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Uber das Tetraschwefeldinitrld, NzS4 Von MARGOT ChmHixc:. HANS HERB irnd HEISZ WISSEME:IER (Mit 1 Abhildung) Inhaltsubersicht KZS4 iat eine zieirilich .unhcstiindige, fesfe, durikelrotr Substanz, die bei 23" schmilnt. Die Verbindung ist loslich in vielen organischeii Liisungsrrritteln. N,S, ist diamagnetisch. Die mit.tlere Oxydationsstufe des Schncfrls in der Verbindung ist 7- 1.5. Aus Hydrolgsen- vermchen ergibt sich. daD N,S4 eine Hraktionsformel beaitzt, in der SchGefel in folgender Ladungsverteilung rorlianden ist: 1 Sat, 1 S*-'-, 2 So; N trigt die negatiw Ladung. Unter ncrurkeichtigung dew magnetischen Moments. des Ahsorptionmpektrumn und ' der Hy- drolysenvcrsuche wird rim Konst~itutintisforniel fiir N,S, vorgeschlagen. Keben dem Schrvefels tickstof f , N4 S , , dcr hi gewiil I II liclior Tem pera t iir fest ist, wurde immer wieder eine zweite Schwefelverbindung beschrie- ben, die eine dunkelrote, leiclit zu verflussigeride Substanz von ublem Geruch sein soll. MUTHBIAKX und CLEVER^) stellten diesen St.offi her, indem sie N,S, mit :ichwefelkohlenstoff oder mit anderm Liisungsmitteln erhitzten: sie hielten das Produlit fur N,S,. USHER^) gekvttnn den Stoff beim Erhitzen von N,S, mit Schn-efel; der Analyse nacth hiittc diese Substanz die Zusammcnsetzang A'S2. Die gleiche Verbindung stellte offenbar M~LUENIIAUE;R~) hi dcr Einwirkung st.iller elektrischer Ent- ladungen auf geschmolzenen Schwefel in Sticks1,offatmosphare dar. Die genaue Zusammensetzung dieser Schwefelstickstoff-Verbindung wurde von MEUWSEN~) ermittelt. MEC.W.SE:N st,ellte fest, da13 sich die Sub- stariz von MUT~IMANN und CLEVER durch Hochvakuumdest.illation 'reini- gen la13t und daB sie dann auf Grund von Analyse und Molekulargewichts- bestimmung die Formel N,S, hat. Das Zicl unserer Arbeit war es nun, einige weitere Eigenschaften dcs XzS, festzustellen, um zu versuchen. auf I) W. ML~THMANS 11. E. CLEVER, Z. ariorg. allg. Chcm. 18. 200 (1697). 2, F. 1,. USHER, J. chem. SOC. Imidon 1925, 730. 3, W. MOLDENHAUER, Ber. dtsrh. cheni. Ges. BJ, 2390 (1929). ') A.MEUWSEN, Angew.Chcm.59, lGi'(1947). A n m e r k u n p b c i d e r K o r r e k - t u r : Inzwischen ausfuhrlich verliffeiitlicht von A. MEUWSEN. Z. anorg. allp. Chern. 266, 250 (1951).

Über Das Tetraschwefeldinitrid, N2S4

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Uber das Tetraschwefeldinitrld, NzS4

Von MARGOT C h m H i x c : . HANS HERB irnd HEISZ WISSEME:IER

(Mit 1 Abhildung)

Inhaltsubersicht KZS4 iat eine zieirilich .unhcstiindige, fesfe, durikelrotr Substanz, die bei 23" schmilnt.

