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Über die Anreicherung von Blei durch Süßwassergrünalgen unter Berücksichtigung verschiedener Außenfaktoren

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Page 1: Über die Anreicherung von Blei durch Süßwassergrünalgen unter Berücksichtigung verschiedener Außenfaktoren

Institut fur Allgemeine Botanik der Universitiit Hamburg, Bundesrepublik Deutschland

Oher die Anreicherung von Blei durch 5iiBwassergriinalgen unter Beriicksichtigung verschiedener AuBenfaktoren

Accumulation of Lead by Freshwater Algae under Various Conditions

WOLFGANG AHLF, ULRICH IRMER und ADOLF WEBER

Mit 5 Abbildungen

Eingegangen am 7. Mai 1980 . Angenommen am 1. August 1980

Summary

Accumulation of lead by two species of green algae was analyzed. The species investiga­ted were Fritschiella tuberosa as well as a wild strain and a cell wall-free mutant of Chla­mydomonas reinhardii. Lead was determined by means of atomic absorption spectroscopy. Under certain conditions lead accounted for up to 20 Ofo of algal dry weight. Our investi­gations confirm that 4 factors essentially influence lead accumulation:

1. pH-value:

The final lead concentration in the algae is greatest at low pH-values III the medium, especially when the lead is complexed by EDTA.

2. Chemical form of lead:

Ionic lead is accumulated to a considerable greater degree and much more rapidly than complexed lead.

3. Lead concentration in the medium:

When lead is present in the medium in the ionic state, its concentration in the algae increases linearly as a function of concentration in the medium (up to 2.5 ppm).

4. Density of algae in the medium:

For a constant lead concentration in the medium, accumulation will be greater the lower the algal density. The significance of this result, in particular for the field, is discussed. Temperature appears to play an insignificant role.

Key words: heavy metals, lead accumulation, toxicity, green algae, Chlorophyta, Frit­schiella, Chlamydomonas.

Einleitung

Die Schwermetalluntersuchungen von Gewassern haben seit Jahren Eingang in die Standard programme der Oberwachungsbehorden gefunden - allerdings wird

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dabei nur erfaBt, wie hoch die Metallkonzentration im freien Wasser bzw. in den Schwebstoffen ist. Die Bclastung einzelner Organismengruppen, z. B. der Plankton­algen, kann mit den gangigen Verfahren nicht festgestellt werden.

Da Algen die Eingangsstufe nahezu jeder aquatischen Nahrungskette darstellen, hat unsere Arbeitsgruppe seit einigen Jahren systematisch die Anreicherung von Metallen durch Grunalgen untersucht (LORCH, 1977; WEBER et aI., 1978; WETTERN et aI., 1976; CHRISTLIEB und WEBER, 1980). Unsere besondere Aufmerksamkeit galt dabei dem Blei. Die Akkumulation von Blei durch Algen ist von verschiedenen Faktoren abhangig, z. B. von der Konzentration des zugegebenen Bleis, von der Zu­sammensetzung des Testmediums, vom Aufbau der Zellwand und dem Verhaltnis der Zelloberfl:iche zum Zellvolumen.

1m folgenden soli en Experimente beschrieben werden, die belegen, daB neben der Konzentration des Bleis vor aHem die Konzentration der Algen im Testmedium von entscheidender Bedeutung ist - zur Konzentration der Aigen finden sich in der Literatur fast nie zufriedenstellende Angaben. AuBer den genannten Faktoren haben wir in der vorliegenden Arbeit auch die Bedeutung des pH-Wertes und der Temperatur fur die Anreicherung von Blei beschrieben.

Material und Methoden

Chlamydomonas reinhardii Dang. Stamm 11/32c (Wildstamm) und Stamm CW 15+ (zellwandlose Mutante) entstammen der Aigensammiung des Institute of Terrestrial Ecolo­gy, Cambridge (England), Pritschiella tuberosa Iyengar der Aigensammiung GOttingen.

