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XVII. Ueber die Anwendung des Polarisationsapparates in der pathologischen Anatomie der Nervencentren und fiber die ltelectasis medullae spinalis. Eine Antwort an Herrn Prof. Westphal. Yon Prof M. Schiff in Genf. A ls Anhang zu einem Aufsatze ,,Ueber eine CombinaLion yon socundi~rer Degeneration des Rfickenmarks mi~ fleekweiser Entartung" im dritten Hefte des zehnten Bandes dieses Krehivs bespricht Herr Professor We stphal meine eben erschienene Arbeit fiber Atelectasis medullae (Pffiger's Archiv ffir Physiol., Band XXI. p. 328). Wostphal's Bomerkungen sind ,w~ihrend des D ruckes" seines Aufsatzes eingeffigt, als ihm meino Mittheilung e ben zuge- gangen war, und die so gebotene Erie maeht vielleicht erkl~rlich, warum Herr W e s tp hal den Zweek meiner in der Versammlung in Baden-Baden theilweise vorgezeigten, und auch in meiner Arbeit erw~hnten Pr~parate nieht ganz rich- rig aufgefasst hat. Der Zweck solcher Pr~parate isL lediglich genau zu bestimmen, bis zu welcher Querausdehnung an der Stelle einer mechanischen mit Schnittwirkung eombinirten Verletzung des Rfickenmarks (oder des Gehirns) die markhaltigen Fasern unterbrochen oder entartet sind. Und hierzu sin4 dicke Schnitte, wie ich sic anfertigte, bei sehr schwacher VergrSsserung und mit dem Polari- sationsmikroskop untersueht, nieht nur n iitzlich, sondern in den meisten Fgllen u n e n tbe h r lic h und die einzig zum Ziele fiihrenden. We es sieh um eine Krankheit, z. B. eine Sklerose des Markes handelt, kann man dfinne Schnitte machen, dieselben auch f~rben, und dann auf die allbekannte Weise mit dem gewShnliehen Mikroskop bestimmen, welehe Theile dot weissen Substanz (ffir die graue ist diese Methode sohon nicht mehr gan~

Ueber die Anwendung des Polarisationsapparates in der pathologischen Anatomie der Nervencentren und über die Atelectasis medullae spinalis

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XVII. Ueber die Anwendung des Polarisationsapparates in der pathologischen Anatomie der Nervencentren

und fiber die ltelectasis medullae spinalis. Eine Antwort an Herrn Prof. Westphal.

Yon

Prof M. Schiff in Genf.

A �9 ls Anhang zu einem Aufsatze ,,Ueber eine CombinaLion yon socundi~rer Degeneration des Rfickenmarks mi~ fleekweiser Entartung" im dritten Hefte des zehnten Bandes dieses Krehivs bespricht Herr Professor We s t p h a l meine eben erschienene Arbeit fiber Atelectasis medullae ( P f f i g e r ' s Archiv ffir Physiol., Band XXI. p. 328). W o s t p h a l ' s Bomerkungen sind ,w~ihrend des D ruckes" seines Aufsatzes eingeffigt, als ihm meino Mittheilung e ben zuge- gangen war, und die so gebotene Erie maeht vielleicht erkl~rlich, warum Herr W e s tp h a l den Zweek meiner in der Versammlung in Baden-Baden theilweise vorgezeigten, und auch in meiner Arbeit erw~hnten Pr~parate nieht ganz rich- rig aufgefasst hat.

Der Zweck solcher Pr~parate isL lediglich genau zu bestimmen, bis zu welcher Querausdehnung an der Stelle einer mechanischen mit Schnittwirkung eombinirten Verletzung des Rfickenmarks (oder des Gehirns) die markhaltigen Fasern unterbrochen oder entartet sind. Und hierzu sin4 dicke Schnitte, wie ich sic anfertigte, bei sehr schwacher VergrSsserung und mit dem Polari- sationsmikroskop untersueht, nieht nur n i i t z l i c h , sondern in den meisten Fgllen u n e n t be h r l ic h und die einzig zum Ziele fiihrenden.

