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Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 158, 27--29 (1975) © by J. F. Bergmann, Miinehen 1975 [Jber das Nichtvorkommen yon Propions/iure in Roggen- und Mischbrot Erich Lick, Helmut Oeser, Karl-Heinz Remmert und Josef Sabel ttoechst Aktiengesellsehaft, Frankfurt/N (BRD) Eingegangen am 1. Oktober 1974 On the Nonexistence of Propionic Acid in Various Kinds of Breads Summary. Analyses of 45 samples of sour dough and various kinds of bread have shown that no appreciable amounts of propionic acid are formed during sour dough fermentation. Bread has no natural propionic acid content. Zusammen/assung. Untersuchungen an 45 Proben Sauerteig und Brot versehiedenster Art, insbesondere Roggen- und Mischbrot ergaben, dM3 bei der Sauerteigggrung keine nennenswerten Mengen an Propionsgure entstehen und das Brot keinen natfirliehen Gehalt an Propionsgure auf- weist. Einleitung Es ist gelegentlich angenommen worden, dab Roggen- und Roggenmischbrot natiirlicher- weise unter Umst~nden Propions~ure enthalten kann. Nachdem die Rohstoffe ffir die Brother- stellung, Mehl, Wasser und KochsMz, frei yon Propionsiiure sind, wurde es fiir m5glich gehalten, dab der zur Teiglockerung verwendete Sauerteig spontan Propions~ure bildet. Diese Vermutung ist auf den ersten Blick keineswegs abwegig; weiB man doeh, dal3 die Sauer~eigflora neben gewissen Aromastoffen and Kohlendioxid organische S~uren bildet, die ffir den Geschmack und die Halt- barkeit des Sauerteigbrotes maBgeblich sind. Die Hauptvertreter dieser S~urekomponenten sind Milchs~ure and Essigs~ure. Die G~rung liefert daneben wahrscheinlich weitere S~uren. Weil Pro- pions~ure ein Homologes der Essigs~ure ist, war die Entstehung yon Propions~ure bei der Sauer- teigg~rung nicht yon vornherein auszuschlieBen. Der Propions~ure k~me deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sic yon den genannten S~uren die sti~rkste antimikrobielle Wirknng hat. Man hat konsequenterweise versucht, Sauer- teigkulturen zu ziichten, die besonders reich an Propions~urebakterien sind. Solche Kulturen k6nnten, wenn sic genug Propions~ure bilden wfirden, den Zusatz yon Propionaten oder anderen Schimmelverhfitungsmitteln zu Brotteig fiberfliissig machen. Reinzuchtsauer und Sauerteige mit dem Werbespruch ,,garantiert keinen Brotschimmel mehr" werden auch tats~chlich im Handel angeboten, obwohl das damit gebackene Brot, wie eigene Versuche gezeigt haben, ebenso schnell schimmelt wie Kontrollen aus normalem Sauerteig. Offenbar sind die gebildeten Mengen an kon- servierend wirksamer Milchs~ure, Essigs~ure und Propions~ure (?) doch zu gering, um die Be- dfirfnisse der industriellen Brothersteller zu befriedigen. Man setzt datum nach wie vor dem Brot Konservierungsstoffe zu, vor allem Propionate und/oder Sorbins~ure, auch dem Sauerteigbrot. Bestimmung yon Propionsiiure im Brot W~hrend die S~urebildung insgesamt durch fibliche S~uregradbestimmung keine Schwierig- keiten macht, war es frfiher nicht einfach, die einzelnen S~urekomponenten ffir sich mengenm~fiig zu erfassen. Ein besonderes Problem lag in der Abtrennung der Propions~ure yon anderen fliichti- gen S~uren, vor allem yon Essigs~ure. Man bediente sich dazu frfiher der Methode der Mehrfach- destillation [1]. Dabei wurden die S~uren durch Wasserdampfdestillation aus dem Brot isoliert, iiber die Bariumsalze gereinigt und einer zweifachen Destillation unterworfen. Die dazu benutzte Apparatur muBte zuvor mit reinen Essigs~ure- und Propions~ure-L5sungen geeigneter Konzen- trationen geeicht werden. Die Titrationsergebnisse bei der Neutralisation der Destillate mit Lauge ergaben aufgrund der unterschiedlichen Flfichtigkeiten beider S~uren die ~5glichkeit, den GehMt an Essigsi~ure und Propions~ure rechnerisch zu ermitteln. Die notwendige 1%echengleichung ist in ihrer Aussagekraft streng auf die benutzte Apparatur limitiert. Das Verfahren setzt welter voraus, dab die Untersuchungsproben neben Essigs~ure und Propions~ure keine nennenswerten ~engen anderer wasserdampfflfichtiger S~uren enthalten. Die Notwendigkeit der Umrechnung der Titrationswerte in die Gehalte an Propions~ure und Essigs~ure durch zwei GIeichungen hat zur ~Folge, dab Propions~Lure selbst dann in sehr erheb- lichen Mengen angezeigt wird, wenn sic fiberhaupt nicht vorhanden ist und die Untersuchungs- 15sung nur Essigs~ure enth~lt. Die Methode ist darum nur brauchbar, wenn ein Brot tats~chlich Propions~ure in nennenswertem AusmaB enth~lt, wenn diese also z. B. zum Zwecke der Konser- vierung zugesetzt worden ist.

