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Uber das Trischwefel-distickstoff-dioxyd. II Von MARGOT GOEHRING und JOACHIM HEINKE Mit 1 Abbildung Inhaltsiibersicht S,N, setzt sich mit Thionylchlorid urn. Ohne Zusatze entsteht bei der Reaktion Thiotrithiazylchlorid, S,N,CI ; bei Zusatz von SO, oder AsCI, entsteht jedoch Trischwefei- distickstoff-dioxyd, S,N,O,. Der Mechanismus der Reaktion konnte durch Verwendung yon mit S35 indizierten Reagentien verstandlich gernacht werden. In der ersten Mitteilung l) wurde berichtet, dalJ sich Schwefel- nitrid, S,lN4, oder Thiotrithiazylchlorid, S,N3C1, rnit SO, und Thionyl- chlorid zu gelbem festem S,N,O, umsetzen. Bei dieser Reaktion ent- stehen offenbar zunachst aus S4N4 oder S4N,C1 Radikale wie S,N, oder SN oder Ionen SN+ und SN-, die dann weiter reagieren. Es ist merk- wurdig, dalj xu der Bildung von S,N20, aus S4N4 irnmer OSC1, und SO, erforderlich waren. Der Mechanismus der Reaktion schien uns einer Klarung zu bediirfen. Wir versiichten zunachst, S,N4 mit SO, bei Abwesenheit von Thionyl- chlorid umzusetzen, urn festzustellen, ob Thionylchlorid ein notwendiger Reaktionspartner ist. Mit in indifferenten organischen Losungsmitteln gelostem oder mit verflussigtem Schwefeldioxyd reagierte Schwefel- nitrid nicht. Auch als wir Acetylchlorid als Losungsmittel verwendeten, entstand nicht S,N,O,, sondern unter anderem Acetamid, wahrend bei Verwendung von Sulfurylchlorid S4N4 und SO, zu Trithiazylchlorid, [NSCl],, reagierten. Zusatze von Phosphoroxytrichlorid und Chlorwasser- stoff konnten ebenfalls tine Bildung von S,N,O, SLUS S4N, und SO, nicht bewirken. Nachdem diese Versuche gezeigt hatten, da13 offenbar Thionyl- chlorid zur Bildung von S,N,O, ails S4N4 erforderlich ist, versuchten wir, S,N,O, ohne Verwendung von Schwefeldioxyd herzustellen. S4N4 reagierte rnit Thionylchlorid allein unter Bildung von Thiotrithiazyl- chlorid. Als wir neben Thionylchlorid auf S4N4 Phosphortrichlorid ein- l) M. GoEHRINa u. J. HEINKE, z. anorg. allg. Chern. 872, 297 (1953).

Über das Trischwefel-distickstoff-dioxyd. II

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Page 1: Über das Trischwefel-distickstoff-dioxyd. II

Uber das Trischwefel-distickstoff-dioxyd. II

Von MARGOT GOEHRING und JOACHIM HEINKE

Mit 1 Abbildung

Inhaltsiibersicht S,N, setzt sich mit Thionylchlorid urn. Ohne Zusatze entsteht bei der Reaktion

Thiotrithiazylchlorid, S,N,CI ; bei Zusatz von SO, oder AsCI, entsteht jedoch Trischwefei- distickstoff-dioxyd, S,N,O,. Der Mechanismus der Reaktion konnte durch Verwendung yon mit S35 indizierten Reagentien verstandlich gernacht werden.

In der ersten Mitteilung l) wurde berichtet, dalJ sich Schwefel- nitrid, S,lN4, oder Thiotrithiazylchlorid, S,N3C1, rnit SO, und Thionyl- chlorid zu gelbem festem S,N,O, umsetzen. Bei dieser Reaktion ent- stehen offenbar zunachst aus S4N4 oder S4N,C1 Radikale wie S,N, oder SN oder Ionen SN+ und SN-, die dann weiter reagieren. Es ist merk- wurdig, dalj xu der Bildung von S,N20, aus S4N4 irnmer OSC1, und SO, erforderlich waren. Der Mechanismus der Reaktion schien uns einer Klarung zu bediirfen.

