich
ein Compromiss
zwischen
dem Zehner-
und Zwölfer-System. Aber
es
wird,
wie
so oft die Mittelparteien, durch die
extremen aufgerieben.
Das
Zehner-System
enthält die Complication
bis
N^
=
5
und
gestattet
einmalige
Halbirung.
Es
schreitet
so
rasch
aufwärts,
als
es
die
Anschauung
gestattet.
10
=
2
X
5
lässt
sich
durch
unmittelbare
Anschauung
erfassen
(Fig.
26
S.
123),
12 nicht
mehr leicht,
noch
weniger
30.
Die
neue Einheit
(10)
ist
für Anschauung
und
Demonstration begünstigt
durch
die 2
Hände. Das
Zehner-
System
hat für
die Buchrechnung
die
anderen
Systeme
besiegt.
Aber
Ihm fehlt
die
3
und
die
Möglichkeit
der
wiederholten
Halbirung.
Es
wird des-
halb
immer
künstlich
bleiben und
aus
den Gebieten der
Anschauung
und des
kleinen
Marktes
das Vierer-
und
Zwölfer-System nie
verdrängen,
wenn
sich
auch
alle
Gesetze und officiellen
Maasse
auf
seine Seite
stellen.
Münzen. Solange
die
Münzen
in
Geschäftsbüchern
auftreten,
herrscht
die
10.
Anders
da, wo sie aus der Tasche
auf
den Markt
gehen. Hier äussert
sich
das
Bedürfniss der
Anschauung
für Waare und
Münze
im
Verlangen
nach
der
3.
Beispiel
I.
Wir
hatten
in
Süddeutschland als
Einheit
für
den
Klein-
verkehr
den
Kreuzer, für
den
Grossverkehr den
Gulden.
3
Kreuzer bildeten
einen
Groschen, 2
Groschen
einen Sechser und 10 Sechser
einen
Gulden.
Kreuzer,
Groschen,
Sechser
und
Gulden waren selbständige
Einheiten,
für
die
Münzen
geprägt
wurden.
Die Spaltung
des
Guldens
lieferte
das
Halbgulden-
stück. Dagegen
ist
der Sechser
nicht
als
tö
Gulden
anzusehen,
sondern als
Gruppe
2x3
=
6 Kreuzer. Das sagt der Name.
Die
Zahl
4
spielt
in
der
Gruppirung
keine
Rolle.
Dagegen
erscheint sie bei
Theilung
des
Kreuzers
in
4
Pfennige.
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—
127
—
Anmerkung.
Wir
finden
hier
und
sonst
oft
die Gruppirung
3
zur
höheren
Einheit
der
2
vorgezogen. Das
mag in
Folgendem
seinen Grund haben.
Die
2
Einheiten
sind
(wenn nicht zu
gross)
so
übersichthch,
dass
die
Bildung
einer
neuen
Einheit
aus
ihnen
noch nicht Bedürfniss
ist.
Für
2
ist die Vereinigung
so leicht, die
Spaltung so leicht,
dass
die Gruppe
2
unter
vielen
Verhältnissen
keine
Festigkeit
gewinnt.
Die
Commission
der
französischen
Revolution
brachte
eine
Reform
vom
grünen
Tisch,
die streng'e
Durchführung-
des Decimal-Systems.
Die
Anwendung
dieses Systems
brachte
in
Frankreich
den
Franc
=
100 Centimes
und bei
der
einheithchen
Neuordnung des deutschen Münzwesens die
Mark
als
Einheit.
Die
Mark
ist nicht der
Anschauung
gemäss
aufgebaut aus kleineren
Werthen,
sondern
künstlich
gespalten
in
100
Pfennige,
die
einzeln
kein Leben
haben.
Eine
natürliche Strömung mit
dem
Bedürfniss
des
Aufbaues und
Anschau
ens
hat
das Zehnpfennigstück zur
Einheit des
Kleinverkehrs gemacht.
Es ist
mit
anderem
Namen
der
alte
Groschen,
der
englische
Penny.
5
Pfennig
er-
scheint
als
ein halber Groschen,
50
Pfennig als eine
halbe
Mark. Die
grosse
Zahl
im Namen
10,
20,
50
Pfennigstück
deckt
sich
nicht mit
der Anschauung
der einfachen, doppelten, halben
Verkehrs-Einheit.
Auch fehlt ein
3-Groschen-
stück (three pence). Der
gleiche
Uebelstand
führte im
französischen
Klein-
verkehr
zur
Erhaltung
der
Rechnung
nach
Sous.
Von
grösseren Münzen hat
das
Gesetz
i
•
2
•
5
Markstücke
gemacht. Der
Zufall
hat das
3
Markstück, den
Thaler, erhalten und der
Wunsch
des
Verkehrs
hält zäh
an
ihm
fest.
Nach
einem
4
•
6
•
7
•
8
•
9
Markstück
ist
kein
Verlangen.
Bei den Gold-Münzen,
dem 10
und
20 Markstück,
dem
50,
100
Markschein,
die dem Grossverkehr
dienen, liegt ein Bedürfniss
der
3
nicht vor.
Beispiel
2.
In
England
ist
die
Münze
des
Kleinverkehrs
der Penny.
Aus
12
Pence
baut
sich
der
Shilling
auf
und
zwar in
Stücken
von i
•2-3-
6
Pence. Sixpence
ist
zugleich
ein halber
Shilling.
Die
Münze
des
Gross-
verkehrs
dagegen,
das
Pfund,
hat 20
Shilling.
Es
cirkuliren
Noten
zu
5,
10
Pfund,
nicht
zu
3
Pfund.
Das
Bedürfniss
der
3
liegt
hier
nicht vor.
Die
Eintheilung des
Shilling
in
12
Pence
wird von
der
Rechnung
des
Gross-
kaufmanns als
eine
Last
empfunden,
der
Aufbau
des
Shillings
aus
Penny,
Threepence,
Sixpence
vom
Kleinverkehr
als
eine
Wohlthat.
Das
englische
Münzsystem
entspricht,
wie
die
früheren
deutschen,
einer
Entwicklung,
in der
die Bedürfnisse
des
Grosshandels
(Rechnung
und
Buchführung),
die
des
Klein-
handels (Anschauung)
verdrängen.
