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C. Weygand u. W. Griiutzig. ifber die alternierenden Schmelzpunkte usw. 313 Uber die alternierenden Schmelzpunkte in homologen Reihen Von C. WEYGAND und W. GRUNTZIG In der Frage der alternierenden Schmelzpunkte in homologen Reihen stehen sich die hnsichten von G. TAMMANN~) einerseits, von H. PAULY~) bzw. von P. NEKRASSOW andererseits gegeniiber. Nach TAMMANN~) ist die Alternation k r i s t allmo r p h 010 gis c h dadurch begriindet, daB a. B. die Fettsauren mit paarer C-Atomzahl zwei, die mit unpaarer nur eine Modifikation ausbilclen. Der zuletzt be- sonders von YEKRASSOW~~) vertretenen Bnsicht dagegen liegt die be- kannte Hypothese von J. LAXGYUIR zugrunde, wonach die normalen Kohlenstoffketten Zickzackstruktur besitzen. Sie ist von verschie- denen Seiten rontgenographisch gestutzt worden, wir konnen hier bezuglich der niiheren Umstande auf ein Referat von F. HALLE~) ver- weisen. Es unterscheiden sich also paare und unpaare Glieder einer homologen Eeihe dadurch, dal3 bei den ersteren die endstandigen Gruppen nach verschiedenen Seiten der i\l'olekulachse zeigen, bei den unpaaren aber nach der gleichen. Venn die Grundannahme zutrifft, YO wiirde in der Tat eine dem Alternationsphanomen vergleichbare Erscheinung im Gang der Schmelzpunkte xu erwarten sein. PAULY und NEKRASSOW leiten denn auch die oszillierenden physikalischen Daten bei homologen Reihen geradezu aus den neuen Molekul- modellen ab. Wir konnen auf Grund unserer Untersuchungen uber den Poly- morphismus der Triglyceride neues experimentelles Material zur Alternationsfrage der Schmelzpunkt e beibringen. Es ergab sich (vgl. die voranstehende Mitteilung), daB vom Trimyristin, Tripalmitin und Tristearin je sieben verschieden hoch schmelzende polymorphe Modifikationen existieren, vom Tripenta- und vom Trihepta-decylin aber nur je vier. Mit unseren Mitteln lieB l) G. TAMMANN, Z. anorg. u. allg. Chem. 109 (1920), 221 ; 115 (1921), 288. a) H. PAULY, 2. anorg. u. rtllg. Chem. 119 (1921), 271; vgl. H. STARK, Z. ") P. NEKRASSOW, Z. phys. Chem. 128 (1927), 203. 4, F. HALLE, KoLZtsohr. 56 (1931), 77. anorg. u. allg. Chem. 119 (1921), 292.

Über die alternierenden Schmelzpunkte in homologen Reihen

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Page 1: Über die alternierenden Schmelzpunkte in homologen Reihen

C. Weygand u. W. Griiutzig. ifber die alternierenden Schmelzpunkte usw. 313

Uber die alternierenden Schmelzpunkte in homologen Reihen Von C. WEYGAND und W. GRUNTZIG

In der Frage der alternierenden Schmelzpunkte in homologen Reihen stehen sich die hnsichten von G. TAMMANN~) einerseits, von H. PAULY~) bzw. von P. NEKRASSOW andererseits gegeniiber. Nach TAMMANN~) ist die Alternation k r i s t a l lmo r p h 010 gis c h dadurch begriindet, daB a. B. die Fettsauren mit paarer C-Atomzahl zwei, die mit unpaarer nur eine Modifikation ausbilclen. Der zuletzt be- sonders von YEKRASSOW~~) vertretenen Bnsicht dagegen liegt die be- kannte Hypothese von J. LAXGYUIR zugrunde, wonach die normalen Kohlenstoffketten Zickzackstruktur besitzen. Sie ist von verschie- denen Seiten rontgenographisch gestutzt worden, wir konnen hier bezuglich der niiheren Umstande auf ein Referat von F. HALLE~) ver- weisen. Es unterscheiden sich also paare und unpaare Glieder einer homologen Eeihe dadurch, dal3 bei den ersteren die endstandigen Gruppen nach verschiedenen Seiten der i\l'olekulachse zeigen, bei den unpaaren aber nach der gleichen. Venn die Grundannahme zutrifft, YO wiirde in der Tat eine dem Alternationsphanomen vergleichbare Erscheinung im Gang der Schmelzpunkte xu erwarten sein. PAULY und NEKRASSOW leiten denn auch die oszillierenden physikalischen Daten bei homologen Reihen geradezu aus den neuen Molekul- modellen ab.