Anzucht der Algen

Die Anzucht von Chlamydomonas reinhardii erfoIgte in axenischer Kultur in Kulturroh­ren (KUHL and LORENZEN, 1964) an einem Lichtthermostaten bei 30 DC, einem L / D-Wech­sel von 14 / 10 h und unter Begasung mit Raumluft. Die Beleuchtungsintensitat betrug am Fenster des Lichtthermostaten 10 Klux. Ais Nahrmedium wurde ein von SUEOKA et al. (1967) entwickeltes und von LIEN and KNUTSEN (1976) modifiziertes «High salt concentra­tion medium» (HSM) verwandt. Das Animpfen der 250 ml Nahrlosung enthaltenden Kul­turrohren erfolgte mit einer konstanten Zellzahl aus einer 7 Tage alten Ausgangskultur. Nach viertagigem Wachstum wurden die Aigen mit Hilfe einer Durchlaufzentrifuge (CHRIST JUNIOR) bei 3000 U / min. von der Nahrlosung getrennt. Die zellwandlose Mutante wuchs regelmaEig etwa 30 Ofo langsamer als der Wildstamm.

Die Anzucht von Pritschiella tuberosa erfolgte nach MELKONIAN and WEBER (1975). Nach zehntagigem Wachs tum wurden die Aigen durch Absaugen der Nahrlosung auf Mem­branfiltern (8 ,urn) geerntet. Die Sterilitat der Aigenkulturen wurde stets nach der Methode von MELKONIAN and WEBER (1975) iiberpriift.

Bedingungen fur die Bleiversuche

Nach dem Ernten wurden die Aigen zunachst mit sterilem, bleifreiem Medium gewa­schen und anschlieBend in diesem inkubiert. Das in Anlehnung an MONAHAN (1973, 1976) speziell fur Metallversuche entwickelte Testmedium (MELKONIAN et aI., unveroffentlicht) enthielt weder Phosphat- noch Sulfationen und keine organischen Komplexbildner, so daB bei Zugabe von Pb (NOah das Blei iiberwiegend in ionischer Form voriag, also nicht aus-

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gefallt bzw. komplexiert wurde (vgt. z. B. SILL EN & MARTELL, 1964; DEN DOOREN DE JONG, 1965).

Die Akkumulationsversuche wurden als Kurz-Zeit-Tests (Versuchsdauer 24 h bzw. 48 h) stets im Dunkeln -clurchgefiihrt. Die 24 h - Versuche zur Ermittlung der maximalen An­reicherung erfolgten fiir Chlamydomonas reinhardii in unbeliifteten 250 ml Erlenmeyerkol­ben (200 ml Testmedium, pH 6,6, 30°C) und fiir Fritschiella tuberosa in schwach beliifte­ten 11 Erlenmeyerkolben (500 ml Testmedium, pH 6,0, 17°C). Die Beliiftung der Frit­schiella-Kulturen war notwendig, urn eine Sedimentation der Algen zu verhindern.

Die Aufnahmekinetiken wurden in 51 Erlenmeyerkolben iiber 48 h in 31 Testmedium (Chlamydomonas reinhardii) bzw. iiber 24 h in 5 1 Testmedium (Fritschiella tuberosa) ver­folgt. Sowohl der pH-Wert (Regelung iiber 2 Steuereinheiten der Firma Jungkeit) als auch die Temperatur wurden konstant gehalten. Eine homogene Verteilung -cler Algen erfolgte mit Hilfe eines Magnetriihrers.

Blei wurde den Testansatzen entweder als Pb (N03)2 oder als Pb-EDTA zugegeben.

Metallbestimmung

Zur Bleibestimmung haben wir Chlamydomonas reinhardii abzentrifugiert und mit je­weils 20 ml steriler, bleifreier Testlosung gewaschen. Fritschiella tuberosa wurde auf Glas­faserfilter (SCHLEICHER & SCHULL, Nr. 6) gesaugt, mit Testlosung abgespiilt und anschlie­Eend zentrifugiert. Danach wurden die Algen gefriergetrocknet. Der AufschluE der Proben und die Bleibestimmung erfolgte nach der von WETTERN et at. (1976) beschriebenen Metho­de. Die gemessenen Metallgehalte wurden stets auf das Trockengewicht bezogen.

Ergebnisse und Diskussion

Die Ergebnisse der im folgenden besprochenen Experimente wurden in der Regel flir jeden Versuch aus drei voneinander unabhangigen Testreihen gemittelt. Die eingesetz­ten Algenbiomassen waren jeweils definiert und innerhalb eines Versuches konstant.

