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99 fjber das kryoskopische Verhalten krystallisierter Acetylcellulosen ’) ; von Kurt Hess und Guido Schultze. (XIX. SIitteilunga) uber Cellulose.) \Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Chemie, Berlin- Dahlem.] Mit 9 Figuren im Text. (Eingelaufen am 20. Mare 1926.) In vorangehenden Mitteil~ngen~) haben wir aus der Re- aktionsweise der Cellulose in Kupferamminlosung folgern miissen, daB die Cellulose in diesen Losungen in Form chemisch selb- standiger Molekule der GroBe C,H,,O, reagiert. Da das aus derartigen Losungen abgeschiedene Kohlenhydrat wieder die bekannten gegen neutrale Losungsmittel unloslichen Eigen- schaften der Cellulose zeigte, und in chemischer Beziehung mit Cellulose iibereinstimmte (gepruft auch an den Eigenschaften der Methylate und Acetate), so fiihrten diese Untersnchungen zu einer besonderen Auffassung uber die Cellulose. Bei der Kleinheit der Strukturmolekel, die nach unten hin die Grenze dessen darstellte, was aus der Beziehung zur Glu- cose iiberhaupt nur moglich ist, glaubten wir in dem Aufbau der Cellulose gegeniiber den wasserloslichen und leicht kry- stallisierenden Kohlenhydraten keinen yrundsatzlichen, sondern nur einen graduellen Unterschied auf Brund besonders ent- wickelter Gitterkriifte zu erkennen.3 In dieser Arbeit bringen wir einen weiteren Beweis fiir diese Auffassung, die gegenuber der friiheren Beweisfuhrung den besonderen Vorzug der Einfachheit und Ubersichtlich- keit hat. l) Der wesentliche Inhalt dieser Mitteilung war gelegentlich eines zu- sammenfassenden Vortrages im Frankfurter Bezirksverein des Vereins Deutscher Chemiker am 26. Oktober 1925 bekannt gegeben worden. K. Hess. *) XVIII. Mitteilung vgl. die Naturwissenschaften 13, 1003 (1925). 3, K. Hess u. E. Messmer, A. 4.36, 7 (1923); Z. Roll. 36, 260 (1925). 3 Hess, A. US, 114ff. (1923); Z. Ang. 37, 1002 (1924); Naturw. 12, 7* 1152 (1924).

Über das kryoskopische Verhalten krystallisierter Acetylcellulosen(XIX. Mitteilung über Cellulose.)

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fjber das kryoskopische Verhalten krystallisierter Acetylcellulosen ’) ;

von Kurt Hess und Guido Schultze.

(XIX. SIitteilunga) uber Cellulose.)

\Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Chemie, Berlin- Dahlem.]

Mit 9 Figuren im Text.

(Eingelaufen am 20. Mare 1926.)

In vorangehenden Mi t t e i l~ngen~) haben wir aus der Re- aktionsweise der Cellulose in Kupferamminlosung folgern miissen, daB die Cellulose in diesen Losungen in Form chemisch selb- standiger Molekule der GroBe C,H,,O, reagiert. Da das aus derartigen Losungen abgeschiedene Kohlenhydrat wieder die bekannten gegen neutrale Losungsmittel unloslichen Eigen- schaften der Cellulose zeigte, und in chemischer Beziehung mit Cellulose iibereinstimmte (gepruft auch an den Eigenschaften der Methylate und Acetate), so fiihrten diese Untersnchungen zu einer besonderen Auffassung uber die Cellulose.

Bei der Kleinheit der Strukturmolekel, die nach unten hin die Grenze dessen darstellte, was aus der Beziehung zur Glu- cose iiberhaupt nur moglich ist, glaubten wir in dem Aufbau der Cellulose gegeniiber den wasserloslichen und leicht kry- stallisierenden Kohlenhydraten keinen yrundsatzlichen, sondern nur einen graduellen Unterschied auf Brund besonders ent- wickelter Gitterkriifte zu erkennen.3

In dieser Arbeit bringen wir einen weiteren Beweis fiir diese Auffassung, die gegenuber der friiheren Beweisfuhrung den besonderen Vorzug der Einfachheit und Ubersichtlich- keit hat.

l) Der wesentliche Inhalt dieser Mitteilung war gelegentlich eines zu- sammenfassenden Vortrages im Frankfurter Bezirksverein des Vereins Deutscher Chemiker am 26. Oktober 1925 bekannt gegeben worden.

K. Hess . *) XVIII. Mitteilung vgl. die Naturwissenschaften 13, 1003 (1925). 3, K. H e s s u. E. Messmer, A. 4.36, 7 (1923); Z. Roll. 36, 260 (1925). 3 H e s s , A. U S , 114ff. (1923); Z. Ang. 37, 1002 (1924); Naturw. 12,

7 * 1152 (1924).

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100 I l e s s und Schu Itze ,

Nachdem es in der X., XVII. und XVIII. Milteilung') ge- lungeii war, die lange fur amorph angesehene Acetylcellulose z, in schon krystallisierte Formen uberzufuhren, deren Charak- terisierung als Acetate chemisch intakter und besonders reiner Cellulose mit Hilfe des polarimetrischen Bestimmungsverfah- reiis in Kupferamminlosung gesichert werden konnte, lag offenbar ein uberaichtliches Material vor, urn damit wieder unsere fruheren Bestrebungens), auf kryoskopischem Wege Ein- blick in den Celluloseaufbau zu bekommen, aufzunehmen.

Wir hatten damals, allerdings an noch nicht so gut de- finier ten Ace tylcellulosen (Ace t ylcellulose A und Ace t ylcellulose Ost) Molgewichtsbestimmungen unternommen, und hierbei die inzwischen von anderen Seiten '9 auch fur andere Polysaccha- ride oft bestatigte Assoziationserscheinung aufgefunden, die fur losliche Cellulosederivate ganz besonders typisch ist und die bei ihren Schwankungen nicht gestattet, irgendeine ~ h ~ r ~ k - teristische MolekulargroBe festzuhalten.6) Ganz unubersichtliche Verhaltnisse hatten sich fur die Auflosung in Eisessig geneigt, einem Losungsmittel, das sonst besonders anch fur einfache Kohlenhydratacetate gern herangezogen wird und fur das man gewohnt ist, zuverlassige Werte zu bekommen. Wir hatten beobachtet, daB in einem Losungsintervall von 0,03-0,3 Proc. die Depressionen mi t der Abnahme der Konzentration konstant blieben, so da8 sich fur die niederen Konzentrationen abnorm kleine GroBen fur die Molekulargewichte errechneten, die teil- weise weit unterhalb des Rer tes fur ein Glucoseanhydrid

') Z. Ang. 37, 999 (1924); A. 444, 266 (1925); Naturw. 13, 1003 (1925).

a) R. 0. Hereog, B. 63, 2164 (1920); Naturw. 9, 320 (1921); Z. Ang. 34, 386 (1921); Koll. Z. 36, 201 (1924); erst spater aind fur vorsichtig acetylierte Cellulosefasern Rantgendiagramme erhalten worden, aus denen die krystalline Katur der Praparate gefolgert werden kiinnte; vgl. R. 0. Herzog und G. Londberg, B. 57, 329, 750 (1924); I. R. H a t z , Die Quellung 11. Teil in ,,Ergebnisse der exakten Naturwissenschaften" 4, 160ff. (1925).

a) A. 436, 54 (1923) und friihere Mitteilungen. 4, H. Pringeheim u. K. S e i f e r t , H. 123, 207 (1922); E. Heuser u.

