38
ANNALEN DER CHEMIE UND PHARMACIE. CXXII. Bandes drittes Heft. Ueber dem Ammoiiiaktypiis arigehorige organische Sauren ; von W, Heintz. Die Angabe von P erkin und Dup pa ") , sowie von C a h o ur s "*), wonach durch Einwirkung von Ammoniak auf Monobrom- und Monochloressigsaure Glycocoll entstehen soll, veranlafste mich, zu versuchen, ob diese Umsetzung zur Dar- stellung grofserer Mengen dieses Kiirpers mit Vortheil be- nutzt werden konne. Zu dem Ende kochte ich ein Gemisch von Monochloressigsaure mit wasserigem Ammoniak anhaltend, dampfte die Losung ein und suchte sie nun mit verdiinntein Alkohol zu extrahiren, um den gebildeten Salmiak zu losen, das Glycocoll aber ungelost zu lassen. Es blieb jedoch eine dickflussige , nicht krystallisirende Masse zuruck. Ebenso fielen, als ich diese in Wasser loste und mit Alkohol mischte, nicht Krystalle , sondern wieder einc dickliche syrupartige Flussigkeit nieder , welche auf Zusatz von Kalihydrat reich- lich Ammoniak entwickelte und sauer reagirte, also nicht Glycocoll sein konnte. *) Quarterly journal of the chcniical society Vol. XI, 29" (diese An- nalen CVIII, 112). **) Diese Annalen CIX, 30". Ann. d. Uhem. u. Pharm. CXXII. Hd. 3. Heft. 17

Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

ANNALEN DER

CHEMIE UND PHARMACIE.

CXXII. B a n d e s d r i t t e s Hef t .

Ueber dem Ammoiiiaktypiis arigehorige organische Sauren ;

von W , Heintz.

Die Angabe von P e r k i n und D u p p a ") , sowie von C a h o u r s "*), wonach durch Einwirkung von Ammoniak auf Monobrom- und Monochloressigsaure Glycocoll entstehen soll, veranlafste mich, zu versuchen, ob diese Umsetzung zur Dar- stellung grofserer Mengen dieses Kiirpers mit Vortheil be- nutzt werden konne. Zu dem Ende kochte ich ein Gemisch von Monochloressigsaure mit wasserigem Ammoniak anhaltend, dampfte die Losung ein und suchte sie nun mit verdiinntein Alkohol zu extrahiren, um den gebildeten Salmiak zu losen, das Glycocoll aber ungelost zu lassen. Es blieb jedoch eine dickflussige , nicht krystallisirende Masse zuruck. Ebenso fielen, als ich diese in Wasser loste und mit Alkohol mischte, nicht Krystalle , sondern wieder einc dickliche syrupartige Flussigkeit nieder , welche auf Zusatz von Kalihydrat reich- lich Ammoniak entwickelte und sauer reagirte, also nicht Glycocoll sein konnte.

*) Quarterly journal of the chcniical society Vol. XI, 29" (diese An- nalen CVIII, 112).

**) Diese Annalen CIX, 30".

Ann. d. Uhem. u. Pharm. CXXII. Hd. 3. Heft. 17

Page 2: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

258 He in t z, ubsr dem Ammoniaktypus

Die durch mehrfaclre Fiillung der wasserigen Losung mittelst AlkohoI miiglichst vom Salniiak befreite syrupartige Massc gab mit Chlorcalciumlosung einen im Ueberschufs des Pallungsmittels liislichcn Niederschlag, der sich in heifsem Wasser weniger liislich zeigte, als in kaltem. Ebenso gab essigsaurer Baryt damit einen Niedcrschlag. Dieser loste sicli aber etwas mehr in kochendem, als in kaltein Wasser und schied sich beim Erkalten der kochenden Losung in kleinen Krystallen aus.

Diesen Umstand benutzte ich zur Reindarstellung dieses Korpers. Beim Umkrystallisiren der aus der gauzen Menge jener syrupartigen Masse durch essigsauren Baryt erhaltenen Barytverbindung entstanden 1 bis l'/p Linicn lange prisinatische Krystalle von geringer Dicke. Die Winkel der Prismenflachen allein liefseu sich mittelst des Refiexionsgoniometers an- nahernd messen. Sie betrugen 73O30' und 106"30'. Die Eii-

den hatten meist auf zwei parallelen Prismenflachen gradc aufgesetzte Zuscharfungsflachen , die miteinander einen selir stumpfen Winkel bildeten. Unter dem Mikroscop wurden noch die ebenen Winkel gemessen, welche die Kanten der Prismenflachen mit den von diesen und den beiden Zuschar- fungsflachen gebildeten Kanten und diese unter sich bilden. Jene beiden Winkel betrngen im Mittel 104O und dieser ebenfalls im Mittel 152O.

Diese Krystalle enthielten Stickstoff, aber nicht als Am- moniak, denn durch Kalihydrat wurde daraus selbst iin Kochen kein Ammoniak entwickelt , wohl aber , wenn die Krystalle mit Natron-Kalk erhitzt wnrden , obgleich auch in diesein Falle die Ammoniakentwicklung nicht sehr stark war.

Zahlen : Die Analysen dieses Barytsalzes fiihrten zu folgenden

I. 0,2051 Grm, verloren bei 125O C . 0,0154 Grm. ail Gewicht, ent- aprechend 7,51 pC. Wasser.

Page 3: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angeharige orgunische Sauren. 259

11. 0,1879 Grin. lieferten hei der Elementaranalyse 0,1231 Grm. Kohlensaure und 0,0399 Grin. Wasser. Im Schiffchen blie- bcn 0,1145 Grm., die ails 0,001 1 Grm. Kohle und 0,1134 Grrn. kohlensaurer Baryterde bestanden. Hiernach enthielt die Suhstanz 0,04157 Grm. oder 22,12 pC. Kohlenstoff, 0,00443 Grm. oder 2,36 pC. Wasserstoff und 0,07886 Grm. oder 41,97 pC. Baryum.

111. 0,2450 Grm. verloren bei 125” C. 0,0186 Grm. Wasser, d. i. 7,59 pC. Diese Suhstanz sollte zur Sticltstoff bestimmung verwendet werden, die jedoch durch einen Zufall verungliickte.

Diese freilicli noch unvollkommcne Analyse , die wegen Mange1 an Material nicht sofort vervollstandigt werden konnte, fiihrte mich doch zu der Vermuthung, die analysirte Sub- stanz mochte zum Glycocoll in derselben Beziehung stehen, wie das Trihthylamin zum Aethylamin. Sclioii in meinem Anf- satz ,,iiber zwei neue Reihcn organischer Sauren“ ++) habe ich (S.319) nach dem Vorgange von J. W i s l i c e n u s + ” * ) dein

G8H2Q( Glycocoll die Formel N 1: diese Substanz ein Ammoniak , in welchem ein Aequivalent

zuertheilt. Danach ist

Wasserstoff durch ein typisches Radical C 2 H z ~ 143 ersetzt

ist , dessen tygischer Wasserstoff noch leicht durch Metall vertreten werden kann. 1st jene Formel gerechtfertigt, so darf man die Existcnz von Verbindungen voraussetzen , in denen nicht nur ein Wasserstoffatom des Ammoniaktypus durch ein, sondern zwei und drei durch zwei und drei

Atome des typischen Radicals Glycolyl (cean$/ 0) ver-

treten sind, und diese IGjrper miissen zwei und drei Atoine durch Metall vertretbaren Wasserstoff enthalten , sie miissen zwei- und dreibasische Sauren sein.

*) l’oggend. Ann. CIX, 301*. **) Zeitschr. f. d. gesammten Naturwissenschaftcn (Berlin; G. B o s-

a e l m a n i i 1859) Bd. XIV, 147,. 17 *

Page 4: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

260 He in t B , fiber dem Ammoniaktypus

Vergleicht man die Zahlen, welche die Analyse der er- wahnten Barytverbindung ergeben hat, mit der Zusammen- setzung , welche die zweibasische Barytverbindung des drei Atome Glycolyl enthaltenden Arnmoniaks (PH7Ba2NQ6) be- sitzen murs , so findet man, wie folgende Tafel zeigt , die allergrofste Uebereinstimmung :

gefunden berechnet Kohlenstoff 22,12 22,09 6 6

Stickstoff I 4.29 1 N Wasserstoff 2,36 2,15 7H

I 33,55 Sauerstoff , 29,45 6 8

Baryum 41,97 42,02 2 Ba 100,oo 100,oo

Nimmt man in diesen Krystallen drei Atome Krystall- wasser (= HO) an, so miissen sie der Theorie nach 7,65 pC. Wasser enthalten. Gefunden sind im Mittel 7,55 pC. Wasser.

Das hohe theoretische Interesse, welches sich an die Existenz einer so zusammengesetzten Substanz kniipfen wiirde, veranlafste mich zu baldiger Weiterverfolgung dieses Gegen- standes. Bei dem eben beschriebenen Versuch hatte ich aber gefunden, dafs nur ein kleiner Theil der bei Einwir- kung von wasserigem Ammoniak auf Monochloressigsaure gebildeten organischen Substanz mit Baryt eine schwer los- liche Verbindung giebt. In dem leicht loslichen Barytsalz lioffte ich die in der Zusammensetzung zwischen der eben erwahnten Saure und dem Glycocoll in der Mtte stehende Substanz voraussetzen zu diirfen.

Diese Vermuthungen haben sich vollkommen bestltigt. Die durch Kochen der wtisserigen Losung von Monochlor- essigsaure mit Ammoniak erhaltene Flussigkeit enthalt zwei neue Sauren , welche die erwahnte Zusammensetzung be- sitzen und fur die ich die Namen Diglycolamidsaure und Triglycolamidsaure gewahlt habe. Aufserdem ist darin aber ge- wBhnlich auch noch etwas GlycocolI und Glycolsiure enthalten.

Page 5: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehiirige oryanische Sauren. 26 1

Nach manchem vergeblichen Versuch bin ich zu folgen- der Methode gelangt , diese Substanzen in reinem Zustande darzustellen.