I. Akkumulation in Abhangigkeit von verschiedenen extern en Bleikonzentratio­nen

Dnter den beschriebenen Versuchsbedingungen ist die Anreicherung von ioni­schem Blei durch die Griinalgen Fritschiella tuberosa und Chlamydomonas reinhar­dii innerhalb bestimmter Grenzen abhangig von der extern en Pb2+-Konzentration. Wie aus Abb. 1 ersichtlich, folgt die Bleiakkumulation durch Fritschiella tuberosa einer Sattigungskurve. Aus dem erreichten Plateau ist ersichtlich, daB Fritschiella das ionisch angebotene Blei bis zu einer maximalen Konzentration von 19,6 % ihres Trockengewichtes anreichern kann. Wahrend Pb-AuBenkonzentrationen, die groBer als 5 ppm sind, die Bleiakkumulation nicht beeinflussen, ist die Bleianreicherung im Bereich von 0 bis 2,5 ppm mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 Ofo linear abhan­gig von der externen Bleikonzentration (r = 0,9995, n = 5; nicht dargestellt).

Sowohl der Wildstamm als auch die zellwandlose Mutante von Chlamydomonas reinhardii reicherten Blei ebenfalls in sehr hohen Konzentrationen an (vgl. Abb. 2). Bei einer Bleikonzentration von 5 ppm im Medium betrug der Bleigehalt bereits 10,4 Ofo des Trockengewichtes beim Wildstamm und 11,2 Ofo bei der Mutante. Ob

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Fig. 1: Relation between lead concentration in the medium and accumulation by Fritschiel­la tuberosa after 24 h incubation, pH = 6,0.

diese hohen Anreicherungen eine Sattigung darstellen, kann nicht entschieden wer­den, da die Pb-Augenkonzentration nicht weiter erhoht wurde.

Diese ungewohnlich hohen Akkumulationswerte konnten nur bei einer Zugabe von ionischem Blei erreicht werden. Ein vol\ig anderes Ergebnis wurde erzielt, wenn den Algen Blei als Pb-EDT A-Komplex dargeboten wurde: Wie aus Abb. 2 ersichtlich, war bei 2 ppm Blei im Medium sowohl beim Wildstamm als auch bei der zellwandlosen Mutante von Chlamydomonas reinhardii ein «Sattigungszustand» erreicht; eine Steigerung der externen Bleikonzentration brachte keine weitere Zu­nahme der Akkumulationswerte. Entsprechende Versuche mit Fritschiella tuberosa fUhrten zu identischen Ergebnissen.

Da Metall-EDTA-Komplexe von Algen wahrscheinlich nicht aufgenommen wer­den konnen (SUNDA and GUILLARD, 1976; GARDINER, 1976), mug die Konzentration des aus dem Komplex verdrangten Bleis fUr den Akkumulationsverlauf entschei­dend sein. Bei einer allmahlichen Erhohung der Pb-EDTA-Konzentration bis 2 ppm (im Medium) werden die Akkumulationswerte (unveroffentlicht) nicht pro­portional zur Pb-EDTA-Konzentration im Medium, sondern relativ geringer er-

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Fig. 2: Relation between lead concentration in the medium (added as Pb2+ or Pb-EDTA) and accumulation by Chlamydomonas reinhardii after 24 h incubation, pH = 6,6.

hoht. Eine Erklarung dieses Phanomens konnte darin Iiegen, dag das BIei in dem Komplex teilweise durch andere Metalle des Mediums ersetzt wird, wobei nach den Stabilitiitskonstanten der jeweiligen Metall-EDTA-Komplexe insbesondere Ca, Mg, Fe, Zn und Mn eine Rolle spiel en (SILLEN and MARTELL, 1964, 1971). Die Komple­xierung des Bleis ist dann am hochsten, wenn die Konzentration der iibrigen Metal­Ie gering und die EDTA-Konzentration hoch ist (GARDINER, 1976). Aufgrund dieses Zusammenhanges ist es verstandlich, dag bei hohen Pb-EDTA-Konzentrationen der Prozentsatz des tatsachlich komplexiert vorliegenden Bleis betrachtlich hoher ist als bei niedrigen Pb-EDT A -Konzentra tionen.