Das
zähe
Festhalten
der
Engländer
an
der
Rücksicht
auf
das
nicht
erloschene
alte
Bedürfniss
ist
naturgemäss
,
wenn
auch
vielleicht
auf die
Dauer
nicht
haltbar.
Altersfolge
der
Ziffern.
Es
lässt
sich
zeigen
(und
ich
will
das
an
anderer
Stelle
darlegen),
dass
die
Ziffern
eine
bestimmte
Altersfolge
der
Entstehung
haben.
Nämlich i
•
2
•
3
•
5
;
4
•
6;
lO;
9
•
;
•
8.
Die
Folge
entspricht
der
fortschreitenden
CompUcation,
wie
wir
sie
oben
bei
den
Zahlensystemen
kennen
gelernt
haben.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
128
—
Die
Bildung- der
Begriffe
und Zeichen
für
die
höheren
Zahlen ist
eine
Wiederholung
derer
zwischen
i
und lo.
Es
bildete
sich
lo
•
20
•
30
• • •
ana-
log- I
•
2
•
3
•
• •
Wir sehen
das
deutlich
in Worten
und
Ziffern,
z.
B.
I
II
III
IV V
VI VII
VIII
IX
X
X XX
XXX
XL
L
LX
LXX
LXXX
XC
C
C
CC CCC
[CD]
D
DC
DCC
DCCC
[CM]
M
Anschauung und Rechnung.
Die Bildung^
der Ziffern
von
I
—
10
ist
be-
herrscht von
der Anschauung
und
entwickelt
sich
mit
dieser
(Complication).
Die
der höheren
Ziffern
dagegen
ist
beherrscht
von der
schon
höher
ent-
wickelten
Rechenkunst.
^)
Sie überträgt
das
zwischen
i und
10
Erworbene.
Je
höher w4r
steigen, desto
mehr
herrscht
die
Rechnung,
verliert sich
die
Anschauung.
Wir
sehen das
z. B.
bei
obigen
römischen
Ziffern.
IV
=
V
I
ist
anschaulicher als
IUI
und
wird
vorgezogen.
Bei den
analog
gebildeten höheren
Ziffern ist XXXX
mindestens
ebenso
häufig
als
XL;
CD
aber tritt gegen
CCCC
entschieden
zurück.
Ueber
M
geht
das
römische
Ziffernsystem
praktisch zu
Bruch.
Es wird
verdrängt durch
ein
anderes,
das sogenannte
arabische.
Bei
den arabischen Ziffern
i—
10
ist die
Anschauhchkeit
verloren
gegangen.
Sie haben dieselbe
besessen,
wie ich glaube
zeigen
zu
können.
Dagegen
haben
sie
ein
schönes Verfahren
der periodischen
Weiterbildung
ausgebildet (mit Stellenwerth und
Null),
das
sich
sogar
absteigend für die
Werthe
von
i
bis
o
weiter entwickeln
liess (Decimalbrüche),
In
dem Maass,
wie
die
Rechnung
das
Uebergewicht
erlangte
über
die mit Anschauung
verknüpfte Auffassung der Zahlen,
haben
die
arabischen Ziffern die
römischen
verdrängt. Sie
hätten
sie aus
allen
Positionen
verdrängt,
wäre
ihnen in den
Grenzen
i
—
10
die ursprüngHehe
Anschauhchkeit
erhalten
gebheben.
So
ist
der Kampf
noch nicht beendet.
Da wo
unmittelbare
Anschauung
erwünscht
ist,
bei
den
kleinen
Zahlen
I
•
II
•
III,
dann
V
und
X,
auch
IV
und
VI
finden
die römischen Ziffern
noch immer
ihre
Verehrer
und
Anwender.
^)
II ist anschaulicher
als
2,
XX
anschaulicher
als 20.
Dagegen
ist MDCCI
nicht
anschaulicher
als
1701
und
zugleich für
die
Rechnung schlecht.
Die An-
wendung
der hohen römischen
Zahlen,
z.B. auf Denkmälern,
ist
nur noch
ein
scholastisches
Curiosüm.
Anmerkung.
Den gleichen
Kampf
zwischen Anschauung
und
Rechnung
in der
Reihe der
Zahlzeichen finden
wir bei
den
Japanern.
Dort
haben
wir
z.
B.
bei
Numerirung
der
Bände
eines
Werkes:
^)
Elf
und
Zwölf,
XI
•
XII gehören noch zu
den anschaulichen Zahlen.
Daher
ihre
alten,
eigenartigen
Namen.
'^)
Sie werden
z. B.
auf den Zifferblättern unserer
Uhren bevorzugt.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
http://slidepdf.com/reader/full/ueber-harmonie-und-complication-1901 140/153
—
129
—
Wenn
es
2 Bände
hat:
J^
T\
das ist
oben,
unten.
Wenn es
3
Bände hat:
Jt.
4^
~]^
das
ist oben,
mitten,
unten.
Wenn es
viele
Bände hat
:
—
^
^
^
^Q
^
...
=
i
•2-3-4-5---
oder:
^
ZI
=
pg
2.
•••=eins2
.
3
.4.
5
...
Statt
der
Ziffern
gebrauchte
chinesische
Wortzeichen finden
sich bei
den
Japanern
nur
für
1.2.3
und
10.^)
Brüche
und DecimalbrÜChe.
Ein
ähnHcher
Verdräng-ungs-Process
vollzieht
sich
bei den Brüchen. Da wo
die
Anschauung
ausreicht,
bei
i, i,
|,
|,
auch
I,
I
behalten
die Brüche
ihr
Recht.
Werden
aber die
Verhältnisse
complicirt, sodass
die Anschaulichkeit
verloren geht,
überwiegt die
Buch-
rechnung
und
macht die
Anschauung
überflüssig,
so
weichen
die Brüche
den
Decimalbrüchen.
Das
Durchdringen
des
Decimalsystems
für
Maass, Gewicht
und
Geld hat
die
complicirten Brüche
praktisch
fast bedeutungslos
gemacht.
Wir wollen auf
diese
Dinge hier
nicht näher eingehen.
Es
kam
nur
darauf
an,
zu zeigen,
dass auch in der Zahlen-Auffassung, in
den
Ziffern,
den
Münzen,
Maass- und Gewichts-Systemen, die
Eigenart
der menschlichen
Anschauung sich
widerspiegelt,
die beherrscht
ist
durch
die Entwicklung
vom
Einfachen
zum Manichfaltigen
nach dem Gesetz der
Complication.