Wir versiichten zunachst, S,N4 mit SO, bei Abwesenheit von Thionyl- chlorid umzusetzen, urn festzustellen, ob Thionylchlorid ein notwendiger Reaktionspartner ist. Mit in indifferenten organischen Losungsmitteln gelostem oder mit verflussigtem Schwefeldioxyd reagierte Schwefel- nitrid nicht. Auch als wir Acetylchlorid als Losungsmittel verwendeten, entstand nicht S,N,O,, sondern unter anderem Acetamid, wahrend bei Verwendung von Sulfurylchlorid S4N4 und SO, zu Trithiazylchlorid, [NSCl],, reagierten. Zusatze von Phosphoroxytrichlorid und Chlorwasser- stoff konnten ebenfalls tine Bildung von S,N,O, SLUS S4N, und SO, nicht bewirken.

Nachdem diese Versuche gezeigt hatten, da13 offenbar Thionyl- chlorid zur Bildung von S,N,O, ails S4N4 erforderlich ist, versuchten wir, S,N,O, ohne Verwendung von Schwefe ld ioxyd herzustellen. S4N4 reagierte rnit Thionylchlorid allein unter Bildung von Thiotrithiazyl- chlorid. Als wir neben Thionylchlorid auf S4N4 Phosphortrichlorid ein-

l) M. GoEHRINa u. J. HEINKE, z. anorg. allg. Chern. 872, 297 (1953).

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wirken lieBen, en tstand [NPCl,],. Als wir aber Arsentrichlorid und Thionylchlorid rnit S,N4 reagieren lieBen, fanden wir unter den Reak- tionsprodukten S,N,O,; und ebenso entstand etwas S,N,O, aus S4N4 und Thionylchlorid beim Einleiten von NO. Die Versuche zeigen, dalj die Reaktion ohne Zusatz von SO, durchgefuhrt werden kann; die Aus- beuten sind allerdings bei Verwendung von SO, besser als bei Zusatz von NO oder AsCI,.

Wir verwendeten nun zur Bildung von S,N,O, Tetraschwefel- tetranitrid, S4N4, SOC1, und rnit S35 markiertes SO,. In das entstandene Trischwefel-distickstoff-dioxyd war dann kein radioaktiver Schwefel eingebaut. Als wir aber S,N, rnit S35 enthaltendem Thionylchlorid bei Gegenwart von nicht radioaktivem SO, umsetzten, erhielten wir ein S,N,O,, das radioaktiven Schwefel enthielt. Der Schwefel des S,N,O, besal3 '1, der Aktivitat des Thionylehlorid-Schwefels. Daraus ergibt sich, darj zwei der Schwefelatome der S,N,O,-Molekel aus dem S4N4 stammen und ein Schwefelatom aus dem Thionylchlorid, wahrend das Schwefelatom des Schwefeldioxyds nicht in das S,N,O, eingebaut wird. Als wir das aktive S,N,S*O, mit einem Strom feuchten Stickstoffs be- handelten, wurde die Hauptmenge des in der Molekel vorhandenen, aus dem Thionylchlorid stammenden radioaktiven Xchwefels als Schwefel- dioxyd abgespalten :

