5
Uber den Abbau der Nukleinsaure bei der Isolierung aus Kalbsthymus Von R. Sigmer und A. Knapp Die alteren Angaben iiber die Praparation der Thymonukleinsaurel schreiben die Vermndung von Reagenzien vor, welche einen Abbau der Molekiile wahrscheinlich machen. So wir'd der Organbrei zur Koagulation der EiweiBe zuerst mit verdiinnter Essigsaure bei hoherer Temperatur behandelt, dann folgt ebenfalls bei hoherer Teinperatur eine Extraktioii iiiit verdiinnter Natronlauge. Unter vie1 milderen Bedingungen erfolgt die Isolierung nach E. Ham- marsten'. Dle Temperatur wird auf 0' gehalten und der pH-Wert der wasserigen Losungen weicht vom Neutralpunkt nie wesentlich ab. Das so hergestellte thymonukleinsaure Natrium ist hochmoltekular. Aus der Strii- mungsdoppelbrechung und der Viskositat verdiinnter wasseriger Losungen ergab sich', daB sehr lauge Kettenmolekiile vom Molekulargewicht ca. 1'000'000 vorliegen. Die meisten Naturprodukte dieses Bauprinzips (Cellulose, Kautschuk usw.) werden sehr leicht abgebaut, sei es durch Hydrolyse, Oxydation usw. Eine Reindarstellung untcr Wahruiig der urspriinglichen MolekiilgroBe ist kaum moglich. Es ist also wahrscheinlich, daB auch bei der schonendsn Gewinnung der Nukleinsaure aus dem Thymusgewebe ein Abbau statt- findet'. Im iolgenden werden Versuche beschrieben, welche diese Verniutung hestatigen5. Es wurde die Estraktionsdauer des Gewebes variiert und aus den verschiedenen Losungqn nach der Hammarstenschen Vorschrift reine I'hymonukleinsaure als Natriumsalze isoliert. Es zeigte sich, daB niit zu- nehmender Extraktionsdauer die mittleren Kettenlangen stark abnehmen. Anhaltspunkte iiber die MolekiilgriiBen ergeben sich aus den Viskositaten und der Stromungsdoppelbrechurig verdiinnter Losungen. Hammarsten fiihrt die Ex traktioii folgendermaBen aus: Thymusdriisen werden nach der Schlachtung des Tieres sofort zu einem Organbrei zer- 1 Neumann, Archiv. Anat. Physiolog. 552 (1899). 2 Biochem. Z. 144, 383 (1924) 3 R. Signer, T. Caspersson, E. Hammarsten, Nature 141, 122 (1938). 4 Diese Vermutung wurde neuerdings gelulert von A. E. Mirsky und A. W. 5 Eine ausfiihrliche Darstellung der Experimente findet sich in der Dissertation 89 Pollister, Journ. Gen. Physiol. 30, 117 (1946). yon A. Knapp, Bern, 1946.

Über den abbau der nukleinsäure bei der isolierung aus kalbsthymus

Embed Size (px)

Citation preview

Uber den Abbau der Nukleinsaure bei der Isolierung aus Kalbsthymus

Von R. Sigmer und A. Knapp

Die alteren Angaben iiber die Praparation der Thymonukleinsaurel schreiben die Vermndung von Reagenzien vor, welche einen Abbau der Molekiile wahrscheinlich machen. So wir'd der Organbrei zur Koagulation der EiweiBe zuerst mit verdiinnter Essigsaure bei hoherer Temperatur behandelt, dann folgt ebenfalls bei hoherer Teinperatur eine Extraktioii iiiit verdiinnter Natronlauge.

Unter vie1 milderen Bedingungen erfolgt die Isolierung nach E. Ham- marsten'. Dle Temperatur wird auf 0' gehalten und der pH-Wert der wasserigen Losungen weicht vom Neutralpunkt nie wesentlich ab. Das so hergestellte thymonukleinsaure Natrium ist hochmoltekular. Aus der Strii- mungsdoppelbrechung und der Viskositat verdiinnter wasseriger Losungen ergab sich', d a B sehr lauge Kettenmolekiile vom Molekulargewicht ca. 1'000'000 vorliegen.

Die meisten Naturprodukte dieses Bauprinzips (Cellulose, Kautschuk usw.) werden sehr leicht abgebaut, sei es durch Hydrolyse, Oxydation usw. Eine Reindarstellung untcr Wahruiig der urspriinglichen MolekiilgroBe ist kaum moglich. Es ist also wahrscheinlich, daB auch bei der schonendsn Gewinnung der Nukleinsaure aus dem Thymusgewebe ein Abbau statt- findet'.