Die Verbindung ist loslich i n vielen organischeii Liisungsrrritteln. N,S, ist diamagnetisch. Die mit.tlere Oxydationsstufe des Schncfrls in der Verbindung ist 7- 1.5. Aus Hydrolgsen- vermchen ergibt sich. daD N,S4 eine Hraktionsformel beaitzt, in der SchGefel in folgender Ladungsverteilung rorlianden ist: 1 Sat, 1 S*-'-, 2 So; N t r ig t die negatiw Ladung. Unter ncrurkeichtigung dew magnetischen Moments. des Ahsorptionmpektrumn und ' der Hy- drolysenvcrsuche wird rim Konst~itutintisforniel fiir N,S, vorgeschlagen.

Keben dem Schrvefels tickstof f , N4 S , , dcr h i gewiil I II liclior Tem pera t iir

fest ist, wurde immer wieder eine zweite Schwefelverbindung beschrie- ben, die eine dunkelrote, leiclit zu verflussigeride Substanz von ublem Geruch sein soll. MUTHBIAKX und CLEVER^) stellten diesen St.offi her, indem sie N,S, mit :ichwefelkohlenstoff oder mit anderm Liisungsmitteln erhitzten: sie hielten das Produlit fur N,S,. USHER^) gekvttnn den Stoff beim Erhitzen von N,S, mit Schn-efel; der Analyse nacth hiittc diese Substanz die Zusammcnsetzang A'S2. Die gleiche Verbindung stellte offenbar M ~ L U E N I I A U E ; R ~ ) h i dcr Einwirkung st.iller elektrischer Ent- ladungen auf geschmolzenen Schwefel in Sticks1,offatmosphare dar. Die genaue Zusammensetzung dieser Schwefelstickstoff-Verbindung wurde von M E U W S E N ~ ) ermittelt. MEC.W.SE:N st,ellte fest, da13 sich die Sub- stariz von M U T ~ I M A N N und CLEVER durch Hochvakuumdest.illation 'reini- gen la13t und daB sie dann auf Grund von Analyse und Molekulargewichts- bestimmung die Formel N,S, hat. Das Zicl unserer Arbeit war es nun, einige weitere Eigenschaften dcs XzS, festzustellen, um zu versuchen. auf

I ) W. M L ~ T H M A N S 11. E. CLEVER, Z. ariorg. allg. Chcm. 18. 200 (1697). 2, F. 1,. USHER, J. chem. SOC. Imidon 1925, 730. 3, W. MOLDENHAUER, Ber. dtsrh. cheni. Ges. BJ, 2390 (1929). ') A.MEUWSEN, Angew.Chcm.59, lGi'(1947). A n m e r k u n p b c i d e r K o r r e k -

t u r : Inzwischen ausfuhrlich verliffeiitlicht von A. M E U W S E N . Z. anorg. allp. Chern. 266, 250 (1951).

M. COEHRINO, H. HERB u. H. WISSEMEIER, Das Tetraschwefeldinitrid, N,S, 339

Grund dieser Eigenschaften Hinweise a.uf die Konstitution der Verbin- clung zu erlialten.

Wir stellten N,S, dar, indem wir K,S, mit Schwefelkohlenstoff und etwas Schwefel etwa 2 Stunden la.ng im Autoklaven auf 100" bis 120" erhitzten. Nach dem Entfernen des Schwefelkohlenstoffs wurde aus den; Reaktionsgemisch das N,S, im Hochvakuum bei 60" bis 65" heraus- destilliert. . N,S, scheidet. sich in Form von dunkelroten Kristallen ab, die bei 23" schmelzen. Die unterkuhlte Schmelze hat eine Dichte d:? = 1,71. Die Substanz riecht intensiv und widerlich. Die Analyse und die Molekulargewichtsbestimmung ergab, da(J der so hergestellten Verbindung wirklich die Formel N,S, zukommt.

N,S, ist in reinei Form nur kurze Zeit haltbar. Es zersetzt sich schon bai 0" innerhalb von einigen Stunden merklich unter Bildung von Schwefel und N,S,. Bei hoheren Temperaturen ist die thermische Zer- setzung lebhafter ; b& 100" findet explosionsartiger Zerfall statt. unter Bildung von Schwefel und elementarem Stickstoff.

