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Über die Alkaptonurie

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Page 1: Über die Alkaptonurie

Zeitschrift f/Jr Kinderheilkunde, Bd. 71, S. 462--475 (1952).

Aus der Universit~ts-Kinderklinik I-Ieidelberg (Komm. Direktor: Prof. Dr. H, OrlTZ).

Dber die Alkaptonurie. Eine klinische und physiologisch-chemische Studie.

Von

KURT SCHREIER nnd HANS PL(:~CKTHUN.

Mit 1 Textabbildung.

(Eingegangen am 8. Dezember 1951.)

Aus der groBen Gruppe der angeborenen Stoffwechselst6rungen des Menschen ist die Atkaptonurie eine der seltensten. Bis jetzt wurden etwas mehr als 200 Fi~l]e in der Weltliteratur publiziert. Die relative Seltenheit der Stoffwechselanomalie ist aber nieht der Grund fiir diese Publikation, sondern sie gibt uns die MSglichkeit, einen tiefen Einblick in das Ge- schehen des Stoffwechsels der beiden Aminos~uren (AS) Pheny]alanin und Tyrosin und damit des gesamten Proteinumsatzes zu tun. Es soll deshalb versucht werden, an Hand eigener Untersuehungen und unter Verwertung der neuesten Erkenntnisse der Eiweil3ehemie ein wenig zur Kenntnis des AS-Stoffwechsels beizutragen.

Der Entdeeker der Alkaptonurie ist nieht BO:EDECKEI% sondern das erste sichere Zeugnis yon einer Beobachtung dieser Anomalie s tammt yon LUSITA~S aus dem Jahre 1649. Einige charakteristische Zeilen scheinen uns weft zu sein, dab sie der Vergessenheit entrissen werden. , , . . . Bei dem Patienten handelte es sich um einen Jungen yon 14 Jahren, welcher schwarzen Urin lieB. Er wurde versehiedenen Behandlungen unterworfen, wie Aderl~ssen, Purgativb~tdern; er erhielt kalte und w~Brige Di~t und eine Fiille yon Medikamenten. Nichts hatte einen deutlichen Effekt . . . . Von den erwarteten Ubeln t ra t keines ein, er heiratete, griindete eine groBe Familie und ]ebte ein ]anges und gesundes Leben, obzwar er stets einen tintenschwarzen Urin entteerte." I m Jahre 1823 land ~ c ~ T im Urin eine Substanz, welche auf Leinwand eine graubraune Pigmentierung hinterlieB. 1859 hat dann BOEDE:KER bei einem diabetischen Patienten eine zweite reduzierende Substanz gefunden, welche kein Zueker war, abet mit Alkali unter Bildung einer schwarzen Farbe reagierte. Er nannte die Substanz Alkapton.

MA~S~IALL (1887) bezeiehnete den AlkaptonkSrper als Glykosursi~ure. Bereits eine recht genaue Kenntnis einiger Kardinalpunkte der Alkapton- urie (Alk) hat ten WOL~:OW u. ]~AUMANN. Sie stellten fest, dag yon der-

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0 % e r d ie A l k a p ~ o n u r i e . 4 6 3

Phenylalanin A

L OH NH 2

i COOH

* ~ + O Phenyl-bren z- ~;raubens~ture

i CH~_

CO ~ I

COOH �9 ,~+0 .

Phenyl- essigs~ure

CIK.2

COOtt

* Transaminierung

C ,,+�9

2,5-Dioxyphenyl- brenztraubens~iure

CK~ I

CO I

coot t

~ + o IIomogentisins~ure

Ho I \ / ]

C H., I

COOH I)

Fumarylacetessigs~ure

Formeltabelle. Tyramin / \

Tyrosin / I Adrenalin OH ~co ...... 1 t / \ j j j z / i

~ H C'/t2 N}ts Dijodtyrosin

! ON CH Ntt~ - \

.! "-.~ j . -J COO~[ ~ Thyroxin

B \ / * ~ + O CH~ p-Oxyphenyl-

brenztraubens~ure "-,,, OH N~_ OH I

COOK / \ ~ 3,4-Dioxyphe, yl-

I - t -~ 22 p-Oxyphenyl- ~ alanhl

k ] / ~ m ilchs~tm'e 2 oOH I CHo :gO Dopa-

- oxydase CO -~ Melanin

COOH i E Cite

I CH NH~ clOOH

H 0 0 C - CH=CH--C0--CH~--C0 CH2-- C00II

Fulnars~ure H00C-- CH~Ct t - C00H

+ Acetessigs~ure

CHsCO - CH~- COOH

A Oligophrenia phenylpyruvica

B Tyrosiuurie * C Tyrosinose D Alkaptonurie E Albinislaus

* bei schwerem Leberschaden

Der IntermediiirstoGwechsel der aromatischen Aminosiiuren Phenylalanin und Tyrosin und seine Blockierung an bestimmten SteIlen.

Zeitschrift fill' Kinderheilkunde, •d. 71. 31

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464 K v ~ Som~E~ und ttA~s P n i ~o~w ~:

ar t igen Pa t i en ten ein Homologon der Gentisinsgure ausgeschieden wird, und n a n n t e n die Substanz deshalb Homogentisins~iure. Sie wiesen un- zweideutig ha th , dab alle chemischen Reak t ionen im Ur in durch diese Sgure ~usgel6st werden. VI~CHOW schliel~lich war im Jahre 1866 der ~rste, der fiber die Ochronose ber ichten konnte . E r land, wie welter un t en noch kurz ausgeffihrt werden wird, eine P igment ie rung verschie- denster Organe und Gewebe.

Zum Verst~ndnis der Pathogenese des Leidens ist eine K e n n t n i s des normalen Abbauweges der beiden zyklisehen AS Pheny la l an in und Tyrosin Voraussetzung. Wir baben versueht, in der anschliel~enden Formeltabel le den heut igen Stand des Wissens um den Abbau dieser AS zusammenzustel len.