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II. Der Einflufl von pH-Wert und Temperatur auf die Bleianreicherung durch Algen

Wahrend der oben beschriebenen Anreicherungsexperimente haben wir den pH-Wert und die Temperatur konstant gehalten und den EinfluB dieser beiden Faktoren in gesonderten Experimenten gepriift:

Die Durchfiihrung der Akkumulationskinetiken erfolgte bei einer Augenkonzen­tration von 0,1 ppm ionischen bzw. mit EDTA komplexierten Bleis. Die eingesetz­ten Algenbiomassen waren konstant und betrugen fiir Chlamydomonas reinhardii 3,8 mg Trockengewicht/lOO ml und fiir Fritschiella tuberosa 3,0 mg Trockenge­wicht/lOO ml.

pH-Wert

Bei Zugabe von ionischem Blei in Form von Pb (NOa)2 wies Fritschiella tuberosa bei den pH-Werten 4,0, 6,0 und 8,0 deutliche Unterschiede in den erreichten «End­akkumulationsh6hen»1) auf (Abb. 3): mit steigender Aciditat des Testmediums wurde zunehmend mehr Blei angereichert.

Bei Betrachtung der Akkumulationsgeschwindigkeit ergibt sich, dag innerhalb von 5 min. im Mittel 64 Ofo und innerhalb von 30 min. bereits durchschnittlich 81 % der gemessenen Endakkumulation erreicht wurden.

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Fig. 3: The effect of pH on lead accumulation by Fritschiella tuberosa as a function of time. Lead in Medium: 0,1 mg/1.

1) Hierunter verstehen wir eine maximale Konzentration unter definierten Bedingungen d. h. eine Gleichgewichtseinstellung, die nicht mit der maximal moglichen Konzentration iibereinstimmen muB.

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Entsprechende Untersuchungen an Chlamydomonas reinhardii Stamm 11/32 c bei pH-Werten von 5,0 und 6,6 flihrten zu ahnlichen Ergebnissen: Nach 24 h wiesen die bei pH 5,0 kultivierten Algen (1563 ppm Pb in den Algen) einen urn 28 Ofo ho­heren Akkumulationswert auf als die entsprechenden Algen aus dem auf pH 6,6 eingestellten Parallelansatz (1217 ppm Pb in den Algen). Die Akkumulationsge­schwindigkeit in den ersten 30 min. entsprach den fur Fritschiella gemessenen Da­ten.

Besonders drastisch werden die Unterschiede bei Zugabe von komplexiertem Blei (als Pb-EDTA). Die bei unterschiedlichen pH-Werten durchgefuhrten Aufnahmeki­netiken zeigten deudiche Unterschiede sowohl in den erreichten Akkumulationsho­hen als auch in den Akkumulationsgeschwindigkeiten: Chlamydomonas reinhardii (Wildstamm) erreichte bei pH 5,0 in den ersten 30 min. bereits 50 Ofo der Gesamt­akkumulation (= Endakkumulation nach 48 h), wahrend bei pH 6,6 nach einer Zeitspanne von 2 h lediglich 10f0 der gemessenen Endakkumulation nachgewiesen wurde. Der Bleigehalt der Algen lag nach 48 h bei pH 5,0 urn 28 Ofo hoher als bei pH 6,6.

Entsprechende Versuche mit Fritschiella tuberosa bestatigen diese Ergebnisse: Nach einer 24-stundigen Inkubationszeit der Algen im Testmedium wurden bei pH 4,0 im Mittel 1946 ppm Pb in den Algen gemessen, wahrend unter sonst gleichen Bedingungen bei pH 8,0 nur 155 ppm Blei nachzuweisen waren.

Eine mogliche Erklarung dieses Phanomens konnte in der pH-Abhangigkeit der Stabilitatskonstanten der einzelnen Metall-EDTA-Komplexe begrundet sein: RING­BOM (1963) wies nach, daB im Bereich zwischen pH 7 und pH 5 (20°C) die Stabi­litatskonstante fur den Fe3+-EDTA-Komplex zunimmt, wahrend sie fur den Pb2+_ EDTA-Komplex stark abnimmt. Auch GARDINER (1976) erwahnt, daB Fe-Ionen bei niedrigen pH-Werten fur EDTA eine hohe Affinitat besitzen.