N,S, lijst sich in vielen organischen Lbsungsmitteln wie z. B. Ren- 201, Nitrobenzol, Hexan, Schwefelkohlenstof f, Tetrachlorkohlens€off Xther. In solchen Losungen ist N,S, bei tiefer Temperatur mehrere Stunden lang unzersetzt haltbar. In Alkoholen ist N,S, mal3ig liislich, in Wasser ist es unloslich. Mit Wasser tritt langsam Hydrolyse ein, die bei Gegenwart von Alkalien rasch verlauft ; gegen verdunnte Sauren ist N,S, recht bestiindig.

Aus N,S, und BF, lafit sich ein festes, ockerferbiges, sehr stabiles Addukt herst.ellen, das offenbsr die Zusammensetzung N,S, - 2BF, hat.

Die Oxydationsstufe des Schwefels im N,S, Quantitativ verlauft

die Umsetzung, wenn man sie in wasserfreier Ameisensaure als Losungs- mittel fur H J vornimmt. Es zeigt sioh, da0 nach dem Verdunneri mit Wasser 6 Atome Jod pro Mol N,S, vorhanden sind. Die Umsetzung en tspricht der Brut togleichung :

Auf Jodwasserstoff wirkt N,S, oxydierend.

N2S4 + 6 Hf - D J - + 3 J, + 4 S A 2NH, . ( 1 )

Die mittlere Oxydationsstufe des Schwefels im N,S, ist demnach 1,5.

Hydrolyse dw N,S, 1. U m s e t z u n g m i t A lka l i l auge . Starke Alkalilauge hydrolysiert

N,S, rasch und vollstiindig. Dabei geht der gesamte Stickstoff in NH,

240

iiber6); aul3erdem wird nach MEUWSEN') Sulfid und Thiosulfat ge- bildet. Wir brachten benzolische Losungen von N,S, mit v e r d un n t e r kalter Alkalilauge zusammen. Neben NH, bzw. NH: entstanden Schne- fel und wechselnde Mengen an Thiosulfstion, S,O,-, und Polythionation, S,O;-, S40,--, Spuren S60;-. In Tab. 1 ist das Ergebnis von 5 Hydro- lysenversuchen zusammengestellt. Wie man sieht, kann bei der Hydro- lyse unter unseren Versuchsbedingungen aus jedem Mol N,S4 maximal 1 Mol Thiosulfat oder maximal etwa 0,5 Mol Polythionat entstehen.

Zeitachrift far anorganische und sllgemaine Chemie. Band 267. 1952

Tabelle 1 U m s e t z u n g v o n N,S, m i t Alkal i lauge*)

Versuc hs- sei t min.

75 180 150

65 15

Angewandt

1,79 58,8 1,03 37,O 100

0,50 0.10 0.50 I ,oo 0.97

Gefunden mmol/mmol N,S, s*o, -

0,27 0,06 0,13 0.06 0,24

0,45 0,50 0.20 0,3 0,21

Polythionate bilden sich nacll unseren Erfahrungen 7 immer dann, wenn in wii13riger Losung S++ bzw. S:+ mit HSO; oder S,O,- zusammen- kommt. Die Tatsache, da.13 nach Hydrolyse von N,S, Polythionationen gefunden werden, schien uns demnach darauf hinzuweisen, daB unter dem EinfluB von OH- der Schwefel im N,S, teilweise zu S4+ und teil- weise zu Se+ polarisierbar ist. Mit Hilfe dieser Theorie laBt sich die Hydrolyse folgendermaflen beschreiben :

Der erste Schritt der Hydrolyse ist:

N,S4 + 4 H,O + S++ + HSO, + 2 S + 2 NH, + OH-. (2)

S++ und HSO; konnen dann, wie man aus anderen Umsetzungen von Derivaten des positiv zweiwertigen Schwefels weifla), rasch weiter reagieren :

S++ + 2 HSO, -P S,O; + 2 H + . (3)

6 ) Vgl. W. MUTHMANN u. E. CLEVER') und X. MEUWSEN~) . O) In Tabelle 1 bedeutet S,O; das gefundene S,O, + S,O, ; S , 0 6 bedeutet

7, Vgl. M. GOEHRINQ, Fortschritte d. chem. Forschung, im Druck. daa gesamte gefundene Polythionat (einschlielilich S,O;- ).