Normalerweise wird ein gewisser Teil des zugefiihrten Phenylalanin in Tyro- sin fiberfiLhrt, w~hrend beim S~ugerorganismus die Umkehrung dieser Reaktion offenbar nicht mhglich isk Der erste Weg des weiteren Abbaues der bei- den AS ist offenbar keine oxydative Desaminierung, wie man his in die neueste Zeit annahm, sondern eine Transaminierung, denn es tritt kein freier Ammoniak in Erscheinung und die Zugahe yon Ketos~uren beschleunigt die Reaktion sehr stark (SeHEPA~TZ, LA Du u. F I ~ ) . Unter aeroben Bedingungen ist die l~eaktion reversibel. Die entstehende PhenylbrenzCraubensgure kann dureh Wasserstoff- anlagerung in Phenylmilchs~ure iibergehen. Dureh Decarboxylierung entsteht aus einem Teil Phenylbrenztraubens~ure-Phenylessigs~ture. Die I-iauptmenge dieser S~ure wird abet am l~ing oxydiert und auf der Stufe der 2,5-Dioxyphenylbrenz- ~raubensaure treffen sich die beiden Oxydationsprodukte yon Phenylalanin und Tyrosin. Aus dem Formelbild geht hervor, dab Dioxyphenylbrenztraubensgure dutch Decarboxylierung in die uns so interessierende I-Iomogentisins~ture iibergeht. Auf dieser Stufe nun erfolgt die Ringspaltung und es entstehen 2 Molekfile yon Intermedigrprodukten, yon denen das eine Acetessigsgure und das andere entweder Fumarsgure oder ~pfels~ure ist. Auf jeden Fall kommt es also zur Bildung yon Ketonkhrpern (eine Tatsache, welche bereits ~on EM~D~ um die Jahrhundert- wencIe nachgewiesen wurde), welche dann in Essigs~ureradikale zerfallen (z, B. SANnDI U. GI%EENBE~O). SC~]~:e~TZ u. Gut~IN h~ben festgestell~, dab nur wenige Prozent des isotopen Phenylalanin in Acetoacetat wiedergefunden werden konnten und glauben deshalb an das Vorliegen noch ar/derer Stoffwechselwege. An diesem Abbau sind natfirlich zahlreiche Enzyme beteiligt, yon denen das wichtigste die Tyrosinoxydase ist. Ganz im Gegensatz zu diesem durch Isotopenuntersuchungen und andere moderns~e M6glichkeiten anscheinend gut gesicherten Befunden nimmt FELIX mit seinen M/tarbeitern an, dab in der Regel nur d-Tyrosin so oder so ahnlich abgebaut wird. Die 1-Form dagegen soll dehych'iert werden, wobei keine Paraoxyphenylbrenztraubensgure und damit auch keine I-Iomogentisinsgure ent- stoht. Diese beiden Sauren sollen also kein regulares Frodukt des normalen Inter- medigrstoffwechsels darstellen. Wir glauben der Ansicht yon FELLX nicht zustimmen zu k6nnen, da nicht nur bei der Ratte (P~AoEORG~ u. L~wIs) und bei lgeer- schweinchen (8EALOCK U. SILB~STEI~), sondern auch bei Sguglingen und vor allen Dingen Frfihgeburten verschiedenste Tyrosylk6rper, u. a. auch ttomogentisin- saure im Urin ausgeschieden werden, wenn ein mehr oder weniger ausgepr~gter Ascorbinsauremangel besteht. Bei l%atten ~ gelingt es sogar dureh einfache Uber- dosierung yon Phenylalanin eine Alkaptonurie zu erzeugen. Der Diskussion um die StSrung des Abbaues der beiden cyclischen AS ist eine ganz neue Nuance durch die Entdeckung yon LEVINE und Mitarbeitern, dab ACTH etc. die Tyrosylurie der Frfihgeburten im Vitamin-C-Mangel aufheben kann, erwachsen. Ohne in Einzel- heiten verfallen zu wollen, sei nur rekapituliert, da]~ L~VlNE, M~P~IS etc. lest-

Dies ist helm Saugling auch gelungen. Siehe aucb E. Am)E~ALDE~, Z. physiol. Chem. 22, 22 (1912).

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gestellt batten, dab vor allen Dingen bei Knhmilchern~hrung ein subklinischer Ascorbinsauremangel bei Friihgeburten und jungen S~nglingen zu einer betrgch~- lichen Ansscheidung verschiedener Abbauprodukte der beiden aromatischen AS fiihrt. Arbeiten yon Nom~Is, I-IAapS~ etc. ; C. W. WOODa~YFS nnd vor allem yon PAINTEI~ U. ZILVA fiihrten znr Erkenntnis, dag die Wirknng der Asco~binsgure keine spezifische ist, sondern nur durch dgs eigentiimliehe Redoxpotential aus- geiibt wird. Xhnliche Substanzen wie d-Glucoascorbinsgure (ohne antiskorbutischen Effekt) sind gleich wirksam. I~I~SITS kommt zwar zu anderen Ergebnissen. Es sei vorweggenommen, dab bei der angeborenen Alk ein Vitamin-C-Mangel ~eine RoZle spielt. Es ist sehr wohl mSglich, dab das eigentliche Handikap der Friihgeburten darin besteht, dab infolge Vitamin-C-~Igngels die Folsanre nicht zu dem eigentlichen Wirkstoff der ,,folinic acid" = Citrovorumfaktor nmgewandelt werden kann und dab letztere Subs~anz in den TyrosylkSrperumsatz verquickt ist. Dafiir sprechen Tierversuche. Vitamin B~2 ist ohne Einflu~.