Über das Nichtvorkommen von Propionsäure in Roggen- und Mischbrot

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Page 1: Über das Nichtvorkommen von Propionsäure in Roggen- und Mischbrot

Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 158, 27--29 (1975) © by J. F. Bergmann, Miinehen 1975

[Jber das Nichtvorkommen yon Propions/iure in Roggen- und Mischbrot

E r i c h L i c k , H e l m u t Oeser, K a r l - H e i n z R e m m e r t u n d J o s e f Sabel

ttoechst Aktiengesellsehaft, Frankfurt /N (BRD)

Eingegangen am 1. Oktober 1974

On t h e N o n e x i s t e n c e of P r o p i o n i c Ac id in Var ious K i n d s of B r e a d s

Summary. Analyses of 45 samples of sour dough and various kinds of bread have shown that no appreciable amounts of propionic acid are formed during sour dough fermentation. Bread has no natural propionic acid content.

Zusammen/assung. Untersuchungen an 45 Proben Sauerteig und Brot versehiedenster Art, insbesondere Roggen- und Mischbrot ergaben, dM3 bei der Sauerteigggrung keine nennenswerten Mengen an Propionsgure entstehen und das Brot keinen natfirliehen Gehalt an Propionsgure auf- weist.

Einleitung Es ist gelegentlich angenommen worden, dab Roggen- und Roggenmischbrot natiirlicher-

weise unter Umst~nden Propions~ure enthalten kann. Nachdem die Rohstoffe ffir die Brother- stellung, Mehl, Wasser und KochsMz, frei yon Propionsiiure sind, wurde es fiir m5glich gehalten, dab der zur Teiglockerung verwendete Sauerteig spontan Propions~ure bildet. Diese Vermutung ist auf den ersten Blick keineswegs abwegig; weiB man doeh, dal3 die Sauer~eigflora neben gewissen Aromastoffen and Kohlendioxid organische S~uren bildet, die ffir den Geschmack und die Halt- barkeit des Sauerteigbrotes maBgeblich sind. Die Hauptvertreter dieser S~urekomponenten sind Milchs~ure and Essigs~ure. Die G~rung liefert daneben wahrscheinlich weitere S~uren. Weil Pro- pions~ure ein Homologes der Essigs~ure ist, war die Entstehung yon Propions~ure bei der Sauer- teigg~rung nicht yon vornherein auszuschlieBen.

Der Propions~ure k~me deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sic yon den genannten S~uren die sti~rkste antimikrobielle Wirknng hat. Man hat konsequenterweise versucht, Sauer- teigkulturen zu ziichten, die besonders reich an Propions~urebakterien sind. Solche Kulturen k6nnten, wenn sic genug Propions~ure bilden wfirden, den Zusatz yon Propionaten oder anderen Schimmelverhfitungsmitteln zu Brotteig fiberfliissig machen. Reinzuchtsauer und Sauerteige mit dem Werbespruch ,,garantiert keinen Brotschimmel mehr" werden auch tats~chlich im Handel angeboten, obwohl das damit gebackene Brot, wie eigene Versuche gezeigt haben, ebenso schnell schimmelt wie Kontrollen aus normalem Sauerteig. Offenbar sind die gebildeten Mengen an kon- servierend wirksamer Milchs~ure, Essigs~ure und Propions~ure (?) doch zu gering, um die Be- dfirfnisse der industriellen Brothersteller zu befriedigen. Man setzt datum nach wie vor dem Brot Konservierungsstoffe zu, vor allem Propionate und/oder Sorbins~ure, auch dem Sauerteigbrot.

