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I)'ber den labyrintharen und den propriozeptiven Anteil am Kopfdrehungsreflex des Kaninchens. Von Yrjo Renqvist. (Physiologisches Institut der Universitat Helsinki-Helsingfors.) (lit 16 Figoren im Text,) Durch Schwere, Triigheit, Elastizitat und Reibung werden die Be- wegungsablhufe beim Tier auBerlich niechanisch bestimmt. Die Be- deutung der Reibung ist im Vergleich zu den anderen erwahnten Faktoren bei den hoheren Landtieren geringfiigig. Schwere und Triig- heit sind, neben den wohl weniger wichtigen elastischen Faktoren, die hauptsachlichsten auf ihre Bewegungen wirkenden Einfliisse, und sie beide sind Massenwirkungen, Wirkung von schwerer und von triiger Masse. Es scheint deshalb natiirlich zu sein, zu untersuchen, welche Veriinderungen im Ablauf einer zweckmiiDig gewiihlten Bewegung auf- treten, wenn die GroBe der zu bewegenden Masse (schwere oder triige &we) vmiiert wird. bp;vara) ist in seinem die Morphologie und die Funktion des l@thhim behandelnden Werke zu der Auffassung gekommen, dal) die Kowdinatian der, unter der Einwirkung von Schwerkraft oder Masse stehenden Bewegungen, nun groSen Teil eine Kleinhirnleistung ware, wobei wohl hauptsachlich propriozeptive, aber auch labyrinthare Im- pulse verwertet wiirden. Auch die Arbeiten der Sherringtonschen und der Magnusschen Schule zeigen die Bedeutung der Schwerkraft bei den Reflexbewegungen. Die Bedeutung verschiedener mechanischer Be- dingungen fiir den Bewegungsablauf beim Menschen haben Wach- holder3 sowie Wagner4 untersucht, wenn sich auch ihre Unter- Der Redaktion am 1. September 1928 zugegangen. Ingvar, Folia neuro-bwlogica Bd. XI-XII. 1918. Wachholder, Handbuch &r norm. u. pathol. Physwl. 1928. Bd. XXVI. Wagner, 2eitschr.f. Biologic. 1927. Bd. LXXXVI. S. 367. S. 668. Skandinav. Archiv. LVI. 15

Über den labyrinthären und den propriozeptiven Anteil am Kopfdrehungsreflex des Kaninchens

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I)'ber den labyrintharen und den propriozeptiven Anteil am Kopfdrehungsreflex des Kaninchens.

Von Yrjo Renqvist.

(Physiologisches Institut der Universitat Helsinki-Helsingfors.) ( l i t 16 Figoren im Text,)

Durch Schwere, Triigheit, Elastizitat und Reibung werden die Be- wegungsablhufe beim Tier auBerlich niechanisch bestimmt. Die Be- deutung der Reibung ist im Vergleich zu den anderen erwahnten Faktoren bei den hoheren Landtieren geringfiigig. Schwere und Triig- heit sind, neben den wohl weniger wichtigen elastischen Faktoren, die hauptsachlichsten auf ihre Bewegungen wirkenden Einfliisse, und sie beide sind Massenwirkungen, Wirkung von schwerer und von triiger Masse. Es scheint deshalb natiirlich zu sein, zu untersuchen, welche Veriinderungen im Ablauf einer zweckmiiDig gewiihlten Bewegung auf- treten, wenn die GroBe der zu bewegenden Masse (schwere oder triige &we) vmiiert wird.

bp;vara) ist in seinem die Morphologie und die Funktion des l@thhim behandelnden Werke zu der Auffassung gekommen, dal) die Kowdinatian der, unter der Einwirkung von Schwerkraft oder Masse stehenden Bewegungen, nun groSen Teil eine Kleinhirnleistung ware, wobei wohl hauptsachlich propriozeptive, aber auch labyrinthare Im- pulse verwertet wiirden. Auch die Arbeiten der Sherringtonschen und der Magnusschen Schule zeigen die Bedeutung der Schwerkraft bei den Reflexbewegungen. Die Bedeutung verschiedener mechanischer Be- dingungen fiir den Bewegungsablauf beim Menschen haben Wach- holder3 sowie Wagner4 untersucht, wenn sich auch ihre Unter-

Der Redaktion am 1. September 1928 zugegangen. Ingvar, Folia neuro-bwlogica Bd. XI-XII. 1918. Wachholder, Handbuch &r norm. u. pathol. Physwl. 1928. Bd. XXVI.

Wagner, 2eitschr.f. Biologic. 1927. Bd. LXXXVI. S. 367. S. 668.

Skandinav. Archiv. LVI. 15

226 YRJO KENQVIST:

suchungen nicht direkt auf Klarung des Einflusses der GroBe der zu bewegenden Masse richten. Wagner betont die groBe Bedeutung der propriozeptiven Erregungen und des Eigenreflcxapparates bei den Trag- heitsbewegungen.

.In dieser Arbeit sol1 untersucht werden, welche Veranderungen ini mechanischen Verlauf einer Bewegung auftreten, wenn die in Bewegung ZII setzenden tragen Massen von verschiedener GriiSe sind.

Versuchstier war das Kaninchen, und zur untersuchenden Bewegung wurde die Kopfdrehung um die Halswirbelsaule als Achse gewahlt, weil diese Bewegung eine reine Tragheitsbewegung ist. Die reflektorische Hals- oder Kopfdrehung des Kaninchens geht, wie Magnus gezeigt hat, auf gleiche Weise beim intakten, \vie beim Thalamuslianinchen vor sich. Die Bewegung ist als Reflexbewegung zum Teil labyrinthar; die von den Labyrinthen ausgehenden Erregungen bewirken, da13 der Kopf danach strebt, sich in die normale Vertikallage zu drehen, und dies Bestreben erweist sich als unabhangig von Rumpf- und Schulter- lage. Teilweise ist die Halsdrehung wiederuni von propriozeptiven Er- regungeii abhangig. Curch die bei asymmetrischen Kopflagen, eventuell durch die Dehnung der Halsmuskeln entstehenden propriozeptiven Er- regungen, bestrebt sich der Kopf reflektorisch in eine im Verhaltnis zum Rumpf normale Lage zu kommen. SchlieSlich konnen auch asym- metrische, von der Haut des Kaninchens ausgehende Erregungen re- flektorisch seine Kopfdrehungsbewegungen beeinflussen ; unsere Versuchs- methode ist jedoch derartig, da13 diese letzterwahnten Wirkungen eli- miniert werden.

Wir gehen hier nicht naher auf das Zentrum des Kopfdrehungs- reflexes ein, konstatieren nur, da13 sowohl hinsichtlich des Zentrums wie auch des peripheren Erregungsmechanismus, wie soeben auseinander- gesetzt wurde, eine vollstandige Analyse des Reflexes in qualitativer Hinsicht vorliegt.

In quantitativer Beziehung dagegen ist diese Bewegung nicht unter- sucht worden, und die Frage wird sich also fur uns folgendermafien gestalten : welchen Anteil haben die labyrintharen und welchen Anteil die propriozeptiven Erregungen am ZustandeGommen der Halsdrehung des Kaninchens, erstens wenn die Drehung unter moglichst physiologischen Bedingungen stattfindet, also nur die tr@e Masse des Kopfes bewegt wird, und zweitens, wenn die Drehung mit verschieden groBen (groBer als der Kaninchenkopf) Massen stattfindet ?

Bevor die Versuchsmethode geschildert wird, mu13 erwiihnt werden,

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLES DES KANINCHESS. 227

d a das Kaninchen eigentlich kein geeignetes Yersuchstier zum Prufen &eses Massenverhaltens ist. Das Kaninchen hebt oder bewegt keine @en Massen, unter seinen natiirlichen Lebensbedingungen ist das Objekt seiner Muskelfunktionen immer nur die Masse seines eigenen Korpers. Gunstigere Versuchstiere wurden die Affen sein, welche niit ihren Handen verschieden schwere Gegenstande bewegen. In Frage k m e n auch Hunde und Katzen, die ja mit dem Kiefer ihre Jungen von verschiedener GriiBe aufheben und verschiedenartige Futterbissen tragen. Auch ist die von uns gewahlte Bewegung, die Drehung des Kopfes, nicht recht naturlich in dieser Untersuchung uber das Massen- verhalten; naturlicher ware es gewesen, z. B. die Hebung des Kopfes zu wiihlen, denn eine eolche Bewegung liegt z. B. im Verhalten des Hundes zu von ihm zu bewegenden Massen vor. Wir haben trotzdem die Kopfdrehung zur untersuchenden Bewegung gewahlt, weil Magnus ihre reflektorischen Komponenten hinreichend klargelegt hat.

Met ho de : Da die zu untersuchende Bewegung eine Tragheits- bewegung ist, ist es zweckmaBig, die Experimente mit Hi l l s Iner t ie - e rgometer zu machen. Die Versuchsanordnung ist aus der Fig. 1 ersicht-

Fig. 1.

lich. Das Kaninchen wird mit einer breiten Bandage, die ihm von den vorderen bis zu den hinteren Extremitaten uber Brust und Bauch reicht, riicklings fest auf ein Brett ( B ) gebunden, das sich um eine wage- rechte Achse drehen lafit. Die Wirbelsaule des Kaninchens muB genau auf diese Achse zu liegen kommen. Zieht man noch in Betracht, daB die Vorder- und die Hinterbeine des Kaninchens fest mit Schniiren an aus dem Brett aufragende Stabe bzw. Scheiben (8) gebunden sind, so