We es sieh um eine Krankheit, z. B. eine Sklerose des Markes handelt, kann man dfinne Schnitte machen, dieselben auch f~rben, und dann auf die allbekannte Weise mit dem gewShnliehen Mikroskop bestimmen, welehe Theile dot weissen Substanz (ffir die graue ist diese Methode sohon nicht mehr gan~

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zuverlgssig) tier normal aussehenden Nervenfasxern ermangeln. Will man aber erkennen, wie welt ein Schnitt im Marke (der do'c'h stets mit etwas Quetschung, Entziindung und in tier grguen Substanz auch mit Bluterguss im Randgebiete verbunden ist) seine primg~re Wirkung erstreekt, wird die gew6hnliehe, yon We s t p h a l bef(irwortete Methode~ wenigstens in der Mehrzahl der Fi~lle, un- ausfiihrbar.

Die Controle der Sehnittwunden wird erst interessant, wenn das Indivi- duum di~selben mehrere Woehon fiberlebt hat. Dann werden die Sohnitt- figchen uneben, etwas hSokerig, theilweise erweicht oder ungleioh dioh~, die Meningen wuehern zum Theil in die Schnittspalte hineia. Die Gegen d d e r Verleizung ~md besonders die Oberfl~che des Sohnittes erh~rtet in gebrgnch- lichen Fl[issigkeiten und besonders im ehromsauren Kali nioht gleichmgssig mit dem Rest des EtiGkenmarks, sie bleibt wie yon einer weichen k~sigen l~[asse fiberzogen, w[~hrend sie unmittelbar unter tier Oberfl~ehe bei ][ingerem Erh[%rten einze]ne sprSde Ste]]en hat. Will man gerade im Niveau der Wunde d[in n e Schnitte machen, so verliert man meistens das sioh zerbrSckelnde Pr~- learnt, und der u kann hior nieht dureh andere bossore Querschnitte mehr oben oder mehr unten ersetzt werden. Es bleibt also hier keine Wahl, man muss die Schnitte dick maehen yon ~//~ bis zu 1/3 i~{illimeter, und ioh be- dauere, class ioh sic nicht in vielen Versuchen noch dicker gemacht habe. Niemand wird daran denken, solohe dieke, noch dazu durch die Wundentzfin- dung theilweise getriibte Stiieke, ohne Anwendung der in anderer Hinsieht sehgdlichen Wirkung yon Essigsgure odor yon Kali (wie erstere yon C l a r k e bei noch diekeren Schnitten angewendet wurde) mit dem gew6hnlichen Mi- kroskop dnrehmustern zu wollen. Bei der Vergr6sserung, welche n~ithig ist, einzetne mgrkhaltige selbst nioh~ sehr diinne Pasern zu unterscheiden, wird bier alles ein undurchdringliehes Chaos. Abet die Polarisation erI~ubt uns bier nieht nut zu entscheiden, an welchen Stellen diinne odor dieke markhal- tige Pasern vorhanden sind nnd we sic fehlen, sic erlaubt sogar eine einzelne intaete Paser inmitten einer degenerirten Stelle zu erkennen, selbst wenn sic nnter einer d[inuen Schichte yon Wundseeret odor Detritus versteekt, und durum dem gewi3hnliohen ~Iikroskop verhiillt wg~re; sic erlaubt uns die einzelnen 5Iarkfasern zu zghlen . Und das alles bei einer sehr schwachen gergr~Jsserung, die noch den gan zen Quersehnitt des ~'Iarkes (vom Hunde) zu abersehen erlaubt. Es geh~irt dazu nut ein gut regulirtes intensives Lieht und Niko l ' s ehe Prismen, die b e i d e r Kreuzung nich~ nur eine graue nebel- hafte Dgmmerung: sondern ein intensives sehwarzes DunkeJ geben, was allot- dings viele den ldiufliehen ~Iikroskopen beigegebene Apparate nieht immer than. Ieh bediene mieh bei Untersuehung der Ausdehnung der Sehnitgver- letzungen gew6hnlich einer 8 his ~7 maligen Vergr6sserung, eine solehe etwas iiber 50 im Durchmesser ist noch erlaubt, eine yon 100 geradezu sohgdlieh. Ioh habe durum mit besonderer Vorsorge racine schwachen Objeetice gew~ihlt, und huge es stets Ms einen verterenen Ve, rsu~h angesehen, wenn man bei der Demonstration meinerPrgparate aus der G e g e n d der V e r l e t z u n g den Vorschlag maehte, sic mit den gewghnlichen mikroskopisehen Combinationen