Die angeborene echte Alk ist im Gegensatz zur ,,symptomatischen" durch die Ausscheidnng einer einzigen S~ure char~kterisiert, namlich der Homogentisins~ure (HS). Es liegt nahe anzunehmen, dag der Defekt in einem Fehlen des spezifischen Enzymsystems zu suchen ist. Urspriinglich hatte man angenommen, da~ das fehlende Ferment die Tyrosinase sein k6nne. Allerdings ist bis heute noch nicht mit Sicherheit bewiesen, dab dieses Ferment beim Menschen iiberhaupt vorkommt. Die Unrichtigkeit der Annahme stellte sich sehr bald heraus, als es nicht gelang, durch hohe Dosen reiner Tyrosinasepraparate die AS-Ausscheidung zu beeinflussen. Ein weiterer Beweis dafiir, dag die Oxydasen, welche die Ringspaltung der zyklischen AS katalysieren, sich grunds~itzlich yon der Tyrosinase (welche ja die ~IelaninkSrperbildung anregt) unterscheiden, ist die Un- beeinflugbarkeit der I-IS-Ausscheidung durch Paraaminobenzoesgure und Thiouraeil. Diese beiden Substanzen hemmen n~imlich die Tyrosinase sehr stark ( W H ~ , HARKEt~ etc.). [V[an versuchte auch durch Bluttrans- fusionen das Enzymsystem zuzufiihren, aber auch ohne jeden Erfolg. Im Gegenteil, die Alk wurde infolge der erhShten Eiweigzufuhr sti~rker. Es scheint also, dgg die TyrosylkSrperoxydasen mehr oder weniger zell- gebunden sind, denn auch das Enzym ftir die Weiteroxydation der Phenylbrenztraubensi~ure ist nicht im B]ute vorhanden (DE~AY u. B~CHO~). ~[an wird deshalb annehmen miissen, dag die St5rung, welche die Ursache der Alk ist, in einem gen-gebundenen Fehlen des Enzym- systems der Leber zu suchen ist. Diese Ansicht wird sehr wahrscheinlich gemacht dutch die Entdeckung yon F ~ 4 x ~, dab der Paraoxyphenyl- brenz~raubensgurestoffwechsel anch an einenormale Leberfunktion ge- bnnden ist. In Leberextrakte scheint das Fermentsystem aber nicht iiber- zngehen, wenn auch KLv4~ u. BLoctt einen EinfluB dureh Campolon u. g. Pri~parate festgestellt haben wollen.

In diesem Zusammenhange erhebt sich natiirlich die Frage, ob die Alk eine totale StoffwechselstSrung darstellt - - d .h . ob alle exogen und endogen zur Verfiigung gestellten Tyrosin- und Phenylalaninmolekiile als HS im Urin erseheinen. Dies ist natiirlieh nicht der Fall, denn eine

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466 KURT SCHREIER und HANS PLi)CKTHUN:

solehe Deviation w/~re ja mit dem Leben nicht vereinbar. Wie das normale K6rperwachstum der Alkaptonuriker beweist, mul3 die Menge der zur Verfiigung gestellten Elementarteilchen der beiden AS, ffir den Eiweil~- stoffweehsel roll ausreiehen. Lediglieh die ffir die Inkorporation in die Proteinmolekfile lzieht, benStigten AS-Mengen verfallen der Desaminie- rung und damit der Umwandlung in I-IS. Die H6he dieser Ausseheidung beweist nun abet erneut die giehtigkeit der Konzeption des SCHOEX- ~ErME~-RITa'ENBERGsehen Arbeitskreises fiber die ItShe nnd Sehnellig- keit der Umsatzrate in den Geweben, EiweiBmolektilen und, wie man seit kurzem weiB, aueh in den Einzelbausteinen. Wenn yon dem zugefiihrten 1-Tyrosin mehr als 90~o als HS wieder erseheinen, so mug man sieh ver- gegenw/~rtigen, dag n, atiirlieh nur jene Molekfile dieser Umwandlung ent- gehen, welehe w/ihrend dieser Zeit in neue EiweiBmolekiile eingebaut warden. Insofern hundelt es sieh also bei der Alk um eine totale Umsatz- hemmung. Untersehiede in der AusseheidungsgrSl~e der einzelnen Patienten bei gleieher Eiweiflzufuhr kann man vielleieht so deuten, dag Nebenwege des oxydativen oder reduktiven Abbaues der TyrosylkSrper versehieden gut ausgebildet sind. Naeh diesen Ausffihrungen seheint es uns mfigig darfiber zu streiten, ob und wie die einzelnen Grundn~hrs~offe die HS-Ausseheidung beeinflussen. Es ist vSllig klar, dal3 jede Steigerung der Eiweigzufuhr infolge des erhShten Angebotes der beiden zyklisehen AS zu einer vermehrten Alkaptonausseheidung fiihren mug und vice versa (LIE]~ etc., SAc~s, KATSCH u. a.). Die Zufuhr yon Sehilddrfisen- hormon (Sc~MIEDING), fieberhafte Erkrankungen (z. B. GRoss) und jede andere Steigerung des EiweiItstoffweehsels erh6ht die tIS-Ausseheidung. Es bedarf keiner Betonung, dab Kohlenhydratzufuhr nur so lange zu einer Verminderung der ItS-Ausseheidung Veranlassung geben kann, bis Stiekstoffgleiehgewieh~ im EiweiBminimum erreieht ist. Die Annahme yon I-IUR~HLE, dab der Glykogengehalt der Leber ffir die Gr6ge der HS-Ausseheidung aussehlaggebend sei, ist wohl nieht auffeeht zu erhalten. Wit mSehten es uns versagen, auf die zahlreiehen Pnblikationen yon KATSCJZ 2 fiber die Beziehungen yon Ketonk6rperstoffweehsel und Tyro- sylk6rperumsatz einzugehen. Dies vor allen Dingen deshMb, weil die anderen Autoren, welehe sieh mit der gleiehen Frage besehgftigen (LIEB U. LANYA~, BRAID U. I-IIcKMAN S ; besonders LORENZ), naehweisen konnten, dab die Ausseheidung yon HS yon der Aeetonk6rpereliminierung unab- h/ingig is~. Diese Befunde haben eine viel gr68ere Wahrseheinliehkeit f/Jr sich, da die Menge der Acetonk6rper, welehe ohne Zweifel aus den beiden AS entsteht, in dem Flug der im KaEBssehen Zyklus nmgesetzten Keto- s~uren nur eine ganz beseheidene Rolle spielen.