Etwa ein viertel Pfund Monochloressigsaure wird in ll/p bis 2 Quart Wasser gelost, die Losung mit Ammoniak stark ubersattigt und in einer Schale gekocht, bis die einge- tretene Verdunstung ein Nachfullen von Fliissigkeit nothwen- dig macht , was durch Zusatz yon Wasser und so viel Am- moniak geschieht, dafs die Mischung, die durch das Kochen sauer geworden ist, wieder stark alkalisch reagirt. Nun kocht man wieder und f6hrt so 24 Stunden fort, indem man dafiir sorgt, dafs das verdunstete Ammoniak und Wasser von Zeit zu Zeit wieder ersetzt wird.

Dann dampft man die Losung ein, bis sie Krystallchen abzusetzen beginnt , und fiigt zu der heifsen Fliissigkeit so viel Ammoniakfliissigkeit hinzu , dafs die Mischung, die vor- her sauer war, alkalisch reagirt. Beim Erkalten krystallisirt nun Salmiak heraus, der auf einem Filtrum gesammelt und nicht gewasclien , sondern nur moglichst stark ausgeprefst wird. In derselben Weise scheidet man aus der Mutterlauge so viel Salmiak als immer moglich ab.

Der sammtliche Salmiak wird nun, da er noch iinmer wesentliche Mengen der zu gewinnenden Substanzen einge- schlossen enthalt , in kochendem Wasser gelost und nach Ammoniakzusatz durch Erkalten krystallisirt. Wieder auf einem Filtrum gesammelt und scharf ausgeprefst ist er nun so rein, dafs er beim Erhitzen nur eine Spur Kohle hinter- 1iCst. Durch weitere Krystallisation der Mutterlauge kann man in derselben Weise noch mehr Salmiak absondern. Bei Anwendung von 120 Grm. krystallisirter Monochloressigsaure gelang es mir, 55 Grin. Salmiak in der angegebenen Weise abzuscheiden. Geht sammtliches Chlor der Monochloressigsaure in Salmiak iiber, so miissen aus 120 Grrn. dieser Siiure bei-

Page 6: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

262 H e in t B , iiber dem Amonialctypus

nahe 68 Grm. davon entstehen. Man sieht, dafs allerdings nicht die ganze Menge, aber doch ein sehr bedeutender Theil dieses Korpers auf die angegebene Weise abgeschie- den werden kann.

Die braun gefarbte, vom Salmiak moglichst befreite Fliis- sigkeit wird nun mit Wasser verdiinnt und zu der Mischung dem Gewichte nach ein Drittel der angewendeten Monochlor- essigsaure an frisch gebranntem Marmor , der vorher mit Wasser geloscht sein mufs, hinzugesetzt. Man kocht nun so lange, bis die heifse Flussigkeit nicht mehr nach Ammoniak riecht. 1st dieselbe dadurch sauer geworden, so mufs noch etwas Kalkbrei hinzugefiigt und wieder gekocht werden, bis der Ammoniakgeruch verschwuriden ist , und diefs mufs man so oft wiederholen, bis, werin nach anhaltendem Kochen der Am- moniakgeruch nicht mehr zu bemerken ist , die Flussigkeit stark alkalische Reaction bchalten hat.

Nun leitet man langere Zeit Kohlensaure durch die Fliis- sigkcit. Dabci bleibt jedoch die Reaction derselben alkalisch. Ob genugcnd von diescm Gas hindurchgetrieben ist , kann also nur daran crkannt werden, dafs eine Probe der filtrirtcn Flussigkeit durch Kohlensaure nicht mehr getriibt wird. Dann wird die Fliissigkeit einige Zeit gekocht und wenn sie nnr noch ein geringes Volum hat, hcifs auf einen Wasscrbad- trichter gebracht und der Ruckstand auf dem Filtrum einige Male mit heifsem Wasser ausgewaschen , schliefslich heifs geprebt. E r enthalt neben kohlensaurem Kalk triglycoladd- sauren Kalk. Aber vollstandig ist dicser noch nicht ausge- schieden. Die Fliissigkeit enthalt noch ziemlicli vie1 davon gelost, weil dieses Salz, das keineswegs in Wasser gang un- loslich ist, sich in Chlorcalciumlosung noch leichtcr auflost.

Die Abscheidung des aus dem nicht vollstlndig ausge- schiedenen Salmiak erzeugten Chlorcalciums geschieht auf folgende Weise : Man dampft die Losung in einer Schale im

Page 7: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehb'r{qe o9yanische Siiuren. 263

Wasserbade zum dicken Syrup ab, und ubergiefst denselben noch heifs niit kochendem absolutein Alkohol. Man erhllt ihn einige Zeit im Wasserbad im Sieden, indem man die dickliche Masse vielfach umriihrt. Dann giefst man den Al- kohol noch heifs in einen Kolben. Die& wiederholt man so oft, bis der Alkohol nur noch Spuren von Chlor enthalt. Dabei wird das im Alkohol Unlosliche haufig fest, so dafs es sich wenigstens nach dem Erkalten linter der Alkoholschicht pulvern liifst. Kann diefs geschehen, so wird dadurch die Entfernung des Chlorcalciums wesentlich gefordert. Schneller scheint noch die Abscheidung des Chlorcalciums zu gelingen, wenn man die Losung noch heifs tropfenweise in kochen- den Alkohol giefst, indem man gut schiittelt. Aber auch diese Operation mufs oft wiederholt werden , will man moglichst alles Chlorcalcium entfernen. Der abgegossene Alkohol uimmt aufserdem in diesem Falle merkliclie Mengen der organischen Substanz auf. Die Gesamnitmenge der nun vom Chlor- calcium moglichst vollkommen befreiten Masse wird mit wenig Wasser gekocht, wobei wohl iinner noch ein nicht loslicher Riickstand Lleiben wird , der im Wasserbadtrichter filtrirt und mit kochendem Wasser ausgewaschen wird. Dampft inan die sammtlichen Filtrate nochnials auf ein kleines Volum ein, so wird inan in derselben Weise meistens noch eine kleine Menge desselben Niederschlags sarnnieln konnen.

Die sammtlichen schwerloslichen Kalksalze werden zur Darstellung der Triglycolamidsaure in vie1 Wasser gebracht. Dazu fiigt man reine Oxalsaure in geringem Ueberschufs, kocht das Gemisch und filtrirt kocherid heifs. Das Filtrat setzt beim Erkalten, wenn man nicht eine allzugrofse Menge Wasser angewendct hat, die Triglycolamidslure in Krystallen ah. Bilden sich diese sehr schnell, so mufs man den auf den1 Filtrurn gtAlicbcncii Niederschlag noch einmal mit Wasser auskoeheri, um alle Saure zu gewinnen. Aus der von den

Page 8: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

264 H e in t z , iiher dem Ammoniaktypus

gebildeten Krystallen getrennten Fliissigkeit kann durch Ver- dunsten noch eine kleine Menge Triglycolamidsaure ausge- schieden werden. Die sogewonnene Saure kann durch Um- krystallisiren aus der wasserigen Losung mit Zuhulfenahme von mit Salzsaure gut gereinigter Thierkohle leicht voll- kommen weib erhalten werden. Allein um sie von Spuren von oxalsaurem Kalk zu befreien, mufs sie noch mehrmals umkrystallisirt werden , his eine Probe sich in verdunnter Ammoniakfliissigkeit vollkommen klar auflost.

Die von dem triglycolamidsauren Kalk getrennte Fliis- sigkeit wird nun his zu einem kleinen Volum abgedampft und in die Kalte gestellt. Zuweilen gesteht die ganze Fliissig- keit nach einigen Tagen. Das sich Ausscheidende ist glycol- saure Kalkerde. Man prefst sie stark aus und krystallisirt sie noch einmal urn. Beide Mutterlaugen werden vereinigt und wieder stark eingedampft. Zur Beforderung der Kry- stallisation des glycolsauren Kalks bringt man in die erkal- tete Flussigkeit eine kleirie Menge des bei der ersten Ab- scheidung Erhaltenen und lafst dieselbe wieder langere Zeit moglichst kalt stehen. Diese Operation wiederholt man so oft , als sich noch glycolsaure Balkerde ausscheidet. End- lich dampft man den Rest der Flussigkeit im Wasserbade zur Trockne ein, und ubergicfst den kalt gewordenen Ruck- stand mit einer kleinen Menge kalten Wassers. Bleibt hier- bei ein pulveriger Korper ungelost, so ist diefs noch glycol- saure Kalkerde, die durch Filtration und Pressen abgeschie- den werden mufs.

Der Beweis dafur, dafs diese Substanz wirklich aus gly- colsaurem Kalk besteht, ergiebt sich aus folgenden Analysen verschiedener , mehrfach umkrystallisirter Proben des bei einem meiner Versuche nach und nach ausgeschiedenen Salzes.

I. 0,2019 Grm. deaselben, im lufttrockenen Zustande gewogen, verloren bei 160° C. 0,0583 Grm. Wasser , und hinter-

Page 9: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehiirige organische SZuren. 265

liefsen schliefslich im GasgebEse gegltiht 0,0416 Grm. Kalk. Danach enthalten die Krystalle 28,88 pC. Wasser und das wasserfreie Sala 29,21 pC. Kalk.

11. 0,3062 G m . gaben unter der Glocke der Luftpumpe in 48 Stunden 0,0316 Grm., d. h. 10,32 pC. Wasser ab. Wei- terer Wasserverlust wurde dadurch nicht bedingt. Bei 160° 0. aber entwichen noch 0,0603 Grm. Wasser und endlich blieben nach dem Verbrennen des Salxes und Gliihen des Riickstaudes 0,0634 Grm. Kalk zuriick. Das unter der Luftpumpe getrocknete Salz enthielt also 21,96 pC. Wasser und 23,09 pC. Kalk.

111. 0,1534 Grm. des bei 160° C. getrockneten Salzes hinterlieken nach heftigem Gluhen 0,0456 Grm. oder 29,73 pC. Kalk.

Der wasserfreie glycolsaure Kalk enthalt 29,4'7 pC. Kalk, der uber Schwefelsaure getrocknete aber nach D e b u s *) 22,13 pC. Wasser und 22,95 pC. Kalk. Es ist also kein Zweifel , dafs der untersuchte Korper glycolsaurer Kalk war, um so mehr, als derselbe sammtliche Eigenschaften desselben besafs. Es scheint aber aus diesen Versuchen hervorzu- gehen, dafs die Krystalle des glycolsauren Kalks nicht drei, sondern vier Atome Wasser (HO) enthalten , wovon uber Schwefelsaure oder unter der Glocke der Luftpumpe 1 Atom entweicht. Denn man darf schwerlich annehmen, dafs sie im lufttrocknen Zustande iiber 10 pC. hygroscopischen Wassers zuruckhalten.