2 S,N,S*O, + S,N, + 2 S*O,. (1)

Die Versuchsergcbnisse lassen sich folgendermarjen deu ten : Primar wird bei der Reaktion S,N, nach ( 2 ) gespalten. Dann kann das ent- stitndene Spaltstiick ,) rnit Thionylchlorid nach (4) reagieren. wubei eine Dissoziation des OSCI, in Ionen (3) 3, wahrscheinlich ist. Moglicher- weisc entsteht ein Zwischenprodukt, das sich zu S3N202, S,N, und Schwefel disproportionieren kann. Der Schwefel liann mit dem Chlor xu Schwefelchloriden oder rnit dem S,N, zu Tetraschwefeldinitrid, S4N,, we; terreagicren. Die Bildung von Schwefelchloriden wdrde aber zu der Entstehung von Thiotrithiazylchlorid, das aus Sehwefelnitrid und S-Halogenid hergestellt wird, fuhren. Diese Reaktion wird offenbar durch Zusatz von SO,, NO oder AsCI, weitgehend verhindert, die als Akzeptoren fur Chlor wirken. In dem entstandenen S,N,O, stammt der rnit zwei Sauerstoffatomen verbundene Schwefel ails dem Thiony 1- chlorid, und es ist ohne weiteres ersichtlich, daB dieser Thionylchlorid - Schwefel bei der Spaltung der Molekel nach (1) als SO, abgegeben wird.

*) Vgl. M. GOEHRING u. D. VOIGT, Naturwiss. 40, 482 (1953). 3) Vgl. H. SPANDAU u. V. GUTMANN, Angew. Chem. 64, 93 (1952).

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M. GOEHRING u. J. HEINKE, fjber das Trischwefel-distickstoff-dioxyd. I1 55

Von den beiden fur S3N,0, denkbaren Konstitutionsformeln I und I1 halten wir im Gegensatz zu unseIer urspriinglichen Annahmel) I1 fur

+- _ _ _ _ I 0-s-C1 + [I - 0-s-Cl] + c1- -- 1 C1

,c1+ + CI- * / S !

' j +

IN, - _-

- I

wahrscheinlicher ; denn S,N,O, laat sich mit SO, leicht zu S3N,0, oxy- dieren, dessen Formel IT1 gesichert ist4), und diese Reaktion laBt sich am einfachsten von Formel I1 ausgeherid verstehen. I1 kann naturlich durch melirere Grenzformeln dargestellt werden.

S jy// \N 7 p d s\N

I I + 3 S O , + I I + 3s0, 02s,0, so,

\\O/ s=o S

I1 111

Experimentelles Fur die Umsetzung yon S,N4 mit SO, und mit Thionylchlorid, wen Schwefd

durch Sa5 markiert war, stellten wir das OSCI, her, wie es JOHNSON, NORRIS und H u s ~ o N ~ ) angegeben haben. Wir verbrannten Schwefel, der mit einer unwagbaren, gut meBbaren Menge S35 versehen war, im Quarzrohr im Sauerstoffstrom. Das entstandene SO,

*) M. GOEHRING, H. HOHENSCHUTZ u. J. EBERT, Z. anorg. allg. Chem. 276,47 (1954). 5) R. JOHNSON, T. H. NORRIS u. J. L. HUSTON, J. Amer. chem. SOC. 73, 3052 (1951).

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wurde in einer auf -80" gekuhlten Falle kondensiert. Aus dieser Falle heraus wurde das SO, langsam verdampft und auf uberschussiges PCI, geleitet, mit dem es 3 Stunden lang in Beruhrung gehalten wurde. Es findet die Reaktion:

so, + PCl, = osc1, $- OPC1,

statt . Auf das Reaktionsgemisch wurde noch so vie1 inaktives Thionylchlorid destilliert, daB die Aktivitat des Thionylchlorids nach dem Uberfuhren des Schwefels in Barium- sulfat im Zlhlrohr etwa 500 Imp./min. betrug. Das Gemisch von POCI, und OSC1, wurde durch fraktionierte Destillation getrennt. Das Thionylchlorid wurde in benzolischer Losung bei 60" mit S4N4 und SO, umgesetztl). Das entstandene S,N,O, wurde durch Sublimation gereinigt. Der Schwefel des S,N,O, wnrde mit rauchender Salpetersaure in Sulfation uber- gefuhrt, in ublicher Weise in Bariumsulfat verwandelt; und dann konnte die Aktivitat bestimmt werden. Wir fanden genau 1!3 der Aktivitat, die das Thionylchlorid nach dem Uberfuhren in Bariumsulfat, gezeigt hatte.