Es sei also zusammenge/aflt, daft Alk und Stieksto//ausscheidung sich weitgehend 19arallel verhalten. Die H S ist ein normales Sto//weehselprodulct,

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~Tber die Alkapfonurie. 467

welches beim Alkaptonuriker in]olge gen-gebundenentZehlens des zugehi~rigen Enzymsystems das Endprodulct des t'yrosyl]c6~werumsatzes darstellt.

Aus der charakter is t ischen Verf/irbung der W~sche ist die Vermutungs- diagnose, dal~ eine Alk vorlieg~, sehr leicht. Noeh 1950 schreibt aber der Amer ikaner EISEN~EJ~O: ,,Die Versuche im Labora tor ium, die reduzie- rende Substanz als KS zu identifizieren, sehtugen fehl." Bevor wir auf die absolut spezifisehen Verfahren eingehen, seien alle be ka nn t e n Me- thoden, welche das Vorliegen einer Alk wahrseheinlieh maehen, kurz angefiihrt :

Abb. 1. A u. 13 : Urin, C u. D : ]~omogentisinsaure.

1. Beim l~ngeren Stehen an der Luft f~rbf sich der Urin hellbraun bis sehwarz. 2. Die Zugabe einer Lauge zum Urin ruff innerhalb ktirzester Zeif den gleieben

Effekf hervor. 3. Die iibliehen Kupfersulfatproben (T~o~ME~, FEgnlXC, BCN~DIXT etc.)

werden bereits in der Kglte posifiv. 4. Atkalische WismutnitratlSsung (NYLASD~R) wird nicht reduzierf. Bei hohen

Urinmengen wird die L6sung aber braun (Alkapton !). 5. Alle G~rproben, Osazonbildung etc. sind selbstverstgndlieh negativ. Aueh

wird die Ebene des polarisierfen Lichtes nieht beeinflul3t. 6. Silberlaeta~ and SiIbernitrat werden (aueh ohne Ammoniakzusafz) in der

K~lte reduziert. 7. Die Zugabe einer verdiinnfen EisenchloridlSsung (tropfenweise) ruff eine

schnell verschwindende tiefblaue u hervor.

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468 Kc~T SCtIREIER und ttANS Pr.i?e]~T]tUN :

8. MILLOXS-I~eagens liefert im Urin einen gelb-roten Niedersehlag. 9. CooDr~E'z und Mitarbeiter fanden im tIS-Urin eine dunkelolivgriine Fluo-

rescenz, welche nach Alk~lisierang eine hellgriine Farbe ~nnahm. 10. EISEN~.~G beobachtete im frisch gelassenen Alkaptonurikerurin im Dun-

keln eine deutliehe Phosphorescenz. 11. SIGG sehliel31ieh weist KS dadureh nach, dab er dem anges~uerten Urin mit

einigen Tropfen I-I20 ~ und 2--3 Tropfen KupfersulfatlSsung versetzt. Beim Schiitteln wir4 der Urin dann augenblieklieh tier sehwarz (Methode spezitlsch ?).

Die zweifelsohne eleganteste, zuverl~ssigste und absolut spezifische Methode ffir den HS-Naehweis ist die Papierchromatographie des Urins.

~Vir haben daffir fo]gendes Verfahren entwickel t :

In iiblicher Weise wird der/rischgelassene Urin auf einen Streifen Filtrierpapier ( W ~ A T ~ 1 oder 4) aufgetragen und getroeknet. Man lal~t einphasig in Phenol- wasser je nach Papiersorte 8--10 bzw. 16--18 (1) Std wandern. Die nachher sorg- f~ltig getrockneten Streifen wurden yon uns in einem Vakuumtrockenschrank yon 80~ gebracht, in den in einer Glasschale diinner Ammoniak gestellt wurde. Naeh Evakuierung wird etwa 2 Std einwirken gelassen. Es ergeben sich dann, wie die Abbildung zeigt, wohlbegrenzte Flecken yon dunkelbrauner Farbe. Die Position wurde yon uns mit reiner IIS 1 kontrolliert.

Man k a n n die Fleeken auch zur Dars te l lung bringen, indem m a n das Papier hauchd i inn mi t einer schwachen Base bespri iht oder indem m a n den Streifen fiber t i n heftig koehendes Wasserbad h~lt, dem etwas Ammoniak zugesetzt wurde. Bei diesen beiden Verfahren sind die Flecken allerdings n icht so schSn homogen gefi~rbt.

Wir mSchten dieses Vorgehen bei al len Unk la rhe i t en in der Differen- t ialdiagnose yon Ur inver f~rbungen empfehlen.

Zur quan t i t a t i ven Bes t immung der HS sind bereits eine ganze Anzahl yon Methoden angegeben worden. Es seien nu r die yon BACMA~N, ~[ETZ, sowie L A x Y ~ u. LIEB erwghnt. Eine neue u n d offenbar noch zuverlgs- sigere s t a m m t von N~UBERG~. Wir haben uns ffir die Bes t immung der HS-Ausscheidung bei dem stat iongr beobaehte ten Fal l dieses Verfahrens bedient .

Das S tud ium der Hereditiitsverhiiltnisse dieses Leidens liefert e inen wertvol]en Beitrag zur K e n n t n i s der genetisehen Kontrol le bioehemischer Reakt ionen.