Der in der angegebenen Weise ausgeschiedene glycol- saure Kalk kann noch etwas triglycolamidsauren Kalk ent- halten, den man in folgender Weise gewinnen kann. Man lost die Gesammtmenge desselben in moglichst wenig kochenden Wassers auf. Bleibt dabei ein unloslicher Riickstand, so filtrirt man kochend heifs und prefst was auf dcm Filtrum bleibt stark aus. Hieraus kann mittelst Oxalsaurc die Tri- glycolamidsaure ausgeschieden werden. Aus dem Filtrat

*) Diese Annalen C, 8".

Page 10: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

266

scheidet sich aber beim Erkalten der glycolsaure Kalk im rcirieri Zustande aus.

Es darf nicht urierwahnt bleiben, dafs ich bei meinen Versuchen um so mehr Glycolsiure fand, j e kiirzere Zeit die Monochloressigsaure riiit ammoniakhalt igem Wasser ge- koclil worden war. Bei dem Versuche, wobei das Kochen 24 Stunden fortgesetzt worden war , fand sich davon nur cine unbedeuteude Menge. Es ist daher wahrscheinlich, dafs sie erst durch das nachherige Koehen mit Kalk aus noch un- zersetzter Monochloressigsaure entsteht.

Die von dein glycolsauren Kalk befreite Flussigkeit wird mit Wasser verdiinnt und der Kalk mittclst Ammoniak und kohlenwurein Animoniak gefallt. Die von dcm Niederschlage nbfiltrirte Flussigkeit wird durch Iioclien von deni Ueber- schufs dieser Reagentien befreit und nun mit Barythydrat versctzt und gekocht , his die Fltissigkeit nicht mehr nach Arnmoniak riecht. Reagirt dann die Fliissigkeit siiuer , so setzt man noch Barythydrat hinzu und ltocht wieder, his dcr Aminoniakgeruch verschwunden ist , und wiedcrholt diefs so oft, his endlich die Fhissigkeit alkalisch bleibt und eine l’robe clerselbeti durch Kohletisaure getrubt wird. Jetzt leitet man Kohletisaure durch die Fliissigkeit , wodurch sic jedoch ilire alkalische Reaction nicht verliert , kocht und fil- t.rirt. Sollte das crkaltetc Piltrat nach langerer Zeit kleine Iirystalle absctzen, so miifstc der auf dem Filtrutn gebliebene, hauptsaclilich aus kohlensaureni Baryt bestehende Nieder- sclilag noch eiumal mit vielem Wasser ausgekocht werden. Iliese Krystalle bestelien aus triglycolamidsaurer Baryterde, die beitn Verdunsten der Liisung in noch etwas grofserer Menge gewonnen werden kann.

Das endlich liiervon g e h n n t e leicht liisliche Barytsalz besteht im Wesentlichen aus diglycolainidsaurer Baryterde. Uiii claraus die Diglycolaniidsiure zu gewinnen, versetzt man

H e in t z j iiber dem Ammoniaktypus

Page 11: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

an.qeh.iirige orgnnische Sauren. a67

die kochende Losung dcsselben so lange rrtit einer ebenfalls kochenden Liisung von schwefelsaurem Kupferoxyd, als da- durch noch schwefelsaurer Raryt gefiillt wird, indem man dafiir sorgt, dafs nur ein geringer Ueberschufs des letzteren angewendet wird. Man filtrirt kochendheifs und dampft die Losung zu einem kleinen Volum ein, worauf man etwas Alkohol hinzufiigt , so dafs ein syrupartiger Niederschlag entsteht. Nun erwarnit man die Mischung gelinde, bis dieser Niederschlag eben wieder verschwunden ist und lifst sie nun ruhig stehen. Es setzt sicli dann oft sofort, zuweilen erst nach einiger Zeit ein schon blaues krystallinisches Pul- ver ab, das, nachdem es sich vollstandig ausgeschieden hat, auf einem Filtrurn gesamrnelt und init kaltem Wasser ausge- waschen wird. Urn es zu reinigen? lost man es in vielem kochendem Wasser , dem es eine sclione, tief blaue Farbe ertheilt. Aus der filtrirten Flussigkeit setzt sich beim Er- kalten die Verbindung in tief blauen glinzendcn, aber nur kleinen prismatischen Krystallen ab. Sie ist in kaltem Wasser und selbst in kochendem nur schwer liislich. Bei meinen Versuchen habe ich fast ilrirner nur einer eininaligen Unikry- stallisation bedurft, urn diese Verbindong vollkommen rein zu erhalten. Zieht die Farbe derselben ins Griinliche, so kann man sie mit Hiilfe von Thierkohle urrikrystallisiren, wodurch schon die Losung gewohnlicli sofort tief blau wird und so auch die sich daraus abscheidenden Krystalle.

Daraus die Diglycolamidsaure selbst abzuscheiden , ge- lingt leicht durch Behandlung der Losung derselben mit Schwefelwasscrstoff~as. Man filtrirt und dainpft die lilare farblose Losung ein. Bci hinreicliender Concentration sctzt sich aus der heifsen Losung die Diglycolamidsiiure in ver- haltnifsmafsig grofsen , oft wasserklaren Krystallen ab , die namentlich dmch freiwilliges Vcrdunsten dcr Liisung von bedeutender Grofse geworineii werderi kiitincn.

Page 12: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

268 H e i n t z, iiber dem Ammoniaktypur

Die Flussigkeit, welche von den Krystallchen des digly- colamidsauren Kupfers getrennt worden ist, enthalt noch or- ganische Substanz. Bis jetzt ist es mir nur gelungen, daraus etwas Glycocoll abzuscheiden. Manche Anzeichen scheinen mir jedoch dafiir zu sprechen, dafs noch eine organische Saure darin enthalten ist. Hier will ich jedoch nur angeben, wie ich daraus Glycocoll gewonnen habe.

Die alkoholischen Losungen, welche bei Fallung der con- centrirten wiisserigen Losung der Kalkverbindung durch Al- kohol erhalten waren, hatte ich, um die darin noch enthal- tene organische Substanz zu scheiden, mit vielem Aether gemischt, und dadurch einen Niederschlag bekommen , der diese fast ganz, aber auch vie1 Chlorcalcium enthielt. Diesen Niederschlag versetzte ich mit etwas rauchender Salzsaure, fiigte dann absoluten Alkohol , , worin sich alles loste, und endlich Aether hinzu , welcher einen fliissigen Niederschlag hervorbrachte, in dem sich aber eine Kruste kleiner Krystalle bildete. Diese Krystalle prefste ich sorgfiiltig, riihrte sie noch eininal mit einer kleinen Menge absoluten Alkohols an, prefste nochmals stark aus, und loste sie nun in Wasser. Rei frei- willigeni Verdunsten dieser Losung bildeten sich grofse, sehr diinne tafelformige Krystalle, die Chlor reichlich, aber nur Spuren yon Kalk enthielten. Sie glichen aufserordentlich dem salzsauren Glycocoll.

In der That, als ich sie in ammoniakhaltigem Wasser loste und zu der warmen Losung Alkohol hinzufiigte, schie- den sich namentlich beim Erkalten farblose nadelformige Krystalle ab, die sich in Wasser leicht losten. Diese Losung reagirte schwach aber deutlich sauer. In absolutem Alkohol und Aether waren die Krystalle selbst in der Kochhitze nicht liislich. Ihr Geschmack war intensiv sufs. Wurde die Losung derselben mit Kupferoxyd gekocht, die blaue Flussig- keit heifs filtrirt und der Erkaltung uberlassen, so setzten

Page 13: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehb'mge organische Sauren. 269

sich blaue Krystalle ab, die unter dem Mikroscop als feine, concent.risch gruppirte, ziemlich lange Nadeln erschienen und in kaltem Wasser schwer, in kochendem leicht liislich waren.

Nach den beobachteten Eigenschaften dieses Korpers kann kein Zweifel dariiber obwalten, dafs derselbe Glycocoll ist.

13.iglycolamidsaure.

Diese Saure bildet kleine farb- und geruchlose, luftbe- standige Krystalle, deren Form naher zu bestimmen mir nicht gelungen ist. Sie sind namlich nur klein, die grbfsten etwa zwei Linien lang und haben prismatischen Habitus. Be- trachtet man sie aber mit der Loupe, so sieht man, dafs sie rinnenformig ausgehohlt sind. Nach dem eineu Ende hin convergiren die bei oberflachlicher Betrachtung parallel er- scheinenden Seitenwande der Rinne unbedeutend und sind hier miteinander verbunden. Am anderen Ende ist die Rinne offen. Der untere Theil der Rinne ist durch zwei Flachen geschlossen, die mit den Seitenwanden derselben Winkel von circa i l O o , unter sich aber einen Winkel von circa 140° bilden.

Diese Krystalle schmecken ihrer Schwerloslichkeit willen nur schwach sauer. Doch ist die saure Reaction ihrer wasse- rigen Losung intensiv.

In der Hitze verknistern sie stark, was schon darauf hindeutet, dafs sie kein Krystallwasser aufnehmen. Bei 190° farben sie sich noch nicht, werden aber weifs und undurch- sichtig. Werden sie weiter erhitzt, so schmelzen sie, brlu- nen und schwarzen sich unter Ausstofsen eines Dampfes, der den Geruch stark erhitzter Thierstoffe verbreitet. Zu- letzt aber verbrennen sie, ohne eine Spur Asche zuruckzu- lassen.

In Wasser ist die Triglycolamidsaure schwer loslich. 100 Theile Wasser von 5O C. nehmen 0,1338 Theile auf. Sie ist also bei dieser Temperatur in dem 747 fachen Gewicht

Page 14: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

270 H e i n t s , iiber dem Ammoiiiaktypus

Wasser loslich. Kocliendes Wasser nimnit etwas mehr da- von auf. In Alkohol und Aether l6st sie sich nicht.

Conrentrirte Schwefelsiiure wirkt in der Kllte niclit auf die Triglycolamidsaure ein. In der Warme lost sie sie untcr Entwicklung einiger Gasblaschcn ohne Farbung der Fliissigkcit. Die Losung wird durcli Wasser nicht gcfallt. Alkoholzusatz bewirkt in dieser Fliissigkeit nach langer Zeit niir cine sehr geringe Triibung, in der jedoch rnittelst des blikroscops klcine nadelformige Krystdle erkannt werdcn konnten.