Vgl. z. B. M. GOEHRIKQ u. H. STAMM, Z. anorg. allg. Chem. 260, 56 (1942): M. GOEHRINO, Z. anorg. Chem. 258, 304 (1947); 0. Foss, Kgl. Norske Videnskabers Selskabs Skrifter 1945 Nr. 2 (1947); hf. GOEHRINQ, H. HERB u. W. KOCH, Z. anorg. allg. Chem. 964, 137 (1951).

M. GOEHRINO, H. HERB u. H. WISSEMEIER. Das Tetraschwefeldinitrid, N2S, 241

-4ul3erdem kann Thiosulfat entst.ehen:

2 Sf+ $- 6 OH- -+ SZO, + 3 HZO 9).

s + IISO, + s,o; - t- tI+'O).

Da.s Gesarntergebnis der Hydrolyse wird dadurch kompliziert, daB noch folgende Umsetzungen denkbar sind, die stark vom p,,-Wert der Lo- sung abhiingen :

S+t t S,O, - f HSO, -+ S,O, + H+7)8) (6)

S,O, ' t S,O, + H+ + S,O,, + HSO, (7)

S40, 4- S20, + H+ + S,O,- + HSO;"). (8)

Die gebildeten Polythiona.tionen sind nun ihrerseits gegenuber OH- be- kanntlich nicht bestandig, sondern sie setzen sich weiter um't):

u

2 SaOS + 6 OII- --t 5 S , 0 3 + 3 H 2 0

s,o, - "r s,o, + s. Reaktion (10) wird durch anwesendes S,O,-- sehr stark beschleunigt. Da bei der alkalischen Hydrolyse des N2S4 Thiosulfation entsteht, mu13 demnach etwa gebildetes S,O,- rasch wieder verschwinden. Aber aueh S,O,- wird drirch OH- abgebaut:

4 S,O, + 6 OH- + 5 S,O; + 2 S,O, + 3 H,O. (11)

Ein Zerfall des Trithionates kommt dagegen nur in stark alkalischen Losungen und bei langeren Versuchszeiten bzw. bei hoheren Tempera- t,uren in Frage.

Nach allen diesen Reaktionen sollten die Hauptprodukte der Hy- drolyse des N,S4 mit wenig Alkali sein: Thiosulfat, Trithionat und Tetrathionat neben Ammoniak. Nach der Theorie waren erforderlich an Schwefelatomen der einzelnen Oyxdationsstufen

zur Bildung von S40,--: 1 S*+, 2 S4+, 1 So (3), (5), (7) oder (5), (6), zur Bildung von S,O,--: 1 S*+, 2 S'+ (3), zur Bildung von SaO,--: 1 S4+, 1 $ 0 4 5 ) oder

2 sz+ (4).

Da die mittlere Oxydationsstufe von S im NaS4 + 1,5 ist, lag es nahe, an- zunehmen, daB von den 4 S-Atomen des N2S, einem die Oxydationsstufe

0 ) Vgl. M. GOEHRINO, Chem. Ber. 80, 113 (1947). 10) F. FOERSTER u. I(. VOOEL, Z. anarg. allg. Chem. 166, 161 (1926). 11) H. STAMM, 0. SEIPOLD u. M. GOERRIRO, 2. anorg. allg. Chem. 247, 277 (1941). 1') M. GOEFIRINO, W. HELBINO u. I. APPEL, 2. anorg. Chem. 964, 185 (1947).