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zu betrachten. Diese PrSparaie leisten, was sie sollen, wg.hrend jede andere Methode der Untersuchung der Schnittstelle im boston Palle nur anzugeben vermag, wie welt der Sehnitt reiehte, aber nieht wie tief in den Rand hinein er seine Wirkung erstreekte. Es versteht sieh yon selbst, dass dieser Ans- spruch nur fiir den gewghnliehen Fall gilt, we die Schnittflgchen und die zu- nSchst darunter liegende Sehieht nieht gleiehmg~ssig mit der iibrigen Mark- masse erh~rtet sind. In dem bet S&nitten gewiss sehr seltenen, bet Com- pression ohne Continnitgtstrennung hgufigeren Fall, dass die Erhgrtung geniige~ ehe das iibrige Mark zur Ueberhgrtung kommt, kann man sieh, ob- gleieh mit gr6sserer 8ohwierigkeit, der gew6hnlichen Methode bedienen.

Beim physiologischen Versueh wird manchmai die Aufgabe gestellt, in frisehem erweichten Gewebe unmittelbar naeh dem Tode lgng's- oder querver- lanfende Nervenfasern naehzuweisen. So kam es uns bet Wiederholung der yon Leyden inaugurirten Versuehe der Einspritzung yon Tinetura Fowleri und ~ihnlieher Flfissigkeiten in's Mark. Zerzupfung giebt bier nur Fragmente, fiber deren Verlauf wit niehts wissen, abet der Polarisationsapparat kann bet s e h r i n t ens ivem Lich t uns gen/igende Auslmnft geben. Es kommt tibri- fens bier, und dies macht die Sache sehwleng, anf Farbenunterseheidung an. Es ist mitgelst des Gypsplg, ttehens zwisehen negativer und positiver Doppel- brechung zu unterseheiden, und um die R i e h t u n g zu erkennen, miissen wit die dicke Schieht des weichen Objectes so fassen, dass dasselbe um die Quer- aehse des Mikroskops drehbar ist,

Wenn in den bisherigen Beispielen wit g e n g t h i g t waren dieke Schni~t~ zu benutzen, wenn wir iiberhaupt, we es sich nur um Prfifung der Tiefenat[s- dehnung yon partiellen Continuit~tstrennungen des Markes handelt, etwas dickere Sehnitte den sehr dfinnen vorziehen, so ist der Nutzen tier polari- skopisehen Priifung nieht auf erstere beschr~nkt. In einem wiehtigen Punkte miissen wir hier tier yon ~u ge~usserten Ansieht gerade entgegentre- ten. Um an dfinnen ffir die eigentliehe mikroskopische Behandhng geeigneten Nervenprgparaten die Gegenwart, resp. die Abwesenheit einer Markscheide nachzuweisen, ist immer der Polarisationsapparat die entscheidende and letzte Instanz. W e s t p h a l hingegen glaubt, class das polarisirte Lieht fiir die Un- tersuchung fiberhaupt keine besonderen Vorzfige biete und fiir feinere~ Nerven- rbhren ganz ungeniigend set, Es gelinge, glaubt er, (mit den gewShnliehen Mit- teln) an gut erhi~rteten Pri~paraten fast jede markhaltig RShre als solehe znr Anschauung zu bringen. Gerade ftir feinere g6hren bin ieh an gut erhgrtetea diinnen Sehnitten, ausschliesslieh in chromsaurem KMi gehgrtet, of~ in Betreff der Markseheide in Zweifel geblieben, his reich der Polarisationsapparat auf's Bestimmteste aufldgrte. Wer sich tier vielen Widersprfiehe der Anatomen in Bezug auf die in~ramuskuliiren Nervenenden, in Bezug aaf die Fasern der grauen Substanz erinnert, die nach Vielen jetzt als ganz markhaltig betra.ehtet werden, wghrend Andere sie nur znm Theil, Einige sogar kanm als solche gelten lassen, wird die Mangelhaftigkeit tier gew6hnlichen mikroskopisehen Beobachtung nieht Verkennen, und ein Mittel zu sehgtzen wissen, das uns sogleieh naeh geh6riger Isolirung der betreffenden Fasern in unzweideutiger