B e s t i m m u n g yon Propions i iu re im Brot W~hrend die S~urebildung insgesamt durch fibliche S~uregradbestimmung keine Schwierig-

keiten macht, war es frfiher nicht einfach, die einzelnen S~urekomponenten ffir sich mengenm~fiig zu erfassen. Ein besonderes Problem lag in der Abtrennung der Propions~ure yon anderen fliichti- gen S~uren, vor allem yon Essigs~ure. Man bediente sich dazu frfiher der Methode der Mehrfach- destillation [1]. Dabei wurden die S~uren durch Wasserdampfdestillation aus dem Brot isoliert, iiber die Bariumsalze gereinigt und einer zweifachen Destillation unterworfen. Die dazu benutzte Apparatur muBte zuvor mit reinen Essigs~ure- und Propions~ure-L5sungen geeigneter Konzen- trationen geeicht werden. Die Titrationsergebnisse bei der Neutralisation der Destillate mit Lauge ergaben aufgrund der unterschiedlichen Flfichtigkeiten beider S~uren die ~5glichkeit, den GehMt an Essigsi~ure und Propions~ure rechnerisch zu ermitteln. Die notwendige 1%echengleichung ist in ihrer Aussagekraft streng auf die benutzte Apparatur limitiert. Das Verfahren setzt welter voraus, dab die Untersuchungsproben neben Essigs~ure und Propions~ure keine nennenswerten ~engen anderer wasserdampfflfichtiger S~uren enthalten.

Die Notwendigkeit der Umrechnung der Titrationswerte in die Gehalte an Propions~ure und Essigs~ure durch zwei GIeichungen hat zur ~Folge, dab Propions~Lure selbst dann in sehr erheb- lichen Mengen angezeigt wird, wenn sic fiberhaupt nicht vorhanden ist und die Untersuchungs- 15sung nur Essigs~ure enth~lt. Die Methode ist darum nur brauchbar, wenn ein Brot tats~chlich Propions~ure in nennenswertem AusmaB enth~lt, wenn diese also z. B. zum Zwecke der Konser- vierung zugesetzt worden ist.

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Wegen der Unzulgnglichkeit der Analytik ist es nieht verwunderlich, dab sich in der Literatur kaum konkrete Zahlenangaben fiber den scheinbaren natfirlichen Gehalt von Brot an Propion- sgure finden. Die einzigen hier relevanten Literaturstellen [2, 3] bringen darfiber hinaus keinerlei Hinweis auf die benutzte Analysenmethodik. Bemerkenswert ist schlieBlich, dab die beteiligten Analytiker nachtrgglich selbst Zweifel hinsiehtlich ihrer Befunde hegen [4] und neuerdings zum Ausdruck bringen, im Brot, sei es Roggenbrot oder Roggenmisehbrot, keine Propionsgure ge- funden zu haben [4]. Papierchromatographiseh war Propionsgure selbst dann nieht nachweisbar, wenn der Sauerteig Propionsgurebakterien enthielt [4].

Es erschien bei dieser Sachlage reizvoll, die frfiheren Befunde mit modernen Analysenmetho- den nachzuprfifen. Dazu bot sieh die Gasehromatographie an, die heute das Verfahren der Wahl zur Bestimmung von Propionsgure im Brot ist [5--7].

Eigene Versuehe Das zur Unte rsuchung bes t immte Brot wurde in der yon Antonacopou]os be-

schriebenen AHaaratur [8] der Wasserdampfdest i l la t ion unterworfen. Diese Appara tur macht es einfach, die Bedingungen zu erffillen, die ffir einen quan t i t a t iven Ubergang der Propionsgure in d~s Destil lat wich~ig sind [6, 9] :

Destillation aus kleinem Volumen. Destillation aus stark salzhaltigem Milieu (20g Kalium- oderSTatriumhydrogensulfat pro Ansatz). Destillation aus stark schwefelsaurem Milieu (1 ml 50°/oige Schwefelsgure pro Ansatz).

A rbeitsweise Aus jeweils 25 g Brot (nur Krume) 250 ml Destillat gewinnen. Zuvor war anhand reiner Pro-

pionsgurelSsungen festgestellt worden, daB unter den gewghlten Bedingungen die Propionsgure quantitativ fiberdestilliert. 50 ml dieses Destillates unmittelbar in den Gaschromatographen ein- geben. Die restliehen 200 ml Destillat alkalisch einstellen und in einem Spitzkolben am Rota- tionsverdampfer unter schwachem Vakuum trocknen [7]. Den Rfickstand in 8,5°/oiger Orthophos- phorsgure aufnehmen und in dieser Form in den Gaschromatographen spritzen.