242 Zeitschrilt fur anorganiwhe und allgemeine Chemic.. Haiid 267. 1 Y52

rnmoll HSO;

16)

18)

l,d 2,5 5,0 3,7 ,

+ 4, cinem zweiten die Oxydationsstufe f 2 und den heidcn restlichen die Osydatiomsstufe 0 zukomnien kiinnte. I h n n w8re z u verst.elien, d a 8 aus einem Mol K2S4 niit verdiinnter Alkalilauge hijchstens 1 Mol Thio- sulfat und 0,5 Mol Polytliionat. entstelien kiinnen la) .

4. U m s e t z u n g m i t HS'drogensulf i t -Lzjs i i r i f i . Wenn diese Theorie richtig war, so mulJte sich durcli Zusatz von Hydrogetisulfit zur Hydrolysenlijsung die Geschnindigkeit der Hydrolyse stark steigern lassen. Tatsiichlich reagiert I%& mit Hydro~ensulfit,lijsirng ritsch, wtih- rend die Zersetzung mit anderen neutralen Liisungsn unler Urnsttinden Tage da.uert. AurJerdem sollte sich die Ausbeute a n Tritliionation stark steigern Iassen, und zwar auf 1 Mol Trithionat bei der Hydrolyse von 1 Mol N,S,. Derin dann sollte nacli der primairen Reaktion ( 2 ) vor allem (3) hervortreten, wiihrend (4) unterdruclit werden mu8t.e. Die Bildung von S,O,- nach (5) sollte ebenfalls beschleunigt werden, wahrend die Gleichgewiehte ( 7 ) und (8) nach links verschuben wcrden muBten. Die komplizierte Hydrolysenreaktion sollte also durch Zusatz von HSO, auf die Umsetzungen ( 2 ) , (3), (5) [und in gcringetn AusmalJ ( 3 1 zuruck- gefuhrt werden. Bei Gegenwart vori Hydrogensulfition mufiten Thio- sulfat und Trithionat die Hauptreaktionsprodukte sein, wahrend Tetra- thionat nur dann auftretcn konnt.e, wenn der ~herschurJ an angewmdtern HSO, gering ist.

Bctrachtet man Ta.b. 2, so sieht man, da13 diese Yoraussagen erfiillt sind. Aus den Ausbeuten an den einzelnen Schwefel~,erbindungen IaBt

Tabelle 2 H y d r o l y s e von X2So b e i A n w e s e n h e i t . vori HSO:,

Gefunden Rerechnc t rnmoI/tnnioI N,S, niat rnniol A'$,

s,o, IS90,

1.3 2.0

. - _

0,6 1.9 ' 6 )

1.9 1.2 0, I 1,12 0.82 Is) 1.0 2.00 1 , l i 1,62 0.82 1.63 0.86

Angenand t ml mmol rnniol

niin. Wass. h',S, HSO,

Vers. ","~~;~ j Nr.

6 150 70 . 2,80 '4)

7 30 100 1,13 8 5 100 0,37 2,25 9 2 100 0,84 5,OO

10 20 100 1 ,74 10,OO 11 10 100 3,06 ]?,I0

pH

d,9 7,6 8 8,0

11,s 7.8

Is) In stark alkalischer I s s u n g rnul) dagegen neben S,O, + S - .> Si+ ; S$+ + 3 OH- + S-- + SO,

auch S--. - entstehen: + 3 H ' *).

*) A n r n e r k u n g b e i d e r K o r r e k t u r : DiePe Theorie steht in1 besten Ein- klanq rnit den neust.cn 1:ersuchen von A. MEcwstiN, Z. a.norg. allg.Chen1. '166. 254 (195 1).

Irn OberschuB; aber nicht, gcniessen. Ib) h'icht bcstimmt.

