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Uber den Mechanismus der Jod-Thiouulfat-Reaktion Von E. ABEL Inhaltsiibersicht In Binblick auf einen jiingst veraffentlichten Befund betreffend die zwischenzeitliche Stachiornetrie 1 : 1 der Jod-Thiosulfat-Reaktion wird der voraussichtliche Mechanismus dieser Umsetzung entwickelt. , Titration von Jod mittels Thiosulfats ist in solchem Ausmak eine der gelaufigsten analytischen Operationen, da13 jedweder an dieser Reaktion gewonnene neue Befund wohl von besonderer Wichtigkeit ist. Ein solcher Befund ist kurzlich von A. D. AWRTEY und R. E. CON NICK^) publiziert worden; sie fanden, was wohl von vornherein nicht zu er- warten gewesen ware, daI3 der als Bruttoform stets verzeichnete trimo- lare Verlauf J, + 2 S,O: -+ S,O:- + 2 J-a) sich unter Reaktionsbedingungen, die der Stiichiometrie J,: S,O:- = 1 : 1 nahe kommen, in Richtung gegen Tetrathiona t 3) b r u t togemiil3 auf- spaltet zu am Ausmak des Jodverhrauches ersichtlichen bimolaren Verlauf J, + SIO:-+, ein nicht eben haufiger Fa11 des analytisch-stochiometrisch ermoglichten Nachwekes des Stufenganges polymolarer Reaktionon. Die Versuchsbeschreibung der Verfasser geht dahia, da13 unter geeigneter - sehr schneller - Arbeitsweise ,,one- to-one"-Umsetzungen zwischen den genannten Komponenten zwischenaeitig zu vollig farb- losen Losungen fuhren, die sich rasch, aber immerhin in optisch me13- barem Tenipo im Wege wieder ausgeschiedenen Jods verfarben 4). 1) A. D. AWTREY u. R. E. CONNICK, J. Amer. chem. SOC. 73, 1341 (1951). 2) Der Vereinfachung halber sei hier wie im folgenden VonTrijodionbildung abgesehen. Dieser Zusatz ist bedingt durch die unter Umstiinden eintretende Ablenkung zu Sulfat, wie eine solche hi geringer J-- und H+-Ion-Konzentration auf dem Wege der Jodhydrolyse erfolgt; 8. etwa E. ABEL, 2. anorg. allg. Chem. 74, 395 (1912); vgl. ouch A. D. AWTREY u. R. E. CONNICK, J. Amer. chem. SOC. 73,4546 (1951). 4) Es ist diese - ich rn6chta sagen - priiparative Seite der in Rede stehenden Arbeit, die mich zu den vorliegenden Bemerkungen veranlalt; den kinetischen Ausfiihrungen der Verfasser vermag ich nicht beizustimmen.

Über den Mechanismus der Jod-Thiosulfat-Reaktion

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Uber den Mechanismus der Jod-Thiouulfat-Reaktion

Von E. ABEL

Inhaltsiibersicht In Binblick auf einen jiingst veraffentlichten Befund betreffend die zwischenzeitliche

Stachiornetrie 1 : 1 der Jod-Thiosulfat-Reaktion wird der voraussichtliche Mechanismus dieser Umsetzung entwickelt. ,

Titration von Jod mittels Thiosulfats ist in solchem Ausmak eine der gelaufigsten analytischen Operationen, da13 jedweder an dieser Reaktion gewonnene neue Befund wohl von besonderer Wichtigkeit ist. Ein solcher Befund ist kurzlich von A. D. AWRTEY und R. E. CON NICK^) publiziert worden; sie fanden, was wohl von vornherein nicht zu er- warten gewesen ware, daI3 der als Bruttoform stets verzeichnete trimo- lare Verlauf

J, + 2 S,O: -+ S,O:- + 2 J-a)

sich unter Reaktionsbedingungen, die der Stiichiometrie J,: S,O:- = 1 : 1 nahe kommen, in Richtung gegen Tetrathiona t 3) b r u t togemiil3 auf- spaltet zu am Ausmak des Jodverhrauches ersichtlichen bimolaren Verlauf

J, + SIO:-+,

ein nicht eben haufiger Fa11 des analytisch-stochiometrisch ermoglichten Nachwekes des Stufenganges polymolarer Reaktionon.