Die U m s e t z u n g m i t f e u c h t e m S t i c k s t o f f [GI. ( l)] nahmeu wir so vor, wie das fruherl) beschrieben wordeu ist. Wir leiteten das entstandene SO, in Jodlosung ein und fallten das Sulfat als Bariumsulfat. Bei mehreren Versuchen fanden wir, da13 die Haupt- aktivitat sich im abgespalteneu SO, befand. So wurden z. B. nach dem ifberfuhren in Bariumsulfat im Ruckstand 115 Imp./min. gezahlt, im Sulfat, das aus dem SO, stammte, aber 379 Imp./min. Da13 auch im Ruckstand noch etwas radioaktiver Schwefel nachweis- bar war, ist leicht zu verstehen, wenn man bedenkt, da13 auch fruher von uns nicht eine quantitative Reakt.ion nach (1) beobachtet werden konnte, sondern da13 teilweise immer Hydrolyse nach

S,N,O, + 4 H,O -+ (NH,),S,OO

eintrat. I n den1 Trithionat, das sich im Ruckstand befindet, muB natiirlich ebeafalls noch radioaktiver Schwefel vorhanden sein.

Zur U m s e t z u n g v o n S,N, m i t OSCI, und PCL, losten wir 4 g S4N4 in Benzol; wir gaben 10 ml OSCI, nnd dann unter kraftigem Ruhren 7 g PCI, langsam hinzu. Nach 2 Stunden wurde das Benzol abgedampft. An der Kolbenwand und nach Iangerem Stehen des zunachst zlhen braunen Hauptreaktionsprodukts schieden. sich Kristalle ab, die sich bei 0,Ol torr und Zimmertemperatur sublimieren lieBen und sich der Analyse nach als [NPCI,), erwieuen.

Eei dieseni Versucli konnte im abdestillierten Losungsmittel funfwertiges Arsen durch Hydrolyse mit Natron- lauge iind Fallen als Magnesiumamnioniumarsenat nachgewiesen werden. I m Kolben blieb nach dem Abdestillieren des Benzols ein fast schwarzer Ruckstand zuruck, der nach Schwefelchloriden roch. Aus dem Ruckstand lie13 sich durch Sublimation im Hoch- vakuum S,N,O, rein gewinnen.

Die U m s e t z u n g m i t AsCI, nahmen wir'vollig analog vor.

Auch bei der in1 ubrigen analog vorgenommcncn U m s e t z u n g m i t OSCI, und NO beobachteten wir im Reaktionsprodukt Geruch nach Schwefelchloriden. Eine kleine Menge S,N,O, konnte auch hier durch Sublimation gewonnen werden.

Zur U m s e t z u n g v o n S,N4 m i t SO, u n d S u l f u r y l c h l o r i d losten wir l g S4N, in 20 ml O,SCI,. Unter Erhitzen am RuckfluB wurde etwa l/, Stunde lang SO, eingeleitet. Nach dern Abdampfen des Losungsrnittels im Vakuum blieb ein kristalliner Ruckstand, aus dem sich im Hochvakuum gelbliche Kristalle heraussublimieren lieBen, die sich der Analyse nach als [NSCI], erwiesen.

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Zur naheren Charakterisierung yon s,N,o, sei noch das DEBYE-SCHERRER-Diagramm der Substanz angegeben.

1 Ill, r o l l , 1 1 1 ,I rill,, R , I - ._ 1 I I 1 I

Wir danken der Deutschen Forschungsgerneinschaft fur die Unterstutzung dieser Arbeit durch eine Sachbeihilfe.

Heidelberg, Chemisches Institut der Universitat, Abteilung fur anorga- nische und analytische Chemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 16. Juni 1954.