M. G O E H R I N ~ , € I . H E R B 11. H . WISSEMEIER, Das Tetraschwefeldinjtrid, N,S, 243

sich errechneu, wieviel Schwefel der einzelnen Oxydationsstufen aus N,S, zur Verfugung gestellt sein mufiten. Die Summe der Ausbeuten an S,O,- und.S40g- [entstanden nach (3) und ( 7 ) oder (6)] niul3te das angewandte S2+ ergeben. Die Summe der Ausbeuten an S,O,-- [ent- standen nach ( 5 ) ) und S,O,- [entstanden nach (6) oder (7) ] mufite das angewandte So erkerinen lassen. Berucksichtigt man schliel3lich die Tat- sache, dafi zur Bildung von jedem Mol Thiosulfa't ein Mol HSO,-, zur Bildung von jedem Mol Polythionat zwei Mole HSOy notwendig sind, so kann man aus dem Verbrauch von HS0,- einerseits und den Aus- beuten a n Thiosulfation und an Polythionaten andererseits errechnen, wieviel S4+ aus dem N,S4 entstanden ist. In Tab. 2 ist das Ergebnis tlieser Rechnungen eingetragen.

Die Versuche ergeben, dal3 N,S, eine Reaktionsformel besitzt, in der Schwefel in folgender Ladungsverteilung vorhanden ist : 1 S4+, 1 S*+, 2 So.- mittlere Oxydationsstufe + 1,5.

Die Reaktionstorrnei des NeS, Fur eine Substanz der Zusammensetzung N,S, sind eine ganze Reihe

von Formeln denkbar ( I bis VIJ) . Von diesen Formeln sind I1 und V unwahrscheinlich, da bei der Hydrolyse und bei der Reduktion mit HJ nur Ammoniak und nicht Hydrazin entsteht. Ebenso ist I V und V 36) unwahrscheinlich wegen der LadungsverteiIung. N ist nach PAULJNG elektronegativer als S, und dies wird ja auch durch die Hydro-

I1 1v

lyse bestiitigt,, bei der NH, und S-0-Verbindungen entstehen. I , 11, I V und V sollten ein anderes Verhalten bei der Hydrolyse erwarten lassen. I z. B. sollte mit Bisulfit an SteHe von 1 Mol Trithionat 3 Mole liefern.

la) V wiirde auaerdern der Regel von PAULIN und BROCRWAY von der Uoktiindig- keit von Verbindungen mit gleichsinnig geladenen benachbarten Atomen wideraprechen.

244 Zeitachrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 267. 1952

Unseren Forderungen von der Verteilung der positiven Ladungen auf den Schwefel werden am besten die Ringformeln V I und V I I gerecht. Von V I und VII gibt es natiirlicli mehrere mesomere Formen, von denen nur cine aufgeschricben ist. NaS, sollte also eine ganzlich andere Struk- tur haben als die entsprechende Sauerstoffverbindung IVzO,, hei dem Strukturen analog V 1 7 ) und analog 111 I * ) diskutiert werden, und das analog IV dissoziieren kann 10). Mit unserer Ansicht von der Struk- tur des N,S, ist das physikalische Vcrhalten, insbesondere das Abscrp- tionsspektrum rind das magnetische Verhalten gut zu yereinbaren.

Das Ahsorptionspt.kt,rum d w K?S, *O)

Losungen von N,S, in Heptan oder in n-Ol!tan zeigen im sicht- baren iind im ultravioletten Gebiet ein Absorptionsspektrum, das bereits fruher mitgeteilt worden ist * I ) , mit je einem Maximum hei 380 mp und 470 mp. Die Absorption folgt dem LAMBEHT-BEERSChen Gesetz; in

Losung ist also N,S, nicht in N2 04 Ionen oder Radikale, deren

t-\ I Menge von der Verdunnung ab- I \-qhp+o" hangt, dissoziiert. Die Lage des

/ ,, ; ;"Ather Spektrums ist unabhangig da- I #I von, ob man N,S, in einem

dipollosen oder in einem dipol- ' I' haltigen Losungsmittel betrach-

400 300 400 300 zoo tet. In Abb. 1 sind die im nahen Ultraviolett lieaenden Maxima

I-.

