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3. Ueber das Verhalten uom Eathodernstrahlern parallel xu electrischer Eraft; uon P. Lenarcl. (Der R. Ungar. Akad. der Wiss. vorgel. in der Sitzung v. 16. Mai 1898.) 1. Stetige Veranderlichkeit der magnetischen Ablenkbar- keit von Kathodenstrahlen ist bisher niemals zur Beobachtung gelangt, vielmehr erwies sich die Ablenlibarkeit eines einmal gegebenen Strahles unter allen bisher in Betracht gezogenen Umstanden als unabanderlich. Die Vorstellnng indessen, zu welcher neuere Versuche gefuhrt haben - in gewissem Sinne Sir William Crookes’ ursprungliche Hypothese mit neuem , verfeinertem Inhalt - lasst Aenderung der Ablenkbarkeit nicht nur moglich, sondern in gewissen Fallen sogar als nothwendige Forderung der Electrodynamik erscheinen. Ein solcher Fall ist der in der Ueberschrift angedeutete. Wir stellen ein Feld constanter electrischer Kraft her, zwischen zwei Condensatorplatten etwa, im leeren Raume, und richten einen Kathodenstrahl durch dieses Feld, sodass er parallel dessen Kraftlinien verlauft, etwa durch Bohrungen der Condensatorplatten in das Feld eintretend uiid aus demsclben wieder austretend. Wir finden nun in der That, dass die rnagnetische und auch die electrische Ablenkbarkeit des Strahles nach Durchsetzung des Feldes ver- andert ist und zwar gerade in dem geforderten Sinne. Beide sind grosser oder kleiner geworden, je nachdem Kraft und Strahl gleich oder entgegengesetzt gerichtet sind. Ein besonderes Interesse gewinnen unsere Versuche da- durch, dass in ihnen eine Kraft, von welcher man eine dyna- lnische Erklarung erwartet, auf ein zu Beschleunigendes wirkt, welches selbst schon fast mit Lichtgeschwindigkeit sich bewegt. Auf die Frage indessen, ob dime Geschwindigkeit die Grosse der Beschleunigung beeinflusse, wird unter den Umstanden der Versuche eine bejahende Antwort von denselben nicht ertheilt.

Ueber das Verhalten von Kathodenstrahlen parallel zu electrischer Kraft

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3. Ueber d a s Verhalten uom Eathodernstrahlern paral le l x u electrischer Eraft;

uon P. Lenarcl. (Der R. Ungar. Akad. der Wiss. vorgel. in der Sitzung v. 16. Mai 1898.)

1. Stetige Veranderlichkeit der magnetischen Ablenkbar- keit von Kathodenstrahlen ist bisher niemals zur Beobachtung gelangt, vielmehr erwies sich die Ablenlibarkeit eines einmal gegebenen Strahles unter allen bisher in Betracht gezogenen Umstanden als unabanderlich.

Die Vorstellnng indessen, zu welcher neuere Versuche gefuhrt haben - in gewissem Sinne Sir W i l l i a m Crookes’ ursprungliche Hypothese mit neuem , verfeinertem Inhalt - lasst Aenderung der Ablenkbarkeit nicht nur moglich, sondern in gewissen Fallen sogar als nothwendige Forderung der Electrodynamik erscheinen. Ein solcher Fall ist der in der Ueberschrift angedeutete. Wir stellen ein Feld constanter electrischer Kraft her, zwischen zwei Condensatorplatten etwa, im leeren Raume, und richten einen Kathodenstrahl durch dieses Feld, sodass er parallel dessen Kraftlinien verlauft, etwa durch Bohrungen der Condensatorplatten in das Feld eintretend uiid aus demsclben wieder austretend. Wir finden nun in der That, dass die rnagnetische und auch die electrische Ablenkbarkeit des Strahles nach Durchsetzung des Feldes ver- andert ist und zwar gerade in dem geforderten Sinne. Beide sind grosser oder kleiner geworden, je nachdem Kraft und Strahl gleich oder entgegengesetzt gerichtet sind.

Ein besonderes Interesse gewinnen unsere Versuche da- durch, dass in ihnen eine Kraft, von welcher man eine dyna- lnische Erklarung erwartet, auf ein zu Beschleunigendes wirkt, welches selbst schon fast mit Lichtgeschwindigkeit sich bewegt. Auf die Frage indessen, ob dime Geschwindigkeit die Grosse der Beschleunigung beeinflusse, wird unter den Umstanden der Versuche eine bejahende Antwort von denselben nicht ertheilt.