Wir konnen auf Grund unserer Untersuchungen uber den Poly- morphismus der Triglyceride neues experimentelles Material zur Alternationsfrage der Schmelzpunkt e beibringen.

Es ergab sich (vgl. die voranstehende Mitteilung), daB vom Trimyristin, Tripalmitin und Tristearin je sieben verschieden hoch schmelzende polymorphe Modifikationen existieren, vom Tripenta- und vom Trihepta-decylin aber nur je vier. Mit unseren Mitteln lieB

l) G. TAMMANN, Z. anorg. u. allg. Chem. 109 (1920), 221 ; 115 (1921), 288. a) H. PAULY, 2. anorg. u. rtllg. Chem. 119 (1921), 271; vgl. H. STARK, Z.

") P. NEKRASSOW, Z. phys. Chem. 128 (1927), 203. 4, F. HALLE, KoLZtsohr. 56 (1931), 77.

anorg. u. allg. Chem. 119 (1921), 292.

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sich nicht entscheiden, ob einzelne Paare davon zueinander im Ver- haltnis der Heteromorphie (nach TAMMANN) stehen. Grundsatzlich iet damit der eine Teil der Voraussage von TAMMANN bestiitigt, daB bei den paaren Homologen mehr Modifikationen moglich sind als bei den unpaaren, nur sind es in diesem Falle sieben und vier, nicht zwei und eine. Vollig sicher aber ist es, daB zwar die stabilen Formen der drei genannten pa a ren Triglyceride korrespondierende und somit direkt untereinander vergleichbar sind, da13 dagegen die stabilen Formen der zwei unpaaren Homologen unter keinen Umstanden mit den stabilen Formen der paaren direkt verglichen werden diirfen.

Kristallmorphologisch miteinander vergleichbar sind jedoch ohne weiteres die bei allen funf obengenannten Triglyceriden am tiefsten schmelzenden und am wenigsten stabilen Modifikationen, die sich nach ihrem Erstarrungsmechanismus, ihrer Keimzahl, ihrem Habi- tus usw. so weitgehend entsprechen, daB man sie als korrespondierende bezeichnen darf, und die aus jeder Fettschmelze bei reichlicher Unter- kiihlung ausnahmslos zuerst erscheinen. Wiihrend niemand, der Deckglaspraparate des stabilen Trimyristins und des stabilen Tri- pentadecylins nebeneinander sieht, auf den Gedanken kommen konnte, da13 es sich um morphologisch verwandte Stoffe handeln konne, wird h u m jemand imstande sein, die entsprechenden Praparate der in- stabilen Formen ohne weiteres auseinander zu halten.

Stellt man die Schmelzpunkte der stabilen und der instabilen Formen nebeneinander, so ergibt sich folgendes Bild: (C14 = Tri- laurin usf.)