Bei der trocknen Uestillation geht eine braune Fliissig- keit iiber , die bald zu einer festen, zutn Theil krystallini- schen Masse gesteht, und sich zum grofsten Theil in Wasser lost. Bei freiwilliger Verdunstung der alkalisch reagirenden Losung bleibt eine braune extractartige Masse zuruck.

Aus der concentrirten Losung ihrer leicht loslichen Salze wird die Triglycolamidslure durch Zusatz von Salzsiiure gefallt.

Die schwach alkalische Losung derselben in wenig ver- diinntcr Ammoniakflussigkeit giebt rnit salpetersaurem Silber- oxyd einen weifsen krystallinischen, mit salpetersaurem Queck- silberoxydul eincn schon in dcr KBlte sofort grau werdenden Niederschlag.

Schwefelsaures Kupferoxyd wird dadurch tief blau ge- farbt und nach langercr Zeit setzt sich ein blauer Bodensatz ab, der ails kleinen inikroscopischen Prismen besteht , im Kochen sich wieder lost und beirn Erkalten wieder erscheint. Die iiber dem Niederschlag stehende Fliissigkeit reagirt sauer. Auf Zusatz von so vie1 Aniinoniak, dafs dieselbe noch saure Reaction behalt, entsteht ein ganzlicli amorplier, blauer, in der Koclihitze nicht liislicher Niederschlag.

Neutrales essigsaures Bleioxyd giebt in jener Losung einen weifsen, aus kleinen mikroscopischen , regular sechsseitigen

Page 15: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehb'rige or.qanische Sauren. 271

Tafeln bestehenden Niederschlag , der sich in der Hitze lost, in der Kdte wieder erscheint.

Rasisch essigsaures Rleioxyd trubt dieselbe, und nach Ian- gerer Zeit setzt sich ein klebriger fadenziehender Absatz ab.

Durch Chlorbaryum entsteht darin ein weifser, ails regu- lar sechsseitigen inikroscopischen Tafeln bestehender , in der Warme sich leiclit liisender und auch in kaltem Wasser nicht besonders srhwcr loslicher Niederschlag. Setzt man zu der kochenden LOs~iig Ammoniak im Ueberschufs, so fallt ein aufserst schwer liislicher Kiirper nieder , der aus kleinen prismatischen , meist mit dem einen Ende mit einandor ver- wachsenen, am anderen mit einer graden Endflachc verschencn Krystallchen besteht , deren Liisung sehr scliwach alkalisch reagirt. Beide Niederschlage weichen in ihren Eigenschaftcn wesentlich von dencn des Barytsalzes ab, welches im Ein- gange besclirieben ist. Dieser Umstand machte mich einen Augenblick zweifelhaft , ob ich damals wirklich schon den zweibasisch - triglycolarnidsauren Baryt unter I-Ianden gehabt habe. Ich iiberzeugte mich aber bald; dafs durch Fallung des saurcn Amrnoniaksalzes der Triglycolamidsaure mittelst essigsaurer Baryterde , wodurch jenes Salz erzeugt worden war, ein Niederschlag erhalten wird, der i n Krystallform und in den ubrigen Eigenschaften ganz rnit jenem Salze uberein- stimmt.

Mischt man jene Lijsung niit Chlorcalciumlosung, so bil- det sich anfangs kein Niederschlag. Durch Kochen der Mischung entsteht er aber sofort. Er besteht aus recht- winkeligen , mikroscopischen Tafeln, die durch Kochcn der Mischung mit Ammoniak in sehr kleinc regular sechsseitige Tafelchen iibergehen.

Die Krystalle dieser Saure unterwarf ich der Elementar- analyse. Bei der Stickstoffbestimmung, die nach der Methode yon W i l l . und V a r r e n t r a y y ausgefuhrt wurde, gaben

Page 16: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

272

mehrere Versuche zu niedrige Zahlen. Es stellte sich her- aus, dafs die Mischung von Natronkalk mit der organischen Substanz noch lange, niichdem sie weiSs geworden war, ge- gluht werden mufste, uni allen Stickstoff in Ammoniak zu verwandeln. Wahrscheinlich bildet sich in dem sehr schnell weirs werdenden Gemisch vie1 Cyankaliurn, welches erst durch langeres Gluhen ganz zersetzt wird.

He in t z , iiber dena Arnmoitiaktypus

Folgende Resultate wurden erhalten : I. 0,2187 Grm., die hei 100 his 110" C. nur einige Zehntel Milli-

gramme an Gewicht verloren hatten, lieferten hei der Ver- brennung mit Kupferoxyd, metallischem Kupfer und schlieb- lich im Sauerstoffstrom 0,3038 Grm. Kohlensilur'e und 0,0958 Grm. Wasser, entsprechend 0,08285 Grm. oder 37,88 pC. Kohlenstoff und 0,01064 Grm. oder 4,86 pC. Wasserstoff.

11. 0,2673 Grm. gaben 0,3711 Grrn. Kohlensilure und 0,1154 Grm. Wasser, entsprechend 0,10121 Grm. oder 37,86 pC. Iinh- lenstoff und 0,01282 Grm. oder 4,80 pC. Wasserstoff.

111. 0,2816 Grm. lieferten 0,1452 Grm. Platin, entsprechend 0,02'062 Grm. oder 7,32 pC. Stickstoff.

IV. Endlich 0,2520 Grm. gahen 0,1289 Grm. Platin, entsprechend 0,01831 Grm. oder 7,27 pC. Stickstoff.

Hieraus folgt folgende Zusammensetzung : I. 11. 111. IV. Mittel berechnet

Kohlenstoff 37,88 37,86 - - 37,87 37,70 6 6 Wasserstoff 4,86 4,80 - - 4,83 4,71 9 H Stickstoff - - 7,32 7,27 7,30 7,33 1 N

50,OO 50,26 6 8 Sauerstoff - - _ _ 100,oo 100,oo

Nach diesen Analysen ist die Zusammensetzung der Tri- glycolamidsaure durch die Formel GGH!'NBG ausdruckbar.

Um ihre Basicitat zu ermitteln, loste ich sie in Ammoniak auf und verdunstete die Losung iui Wasserbade zur Trockne. Es blieb ein strahlig krystallinischer Ruckstand, der sich leicht in kaltem Wasser loste, also nicht Triglycolamidsaure, son- dern ein Ammoniaksalz dieser Saure war. Es reagirte aber merklich sauer.

Die Losung dieses sauren Salzes gab mit salpetersaurem Silberoxyd einen Niederschlag. Die saure Reaction der

Page 17: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angeharige organische Sauren. 273

Fliissigkeit nahm dabei bedeutend zu. Der gewaschene Nie- derschlag enthielt bei meinem Versuch 60,O pC. Silber. Das dreibasische Silbersalz miifste 63,25 pC. Silber enthalten, das eweibasische dagegen nur 53,33 Q C .

Diese Beobachtungen veranlafsten mich, das Silber- und Ammoniaksalz einer naheren Untersuchung zu unterwerfen, indem ich hoffte, im ersteren ein drei-, im letzteren ein ein- basisches Salz zu finden. Ein zweibasisches Salz hatte ich schon friiher untersucht. Es ist das im Eingange erwahnte Barytsdlz. Allein es fand sich, dafs das saure Ammoniaksalz auch zwei Atome dieser Basis enthalt, wogegen das Silbersalz allerdings das dreibasische Salz ist.

Saures triglycolamidsaures Ammoniak. - Es wird er- halten, wenn man Triglycolamidsaure in uberschussigem Am- moniak lost, wobei sich die Mischung merklich erwarnmt, und die Losung im Wasserbade zur Trockne verdunstet. Das in Wasser sehr leicht losliche Salz kann, wenn nur kleine Men- gen zu Gebote stehen, nicht gut aus wasseriger Losung kry- stallisirt werden , weil die dickflussige Mutterlauge nur un- vollkommen von den kleinen Krystallen getrennt werden kann. Ich iibergofs defshalb die wasserige Losung desselben mit absolutein Alkohol, wodurch an der Beruhrungsflache beider Fliissigkeitsschichten eine Triibung entstand, die sich nach und nach zu langen nadelfijrmigen Krystallen ausbildete, die ZUNI Theil iibcr Zollliinge besaben.

Diese Krystalle sind geriichlos, in Alkohol und Aether nicht loslich, schmecken nicht sauer, sondcrn salzig, schmel- Zen in der Hitze, briiunen sich aber gleichzeitig, verbreiten den Geruch verkohlender Thierstoffe, und verkohlen endlich unter Blasenwerfen. Bei der trocknen Destillation liefern sie eine stark alkalisch reagirende braune Fliissigkeit.

Zur Analyse dieses Salzes versetzte ich die concentrirte wasserige Losung der bei 100'' C. getrockneten Substanz

Annal. d. Chemie u. Pliurm. CXXII. Bd. 3. Heft. 18

Page 18: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

274 H e i n t z , iiber dem Ammoniak9pus

mit Salzsaure, filtrirte die sich ausscheidende Triglycolamid- saure ab, wusch sie zuerst rnit verdunntem, endlich mit ab- solutem Alkohol aus, und versetzte das Filtrat mit Platin- chlorid und znletzt rnit dem gleichen Volum Aether. Der gewaschene Niederschlag mufste gegliiht werden , weil noch etwas Triglycolamidsaure darin enthalten sein konnte.

Die Analysen lieferten folgende Zahlen . I. 0,2848 Grm. der lufttrocknen Krystalle verloren bei 100 bis 110O

0,0209 Grm. an Gewicht und gaben 0,2277 Grm. Platin, entsprechend 0,04153 Grm. oder 14,58 pC. Ammonium; der Wassergehalt betrtlgt 7,34 pC.

IT. 0,2234 Grm. gaben bei 1OOo 0,0165 Grm. Wasser ab und lie- ferten 0,1773 Grm. Platin, entsprechend 7 3 9 pC. Wasser und 0,03233 Grm. oder 14,47 pC. Ammonium.

Die Rechnung nach der Formel G6H7(NH4)2NW+H20 verlangt 14,81 pC. Ammonium und 7,41 pC. Wasser.