GA~ROD hat im Jalire 1908 in richtiger Erkenntnis der Gegebenheiten den Ausdruek ,,inborn error of metabolism" gepr~gt. Es bedurfte der Forschungen yon BEA_DLE U. TATUM an Neurosporamutanten, um einen n~heren Einbliek in die Ge- sehehnisse der Genmutation und den Verlust oder den Gewinn besonderer Stoff- wechselreaktionen zu gewinnen. Die genetische Kontrolle des Intermedi/irstoff- wechsels ist, wie die Alk beweist, nieht allein auf Prize beschrankt. Das Leiden ist mSgiicherweise durch eine Genveranderung bedingt. Es kann sich aller- dings ~uch nm das Fehlen des spezifischen Fermentes ohne Veranderung der G'en- struktur handeln. Da die Menschen diploide Charaktere sin(t, ist das ttereditAts- problem kompliziert. Man sollte als sicher annehmen, dal] ulle gengebundenen enzymatischen Reaktionen dominant vererbt werden. Dies ist aber bei der Alk nur in seltenen Fgllen nachgewiesen worden. Das genanere Studium der meisten

Wir sind tIerrn Prof. A. I~EUBERGER-LoNDON fiir die Uberlassung reiner tIomogentisins~ture zu groBem Dank verbunden.

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Uber die Alkaptonurie. 469

Stammb~ume hat vielmehr ergeben, dab es sieh um eine reeessiv hereditire Anomalie handelt. Da das pathologisehe Gen in der Bev61kerung so augerordentlieh selten ist (die I-I~ufigkeit liegt etwa bei i in einer Million), wird die Anomalie viel h~ufiger manifest, wenn eine Person einen Angeh6dgen der eigenen Sippe heiratet. Die Konsanquinit/~t yon Ehegatten wird deshalb augerordentlieh hiufig beobaehtet. Die Beobaehtung abet, dab Eltern und Kinder dieselben St6rungen aufwiesen, ist sehr selten. (Neuerdings ~narde ein derartiger Fall yon LoP~z mitgeteilt. Die 5Iutter eines jfingen Pat. yon LELK:SS soil ihre Alk mit 12 Jahren wieder verloren haben (.*)). Bemerkenswert ist, dag annihernd 2/3 aller Pat. mit Alk mdinnlichen Gesehleehts sind. Dies liege eine gewisse Gesehleehtsgebundenheit der St6rung vermuten, wenn nieht die Untersuehungen yon Sc~wEIzEa gezeigt h~tten, dag der T~'osinstoff- weehsel bei der ga t te bei m~tnnliehen und weibliehen Tieren Untersehiede aufweist. Die toxisehen Erseheinungen h6herer Tyrosindosen sind z. B. bei miinnlichen Tieren viel starker ausgeprigt. Ubrigens weist ~uch der Serinstoffweehsel dieselbe Eigen- tiimliehkeit auf (Fis~r~iN u. A~TO~r). Die aufsehluBreiehsten Stammb&ume sind die von G~ROD und besonders yon CArRmr.IO~E. (Nit nicht weniger als 19 Stoff- weehselanomalien des Tyrosylk6rpernmsatzes.)

Aueh in unseren be iden Fi i l len s ind die Eltern Geschwister~inder ersten Grades. Es sei noeh hinzugefi igt , daS neuerdings die Alk auch bei Negern fes tges te l l t wurde (ABBOTT).

Es is t s ieher ke in Zufall, dab die angeborenen Stoffweehselanomal ien gerade die be iden AS Pheny l a l an in und Tyros in betreffen. Denn neben dem Feh len des r ingspa l t enden E n z y m s bei de r Alk f t ihr t eine ebenfal ls reeessiv ve re rb t e StSrung in dem Umsa tz dieser be iden A S (deren Meehanismus le ider noeh v611ig u n b e k a n n t ist) zu dem Feh len jegl ieher P igmen tb i ldung be im echten Albinismus. 0f fenbar be re i t e t der Stoff- weehsel der zykl isehen AS dem mensehl iehen Organismus besonders groge Sehwier igkei ten. Dies zeigt sieh in dem Vorl iegen zweier wei te re r Stoff- weehselstSrungen. I . Der t iberaus se l tenen Tyros inos is (NEI)~S). Bis j e tz t war lediglieh der eine Fa l l des englisehen Autors bekann t , t ~ L I X a und N i t a r b e i t e r haben vor ku rzem wei tere F/~lle publ iz ier t . W i t haben in der Fo rme l t abe l l e angedeute t , wo die Stoffweehselbloekade bei der Tyrosynos i s zu suehen ist. I m wesent l iehen b le ib t de r A b b a u des Tyro- sins auf der Stufe der P a r a o x y p h e n y l b r e n z t r a u b e n s i u r e stehen. E in Lebersehaden al lein seheint n ieht die Ursaehe dieser Dev ia t ion zu sein, sondern in teressanterweise mag vie l le ieht die Ni lz eine gewisse l~olle im Umsa tz dieses Tyrosy lk6rpe r s spielen (n~heres bei F~LIX und Mit- a rbe i t e rn ) .

2. Die bei wei tem h~ufigste yon al len Umsa t z s tS rungen der beiden a romat i sehen AS is t abe r zweifelsohne die e r s tmal ig yon F6LLING (1934) beobaeh te te Oligophrenia phenylpyruvica. Es is t hier n ieh t der Ort , n i h e r au f dieses Leiden einzugehen, deshalb sei auf die ausf i ihr l iehen Zu- sammens te l lungen yon PE~ROS~ u. J E ~ v I s i hingewiesen. Le tz t e re r Au to r vor al lem h a t die Stoffweehselanomalie aueh mikrobio logiseh genau be- tbrseht . E r konn te eine s ignif ikante E rh6hung des Pheny la l an ingeha l t e s

Eine weitere gute Publikation finder sieh in Ann. Paed. 17~, 1 (1949) (yon M ~ u. Q w ~ ) .