Die
An-
schauung
aber ist eine Function
des
Geistes.
Harmonie
und
Comi)lication
in Grehirn und Psyche.
Zusammenfassung.
Wir
lernten
den Begriff der Harmonie
(zunächst
der
Töne)
in vierfachem
Sinn
kennen:
I.
Harmonie
psychologisch
ist
die
Auswahl
von Tongruppen,
die
dem
Gemüth einen Genuss gewähren. In dem Genus s liegt
die
Ursache
der
Aus-
wahl
und damit die
Ursache
der
Bildung des Begriffs der
Harmonie.
Die
Frage
der Psychologie
ist:
Wieso wird
Harmonie als Genuss
empfunden?
II. Harmonie
physiologisch
ist
die
Wirkung
der
harmonisch-wohlthuenden
(psychologisch-harmonischen) Tongruppen
auf
unsere
Organe
und
zwar:
A.
auf
das
Ohr.
B.
auf
das
Gehirn.
Die
Frage
der
Physiologie
ist:
a.
Wie
ist das
Ohr
eingerichtet zur
Aufnahme der
Töne?
Wieso
gibt es den
harmonischen
Gruppen
einen
Vorzug,
ist
der
Aufnahme
solcher
besonders
angepasst?
b.
Wie ist
das
Gehirn eingerichtet
zur
Aufnahme
der
Töne?
Wieso gibt es den
harmonischen
Gruppen einen
Vorzug,
ist
der
Aufnahme
solcher
besonders
angepasst?^)
^)
Vgl.
Lange, Einführung
in die
japanische
Schrift,
Berlin
1896,
S.
140
u.
141.
^)
Sollte
es sich zeigen,
dass
der Sitz
der
Empfindung
nicht
im
Gehirn
ist,
sondern
im
Aufnahms-Organ,
so
würden
die
Fragen
a
und b
zusammenfallen.
q
Goldsclimidt
Harmonie
etc.
^
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
130
—
III.
Harmonie
physikalisch
ist
eine
mechanisch-physikalische
Charakteri-
sirung
der
Tongruppen,
welche
psychologisch
und
physiologisch
harmonisch
wirken.
Diese
Charakterisirung wurde
oben versucht.
Wir fanden als
objectiv
charakteristisch
für die
Harmonie
die Gruppirung
nach
den
harmonischen
Zahlen
(p),
die sich
aus
den
Schwingungsverhältnissen
(z)
ableiten,
nach
dem
Gesetz der
Complication.
IV.
Harmonie
erkenntniss-theoretisch.
Es
Ist
die Frage:
Wie
arbeitet unser Geist,
wie bildet
er
seine Begriffe,
dass
er
die
geschilderten
heterogenen
Vorgänge: des psychischen
Wohlbehagens,
der physiologischen
Anregung
des
Ohrs,
der
Gruppirung
der
Töne
nach
dem
Gesetz der
Complication
in
den einen
Begriff
der
Harmonie zusammenfasst?
Was
ist das
Gemeinsame?
Zur Klärung
der letzten Frage
mögen noch
einige
Betrachtungen
dienen.
Erkenntniss-theoretische
Frage.
Bildung
des
einheitlichen
Begriffs
der
Harmonie.
Wir dcfinirten(S.
68):
„Harmonie
ist eine den
Sinnesorganen
angepasste,
deshalb
dem
Gemüth wohlthuende
Gruppirung. Das
physiologisch
und psychologisch Gemeinsame
ist das,
was
w^ir,
auf
die
Sinnes-
organe bezogen, angepasst nennen,
auf
das
Gemüth
bezogen,
wohlthuend.
Das
Gemeinsame
zwischen
dem
physiologischen
Angepasstsein
an das
harmo-
nische
Organ
(in Ohr,
Auge)
und
der
entsprechenden
physikalischen
Gruppi-
rung (der
Töne, Farben)
ist das
Entwicklungs-Gesetz
der
Complication.
Mit
anderen
Worten:
Das
Gesetz
der
Complication
charakterisirt den Begriff der
Harmonie als
Genuss,
als
Empfindung
und als
Gruppirung, d.
h.
psy-
chologisch,
physiologisch
und physikalisch
(man könnte
zufügen
gene-
tisch).
Als
Genuss
in
der
Psyche,
als Empfindung
in
den
Sinnes-
organen und
als
Gruppirung
in der
Physik.
(Genetisch
nach
der
ge-
meinsamen Entwicklung
unseres
Geistes und Körpers und der
Manichfaltigkeit
in
der
Natur).
Es
fragt sich
nun:
Haben
wir
zwischen dem
harmonisch
angeregten
Sinnesorgan und der harmonisch
geniessenden
und
schaffenden
Psyche
noch
einen beiden entsprechenden
Vorgang
im Gehirn
anzunehmen? Wenn
ja, so
erscheint der Schluss
berechtigt, dass
auch
dieser Vorgang
durch
das
Gesetz
der
Harmonie
beherrscht wird.
Ich
will versuchen
nachzuweisen,
dass ein solcher
Vorgang anzunehmen
sei.
Geist und
Gehirnarbeit,
Psychologie
und
Physiologie.
Alles
Erkennen ist
Geistes-Arbeit:
Erfassen
mit
Empfmdung
und
Gefühl
imd
Verarbeiten
durch
Erkenntniss.
Geist
aber
kann
nur Geist ausmessen. Wenn wir
trotzdem
daran
arbeiten,
die physische
Natur
zu
erkennen,
unserem
Geist
zu
assimihren
(darin
besteht
die ganze
Naturwissenschaft),
so
ist
das
nur
dadurch
möglich,
dass
neben
jedem
Geistes-Vorgang (in der Psyche)
ein
materieller Vorgang
(im
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
131
—
Körper)
verläuft,
der
Punkt für
Punkt
mit
erstercm
correspondirt
Den
Sitz
des materiellen
Vorgangs
verlegen wir
ins
Gehirn,
wofür
viele
Anzeichen
sprechen
(theilweise vielleicht
in die
Sinnesorgane,
Rückenmark
und
Nerven).
Dorthin
verlegen wir auch den
Sitz
des
Geistes
(der
Psyche).