N. Hiemer, Cellulosechemie 6, 127, 163 (1924); H. Pringsheim u. Mit- arbeiter, B. 68, 2135 (1925); M. Bergmann u. E. K n e h e , A. 446, 3 (1925).

5, Vgl. hierzu meine Bemerkungen zu einer Abhandlung von E. H e u s e r ,,Uber die Depolymerisation der Cellulose", Z. El. Ch. 31, 613 (1925).

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Uher dns Rryoskopis che Perhalten krystallisierter Acetylcellulosen. 10 1

lagen. Wir mutten damals folgern, daB ,,die Messungen in Eisessig zur Bewertung der Molekiilgro5e unbrauchbar" sind.

Wir haben nun die Ursache fur das abnorme Verhalten der Eisessiglosungen aufgedeckt und erkannt , da5 durch ihre Beseitigung ganz im Gegenteil der Eisessig auch fur Molekular- gewichtsbestimmungen von Celluloseacetaten brauchbar ist und da8 er uns einen uberraschenden Einblick in den Aufbau der Cellulose als ein Glucoseanhydrid, das mit ausgepragten Ko-

Fig. 1.

hasionskraften begabt ist, vermittelt. Die Ursache fiir das friiher beobachtete und neuerdings bestaligte abnoTme Perhalten ist aitf ein gegeniiber Eisessig erhohtes ihft-BbsorptionsverrnCgen der Auflosungen uon Acetylcellulose in Zisessig zuriickzufuhren. Schaltet man die Snwesenheit von Luft bei den kryoskopischen Be- stimmungen in Eisessig durch Abpumpen aus dem Qefrier- geBBe moglichst aus, so la5t sich einwandfrei erkennen, daB sich die reinen Celluloseacetate in eineni Losungsbereich von etwa 0,05-0,6 Proc. Losungskonzentration bis zii Molekul-

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102 H e s s und Schul t ze ,

groSen auf losen, die innerhalb einer nur engen Fehlergrenze der eines Glucoseanhydridacetates entsprechen. Das Verhalten gilt sowohl fur die krystallisierten Praparate aus Cellulose- diacetat wie aus Cellulosetriacetat.

Die Empfindlichkeit der Bestimmungen gegen Luft ist auBerordentlich grob. Offnet man die Apparatur (vgl. Fig. 1) vorsichtig unter AusschluB von Feuchtigkeit, nachdem sie tagelang luftfrei das angegebene Molekulargemicht konstant zu erkennen gegeben hat, so steigt nach kurzer Zeit die L)e- pression ') an und entspricht MolekiilgroSen, die unterhalb der Grenze von C,-Molekeln liegen. Es ergibt sich dann dasselbe Bild, das wir in unserer VIII. Mitteilung beschrieben haben.2)

Die Ursache fur dieses Verhalten bleibt noch unbekannt. E s ist denkbar, daS die monomolekularen Celluloseacetate ahnlich sauerstoffempfindlich sind, wie die molekulare Auf- losung der Cellulose in Kupferamminlosungen , auf deren iibergrof3e Empfindlichkeit gegen Luftsauerstoff, iibrigens sehr im Gegensatz zu gewtihnlichen Zuckerpraparaten, wir wieder- holt hinzuweisen Gelegenheit hatten 3); es kann sich aber auch um den EinfluS der gelosten Gasmolekule selber handeln. Aber unabhangig von dieser Frage halten wir es fur einen bemerkenswerten Fortschritt, Umstande aufgefunden zu haben, unter denen eine monomolekulare Auflosung echter Cellulose- acetate bis zu C,-Molekeln nach einer Methode moglich ist, deren physiko- cliemisc he Grun dl age a1 s unb es trei t bar gel ten muS.

Es bedarf kaum der Erwahnung, daB wir Glucosepent- acetat, Cellobioseoctacetat und andere bekannte Zuckeracetate in unserer Apparatur gepriift haben und die erwarteten Mol- gewichte erhielten.

Wir haben uns nun nicht begniigt, wie allgemein iiblich, das kryoskopische Verhalten der Substanzen kurz nach dem Auflosen zu priifen, sondern wir haben die Losungen in ihrem

l) Fur die Bewertung der Depression ist es notwendig, den Gefrier- punkt des reinen Eisessigs in Luft zu beriicksichtigen. Eisessig zeigt luft- haltig, vermutlich wegen seiner gro8en Gasloslichkeit (vgl. Versuchsteil) einen etwas abweichenden Gefrierpunkt wie der entgaste.

2, Vgl. auch die im Versuchsteil wiedergegebenen Molgewichtskurven bei Luftgegenwart. Fig. 2, 3a, 3b und 4, S. 109, 110, 111.

*) K. Hess, E. Messmer u. N. Ljubitsch, A.444, 316 (1925).

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Uber das kryoskopische Yerhalten krystallisierter Acetylcellulosen. 103

Verhalten wahrend mehrerer Tage bei bestimmten Temperaturen verfolgt. Dies war durch den vollkommenen Abschlufi der Gefrierpunktsapparatur praktisch gut moglich. Dabei hat sich sehr uberraschend gezeigt, dafi unmittelbar nachdem der duf- losungsvorgang fur das Auge beendet ist, das Molekular- gewicht noch nicht den unteren Grenzwert erreicht hat, son- dern dafi dies erst nach einiger Zeit der Fall ist (vgl. hierzu Fig. 5 und die naheren Erlauterungen im Versuchsteil). Bei dem erreichten Wert fur ein Glucoseanhydrid bleibt dann der Losungszustand manchmal tagelang praktisch vollkommen kon- stant. Dann tritt in fast allen bisher beobachteten Fallen zunachst langsam ansteigend wieder eine MolekulvergroSerung ein, die oft unvermittelt rasch bis zum totalen Verschwinden der Depression fortschreitet, so dall wir folgern mussen, dafi die Substanz sich wieder zu grofieii Molekulverbanden zu- sammen geschlossen hat. Das Verhalten beobachteten wir selbst bei den verdunntesten Losungen, die in bezug auf ihre kryoskopische Bewertung noch gerade an der Grenze der Be- obachtungsmoglichkeit lagen.