15*

228 YRJO KEKQVIST:

versteht man, daB bei der Drehung der Achse uiid des daran befestigtcn Brettes der Iiiirper des Kaninchens sich ohne jegliche Schwankung uni seine in liorizontaler Lage verharrende Wirbelsaule dreht. Der den Rumpf drehende Apparat, den wir als Rumpfdreher bezeichneii kiinnen, xird durch einen Elektromotor (M) in Rotation versetzt, der den1 Rumpf- dreher eine fast vollkonimen gleichmiiBige und immer gleich grollc Gc- schwindigkeit gibt. Auf Fig. 2 ist die Bewegungskurve des K ~ ~ i i p f -

drehers eingetragen. Ihre Geradlinigkeit zeigt, dall die Drehungs- geschwindigkeit gleichniallig ist. Das wagerechte Brett, auf welchem das Kaninchen festgebunden ist, reicht nur bis zu dessen Schulter, so daS also Hals und Kopf frei in der Luft schweben. An dem Kopf des Kaninchens wird ein Tschermakscher Kopfhalter ( T ) angebracht, der durch eine daran befestigte Nackengabel noch stabiler gemacht wird. Der Kopfhalter des Kaninchens ist direkt an der Ergometerachse be- festigt als direkte Fortsetzung der Richtung der horizontalen Achse des Rumpfdrehers und befindet sich in einer der Hals- und Kopflange gleichen Entfernung von ihm (Pig. 1). Die wagerechte Achse (A) , an der der Kopf befestigt wird, ist der Hauptteil des Hillschen Ergometers. Die Achse dreht sich in Kugellagern, deren Reibung sehr gering ist. An der Achse ist ein holzernes Rad (R) , um das herum eine Schnur Iauft, welche uber mit Kugellagern versehene Rader ( r ) fiihrt, und an deren beiden Enden Gewichtsschalen aus Aluminium hangen. Legt man verschieden groSe Gewichte in die Schalen, so kann die triige Masse des Ergometers je nach Belieben verandert werden. Die Masse, welche am Kaninchen- kopf befestigt, am wenigsten die eigene triige Masse des Kopfes vergrobert, dessen Drehung also am meisten der Drehung des Kaninchenkopfes unter physiologischen Bedingungen entspricht, erhalt man naturlich, indem man das erwahnte Rad ( R ) nebst Schnuren und Schalen ganz und gar vom Ergonieter entfernt. Die Bewegungen des Hillschen Ergo- meters werden mit Hilfe des kleinen Holzrades (Q), Schniiren und eines

UBER DEN KOPFDREHIJKGSREFLEX DES I<ANIXCHESS. 229

Zeichners (z) auf einen rotierenden, berul3ten Zyliiider registriert, auf den such mitt& einer Stinimgabel die Zeit und auch der Zeitpunkt, in welchem der Rumpfdreher sich in Bewegung setzt, registriert xerden. Das letzterwahnte geschieht mit Hilfe eines an den Rumpfdreher be- festigten elektrischen Kontaktes und eines elektrischen Signals.

Bei der Rotation des Hillschen Ergometers ist die Tragheit seiner Masse das einzige Objekt fur die einwirkenden Krafte (Tragheitsergo- meter). Es ist keine schwere Masse, also kein durch die Schwerkraft vemrsachter Widerstand, aber auch kein elastischer oder durch starke Bibung veranlal3ter Widerstand zu uberwinden. Aus der registrierten Bewegungskurve des Ergometers kann man dann aul3er dem Bewegungs- ablauf auch die entwickelte Kraft u. a. messen und berechnen.

Die Messungen und Berechnungen konnen auf folgende Weise ausgefiihrt werden: Die Drehungskraf t erhhlt man durch die Formel

K = M . - , wenn man die triige oder aquivalente Masse ( M ) kennt (fiber die Bestimmung derselben siehe weiter unten), den Drehungsradiiis r, sowie die Winkelakzeleration dt. 1st die drehende Kraft konstant, wie dies bei unseren Experimenten annaherungsweise am Anfang der Drehung der Fall ist, so kann man fur die Winkelakzeleration die Quote T- setzen, wobei v gleich Endgeschwindigkeit der Bewegung und T gleich Dauer der Kraftwirkung ist. Hierbei gewinnt man die Endgeschwindigkeit v mit Hilfe der steilsten Tangente der registrierten Kurven und die Zeitdauer der Kraftwirkung T dadurch, da13 man an den Kurven die Zeit zwischen ihrem Anfangsmoment und dem Endmoment ihrer nach unten gerichteten Konkavitiit miat.

Zum Bestimmen der gquivalenten oder triigen Masse mu13 man fest- stellen, mit welchem Wirkungsradius die rotierende Kraft, also die Hals- und Nackenmuskeln des Kaninchens, auf den Ergometer wirken; die GroSe der aquivalenten Masse hlingt ja von dem Wirkungsradius der auf sie wirkenden Kraft ab. Da der Kopf des Kaninchens ganz unbeweglich mit der Achse des Ergometers verbunden ist, mu13 man also ermitteln, wie grol3 der Drehungsradius der Resultantenkraft der Kaninchenhals- muskeln bei der Drehung des Halses um seine Achse ist.

r . d w d t

dw

T

Wir haben die Gleichungen: K . R = k, r1 + k, r, + - - . + k , r, ,

K = k , + k, + . .* + k , , bei welchen k, , k, usw. die verschiedenen Drehungskrafte senkrecht zur Drehungsachse der Halsmuskln bezeichnen, und r l , r2 usw. die ver- schiedenen Drehungsradien der Muskeln. K und R sind die Resultants der Drehungskrsfte und deren Drehungsradius.

230 YRJO RENQVIST :

Aus deli obigen Gleicliungen erhalten wir durcli Division :

Um den Drehungsradius der Kraftresultante zu crfahren, muB man also die verscliiedenen Drehungsradien der Halsmuskeln r1 , r, usw. be- stimmen, was durch Messung am anatomischen Praparat geschehen kann; aber auBerdem mu13 man auch die verschiedenen senkrecht zur Drehungs- achse der Halsmuskeln wirkenden Drehungskrafte k, k, usw., kennen, deren Bestimmung schon vager ist. Diese Kraft ist Lei jedem Halsmuskel erstens proportional dem Sinus des Winkels zwischen Muskelverlaufs- richtung und Wirbelsaule, wenn die Ebene des Muskels parallel zur Wirbel- saule ist, oder wenn der Muskel spiralig auf einer Zylinderflache lauft, deren Achse die Wirbelsaule ist. Wenn wir die Drehung des Kopfes au3 seiner asymmetrischen Lage nur wghrend einer kurzen Zeitspanne, z. B. ganz in ihrem Anfang untersuchen, so konnen wir den erwahnten Winkel als konstant ansehen. Aber die wirksame Komponente der Drehkraft eines Muskels k,, k, usw. hangt auch von der Kraft ab, mit welcher der Muskel bei der Drehung in seiner Langsrichtung kontrahiwt. Die einfachste Annahme hierbei ist, daB jeder Muskel hei seiner Kontraktion eine seinem Querschnitt proportionale Kraft entwickelt. Diese Annahme schlieBt ja in sich ein, daB man sich bei der Halsdrehung jeden Halsmuskel als zu der Drehung mit einer seiner absoluten Kraft proportionalen Kraft beitragend denkt. Wir wissen nicht, oE sich die Sache so verhalt, aber fur die folgende Untersuchung diirfte es auch weniger bedeuten, weil unsere Betrachtung hauptsachlich auf die Kraftverhaltnisse gerichtet ist.

Die folgende Tabelle 1 zeigt die in Frage kommenden Werte der am anatomischen Priiparat gemessenen, wichtigsten Kaninchenhalsmuskeln. In der 2. senkrechten Kolumne stehen die Entfernungen des Kranialendes eines jeden Muskels von der Wirbelsaulenachse. Aus der 3. senkrechten Kolumne sind die Gewichte der Muskeln ersichtlich, wenn sie von den Sehnen- teilen losgelost sind; aus der 4. die Lange der Muskeln: aus der 5. die relativen Querschnitte, nach F i c k als Quotienten von Gewicht und Liinge. Die 6. Ko- lumne zeigt den ungefahren Winkel zwischen Muskel und der Wirbel- saule, und die 7. den Sinus dieses Winkels. Aus der Winkelkolumne (6) ersehen wir, daB bei symmetrischer Lage des Kopfes nur vier Muskeln die Drehung veranlassen konnen. Die anderen Muskeln laufen in Ebenen, die durch die Wirbelsaule gehen.

Aus der 2. Kolumne geht hervor, daB auch von den genannten vier Muskeln einer kaum als Drehmuskel fungieren kann, weil er sich beinahe an der Wirbelsaule ansetzt. Als Drehmuskeln von symmetrischer Anfangs- lage bleiben nur die Muskeln : Mm. cleidomastoideus, sternomastoideus und serratus posticus. Die Verlaufsrichtung dieser Muskeln ist ungefahr senkrecht zu der von ihrem oberen Ende auf die Wirbelsiiule gezogenen Geraden, so da13 diese letztere an sich als Drehungsradius der Muskeln angesehen werden kann ( r in Kolumne 2). I n Kolumne 8 sind die relativen Kraftkomponenten und in Kolumne 9 die entsprechenden relativen Drehungs-

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLEX DES KANIXCHEKS. 231

l cm

M. cleidomastoideus . I 1.5 M. sternomastoideus . 1.5 M. sternohyoideus . . 1 0 .5 Mm. sternothyreoideus 0.5

u. thyreohyoideus 1 M. basiohumeralis . . I 0 M. herratus posticus . 0.9 M. longissimus capitis , 1.5 Bim. scaleni, long. colli, 1

pleni, spinal. . . . 1 0.8

_ - - -_- -

I ,

Ge- nicht

g

1.8 1.35 0 . 5 0 .5

2 .2 4.25 0 .4

-

.rJ A

cm

6.0 7.5 8 . 1 8 .1

7 . 8 3 .8

12.1

~

-

-

0.30 0.18 0.062 0.062

0.28 1.12 0.86

-

v1

Relat. - 3 Kompo-

l nentenkraft

I (Querschnitt 2 1 (Q

e x Sinus) 5

I I

3.052’ 0.016 1

3.26 I 0.047 - - - -

1.34 (0.095) 1.50 1 0.56 ,

- I

- - I -

momente berechnet. Wir sehen, die Summe der relativen Drehungsmomente ist 0,594 und die Summe der relativen Kraftkomponenten 0.623. Der Drehungsradius der Kraftresultante ist also der Quotient dieser Zahlen oder 0*95cm, rund 1 cm. Der Drehungsradius d e r K r a f t r e s u l t a n t e d e r Halsdrehmuskeln beim Kaninchen ist a lso e t w a 1 cm.

Zwecks Feststellung der GroSe der iiquivalenten Missen wickelt man einen diinnen Stahldraht urn die Ergometerachse, welche laut der eben erfolgten Messung einen Radius von 1 cm hat. An das Ende des Stahl- drahtes hangt man ein 2-kg-Gewicht und lBSt unter der Einwirkung von dessen Schwere den Ergometer sich in Bewegung setzen. Jetzt kennt man die wirkende Kraft (2 kg); aus der registrierten Kurve wiederum erhiilt man auf die obengeschilderte Art die Bewegungsbeschleunigung und kann so die Gro13e der aquivalenten Massen berechnen.

In der folgenden Tab. 2 finden sich die von uns angewandten aqui- valenten oder trQen Massen. Die kleinste unter ihnen ist also 5-92 kg, d. h., bezuglich der wirkenden Krafte verhalt sie sich also ebenso wie eine schwere Masse von 5.92 kg beim reibungslosen Gleiten iiber eine voll- kommen wagerechte Flache. Die groBte von uns verwendete Bqui- valente Masse ist 2860 kg; sie ist also etwa 500 ma1 groSer als die kleinste Masse.