Wir kiinnen clagegeii sagen, dass die Versuche auch in qumtitativer Hinsicbt die Annnhnien und Resultate dcr vorher- gehenden Srbei t vollkommen bestatigen.

2. Der beriutzte Apparnt ist in Fig. 1 in etwa eiii Achtel naturlicher Grosse dargestellt. In E merden die Strahlen er- zeugt ; sie durchsetzen dns dichte Metallfenster P, gelaiigen in den Condensator C; C; und konnen dann bei $1 der magne- tischeii ocler auch der electrischen Ablenkung unterworfen werden, welche sie schliesslich anf den Schirm treffen Iiisst. Die beiden Coiidensatorplstteii C, Ci , zwei vollkommen ebene, einander parallele, kreisformige Messingplatten , sind in ihrer Mitte in der Weite von nur 1 mm durchbohrt und werdeii voii Metallrohren R, R, getragen, welche ihrerseits zu Electroden e, e, fiihren. Der Abstand der Platten von- einaiider betragt 2 cni; die Platte C, ist stets mit der Erde

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big. 1.

verbunden , C, kann mit Hulfe einer Influeiizmaschine positiv oder negativ electrisirt werden. Die Glaswand des Apparates ist von e2 ab nach links bis uber den Schirm hinaus mit Stanniol uberzogen , welches mit e, stets leitend verbunden bleibt; eine kleine Oeffnung im Stanniol l a s t den Schirm beobachten. Die durch den punktirten Kreis hei M nnge- deuteten Drahtrollen zur magnetischen Ablenkung sind in ge- ringer Entfernung ober- und unterhalb des Rohres aufgestellt uiid von dessen Staniiiolhulle durch Glimmerplatten isolirt. So11 die electrische Ablenkung beobachtet werden, so sind die beiden bei M ersichtlichen rechteckigen Metallplatten zu be- nutzen, deren Lange in Richtung des Strahles 4 cm, deren Abstand 2 cm betrggt, welche indessen fiir jetzt beide mit der Stanniolhiille leitend verbunden bleiben. Wir bemerken

506 P. Lenard.

noch eine mit der Erde verbundene Metallwand A , welche den Erzeugungsraum vom Beobachtungsraum trennt und ein Metalldiaphragma B von 3 mm Weite im Rohre B,.

Einige Zeit nimmt das Evacuiren des Beobachtungsraumes in Anspruch. Sind die letzten Gasreste entfernt, so bleibt der Raum um den Condensator auch bei starker Ladung des- selben dunkel; in diesem Zustande wurde der Apparat benutzt.

3. Vorweg iiberzeugt man sich, dass der Phosphorescenz- fleck auf dem Schirme unverriickt, also der Strahl gerade bleibt, wenn auch der Condensator stark positiv oder negativ geladen wird, vorausgesetzt, dass kein Strom in den sblenken- den Drahtrollen fliesst.

Die Versuche uber die magnetische Ablenkung wurden nun folgendermaassen ausgefiihrt. Zuerst ist der Condensator C ungeladen ; es wird bei M durch Einschalten von Widerstanden in den Stroinkreis der Drahtrollen ein Nagnetfeld von solcher Starke erzeugt, dass der Phosphorescenzfleck in stark ab- gelenkter Lage am Rande des Schirmes 8, erscheint; die Lage des Fleckes wird dann an einer auf dem Schirm befindlichen Scala abgelesen. Jetzt laden wir bei fortdauerndem ablenken- den Strome den Condensator C ; der Fleck wandert dadurch auf dem Schirme; er geht nach weniger abgelenkten Lagen, wenn der Condensator positiv geladen wird, nach mehr ab- gelenkten, wenn er negativ geladen wird. Dadurch ist die Verhderung der Ablenkbarkeit nachgewiesen.

Um die Erscheinung quantitativ zu verfolgen, geniigt es, den ablenkenden Strom J,, zu messen, welcher den Phos- phorescenzfleck zu einer bestimmten Lage bei ungeladenem Condensator bringt iind den Strom J1, welcher ihn zu der- selben Lage bringt wahrend der Condensator die Potential- differenz P besitzt. Zur Messung der letzteren ist im Neben- schluss zum Condensator eine verstellbare Funkenstrecke an- gebracht , deren blanke Messingkugeln 2,5 cm Durchmesser besitzen. Es wurde jedesmal diejenige Lage des Fleckes in Betracht gezogen , welche er in dem Augenblicke einnimmt, da ein Funke die Strecke iiberspringt; einige an das zu ladende System geschaltete Leydener Flaschen machen das An- steigen der Ladung beim Drehen der Electrisirmaschine und also das Wandern des Fleckes geniigend langsam.