Temperatur

Anreicherungskinetiken haben wir fur den Wildstamm von Chlamydomonas rein­hardii bei 5°C bzw. 30°C erstellt. Dabei lieBen sich keine Unterschiede in der An­reicherungsgeschwindigkeit von ionischem Blei nachweisen. Lediglich in der nach 48 h gemessenen Endkonzentration von Blei differierten die Ergebnisse: bei 5 °C wurden ca. 11 Ofo hohere Werte als bei 30°C erreicht.

Durchaus andere Resultate wurden mit komplexiertem Blei erhalten: In Bezug auf die Akkumulationsgeschwindigkeit nahmen die AIgen bis zur 24. Stunde bei 30°C im Mittel 87 Ofo und bei 5°C durchschnittlich 46 % des nach 48 h angerei­cherten Bleis auf. Die prozentualen Anteile wurden auf die nach 48 Stunden er­reichte Akkumulation bezogen. Ein betrachtlicher TemperatureinfluB zeigte sich auch in den nach 48 h erreichten Akkumulationshohen; so lag der Bleigehalt der Algen bei 30°C zu diesem Zeitpunkt urn durchschnitdich 262 Ofo hoher als bei 5°C.

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Auch dieses Ergebnis ist moglicherweise auf unterschiedliche, d. h. temperaturab­hangige Stabilidtskonstanten zuruckzufUhren.

Ill. Der Ein/luft der Algenbiomasse auf die Bleiakkumulation

Obwohl es fast trivial erscheint, zu untersuchen, ob die Anreicherung von Schwermetallen durch Algen auch von der Organismendichte beeinflulh wird, fin­den sich nur in sehr wenigen Publikationen Hinweise auf entsprechende Untersu­chungen (beispielsweise untersuchten PRIBIL und MARVAN, 1976, den Einflug ver­schiedener Algendichten auf die Uranakkumulation) . Unsere Untersuchungen bele­gen, dag dieser Faktor fur die Bleianreicherung von erheblicher Bedeutung ist. Abb. 4 zeigt die Ergebnisse, die wir mit Fritschiella tuberosa erhalten haben. Die Blei­konzentration im Medium betrug stets 0,5 bzw. 1,0 ppm Pb2+. Bei allmahlicher Steigerung der Biomasse von 0,2 auf 2,6 mg Trockengewicht pro 100 ml nahmen die Bleikonzentrationen in den Algen zunachst kontinuierlich stark abo Nach Errei­chen einer bestimmten Biomasse wurden 100 % des verfugbaren Bleis aus dem Me­dium aufgenommen (vgl. SOEDER et al., 1978). Wurden die Inokula jetzt weiter er­hoht, so verhielt sich die Bleibelastung dann erwartungsgemag umgekehrt propor­tional zur eingesetzten Algenmenge.

Sehr ahnliche Ergebnisse haben wir auch fur Chlamydomonas reinhardii erhalten. Die Durchfuhrung der Versuche erfolgte stets bei einer Augenkonzentration von

0,1 ppm Pb2+. Der Wildstamm (11 / 32 c) wies bei sehr geringen Zelldichten (1,1-2,1 mg Trockengewicht/ l00 ml) einen konstanten Bleigehalt auf. Ab 2,1 mg/l00 ml beim Wildstamm bzw. 2,4 mg/l00 ml bei der zellwandlosen Mutante nahmen die jeweiligen Akkumulationswerte jedoch mit steigender Biomasse zuerst schnell, dann zunehmend langsamer abo Bei einem direkten Vergleich der Akkumu­lationswerte fallt auf, dag die zellwandlose Mutante mehr Blei aufnahm als der Wildstamm: Wahrend von der Mutante bereits 4,8 mg Trockengewicht/l00 ml ge­nugten, das gesamte zugegebene Blei zu absorbieren, erreichten wir den gleichen Ef­fekt mit dem Wildstamm erst bei 12,7 mg/ l00 ml.

GXCHTER (1977) wies nach, «dag die aufgenommene Metallmenge pro Algenzelle unterhalb einer bestimmten Organismendichte unabhangig ist von dieser Dichte». Der angegebene Autor kommt zu diesem Ergebnis aufgrund von Freilandbeobach­tungen in einem See. Unsere eigenen Ergebnisse (im Labor) besdtigen diese Aussage nur fur den Wildstamm von Chlamydomonas. Fur Fritschiella tuberosa und Chla­mydomons reinhardii (Stamm CW 15 +) haben wir derartige «Sattigungsplateaus» nicht beobachtet. Das mag daran liegen, dag die eingesetzte Biomasse immer noch zu hoch war und aufgrund methodischer Schwierigkeiten nicht unterschritten wer­den konnte.