Im iolgenden werden Versuche beschrieben, welche diese Verniutung hestatigen5. Es wurde die Estraktionsdauer des Gewebes variiert und aus den verschiedenen Losungqn nach der Hammarstenschen Vorschrift reine I'hymonukleinsaure als Natriumsalze isoliert. Es zeigte sich, daB niit zu- nehmender Extraktionsdauer die mittleren Kettenlangen stark abnehmen. Anhaltspunkte iiber die MolekiilgriiBen ergeben sich aus den Viskositaten und der Stromungsdoppelbrechurig verdiinnter Losungen.

Hammarsten fiihrt die Ex traktioii folgendermaBen aus: Thymusdriisen werden nach der Schlachtung des Tieres sofort zu einem Organbrei zer-

1 Neumann, Archiv. Anat. Physiolog. 552 (1899). 2 Biochem. Z. 144, 383 (1924) 3 R. Signer, T. Caspersson, E. Hammarsten, Nature 141, 122 (1938). 4 Diese Vermutung wurde neuerdings gelulert von A. E. Mirsky und A. W.

5 Eine ausfiihrliche Darstellung der Experimente findet sich in der Dissertation

89

Pollister, Journ. Gen. Physiol. 30, 117 (1946).

yon A. Knapp, Bern, 1946.

R. Signer und A. Knapp

kleinert und bei 0' rnit der fiiiiffachen Menge Wasscr versetzt. E k i dicser Temperatur wird unter haufigcm Riihren 12 Stunden aufbewahrt, die Losung vom Bodenkorper abgetrennt und das Ungeloste noch zweimal je 12 Stunden mit neuen, gleich groBen Quantitaten Wasser ausgezogen. Es geht hierbei der grol3te Teil des Gewebes in Losung. Aus den vereinig- ten Extrakten wird mit wenig Kalciumchlorid ein Nukleoprotein gefallt und dieses mit konzentricrter Kochsalzlosung zu Natriumthymonukleinat und Protein umgesetzt. Das Natriumthymonukleinat bleibt in Losung, das Protein fallt ails und kann abfiltriert werden. Es folgt ein Ausfallen des Natriumthymonukleinates mit Alkohol und ein mehrfaches Umfallen atis Wasser mit Alkohol.

Die erste Phase der Praparation, die Extraktion des Gewebes mit Wasser, gefahrdet die Molekiile am meisten, da hier noch alle Fermeiite anwesend sind. Wir verkiirzten bei eineni Praparat die Extraktionsdauer von 36 auf 20 Stunden. I3ei andern Praparaten wurde langer extrahiert, als nach der Hammarstenschen Vorschrift. uber die verschiedenen Pra- parate gibt Tab. 1 Aufschlul3.

Priiparat-Nr.6

IX

117

IV

V

:

Tabelle 1. EinfluS der Extraktionsdauer auf die MolekiilgroHe von Thymonukleinsiiurepriiparaten

Extraktionsart

einmaliges Ausziehen wah- rend 20 Stunden

dreimaliges Ausziehen wiih- rend je 12 Stunden

einmaliges Ausziehen wah- rend 144 Stunden

gleicher Extrakt wie bei Priip.IV, vor der Fallung mit Kalciumchlorid 216 Stunden bei Oo aufbewahrt

0,577

0,509

0;178

Aussehen nach der letzten Umfallung

lange Fasern

lange Fasern

Flocken

0,071 Pulver

6 Nummern der Praparate gleich wie in der Dissertatioii ron A. Knapp. 7 Dieses Pr lparat stammt aus dem Lahoratorium von Prof. E. Hamniarsten,

Stockholm. Es wurde uns 1938 zur Untersuchung der Stromungsdoppelhrecliung zur Verfiigung gestellt.

8 Diese spezifischen Viskosititen wurden gemessen an \\.%Serigeli Losungcn mit 0,050 g Natriumthymonukleinat und 10,OO g Natriumchlorid in 100 ccm Losung. Vor der Einwaage wurden dic Priiparate in eiuer Atmosphiire von 75O/o rclaliver Feuchtigkeit bis zur Gewichtskonsianz aufbewahrt. Sie besitzeii in dieseni Znstaiid 27-29 Ofo Wasser.

90

Abbau der Nukleinsiiure bei der Isolierung aus Ihlbsthymus

Figur 1. Orlentierongswinkel 8 der vier Natrlnmtbymonnkleinate (Die Losungen enlhalten in 100 ccm 0,050 g Nukleinat und 10,O g Natriumchlorid.)