Kathodenshahlen. 507

Die Resultate der Messungen finden sich in folgender Tabelle verzeichnet , deren jede Zeile Mittelwerthe aus drei einzelnen Versuchen enthalt. Es gelangten zwei verschiedene Strahlenarten zui- Verwendung, wie sie bei den in der ersten Columne angegebeuen Potentialdifferenzen zwischen den Elec- troden des Entladungsrohres erzeugt werden.') In der mit * bezeichneten Versuchsgruppe wurde der entferntere Schirm S, benutzt ; die ablenkenderi Strome waren dementsprechend schwacher.

Poten tialdiff. im Entla- dangsrohr

(Schlagweite) _ ~ . _ _ -

cm

2,s {

Potentialdifferenz des I

in j in inagnetischem %

1 ' Aufangs- Condensators - 1 3 1' geschwindigkeit

Sclilagw.1 Maass li I -I_ ~ __ . ~__ ~ ~ ~~

I 10'0 - 8ec cm 1 C.G.S.

1,OO P = - 291 . 0,64 P = - 210 . 1,OO P = f 291 . 1.00 P = - 291 . 1,OO P = + 291. lo1' 1,27 !80,79 =0,81 -0702

"1,OO I P= + 291 . 10" I 1,22 0,85 = 0,81 + 0,07 4. Die in den letzten beiden Columnen verzeichneten Ge-

schwindigkeiten v,, und vul des jedesmal in den Condenfiator tretenden und des ihn verlassenden Strahles s i d aus den Ver- suchsdaten berechnet nach den beiden Gleichungen

ulla

deren erste aussagt, dass verschiedene Strahlenarten die gleiche seitliche Beschleunignng erfahren in Magnetfeldern, deren senk- recht zum Strathl gerichtete Starken den Strahleiigeschwindig-

1) Es sol1 nicht gesagt sein, und es ist auch nicht erwiesen, dass die zwischen den Electroden messbare masimale Potentialdifferenz die Eigenschaften der erzeugten Strahlen eindeutig und allein bestimme. I n gleichem Entladungsrohre werden jedoch unter gleichen Bedingungen immer mieder dieselben Strahlen erzeugt und insofern konnen die an- gegebenen Potentialdifferenzen zur Festlegung der benutzten Strahlen- arten dienen. Ueber das hier verwandte Entladungsrohr und die Er- zengungsbedingungen rgl. Wied. Ann. 51. p. 227. 1594.

508 P. Lenard.

keiten proportional sind und deren zmeite cler Ansdruck des Gesetzes der Energieerhaltung fur unseren Fall ist. Die zweite Gleichung enthalt auch die Voraussetzung , dass clie wirksame beschleunigende Kraft genau die Grosse der auf ruhende Electricitaten im electrischen Felde ausgeiibten Kraft besitze. Das Dichtenverhaltniss s / p murde friiheren Resul- taten entsprechend als von unveriinderlicher Grosse und gleich 6,39. loo cm'h g - 'la in Rechnung gesetzt, welche letztere Zahl ctas arithmetische Mittel der an drei verschiedenen Strahlen- nrten fruher erhaltenen Znhlen I) ist.

Betreffend die Geschwindigkeit vo ersehen wir aus der Tabelle znerst, dsss sie sich fur die erste Strahlenart jedes- ma1 kleiner ergiebt als fur die zweite, ganz wie dies friiher') auf anderem Wege gefunclen wurde. Wir sehen weiter, dnss cliese Uebereinstimmung auch zahlenmassig mit der zu er- martenden Genauigkeit zutrifft, denn die fiir dieselben beiden Strahlenarten friiher gefundenen Geschmincligkeiten, 0,67 bez. 0,81 . 101Ocm/sec, werden von den jetzt gefundenen gut in die Mitte genommen. Wir nehmen dies als Bestatigung der benutzten Theorie und der gemachten Annahmen; wir sehen insbesondere auch den friiher gefundenen Werth des Dichten- verhaltnisses gut bestatigt. Uebrigens wird man bemerken, dass die Schwankungen in den fur clieselbe Strahlenart ge- fundenen Werthen von uo grosser sind, als die mogliche Unsicherheit der Messungen ; dieser Umstand findet indess eine geniigende Erklarung in den uncontrolirbaren Schwan- kungen, welchen die Erzeugungsbedingungen der Strahlen unterworfen sind.