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Weise belehr~. Wie manche Nerven werden heute nooh yon den moisten For- schern als markloso angesehen und als Tyloen dot sogenannton blassen Ner- venfasern benutzt, in denen das Polariskop beim ersten Blick die Markscheide nachweist. Bei mitteldicken Fasern kommt es anderorsoits vor, class man mit dem ]~Iikroskop bestimmt eine Markscheide oder wenigstens einon hellen bei Carminpr~paraton ungefgrbten Ring zwischen dem Achsencylinder und tier Umh[illung zu Sehen glaubt, und die polariskopische PrCifang, mit und ohne GypspI~ittchon, zeigt, dass kein Mark vorhanden ist. Solche Fasern zeigen sich an Prgparaten, mit Bichromat erhgztet, an den Grenzen atolectatischer Stollen, neben solchen, die schon einen d~innenRing wirklichen Markes zeigen, und yon ihnen riihrt es her, das solcho Stellon so oft unter dora Polariskop breiter ersoheinen als sie be ide r einfachen mikroskopischen Betrachtung zu sein sohienen. Die Yerbreiterung ist unregolm~ssig zackig bei Chromprgpara- ten, sie ist aber mehr concentrisch rundlich bei Weingeistprgparaten, vermuth- lich~ weft der Weingeist aus den Uebergangsfasern, die sich zwischen die an- dern eindr~ngen, den dtinnon oder noch Unvollstgndig gebildeten Markring auszieht. Nioht unerwghnt darf blpiben, dass da, wo einzelne Nervenfasorn in dot I~icht~g des Schnittes (also boi Querschnitten radial) yon vielen Zoll- gewobsfasern begleitot und iiberdockt verlanfon, man bei ohromatisoher Pola- risation in der Richtnng yon 45 o zur Achse unbestimmte Resultate bokom- men kann, well die Wirkung des einen Gewebes die des andorn stSrt. Eat- fernt man abet das Gypspl~ittchen, so erh~lt man bei gekreuzten Nikols st~r- kere Wirkung, weft sich hier beide Gewebe unterstiitzen. Wo hior Zweifel entstehon, kann manohmal; aber selten, ein anderes Objectiv mit mehr flasher stratifioirender Localausdehnung, gewShnlioh nur die vorsichtigsto Zerzupfung des Objoctes zum Ziele f~ihren.

Bisher haben wir nur die F~lle betrachtot, in denen das Polariskop sioh als unontbehrlich erwoist, es bietet aber auoh nooh andere mehr accessorische u

Es ist gewiss beim Z e i o h n o n der Marksohnitto nioht goring zu sohittzen, class uns das genannte Hiilfsmittel erlaubt~ bei einer i~ussorst schwa- chon VergrSsserung, die noch den ganzen Umfang des Sohnittes zu iibersehen gestattot, alas gegenseitige Fl~chonverh~ltniss, die Ausdehnung und die In- tensit~t der pathologischon Ver~nderungen, besonders beim Gobrauche eines Gypsplgttchens, viol schgrfer und plastischer zu sehen als bei gewShnlichem Lichte and stgrkerer VergrSsserung. Ferner ist das Zi~hlen der markhalti- gen Fasern im polarisirten Lichto aussorordontlich viel loichter, nisht nur weft man einen beliebig grossen AbschnRt iibersehon kann, sondern auch weft clio lebhafte Farbe der Fasern yore Auge leichter und mit weniger Ermtidung auf- gefasst wird, und well man bei goeignetor YergrSsserung den Focus nicht best~ndig zu reguliron brauoht, am die tiefer versenkten Fasergruppen auf- zulSsen.

W e s t p h a l betont, dass ich das Stohenbloiben der MarkrShren auf fSta- ler Entwicklungsstufo auf ,Grund ~hnlicher Pri~parato wio tier in Baden do- monstrirten" auch nicht einmal wahrscheinlich gomacht habe. Hiorin muss