Indem
v/ir
für
jede Eigenschaft
des
Geistes
eine
bis
ins
Kleinste
corre-
spondirende
Eigenschaft
des Gehirns
voraussetzen,
so
dass
jede
Veränderung
(Bewegung)
im
Geist eine genau
entsprechende
Veränderung
(Bewegung)
im
Gehirn
mitbringt,
so haben wir zwei Gebilde
neben
einander, die
sich
zu
allen
Zeiten,
in
allen
Punkten und in allen
Eigenschaften
decken.
Solche
zwei
Ge-
bilde
betrachten
wir
als identisch.
Das eine kann mit
dem
andern
vertauscht
werden.
Damit
ist nicht
eine Brücke
geschlagen
zwischen beiden,
sondern
beide
(Geist
und
dem
Geist
entsprechende Gehirnthätigkeit)
sind
identificirt.
Der
Unterschied liegt
im
Standpunkt
der Betrachtung.
Das
entspricht
auch
dem
Sprachgebrauch:
Wir
identificiren
Denken
und Kopfarbeit,
Empfinden
und
Sinnesthätigkeit.^)
Wenn
trotzdem
eine scharfe
Trennung der
Gebiete
Physio-
logie
und
Psychologie
für die Wissenschaft
nöthig
ist,
so
hat
das seinen
Grund
in
der
durch den verschiedenen Standpunkt gegebenen
Eigenartigkeit
der
Behandlung.
Aufgabe
der
Psychologie ist das Studium
der geistigen
Verrichtungen,
Aufgabe
der
Gehirn- Physiologie
ist das Studium
der
den
geistigen
Verrichtungen entsprechenden
Gehirnthätigkeit.
Wir
stehen
nun
vor der Frage:
Functionirt
das
Gehirn
nach
dem Gesetz
der Complication?
oder
genauer:
Functioniren
die
den Sinnen
entsprechenden einzelnen
Gehirntheiie
(Central-
Organe)
nach
diesem Gesetz?
Um dies zu
prüfen, sind
einige
Betrachtungen
nöthig.
Ueber
den
Bau des
Gehirns und
über die
Beziehungen
seiner
Theile
zu
den
Sinnesorganen,
sowie unter sich haben
anatomische,
physiologische,
patho-
^)
Mit der
mehrseitigen
Auffassung
des
gleichen
Begriffs
(Objects)
geht
Hand in
Hand
eine
mehrfache
Benennung.
Vgl.
Zeitschr.
f.
Kryst.
1899.
32.
59.
Eine
Stelle
von
dort
möge hier
wiedergegeben
werden: Den
hohen
wissenschaftlichen
Werth
der Mehr-
deutigkeit (vielleicht
besser
Mehrseitigkeit) eines
Begriffes,
selbst
eines
mathematisch
streng
definirten
und formulirten,
wollen
wir
an
einem
Beispiel
betrachten.
Der
erste
Differential-
Quotient
dfidx
hat
analytisch
eine
bestimmte
Bedeutung
und
Benennung,
ebenso der
zweite
d^f
:
dx^. In
der
Mechanik
bedeutet df
:
dx
Geschwindigkeit,
d^f
:
dx^
Beschleunigung
(Kraft);
in
der
Geometrie
bedeutet
df :
dx
Richtung
der
Curve,
d^f
:
dx^
Krümmung.
Wir
können
nun mit df
: dx
oder
d^fidx^
rein
mathematisch
operiren,
aber
jederzeit
an
Stelle
der algebraischen
Bedeutung
die
geometrische oder
mechanische
setzen.
Umgekehrt
können
wir
Geschwindigkeiten
oder
Beschleunigungen
(Kräfte)
messen,
sie als
Curven
auftragen
und
graphisch
discutiren,
oder
sie
als
Diffe-
rentialquotienten in Rechnung
stellen
und
damit
analytisch
operiren.
Das
Resultat
der
Rechnung
oder
graphischen
Discussion
können
wir
wieder
mechanisch
deuten
und
mit
der Beobachtung
vergleichen.
9*
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
182
—
log-ische
Studien Aufklärung-
g-cbracht.
Man
weiss, dass
dem
Auge,
dem
Ohr,
der
Sprache,
gewisse
Theile des
Gehirns
entsprechen,
so
dass
bei
deren
Exstir-
pation oder
Beschädigung
BHndheit,
Taubheit, Aphasie,
Lähmung
des
Sinnes-
organs
eintritt.
Der dem betreffenden Sinn
entsprechende
Theil
des Gehirns
möge
sein
Centralorgan
heissen.
Man weiss
ferner,
dass jedes
Sinnes-Organ
mit
seinem
Centralorgan
durch
eine
Nervenleitung
verbunden
ist,
den
nervus
opticus,
acusticus
u.
s.
w.,
und dass die
Centralorgane
unter
einander
durch
Nervenfasern
verknüpft
sind.
Das
Gehirn
umfasst
alle
diese
Centralorgane
mit
Einschluss
ihrer
Verknüpfungen
und bildet
so ein
Gesammt-Centralorgan,
eine
Universitas
Sensuum,
nach
deren Muster
unsere Universitas
Literarum ein-
gerichtet
ist.
Man
nimmt
an,
dass
die
Anregung des
Sinnesorgans,
z. B.
des
Ohrs,
von
aussen
durch
den Hörnerv zu dem
Gehörcentrurn im
Gehirn
geleitet wird
und
dort
eine
Thätigkeit
anregt;
dass
Bethätigung
des
Gehörcentrums
durch
die
verknüpfenden
Nervenfasern anregend auf die Centralorgane
der andern
Sinne
wirkt.
Die Natur
eines
Organs wird
beim
Studium
nicht als
Ganzes
erfasst.
Eine
Eigenschaft
nach der
anderen erschliesst
sich
unserer
Erkenntniss,
bis
das
Bild
sich
zu
einem
Ganzen
befriedigend ausmalt.
Es ist
daher ein Fortschritt,
wenn
wir
von
einem
wenig
bekannten
Organ eine Eigenschaft
gewinnen.
Die von uns
hier
nachzuweisende (oder, wenn dies
nicht gelingt,
bis auf
strengeren
Nachweis
wahrscheinlich
zu
machende)
Eigenschaft
der
Central-
organe
ist das
Functioniren
und
Sich-Entwickeln nach dem Gesetz
der
Com-
plication.
Zur
Auffindung
der
Eigenschaften
eines
Centralorgans, z. B. des
Gehörcentrums,
haben
wir zwei
Wege:
1.