Die Tabelk zeigt deutlich eiiien Zusammenhang zwischen Dauer der Extraktion, Aussehen des Praparates und Viskositat der verdiinnten was- serigen Losung. Auch die Orienticrungswinkel der Stromungsdoppel- brechung sind bei den vier Praparaten stark verschieden (Fig. 1).

Aus samtlichen Beobachtungen kann geschlossen werden, daB bei dcr Cxtrahtion des Gewebebreies mit W-asser ein fortschreitender Molekiil- abbau erfolgt.

Es wurden verschiedene Forrneln theoretisch abgeleitet oder empirisch ermittelt, um aus Viskositats- und Strbmungsdoppelbrechungsdaten die Masse und Form geloster Kettenmolekiile zu berechnen. Es scheint uns noch verfriiht, der einen oder andern I3eziehung den Vorzug zu geben. Ileshalb verzichten wir auf ihre Anwendung und ziehen aus den eigenen Reobachtungen nur folgende Schliisse:

1. Das mittlere Molekulargewicht einer Thymonukleinsaure ist um so groBer, je rascher die Extraktion erfolgt.

2. Die mittlere Molekiilgrolle d,-s Praparates IX der Tab. 1 diirfte etwa 6- bis 8mal grol3er sein als die v m Praparat V.

0 Die Doppelbrechung ist negaliv. Der Orientierungswinkel ist definiert wie in Z. physikal. Chem. A, 150,257. Bei negativer Doppelbrechung liegt der Orientierungs- winkel im Intervall 135o--180o, bei positiver Doppelbrechung im Intervall 4.50-900.

91

R. Signer und A. Knapp

Beim Bemiihen, native Nukleinsaure zu gewinnen, hat man Bedingungen zu suchen, bei deneii die Fermentwirkung wiihrend der Extraktion aus- geschaltet wird. Derartige Versuche sind im hiesigen Laboratorium im Gang.

Von den Prgparaten 11, 1V und V der Tab. 1 wurden der Stickstoff- und Phosphorgehalt bestimmt. Die Wertc iiir wasserfreie Substanzen sind in Tab. 2 enthalten.

Tabelle 2. Stickstoff- und Phusphorgehalt einiger Natriurntbyrnonnkleinate.

Die drei Praparate zeigen in ihrer Erscheinung und im Verhalten der holloiden Losungen betrachtliche Unterschiede. In den analytischen Daten stimmen sic aber iiberein. Wenn man also ein Nukleinsaurepraparat cha- rakterisieren will, darf man sich nicht auf die elementaranalytischen Gro- Ben beschranken. Man muB daneben auch Daten angeben, welche mit der MolekiilgroBe in Beziehunp stehen.

Die Konstitution des 'I'hymonukleinatmakromolokiils ist noch nicht in den Einzelheiteii ermittelt. Aber es ist wahrscheinlich, daB Gruppen gemhB Formel 1 einen iiberwiegenden Teil des Molekiils aufbauen.

Formel 1

Na.

I I

fiiq= a== 92

L l x Cystosin- oder Thymin- oder Adenin- oder Guariinrest.

Desoxyriboserest.

Abbau der NukleinsLure bei der Isolierung aus Kalbsthymus

Nimmt man an, daB dieses Konstitutionsprinzip im ganzen I\l-olekiil vor- liege, dann kann aus den Dateii der 'Tab. 1 und 2 ein bestimmter Gang der Abbaureaktion wiihrend der Extraktion postuliert werden. Wiirden vor- wicgend Purin- und Pyrimidinreste hydrolytisch abgespallen, die Bin- dangen zwischen Phosphorsaure und Desoxyribose aber intakt bleiben,

so diirfte die Viskositat nur wenig sinken, wahrend das Verhaltnis rp stark abfallen miiI3te. Bei einem vollstandigen Abspalten der Basen konntt: sich die Viskositiit nur ctwa auf die Hiilfte erniedrigen, wahrend derl

Quotient rp gegen Null abikle. lm Ciegensatz dazu sinkt die Viskositiit

sehr stark, wiihrend das Verhaltnis p/op konstant bleibt. Die experimen- tcllen Befunde stehen in Eiuklang mit einer andern Spaltungsart, namlich dcr Auflosung von Binduiigcn zwischeii Phosphorsaure und Desoxyribose. Ilierbei bilden sich kiirzere Ketten. Dicse ergeben Losungen niedriger

Viskositit und das Verhiiltnis bleibt an den Spaltstiicken konstant.

' t o N

'10 N

' l o N

' l o N

Institut fur organische Chemie der Universitat Bern

93