Diglycolamidsaurea Silber. - Wird eine heifse wiisse- rige Losung des eben beschriebenen Salzes zuerst his zur merklich alkalischen Reaction mit Ammoniak und endlich rnit einer Losung von salpetersaurem Silberoxyd versetzt, so ent- steht ein weifser krystallinischer Niederschlag, der sich sehr gut auswaschen lafst , da er in Wasser beinahe vollkommen unloslich ist. Getrocknet bildet er ein weifses, lockeres, krystallinisches Pulver. Mittelst des Mikroscops sieht man, dafs er aus lauter kleinen , gestreckten, rechtwinkeligen Ta- feln besteht, die rnit abgestumpften Ecken versehen sind. Ueber Schwefelsaure nimmt das lufttrockene Salz gar nicht an Gewicht ab,

Im Dunkeln bleibt dieser Korper weifs, wenn er nicht erhitzt wird. Bei 100° C. aber wird er grau und endlich fast schwarz, ohne wesentlich an Gewicht abzunehmen. Er- hitzt man das Salz nur ein wenig hoher, so verpuff’t es plotz- lich. Das Product der Verpuffung hat ein bedeutend grofseres Volum, als das Salz ursprunglich besafs. Es ist braunlich-

Page 19: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehiirfqe organische Sauren. 275

grau gefarbt, wird aber bei sehr schwachern Gliihen voll- kommen weirs, indem das riickstandige Silber gleichzeitig be- deutend zusammensinkt.

Wegen dieser explosiven Eigenschaft des Salzes be- stimmte ich den Silbergehalt desselben in Form von Chlor- silber, erhielt indessen stets zu niedrige Zahlen, namlich 62,66, 62,82, 62,69 pC., und iiach einer neuen Darstellung des Salzes, wobei selbst nach beendeter Pallung desselben die Reaction der Mischung iioch schwach alkalisch war, 62,33 pC. Silber.

Bei einem Versuch, durch blofses Gliihen den Silberge- halt des Salzes zu bestimmen, erhielt ich trotz der eintreten- den Verpuffung gunstigere Resultate. Das riickstandige Sil- ber war rein, es loste sich in Salpetersaure vollkommen auf. Bei dem Versuche I wurde ein Platintiegel mit sehr gut schliefssendem Deckel, bei den beiden folgenden zwei solcher Tiegel, von denen der eine in den anderen gestellt wurde, angewendet.

I. 0,2065 Grm. hinterliehen gegluht 0,1302 Grm., d. h. 63,05 pC.

11. 0,2368 Grm. gaben 0,149 Grm., entsprecheiid 62,92 pC. Silber. 111. 0,2812 Grm. lieferten 0,1751 Grm., d. h. 62,27 pC. Silber.

Je grofser die Menge des angewendeten Salzes, je grofser also die beim Erhitzen sich bildende Gasmenge war, desto grofser war also trotz der Anwendung der doppelten Tiegel der Silberverlust bei der Verpuffung.

Um diesen Verlust ganz zu verrneiden, rhischte ich das Salz mit vorher gut ausgegluhtem grobem Quarzsand. Beim Erhitzen war nun in der That jede plotzliche Gasentwicke- lung vermieden. Demgemafs war auch das Resultat des Ver- suchs ein ganz befriedigendes.

Silber.

0,2406 Grm. hintcrlieben 0,1520 Grm. Silber, entapreohend 63,18 pC.

Hiernach ist kein Zweifel, dafs der analysirte Korper das dreibasische Silbersalz der Triglycolamidsaurr ist, dessen Zu-

18 *

Page 20: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

276

sammensetzung durch die Formel GGH6Ag3NOG ausgedriickt werden kann, und welches 63,28 pC. Silber enthalten mufs.

H e i n t 2: , u6er dem Ammoniaktypus

Di~Zycolaaaidsaure.

Diose Saure krystallisirt in grofsen Krystallen, die nament- lich durch freiwilliges Verdunsten der Losnng von bedeutender Griifse erhalten werden konnen. Ihre Form ist ein rhombisclies Prisnia nlit Winkeln von im Mittel 129O (gefunden wurde 12V55' bis 129"4'). Amvollkommenstenpflegt das gerade auf die scharfen Seitenkanten aufgesetzte Flachenpaar ausgebildet zu sein, das den Winkel von 109O48' einschliefst. Diese Flachen bilden init den Prismenflachen Winkel von im Mittel 104O25'. Berechnet man diesen Winkel aus den beiden zuerst erwahnten unter der Voraussetzung , dafs die Krystalle dem rhombischen Sy- stem angehoren, so findet man 104"40'. Zuweilen habe ich auch ein gerade auf die stumpfen Scitenkanten aufgesetztes Fliichenpaar beobachtet, dessen Lage ich aber nicht be- st.immen konnte. Es schien jedoch einen stumpferen Winkel einzuschliefsen, als das auf die scharfen Seitenkanten aufge- setzte Flachenpaar. Hiufig kommt auch die Abstumpfungs- fliiche der scharfen Seitenkante vor.

Die Diglycolamidsaure ist luftbestandig , farb- und ge- ruchlos, schmeckt stark aber nicht unangenehm sauer. Ihre Reaction ist ebenfalls stark sauer. Die Krystalle derselben verknistern nicht und verlieren in der Warme nicht an Ge- wicht. Sie sind wasserfrei. Bei 160" C. veriindern sit! sich nicht. Bei 190'' C. und selbst 210" scheinen sic nur eine anfangende Schmelzung zu erleiden. Sie hafteten wenig- stens hei meinein Versuch an dem Platintiegel, in welchem ich sie dieser Temperatur ausgesetzt hatte und waren an der Beriihrungsstelle gebraunt , im iibrigen aber nur milch- weifs geworden. In starkerer Hitze schmelzen die Krystalle, die Flussigkeit briiunt sich aher gleichzeitig, indem sie Blasen

Page 21: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

nnye?&ige organische S6uren. 277

wirft und den Geruch nach verkohlenden Thierstoffen aus- stofst. Dann findet Verkohlung und in der Gluhhitze voll- standige Verbrennung statt.

In Wasser lost sich die Diglycolamidsaure schwerer als Glycocoll , leichter als Triglycolamidsaure. In kochendem Wasser ist sie leicht ioslich. Dagegen nehmen 100 Theile Wasser bei 5 O C. nur 2.43 Theile auf. Sie ist also in dem 41 fachen Wasser von dieser Temperdtur loslich. In Alkohol und Aether lost sie sich nicht.

Bei der trocknen Destillation geht eine braune, bald fest werdende Substanz uber, die alkalisch reagirt und an der ich krystallinische Structur nicht bemerken konnte.

In kalter conccntrirter Schwefelsaure verandern sich die Krystalle derselben nicht. In der Warme liisen sie sich darin ohne Gasentwickelung auf. Beim Erkalten der heifsen Liisung scheidet sich nichts aus und ebenso nicht auf Zusatz von wenig Wasser. Setzt man aher noch absoluten Alkohol hin- zu, so trubt sich die Flussigkeit wenigstens nach Iangerer Zeit. Bei meinem Versuche erschien jedoch der geringe Bo- densatz unkrystallinisch. Beirn freiwilligen Verdunsten des Alkohols auf dem Objectglaschen schieden sich aber mikro- scopische nadelfiirmige Krystallchen aus.

Versetzt man die Saure mit Aminoniak bis zur schwach alkalischen Reaction und fugt dann salpetersaures Silber hin- zu, so eritseht ein weifser Niederschlag, der aueh im Kochen weifs bleibt, sich dabei etwas auflost uiid beirn Erkalten in zarten mikroscopischen quadratischcn Tafeln anschiefst.

Dieselbe Liisung giebt mit Bleizuckerlosung anfiinglich keinen Niederschlag. Nach lingerer Zeit bildet sich aber ein bedeutender weifser Absatz , der aus kugelig gruppirten aufserst feinen mikroscopischen Nadelchen besteht.

Basisch-essigsaures Bleioxyd trubt die Losung nur un- bedeutend ; der Niederschlag ist amorph.

Page 22: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

218 H e in t z ~ iiber dem Ammoniaktypus

Wird die Diglycolamidsaure in uberschussiger Amnioniak- flussigkeit gelost und die Liisung im Wasserbade verdun- stet, so bleibt ein weifser, fester, aufserst loslicher Ruck- stand, dessen Losung sauer reagirt, also ein saures Ammoniak- salz der Diglycolamidsaure ist. Die Losung desselhen wird durch salpetersaures Silheroxyd krystallinisch, weirs gefallt und die iiber dem Niederschlag stehende Flussigkeit reagirt intensiver sauer, als die Losung des Ammoniaksalzes. Bei freiwilligem Verdunsten der Losung des sauren Ammoniak- salzes bleibt ein syrupartiger Ruckstand, der schliefslich zu einer nadelig krystallinischen Masse gesteht. Die Diglycol- amidsaure ist also in ihrem Verhalten zum Ammoniak der Triglycolamidsaure sehr ahnlich.

sultaten : Die Analysen dieser Saure fuhrten zu folgenden Re-

I . 0,2024 Grm. derselben, welche ihr Gewicht selbst bei 130OC. gar nicht gegndert hatten, lieferten mit Kupfcroxyd und vorgelegtem Kupfer verbrannt 0,2670 Grm. Kohlensiiurc und 0,0965 Grm. Wasser, entsprechend 0,07282 Grm. oder 35,98 pC. Kohlenstoff und 0,01072 Grm. oder 5,30 pC. Wasserstoff.

11. 0,2751 Grm. lieferten 0,3646 Grm. Kohlenslure und 0,1306 Grm. Wnsser, entsprechend 0,09944 Grm. oder 36,15 pC. Kohlenstoff und 0,01451 Grm. oder 5,27 pC. Wasscrstoff.

0,2213 Grm. lieferten nach der Methode van W i l l und Var- r e n t r a p p 0,1602 Grm Platin, enteprechend 0,02276 Grrn. oder 10,28 pC. Stickstoff.

IV. 0,2542 Grm. gaben in derselben Weise 0,1864 Grm. Platin, entsprechend 0,02648 Grrn. oder 10,42 pC. Stickstoff.

111.

Hiernach besteht die biglycolamidsaure aus : 1. 11. 111. IV. Mittel berechnet

Kohlenstoff 35,98 36,15 - - 36,06 36,09 4 6 Wasserstoff 5,30 5,27 - - 5,28 5,26 7 H Stickstoff - - 10,28 10,42 10,35 10,53 1 N

- - - 48,31 48,12 4c) Sauerstoff - 100,oo 100,oo

Ihrc Formel ist also €4H7N04.