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470 Kv~T Sem~EI~,R und tIA~rs PLffe~ZT~V~:

in allen KSrperfliissigkeiten feststellen. Die im Urin in so hoher ?r ausgesehiedene Phenylbrenztraubens~ure ist nut dutch die Desaminierung der Niere bedingt. Die Stoffwechselblockade liegt also zwisehen Phenyl- alanin und Tyrosin. Die gleiehzeitig stets zur Beobaehtung kommende Verminderung der geistigen F~higkeiten, welehe yon leiehter Debilitgt bis zur schwersten Idiotie variieren kann, seheint dureh eine offenbar unabh/ingige StSrung am gleichen Gen ausgelSst zu werden (I%APOPORT). F/ir die engen Beziehungen aller dieser Krankheitsbilder sprieht die Beobaehtung, dab im gleiehen Stammbaum F~lle yon Albinismus und Alkaptonurie auftreten kSnnen und dal~ 80~o aller Patienten mit F6L- LtZ~aseher Krankheit hellblonde Typen mit blauen Augen sind.

Symptomatologie und Di//erentialdiagnose.

I)ieAlk maeht aui3er der unangenehmen Verf~rbung der Wiische jahr- zehntelang keinerlei sonstige Symptome, da die im KSrper st~ndig gebildete HS gut wasserlSslieh ist und ohne Nierenschaden eliminiert werden kann. Dies ist durchaus erstaunlich, da bekannt ist, dab die Muttersubstanz (z. B. Tyrosin) stark nephrotoxisch ist und dab auch andere hervorragend wasserlSsliche AS, wie z.B. das Serin, schwerste Sch/idigungen des Nierenparenchyms auslSsen. Die Prognose der Ano- malie ist also, wie bereits LUSITA~US erkannt hat, absolut giinstig. Im Laufe des Lebens reichert sich die AS aber doch an jenen Stellen an, deren Stoffweehsel und Fltissigkeitszirkulation auf einem niedrigen Niveau liegen. Sie wird dort oxydiert und fi~llt als jenes Pigment aus, welches Vi~c~ow zur Namengebung: Ochronose (unter dem Mikroskop sehen die PigmentkSrnehen dunkelgelb aus) veranlagte. Der Endzustand des Leidens hat ffir den Pi~diater nur geringes Interesse, da ochronotische Ver/~nderungen praktisch hie vor dem 40. Lebensjahr aufzutreten pflegen. Die Hauptlokalisation der Pigmentablagerung sind die versehiedenen Gelenkknorpel (Ostitis deformans alcaptonurica). Aul3erdem finder es sich in den fibrigen Knorpelgeweben, sowohl den hyalinen, elastisehen als aueh fibrokartilagini~ren. Es reichert sich ferner an in den Sehnen, Ligamenten, im Periost und Periehondrium; augerdem in der Dura mater und der Intima-Mediagrenze aller grol~en Gefi~Be und besonders in den Atherombeeten. Haut, Ohren, Nase, N~gel und Auge zeigen Verf~r- bungen./)as Pigment lagert sieh sehr frith an der Kornealperipherie ab (SMIT~). Klinisehe Erseheinungen k5nnen die Ablagerungen in den Herz- klappen und auch im Myokard hervorrufen; gegebenenfalls ffihren grSBere ,,Pigmentsteine" in der Prostata zu gewissen Beschwerden.

Di//erentialdiagnostische Schwieriglceiten kSnnen gegeniiber der Aus- scheidung yon Medikamenten und deren Abbauprodukte entstehen. Dunkler bis tiefbrauner Urin finder sieh bei der sehr seltenen extremen Indoxylurie und Melanurie. Dabei handelt es sich um Anomalien im

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~ber die Alkaptonurie. 471

Tryptophanstoffwechsel , welchc ausnahmsweise auch Ochronose ~hnliche Zust~nde ausl6sen k6nnen. Diese beiden Subs tanzen haben aber keine reduzierenden F~higkeiten. Die Differentialdiagnose cter Oohronose er- s t reckt sioh auf die Hgmochroma~ose, Arsenvergif tung, Porphyr inur ie . ADDISONsche Krankhe i t und schliel31ich die Argyrosis. Angeblich soll auch eine langdauernde Verabfolgung yon Atebr in zu Ochronose ~hn-

lichen P igment ie rungen fiihren (SuoAR u. WAI)DELL). Auf die sym- p tomat i scheAlk be iFr f ihgebur ten imAscorbins/~uremangel wurde bereits hingewiesen. I tal ienisehe Autoren ( S c ~ I I ~ o n I und ferner P~DON~) wollen bei Cholangitis und Lebereirrhose spontane Alk beobachtet haben. Ochronose wurde auch beobachtet nach l angdauernder Behandlung yon Ulcera cruris u. ~. mi t Phenol- Hydroehinon- und Pyrokatechin-ha l t igen

Salben u n d Umschl~gen.

Eigene Untersuchungen. ! Ein 3 ~onate alter 4400 g schwerer m/~nnlicher S~ugling 0. K. wurde wegen

einer Dyspepsie eingewiesem Die Durchf~llst6rung erwies sich als wenig aus- gepr/igt. Bereits am ersten Tage fieI der Schwester eine Braunf/~rbung der Windeln auf, welche durch Waschen mit Seife nut noch intensiver wurde. Der sofort auf- tauchende Verdacht, dag eine Alk vorliegen k6nne, wurde durch die oben be- schriebenen Nachweisreaktionen wahrscheinlich gemach~ und durch das papier- ehromatographische Verfahren konnte die I-IS identitlziert werden. Bei nachtr~g- ]icher intensivcr Befragung berichteten die Eltern des S~uglings, dab das 3 Jahre alte Briiderchen ebenfalls einen Urin entleert, der die W~sche ,,v511ig ruiniert". In einer Urinprobe konnte auch bei diesem Jungen I-IS nachgewiesen werden.

Status der beiden Kinder. Es handelt sich offenbar um v611ig gesunde, ann~hernd normal entwickelte Kinder. Die tIaut, Schleimhaut, Nase, Ohren etc. zeigen keinerlei Verf~rbung. Schmerzen beim Wasserlassen wurden nicht beobaehtet (dies wird yon einigen Autoren berichtet, z.B. BI~AID u. }tICK~ANS). Blutbild und Blut- senkung zeigen norma]e Werte. Der Luesschnelltest nach CHEDIAK war negativ (MASON fand die Wa.R. bei A]k unspezifisch positiv).