Diese Erscheinungen vermogen wir noch nicht zu uber- sehen und wir glauben auch, dall man ihnen mit den bisher zuganglichen Methoden kaum wird beikommen konnen. Sie scheinen dem Wesen unseres Glucoseanhydrides zu entsprechen, das offenbar zunachst eine gewisse Tragheit fur seine Auf- losnng bis znm monomolekularen Zustand bekundet, urn d a m dnrch irgendeinen AnlaS, vielleicht eine Keimbildung, sich wieder zu groberen Molekulverbanden zusammenzuschlieben. Wird aus derartigen Losungen, die eine Depression nicht mehr erkennen lassen, die Substanz isoliert und wieder neu gelost, so zeigen sich dieselben Erscheinungen.

Unsere Beobachtungen lassen nicht erkennen, da13 irgend- eine chemische stochiometrische Beziehung von C6H,,0,-Mole- kulen untereinander besteht, etwa in dem Sinne, dafi eine be- sondere Neigung zum ZusammenschluS von 2 Molekeln zu einem Zwillingsverband vorhanden ware. Man gewinnt vielmehr an Hand der zeitlichen Kurven der Fig. 5 durchaus den Eindruck; da13 keine chemischen Valenzkrafte, wie sie etwa in Molekul- verbindungen vorliegen, fur den ZusammenschluS unseres Glu-

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104 Hess und Schul t ze ,

coseanhydrides in Eisessig maBgebend sind, sondern vielmehr eine Art von scheinbar regellos wirbenden Kohasionskrafien.

Wichtig hervorznheben scheint uns noch die Beobachtung zu sein, daS die spontane Sssoziation um so schneller erfolgt, j e reinel. die Praparate sind.

Ahnlichen scheinbar ungeregelten Vorgangen sind wir in gewissem Umfange bereits bei den kryoskopischen'Bestimniungen der wasserlbslichen Trimethylcellulose A begegnet l), die nach einer Dispergierung bis zu 11olekulargrijDen von hier etwa nur 2000 und daruber auch plotzlich keine Depressionen mehr zeigen. Solche Erscheinungen z, sind offenbar f i r alle loslichen Cellulosepraparate typisch und es ist wichtig, sie zu erkennen, denn sie lehren mit aller Deutlichkeit, daB Molekulargewichts- bestimmungen von Cellulose und ihren Derivaten, die die Grenze fur eiii Glucoseanhydrid nach oben iiberschreiten, uns iiber chemische Konstitutionsverhaltnisse nichts anszusagen ver- mogen.3)

Es ist nach diesen Beobachtungen wieder von besonderem Werte, zu fragen, ob die Praparate, die in Eisessig den mono- molekularen Zustand nachweislich durchlaufen haben, noch echter Cellulose entspreclien. Sie entsprechen ec?iter Cellulose; die aus den Eisessiglosnngen abgeschiedenen Praparate von Diacetat krystallisieren in denselben schonen Nadelformen, wie wir sie nnlangst gezeigt haben ", das Verseifungsprodukt stimmt in seinem polarimetrischen Verhalten mit dem von Fasercellu- lose vollkommen iiberein. Berucksichtigen wir, daB Cellulose- acetate mi t einer Ausbeute von iiber 95 Proc. aus gewachsener

l) K. H e s s u. W. W e l t z i e n , 8.435, 80 (1923). 2, Sie machen es aoch unmoglich, irgendeine Gesetzmafligkeit fur die

Dispergierung von Cellulosepraparaten auf kryoskopischem Wege zu er- kennen. Hierauf sei nochmals im Hinblick auf die Ausfuhrungen E. H e u s e r s [Z. El. Ch. 32, 47 (192611 hingewiesen, die unseren Bemerkungen [Z. El. Ch. 31, 613 (1925)l entgegengehalten wurden. Die weiterhin mitgeteilten Ver- suche H e n s e r s treffen u. E. den wesentlichen Punkt der Frage nicht.

a) Vgl. K. H e s s , A. 435, 118 (1923). 4, K. H e s s u. G. S c h u l t z e , A. 444, 284 (1925); fur Cellulose-

triacetat, das nur sehr langsam krystallisiert (vgl. H e s s u. S c h u l t z e , Naturw. 13, 1005 (1925)) haben wir das aus Eisessig abgeschiedene PrL- parat noch nicht wieder in krystallisiertem Znstande zuruckgewonnen; es zeigt aber alle Konstanten des Ausgangsmaterials und gibt auch nach der Verseifung in Kupferlosung dieselben Drehwerte.

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vber das kryoskopische Verhalten krystallisierter Acetylcellulosen. 105

Fasercellulose gewonnen werden konnen und berucksichtigen wir ferner, daS diese Acetate mit nur geringen Verlusten in vollstandig durchkrystallisierte Formen iibergefiihrt werden konnen, so gewinnt folgender Kreislauf fur die Auffassnng der Cellulose ausschlaggebende Bedeutung:

Fasercellulose -+ krystallisiertes Celluloseacetat -+ molekular EU

C,H,O,(COCH,&, bzw. C,H,O,(COCH,), ge16st -+ krystallisiertes Cellulosoacetat -+ Cellulose.

Hiernach eriibrigt es sich, in Ubereinstimmung mit unseren fruheren Erwagungen l) nochmals darauf hinzuweisen, daS man keine Veranlassung hat, dem monomolekular dispergierten Korper eine andere Bezeichnung zu geben als der ungelosten Substanz, aus der e r durch die losende Wirkung des Eisessigs ohne weiteres hervorgeht. Auch tragen wir im Gegensatz zu den Be- merkungen von M. B e r gm a n n 2, keine Bedenken, in der festen Cellulose Molekularbereiche des Umfanges anzunehmen, wie sie sich in dem loslichen Acetat zu erkennen gegeben haben oder auch in Ubereinstimmung hiermit bereits fur die Cellulose selbst in Form ihrer Suflosung in Knpferamminlosung. Die grundsatzliche Frage, ob in festen Substanzen die Molekiile erhalten bleiben, die sich direkt oder indirekt nachweisen lassen, ist langst zugunsten der Chemiker ent~chieden.~) F u r die Polysaccharide haben wir die Frage ubrigens schon friiher dis- kutiert 4), wie wir denn iiberhaupt in den jiingsten Auslassungen von M. B e r g m a n n beim besten Willen grundsatzlich nichts Neues gegenuber unseren Ausfuhrungen zu erblicken ~errnogen.~)