Wir
studiren
(anatomisch) seinen
Bau
und
experimentell (physiologisch)
das
Functioniren
seiner
Theile und suchen die
Beziehungen
der
erkannten
Einrichtungen
zur
psychischen
Wirkung
des Organs.
2.
Wir
schhessen (umgekehrt)
aus
psychischen
Vorgängen
(hypothetisch)
auf
Eigenschaften
des
Organs
und
suchen diese Eigenschaften
physiologisch
und anatomisch
nachzuweisen.
Beide Wege
führen
vom
Bekannten zum
Unbekannten. Beide sind
in
beständigem Wechsel,
unter beständiger gegenseitiger Controle
und Berich-
tigung,
in Anwendung.
Wollen wir
z.
B.
das Ohr
und
sein Centralorgan
verstehen (beide
Untersuchungen
ergänzen
sich),
so
untersuchen
wir anatomisch deren
Bau und
experimentell
(physiologisch)
das
Functioniren
ihrer
Theile.
Andrerseits
kennen
wir
aus unserer
Psyche
die
Gehörsempfmdungen
und das
Wohlgcfühl
der
Harmonie
und schhessen:
Wie
müssen
Centralorgan
und
Ohr eingerichtet
sein,
welche
Einrichtungen haben
wir
ihnen zuzuschreiben,
damit
sie
Verrichtungen
vollziehen,
die
den
uns
bewussten
Gehör-Empfmdungen
correspondiren.
So
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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—
133
—
g-ewinnen
wir aus
der
Psyche (hypothetisch)
Eigenschaften
des Organs,
die wir
mit
seinen
physiologisch
und anatomisch
zugänglichen
Eigenschaften
in
Ein-
klang
zu
bringen
haben.
Wir
wollen
von
den
Sinnen zunächst
Gehör
und
Gesicht ins Auge fassen
und
kommen
auf die Frage
zurück:
„Functioniren
die
Centralorgane
(zunächst
des
Gehörs und
Gesichts) nach
dem
Gesetz der Complication?
Das
lässt
sich,
wie
ich
glaube,
nachweisen. Wir schliessen folgendermassen:
Das
Ohr
functionirt nach dem
Gesetz der Harmonie, das, wie ich zu
zeigen
suchte,
mit
dem
der
Complication
identisch
ist. Das
Ohr
leitet
durch
den
llörnerv
die
Gehörs -Erregungen
zum Gehirn und löst dort
in dem
ent-
sprechenden
Centralorgan mechanische
Processe
aus,
die dem
Functioniren
des
Ohrs
correspondiren.
Der
Process
im
Centralorgan
kann
den
correspon-
direnden
im
Ohr
durch den
Hörnerv in
umgekehrtem Lauf anregen, so
dass
das
Ohr
tönt
und der
Mund
singt.
(Innervation.)
Der
Process
im Centralorgan
ist nicht
der gleiche wie
der
im
Ohr,
aber
beide
correspondiren,
d.
h. jedem
Vorgang
im
Ohr entspricht
einer im
Gehirn
nach
Zeitfolge,
Stärke
und
Rangordnung.
Diese
Eigenschaften
aber
sind für
das
Ohr
vorgezeichnet
durch
das Gesetz
der Complication,
also
auch, wie wir
schliessen,
für das
Centralorgan.
Wir
schliessen
ferner:
Da
Ohr
und Centralorgan
von
Anfang
an
ver-
knüpft
waren,
und
die
correspondirende Thätigkeit
verrichteten,
sowohl
beim
Individuum
als
bei seinen
Vorfahren, so
haben
beide
sich
zusammen
ent-
wickelt,
verfeinert.
Die verfeinernde
Entwicklung
aber
folgt
im
Ohr
dem
Gesetz
der
Harmonie, also
auch im
Centralorgan.
Welcher Art die den
Sinneserregungen
correspondirenden
Processe
im
Centralorgan
sind, wissen wir
nicht.
Aber
wir
nehmen
an,
dass sie
dauernde
Veränderungen
hervorbringen
(Eindrücke?
Formungen?
Knotenbildungen?),
die sich
durch Wiederholung verstärken
und
vermöge
deren
das
Centralorgan
dazu
befähigt, prädisponirt ist,
auch
auf innere
Anregung
hin
den
gleichen
Vorgang
zu
wiederholen.
Darin
besteht
das
Erinnern
eines
Klangs,
eines
Accords,
einer
Melodie.
Man
sagt:
Töne,
Worte
sind
unserem
Gehirn
(Ge-
dächtniss)
eingeprägt. Wir
nennen
solche
Einprägungen
auch
bei
anderen
Sinnen Eindrücke.
Analogon
1. Ich will mich auf
einer
schiefen
Fläche,
z. B.
auf
einem
Schneefeld
oder
Gletscher
herabbewegen,
so
kann
das
gleitend
geschehen,
oder
indem
ich
an ver-
schiedenen Stellen
auftrete.
Haue
ich nun
Stufen
ein,
eine
Treppe, so
geschieht
das
Absteigen jedesmal
durch
Auftreten
auf
die
Stufen.
Die
vorgezeichneten
Orte
geben
der
Bewegung
eine
Bahn
und
einen
Rhythmus.
Nicht
nur
ein
Mensch, auch
ein
Thier,
ja
eine
herabrollende Kugel
wird
auf
die
Stufen
einer
Treppe
der
Reihe
nach
auftreten.
Ihre
Bewegung
erhält
den
vorgezeichneten
Rhythmus.
Das
Eindrücken
der
Stufen,
das
Ein-
zeichnen
des Weges,
den
jeder
folgende
Wandrer
nimmt,
geschieht
auf einem
Schneefeld
schon durch
einfaches, tiefer
und
sicherer
durch
wiederholtes
Begehen.
Eigenartiger
Rhythmus
und Richtung der Schritte
drückt
sich
auf
der
weichen
Unterlage
ab
und
be-
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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134
—
fähigt
diese zur
Erregung
des
gleichartigen
Rhythmus
und der
gleichen Richtung
in der
Bewegung
einer anderen Person.
Analogon 2.
Der
Rand
eines
Uhr- Rad
es
ist
in
Zähne
getheilt.