232 YRJO KENQVIST:

Tabel le 2. ~- - -

Bezeichnung der fquivalente Masse Masse in kg _-

I 5.92 I1 13 .0

I11 29.4 IV 59.5 V 64.4

VI 148 VIII 878

IX 1110 x 1910

XI 1860

Der Versuch mit dem Hillschen Ergometer geht auf folgende Weise vor sich. Das Kaninchen wird rucklings auf den Rumpfdreher gelegt, sein auf die Ergometerachse befestigter Kopf wird ebenfalls um- gekehrt, also in symmetriseher Lage zum Rumpf angebracht. Dann setzt man den den Rumpfdreher treibenden Motor in Betrieb, wobei sich der Kaninchenkorper mit einer gleichmafiigen Geschwindigkeit um 135O dreht. Wenn die Drehung des Korpers in Gang gekommen und der Kopf des Kaninchens folglich in einer etwas nnsymmetrischen Stellung zum Kumpf geraten ist, entstehen in den Halsmuskeln propriozeptive Reize, durch die der Kopf das Bestreben hat sich in die Rumpfrichtung zu drehen. Zugleich aber werden auch labyrinthare Reize wirksam, die gleichfalls den Kopf reflektorisch in die Rotationsrichtung des Rumpfes drehen. Wir bezeichnen diesen Drehversuch auch als ,,Mitdrehung", weil sowohl die labyrintharen vie die propriozeptiven Reflexe eine Drehung des Kopfes in der Drehungsrichtung des Rumpfes veranlassen.

Dann wiederholt man den ganzen Versuch, aber von norinaler Lage des Korpers ausgehend, in welcher die FiiBe nach unten gerichtet sind. Auch der Kopf des Kaninchens wird bei Beginn des Experiments in die normale Vertikallage, d. h. in eine dem ubrigen Korper symmetrische Lage gebracht. Sobald der Korper in Drehung gerat, entstehen auch nun in den Halsmuskeln propriozeptive Erregungen, durch deren EinfluB der Kopf bestrebt ist, der Drehung des Korpers zu folgen. Die labyrin- thken Erregungen wirken aber jetzt der Drehung des Kijrpers entgegen, und sind bestrebt, den Kopf in der aufrechten Normallage zu halten. Diesen Versuch nennen wir die ,,Gegendrehung", da die labyrintharen Wirkungen der Kopfdrehung Widerstand leisten. Bei der Mitdrehung beruht die Kopfdrehung also sowohl auf propriozeptiven wie auf labyrintharen Reflexen. Bei der Gegendrehung beruht sie auf dem Unter-

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLES DES KXSINCHESS. 233

achied der GroDe dieser nun kontraren Einfliisse. XnBerdeiii ist zu be- merken, daD in beiden Fallen durch die Korperdrehung elastisehe, nicht vom Nervemystem abhangige Krafte in den Halsgeweben entstehen. um diese elastischen Krafte zu ermitteln, versetzt man das getotete Kaninchen gleich nach den1 Tode sowohl in Mitdrehung mie in Gegen-

I

I

II

m

P

m m

Fig. 8.

234 YRJO RENQVIST :

drehung, und registriert die Kopfdrehung genau so mie bei den Ver- suchen rnit den1 lebenden Tier.

Fig. 3 zeigt die Drehungsablaufe des Kaninchenkopfes wahrend der Nit- und der Gegendrehung, beini Bewegen aller unserer zehn ver- schieden groBen Massen. \Vie ersichtlich, sind die mit der gleichen Masse ausgefuhrten Drehungeii imnier paarweise zusammengestellt, oben die Xt-, unteii die Gegendrehung. Zu oberst in der Kurvenreihe sind die mit der kleinsten Masse, unten die mit der groaten AIasse gewonnenen Kurven. Die dicken Linien stellen die Drehungskurven des Kopfes beini lebenden, intakten Kaninchen dar, die gestrichelten Linien die Drehungs- kurven des Kopfes keim toten Kaninchen, und die diinnen Linien bezeichnen die gleichmaBige Korperdrehung. Ferner bemerken wir, daB die Anfangs- momente der Kopfdrehung untereinander auf die gleiche Senkrechte ein- getragen sind, um den Vergleich zu erleichtern. Die links von dieser Senk- sechten befindlichen kleinen senkrechten Linien zeigen die Anfangs- inomente der Rumpfdrehung ; von ihnen fangen die Rumpfdrehungs- linien an. Die zwischen dem Einsetzen der Rumpfdrehung und dem Be- ginn der Kopfdrehung liegende Zeit und Drehungsstrecke konnen wir die Kopfdrehungs la tenz nennen.

Aus den mittels der kleinsten aquivalenten Masse, 5,92 kg, ge- wonnenen Kurven sehen wir, dalS die Latenzen der Mit- und der Gegen- drehung ziemlich gleich grol3 sind. Bei der Mitdrehung folgt der Kopf dem Rumpf, wobei er - da er sich rascher als dieser dreht - schnell die symmetrische Lage zum Rumpf erreicht (Schnittpunkt der Kurven). Wir sehen, daS die Drehungskurve des Kopfes bis zu diesem Punkt nach oben hin konkav ist; der Kopf dreht sich demnach mit steigender Ge- schwindigkeit. Hat aber der Kopf seine symmetrische Lage zum Rumpf iiberschritten, so sehen wir den Kopf sich fortgesetzt (dem Korper voraus) drehen, wenn auch anfangs nur mit abnehmender Geschwindigkeit (die Kurve ist nach unten hin konkav), spater aber mit abwechselnd abneh- mender und beschleunigter, hauptsachlich aber mit abnehmender Ge- schwindigkeit. Natiirlich haben im ersten Stadium der Kopfdrehung, d. h. wenn sie hinter der Rumpfdrehung kommt, die labyrintharen und die Hals-propriozeptiven Einfliisse beide das Bestreben, den Kopf in Mitdrehung zu versetzen.

Der erste Teil der Kurve stellt also den labyrinthar + propriozeptiv bedingten Bewegungsablauf dar. An diesem Teil der Kurve kann man also die propriozeptiv + labyrinth& bedingte Kraftresultante der Dreh- muskeln messen.

UBER DEK KOPFDREHUKGSREFLEX DES KANIKCHENS. 235

Hat sich der Kopf vor den1 Rumpf gedreht, so mirken die proprio- zeptiven Reflexe nun hemmend auf die weitere Kopfdrehung, die laby- h t h u e n jedoch wciterhin fordernd. Der zunachst nach unten hin kodave Verlauf der Kurve zeigt, daB die propriozeptiven und auch die elastischen Krafte die Drehbewegung fortdauernd abbremsen.

Die untere Kurve dieses Kurvenpaares, welche die entsprechendc Gegendrehung dartut, zeigt eiii ganz anderes Verhalten des Kaninchens. Wenn auch die Latenz der Kopfdrehung beinahe ebenso go13 ist, wie bei der Mitdrehung, setzt die Kopfdrehung jetzt ganz allmahlich ein, um sich dann ziemlich gleichmaBig und mit fast ebenso gro13er Ge- schwindigkeit wie die Rumpfdrehung fortzusetzen. Wir sehen, da13 der Kopf sich wahrend der ganzen Drehungszeit nicht vor dem Rumpf dreht. Es besteht demnach zwischen der Rlit- und der Gegendrehung ein deutlicher Unterschied. Jene geschieht mit groBerer Beschleunigung und ihre Amplitude ist grol3; die letztere dagegen folgt nur mit kaum merklicher Beschleunigung der Rumpfdrehung. Aus den gestrichelten Linien der Abbildung erkennen wir, da13 beim toten Kaninchen elastische Krafte eine Kopfdrehung bewirken, die am ehesten der Gegendrehung des lebenden Kaninchens gleichkommt, aber zum Unter- schied von dieser noch ausgesprochener der Rumpfkurve in ihrer Rich- tung folgt.

. Durch Vergleichen der Mit- und der Gegendrehungskurven beim intakten Kaninchen konnen wir folgendes ersehen : Die Latenzen der beiden Drehungen sind bei mehreren Drehungspaaren ungefahr gleich gro13; demnach sind also in diesen Fallen bei Beginn der Kopfdrehung die sich in den Geweben entwickelnden elastischen Krafte gleich groB. Ebenso mu13 wohl daraus geschlossen werden, da13 die propriozeptiv bedingten Halsmuskeldrehungskrafte ebenfalls gleich groB bei B eginn der Drehungen sind, da ja in beiden Fallen die Halsmuskeldehnungen gleich sind. Die labyrintharen, in entgegengesetzter Drehrichtung in den beiden Fallen wirkenden Krafte konnen wir indessen in diesem Anfangsmoment der Drehung im Mit- und Gegendrehungsfall nicht ohne weiteres als gleich gro13 ansehen. Spater werden wir jedoch feststellen konnen, daB die labyrintharen Drehkrafte beim intakten Kaninchen in diesen Lagen in bezug auf die GroBe wenigstens keinen erheblichen Unterschied von- einander aufweisen.

In ihrer ersten Anfangsphase sind die Kurven aus Fig. 3 sichtlich annahernd Zirkelbogen; daher konnen wir auf die obenerwiihnte Weise versuchen auszumessen und zu berechnen, wie groB die relativen Anteile

236 Y R J ~ KEXQVIST :

der propriozeptiven, gewebeelastischen uiid labyrintharen Krafte in der Anfangsphase der Drehung des Kaninchenkopfes sind. Wir bezeichnen die labyrinthare Kraft bei umgedrehter Kopflage, also die Kraft, welche die Drehung an1 Anfang derselben aus dieser Lage herausbefordert, niit 1, und die labyrinthare Kraft bei normaler Kopflage, also die bei der Gegendrehung abbremsende Kraft mit 1,. Die propriozeptive Kraft bezeichnen wir niit 1)z und die elastische Kraft der Gewebe niit e. Wir gelangen also zu den Gleichungen:

1,n + 9Tl + e = x.7, , - 1, + na + e = li,,

" l i t ,

in denen lim und li, die an1 lebenden Kaninchen bei der Nit- uiid Gegen- clrehung aus den Kurven zu messenden Resultantenkrafte bezeichnen, und k, die aus den Kurven des toten Kaninchens gemessene Kraft. Aus den Gleichungen kann berechnet werden ; 2.;- ~ , d. h. die mittlere laby- rinthare Kraft, die elastische Kraft e, sowie schliel3lich die propriozeptive Kraft m, die letztgenannte unter der Voraussetzung, da13 die mit umgekehrten Vorzeichen versehenen 1, und I , gleich groBe Eigenwerte haben. Dies stimmt auch wenigstens annahernd, wie wir weiter unten genauer feststellen werden.