*) Hess , A. 436, 116 (1923). a) M. B e r g m a n n u. E. K n e h e , A.445, 7 (1925). ,) Vgl. hier auch R. W i l l s t L t t e r , Z. Ang. 32, 331 (1919). 3 K. H e s s , Naturw. 1'2, 1150 (1924), vgl. auch F. A u e r b a c h ,

Naturw. 12, 557 (1924). 5, Man vgl. z. B. B e r g m a n n u. K n e h e , a. a. O., S. 4 und H e s s ,

A. 435, 114, ferner B e r g m a n n u. K n e h e , a. a. O., 8. 7 und H e s s , a. a. O., S. 10G/l07. Die Wiedergabe unserer Versuche beziiglich des Acetates der Cellulose A durch M. B e r g m a n n u. E. K n e h e , a. a. O., S. 8, ist nicht ganz richtig. Die Autoren glauben hervorheben zu miissen, daS wir uns mit dem fruher als Bioseanhydrid aufgefahen Acetat nicht mehr aus- einandergesetzt hatten, nachdem wir es in Cellulose A umgetauft haben. Das ist ein Irrtum, mie aus unseren Ausfiihrungen auf S. 45-46, sowie auf S. 118, Anm. 5, in A. 4.16 (1923) wohl fur den daran interessierten Leser ohne weiteres hervorgehen durfte. DaB man aus Molekulargewichtsbestim-

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106 Hess und S c h u l t z e ,

Die iiberraschende Wirkung von Eisessig auf Cellulose- acetate legte den Gedanken nahe, auch andere Polysaccharid- acetate in ihrem kryoskopischen Verhalten in Eisessig zu prufen. H a n s P r i n g s h e i m und Mitarbeiter') haben vor einiger Zeit iiber einen Versnch berichtet, bei dem sie Lichenin in Glycerin auf 240' erhit.zten und dieses dadurch in einen Zustand ver- brachten, in dem es in Wasser loslich ist und Molekular- gewichte der GroDe eines Glucoseanhydrides erkennen 1aDt. Unsere oben besprochenen Vereuche legten den Gedanken nahe, daa es moglicherweise gar nicht dieser gewaltsamen Prozedur bedarf, nm die wahre Strukturmolekel des Lichenins zu er- kennen. 1st doch 240° schon eine Temperatur, die im Hin- blick auf die bei 210° beginnende Umwandlung von z. B. Cellu- lose in Lavoglncosan 2, nicht nnbedenklich erscheinen sollte.

Wenn wir uns auch durchaus nicht der Auffassung an- schlieien konnen, da13 die bekannten Licheninpraparate ein chemisch einheitliches Individuum sind, und infolgedessen alle daran vollzogenen Urnwandlungsoperationen fur wenig geeignet halten, grundsatzlich wichtige Fragen der Polysaccharidchemie an ihnen zu studieren, so haben wir uns doch im Hinblick auf das Interesse, das in neuerer Zeit derartigen Praparaten ent- gegengebracht wird 3) , entschlossen, diesbeziigliche Versuche kurz bekannt zu geben, wenngleich eine langwierige Unter- suchung iiber die Trennung und Reindarstellung von Lichenin- praparaten noch nicht zum Ziele gefuhrt hat. Wir konnen aber immerhin schon hervorheben, Licheninpraparate in Handen zu haben, die mindestens allen bisher beschriebenen Praparaten an Reinheit und Einheitlichkeit uberlegen sind (vgl. Versuchs-

mungen von Cellulosepraparaten bzw. allgemein von Polysacchariden auf die Strukturmolekel nicht ohne weiteres schlieSen kann, war zur Zeit, als wir die als Bioseanhydrid angesprochene Substanz auffmden, noch gar nicht bekannt. Dies ist erst durch die Untersuchungen unserer VIII. Mit- teilung [vgl. besonders A. 435, 118 (1923)] hervorgegangen, eine Folgerung, der sich M. B e r g m a n n spater selbst angeschlossen hat [A. 438, 282 Anm. 1 (1924)], ohne allerdings zu erwiihnen, daB dies zuerst von uns festgestellt wurde.

1) H. P r i n g s h e i m : W. K n o l l u. E. K a s t e n , B. 68, 2135 (1925). 2, A. P i c t e t u. J. S a r a s i n , Helv. chim. acta 1, 88 (1918) 8, P. K a r r e r u. Mitarbeiter, Bio. Z. 136, 537 (1923) und vide folgeiide

Mitteilungen in Helv. chim. acta.

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Ober das kry osk opiscii e Yerh al f en kry stallis ier ter Acetylcellulosen, 10 7

teil). Aus derartigen Praparaten dargestelltes Lichenintriacetat zeigte einen Drehwert von [uID= - 35,50° und unterscheidet sich also erheblich von unseren reinen Cellulosetriacetaten, die einen Drehwert von hochstens [u], = - 24,5O haben.

Dies beweist zum zciederliolten') Male, dal3 die von K a r r e r immer wieder hervorgehobene grundsatzliche Identitat von Lichenin nnd Cellulose durchaus nicht zutrifft, so nahe auch bei oberflachlicher Betrachtung die Eigenschaften von Cellu- lose und Lichenin verwandt erscheinen mogen. Unsere Pra- parate von Licheninacetat, die trotz groI3er Bemuhungen bisher noch nicht zur Krystallisation zu bringen waren, und deren Ein- heitlichkeit wir daher fur noch nicht verbiirgt halten, zeigen nun in Eisessig ebenfalls starke Depressionen. Auch hier konnten wir wieder die Empfindlichkeit gegen Luft nachweisen, auch hier bekamen wir erst konstante Depressionen, als wir die im Versuchsteile beschriebene Vakuumapparatur benutzten.

Unser Licheninacetat lost sich ebenso wie das Cellulose- a cetat in verhZiltnismaBig weitem Losungsintervall bis zu Mole- kulen der GroBe eines Glucoseanhydrides auf.

Das Ergebnis bestatigt in uberraschender Weise den Be- fund von H. P r i n g s h e i m nnd Mitarbeiter, er zeigt aber, iiber die Pringsheirnschen Versuche hinansgehend, daB es eines Erhitzens durchaus nicht bedarf, um das unlosliche Polysaccharid zn einem molekularen Zerfall anzuregeii;

Dieser Befund entspricht nunmehr auch fur LicheninprLpa- rate unserer Auffassnng vom Aufbau der Polysaccharide, nach der es sich um die Kirkung von GitterkrLften einfacher Zucker- anhydride handelt, zu deren Betatigung und Aufhebung es nicht, wie P r i n g s h e i m 3 nns gegenuber betont hat, noch be- sonderer chemischen Dinge bedarf. Nach nnserem Losungs- versnch an Licheninacetat in Eisessig ist die Deutung des Pr ingsheimschen Versuches einfach: durch das Erhitzen in Glycerin auf 240° sind gewisse Mengen Zersetzungsprodukte, also Fremdkorper entstanden, die die Loslichkeit des Lichenins

l) K. Hess , Z. Ang. 37, 1003 (1924). 2, Naturw. 12, 364 (1924); man vgl. auch €1. P r i n g s h e i m , Bio. Z.