Nach Behebung der leichten dyspeptischen StSrung interessierte uns die Unter- suchung des AS-Stoffwechsels. Nach fiblicher ~[ethodik (ScrmEIE~ u. Pn/dCKT~U~) wurden deshalb einige AS im Serum und Urin bestimmt. Wegen der geringen uns zur Verffigung stehenden Serummenge konnten wir nur 6 AS bestimmen.

Tabelle 1. Serum A Sbeim Kinde O. K. in y/cm 3.

Aminosgure Kind Normalwert Arginin 19 um 20 Tryptophan 12 ,, 10 Leucin 22 ,, 20 Threonin 19 ,, 20 Tyrosin 13 ,, 15 Phenylalanin 13 ,, 15

Die Serumwerte auch der beiden cyclischen AS entsprechen der Norm. Leider konnten wir die Eltern nicht davon iiberzeugen, uns Blur yon dem Briiderchen zur Verfiigung zu stellen.

Eingebender konnten wir den Urin des Sauglings untersuchen; Aul~erdem standen uns aueh einm~l Urinproben (Morgenurin) yon Vater, Mutter trod dem zweiten Kind zur Verfiigung. Die AS-Ausscheidung lie[~ sich in diesen F~llen nur in rag-% erreehnen.

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472 Ku~T Sc~I~,~ und IIXNs PL/)CX~UN:

Tabelle 2. AS-Ausscheidung im Urin.

Aminos~ure

Kind O. K. ~i i t te lwert aus 5 Kind H . K . Vater ~Iut ter

Tagesausscheidungen mg- % mg- % mg- % in mg rag- %

Arginin 4,8 1,2 1,3 1,3 1,8 Isoleuoin 1,1 0,3 0,3 0,4 0,6 Leuein 0,8 0,2 0,15 0,3 0,3 Lvsin 3,1 0,8 0,3 0,5 0,6 ~r 0,8 0,2 um 0,1 0,2 0,2 Threonin 3,2 0,8 0,9 0,8 1,5 Tryptophan 0,8 0,2 0,4 0,5 0,8 Valin 1,8 0,45 0,3 0,3 1,2 Phenylalanin 2,4 0,6 0,9 1,1 1,3 Tyl'osin 1,1 0,3 0,6 0,4 0,5

Aus dieser Untersuchung wird ersichtlich, dab offenbar sowohl im Serum als auch im Urin die Werte der AS-Phenylalanin und Tyrosin bei unseren beiden Alk-F/~llen zumindest keine 8igni/ikanten Ver/in- derungen aufweisen. Bei Berficksichtigung der Pathogenese der StSrung war dies wohl auch nicht zu erwarten, denn bis zur IIS-Bildung verl~uft ja der Umsatz der beiden aromatisehen AS offenbar ganz normal. Er- h6hungen oder Verminderungen W~ren nur dann zu erwarten, wenn das Eneymsystem, welches den ersten Angriff auf die beiden AS-Molekfile ausfiihrt (also wohl eine Transaminase) irgendwie beeinfluBt w/ire. SIGG teilt einige Phenylalanin- und Tyrosinbestimmungen im Urin mit, welehe im physiologisch-chemischen Institut der Universit~t Basel durchgeffihrt wurden. Es handelt sich urn keine 24 Stundenwerte und es fehlen leider aueh die Angabe fiber die GrSBenordnung. Aus den Tabellen geht aber doeh eine gewisse Erniedrigung der Ausseheidung yon den beiden AS im Urin hervor. Man mtiBte natiirlieh die Urinmenge und die genaueren Versuehsbedingungen kennen, um die Werte sieher beurteilen zu kSnnen. Diese Erniedrigung ist wie gesagt sehwer zu verstehen, deml eine Rever- sibilitgt der Prozesse bis zur Bildung der mS ffir die l%esynthese yon Tyrosin bzw. Phenylalanin ist ganz unwahrscheinlieh. Eigene Unter- suchungen haben gezeigt, dab keine der getesteten Milchs~iurebakterien (L. mesenteroides, L. arabinosus, St. faecalis) in der Lage ist, die HS an Stelle der zyklischen AS zu verwenden. Diese Nilehs~urebakterien ver- halten sich ja bekanntlich erstaunlieh ~hnlich wie der menschliche Orga- nismus. Dennoch ist natfirlich ein EinfiuB der HS auf den AS Stoffwechsel (vielleieht bei l~ngerem Bestehen der Krankheit ) denkbar und weitere Untersuehungen dariiber sind dringend erforderlieh.

Es sei noch nachgetragen, dab sich auch die Ausscheidungswerte der Eltern innerhatb der Norm halten. Es ist eine bekannte Tatsache, dab Frauen im gesehleehtsreifen Alter eine hShere AS-Ausscheidung im Urin haben, als gleichaltrige M~nner bei gleicher EiweiBzufuhr. (Eine mikro-

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D-ber die Alkaptonurie. 473

biologisehe Studie dariiber stammt z. B. yon TI~OMPSOX.) Wir m6ehten noeh einmal betonen, dab die Eltern unserer beiden F~lle Gesehwister- kinder ersten Grades sind.

Zum Studium der ,,Totalib/~t" der St6rung war es interessant, eine ,,Bilanz" aufzustellen, indem bei gleieher EiweiBzufuhr die Ausseheidung der HS verfolgt wurde.

Der station/~r verftigbare S/~ugling erhielt deshalb mehrere Tage 480 em ~ Vollmileh (als 2/a Milch und Vollmilehbrei). In den letzten 3 Tagen wurde nun die I-IS-Ausseheidung naeh NEU~EgGER bestimmt. Eigene mikrobiologisehe Unter- suchungen hatten ergeben, dab 10,1% des Trockenmilehpulvers (entfettet)als Phenylalanin und Tyrosin vorliegen. Bei der Annahme eines Gesamteiweiggehaltes der Vollmilch yon 3,5~o ergibt sich demnach eine t~gliehe Zufuhr dieser beiden AS yon etwa 1,85 g.