Gaschromatographische Bestimmung an spiraligen :FfillkSrpersgulen yon 1 m Lgnge und 4 mm Innendurchmesser aus Glas, geffillt mit Porapak®, Typ Q, KorngrSBe 50--80 mesh. Detektor: Flammenionisationsdetektor, Trggergas Helium (StrSmungsgeschwindigkeit 60 ml/min); Arbeits- temperaturen 200 ° C im Dosierteil und im Detektor sowie 210 ° C im Sgulenraum. Aufgabevolumen

Tabelle 1. Gehalt yon Sauerteigen und Broten an Propionsgure

Bezeichnung der Probe Gehalt an Fropionsgure

im Destillat bestimmt (in %)

im eingeengten Destillat bestimmt (in %)

Toastbrot 1-- 2 Toastbrote eigener Herstellung ohne

Zusatz yon Calciumpropionat < 0,005 3 Toastbrote mit Zusatz yon 0,3O/o

Calciumpropionat < 0,23 4 Toastbrote des Handels mit

unbekanntem Zusatz an Caleiumpropionat < 0,24

Mischbrot 5--14 Mischbrote des Handels < 0,005

15 Mischbrote des Handels mit unbekanntem Zusatz an Calciumpropionat < 0,2

Reinzuchtsauer, Grundsauer und Sauerteige 16--25 Sauerteige aus Bgckereien und aus

dem Backmittelhandel < 0,005

Mit Sauerteig getriebene Roggen- u. Roggenmischbrote 26--29 Roggenmischbrote eigener

tterstellung < 0,005 30--45 Mischbrote des Handels < 0,005

< 0,0005

0,24

0,24

0,0005

0,22

0,0005

0,0005 0,0005

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bei 5 tzl, Papiergeschwindigkeit 2,54 cm/min. Die qualitative Zuordnung erfolgte fiber die Reten- tionszeit yon reinen Propions~urel6sungen in Wasser, die quantitative Bestimmung fiber Test- 15sungen in der vorliegenden GrSl~enordnung.

Erfassungsgrenze unter den gewiihlten Bedingungen bei reinen Propions~ure-LSsungen 1 ppm, im Brotdestillat unter Berfieksichtigung des st5renden Untergrundes etwa 5 ppm, d. h. umgerechnet auf Brot, 0,0050/o. Durch das Einengungsverfahren konnte die Nachweisgrenze um eine weitere Zehnerpotenz gesteigert werden; sie betr~gt hier 0,1 mg oder 0,00050/0, bezogen auf das Gewicht des Brotes.

In einer Voruntersuchung war zuniichst festgestellt worden, dal3 in einem Bereich yon 0,007-- 0,05°/o, umgerechnet auf Brot, der Gehalt yon reinen Propions~urelSsungen mit befriedigender Genauigkeit ermittelt werden konnte. Die Fehlergrenze lag im unteren Konzentrationsbereich bei maximal ± 10%, im h5heren Konzentrationsbereich darunter.

Ergebnis Tab. 1 gibt das Ergebnis der Unte r suchung yon 45 Proben verschiedener Her-

kunf t an. Die angegebenen Analysenwerte zeigen, dab Propions/~ure nur d a n n ge- funden wurde, wenn sie wg, hrend der Teigberei tung re_it zugegeben worden war, also in den Proben 3, 4 u n d 15. Alle anderen Proben, auch und insbesondere die unter- suchten Sauerteige, Reinzuehtsauer , Grundsauer u n d die un te r Verwendung dieser Vorprodukte hergestell ten Brote waren frei yon Propions/~ure. Dies gilt sogar ftir die Produkte, die mi t dem Hinweis in den Hande l gebracht werden, sehimmelverhi i tend zu wirken.

Literatur 1. Drews, E. : Brot Gebiick 9, 209 (1955); s. auch W. Diemair und W. Postel: Nachweis und Be-

stimmung yon Konservierungsstoffen in Lebensmitteln. S. 151.--153 Stuttgart: Wiss. Verlags- Gesellsehaft 1967

2. Pelshenke, P.F.: Getreide, Mehl, Brot 4, 257 (1950) 3. Sehulz, A.: Brot Geb~ck 13, 141 (1959) 4. Pers5nliche Mitt. yon A. Schulz vom 7. 1. 1974 und E. Drews vom 17. 1. ]974 5. Karasz, A. B., Hallenbeck, W. : J. Assoc. Offie. Anal. Chemists ,~, 4 (1972) 6. Graveland, A.: J. Assoc. 0ffic. Anal. Chemists 55, 1024 (1972) 7. Hadorn, H., Ziircher, K.: Mitt. Gebiete Lebensm. Hyg. 62, 339 (1971) 8. Antonaeopoulos, N.: Z. Lebensm. Unters.-Forschung l l ] , 113 (1960) 9. Brfimmer, J.-M.: Deut. Lebensm. Rundschau 69, 192 (1973)

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