166, 115 (1925), wo fiir den Aufbau der Stiirke bzw. des Glykogens wieder normale Sauerstoff brucken fur den ZusammenschluS der ,,Grundelemente" angenommeii werden.

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108 Be ss und Sc h u I tr e , in Wasser erhohen. Dabei brauchen die Fremdkorper durch- aus nicht in solchen Mengen zu entstehen, da8 sie selbst an der Depression einen wesentlichen Anteil nehmen, so da8 die Pr ingshe imsche Beobachtung der hohen Depressionen ihre grundsatzliche Richtigkeit behalten konnen. Wir mochten aber die Anregung geben, die Richtigkeit unserer Vermutung durch eine genauere Untersuchung des erhitzten Lichenins zu kon- trollieren , wofur die Rontgenmethode wohl nicht ausreichen diirfte. ’)

Eine wie groBe Bolle nur geringe Verunreinigungen fur Assoziationsvorgange bei Polysacchariden spielen, haben wir bei langjahrigen kryoskopischen Bestimmungen der verschieden- artigsten Cellulosederivate kennen gelernt und halten uns fur berechtigt, anzunehmen, daD ahnliche Verhaltnisse grundsatzlich fur alle sogenannten komplexen Polysaccharide Geltung haben. Wir sind damit beschaftigt , auch noch andere Polysaccharid- acetate in ihrem kryoskopischen Verhalten in Eisessig zu yriifen und dehnen unsere Erfahrungen auch auf andere Lbsungs- mittel aus.

Versuche.

I. K r y o s k o p i s c h e B e s t i m m u n g v o n Ce l lu lose -d iace t a t3 ) in E i ses s ig .

a) Bei Gegenicart von h f t . Als Ausgangsmaterial fur die lrryoskopischen Untersuchungen dienten

uns vornehmlich die in der XVI. Mitteilung beschriebenen Priiparate krystallisierter Diace ty l~e l lu l~sen~) (51,64 Proc. CH,COOH , 43,86 Proc. C, 6,35 Proc. H, entsprechend einem Molgewicht von 255 fur die einfache

1) Vgl. die widersprechenden Ergebnisse bei E. O t t , Helv. chim. acta 9, 3 1 (1926) und R. 0. H e r z o g , H. 152, 119 (1926).

I) Anmerkung bei deer Korrektur : In ubereinstimmung mit den gefun- denen niederen Depressionen haben wir inzwischen festgestellt, dal3 0,1 bis 1-proc. Cellulose- und Licheninacetat-LGsungen durch feinporige Zellafilter (Dr. E. Kra tz ) , vgl. R. Z s i g m o n d y , Z. Ang. 39, 400 (1926), sich glatt ohne Filterriickstand flltrieren lassen.

Wir bezeichnen die untersuchten Priiparate als Cellulose-diacetat der Einfachheit halber. Sie enthalten noch gewisse Mengen Triacetat (vgl. XVI. Mitteilnng), was aber auf das Ergebnis ohne EinfluB ist.

Die Untersuchung wird fortgesetzt.

3 K. H e s s , G. S c h u l t z e , A. 444, 281 (1925).

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i%er das kryoskopische Yerhulten Lrystullisierter Acetylcellulosen. 109

Molekel). Die Bestimmungen wurden in der ublichen Apparatur von B e c k m a n n mit magnetisch bewegtem Ruhrer ausgefiihrt , wobei Luftfeuchtigkeit durch ein Quecksilberventil und ein mit Chlorcalcium beschicktes Trockenrohr ausgeschlossen wurde. Das Quecksilberventil war notwendig, weil bei verschiedenen Versuchen die Substanz unter Erwarmen auf 60° gelost wurde, wobei auf die Ausdehnung des Luft- volumens durch ein Quecksilberventil am besten Rucksicht genommen werden konnte. Es sei bemerkt, daB uns dieses Quecksilberventil auf die Absorption von Luft durch die Acetatlosung aufmerksam gemacht hat. Hinzugefugt sei, daB das Quecksilber selbst (Quecksilberdampf) keinen wahrnehmbaren EinfluS auf die Molekulargewichtsbestimmungen nimmt. Durch QuecksilberverschluS abgeschlossene Gefrierpunktsapparate behalten den Gefrierpunkt von Losungsmitteln konstant wiihrend 5- 6 Tagen.

&/ -celu/ow - Fig. 2.

Der Eisessig war fur alle Versuche bis zu 20mal ausgefroren worden unter jedesmaliger Vermerfung reichlicher Mengen Mutterlauge und wurde in gut schlieflenden Kappenflaschen mit Trockenmittel auf bewabrt. Die Konstante des Eisessigs wurde mit Benzil bestimmt: K = 39,O.

Aus Raummangel versagen wir es uns, die zahlreich an- gestellten Bestimmungen einzeln anzufuhren, sondern weisen auf die graphische Darstellung in Fig. 2, sowie 3 a und 3b hin.

Fig. 2 stellt das kryoskopische Verhalten von Cellulose- diacetat in seiner Abhangigkeit von der Zeit fur eine 0,l-proc. und eine 0,3-proc. Losung bei Gegenwart von Luft dar. Als Abszisse sind die Molekulargewichte, als Ordinate die Stunden aufgetragen, gerechnet von dem Augenblick ab, wo die Sub-

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110 B e s s und S c h u l t z e ,

stanz in den Eisessig geworfen wurde. Die Auflosung erfolgte fur beide Messungsreihen bei 18O. Die Molgewichte streben in ihrem zeitlichen Verlauf von hoheren Werten niederen zu und uberschreiten die Greuze fur eine C,-Molekel (in Fig. 2 durch

Fig. 3a.

die gestrichelte Linie besonders markiert) urn nicht unerheb- liche Betrage.

In Fig. 3 a und 3 b ist der Verlauf der Molekulargewichte wiedergegeben, wenn die Substanz nicht kalt, sondern bei 60°

Ce//ufosed~ocetot &I 62genwait uon Luff

12b mo/. -Geuimr

Fig. 3 b.

aufgelost wird. Uer Verlauf der Molekulargewichte is t hier umgekehrt wie bei kalter Auflosung: sie streben von kleineren Werten hin zu groberen, um dann nach einem gewissen Maxi- mum wieder kleiner zu werden. Auch hier liegt die antere

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#ber das kryoskopische VerAalten krystallisierter Acetylcellulosen. 11 1

Grenze meist nicht unbetrachtlich unterhalb der fur eine C,-Molekel, wenngleich unverkennbar ist, dad die Molgewichte im groflen und ganzen um diese Grenze herumpendeln.