Die Versuchsbeschreibung der Verfasser geht dahia, da13 unter geeigneter - sehr schneller - Arbeitsweise ,,one- to-one"-Umsetzungen zwischen den genannten Komponenten zwischenaeitig zu vollig farb- losen Losungen fuhren, die sich rasch, aber immerhin in optisch me13- barem Tenipo im Wege wieder ausgeschiedenen Jods verfarben 4).

1) A. D. AWTREY u. R. E. CONNICK, J. Amer. chem. SOC. 73, 1341 (1951). 2) Der Vereinfachung halber sei hier wie im folgenden VonTrijodionbildung abgesehen.

Dieser Zusatz ist bedingt durch die unter Umstiinden eintretende Ablenkung zu Sulfat, wie eine solche h i geringer J-- und H+-Ion-Konzentration auf dem Wege der Jodhydrolyse erfolgt; 8. etwa E. ABEL, 2. anorg. allg. Chem. 74, 395 (1912); vgl. ouch A. D. AWTREY u. R. E. CONNICK, J. Amer. chem. SOC. 73,4546 (1951).

4) Es ist diese - ich rn6chta sagen - priiparative Seite der in Rede stehenden Arbeit, die mich zu den vorliegenden Bemerkungen veranlalt; den kinetischen Ausfiihrungen der Verfasser vermag ich nicht beizustimmen.

208 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 269. 1952

Diese zweit,e Reaktionsstufe ist es, bzw. die Frage nach den Kom- ponenten der Rechtsseite obigen bimolaren Umsatzes, die midi zu einigen Bemerkungen veranlaBt.

Die bewiihrte Auffassung, da13 Redox-Resktionen uber electron transfer verlaufen, 18Bt wohl kaum einen Zweifel hinsichtlich der Schritte, uber welche J, und S,O:- zungchst , rea,gieren:

(a)

(b)

Was betreffs der so allgemein verwendeten und so vie1 diskutierten Jod-Thiosulfat,-Reaktion auch heute noch der Diskussion vorbehalten bleibt, ist dcr Mechanismiis der sich an die genannten Schritte anschlie- Benden T e t r a thionat-Bildung, also der Mechanismus des Brutto- Teilvorganges :

J, + J+ + J- J-1- + S,Oi- 3 S,O, + J.

s,o; -+ 4 s,o:-. An dieser Stelle setzt nun die Arbeit von AWTREY und CONNICK

dshingehend ein, daB sie die zu Tetrathionat fuhrende Stufenfolge iitier eine Zwisclienverbindung verlaufend annimrnt, deren Existenz vor vielen Jahreii von F. RASCHIG s), diesem ausgezeichneten Chemiker, gelegeritlich einer besonderen Beobachtung vermutet wurde, u1.m die sogenannte ,,R~scizicsche Jod-Thiosulfat-Verbindung", S,O,NaJ. Demgem8B sol1 es deren Anioii sein, sich in Verfolg von (b):

S,O, + J 3 S,O,J-

bildend, da.s sich zu Tetrathionat umsetzt, offenbar auf dem Wege6)

2 S,O,J- -+ S,Oi- + J,; der Zersetzung dieses Jodthiosulfat-Anions wird dic nacht.raglich beolJ- achtete Jodausscheidung zugeschriehen.