In der folgenden Tabelle 3 sind nun diese Komponentenkrafte verschiedenen Ursprungs berechnet. Wie aus der Tabelle ersichtlich,

I + I g

Tabel le 3.

Trage Maase

I kg Mitdrehung I 5.9: Gegendrehung I 5-92 Mitdrehung I1 13.0 Gegendrehung I1 13.0 Mitdrehung I11 29.4 Gegendrehung I11 29.4

Sek.'GradeI gcrn

0.231 14-3 47.4 0.26, 16.2 25.6 0.24; 15.0 93.7 0.25 15.6 56.5 0.26' 16.2 169.0 0.27, 16.8 j 128.0

.?; i * Elastische %z N 6 1 (tote)

gcrn I gcrn

*ind die Berechnungen nur in bezug auf die drei kleinsten Ifassen &usem. Bei den groSeren Ifassen bind niimlich die Mit- und die Gqe,&ehungen ersichtlich gleich steil wid gleichartig, natiirlich darauf b e d e n d , d& die labyrintharen Krafte hier ini Vergleich zu den grofieii popriozeptiven nicht zur sichtbaren Wirkung gelangen.

Aus der 3. und der 4. senkrechten Kolumne der Tahelle ersehen wir, dafi die Drehungslatenz bei jeder Rlasse in der Nit- und der Gegen- drehung beinahe gleich groB ist. Hierauf gestutzt, konnten wir auf die obige Art die Kraftanteile bercchnen. In der 5. senkrechten Kolumne sieht man. wie die Kesultantenkraft beini Anwachsen der Alasse grol3er wird, und aie sic in der Mitdrehung immer merklich groSer als in der Gegendrehung ist. In der 6. Koluninc ist die propriozeptiv + elastisch bedingte Kraft berechnet. Diese Kraft vergroBert sich zugleich mit der Masse und zvar sichtlich ihr proportional. In der 7. senkrechten Reihe ist die labyrinthare Kraft berechnet; sie ist bei der kleinsten Masse kleiner als bei den zwei groBeren Massen, bei denen sie fast gleich groB ist. Da man die labyrinthare Kraft mittels Subtraktion aus Zahlen gewinnt, deren Genauigkeit an sich nicht sehr groS ist, so ist auf die GroSenunterschiede bei den labyrintharen Kraften, wenigstens was die zwei groDeren Rlassen betrifft, kein Gewicht zu legen. Wir konnen also nur feststellen, daO die labyrinthare Kraft ungefahr von der gleichen Grofienordnung bei den drei verschieden groBen Massen ist.

In der letzten senkrechten Reihe (9.) der Tabelle 3 sind die nur auf Elastizitat beruhenden Drehkrafte gemessen, welche aus den Dreh- kurven nach dem Tode des Kaninchens gewonnen sind. Sie sind unter- einander ungef ahr von derselben GroBenordnung ; bei VergroBerung der Masse vergroSern sie sich etwas. Eigentlich sind diese elastischen Krafte den in der 6. senkrechten Reihe stehenden propriozeptiv + elastisch be- dingten Kraften nicht ganz zu vergleichen, denn die Drehlatenzen des toten Kaninchens waren nicht ebenso grol3 wie die des lebenden, sondern groSer als diese, so daS die elastischen Krafte bei Beginn der Drehung des intakten Kaninchens in Wirklichkeit kleiner sind als die auf der Tabelle hervortretenden. Da wir bei der Handhabung der gewonnenen Zahlen immer ihre nur relative Bedeutung und ihre Genauigkeit nur der GroSenordnung nach uns vergegenwartigen, konnen wir die er- wiihnten Werte der elastischen Krafte gebrauchen. Durch Subtraktion der Werte der elastischen Krafte der senkrechten Reihe 9 von der Summe der Krafte der senkrechten Reihe 6, erhalten wir die GroSe der proprio- zeptiven Krafte, deren Werte sich in der 8. senkrechten Reihe finden.

In der graphischen Darstellung, Fig. 4, sehen wir die Abhangigkeit der propriozeptiven Kraft (oberste Kurve), der labyrintharen Kraft (rnittlere Kurve) und der toten elastischen Kraft (unterste Kurve) voii der zu bewegenden tragen Maw. Die labyr in thare Kra f t , welche

,*i.

100-

0

0 1 I

0

m 2 i 10 6 20 Mamehb -D

Fig. 4.

bes t reb t i s t , den Kopf des Kaninchens in seiner Normallage zuruckzuhal ten oder ihn in dieselbe zuriickzudrehen, i s t in ih rer GroBe von der GroBe der zu drehenden Masse unabhangig. Die propriozept ive K r a f t hingegen vergrohert sich rasch bei VergroDerung der zu drehenden Masse. Unser Versuch erinnert insofern an die natiirlichen Verhaltnisse, als die propriozeptiven und die labyrintharen Krafte gleichzeitig zu freier Auswirkung kommen. Die propriozeptiven Kriifte treten dabei, sobald eine geniigend unsymmetrische Kopflage erreicht ist, mit daraus sich erfolgender Dehnung der Halsmuskeln auf. Wenn die zu drehende Masse klein genug i s t , s ind also u n t e r diesen Umstanden die propriozept ive und die labyr in- t ha re K r a f t von derselben GroBenordnung. Bei der von uns angewandten kleinsten Masse ist die propriozeptive Kraft immer noeh groBer als die labyrinthare, in ganz natiirlichen Verhaltnissen aber, in denen nur der Kopf des Kaninchens die zu drehende Masse dar- stellt, sind die labyrinthke und die propriozeptive Kraft im Anfangs- moment der Drehbewegung wohl ziemlich gleich groB; dies wird einem auch klar, wenn man sich die Fortsetzung der Kurven auf Fig. 4 nach links hin vorstellt, wo sie einander schneiden wiirden.

UBER DEN KOPFDREHURGSREFLEX DES KISISCHESS. 259

Die gleiche GroBe der labyrintharen und der propriozeptiven Krafte b i einer Halsdrehungsbewegung diirfte bei den natiirlicheii BewePqen des Kaninchens von Bedeutung seiii. Beim Hupfen des w n c h e n s diirften oft kleine Drehungen des Korpers im Verhaltnis

Kopf auftreten. Dabei entwickeln sich im Hals propriozeptive =me, die bestrebt sind, auch den Kopf in ilbereinstimmung mit deiii R m p f zu drehen. Aber diese Einfliisse werden durch die gleichzeitig Euftretende kontrare und gleich groBe labyrinthare Kraft aufgehobeii md der Kopf bleibt in der Normallage, ungeachtet der kleinen Runipf- drehung.

Vergleichen wir den weiteren Verlauf der Mit- und der Gegen- drehungskurven (bei Alasse I), so sehen wir folgendes: bei der Gegen- hehung folgt der Kopf fast vollstandig dem Rumpf, so daB also die propriozeptiven und die durch die Gewebeelastizitat hervorgerufenen &&fte wahrend der Drehzeit konstant sind. Bolglich ist auch die ab- bremsende labyrinthare Kraft wahrend der Drehzeit konstant, sonst kZjnnte ja die Drehungskurve nicht geradlinig sein. Wir stellen also fest, daB die l abyr in tha re Drehkra f t in a l len Kopflagen, die der Kopf wahrend seiner Drehung pass ie r t , von gleicher GroDe ist. Spater werden wir dieses auch auf andere Art konstatieren.

Bei der Mitdrehung, wenn der Kopf in seiner Drehung den Rumpf iiberholt hat, ist zu beobachten, daB der Ergometer infolge seiner "re- heit bestrebt ist, die von ihm erreichte schnelle Drehbewegung mit gleichmaBiger Geschwindigkeit fortzusetzen, so daB die Kurve, wenn keine Krafte mehr einwirken wiirden, von diesem Punkt aus geradlinig steil nach oben ansteigen wiirde. Die tatsachliche Konkavitat der Kurve nach unten, die eine etwas zunehmende Kriimmung dartut, zeigt, daG die abbremsenden Krafte groBer als die fordernden sind. Die hemmenden Kr&fte, sowohl die propriozeptiven wie die gewebeelastischen, sind auch bei dieser zunehmenden Dehnung des Halses besttindig zunehmend, wiihrend die fordernde labyrinthare Kraft, wie wir spater sehen werden, wiihrend der Drehung verhaltnismaBig konstant bleibt. Die Hemmung der Drehbewegung ist hierdurch verstandlich.

Das zweite Kurvenpaar auf Fig. 3 ist mittels der gleichen triigen Mame gewonnen wie das vorhergehende; dariiber ist nichts Neues zu sagen.

In dem, dem dritten Kurvenpaar entsprechenden Versuch ist die durch den Kopf zu drehende t r e e Masse beinahe 2l/,mal so grog wie die vorige h s e . Sowohl die Mit- wie die Gegendrehungskurven erinnern in ihrem

Verlauf sehr an die vorherigen. weshalb sie keines naheren Eingehcns bedurfen. Schm-ankungen in der RIitkurve diirften wohl von spontancn Bewegungen herriihren ; auch bei der Gegenkurve treten solche gelegentlieh zutage. Da auch in diesem Paare die Drehungslatenzen fast gleich groD sind, konnen wir jetzt auch auf die obengeschilderte Weise die GroDe der propriozeptiren und der labgrintharen Kraftanteile bcrcchnen (siehe Tabelle 3).

Das folgende Kurvenpaar ist mit einer triigen 3Iasse gewonnen, die aiederuni etwa zweimal so groB ist wie die vorhergehende. Die Mit- kurve steigt hier anfangs sehr steil an, bis die heminenden Krafte sie ahwarts biegen. In der langen Steigung tritt der EinfluB des Beharrungsvermogens der groBen tragen Rlasse zutage. Auch die Gegen- drehung weist einen etwa 8-formigen Vcrlauf in ihreni Anfangsteil auf, der selbstverstandlich die gleiche Ursache hat. Auch an diesem Paare haben wir die propriozeptiven und die labyrintharen Kraftanteile be- rechnet (siehe Tabelle 3).

Das mit der wiederum etwa 2 ma1 grolleren triigen Masse IV gewonnene folgende Kurvenpaar weicht merklich von den vorhergehenden ab. Die Gegenkurve verlauft zwar sehr gerade, die Mitkurve aber bildet in ihrer Gesamtheit einen grollen flachen Bogen. Diese Form ist bei keiner anderen Masse zutage getreten, auch nicht bei dieser selben Masse in anderen Versuchsserien, weshalb ich mich hier nicht naher mit ihr befasse.