L'

._. ; # I :: -0J - - 86

A "

Abb. 1 . D i e A b h a n g i g k e i t d e s Absorp- der Absorptionsspektren t ionsapektrums v o n N,S, voni L o s u n y s - mit , te l im Verg le i ch m i t dem Verha l ten

des N,O,

N,S~ unh von N,O, fur Liisungen der Substanzen in verschiederien Losungsmitteln dargestellt. Man

sieht, dn13 das Spektrum des N,O, abhangig ist vom Liisungsmittel, das Spektruni des N,S, dagegen nicht. Nur eine Substanz, die weder in Radikale zerfallen kann noch selbst ein bctrachtliches Dipolmoment besitzt, liann ein Absorptionsspektrum besitzen, das unsbhangig. ist vom Dipolmoment des- Losungsmittels. Formel I11 und IV wiirden n i t diesem Verhalt.en nicht im Einklang stehen. Das Absorptionsspektrum

17) Vgl. z. B. C. K. INQOLD u. E. H. INQOLD, Nature 169, 743 (1947). I*) L. PAULINQ, The Nature of The Chemical Bond, London 1950. 18) Vgl. z. B. F. SEEL, Z. anorg. allg. Chem. 261, 75 (1950). 20) Vgl. U. FELDMANN, Disskrtation, Heidelberg 1941.

M. GOEHRINQ u. H.-W. KAL~EMEICOS, Z. anorg. allg. Chem. 263, 1.13 (1950).

hi. GOEHRINQ, H. HERB u. H. WISSEYEIER, Das Tet,rsschwefeldinitrid, NZS, 245

scheint uns vielmehr fur die durch Mesoinerie vollig symmetrische Form V I I zu sprechen.

Das magnetische Moment des N,S4 Das magnetische Verhalten des N,S, wurde durch F. WAGEN-

KNECHT untersuchtZ2). has4 ist diamagnetisch. Es ergab sich:

h g t man die Pascalschen Inkremente fur ,,S" und ,,N-Ring" zugunde, so sollte man erwarten xMo, = 69 - 10-6. Das magnetische Verhalten schlierjt eine Dissoziation des N,S4 in Radika.le, NS,, die pafamagnetisen sein miisten, aus.

Experimentelles

xe = -0,41 * lo*; i(Mol 2 64 * 104.

Die A n a l y s e des im Hochrakuum'dettillierten N,S, ergab 18,2; 17,O; 17,8% N (bestimmt nach Zersetzen der Substanz mit 30proz. Natronlauge als NH,) und 82,0Y0 S (bestimmt als BaSO, nach Oxydation mit H,O, in alkalischer Losung).

Fur N P S , berechnet sich: 17,9% N und 82,1% S. Das M o l e k u l a r g e w i c h t wurde kryoskopisch bestimmt. Die Apparatur muBte

dabei sorgfaltig vor Feurhtigkeit8zutrit.t geschutzt werden. Wir fanden mit Benzol als Lasungsniittel M = 155 (Mittelwert aus 7 Bestimmungen), niit Nitrobenzol a13 Losungs- mittel M = 160 (Mittelwert aus 2 Bestimmungen). Fur N,S, berechnet sich M = 156,3.