Bei Betrachtung der Abb. 4 wird auch deutlich, dag bei konstanter Bleikonzen­tration im Medium cler Konzentrationsfaktor, abhangig von der eingesetzten Bio­masse, urn den Faktor 25 variieren kann! Uns erscheint es deshalb nur dann sinn-

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Fig. 4: Relation between Fritschiella tuberosa biomass and lead accumulation (added as Pb2+) after 24 h incubation, pH = 6,0.

voll, den Konzentrationsfaktor als Ma£ fur das Anreicherungsvermogen aquatischer Organism en zu benutzen, wenn man die anreichernde Biomasse kalkuliert.

In Abb. 5 haben wir das Verhaltnis zwischen eingesetzter Biomasse und dem aus dem Medium entfernten Blei (in Prozent) dargestellt, urn ein Phanomen zu demon­strieren, das wir fur Fritschiella beobachtet haben: Bei allmahlicher Verringerung der eingesetzten Algenbiomasse mu£he man erwarten, daB die Konzentration des akkumulierten Bleis in den Algen kontinuierlich ansteigt und die Konzentration des Bleis im Medium sich kontinuierlich der ursprunglich eingesetzten Bleimenge na­hert. Aus dem Kurvenverlauf wird jedoch deutlich, daB beim Erreichen einer be­stimmten, sehr niedrigen Biomasse ein sprunghafter Anstieg der Bleiakkumulation (in Form eines Zwischenmaximums) auftritt. Wir erklaren dieses Maximum da­durch, daB die Bleibelastung der Algen inzwischen so hoch geworden ist, daB sie abzusterben beginnen und deshalb im Zellinnern weitere Bindungsstellen fur das Blei frei werden. DaB die Bleibelastung fur Fritschiella bei Inokula kleiner als 1,6

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Fig. 5: Relation between Fritschiella tuberosa biomass and percentage of lead accumulated from the initial concentration after 24 h incubation. Starting concentration 0,5 mg Pb2+ II, pH = 6,0.

mg Trockengewicht/ 100 ml tatsachlich letal ist, konnten wir beweisen: Rekultivie­rungsversuche der geschadigten Algen in frischer Nahrlosung miBlangen. Ais mor­phologisches Kriterium fur eine Schadigung haben wir eine mikroskopische Beob­achtung herangezogen, die direkt nach AbschIu~ eines Versuches zu beobachten war: die Spitzenzellen eines Fadens fielen durch eine ausgepragte Granulabildung auf.

1m Gegensatz zu Fritschiella tuberosa lie~en sich fur Chlamydomonas reinhardii unter den gewahlten Bedingungen keine Anzeichen von Toxizitat feststellen: Weder eine Reduktion des Trockengewichtes noch der Gesamtzellzahl oder des Pigmentge­haltes konnte als Foige der Bleibehandlung beobachtet werden. Erwartungsgema~ konnte deshalb auch kein Zwischenmaximum bei der Bestimmung der «prozentua­len Bleiaufnahme» festgestellt werden.

Diese Parallelitat zwischen Schadigung der Algen und erhohter Anreicherung ha­ben auch GERHARDS und WELLER (1977) fur die Aufnahme von Quecksilber durch Chlorella pyrenoidosa nachgewiesen.

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Obwohl die vorliegenden Befunde im Labor gewonnen wurden, zeigen sie auf, welche Faktoren auch im Freiland bedeutende EinfluBgroBen sind. Vor all em ist zu bedenken, daB flir relativ niedrige Organismendichten, bei gleichzeitig hoher Blei­belastung eines aqua tisch en Okosystems, durchaus eine Schadigung erwartet werden kann. In Zukunft sollte man deshalb flir die Kalkulation der Auswirkung von Schadstoffen neben den bisher liblichen Parametern (Schadstoffkonzentration, Komplexierungskapazitat, pH-Wert, Temperatur etc.) verstarkt die Konzentration der Organismen berlicksichtigen.

Dank

Unser Dank gilt der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die diese Untersuchungen durch Sach- und Personalmittel unterstiitzt hat.

Literatur

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