Die folgende trage Masse V, die wir anwandten, betragt 64.4 kg. Die Mit- und Gegenkurven sind jetzt fast vollkommen gleichartig. Beide haben die Form eines grollen flachen S. Die Ubereinstimmung der Kurven, welche jetzt fast rollstandig ist, worauf aber bereits die paar vorhergehenden Kurvenpaare Anzeichen zeigten, bedeutet, daB kein bemerkenswerter Unterschied in der Grolle der Kopfdrehungskraft bei der Rlit- und Gegendrehung besteht, wenn die Drehung sich mit dieser sehr grollen Masse vollzieht. Da die propriozeptiven und die durch die Gewebeelastizitat verursachten Krafte in beiden Fallen die gleichen sind, und jetzt schon sehr betrachtlich, wie wir gleich darlegen werden, mussen die labyrintharen Krafte jetzt im Verhaltnis zu den obenerwahnten Kraften so klein sein, daS ihr Einflull im Drehungsablauf nicht mehr in Erscheinung tritt.

Die mit allen grolleren triigen Massen VI-XI vollzogenen Drehungen ergeben Kurven, die stets S-formig und in der Mit- und Gegendrehung fast gleich sind. Die S-Form entsteht natiirlich infolge der grollen Triigheit der Masse. Nachdem die Drehbewegung durch die fordernden

UBER DER’ KOPFDHEHUNGSREFLEX m s KAKINCHEKS. 241

Krafte bis zuni Wenclepunkt gelangt, der inimer aiiiiahernd da ist, wo der Kopf in symnietrischer Lage zum Rumpf sich befindet (die S-Kurven schneiden in ihreni Wendepunkt die Drchungsgerade des Runipfes), wird sie wiederuni alliiiahlich unter dem EinfluB der hemmenden Krafte abgebremst. Und, \vie bereits erwahnt, sind die fordernden und die hemmenden Krafte bei allen groBen t rgen Massen nur propriozeptivc uiid ails der Gewebeelastizitat herriihrende, was aus der Ubereinstimmung des Verlaufs der Blit- und der Gegendrehungskurven in slmtlichen Kurvenpaaren erhellt.

Vergleicht man die niit den drei oder vier groBten t r l g e n Massen gewonnenen Kurven untereinander, so bemerkt man, dnB sie ganz gleich steil ansteigen. Die Beschleunigung der Drehbewegung ist also in ihnen ziemlich gleich groB; demnach miissen also die die Bewegung fordernden Krafte, d. h. die propr iozept iven u n d die e las t i schen Kra f t e propor t iona l den zu drehenden t r agen Massen sein.

Die beim toten Kaninchp gewonnenen, nur durch rein gewebe- elastische Krlfte hervorgerufenen, diinnen Kurven auf Fig. 3 sind bei den gro13ten Massen ebenfalls S-formig, aber bedeutend flacher als die entsprechenden, beini lebenden Kaninchen gewonnenen Kurven. Die propriozeptiven Krafte sind folglich sogar, wenn die Drehbewegung mit den groBten triigen Massen vorgeht, von betrachtlicher GroDe.

Vergleicht man die mit den groBten triigen Massen beim toten Kaninchen gewonnenen Drehungskurven untereinander, so zeigt sich auch unter ihnen eine grol3e Gleichartigkeit. Auch die gewebe- e las t ischen Kra f t e s ind also propor t iona l der GroBe de r zu drehenden Masse. Die gewebeelastischen + propriozeptiven Krafte stellten wir eben gleichfalls als proportional zur Masse fest. Also folgt hieraus, da13 die propr iozept iven Kra f t e de r Muskeln des Halses, sowohl die drehungsfordernden Krafte (Anfangsteil des S), wie auch die drehungshemmenden (spaterer Verlauf vom S) , also jene Krafte, welche durch die in den Muskeln selbst entstehenden Impulse sich mittels des Zentrahervensystems entwickeln, p rop or t i ona l der Gr o Be j ene r Massen s ind , welche sie i n Drehbewegung setzen. Vielleicht wird diese, gemaB der GroBe der zu bewegenden Masse stattfindende Kraft- steuerung (Wagner, a. a. 0. S. 403) durch den Eigenreflexapparat reguliert; dariiber laBt sich aber hier nicht mit Bestimmtheit urteilen.

Ehe wir niiher auf die MeBergebnisse der Kurven eingehen, wollen och einige andere Versuche beschreiben. In Fig. 5 sehen wir eine Kurven, die mit den sechs kleineren Massen gewonnen sind. Sie

Sbdinav. Archiv. LVI. 16 __

242 YRJO RENQVIST :

ahneln ausgesprochen den auf Fig. 3 dargestellten, sind nur vielleirht in ihrem Verlauf regelmaBiger, und die Abwandlung in die 8-Form beim VergroBern der Masse geht bei ihnen gradweise, sehr deutlich sichthar vor sich.

Fig. 5.

Auch bei dieser Versuchsserie sind die propriozeptiven und die labyrintharen Kraftanteile an den Massen I, I11 und V berechnet, d. h. an denjenigen, in denen die Drehungslatenzen bei der Mit- und der Gegendrehung ziemlich gleich groB sind. Aus der Tabelle 4 ersehen wir, daB die Werte ungefahr die gleichen wie die vorhergehenden sind, im allgemeinen jedoch etwas groBer als jene. In dieser Versuchsserie sind die Drehlatenzen beim intakten und beim toten Kaninchen, bei denselben Massen, annahernd die gleichen, weshalb die propriozeptiven Anteile in der Drehungskraft sich gut berechnen lassen. Fig. 6 zeigt die ent- sprechende graphische Darstellung, aus welcher deutlich die Unabhangig- keit der labyrinthiiren Kraft und die Abhangigkeit der propriozeptiven Kraft von der GroBe der zu drehenden Masse hervortritt. AuBerdem

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLEX DES KANINCHENS. 243

i kg 1 Sek. 1 Gradc

Ntdrehung I 5.9210.16' 9.9' - -- ~-~

I 5.92 0.17110.6 111 29.4 0.34121.2 I wendrehung I/III 29.4 0.31 19.3

Mitdrehung ' V 64-4 0-31/19*3 Gegendrehung (j V 64.4 0.49,30.5

ist wieder die beim Drehungsbeginn beinahe gleiche GroSe dieser Kraft- anteile zu beobarhten, wenn die Masse physiologisch klein ist.

Fig. 6. 16*

In Fig. i ist cine Versuchsscrie dargestellt, bei der die zusaninicn- hangenden Kurven am intakten Kaninchrn gewonncn sind, und zwar niit virr groBen trlgen Blassen, sowie allc lhrhungen in der Blitrirhtung

376 36.3 1270 191 2640 310 4360 526 5540 760

Fig. 7.

stattfindend. Die gestrichelten Linien sind auf diesclbe Weise am gleichen toten Kaninchen gem-onnen. Die Ubereinstimmung dcr steileren, durch elastische + propriozeptive Krafte bewirkten Drehungen untereinander und die ijbereinstimmung der flacheren, nur durch die tote, elastische Kraft zustandegekommenen Kurven untereinander zeigt wieder, dalS sowohl die propriozeptiven, wie auch die toten elastischen Krafte pro- portional der groDen trigen Masse sind, ein Umstand, der schon bei der Schilderung friiherer Versuche erwahnt wurde. Auf die gewebeelastische Kraft, deren GroBe proportional zur in Bewegung gesetzten triigen Masse ist, superponiert sich also beim lebenden Kaninchen die propriozeptive Kraft, deren GroDe ebenfalls proportional zur tragen Masse ist. Die propr iozept iv ausge los te E r regung des Nervensystems s t e l l t also seiner nach auDen h in zu tage t r e t e n d e n Wirkung nach gleichsam e in VergroDern der E la s t i z i t a t dar.

Tabel le 5.

340 1080 2330 3830 4780

Trage Maase (i 1 latenz Dreh-

Bezeichnung I kg 1~ Sek.

I 5.92 0.25 ~ ~ ~ ~ _ _ _ _ _ ___

I1 I11 IV VI

VIII IX X

XI

13.0 0.25 29.4 0.27 59.5 0.24

148 0.31 578 0.45

1110 0.67 1910 0.63 2860 0.81

Propriozeptive Elastisohe + elast. Kraft (tote) Kraft

gcm 1 gcm ~-

36.5 6.86 75.1 7.77

Propriozep- tive Kraft

gcm

29.6 67.3

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLEX DES KANIXCHENS. 245

Auf Tabelle 5 sind aus den Kurven der in Fig. 3 dargestellten Ver- suchsserie die toten, elastischen und die propriozeptiven Krafte mit allen angewandten Massen berechnct. Fig. 8 zeigt dic graphisrhe Darstellung dieser Tabelle. Die obere Kurvc zeigt die Abhangigkeit der propriozeptiven

Fig. 8.

Kraft von der tragen Masse ; die untere Linie das Verhalten der elastischen, toten Kraft. Wir merken, wie wir auch schon aus dem Verlauf der ent- sprechenden Drehungskurven folgerten, da13 sowohl die propriozeptive Reflexkraft, wie auch die elastische tote Kraft sich beim VergroBern der Wigen Masse beide gemdlinig vergroBern. Ferner sehen wir, daB bei jeder GroBe der zu drehenden Masse die Reflexkraft etwa 5 bis 8mal so groB wie die gewebeelastische Kraft ist.

Die propriozept ive, ref lektor ische Drehkra f t wie auch d ie Bremskraf t der Halsmuskeln , ve rha l t s ich zur VergroBerung d e r zu drehenden t r a g e n Masse nach genau denselben Regeln

246 YRJO RENQVIST :

wie es die e las t ischen Kraf te des Halses tun . Dic pro- pr iozept ive Reflexkraf t i s t bei jeder un tersuchten Lage des Kopfes um niehrere Male groBer a l s die e las t ischen Kraf t r . Nach Wagner1 wiirde aus der GroBe der abbrenisenden Einfliisse ein hIaB fur das ataktische Verhalten zu gewinnen sein. Die vollkommen gleichartige Abbremsung bei den verschieden groBen Massen unserer Versuche wiirde demnach die Unabhangigkeit der ,,Ataxic" von der bewegten Masse dartun.

Es diirfte wohl die Sache sich so verhalten, dall die VergroBerung der elastischen Kraft beim VergroBern der zu drehenden Masse davon abhangig ist, daB die Drehlatenz beim VergroBern der Masse zunimmt, und die Dehnung der Gewebe hierdurch groBer wird. Auch die VergroBerung der Reflexkraft diirfte von der GroBe der Muskel- dehnung abhangen.