Zur H e r s t e l l u n g s d e s B o r t r i f l u o r i d - A d d u k t e s wurdeN,S,inreinem thiophen- freiem Benzol gelost. Durch diese Losung wurde langsam ein trocknerer Strom von BF, gelcitet. Aus einer 1-2proz. Losung yon N,S, schieden sich sehon nach kurzer Zeit schwarze Flocken ab. Wenn BF, unabsorbiert durch die Losung durchging, wurde der Versuch abgebrochen. Das Benzol wurde im Vakuum verdampft. Es blieb eine braune Masse zuruck, die mit kaltem Benzol gewaschen und sehlieBlich irn Vakuum bei 60" ge- trocknet wurde. Die 60 isolierte Substanz ist fest, sieht okerfarbig aus, ist praktisch ge- ruchlos und vollig bestandig. Erst bei 240" beginnt das Addukt sich zu zersetzen. Das Addukt ist unldslich in Wasser, verdunnten Sauren, Methanol, Tetrachlorkohlenstoff, Nitrobenzol; in siedendem Benzol ist es etwas loslich. Die Analyse ergab: 9,5; 9,7% N; 47,7; 46,2% S. Dides Ergebnis spricht fur N,S, * 2 BF,. Die Schwefelbestimmung ist bei Anwesenheit von B und F sehr ungenau.

Zur B e s t i m m u n g d e s O x y d a t i o n s w e r t e s wurde in einer mit CO, gefiillten Flasche 1 g K J in 50 ml wasserfreier Ameisensaure gelost. Eine Msung des N8S, in Benzol wurde eingetragen. Das Gemisch wurde bestimmte Zeiten lang geschuttelt. Dann wurde rnit Wasser verdunnt und das ausgeschiedene Jod titriertZ3). Bei Schuttelzeiten von 30 Minuten fanden wir 5,6 mat Jod auf 1 mmol N,S, (Mittelwert aus 7 Bestimmungen) bei Schiittelzeiten von 20 Stunden fanden wir 6, l mat Jod auf 1 mmol N,S,.

Zur Durchfuhrung der H y d r o l y s e wurde N,S,,in einigen ml Benzol gelost. Diese Losung wurde mit uberschussiger. vcrdunnter Natronlauge geschiittelt, bis die benzo- lische Msung farbloe war. Dies dauerte je nach dem Gehalt an NaOH 15-180 Minuten.

12) Wir danken Herrn Prof. R. JUZA dafur, daB er uns diese Messung ermoglichb. ¶s) Vgl. die ganz analoge Bestimmung fur N4S,; M. GOEHRINO, Chem. Ber 80,

._

110 (1947).

Z. anorg. all& Chemle. Bd. 967. 17 a

246 Zkitsohrift f t r anorganische und allgemeine Chemie. Band 267. 1952

Die Hydrolyse konnte in neutralem oder saurem Medium nicht studiert werden, da dann das N,S4 viele Stunden, u. U. Tage lang bestandig bleibt. Setzt man dagegen HSO, zu, 80 kommt man auch bei neutralen Losungen mit Schiittelzeiten von einigen Minuten BUS. Die wiillrige Analysenlosung wurde nach den Methoden yon KURTENACKER~) analytisch unbrsucht. Aus Tabelle 3 sieht man, daB man den gesamten Schwefel mit hin- reichender Genauigkeit analytisch erfassen kann.

Tabelle 3 H y d r o l y s e v o n N,S, bei G e g e n w a r t v o n HSO,

Angewandt mat S ah

Vers.

10 10,oo 7 , O O 11 12,lO I 12,25 __

I

3,7 1,44 1,20 0,90 - 2,52 3,50 2,79 8,4 - 4,96 5,65 4,23 1,6 17,O 3,70 10,O 7,9 4,6 24,4

I

Gefunden

16,4 26,2

Die H a l t b a r k e i t des reinen N,S, ist sehr gering. Uni N,S, in GlasgefiiBen iiber- haupt einige Zeit aufbewahren zu konnen, muB man die GefaBe zuvor mit konz. Phosphor. saure ausspiilen, dann mit Wasser auswaschen und schlieBlich gut trocknen.

*4) A. KURTENACKER, Analytische Chemie der Sauerstoffsauren des Schwefels, Stuttgart 1938.

Heidelberg, Chemisches Institut der Universitat.

( h i der Redaktion eingegangen am 21. September 1951.)