Cl, c,, Cl, Cl7 CI, stabil: 56,5O 520 65,60 57,5O 71,OO

instabil: 32'' 40° 45,5O 49,5O 85,5"

In der oberen Reihe alternieren die Schmelzpunkte, in der unteren dagegen nicht. Fur die stabilste Form des Tripentadecylins lieBen sich ferner beim Trimyristin unil Tripalmitin die beiden korrespondieFenden Formen morphologisch unter deren metastabilen Modifikationen mit voller Sicherheit ausmachen; sie schmelzen bei 48,5O und bei 58O, auoh hier verschwindet also, Venn man die richtigen Modifikationen miteinander vergleicht, das Alternationsphanomen vollkommen, wie die folgende Reihe zeigt:

c,, C16 c1.5

48,s O 52 O 58 " Wir konnten dann schlieBlich fur die zwei Modifikationen des Tri-

pentadecylins , deren Schmelzpunkte zwischen dem der stabilen und

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der instabilen Form liegen, wiederum die morphologisch engstens verwandten, korrespondierenden Formen der beiden paaren Nachbarn bestimmen, so daJ3 sich ein Schema von vier Triaden ergibt, in welchen die Schmelzpunkte in ganz und gar regelmafiiger Art und Weise mit wachsendem Molekulargewicht ansteigen:

Form CM c, c,, Form c,, c1.5 c,, I I A 48,5" 52O 58O I I C 470 490 55,50 I IB 48O 51,5 570 I I I C 40° 45,5O 49,5O

Wir halten es danach zunachst f i i r erwiesen, daB die alternierenden Schmelzpunkte der stabilen Formen dieser homologen Reihe nicht nur darauf zuruckgefuhrt werden konnen, daB die Molekiilmodelle der paaren und unpaaren Glieder sozusagen cis- bzw. trans-Formen ergeben. Die Erklarung ist vie1 einfacher und 18Bt sich allgemein so aussprechen, daB die in einer homologen Reihe stabilen Formen durch- aus nicht siimtlich korrespondierende Formen sein mussen, es wahr- scheinlich auch nur in den seltensten Fallen sind. Verantwortlich fur die Alternation ist vielmehr die Tatsache, daB den unpaaren Gliedern die Fiihigkeit abgeht, gewisse Kristallstrukturen auszubilden, die bei den paaren Gliedern moglich sind und welche hohere Schmelzpunkte bedingen.

Wir gehen auf die Frage, ob das Alternieren der Schmelzpunkte andere Grunde hat als das Alternieren sonstiger physikalischer Eigen- schaften, nicht naher ein und fassen das Ergebnis wie folgt zusammen :

Die alternierenden Schmelzpunkte in der homologen Reihe der einsaurigen Triglyceride sind kristall-morphologisch zu erklaren. Homologe Reihen korrespondierender Modifikationen zeigen keine Blternation. Dieser Befund ist geeignet, die Prognose von TAMMANN iiber das Alternieren der Schmelzpunkte in der Reihe der freien normalen Fettsauren zu stutzen. Welche Rolle dabei die aus den rontgenometrisch erschlossenen Molekiilstrukturen der Fettsauren ab- geleitete Hypothese von H. PAULY und B. NEKXASSOW spielt, bleibt vorlaufig offen. Sie wird vielleicht einen Effekt zweiter Ordnung be- dingen, der, wie es scheint, gegenwartig nicht verifizierbar ist.

Dem Chemie-SonderausschuB der Deutschen Forschungsgemein- schaft dankt der eine von uns (W.) herzlichst fur die Gewahrung von Mitteln fur diese und die voranstehende Arbeit.

Die Bedingungen fur die Gewinnung der verschiedenen in dieser Arbeit er- wiihten polymorphen Formen von Triglyceriden der unpaaren Fettsauren geben wir tabellarisch in derselben Anordnung wie in der voranstehenden Mitteilung.

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Der eine von uns ist mit der Reindarstellung anderer parer und unpaarer Fette besohiiftigt.

Tabelle I

Form 1 Schmelzp. 1 U.-T. Form I Schmelzp. 1 U.-T. Th. -~~ strtbil . 1 L35: '"".I"".-.:g:rG50L

Th. IIIC . < 40O Tp. IIC etwa 41e

Th. = Triheptadecylin; Tp. = Tripentadecylin; U. T. = Gunstigste Unterkuhlungstemperatur.

Tp. IIA . . 45--46O Tp. I I IC < 300

Leipxdg, Chemisches Laboratoriurn der UniversitlEt.

Bei der Redaktion eingegangen am 14. April 1932.