Was die Geschwindigkeit v1 der den Condensator ver- lassenden Strahlen anlangt , sehen wir, dass die langsamsten Strahlen erhalten wurden dnrch Verzogerung der urspriinglich schon langsameren ersten Strahlenart; das so erreichte Mini- mum gemessener Geschwindigkeit ist etwa ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit. Die schnellsten erhnltenen Strahlen, erzeugt durch Beschleunigung der zweiten Strahlenart, haben fast genau ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Diese beiden erhaltenen aussersten Strahlenarten unterscheiden sich sehr

1 ) P. L e n a r d , Wied. Ann. 64. p. 287. 1S98.

Kathodenstrahlen. 509

Bemerkbar in der Fahigkeit den benutzteii Schirni - Penta- decylpsratolylketon auf Papier - zu erleuchten. Die Phos- phorescenzflecke der schnellsten Strahlen sind ausserordentlich hell, die der langsamsten sind nur rnit Schwierigkeit iiber- haupt zu sehen. Eine cleutliche bbweichung von scharf gerad- liniger Verbreituiig cler Strahlenbiindel im leeren Raume habe ich nnter den obwaltenden Umstgnden in lreinem Falle be- nierken konnen; such war die Absorbirbarkeit der schnellsten Strahlenart nicht so gering, dass ein Qlimmerblatt von 0,2 nirn Diclte sehr bemerkbar durchdrungen worden ware.

5. Die Veranderung der electrischen Xblenkbarkeit der Strahlen wurde in folgender Weise beobachtet. Die Draht- rollen bei JW waren entfernt uiid die eine der daselbst im Rohre befindlichen Metallplatten jetzt von der Wandbelegung isolirt, im iibrigen die Anordnung uach dem Schema der Fig. 2 getroffeii, in welcher ausser dem jetzt benutzteii Schirme iY2

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Fig. 2.

ziur Metalltheile gezeichnet sind ; L bedeutet eine Leydener Flasche mit isolirter iiusserer Belegung, s eine Funkenstrecke voii '/, mm Lange, f eine Hanfschnur. Man iibersieht, dass bei geladenem Apparate die isolirte Platte M periodisch eiii geringeres Potential annehmen wird als die mit C, rer- bundene aiidere Platte N. Der Potentialunterschied der beiden Platten ist durch die Lange der Funltenstrecke s zu reguliren, er erreicht deu vollen dieser Lange entsprecheiiden Betrag in dem Augenblicke, in welchem ein Funke die Strecke iiber- springt, worauf er zu Null herabsinkt, urn dann durch die W irkung der schwach leitenden Hanfschnur von neuem wieder anzusteigen. Man beobachtet dabei ein Wandern des Phos- phorescenzfleckes ani Schirm aus seiner unabgelenkten Lage hernus bis zu einem Punkte, von welchem er wieder zu jener Lage zuriickspringt. Die Lange des dabei beschriebenen Weges misst die electrische Sblenlrung der durch dell Con-

510 P. Lenard. Kathodenstrahlen.

densator veranderten Strahlen. SOU die Ablenkung der un- veranderten Strahlen geniessen werden, so wird das ganze System C, zur Erde geleitet und unter Weglassung der Hanf- schnur allein die isolirte Platte M und die Flasche L geladen, sodass wieder in passenden Intervallen Funken die Strecke s iiberspringen. Der Weg des Phosphorescenzfleckes misst wieder die electrische Ablenkung. Man findet dieselbe nun sehr bemerkbar vergrossert durch eine positive Ladung des Condensators und verkleinert durch eine negative Ladung. Es betrug z. B. bei positiver Ladung bis auf annahernd 1 cm Schlagweite die electrische Ablenkung 15 mm, wenn sie bei ungeladenem Condensator unter sonst gleichen Urnstinden 10 mm betragt. Damit ist auch die Verandermig der elec- trischen Ablenkbarkeit erwiesen und gezeigt, dass Sinn und Grossenordnung der Veriinderung der Erwvnrtung entsprechen.

Kie l , im April 1898. (Eingegangen 1 . Mai 1898.)