Die Moglichkeit der Zwischenbildung dicses Anions ist gewil3 vor- handen; ein positiver oder negativcr Beweis hineichtlich seiner Exi- stenz wird, wie dies eben bei solchen lcurzlebigen Stoffen ganz allgemein der Fall ist, kaum zu finden sein. Mir aber scheint, wie ich schon in anderem Zusammenhange hervorhob 7), in deni vor na,hezu einem halben Jahrhundert geiiderten Hinweis RASCHIGS auf die genannte Verbindung erstrnalig die Ahnung eines groBen, weitblickenden Forschers vorzu-

5) F. RASCHIG, Ber. dtsch. chem. Ges. 48, 2088 (1915); erstmaliger Bericht gelegent- lich eines Vortrages, F. RASCHIG, Chern.Ztg. 33, 1203 (1908).

O) Die Verfasser nehmen Umsetzung iiber Thiosulfation an, was aber im Urnfang von 1 : l-Jod-Thiosulfat-Stochiometrie offensichtlich nicht mcglich ist. Ein ahnlicher Ein- wand betrifft, scheint rnir, oberlegungen von G . DODD u. R. 0. GRIFFITA, Trans. Faraday SOC. 46. 546 (1949).

E. ABEL, Mechanismus der Jod-Thiosulfat-Reaktion 209

liegen von der entscheidenden Rolle, die im Chemismus Radikale spielen. DaB es der dooh gewil3 eigenartigen Annahme einer Jod-Thiosulfat- Verbindung nicht. bedarf, um kinetisch eine Reihe von Reaktionen auf- zukliiren, in deren Getriebe Jod und Thiosulfa t zu auffdligen Umsetzungen fuhren, glaube ich an Hand einer Reihe von Fallen gezeigt zu haben').

1st dem so, so wiirde sich, in Anschlul3 an (b), des S,O,-Radikal mit J in electron transfer zu neutralem S,O,S) umsetzen:

( 4

seine momentane Stauung, hervorgerufen durch das Verhaltnis der Geschwindigkeit seiner Bildung iiber (a), (b), (c) (auJ3erst schnell) zu der seines Verbrauches (relativ verlangsamt) im Wege von (d):

(d 1

veranlant den momentanen ,,HaltepunBt" 9) bei Stochiometrie 1 : 1. Reaktion (d) ist die sich unter Umstanden augenfallig darbietende, von Jodentbindung begleitete, bruttogemSI3 zweite Urnsetzungsstufe, wahrend die ihr vorausgehende, vorubergehend zu Stochiometrie 1 : 1 fuhrende, erste Bruttostufe die Reaktion

(a) + (b) + (c)

umfaBt. Die Aufeinanderfolge beider Stufen fiihrt natiirlich zu der ge- ivohnten Stochiometrie l: 2, etwa in der Fassung:

[(a) + (b) + (c)l + (4. 1st Thiosulfat gegeniiber der Stijchiometrie 1 : 1 im UberschuB zu-

gegen, so durfte dem Umsatz (d) eine zweite Reaktionslinie parallel gehen, ,,AufIosung" \-on S,O, in ThiosuIfat zu Tetrathionat :

S,O; + J -+ S,O, + J-;

s20, + J- + 4 SJOi- + 9 J,

J, + S,O?,- -+ S,O, + 2 J-

4 J, + S,O:- + 4 S,Oi- + J-.

s,o, + s,o:- -+ s,o:- 10).

E. ABEL, Mh. Chem. 81, 7, 346, 1045 (1950); 83 (1952) im Erscheinen. 8 ) Mit dem bekannkn Disulfidtrioxyd wohl lediglich in der Bruttozusammensetzung

iibereinstimmend; 8. E. ABEL, S.-B. Akad. Wiss. Wien 96, I I b , 1145 (1907). 9 In exakter Ausdrucksweise liegt natiirlich keineswegs ein Haltepunkt vor, sondern

lediglich so weiter Abstand der Konzentration des Zwischenstoffes ron seiner Stationari- tatslage - Stauung -, da5 momentane Reaktionslosigkeit des Zwischenstoffes vorge- tauscht ist.

10) Vgl. diein Anm. 8) zitierte Arbeit.

London, N . W. 8, 63 Hamilton Terrace.

(Bei der Redaktion eingegangen am 11. Mai 1952.)