Page 23: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehSrigge organische Sauren. 279

Die Basicitat derselben ergiebt sich aus der Analyse des Kupfersalzes, welches aus einem alkalisch reagirenden Baryt- salze durch doppelte Zersetzung erhalten worden war. Es ist dasselbe Salz, aus welchem ich die freie Saure mittelst Schwefelwasserstoff abgeschieden hatte.

halten : Bei der Analyse desselben wurden folgende Zahlen er-

I. 0,2399 Grm. des gepulverten lufttrockenen Salzes verloren bei bis 1400 C. steigender Tcmperatur getroclcnct 0,0362 Grm. Wssser, entsprechend 15,09 pC. Durch Gluben wur- den aus dem Riickstande 0,0823 Grm. Kupferoxyd erhalten, entsprechend 0,06569 Grm. oder 27,38 pC. Kupfer.

11. 0,2468 Grin. lieferten bei allmiilig bis 150° C. gesteigerter Temperatur ohne Veriinderung der schon blauen Ferbe der Verbindung 0,0388 Grm. Wasser und hinterlieken gegluht 0,0846 Grm. Kupferoxyd, entsprecbend 0,06753 Grm. Kupfer. Hiernach enthalt die Verbindung 15,72 pC. Wasser und 27,36 pC. Kupfer.

0,3601 Grm. der gepulverten lufttrockenen Krystalle lieferten bei der Elementsranalyse 0,2752 Grm. Kohlenssure, 0,1272 Grm. Wasser und 0,1235 Grin. Kupferoxyd, entsprechend 0,09858 Grm. oder 27,38 pC. Kupfer, 0,07505 Grm. oder 20,84 pC. Kohlenstoff und 0,01413 Grm. oder 3,92 pC. Wasserstoff. Hiervon sind 1,74 pC. dem Krystallwasser angehiirig ; die organisohe Substanz der Verbindung ent- halt also 2,18 pC. Wasserstoff.

111.

Hieraus ergiebt sich folgende Zusammensetzung des blauen Salzes :

I. 11. 111. berechnet Kohlenstoff - - 20,84 20,84 4 6 Wasserstoff - - 2,18 2,17 5 H Kupfer 27,38 27,36 27,38 27,49 2 Cu Stickstoff - - - 6,08 1 N Sauerstoff - - - 27,79 4 8 Wasser 15,09 15,72 - 15,63 2 H 8 8

100,oo

Demnach ist diese Verbindung der Formel €4H5C~2N84 + 2 H28 gemafs zusammengesetzt. Hieraus darf man folgern, dafs die Diglycolamidsaure eine zweiatomige Saure ist.

Page 24: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

280 H e i n t z , iibm dewt Ammmtiaktypus

Das diglycolamidsaure Kupfer bildet kleine, schon blaue, prismatische Krystalle, die mittelst der Loupe betrachtet meist als rechtwinkelige TafeIn erscheinen, an denen zuweilen auch Abstumpfung der Ecken vorkommt.

Mange1 an Material hat mich bis jetzt verhindert, die Eigenschaften und die Zusammensetzung namentlich des Silber- und des sauren Ammoniaksalzes dieser Saure zu ermitteln.

Nach vorstehenden Versuchen bilden sich bei der Ein- wirkung wasserigen Ammoniaks auf Monochloressigsaure vier Kiirper , narnlich Glycolsaure , Glycocoll , Diglycolamidsaure und Triglycolamidsaure.

Die Glycolsaure entsteht einfach nach der Gleichung €,2H3C102-+NH3$H2G=G2H483+(NH4)C1. Wie die Losung von Natriumoxydhydrat, so kann also auch die des Ammonium- oxydhydrats, als welche man die wasserige Losung des Am- moniaks betrachten kann, die Monochloressigsaure in Glycol- saure uberfiihren.

Die Bildung der drei anderen Korper kann dnrch fol- gende drei Gleichungen ausgedruckt werden :

GZH3ClQ2 + 2 NHY = (NH4)C1 + G'H5N03 2 (G2H3ClQ2) + 3 NH3 = 2 (NH4)Cl + G4H7N04 3 (G9HSC1€P) + 4 NH3 = 3 (NH4)C1 f 6"H9N8"

Indern also eine dieser stickstofflialtigen Verbindungen entsteht, werden aus einern Atom Ammoniak ein, zwei oder drei Atome Wasserstoff ausgeschieden, welche ein, zwei oder drei Atome Ammoniak in Ammonium umwandeln, die sich mit dem Clilor von einem, zwei oder drei Atomen Dlonochlor- essigsaure verbinden. So viele Atome Wasserstoff aus dem erst erwahnten Atom Ammoniak ausgeschieden sind, so viel Atorne Monochloressigsaure haben ihr Chlor abgegeben , so viel Atome des dabei von ihr iibrig bieibenden Restes werden disponibel. Je ein Atom dieses Restes kann also an die

Page 25: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehrige orgunische Sauren. 281

Stelle j e eines Atoms Wasserstoff in einem Atom Ammoniak treten.

Von dieser Vorstellung ausgehend, darf man diese drei Korper durch die rationellen Formeln

K G'HSQ2, NrE3*29 H r:"' ausdriicken.

Allein diese Verbindungen sind Sauren. Wenn es auch ammoniakartige Kiirper giebt, die durch Austausch des typi- schen Wasserstoffs gegen Metall salzartige Verbindungen zu bilden im Stande sind, wie z. B. das Benzoylsulfophenyl- amid *) , das Cumylsulfophenylamid *++) und das Succini- mid ***) Wasserstoff gegen Silber austauschen konnen , so sind doch die dreiKorper, von denen hier die Rede ist, nicht mit ihnen zu vergleichen. Denn dann miifste das Glycocoll ein- oder zweibasisch , die Diglycolamidsaure einbasisch und die Triglycolamidslure konnte gar keine Siiure sein.

Vielmehr mufs der durch Metall vertretbare Wasserstoff in dem Atomcomplex G2H3Q2 enthalten sein. Denn wir sehen, dafs dic Basicitat dieser Korper proportional ist dem Gehalte derselben an diesem Atomcomplex.

Dafs dem so sein mufs, dafiir spricht auch entscheidend die Bildungsweise dieser Korper. Denn das in der Mono- chloressigskiure enthaltene, durch Metalle vertretbare Wasser- stoffatom ist in dem Atomcomplex G2H3C12 noch unverandert enthalten. Es liegt kein Grund vor, wefshalb es, indeni das Chlor aus der Monochloressigsaure ausscheidet und der von ihr bleibende Rest an Stelle des Wasserstoffs des Ammoniaks tritt, seine Fahigkeit, durch Metalle vertreten zu werden,

*) Ann. de Chim. et de Phys. 3s6r. XLVI, 148*. **) Ebend. 6. 153*.

*-) Journ. f. praot. Chem. XLVII, 71".

Page 26: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

282 H e i n t a , Gber dern Ammoniaktypus

einbiifsen sollte. Dieser Umstand erlaubt geradezu a priori zu schliefsen, was in der That der Versuch ergeben hat, dafs namlich die Anzahl der in die Verbindung eingetretenen Atome des Atomcomplexes €2H308” die Basicitat derselben bestimmt.

1st aber in dem Atomcomplex € ? H W ein Atom Wasser- stoff enthalten , welches sich vor den anderen dadurch aus- zeichnet , dafs es leicht durch Metalle vertreten werden kann, d. h. mit anderen Worten, wenn wirklich dieser Atomcom- plex ein typisches Radical ist, so mufs diefs auch in der ra- tionellen Formel der Kiirper , welche denselben enthalten, ausgedriickt sein , dieser Wasserstoff mufs in ihrer Formel eine besondere Stelle einnehmeni und wenn man wieder von der Monochloressigsaure ausgeht , aus der dieser Atomcom- plex durch Ausscheiden von Chlor hervorgeht, so kann ihm nur die Formel “go 10 gegeben werden.

Demnach sind die rationellen Formeln der drei bei der Einwirkung des wjisserigen Ammoniaks auf die Monochlor- essigsaure entstehenden stickstomaltigen

Hlf)

H P WH28

Gl~cocoll Diglycolnmidsiiure Triglycolamidsiiure. (GlycolamidsPure)

Es ist wohl iiberfliissig, durch die Formeln derselben zu zeigen , wie auch die Kol b e’sche Ansicht, dafs der Sauer- stoff der Siiureradicale, darin als Carbonyl enthalten ist, in denselben ihren Ausdruck finden kann. Das typische Radical

ist nur umzuwandeln in cH2 €Ore 1 +*). Allein um diese Formel H\

68

H vertretbar iet.

*) Nicht 6aj,), weil der extrsradicale Wasserstoff auroh Metal1

Page 27: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

an.qsh&iyge oyqanische Sauren. 283

zu rechtfertigen fehlt noch der Nachweis, dafs wirklich das Radical GH2 darin enthalten ist.

Absichtlich habe ich etwas ausfiihrlicher die Grunde fur die obigen rationellen Formeln hesprochen. Sie entwickeln sich naturg-emafs und auf das Einfachste aus der Entstehungs- weise der Korper, welche sie ausdrucken sollen.

Wie anders verhalt es sich mit der jetzt am allgemein- sten verbreiteten Vorstellungsweise, wonach ein zweiatomiges Radical itnmer j e zwei Tyyen dadurcli zu verbinden im Stande sein soll, dafs es an die Stelle von j e einem Aequivalent Wasserstoff der beiden Typen trete! Allerdings kann man selbst fur die Triglycolamidsaure noch eine Formel aufstellen mit Hiilfe dieser Vorstellungsweise. Sie wiirde folgende sein :

Gegen diese Formel spricht zunachst der Umstand, dafs die TriglycolamidsCure drei durch Metall vertretbare Atome Wasserstoff enthalt , aber nur zwei extraradicale Wasserstoff- atome in derselben im Wassertypus stehen, das dritte aber im Ammoniaktypus. Sind indessen auch die Falle, wo auch solcher Wasserstoff leicht durch Metall vertreten werden kann, bis jetzt nur selten , so giebt es doch solche ”), wo- von ein schon oben gegebenes Citat Zeugnifs giebt.