Tabelle 3. HS-Ausscheidun~ bei lconstante~" Eiweiflzu~uhr in Gramm.

1. Tag 1,13 2. Tag 1,17 3. Tag 1,01

Bei Berttcksichtigung der untersehiedliehen Molekulargewiehte ergibt sieh, dab etwa 70% der beiden AS als HS im Urin wiedererseheinen. Unsere Werte stehen in guter {3bereinstimmung mit unter i~hnlichen Bedingungen gefundenen (B~AID etc., BALLOWITZ etc.).

Wit untersuehten ferner, wieviel HS im Urin erscheint, wenn der Siiugling mit reinen AS belastet wurde.

Zu diesem Zwecke wurden bei weiterhin konstanter Milchzufuhr morgens 8 Uhr jeweils 1 g 1-Tyrosin, dann 1 g 1-Phenylalanin und schlieBlieh d-Phenylalanin verabfo]gt. Untersuchungen yon GALDS~ON~ hatten gezeigt, dag wenige Stunden naeh der letzten Einnahme einer entsprechenden AS diese wieder mehr oder weniger quantitativ als t-IS ausgeschieden wird.

Tabelle 4. HA-Ausscheidung nach Belastung mit verschiedenen AS.

Aminos~ure Ausscheidung als I-IS in % der Zufuhr 1. Tag ]-Tyrosin 86 2. Tag 1-Phenylalanin 90,5 3. Tag d-Phenylalanin 33,0

Die ~%rte sind angen/ihert und auf die unterschiedlichen Molekular- gewichte bezogen. Auf den ersten Blick wird deutlich, dab die 1-Form der beiden AS innerhalb der biologischen ,,Fehlerbreite" fast vollsti~ndig in HS umgewandelt wird. Warum die d-Isomere nut zu so einem ge- ringen Prozenfsatz in HS umgesetzt wird, ist nicht ohne weiteres ver- st~tndlich. Man mug wohl annehmen, dab die durch die d-AS-Oxydase entstehenden Zwisehenprodukte z. T. einen anderen Abbauweg nehmen. Wahrseheinlieh wird aueh ein betr~ehtlicher Teil dieser AS im Urin unver~ndert ausgeschieden. Diese Annahme l~tgt sieh mikrobiologiseh nicht belegen, da die Bakterien fast aussehliel31ieh auf die l-Komponente ansprechen. Dieser Befund ist iibrigens ein weiterer Hinweis dafiir, dal~ di~ FEnIxsche Konzeption des Stoffweehsels der beiden aromatisehem

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474 KVRT S o H ~ ] ~ und I-I~Ns PLi~CKTHUN:

AS nicht zutrifft. GALDSTOI~ hat bei 2 erwachsenen Alkaptonurikern ebenfa]ls Belastungen mit d-Phenylalanin durchgefiihrt. Er land wie wit eine Ausscheidung unter 50~o.

Den Einflul~ therapeutischer MaI~nahmen auf die Alk haben wir nieht untersucht, weft unseres Eraehtens ausschliel~lich dann ein Erfolg zu erwarten ist, wenn es gelingt, das verantwortliche Eneym zu gewinnen und zu applizieren. Aus der Literatur ist ersichtlich, dal~ alle mitgeteilten ,,erfolgreichen" therapeutisehen lV[aI~nahmen nicht bestatigt werden konnten. Lediglieh Ascorbinsaure scheint in einzelnen Fallen einen ge- ringgradigen Effekt auf die HS-Ausscheidung auszufiben, wenn aueh, wie ausgeffihrt wurde, ihre atiologisehe l~olle ]edig]ich bei der sympto- matischen A]k junger S~uglinge diskutiert werden kann. Die Leber- therapie yon KLEIN U. BLOCH ist Yon zahlreiehen Autoren nachgeprfift worden, ohne je bestatigt werden zu kSnnen. Weitere therapeutische Versuche, welehe sinnvoll erschienen, so mit Vitamin-B-Komplex (Thia- min spielt zweifelsohne eine Rolle im Stoffwechsel der Phenyl-Keto- sauren) so yon STEELE, D O ] ~ R ~ etc. fiihrten ebensowenig zu einem Erfolg wie die Verabfolgung yon Hefe, Folsaure, Vitamin-K (SIGG) nnd die Injektion yon Insulin und Nebennierenrindenextrakten. Die Alk blieb auch unbeeinfluBbar durch Paraaminobenzoesaure und Thiouracil (W~ITE). Jede Saurezufuhr erweekt natiirlieh den Eindruek einer Ver- minderung der Alk, wenn diese nicht quanti tat iv best immt wird.

Zusammen/assung. Es wird der normale und pathologische Stoffwechsel der beiden Amino-

sauren Phenylalanin und Tyrosin erSrtert, wobei auf die angeborenen StoffwechselstSrungen (Albinismus, Tyrosinosis und Oligophrenia phenyl- pyruvica neben der Alkaptonurie) kurz eingegangen wird.

Von der Stoffweehselanomalie Alkaptonurie wird nach einigen histo- ris'ehen Hinweisen die Symptomatologie, Differentialdiagnose und Here- di tat n~her besproehen.

An Hand yon 2 eigenen Fallen wird fiber die Untersuchung des Aminos~iurenstoffweehsels mit besonderer Berfieksiehtigung yon Phenyl- alanin und Tyrosin berichtet und es werden die Ausseheidungswerte der Homogentisinsaure bei konstanter EiweiBzufuhr nnd nach Belastung mit 1-Tyrosin, ]-Phenylalanin and d-Phenylalanin mitge~eilt.

Zum SchluI3 werden einige therapeutische Bemfihungen er5rtert.

L i t e r a t u r .

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Dr . ]~uI~T SCI~fREIER, U n i v e r s i t ~ t s - K i n d e r k l i n i k , Heidelberg.