Das Verhalten der beobachteten Schwankungen bei Qegenwart von Luft kann verstandlich gemacht werden, wenn wir das Verhalten des Losungsverlaufes bei AusschluD von Luft mit betrachten (vgl. Fig. 5). Offenbar setzt bei den Bestimmungen in Luft nach dem warmen Auflosen mit der Zeit zunachst eine Assoziation ein, wie wir sie auch bei Ab- wesenheit von Luft beobachten. Wahrend aber bei Abwesen-

Fig. 4.

heit von Luft die Assoziation bald eine vollkommene wird, scheint im Falle von Luftgegenwart , vielleicht durch weitere Aufnahme von Luft die Assoziation wieder gestort zu werden, so da8 die Molekule wieder kleiner werden. Wir mochten aber hervorheben, daD sich etwas Sicheres iiber den Kurvenverlanf bei Luftgegenwart wohl nicht aussagen la&.

Fig. 4 zeigt den Verlauf, wenn bei den angedeuteten Punkten a, b, c, d, e 2 Stunden auf 60° erwlrmt wird.') Man erhiilt dann einen Verlauf, der einem kombinierten Verhalten in den Kurven 2 und 3a, 3b entspricht.

*) Der Kurvenabschnitt nech dem Erwiirmen ist immer gestrichelt.

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112 H e s s und S c h u l t z e ,

b) Yersuche iiler die Gasabsorption von Crlluloseacerat-Eisessiy- 1i;sungen.

Nachdem wir durch die Unregelmafiigkeiten der Moleltular- gewichtsbestimmungen bei Luftgegenwart auf die Bedeutung der Gasatmosphare, in der die Molekulargewichtsbestimmungen ausgefuhrt wurden, aufmerksam geworden waren, und wir auch in Wasserstoffatmosphare keine sonderlich besseren Resultate erhalten hatten, haben wir Eisessiglosungen von Celluloseacetat auf ihr Gasbindungsvermogen gepruft.

Zu diesem Zweck benutzten wir die von G. Jus t ' ) beschriebene Ver- suchsanordnung zur Bestimmung der Gasliislichkeit orgaoischer L6sungs- mittel, die wir fur unsere Versuche fast ohne Ablnderung ubernehmen konnten. Das bei J u s t angegebene AbsorptionsgefiiB B haben wir am unteren Hahn mit dem Einfillrohr, nicht durch Gummi, sondern durch Schliff verbunden und dadurch die Beruhrung von Eisessig mit Gummi vermieden. AuBer- dem haben wir das GefaB B in einem Thermostaten so montiert, daB es durch eine mechanische Schuttelvorrichtung standig geschiittelt werden kann.

L)a es uns auf die Differenz der Gasabsorption von gut gereinigt em, ii blich in Schliffflaschen gelagertem Eisessig und der Losung von Acetylcellulose darin ankam, haben wir die Gasabsorption von langer gelagertem reinen Eisessig bestimmt und dann die Gasabsorption einer eiitsprechenden Acetatlosung. Zur Orientierung bringen wir auch einige Bestimmungen vor- her vollstandig entgaster Losungen. Zusammenfassend 1aSt sich hervorheben, dafi die Acetatlosungen nicht unwesentlich mehr Gas aufnehmen, als reine Eisessiglosungen. W ahrend voll- standig entgaster Eisessig sich in wenigen Stunden beim Schiitteln mit Gas der Temperatur entsprechend vollstandig sattigt, verlauft die vollstiindige Absorption von Acetatlosungen wesentlich langsamer. Es bedarf zur vollstandigen Sattigung dabei mehrerer Tage. Die Berechnung der Absorptionswerte erfolgte nach der von J u s t benutzten Formel.

Versuche xur Kohlensaureabsorption in ausgekochtem Eisessig. 1 a) 133,5 ccm entgaster Eisessig nahmen bis zur Sattigung bei 22O 920 ccm Kohlensaure auf, d. i. eine Gasaufnahme von 4,80 Vol. (Versuchsdauer 3 Stunden, Kontrollablesung nach 24 Stunden.) 2a) 45 ccm entgaster Eis- essig nahmcn bis zur Sattigung bei 21° 282 ccmKohlensaure auf, d.i. eine Aufnahme von 4,88 Vol. 3a) 55 ccm entgaster Eisessig nahmen bis zur Sattigung bei 24O 274 ccm CO, auf, d. i. eine Aufnahme von 4,66 Vol.

I) G. J u s t , Z. phys. Ch. 37, 344 (1901); v g 1 , a u c h O s t w a l d - L u t h e r , Physiko-chemische Messungen, 4. Aufl., S. 287-289.

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Uher das kryoskopische 7eerhalten krystallisierter Acetylcellulosen. 113

Ein Versuch, der 5 Tage lang geschuttelt wurde, ergab wahrend dieser Zeit nur eine sehr geringfugige Gaszuuahme gegeniiber der Absorption innerhalb der ersteu 3 Stunden.

VersucRe m r Kohlensaureabsor~~lio?~ in Auf liisungen eon Celldoseacetat in ausgekochtem Eisessig. 1 b) Benutzt wurden 54 ccm einer anniiherndl) 0,2-proc. Acetatliisung, die durch Aufloscn von 20 g krystallisiertem Diacetat in 1 Liter entgasten Eisessig hergestellt worden war. Hierbei war in die noch warme entgaste Eisessigliisung das Acetatpraparat, das wir einem Hochvakuumexsiccator unmittelbar entnommen hatten, eingetragen worden und zur vollkommenen Entgasung der Liisung nochmals 3 Stunden eva- kuiert wordcn. Diese Liisung nahm dann bis zur SLttigung bei 20° 360 ccm Kohlensaure auf, d. i. eine Gasaufnahme von 6,15 Vol. (Versuchsdauer 4 Tage). 2 b) 55 ccrn der gleichen Liisung nahmen in einem neuen Versuch bei 22O unter sonst gleichen Umstiinden bis zur Sattigung 348 ccm Kohlen- saure auf, d.i. eine Gasaufnahme r o n 5,75 Vol.

Aus Versuch la ) und 2b) ergibt sich eine Mehraufnahme an Kohlen. saure von 0,95 Vol. fur die Celluloseacetatliisung, d. h. in 100 ccm einer O,2-proc. Celluloseacetatliisung sind bei 22 0,1743 g Kohlensaure durch das Celluloseacetat gebunden enthalten.