Fragt man sich aber, wie diese und die ahnlichen For- meln der Diglycolamidsaure und des Glycocolls die Analogie der drei Verbindungen Glycol-, Diglycol - und Triglycol- amidsaure mit dem Aethyl-, Diathyl- und Triathylamin noch

*) Ohne Zweifel werden wir deren noch vie1 mehr kennen lernen, jc mehr man bestrebt sein w i d , Imido mit sehr electronegativen Radicalen darzustellen.

Page 28: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

284 H e i n t 8 , iiber dem Ammonirlktypus

verstandlich machen, so mufs man die Antwort schuldig bleiben. Das leisten aber die von mir aufgestellten Formeln vollkommen.

Eben so ist die Entstehung der Triglycolamidsaure mit Htilfe der letzt verxeichneten Formel nicht so einfach ver- standlich, wie durch die von mir gegebene. Man mufs dort annehmen , dafs zuerst entweder Diglycolamidsaure gehildet wird, und diese erst dadurch, dafs ein extraradicales, den1 Wassertypus angehoriges Wasserstoffatom noch durch den Atomconrplex G 2 H 3 0 2 vertreten wird , in Trig1 ycolamidsaure ubergeht, oder dafs, wie bei Einwirkntig von Natron- oder vorzuglich von Kalkhydrat auf Monochloressigsaure, auch bei der des Ammoniaks Diglycolsaure entstehe , und diese auf gebildetes Glycocoll wirkend unter Wasserausscheidung in Triglycolamidsaure ubergehe. Letztere Bildungsweise ist unter anderen schon defshalb wenig wahrscheinlich, weil trotz nieiner Bemuhungen es niir nicht gelungen ist, die Gegen- wart der Diglycolsaure unter den Zersetzungsproducten der Monochloressigsaure durch Ammoniak nachzuweisen, und doch wohl schwerlich angenommen werden kann, dafs die ge- sammte Menge derselben durch Glycocoll in Triglycolamid- saure ubergefiihrt sein sollte.

Die Moglichkeit der Existenz einer solchen, das Radical Diglycolyl enthaltenden Verbindung ist aber durchaus wahr- scheinlich , aber ehen so wahrscheinlich, dafs sie mit der Triglycolamidsaure nicht identisch ist. Wie will man dann beide Korper durch ihre rationellen For- meln unterscheiden ? Nach dem von niir angewendeten Formelsystem ist diei's sehr leicht. Die Formel dieser ver-

mutheten Verbindung wiirde sein N , p H 2 g j O j 8. Ja durch

Page 29: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angeharige or.qanische Biiuren. 285

GWGI Einwirkung von Monochloracetamid ( N{ :: "I) auf saures

diglycolsaures Natron 62HYE I€+ '' I€+ erhiilt man vielleicht

eine dritte isomere Verbindung, fur welche sich noch folgende

Forme, .;;:: a\€+ PI6) aufstellen lafst.

Je mehr wir in der Synthese complicirterer organischer Verbindungen fortschreiten, um so mehr wird man die Un- zuliinglichkeit der jetzt gebrauchlichsten Form der rationellen Formeln einsehen und die aligemeinere Anwendbarkeit der- jenigen zugestehen miissen, welche zuerst yon J. W isli- c e nus i t ) wissenschaftlich begriindet worden ist, und fur die ich selbst ++++) spater noch weitere Griinde beigebracht habe.

Dafs dieses Formelsystem bis jetzt noch so wenig An- klang gefunden hat, scheint mir hauptsachlich darin seinen Grund zu finden, dafs , um es durchzufuhren, die Annahme der unvollkommenen Molecule , wie sie W i s 1 i c e n us , der nlheren oder typischen Radicale , wie ich sie genannt habe, erforderlich ist. Und doch ist diese Annahme nicht mehr zu umgehen. Wenn wir Atomcomplexe , die noch durch Metall vertretbaren Wasserstoff enthalten , an die Stelle des Wasser- stoffs der Typen treten sehen, ohne dafs die Flhigkeit jenes WasserstolTs, durch Metall vertreten zu werden, verloren geht, verhalten sich diese Atomcomplexe denn nicht ganz wie die Radicale ? Und hat man denn nicht Grund , sie durch einen besonderen Namen von den durch Metail vertretbaren Wasserstoff nicht enthaltenden Radicalen zu unterscheiden ?

GzH2€+

Na.

6"W

*) Zeitschrift fiir die gesammten Naturwissenschafteii XIV, 96". **) Pogg. Ann. OXIV, 461* ff.

Page 30: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

286 H e i n t z , %her dem Ammoniaktypus

Gerade die aus den Monochlorsauren entstehenden Korper und ganz besonders die in dieser Abhandlung beschriebenen sind schlagende Beweise, dafs auch solchc Atomcomplexe wie Radicale auftreten konnen. Die Anerkennung dessen liegt ubrigelis schon dermafsen so zu sagen in der Luft, dafs viele Chemiker theils unbewufst, theils mit vollem Uewufstsein ohne aber die Consequenz der Nothwendigkeit eines anderen Sy- stems fur die rationellen Formeln zu ziehen, in ihren Deduc- tionen typische Radicale benutzt haben. 1st aber erst die Theorie der typischen Radicale allgemein anerkannt, so zweifle ich nicht , dafs dann das W i s l i c e 11 u s’sche Formelsystem, wenn nicht etwa bis dahin ein noch vollkommeneres gefunden sein sollte , urn so schneller allgemein angenommen werden wird, als bis dahin die Ungenuge der bisher angewendeten rationellen Formeln durch weitere Forschungen sich immer klarer herausgestellt haben wird.

Gegen die oben fur das Glycocoll aufgestellte rationelle Formel durfte der Einwand erhoben werden, ich selbst hatte sie zwar frulier nach W i s l i c e nu s’ Vorgang benutzt und also gebilligt, aber spater sei sie gerade von mir als dem Glycol- amid zukornrnend bezeichnet, von mir *) sei dann dem Gly- cocoll eine Formel yon anderer Form gegeben worden.

Ich bekenne gern, dafs es mir geht wie allen Forschern, namlich dafs die durch meine experimentellen Arbeiten sich entwickelnden theoretischen Ansichten bei Erweiterung der thatsachlichen Kenntnisse umgeandert , ja verworfen werden konnen.

Als mir die Verschiedcnheit des Glycolamids und Gly- eocolls als unzweifelhafte Thatsache entgegentrat , versuchte ich aus ihrer Entstehungsweise abgeleitete Formeln fur sie aufzustellen , ohne neue Zeichen einfuhren zu mussen, und

*) Pogg. Ann. CXIV, 456*.

Page 31: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehb'rige oryanische Sauren. 287

das gelang fiir unsere damaligen Kenntnisse zur Geniige. Jetzt aber, wo die Entdeckung der Di- und Triglycolamid- saure meinen Gesichtskreis bedeutend erweitert hatte, mufste ich nothgedrungen zu der fruher fur das Glycocoll aufge- stellten Formel zuruckkehren. Es fragt sich nur, durch welche rationellen Formeln man dic erwahnten beiden gleich zusammengesetzten Korper nun unterscheiden soll.

G 2 H H " Q / e , Die Glycolsaure, deren Formel H ( 0 ist, enthalt

H ' bekanntlich zwei ersetzbare Wasserstoffatome, aber von ver- schiedenem Werth. Das eine ist vorzugsweise positiv, das andere negativ. Die Formel kann also auch, um diefs aus-

zudrucken , geschrieben werden

Tritt nun - H mit dem dazu gehorigen extraradicalen Sauerstoff aus der Verbindung aus (wie z. B. wenn man zuerst fur - H 8 C1 und fur dieses NH2 eintreten lafst, wobei sich Glycocoll bildet) , so entstcht das typische Radical

G2HW ( - H \ * 1 8

+ H \ *

G2H28(0. Diefs ist in den drei Glycolatnidsauren enthalten. + H i

Man kann es wegen seines Gehalts an durch Metall vertret- barem Wasserstoll' Aciglycolyl nennen.

Tritt dagegen + H ebenfalls mit dem dazu gehorigen Sauerstoff aus (wenn z. B. + H zuerst durch C2H5 und dann G2H58 durch NH2 vertreten wird), so entsteht das typische

Radical " ' y ; [ O , GEyco!yZ, welches Bestandtheil des Gly-

colamids ist. Man kann daher die Glycolamidsauren durch die Formeln

Page 32: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

268 He in tz, iiber dern Ammoniaktypus

das Glycolamid aber durch die Forniel N H-H aus-

driicken. Sollte vielleicht etwa durch Einwirkung von Gly- colarnid auf Glycolslurelther auch ein Diglycolamid und aus diesem auf dieselbe Weise Triglycolamid darstellbar sein , so wiirden die Formeln fur diese Korper sein miissen :

]TI0

Ja die Existenz einer Glycolglycolamidsiiure,

einer I)iglycolglycolamidsBure N einer Glycoldigly-

62HW

62HW

62HW

- HI'

+ HIQ ist nicht alsunmoglich xu bezeichnen.

+Hie - VH2Q

Erstere kiinnte z. B. eritstehen, wenn der Borper

auf Glycocoll wirkt nach der Gleichung :

-ale)/ c1

G2HW Der Name Glycolyl, welchen ich dem Radical - H(U zutheile, durfte nicht unangefochten bleiben , weil man diesen Namen vielfach auch fur das zweiatoniige Radical €-2H20 angewendet hat. DR aber die Glycolsaure, wie jetzt allge-

Page 33: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angehiirige oyqanische Sauren. 289

mein zugegeben wird, wenn auch zweiatomig , doch eine einbasische Saure ist, so mufs meines Erachtens das freilich noch typische Radical dieser SIure Glycolyl genannt werden, analog wie wir das Radical € 2 H 3 8 , das auch ein typisches Radical ist, weil zunachst ein Atom Wasserstoff desselben gegen Chlor , Brom , Jod ausgetauscht werden kann , Acetyl nennen , nicht aber das entferntere zweiatomige G2H28. Fur dieses letztere , w elches also das entferntere Radical sowohl der Glycolsaure, als der Essigsaure ist, sclieint mir dagegen der Name Oxathylen passender. In den einfachen Wasser- typus tretend, wurde dieses Radical das Glycolyl und Aci- glycolyl, in den einfachen Wasserstofftypus tretend aber das Acetyl bilden ++I.