Aus den Figg. 3 und 5, sowie aus der Tabelle 5 ersehen wir, daB die Drehlatenz sich im allgemeinen beim VergroBern der Masse vergroBert, aber keineswegs immer, und nicht regelmallig. Der mit der Masse sich regelmifiig vergroljernden propriozeptiven Reflexkraft und der elastischen Gewebekraft entspricht also meistens nicht eine sic.h regelmaig ver- grof3ernde Dehnung der Halsmuskeln. Das geht auch deutlich aus Fig. 9 hervor, auf der die, an allen Versuchen einer Versuchsserie gemessenen, propriozeptiven + elastischen Krafte in ihrer Abhangigkeit von den Drehlatenzen (in Winkelgraden) dargestellt sind. Die Punkte sind ziemlich unregelmaBig verstreut. Wenn wir auch erkennen, dall groBere Kraftentwicklung groBerer Muskeldehnung im allgemeinen entspricht, so ist doch deutlich, daB die Anfangsdehnung der Muskeln (die natiirlich bei der VergroBerung des Drehungswinkel sich vergroBert, jedoch auf komplizierte und bei den verschiedenen Halsmuskeln auf verschiedene Art), alleine weder die GroBe der muskeheflektorischen Kraft, noch die der elastischen Kraft bestimmt. Die GroBe der propriozeptiven und der elastischen Kraft muB natiirlich auch von der Schnelligkeit abhangen, mit welcher der Muskel nach beendeter Anfangsdehnung (Drehlatenz) sich zusammenziehen kann. Die Beziehung zwischen Kraftentwicklung und Muskeldehnung bei der Halsdrehung wird hierdurch also undurchsichtbar. Foers t e r hat klargelegt, auf welche komplizierte Weise der Dehnungs- reflex von der Art der Muskeldehnung abhangt.

Wagner, Zeitschr. f. Biobgie. S. 387. * Foerster, Ebenda. 1925. Bd. LXXXIII. S. 59.

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLEX DES KANISCHENS. 249

gelegtes Kaninchen heftig und strebt in die Sormallage zuriick; halt; aber der Experimentator es entschlossen am Brett fest, so beruhigt es sich rasch; es sieht sozusagen die Vergeblichkeit seines Wider- standes ein und laBt sich nun auf den1 Riicken halten. Ungeachtet maneher unphysiologischer Eigenschaften unserer Methode diirfte man trotzdem mittels derselben zu Ergebnissen kommen, die unsere Aufgaben uber die reflektorischen Koniponcnten der einfachen Halsdrchungs- bewegung verdeutlichen kiinnen.

Die Versuche gehen auf folgende Weiee Tor sich. 3ac.hdem der Kopf des Kaninchens in die Pu'ormallage gcbracht ist, die Ohren nach oben, wird mittels des Rumpfdrehers sein Rumpf um 45" aus der Normal- ]age (in der normaleii Korperlage sind ja die Extremitaten iiach unten gerichtet) z. B. nach rechts gedreht. Gleich nach vollendeter Humpf- drehung wird der Hillsche Ergometer mit dein darauf befestigten Kaninchenkopf losgelassen, wobei eventuell eine Kopfdrehung statt- finden und registriert werden kann. Dann setzt man die Versuche ganz auf die gleiche Weise fort, indem man den Kopf (und Rumpf) in ver- schiedene Lagen im Verhaltnis zur Lotlinie bringt. Die Drehbewegungen gehen also von Anfangsstellungen des Kaninchens aus, die in der Schema- reihe der Fig. 10 gezeichnet sind. In dem Schema bedeutet die kurze

Fig. 10.

h i e die Richtung der Ohren des Kaninchens, die lange Linie die Richtung der Glieder und das Gelenk zwischen ihnen den von hinten gesehenen Hals.

Zunachst ist zu erwahnen, zu welchem Ergebnis man kommt, wenn man die genannten Versuche mit einem t o t e n Kaninchen aus- fiihrt. Hierbei findet in den allermeisten Fallen keine Kopfdrehung in einer der obenerwahnten Lagen statt, sonderii Rumpf und Kopf bleiben in ihrem Winkel von 45". Dies zeigt, daB elastische, tote Krafte in dieser gegenseitigen Lage von Rumpf und Kopf iiberhaupt nicht in Erscheinung treten, oder sie sind so schwach, dall sie nicht die Anfangsreibung des Ergometers zu iiberwinden vermogen. Auf Grund dieser Feststellung haben wir auch gerade den Winkel von 46" zwischen Kopf und Hals

250 YRJO KENQVIST :

zur Anfangslage gewahlt, daniit die am lebenden Kaninchen gewonneneii Kopfdrehungen aussehliefilich durch Jebendige" Krafte, also proprio- zeptive und labyrinthare Reflexkrafte bewirkt waren.

Wir schildern zunachst die beim in t a k t e n Kaninchen gewonnenen Ergebnisse. Auf Fig. 11 sind die zusammenhangenden Kurven links die Kopfdrehungskurven des Kaninchens aus den erwahnten Anfangslagen.

In diesen Anfangslagen war der Kopf rechts zum Rumpf ge- dreht. Die vcrachiedenen links untereinander befindlichen Kur- ven sind von Kopflagen aus ge- wonnen, die 45, 90, 135 und 180O aus der vertikalen Kopfrichtung nach rechtshin gedreht sind, also gemall unserer auf Fig. 10 dar- gestellten Zeichnung aus den Lagen

I

.' /*- --\ \. . A 4 0

Da der Kopf des intakten Kaninchens labyrinthar -reflek- torisch aus allen anderen Lagen

I I

0; 1 Fig. 11.

in seine Normallage strebt, und andererseits die asymmetrische Span- nung der Halsmuskeln den Kopf reflektorisch in symmetrische Lage zum Rumpf zu bringen strebt, bemerken wir, da13 in den von uns jetzt gehandhabten Lagen beide reflektorischen Krafte bestrebt sind, den Kopf des Kaninchens nach oben zu drehen. Aus den Kuiven wird ersichtlich, da13 die Amplitude der Kopfdrehung am grofiten beim Ein- setzen der Drehung des Kopfes aus der vollstandig nach unten ge- wendeten Lage (180O) und der Drehungswinkel dann 880 ist (siehe die Kurve). Aus der schriig nach unten gerichteten Lage (135O) hebt sich der Kopf um 76O; noch kleiner um 58O ist der Drehungswinkel aus der seitlichen Lage des Kopfes (goo) und am kleinsten uin N o aus der schrag nach oben gerichteten Lage.

Die letztgenannte Drehung von 400 bringt den Kopf also fast in seine normale nach oben gerichtete Lage, und die Drehungskraft ist wahrend der ganzen Drehungszeit also sowohl propriozeptiv wie laby- rinthk. Wie aus dem zweiten Schemabilde in Fig. 12 leicht zu erkennen ist, dreht sich der Kopf, wenn er von der seitlichen Anfangslage (goo)

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLEX DES KANINCHENS. 251

ausgeht, die ersten 45O unter dem EinfluS sowohl labyrintharer wie pro- pfiozeptiver Krafte, hat er aber die schrag narh oben gerichtete, in der Verwerung der Rumpflage gelegene Stellung passiert, so verlauft die Drehung entgegen dem propriozeptiven EinfluS und nur labyrinthar. Diese Drehung macht 13O. Und dann stockt die Bewegung, also 32O unterhalb der senkrechten Lage. Der Grund zu dieser Stockung liegt

32 59 82 40'

: I

/' .31°

... 4 3 O

Fig. 12

natiirlich darin, da13 die abbremsenden Krafte, und zwar vermutlich die Reflexkrafte, welche durch die asymmetrische Dehnung der Muskeln VeranlaSt sind, mit den Reibungskraften zusammengenommen groSer werden als die fordernde, d. h. die labyrinthare Reflexkraft. Aus der schriig nach unten gerichtpten Lage (135O) (siehe Fig. 12) macht der Kopf nach dem ersten Teil (45O) seiner Drehungsbahn, 31° der propriozeptiven Kraft entgegen, und bleibt dann bei 59O vor der Vertikalstellung stehen. Die Ursachen dieses Stehenbleibens sind dieselben wie die obenerwahnten. Und schlieSlich geht die Drehung des Kopfes aus seiner umgedrehten Lage, iiber die Rumpfverlangerungslage 43O aus, so daS also der Kopf in einer beinahe seitlichen Lage bleibt.

Aus diesen Versuc.hen konnte man geneigt sein, den SchluS zu ziehen, daB die labyrinthgre Drehkraft beim intakten Kaninchen desto groSer ware, je weiter sich der Kopf aus seiner senkrechten Normallage gedreht hat. Die GroBe des Drehungswinkels, den der Kopf durch labyrintharen EinfluS entgegen der propriozeptiven und der Reibungs- kraft dreht, war ja desto groSer, je mehr der Kopf nach unten gerichtet war. Vergleichen wir unsere Kurven auch in anderen Beziehungen als hinsichtlich ihrer Hohe, so bemerken wir, daS die Steilheit ihres Anstiegs und ihre Kriimmung, welche die Geschwindigkeit und die Beschleu- nigung der Drehung anzeigen, an den drei oberen Kurven anniihernd gleich sind. Der Verlauf der untersten Kurve weicht von den anderen in der Beziehung ab, daS er doppelwellig ist. An den Kurven ist eine kleine wagerechte Querlinie gezeichnet, die den Punkt angibt, wo der

252 Y R J ~ RENQVIST :

I(opf sich um 45O gedreht hat und folglich in einer zuni Kuinpf nicht gedrehten Lage sich befindet. Die dieser Lage folgendr Urehung drs Kopfes geht also sichtlich anfangs mit gleichmaBiger Gcschwindigkrit vor sich.

Der fast gleiche Verlauf der Kurven his zu den erwlhnten syni- metrischen Kopf-Rumpflagen zeigt, da die propriozeptirrn Kriifte i n allen Lagen gleich groB sind, daS auch zwischen den lahyrinthircii Kraften in den verschiedenen Kopflagen kein benicrkenswrter Unter- schied bestehen kann. Die verschieden hohr Amplitude der Kurren . d. h. die verschieden grol3e Jhehung des Kopfcs r o n drr cr\~lhntcii symmetrischen Lage Bus, also den propriozeptiven Einfliissen entgegen, zeigt indessen, claB die labyrintharc Kraft jedenfalls abnimmt, h i m Nahern der senkrechten Kormallage des Kopfes zu. In der Lagenfolgc von 180 his Oo vermag die labyrinthare Kraft, in sich fortgesetzt ver- ringerndem MaBe, die aus der Muskeldehnung und der Reihung rnt- stehenden Krafte zu iiberwinden.