Qersuche xur Sauerstoffabsorption i~ Eisessig und Eisessig - Cellzclose- acetatlosung. 1 a) 323,5 ccm eines ublich gelagerten Eisessigs nahmen bis zur Silttigung bei 190 noch 1 ccm Sauerstoff auf, d. i. eine Gasaufnahme von 0,003 Vol. 1 b) 323,5 ccm einer anniihernd 0,2 -proc. Celluloseacetat- liisung, hergestellt durch Auflosung von 20 g krystallisiertem Aaetat?) in ublich gelagertem Eisessig nahmen bis zur Silttigung bei 20° 84,s ccm Sauerstoff auf, d. i. eine Gasaufnahme von 0,264 Vol (Versucbsdauer 4 Tage).

2 b) 323,5 ccm der gleichen Ansgangsliisung nahmen bis zur Sattigung bei 19O 87,2 ccm Sauerstoff auf, d. i. eine Gasaufnahme von 0,268 Vol. Das AbsorptionsgefaB wurde nach Beendigung der Absorption (4 Tage) 2 Stunden auf 60° gebracht und dann auf die ursprungliche Thermostaten- temperatur abgekuhlt. Wir erhielten dann ein unverlndertes Absorptions- vcrmiigen.

Aus Versuch l a nnd 2b ergibt sich eine Sauerstoffmehr- aufnahme von 0,265 Vol. fiir die Celluloseacetatlosung, d. i. in 100 ccm einer 0,2-proc. Acetatlosung sind bei 19O 0,0035 g Sauerstoff durch das Cellnloseacetat gebunden enthalten.

c) Kryoskopische Bestimmuny 6ei mGglichsiem Anschlup von Luft. Der fur die kryoskopischen Bestimmungen hier verwendete Apparat

ist durch Fig. 1 wiedergegeben. Die Vorrichtung entspricht grundsatzlich dem von B e c k m a n n angegebenen Modell mit magnetisch bewegtem Ruhrer. Die Verschlus3e b und c sind indessen durch geeignet angeblasene

I) Der genaue Gehalt wurde nacb der Absorption gewichtsanalytisch

2, Das Praparat war auch einem Vakuumexsiccator entnommen.

-

bestimmt und ergab sich zu 0,198 Proc.

Annalen der Chemie 448. Band. 8

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114 H e s s uiid S c h u l t z e ,

Glasbehllter gegen Luftzutritt unter Quecksilber gesetzt, was bei sonst ge- schlossener Apparatur ein vieltigiges Halten eines Hochvakuums ermoglicht. a ist eine angeschmolzene Capillare, die so lang gewahlt ist, um moglichst viele Bestimmungen hintereinander vornehmen zu kSnnen. d ist ein die Substanz aufnehmendes Platinschiffchen (Mikroform), das auf einem kleinen Rost von Platindraht ruht, der verhindern soll, daS das Schiffchen durch kondensierten Eisessigdampf an der Glaswand festklebt. Im iibrigen sind die Dimensionen des GefriergefiSes so gewahlt, daB das Schiffchen zwischen Riihrer und Glaswand bequem bis auf den Boden fallen kann.

Die Molekulargewichtsbestimmungen fubrten wir in der Weise aus, daS der ublich gereinigte und ublich gelagerte Eisessig zunachst in das Gefriergef&S durch b eingegeben wurde. Nachdem dann die abgewogene Menge Substanz in dem Platinschiffchen an die in der Figur gekennzeich- nete Stelle eingebracht war, wurde das GefaS von der Capillare aus bei

Fig. 5.

Zimmertemperatur etwa 10-15 Min. lang bei bewegtem Riihrer im Wasser- strahlvakunm entgast. Nach der darauffolgenden Abkiihlung des Eisessigs auf - 100 wurde noch etwa Stunde an der Hochvakuumpumpe evakuiert und darauf die Capillare a abgeschmolzen. In der ubliehen Weise wurde der Gefrierpunkt des Eisessigs bestimmt, der erst nach mehreren Stunden konstant ist. Die auffallende Dauer bis zur Errcichung der Konstanz ist vermutlich auf cinen Ausgleich mit dem Gasraum zurilckznfiihren, der wahr- scheinlich durch die meist lange Capillare erschwert ist. Durch sorgfgltiges gleichmiiSiges Arbeiten (gleiche Badtemperatur, gleiche Ruhrgeschwindig- keit, gleichmaSiges Auftauen) ist bei einiger Ubung eine vollig gleich- bleibcnde Unterkiihlung zu erreichen. 1st der konstante Gefrierpunkt des Eisessigs festgestellt, der dann mehrere Tage lang, wie wir priiften, konstant bleibt, so wird durch Neigen des Apparates das Schiffchen in den Eisessig gestoben, wobei zu bemerken ist, da6 sich die Sub- stanz im Schiffchen durch den Eisessigdampf bereits mit Eisessig genetzt hat, so da8 die Auflosung in Eisessig verhaltnismaBig schnell vor sich geht. Nach der Bestimmung der Depression, die jedeamal als Mittelwert

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ober das lwyoskopische Perhalten krystallisierter Acetylcellulosen. 115

von 6-8 Ablesungen ermittelt wnrde, wurde die genaue Konaentration durch Abdunsten von 10 ccm LSsung im Vakuum und Wiigung des ge- wichtskonstanten Ruckstandes festgestellt.

Aus Raummangel verzichten wir darauf, alle durchgefiihrten Bestimmungen, die iiber 100 betragen, detailliert wiederzugeben. Wir fuhren im folgenden zur Orientierung hauptsachlich l) nur die Beispiele an, die der graphischen Darstellung der Fig. 5 entsprechen.

- Konzentration

in Proc.

- 0,048

0,099

0,166

0,209

0,312

Zeit nach dem Einwerfen des

Schiffchens Stunden

3 6

21

15 21

1 2 36 60 63 66 68 70

3 36 48 45

12 16 1s 33 42 44 46

- __

A

- __

0,0085 0,009 0,000

0,013 0,015

0,020 0,026 0,026 0,024 0,024 0,0265 0,026

0,0295 0,030 0,0295 0,0305

0,026 0,038 0,039 0,042 0,0395 0,oo 0,oo

- __

Mo1.- Gew.

__ ~

220 208 m

297 858

323 248 248 269 269 244 248

276 236 276 267

468 320 312 290 309 m W

Besondere Bemei-kungen

1 Stunde auf 60° erhitzt

1 Stunde auf 60° erhitzt

1 Stunde auf 60° erwarmt

1) Die mit * versehenen Konzentrationen sind in der Fig. 5 nicht mit aufgenommen.

8*

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116 Hess und Schul t ze ,

Fortsetznng.