In Betreff der Wahl der Namen fur die neuen Sauren brauche ich rnich nach dem Vorhergehenden wolil kaum zu rechtfertigen. Sie enthalten zwei- und dreimal das Radical Aciglycolyl, daher Diglycol- und TriglycolsGwe. Sie sind keine Aminsauren, d. h. keine dem Ammoniumoxydhydrat entspre- chend zusammengesetzte Verbindungen, sondern wahre Amide,

*) 91s ich im Begriff war, diese Arbeit an die Redaction dieser Zeitschrift einzusenden, ging mir von meinem Freunde Dr. J. W i s l i c e n u s in Zurich eine fur das dicsjahrige Januarheft der Zeitschrift fur die gesammten Naturwissenschaften bestimmte Mittheiiung zu, durch welche der Beweis geliefert wird, dafs MilchsLure entsteht, wenn Glycolmonochlorhydrin mit Cyankalium in Glycolmonocyanhydrin verwandelt und dieses mit Kalihydrat gekocht wird. Diese Thatsache erlaubt in der Milchshre die Radicale G2H4 und 68 anzunehmen, und dem entsprechend mufs die GlycolsLure die Radicale 6H2 und 68 enthalten. Dann aber ksnnen dic Forrneln des Qlycolyls und Aciglycolyls, wie diefs W i s l i c e n u s in seinem Briefe an mich auch schan thut, von einander unterschieden werden, ohne d a k ein beson- deres Zeichen eingefuhrt wird, namlich durch die Formeln

6H2 68 W I = Aciglycolyl und 6H2 1 = Glycolyl.

H I@ H it) Ann. d. Cliem. ti. Phann. CXXII. Bd. 3. Heft. 19

Page 34: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

290 H e in t B , iiber dern Ammoniaktypus

d. h. den Ammoniaken zuzuzahlende Kiirper, und dennoch Sauren , daher nicht Amin -, sondern Amidsauren. Ich mache vorlfufig noch diesen Unterschied, wiewohl es mir nicht un- wahrschcinlich ist, dafs dem Arnmoniurnoxydhydrattypus an- gehorige Korper gar nicht Sauren sein kijnnen, und dafs daher alle Aminsauren dem Ammoniaktypus anzureihen sind,

so dafs z. B. der Oxaminsaure die FormeI N (f"" zukom-

men wiirde. Dafiir spricht, dafs sammtliche bekannte Amin- sauren zweibasische Radicale enthalten *). Erst wenn es gegluckt ist , Metallverbindungen und einbasische Radicde enthaltende stickstoffnaltige Korper von der Form des Am- rnoniuinoxydhydrats darzustellen, ist fur mich der Beweis ge- liefert, dafs es dieseni Typus angehorige Sauren giebt. Denn es ist nicht wahrscheinlich , dafs ein Analogon der Metalle, ein Ammonium, wenn es aIs negativ eine Saure bildet, die- selbe Menge Sauerstoff aufnchmen sollte, als wenn ein posi- tives Ammonium eine Basis bildet.

Niemand wird nach dcr Entdeckung der Di- und Tri- glycolamidsiiure daran zweifeln , dafs wie diese auch das Glycocoll ein dem Ammoniaktypus angehoriger Korper ist. Es enthalt nnr ein Atom des negativen Radicals, die Am- moniaknatur ist ihm daher noch nicht entzogen. Es verniag sich noch genau in der Weise, wie das gewiihnliche Am- moniak , geradezu mit Wasserstoffsauren , mit Hydraten von Sauerstoffsauren zu verbinden, ohne dafs dabei Wasser aus-

*) Die einzige mir augenblicklicb gegenwlrtige Ausnahme ist die Sulphophenylbenzoylaminsiiure (Ann. de Chim. et de Phys. 3sBr. XLVI, 147"). Maq weirs jedoch, dafs das einzig bekannte Am- moniaksalz dieser SBure auf Zusatz einer sY&rkeren Siure Sulfo- phenylbenzoylamid fallen lafst. Dieses Sale ist daher wahr- scheinlich die wasserhaltige Ammoniumverbindung dieses Amids.

Page 35: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

angeharige organische Sawen. 29 1

geschieden wiirde. Diese Fahigkeit scheint den beiden entdeckten Korpern ganzlich zu mangeln. Wenigstens sind bis jetzt meine Versuche, solche Verbindungen zu er- zeugen, gescheitert. In derThat ist auch nicht zu erwarten, dafs wenn zwei oder drei Atome Wasserstoff des Ammoniaks durch stark electronegative Radicale ersetzt werden, sich die alkalische Natur des Ammoniaks sollte erhalten konnen.

Wenn aber das Glycocoll dem Ammoniaktypus angehort, dann ebenfalls das Alanin, die Amidocapronsaure, das Leucin. Aber nicht blofs diese Homologe des Glycocolls, sondern auch die Benzaminsaure (nach meiner Bezeichnungsweise Benz- amidsaure) und ihre Homologen, genug alle aus den Mono- chlorsauren einbasischer Siiuren durch Ammoniak erhaltenen, dem Glycocoll analogen stickstofflialtigen Verbindungen, in die nur ein Atom Saureradical eingegangen ist, und alle aus den Mononitroverbindungen eiribasischer Sauren durch Re- duction erzeugten, der Benzamidsaure analogen Korper ge- horen dern Ammoniaktypus an. Ihre saure Natur schreibt sich wie beim Glycocoll daher, dafs der durch Metalle vertrethare Wasserstoff der einbasischen Saure , aus der sie abgeleitet sind, in ihnen noch enthalten ist. Alle sind schwachere Sauren , als diese, weil der Ammoniaktypus an und fur sich zur Raseribildung hinneigt, also die sauren Ei- genschaften schwacht. Sie werden urn so starkere Sauren, j e mehr Atome Wasserstoff des Ammoniaks ausgeschieden und je mehr Atome des vertretbaren, Wasserstoff enthaltenden typischen Radicals dafur eingetreten sind. Sie werden end- lich schwachere Sauren , oder vielmehr sie werden Basen, wenn noch ein Atom Wasserstoff des typischen Radicals nebst dem dazu gchorigen Sauerstoff austritt und das resti- rende nun zweiatomige Radical in den doppelten Ammoniak- typus eintritt. Ein Korper dieser Art ist dic von Vo i t *)

*) Diese Annalen XCIX, loo*. 19 it

Page 36: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

292 H e a n t s , iiber Clem Ammoninktypus

gewifs mit Unrecht BiarnidobenzoBsaure genannte Basis , der

die Formel N2 H' zukommt. Ebendahin gehort die von

S c h w a n e r t *) entdeckte Amidohippursaure , die ebenfalls keine Saure, sondern eine schwache Basis ist.

Wcnn das Glycocoll dem Ammoniaktypus angehort, dann mufs ihm auch die Hippursaurc unterzuordnen sein, welche in der That sehr einfach durch die Formel

LH4,,

ausgedriickt werden kann. Auch sie ist ein Ammoniak, worin ein Atom Wasserstoff diirch Aciglycolyl, ein zweites durch Benzoyl vertreten ist. Sie konnte daher den Namen Benz- aciglycolamidsaure oder Renzoglycolamidsaure erhalten. Alie chemischen Eigenschaften der Hippursaure lassen sich auf diese Formel leicht zuruckfiihren , ihre sauren Eigenschaften (sie ist natiirlich saurer als Glycocoll, weil noch ein Atom eines electronegativen Radicals in die Verbindung eingetreten ist) , ihre Zersetzung durch Sauren, Basen und Chlorzink, durch Stickstoffoxyd , durch Mangansuperoxyd , durch Blei- superoxyd , ihre Bildung aus Glycocollzink und Chlorbenzoyl

Die mit der Hippursaure gleich zusainmengesetzte Acet- ist naturlich durch die Formel

u. s. w.

oxybenzaminsaure F o s t er's

Wie die Hippursaure ist sicherlich auch die Glycochol- saure constituirt. lhre Forinel diirfte sein :

*) Diese Annalen CXII, 59*.

**) Diese Annalen CXYII, 165*.

Page 37: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

ang ekiirige orgnnische Siiuren. 293

Ebenso verhalt es sich mit Kraut ' s *) Tolursaure, die als Toluglycolamidsaure bezeichnet werden kann , und der die

Die beiden neuen Korper, die ich in dieser Abhandlung beschrieben habe, und deren eigenthumliche Constitution ihnen ein hohes Interesse sichert, sind entschieden nicht die ein- zigen ihrer Art. Es ist vielmehr vorauszusehen, dafs die Monochlorpropionsaure , die Monochlorbuttersaure , uberhaupt die ganze Reihe der monochlorirten Sauren der Ameisen- saurereihe bei ihrer Umsetzung durch wasseriges Ammoniak in analoge Verbindungen iibergehen konnen.

So hat denn auch ganz neuerdings 'S c h n e i d e r **) bei Darstellung des Propalanins (Oxybutamidsaure) durch Ein- wirkung von wasserigem Ammoniak auf Monobrombuttersaure die Beobachtung gemacht , dafs verhaltnifsmafsig nur eine kleine Menge dieses Korpers gebildet wird. Gewifs entsteht neben demselben Di- und Trioxybutamidsaure , die von S c h n e i d er h6chst wahrscheinlich defshalb nicht gefunden worden sind, weil ihre Bleisalze hei Ausscheidung des Am- moniaks aus der Flussigkeit durch Kochen mit Bleioxyd mit dem basischen Chlorblei vermischt ungelost geblieben waren.

Aber nicht nur die Ameisensaurereihe liefert mono- chlorirte Derivate, sondern auch die der Benzoesaure , bei denen eine analoge Zersetzungsweise sicher zu erwarten ist. Allgemein kann man es aussprechen, dafs von allen ein-

*) Dieee Annalen XCVIII, 360". **) Pogg. Ann. CXIV, 627*.

Page 38: Ueber dem Ammoniaktypus angehörige organische Säuren

294 A n d e r s o n , iiber Anthracen oder Pamnaphtulin

basischen Siiuren vorauszusehen ist, dab monochlorirte Deri- vate derselben und aus diesen durch Ammoniak dem Glyco- coll nicht nur, sondern auch der Di- und Triglycolamidsaure analoge Verbindungen werden dargestellt werden.

So ist durch diese Arbeit der Weg zur Entdeckung ganzer Reihen neuer interessanter Korper angebahnt.

H a l l e , den 15. Februar 1862.