Die rechts auf Fig. 11 eingezeichneten zusammenhangenden Linicn bezeichnen die Resultate aus den folgenden Anfangslagen :

Auch in diesen Lagen hat demnach die Drehung des Kopfes im Verhaltnis zum Rumpf in derselben Drehungsrichtung wie im Vorigen stattgefunden, so daB diese Drehungen in Rechts-Linksbeziehung niit den vorhergehenden zu vergleichen sind.

Aus dem Schema geht hervor, daB in diesen Lagen die proprio- zeptiven Einflusse bestrebt sind den Kopf abwarts zu drehen, also in die entgegengesetzte Richtung wie die labyrintharen EinElusse beim intakten Kaninchen.

Die Registrierungsresultate zeigen nun, daS keine Drehung des Kopfes aus den Kopflagen 46,90 und 135O auftritt. Demnach vermag die labyrinthare, den Kopf nach oben drehende Kraft aus diesen Lagen nicht die propriozeptive nach unten drehende Kraft, sowie die Anfangsreibungs- kraft, zu uberwinden, sondern die Krafte halten sich gegenseitig das Gleichgewicht. Das Ergebnis diirfte wohl die SchluSfolgerung bekraftigen, daB die GroSe der labyrintharen Krafte des intakten Kaninchens unab- hangig von der Lage des Kopfes ist, denn das konstatierte Gleiehgewicht der Krafte in allen Lagen des Kopfes deutet darauf hin, daB auch die labyrintharen Krafte in allen Lagen gleich groB sind, da die proprio-

UBER DES KOPFDREHU~TGSREFLEX DES K.\SISCHEXS. 253

zeptiveli konipensicrten Krafte in allrn Lagen glcich groB sind. (Kopf- drehungswinkel ini Yerhaltnis zum Kumpf stets derselbe.) Ein derartiger SchluB braucht jedoch nicht richtig zu sein. Die labprinthare Kraft kann in verschiedencn Lagen nbnilich verschieden groB sein, aber drr Unterschied zwischen ihr und der stets gleich groBen propriozeptiven Kraft kann in allen Lagen so klein sein, daB sie, da sie die in Bewegung sctzende Kraft ist. in keiner Lage die hemmendc Anfangsreibung zu iiberwinden imstande ist.

Die unten rechts befindliche flache Kurve ist aus der senkrechten Iiopflage (OO) gemonncn. Hier vermochte demnach die propriozeptivc Kraft die labyrinthare Kraft zu iiberwinden, was auch dafiir spricht daB die labyrinthare Kraft bei senkrechter Kopflage kleiner als in anderen Lagen ist.

mit dem die auf Fig. 11 dar- gestellten Drehungsversuche gemacht worden waren, wurde

rechtsseitige Labyrinthexstir- pation nach de Kleyn vor- genommen. Gleich nach der Operation wurde festgestellt, dalS das Kaninchen, sobald es auf den Riicken gelegt wurde, seinen Kopf etwa 90° nach rechts drehte. In der Normal- lage, auf dem Bauch, wandte das Kaninchen seinen Kopf nur sehr wenig nach rechts. Zwei Stunden nach der Operation wurden mit dem Kaninchen dieselben Versuche wie im intakten Zustand an- gestellt und die Ergebnisse sind, in derselben Anordnung wie auf Fig. 11, nun auf Fig. 13 zu sehen.

Der bemerkenswerteste Unterschied zwischen den Kurven auf Fig. 11 und Fig. 13 ist der, daB die Kurven links auf Fig. 11 steiler und hoher sind als die Kurven links auf Fig. 13, und daB dem volligen Fehlen von Kurven rechts auf Pig. 11 flache Kurven auf Fig. 13 gegeniiber- stehen. Der Unterschied zwischen den linksseitigen Kurven zeigt &o, daB die Drehbewegung nach der normalen Vertikallage zu beim in6akten Kaninchen mit groBerer Kraft und weiter stattfindet als beim

An demselben Kaninchen,

dann am folgenden Tag die

Fig. 13.

254 YRJO KENQVIST :

operierten, bei den1 indessen diese Bewegung auch zutage tritt. Beini operierten Kaninchen sind nanientlich die Drehungen aus den Kopf- lagen 45 und 90° sehr flach; aus der Lage 180° indessen geht die Drehung fast ebenso wie beim intakten Tier vor sich. Das Verhaltcn des operierten Kaninchens ist nicht schwer zu verstehen, wenn man die Wirkung der einseitigen Exstirpation nach Mag nus kennt. Das operierte Kaninchen ist bestrebt, seinen Kopf unter dem EinfluB des ubrig- gebliebenen linksseitigen Labyrinthes nach rechts zu drehen. Ziehen wir nun in Betracht, daB die linksseitigen Kurven auf Big. 13 aus den Lagen:

’ /’ gewonnen sind, so ist leicht zu verstehen, daB

die in den zwei ersten Lagen (450 und 90°) registrierten Kopfdrehungen auffallend schwach geworden sind, da diese Bewegungen vor sich gehen, wenn auch nicht kontrar der labyrinthken Kraft, so doch wenigstens nicht unter ihrer Mitwirkung, also nur durch den EinfluB der Muskel- dehnung. Aus den Lagen 135 und 180° erfolgt die Drehung kraftiger; das beruht wohl darauf, daB der Kopf des operierten Kaninchens wieder in die Lage strebt, in welcher das rechte Auge nach unten gerichtet ist. Diese Auffassung wird auch durch die rechts auf Fig. 13 befindlichen Kurven bekraftigt. Beim intakten Kaninchen zeigen sich keine ent- sprechenden Kurven, in diesen Lagen kompensiert ja der nach unten drehende propriozeptive EinfluB den nach oben gerichteten labyrinthken. Beim operierten Kaninchen zeigt also die in den entsprechenden Lagen auftretende Drehung, daB der labyrinthare EinfluB jetzt entweder aus- getilgt oder schwacher geworden ist oder ihre Drehungsrichtung gewechselt hat, da die Drehung in der Richtung des propriozeptiven Einflusses stattfindet. Am natiirlichsten wird uns der Sachverhalt durch die Vor- stellung, da13 der Kopf, wie auch eben, in die Lage strebt, in der das rechte Auge nach unten gerichtet ist.

Versuche obiger Art sind mit sechs verschiedenen intakten Kaninchen ausgefiihrt. Bei ihnen allen erweist sich die Kopfdrehung als kraftig und weit, wenn der labyrinthare und der propriozeptive EinfluS beide den Kopf nach oben drehen, dagegen fehlt die Drehung oder sie tritt nur ganz schwach zutage, wenn die Krafte in entgegengesetzter Richtung wirken. Auf Fig. 14 sind die bei einem intakten Kaninchen an zwei verschiedenen Tagen erhaltenen Drehungskurven dargestellt. Die zusammenhangenden Kurven, welche die eine Versuchsreihe darstellen, zeigen, daB die laby- r inthke Kraft in der schriig nach oben gerichteten Kopflage (45O) am schwachsten ist, in der schriig nach unten gerichteten (135O) und in der

- - * \ \. I

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLEX DES KANINCHENS. 255

umgekemen Lage (180O) des Kopfes am starksten. Die beim zweiteii Versuch gewonnenen gestrichelten Kurven sind wiederum alle unter- &lander mehr gleichartig (die Kurve in der Lage 900 ist steiler als die aderen), was zeigt, dafi bei diesem Versuch die labyrinthare Kraft voii der Kopflage unabhangiger ist. Die eine dieser beiden Verhaltungs- weisen tritt auch in all unseren Versuchen mit dem intakten Kaninchen hervor. Entweder ist also die Kopfdrehung desto kraftiger, je mehr der Kopf sich aus der Vertikallage entfernt, oder die labprinthare Drehkraft

Fig. 14.

erweist sich als nicht von der Kopflage abhangig. Aus den Kurven reohts auf der Figur ersehen wir, daD, wenn der propriozeptive und der Wyrinthibe EinfluB entgegengesetzt sind, der Kopf nicht vollkommen hegungslos blieb, sondern sich schwach in die Richtung des Muskel- einnueaeS drehte. Namentlich in der Versuchsserie, welche von den geatrichelten K e n repraentiert wird, liegt die Sache so, da8 man, da in diesem Fall der EinfluB der Anfangsreibung iibenvunden worden kt, die GroBe der labyrintharen Kraft zu berechnen versuchen kann. Aus allen Kurven erhalt man als Mittelwert des Drehmomentes der labyrinthken Kraft 21 gem. Stellen wir die entsprechende Berechnung fiir die zusammenhangenden Kurven an, so sehen wir aus dem Verlauf der Kurven ohne weiteres, da8 man bei den 45- und 900-Lagen fur die labyrinthke Kraft ungefahr den gleichen Wert, aber bei den 135- und 180O-Lagen einen gro8eren Wert bekommen wiirde.

Bei dem Kaninchen, bei dem wir in intaktem Zustand die oben- geschilderten Versuche (Fig. 14) angestellt hatten, eliminierten wir dann

mittels Kokainlosung die Funktion clcs ciiien Lal);vrintlics. Unser \-el.-

fahren war das gleiche wie das voii van K O ssem bei Xleerschweinchen an- gewandte. ;Ifit Hilfe eines engen Ohrtrichters w r d e das Tronimelfell des in leichter khernarkose befindlichen Kaninchens sichtbar gemacht, niit einer dunneii Sadel durchbohrt und e t m 0 .1 his 0.2 ccni 50proz. Kokain- liisung in das Nittelohr gespritzt. Etwa 20 Minuten nach der Einspritzuiig niachen sich die rrsten Syniptome Iwnwkbar. Zuerst zeigt sich eiii Xystagmus der Augen und etwas spater cine immer kraftiger werdentle Drehung des Kopfes. Oft folgt der Kopfdrehung eine Wendung und nach einer Weile cine Urehung dcs ganzen Kiirpers, Umfalleii und Rotations- bewcgungen uni die eigene Achse. Der Kopfwendung folgen oft Nanegc- bewegungen des Kaninchens. Nach Mag nus eignet sich diese Kokain- methode nicht zur Anwendung heim Kaninchen. Nach unserer Erfahrung ergibt sich aber nach Einspritzung von 50 proz. Kokainlosung eine kraftige Drehung des Kopfes. Sowohl beim Neerschweinchen \vie beim Ka- ninchen erreicht man auch etwa 15 his 20 Minuten nach der Injektion eine Wirkung, wenn man beim Meerschweinchen 5 bis 10proz. und beim Kaninchen 20 bis 50proz. Losung anwendet.

sind aus Fig. 15 ersichtlich. In das linke Ohr des Die Ergebnisse Kaninchens wurde

- 50 Proz. Kokainlosung eingespritzt. Nach etwa

O*l/ Fig. 15.