Während
das
Rad
sich
durch eine
gespannte
Feder dreht,
greift
abwechselnd
rechts,
dann
links,
einer
der
zwei
Haken
des
sogenannten
Ankers in
einen
Zahn
ein. Dies
periodische
Eingreifen
in
vorgezeichnete
Einschnitte
theilt
den continuirlichen Verlauf
der
Umdrehung
periodisch
ab,
„dass
es sich
rhythmisch
regt .
Das
gibt
ein
Ticken,
wenn
rasch,
einen
Ton.
Analogon 3.
Wir
können
das harmonische
Organ
des Ohrs der
Aufnahmsplatte
eines
Phonographen vergleichen,
das Centralorgan
des
Gehirns
der Walze,
den Hörnerv
der
Zuleitung
zum
Schreibstift.
Die durch
herankommende
Töne schwingende
Platte
bewegt
den
Stift und dieser
gräbt
in
die rotirende
Walze
Zeichen
ein, die
den Schwingungen
der
Platte
correspondiren.
Durch dies Einzeichnen
ist nun die
Walze
so
eingerichtet,
dass,
wenn
sie gedreht wird
und
ein
Stift darüber gleitet,
diesem
die
Bahn
vorgezeichnet ist.
Das
Gleiten verwandelt sich
in
eine
rhythmische Bewegung
und die
Verbindung
des
Stifts
mit
einer
Platte bewirkt,
dass
genau die Töne
erzeugt und
dem
Ohr zugeführt
werden,
die
die
Einzeichnung
bewirkt
haben.
Sind so
dem
Gehirn
Zeichen
eingedrückt,
Bewegungsbahnen
vorgezeichnet,
so
können
Bewegungen
(Ströme), den Rhythmus
des Eingedrückten
annehmen
(das
Gedächtniss wach-
rufen),
die
selbst von
diesem
Rhythmus
nichts
an
sich
haben.
Dieselbe
Bewegung
kann
(analog
dem
gleitenden Stift
beim
Phonographen)
bei verschiedener
Eingravirung
ver-
schiedene Rhythmen
annehmen,
die, durch den
Hörnerven
zum
Ohr
geleitet,
gerade
die
Töne
erregen,
die die Eingravirung bewirkt haben
(Innervation
des
Ohres
durch
Erinnerung).
Wiederholte Eingrabung
der
gleichen Marken vertieft diese
und
bewirkt,
dass
eine
Be-
wegung, deren Rhythmus
annimmt,
im
Vorzug
vor
andern,
die minder
tief
eingegraben
sind. Das entspricht
der Wirkung
der Einübung.
Auch
einmalige starke
Erregungen
können
sich
tief
eingraben
(man
sagt,
einen
tiefen
Eindruck
machen)
und
daher
vorzugs-
weise ausgelöst
werden.
Ebenso
Erregungen
eines jungen,
weichen, wenig
verritzten
Ge-
hirns.
Die
Jugend
lernt rasch
und Jugend-Erinnerungen
setzen sich
fest.
Ist
im
Alter
die
Walze abgerieben,
so
werden die tiefsten
Eingrabungen
vorzugsweise vom
Strom
der
geistigen
Bewegung
aufgenommen,
dem
sie
ihren
Rhythmus
mittheilen.
Ein
Analogon ist
keine
Erklärung.
Es ist
aber
ein
Mittel
zum
theilweisen
Ver-
ständniss.
Es
deckt sich nicht
in
allen Punkten
mit
dem Verglichenen,
das
es
beleuchten
soll, aber in
mehreren.
Indem
wir den
Zusammenhang dieser
Punkte
im
Analogon
ver-
stehen,
übertragen
wir ihn
auf
das
Verglichene.
Den Vorgängen
in
der
Psyche
entsprechen,
nach
der
allg-emeinsten
Annahme, Vorg-änge im
Centralorgan.
Wir wissen
aber
aus
Erfahrung,
dass
der
Geist noch
musikahsch-harmonisch
arbeitet, nicht
nur
Erfahrenes
wieder-
holend,
sondern
Neues
schaffend
(componirend),
auch
wenn das
Ohr
nicht
functionirt,
wenn
alles
still
ist,
ja
wenn volle
Taubheit
eingetreten
ist.
^)
Der
geistige
Vorgang
des
musikalischen
Schaffens
(des
Arbeitens
nach dem Gesetz
^)
Ein
classisches
Beispiel ist
der grosse
Beethoven,
der,
taub
geworden, die
herrlichsten
Werke componirte.
Sein
Geist
und
Gehirn
arbeiteten
harmonisch
schaffend
weiter,
obgleich
das
Ohr
nicht
mehr
functionirte.
Ein
anderes
Beispiel
ist
Smetana,
von dem
C.
Stumpf
(Tonpsychologie
1883.
1.
420)
berichtet.
Der taub
gewordene
Componist
schreibt
von
seinen
letzten
Werken:
„Ich
habe von
all
diesen
Werken
nicht
einen Ton
gehört und
doch
lebten
sie
in
mir
und
erregten
durch blosse
Vorstellung
Rührung bis
zu Thränen
und
Schwelgen
in
Ent-
zücken.
Vgl.
auch
Stumpf
1.
c.
S.
411,
414
und
424.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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135
—
der
Harmonie)
ist
ohne einen
körperlichen
Parallelvorgang
nicht
denkbar.
Ist
nun
aus
der
Kette:
Geist,
Centralorgan,
Ohr,
das Ohr
herausgefallen,
so
bleibt
nur
die Annahme, dass
das
Centralorgan
die
harmonische Arbeit
verrichtet,
nach
dem Gesetz der
Harmonie
(Complication)
functionirt.
Wir
haben
ein
Abbild
vom
Arbeiten
des Centralorgans
im
Functioniren
des Ohrs,
andererseits
in
dem
des Geistes, des
musikalischen
Empfindens
und
Schaffens.
Dem
Geist
und
Ohr
eigenthümlich ist das
Entwicklungsgesetz
der
CompHcation,
also
auch,
wie
wir schliessen,
dem
Centralorgan.
Den
gleichen Schluss
wie für
das
Ohr
können
wir
für
das
Auge
und
das
centrale Sehorgan
ziehen, denn es
ist kein
Zweifel,
dass
der
erblindete
Maler
noch Bilder in
allen
Farben
componirt,
wenn
er sie
auch
nicht
mehr
auf
die
Leinwand bringen
kann.