Konzentration Zeit nach dem Einwerfen des I Mol

0,509

0,645*

0,991 *

5 0,057 15 , 0,064 53 0,059 68 0,000

12 0,045 15 0,000

10 0,000 6 0,065

350 310 336 OD

~ 559

l a , I 594 N O D

Besondere Bemerknngen

- - - .-- ---___ __

3 Stunden auf 60° erhitzt

Wie die graphische Darstellung in Fig. 5 in guter Uber- sicht erkennen lafit, liegen bei LuftausschluS die niedersten Werte der MoLGewichte so scharf urn die theoretische Grenze von 255, daD an der Stichhaltigkeit einer tatsachlichen mono- molekularen Auflosung nicht gezweifelt werden kann. Von be- sonderem Interesse scheint nur noch der Hinweis, daS ein Er- hitzen auf 60° auf den Verlauf der Moleknlargewichtsknrve keinen erkennbaren EinfluS mehr hat,.

11. K r yo s k o p is c he B e s t i m m u n g v o n C el l u l o s e t r i a c e t a t i n E i ses s ig .

In genau derselben Weise, wie voranstehend beschrieben ist, haben wir das Molekulargewicht fur Cellulosetriacetat be- stimmt. Versuche bei Gegenwart von Luft fiir Cellulose-

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Uber das kryoskopische Yerhalten krystallisierter Acetylcellulosen. 117

triacetat A sind bereits von H e s s nnd Wel tz ien l ) beschrieben worden. Wir konnten das dort angegebene Verhalten auch fiir andere Praparate von Triacetat bestatigen. Fig. 6 gibt das Verhalten im normalen B e c km a nnschen Apparat in

Fig. 6.

seinem zeitlichen Verlauf wieder bei einer Anflosung bei zu- nachst 60° (2 Stunden). Im evakuierten Gefriergefafi beob- achteten wir ein vollstandig dem Cellulosediacetat entsprechen- des Verhalten (vgl. Fig. 7). 2, Die beobachteten Depressionen hielten sich in Ltisungskonzentrationen von etwa 0,05-0,5 Proc. lLiigere Zeit auf einer Hohe, die exakt dem Molekulargewicht fiir ein Triacetylglucoseanhydrid entsprach.

111. K r y o s k o p i s c h e B e s t im m u n g v o n L i c he n i n a c e t a t i n E i ses s ig .

Das Lichenin, das zur Herstellung des Acetates benutzt wurde, entstammte der Flechte Cetraria islandica, von der wir uns Proben von zehn verschiedenen Firmen in Deutschland

l) K. H e s s u. W. W e l t z i e n , A.436, 55, 61 (1923). a) Untersucht wurden bisher Cellulosetriacetat A und Praparate von

Cellulosetriacetat, die durch vorsichtiges Nachacetylieren von Cellulose- dincetat- Priiparaten mit Chlorzink-Essigsliureanhydrid erhalten worden wnren.

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118 H e s s und S c h u It z e ,

und der Schweiz verschafft hatten. Aus diesen Materialien war das Lichenin einerseits in der ublichen Weise durch Aus- kochen, andererseits nach sehr sorgfaltig gefiihrten Aufschliissen, sowohl mit Chlor als auch nach der Methode von E. S c h m i d t mit Chlordioxyd erhalten worden und vor der weiteren Ver- arbeitung weitgehenden Trennungsoperationen, iiber die wir an anderem Orte l) berichten werden, unterworfen worden. Der-

0 W .W M ldlM YY, JW 4W 4% mSS0 6w 69 A21 M iWw(yw, 9& 7% rno/-cem& be/ u 6 cde / &-&m?ung uuf 600

Fig. 7.

artige Prlparate, die wir durch ihre Drehwerte in Kupfer- amminlosung charakterisieren konnten, wnrden mit der zehn- fachen Menge Essigsaureanhydrid, dem auf j e 1 g Snbstanz 1 Tropfen konz. Schwefelsaure zugesetzt war, iibergossen und bis zum eben beginnenden Sieden erwarmt. Dann erfolgte die

*) Eine Abhandlung, die in der Bio. Z. erscheinen wird, ist in Vor- bereitung.

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Uber das kryoskopische Pel-halten krystallisierter Acetylcellulosen. 119

Acetyliernng schnell und war bis auf wenige griibere Anteile vollstandig durchgefuhrt. Die Ausbeute an Acetat ist nahezn quantitativ. Durch EingieSen derartiger Ansatze in Wasser, abfiltrieren, trocknen erhielten wir die Licheninrohacetate, die wir dam einer eingehenden Fraktionierung zunachst aus Chloro- form und Ather, dann aus Benzol und Alkohol unterwarfen. Hierbei lie13 sich ein Hauptanteil in einer Susbeute von etwa 75 Proc. d. Th., bezogen auf das Licheninrohacetat, geminnen, das auch nach oft wiederholter Fraktionierung den konstanten Ureh- wert von [a]D= - 35,5O beibehielt. Dieses Licheninacetat ist ein schneeweiles Pulver, das unter dem Mikroskop keiiie doppel- brechenden Teilchen erkennen 1L13t. Der gnalyse nach hat es die Zusammensetzung eines Triacetates.

0,1110 g Subst.: 19,60 ccm Ba(OH), (f = 0,05878).') Essigsilure Ber. 62,51 Gef. 62,32.

I n krgoskopischer Beziehung verhalt sich das Lichenin- acetat weitgehend analog dem .Celluloseacetat. Fig. 8 gibt

Ce//u/osetr/acetat und Lkhemhacetdt /in Uakuum 60

Q 50

* 8

2 40 9 30

.\ 20

50 700 750 200 250 300 350 400 450 500 S50 600 650 700 7S0 OL---+ l/chemnacetdt -

i fu molqeu - - - - - Ce//u/mehacetat

Fig. 8.

zwei Molekulargewichtskurven wieder, die bei Gegenmart von Luft in derselben Weise, wie die der Fig. 4 fur Cellulosediacetat erhalten wurden. SchlieSt man den Luftsauerstoff aus, so ent-

l) Bestimmt nach I(. Hess u. W. Weltsien, A. 4%, 64ff. (1923); 443, 110 (1925).

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120 I i e s s und S c h u l t z e , tfber das kryoskopische Verhalten usto.

sprechen die Depressionen in einem Losungsbereich von 0,2 bis etwa 1 Proc. einem Molekulargewicht von 288, das sich auch in bezug auf die bei den Celluloseacetaten beobachteten Assoziations- erscheinungen ahnlich verhalt (vgl. Fig. 7). Einen gewissen Unterschied gegenuber dem Verhalten der Celluloseacetate be- merkten wir einerseits in einer zwar erheblich leichteren Los- lichkeit, andererseits aber in einer nach der Auflosung recht schnell einsetzenden Assoziation beim Stehen der Losung. Vgl. die Lagen der Kurven voii Lichenintriacetat mit denen von Cellulosetriacetat in Fig. 7.

(Geschlossen deu 2. Mai 1926.)