10Minuten sah man den Nystagmus anfangen, dann trat ein Verdrehen des Kopfes ein, das immer starker wurde, schlieBlich das Kaninchen auf seine linke Seite warf und eine nach links gerichtete Drehbewegung des Kaninchens um seine Achse verursachte. Die Kopfdrehung war eine ,,Grunddrehung" (Magnus), d. h. eine Drehung des Rumpfes immer nach links, unabhangig von der Lage des Kopfes und des Korpers zur Lotlinie.

~

Nach Magnue, Kiirperstellung. S. 281.

~ B E R DEN KOPFDXEHUXGSREFLES DES KAXIXCHEXS. 257

Die Versuche mit dem Billschen Ergometer uurden etwa eine halbe Stun& nach der Kokaineinspritzung gemacht. Die Ergebnisse auf Fig. 15 sind ganz auf Art der friiheren Figuren angeordnet. Zunachst stellen ujr fest, daD aus allen Kopflagen die Drehung auf beinahe ganz gleiche Weise geschieht ; sowohl die Kurven links, wie die rechts, sind gleich steil ansteigend, die Drehkraft ist folglich in allen Kopflagen gleich GOB. Die Kurven der Fig. 16 sind aus Anfangslagen gewonnen, in welchen der Drehungswinkel zwischen Kopf und Rumpf sich nach rechts ,,offnet", so daD bei diesem Versuch die propriozeptive aus der Muskel- dehnung herriihrende Kraft und die labyrinthare Grunddrehungskraft sich sunimieren. Da die propriozeptive Kraft in allen Lagen die gleiche ist, ist also die l abyr in tha re Grunddrehungskraf t s t e t s gleich groD und unabhangig von der Lage des Kopfes zur Lotlinie. Auf Fig. 15 zeigen die wagerechten gestrichel- ten Linien den Umstand an, daB beim Ex- 0- perimentieren mit demselben Kaninchen mit . einem ,,offnungswinkel" der Anfangslagen qs nach links, Grunddrehungskraft und proprio- zeptive Kraft einander also entgegenwirkend, keine Drehungen auftreten. In allen Kopflagen sind diese Krafte also jetzt gleich groB, da sie sich gegenseitig ausgleichen.

Auf Fig. 16 sehen wir schlieDlich eine Kurvenserie, bei dem das Kaninchen, dessen linkes Labyrinth mit 50 Proz. Losung kokaini- aiart wurde, seine Kopfdrehung aus einer Oo Anf&ngshge zu vollfiihren hatte. Der Kopf

Natiirlich &ken dabei die Muskelkrafte der Drehung immer entgegen, und wir erhalten folglich flachere Grunddrehungskurven. Sie sind sichtlich gleichartig bei sht l ichen Kopflagen. Durch Erregungen aus n u r e inem L a b y r i n t h d r e h t s ich also der Kopf (Grunddrehung) mi t s t e t s gleich groDer K r a f t , unabhangig von de r Lage des Kopfes zur Lotlinie.

Der Drehmoment der Grunddrehung ist, wie sich aus den Kurverl berechnen la t , ungefahr 50 bis 60 gem; demnach groBer als das d u d die beiden Labyrinthen bewirkte Drehmoment beim intakten Kaninchen, das je ungefahr 20 gem war. Da die durch das e ine Labyrinth bewirkte

90' I //--

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90'1,

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f35.1 /

9 5 . 1 ~

war hier also in normaler Lage zum Rumpfe. Fig. 16.

Skandlnav. Archiv. LVI. 17

258 YRJO RENQVIST:

Drehkraft nicht von der Lage des Labyrinthes abhangig ist, die aus beiden Labyrinthen bewirkte es aber oft ist, so diirfte die Zusammen- wirkung der beiden Labyrinthe nicht eine Sumniierung der Wirkungen der einzelnen Labyrinthe sein.

Zusammenhssung. 1. Die teils labyrinthar-, teils propriozeptiv-reflektorische Drehung

des Kaninchenkopfes wird mit Hilfe des Hillschen Tragheitsergometers untersucht. Die Versuche werden teilweise so ausgefiihrt, dall man den Rumpf des Kaninchens mit gleichmalliger Geschwindigkei t dreht und seinen an den Ergometer befestigten Kopf sich frei, den reflektorischen Einfliissen entsprechend, drehen la&. Die trage Nasse des an den1 Kopf befestigten Ergometers wird bei diesen Versuchen verschieden groll gemacht. Teilweise wurde so experimentiert, daB man einen Drehungswinkel von 45O zwischen Kopf und Rumpf herstellt und dann den reflektorischen Erregungen unterworfenen Kopf, aus zur Lotlinie verschiedenen S t e l lung en sich drehen 1aBt. Die erste Versuchsmethode ist mehr physiologisch, denn unter natiirlichen Verhaltnissen wird der Kaninchenkorper bei seinen Bewegungen auch in Drehbewegung um seine Achse geraten, zu welchen Drehungen der Kopf sich dann durch proprio- zeptive und labyrinthlre Reflexeinflusse in bestimmter Weise verhalt.

2. Wenn die triige Masse des Ergometers moglichst klein ist und die Kopfdrehung also in moglichst natiirlichen Verhaltnissen vor sich geht, sind die bei der freien Kopfdrehung sich entwickelnden proprio- zeptiven und labyrintharen Krafte von ungefahr gleicher Grolle. Die bei den natiirlichen Bewegungen des Kaninchens in den Halsmuskeln, infolge kleiner Rumpfdrehungen entstehenden propriozeptiven Krafte, die bestrebt sind, den Kopf in die Richtung des Rumpfes zu drehen, werden also durch gleich grolle, aber in entgegengesetzter Richtung wirkende labyrinthare Einfliisse aufgehoben. Infolge dieses Krafte- gleichgewichts folgt der Kopf des Kaninchens nicht jeder kleinen Rumpf- drehung.

3. Wenn die durch den Kaninchenkopf zu drehende triige Masse vergrollert wird, wachst auch die propriozeptive Reflexkraft proportional mit der Masse. Die 1abyrinthQe Reflexkraft ist dagegen nicht von der GroBe der zu drehenden triigen Masse abhangig, sondern sie ist konstant. Je groller die zu drehende Masse ist, desto geringere relative Bedeutung hat also die labyrinthare Kraft, und die Drehung vollzieht sich aus-

UBER DEN KOPFDREHUNGSREFLEX DES KANINCHENS. 239

schlieBlich durch die propriozeptiveii Reflexkrafte und die toten gewebe- elastischen Krafte. Die labyrintharen Reflexe haben demnach nur daiiii gofiere Bedeutung, wenn nur der Kopf des Kaninchens das Objekt der Bewegung darstellt. Sind fremde trage Massen Bewegungsobjekte, so sind die propriozeptiven Einfliisse vorherrschend. (Muskelpropriozeptives Verhalten zu trligen Massen.)

4. Die gewebeelastische Kraft bei der Kopfdrehung vergroBert sich proportional zur VergroBerung der triigen Masse : sie verhalt sich folglich ahnlich wie die propriozeptive Kraft. Die propriozeptive Reflexkraft ist jedoch bei jeder GroBe der zu drehenden Masse um mehrere Male groBer als die gewebeelastische Kraft. Das gleiche Verhalten der pro- priozeptiven und der gewebeelastischen Krafte zur GroBe der zu drehenden t r g e n Masse, weist darauf hin, daB die propriozeptive Reflexkraft zweck- mitoig mit Hilfe der Begriffe der Elastizitatslehre definiert werden konnte. Die propriozeptiv ausgeloste Erregung des Nervensystems stellt seiner nach a a e n hin zutage tretenden Wirkung nach gleichsam ein Ver- groSern der Elastizitat dar.

5. Die labyrinthare Drehkraft ist beim intakten Kaninchen irn allgemeinen desto groBer, je mehr der Kopf aus der normalen Vertikal- lage entfernt worden ist. Dies tritt auch darin zutage, daB die labyrinthare Drehung des Kopfes in die Normallage zuruck desto ausgedehnter ist, je weiter Kopf und Rumpf (Lage des Kopfes und Rumpfes zueinander anflinglich natiirlich immer dieselbe) aus der Normallage gebracht wurden. Dieses Verhalten durfte auch bei groBeren physiologischen Drehungen des Rumpfes von Bedeutung sein ; die propriozeptive Kraft, welche bei Drehbewegungen des Kopfes des Kaninchens den Kopf in die Richtung des Rumpfes dreht, vergroBert sich bei Ausdehnung der Rumpf- drehung, aber die ebenfalls eintretende VergroBerung der labyrinthtiren Kraft, welche der genannten Kopfdrehung Widerstand entgegensetzt, ist bestrebt den Kopf in einer moglichst wenig von der Vertikallage abweichenden Lage zuriickzuhalten. In manchen Fallen ist die GroBe der labyrintharen Drehkraft wiederum unabhangig von der Kopflage.

6. Bei einem Kaninchen, das infolge der Labyrinthexstirpation seinen Kopf reflektorisch in eine mit dem eliminierten Labyrinth abwMs liegenden Lage dreht, verlauft diese Drehung mit einer Kraft, die desto groBer ist, je weiter die Lage des Kopfes von seiner erwahnten hori- zontalen Gleichgewichtslage abweicht. Das Verhalten des Kopfes zur horizon t a l en Gleichgewichtslage gleicht also hierbei dem Verhalten mr ver t ika len Gleichgewichtslage beim intakten Kaninchen.

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260 ~ R J O KEKQVIST : UBER DES ~OI’FDREtIUSGSREFLES UES KANINCHENS.

7. Wenn beiin Kanincheii iiach einseitiger Labyriiithscstirpatioii die G r u n d d r e h u n g des Halses sich entwickelt (Drehung in iinnier gleicher Richtung im Verhiiltnis Zuni Korper, unabhangig voii der Lage zur Lot- linie), so geschieht diese labyrinthare Drehung niit eincr Kraft, wclche immer gleich groB nnd unabhangig von der Kopflage ist. Die durch eine n Labyrinth bewirkte reflektorische Drehkraft ist demnach von der Lagc des Labyrinthes nirht abhangig. Die Drehkraft, it-elchc durch Erregungen der beiden Labyrinthe entsteht, ist hingcgen oft von der Lage abhangig (intaktes Kaninrhen), so daB also die Wirkung beider Labyrinthe nicht einfach eine Sumniierung der cinzelncn 1,ahyrinth- einfliisse darstellt.