In
Bezug auf
räumliche
Verhältnisse
und
Auffassung
der
Zahlen
arbeitet der
schaffende Geist nach
dem
Gesetz der räumlichen
Anschauung,
welches
das
Gesetz der
Complication
ist, indem er,
wie
wir
zeigten,
das
Gesetz
der
Harmonie
ordnend
in die Natur
hinausträgt. Dem
psychischen
Process
der
Anschauung
verläuft
parallel
die Thätigkeit
keines
Sinnesorgans,
wohl
aber die
eines
Gehirntheils,
dem wir
also ebenfalls das
Gesetz der
Compli-
cation
zuzuschreiben
haben.
Gemeinsame
Verfeinerung
der Sinne,
der Cultur.
Wenn die
Sinnes-
organe
und
die
zugehörigen
Centralorgane
sich
gleichzeitig und
nach
dem
gleichen Gesetz
der
Harmonie
entwickelt
haben
und
weiter
entwickeln,
sowie
nach demselben
Gesetz functioniren,
wenn
ferner
in Folge der
Verknüpfung
der Centralorgane
unter sich
durch
Nervenfasern
eine
gegenseitige
Anregung
besteht,
so ist
es
denkbar,
dass
fortschreitende
Entwicklung
(Verfeinerung)
eines Sinnesorgans (mit seinem
Centralorgan)
die
Entwicklung
(Verfeinerung)
eines
anderen nach
sich
zieht.
Dass z.
B.,
wenn durch
fortschreitende
Ent-
wicklung
des Auges,
dessen
Centralorgan
sich verfeinert,
die so
gewonnene
Verfeinerung durch Verknüpfung und
gegenseitige
Anregung
auf
eine
höhere
Differenzirung
des
Gehörcentrums
und
dadurch das
Ohrs
hinwirkt.
Dies
würde
erklären,
wieso an
der
Verfeinerung
die
verschiedenen
Sinne
gleichzeitig
theil-
nehmen,
sodass sich
eine
Harmonie,
ein
Gleichgewicht
der
Sinne
herstellt.
Eine harmonische Verfeinerung
aller
Sinne
aber
entspricht
einer Ver-
feinerung
der
Cultur.
Es ist nicht
ausgeschlossen,
dass
sich
unsere
Sinnesorgane
in
ihrer
Gesammtheit nach dem Gesetz
der
Complication
entwickelt
haben,
und
dass
sie
so
zusammen
ein
harmonisch
gegliedertes
Ganze
bilden.
Die
räumliche
An-
ordnung
spricht
dafür,
ebenso
ihre
Rangordnung
und
die
Folge
ihres
Ent-
stehens
und
Vergehens.
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136
—
SchluSS.
Wir
kommen
zu folg-ender
Schlusskette:
Der
Geist
wählt
als
begrifflich
einheitlich
die Harmonie
aus,
deshalb,
weil
sie
der
Empfindung- nach ein
Ganzes
ist
und
zwar
ein in
bestimmter
Weise
gegliedertes
Ganzes.
Der Geist
der Erkenntniss
wiederholt
den
Empfm-
dungs-
Vorgang
und
fasst ihn zum Begriff
als
Ganzes
in seiner
Gliederung.
Er
kann
das,
indem
sein
Organ
analog
arbeitet (analog-
entwickelt
ist)
wie
das
Aufnahms-Org-an
der
Empfindung-.
Die
Empfindung-
nimmt
nun
das
als wohl-
thuend
auf, was
der Einrichtung
des
Aufnahms-Organs
entsprechend
ist.
Diesem
entsprechend
zeigt
sich
aber das,
was
dem Gesetz der
Complication
und der
harmonischen
Zahlen folgt.
Dies Gesetz
finden
wir bei den
harmonischen
Tönen
der
Musik und es zeigt sich,
losgelöst
von
Empfindung-
und
persön-
licher
Auswahl, als
Beherrscher
der Entwicklung
der Krystallformen.
Dort
können
wir es
objectiv
und mechanisch
in seiner Reinheit
studiren.
Folgen
wir
dieser
Schlusskette
rückwärts,
so
finden
wir,
dass die
Ent-
wicklung
des Aufnahms-Organs,
der
Empfindung
und des
Geistes
dem Gesetz
der
Complication
(der
Harmonie) folgt,
das
wir
bei
den
Krystallformen kennen
lernten.
Die
Entwicklung
nach
dem
gleichen
Gesetz ist der
Grund,
warum
die Vorgänge
in
der
Natur analoge
Vorgänge in unseren
Sinnen
und
in unserem
Gehirn
hervorrufen
(induciren).
Diese inducirten
Vorgänge sind das,
was
wir
von
der Natur wahrnehmen. Die Natur ist
uns so
weit verständlich, als
wir
sie
mit unserem Geist ausmessen,
in
die
Form
unseres
Denkens
umsetzen
können.
Der
menschliche
Geist
ist
ein
Abbild
der
Natur,
wie
die
uns
bekannte
Natur ein
Abbild
unseres Geistes
ist.
Die
Naturgesetze
sind
Operationen
des
menschlichen Geistes und
wir können
frei nach
Goethe sagen:
Denn,
was
man so
Naturgesetze
heisst,
Das
ist
im
Grund
des
Menschen
eigner
Geist,
Worin
die
Dinge sich
bespiegeln.
Bestätigt sich das
Gesetz
der
Complication als ein Entwicklungs-Gesetz
des
Geistes,
der
Sinnes-Organe
und
der
Dinge
ausser
uns,
so
ist
es
ein
weit-
tragendes
Gesetz.
Die
Harmonie
ist
das
Zeichen seiner
Herrschaft und die
Freude
an
der Harmonie
ist zugleich
Freude am
Verständniss
der Natur,
das
heisst
Freude
daran,
dass wir
die Natur
mit
unserem
Geist
in Uebereinstim-
mung
gebracht
haben.
Damit
sind
wir
beim Eingang
dieser Abhandlung
wieder angelangt,
beim
Fvcb'&t
oeavTÖv, bei
der
Frage,
wie arbeitet
unser
Geist, wie
erfasst
er
die
Natur
und
welchen
Gesetzen
gehorcht
er?
Wir
sehen hier
einen
Weg
zur
Erkenntniss
der
Gesetze
der
Sinne
und
des
Geistes in
ihrem
Abbild,
den
objectiven
Gesetzen
der
Physik.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Verlag
von
Julius
Springer
in
Berlin
N.
Krystallographische
Winkeltabellen.
Von
Dr.
Victor
Goldschmidt
432
Seiten
in
4®
mit
in
den
Text
e-edruckten
Fieuren
Preis
M.
20.
—
Heber
krystallographische
Demonstration
mit
Hilfe von
Korkmodellen
mit
farbigen
Nadelstiften.
Von
Dr.
Victor
Goldschmidt.
Mit
6
Tafdln
in
Farbendruck.
Preis
M.
3,—.
lieber
Projeetion
und
graphische
Krystallberechnung.
Von
Dr.
Victor
Goldschmidt.
Mit
123
in
den
Text
gedruckten
Figuren.
Preis
M.
6,—.
Index
der
Krystallformen
der
Mineralien.
Von
Dr.
Victor Goldschmidt.
In
drei Bänden.
Erster
Band.
In zwei
Lieferungen
(Einleitung
und
Abichit
—
Euxenit).
Preis M.
30,
—
Zweiter
Band.
Heft
I
:
Fahlerz
—
Frieseit.
Preis
M.
3,60.
„
2
: Gadolinit
—
Gyps.
„
M.
3,60.
j,
3:
Haidingerit
—
Jarosit.
„ M.
3,60.
Heft
7:
Pachnolith—
Pyroxen.
Preis
M.
5,60.
Dritter Band.
Heft
4
:
Idokras—
Kupfervitriol. Preis
M.
5,
—
„
5
:
Lanarkit
—
Lunnit.
„
M.3,
—
„
6:
Magnesit—
Osmiridium.
„
M.5,60.
Heft
I
:
Quarz.
Preis M.
2,
-.
„
2: Ralstonit—
Rutil.
„
M. 3,—.
„
3:
Salmiak—
Syngenit.
„
M.5,60.
Heft
4:
Tantalit—
Tysonit. Preis M.
3,20.
„
5:
Ullmannit—Wurtzit.
„
M.
3,20.
„
6:
Xanthokon—
Zunyit.
„
M,
2,
—
.
Heft
7:
Anhang. Synonyme.
Correcturen
und
Nachträge.
Preis
M.
i,
—
.
Als
selbständige Schrift unter dem
Titel
Einleitung in
die
formbeschreibende
Krystallographie
Preis
M.
8,—
wurde
die
Einleitung
zum Index
der
Krystallformen
herausgegeben.
Zu
beziehen
durch
jede
Buchhandlung.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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Verlag
von
Julius
Springer in
Berlin N.
Krystallographische
Proj
ectionsbilder
von
Dr.
Victor
Goldschmidt.
19
Tafeln
nebst
2
Beilagen.
—
Format
75.5
cm
:
66
cm.
—
Zum
Theil
in
Farbendruck.
In
Mappe.
Mit
einleitendem
Text.
—
Preis
des vollständigen
Werkes
M.
60,—.
(Die
Tafeln
werden auch
einzeln zti den
beigesetzten
Preisen
abgegeben.)
Inhalts
-
Verzeichniss
Tafel
I.
Pyrit,
Gnomonische
Projection
der bekannten
Formen.
—
Preis
M.
4,
—
.
„
IL
„
Punktbild.
—
Preis
M.
2,-.
III.
Calcit.
Gnomonische Projection
der
bekannten
Formen.
—
Preis M.
4,
—
.
j,
IV.
„
Punktbild.
—
Preis M.
2,—
.
j,
V.
Rothgiltigerz.
Gnomon.
Projection der bekannten
Formen.
—
Preis
M.
4,
—
.
^
VI.
„
Punktbild.
—
Preis M.
2,—.
„
VII.
Pyrit,
Calcit,
Rothgiltigerz.
Mittelfelder
in grösserem
Massstab.
(Er-
gänzungsblatt.)
—
Preis
M.
4,
—
.
„
VIII.
Eisenglanz.
Gnomonische Projection
der
bekannten Formen.
—
Preis
M.
4,—.
„
IX.
„
Punktbild.
—
Preis
M.
2,—.
„
X.
Quarz.
Gnomonische
Projection der
bekannten
Formen.
—
Preis
M.
4,—.
„
XI.
„
Punktbild.
—
Preis
M.
2,—.
^
XII.
„
Mittelfeld
in grösserem Maassstab.
—
Preis
M.
4,
—
„
XIII.
Bournonit.
Gnomonische und
stereographische
Projection
der
bekannten
Formen.
—
Preis
M.
4,
—
„
XIV.
„
Punktbild.
—
Preis M.
2,—.
„
XV.
Humit-Gruppe:
Humit,
Klinohumit, Chondrodit.
Gnomon.
Projection
der
bekannten Formen.
Chondrodit mit
Vicinalflächen.
—
Preis
M.
4,
—
.
„
XVI.
„
Punktbild
mit optischen Abmessungen.
—
Preis
M.
4,
—
„
XVII.
Magneteisenerz,
Beryll,
Idokras,
Baryt,
Epidot,
Axinit.
Beispiele
für
die
Anwendung
rastrirter
Blätter
zur
Darstellung
von
Projections-
bildern.
—
Preis M.
4,
—
.
„
XVIII.
Amphibol.
Ableitung
des perspectivischen
und
des
horizontalen
Bildes aus
dem
gnomonischen
Projectionsbild.
—
Preis
M.
4,
—
.
„
XIX.
Anorthit.
ZwilHngsbilder
in gnomonischer
Projection.
Albit-Gesetz,
Mane-
bacher-Gesetz.
Calcit,
Rothgiltigerz,
Eisenglanz,
Quarz.
Linienbilder
der
wichtigsten
Zonenentwickelung.
—
Preis
M.
4,
—
.
Beilagen:
Hexagonales
Netz.
—
Preis
für
4
Blatt
M.
1,60.
Tetragonales
Netz.
—
Preis
für
4
Blatt
M. 1,60.
Preis
des
Textes
M.
—,80.
Preis
der
Mappe
allein
M.
2,20.
Beim
Bezüge von
Tafeln ohne die
Mappe kommen ausser
dem
Porto
noch
die
Kosten
für
Verpackung
in
Anrechnung.
Druck von
Oscar
Brandstetter
in
Leipzig.
7/25/2019 Ueber Harmonie Und Complication (1901)
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