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tdeber die hnwendung des Polar~sat~onsappara!e etc. 287

ieh ihm unbedingt beistimmen. Diese Pr~parate soil~en ja, wie ich mehrfaoh wiederholt, gar nicht ffir die gewShnliche mikroskopisehe Beoba~htung dieneu, und nut durch das Fehlen tier markhaltigen RShren die Ausdehnnng der Wir- kung eines Schnittes bestimmen. Was an die Stelle der MarkrShren getreten, kSnnen sie durehaus nicht einmal vermuthen lassen, und naehdem mlr s c h i e n, dass in einem der untersuchten Thiere dies Feh]en oder die hie und da auf- tretende sehwaehe Entwieklung dieser RShren nicht nur im traumatisehen Eingriff, sondern in einer ursprfinglichen Anlage begriindet sein konnte, musste ich natiirlich zu den bekannten histelogischen Methoden sehreiten, um die M5g]ichkeit zu prfifen. D iinne durchsichtig gemaehte Quersehnitte und vor allem L~ngssehnitte sind die Basis meiner sp~teren Arbeit. Die besten Ana- ]ysen geben mitunter die am Rande abgerissener Quersehnitte herverragenden Fragmente des Liingsschnitts, in denen schen F r i e d r e i c h Achsencylinder vermuth~te; die dfinneren Fasern, welche die dickeren cylindrischen zum Theil umgeben, und welche oft aus den letzteren heranszuraffen scheinen: stammen vielleicht yon dem immer im fStalen Mark relativ etwas reichlicheren Grund- gerfist, oder sie kSnnen als Bestandtheile des Aehseneylinders in der Weise aufgefasst werden, wie dies S t i l l i n g fiJr das normale Mark gethan. St i l - l i n g hat auf der zweiten Tafel seines immer mehr zur AnerkennUng golan- genden Werkes fiber den Bau der NervenprimitivrShre und tier Ganglienzelle (siehe Tab. 2 Fig. 21) don hervorgotretenon Achsenoylindor aus dora norma- Ion Nerven eines Oehsen zwei Stunden nach dom Tode ganz so mit den Sol- ten- und EndfEden abgebildet, wie uns boi st~ixkerer Vergriisserung die Ele- mente dos Borstenbesatzes desQuerschnitts der Hinterstr~nge in den Pri~para- t en -Fr iodre ich ' sche r Tabes oder bei Atalectasie des Markes bei ttunden erseheinen.

Wenn ich hier yon einer r e l a t i v e n Vermehrung der fibrill~ren Grund- substanz spreehe , welche zum Theft die Lfieken ausffilltv so h~ilt sie sieh doch innerhalb der physiologisehen Grenzen, besonders wenn wir das fStale Alter mit in den Vergleich ziehen, und ist sehr versehieden yon der auffallenden Wuoherung, wie sie bei Tabes gefnnden wird. Bei dieser sohliessen die dick- wandigen Maschen und F~cher auf dem Quersehnitt zwar ebenfalls Ringel ein, diese sind abet zum grSssten Theft sehr schmal, bis zum Unmessbaren, sind schwach gefi~rbt, stark liehtbrechend, ohne deutlichen Untersehied zwi- sehen Rand nnd Centrum, und mit Recht werden sie nach F r o m m a n n als Querdurchschnitte bindegewebiger Lgngsfibrillen betrachtet, die in der That auf dora L~ngsschnitt der erkrankten Partien dentlieh hervortreten. In klei- hereto oder in sehr geringem Masse finden sich daneben oft in den Maschen oder in deron W~nden st~rkere Ringel, die im Ganzen dunkler gef~rbt und mit einer optisch besser abgesehlossenen Hfille nmgeben sind. Sic lassen bei gnter VergrSsserung einen deutliehen Unterschied zwisehen dora offenbar diehteren dunkleren, nieht gl~nzenden AxialtheiIe, nnd der helleren Randpartie erkennen, einen Unterschied, auf den bereits S t i l l ing bei norma- len Achseneylindern aufmerksam gemaeht hat. Dieser Untersehied verdankt, wie boi manchen schwach gewSlbten Objeeten, einer Niveaudifferenz seine

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Entstehung, denn bei guten Objeetiven mit sehr flaehem Focus (schou bei DD. yon Z e i s s Und nooh mehr bei einigen der yon mir angewendeten Objecti~,e mit homogener Immersion) versehwindet dieser Aehsentheil fast p l i i t z l i eh beim Nghern odor tteben des Mikroskoprohrs. Zugleieh zeigen diese dunlde- ren grhsseren Ringe eine seh~: grosse Aehnliehl~eit mit den querdurehsehnitte- non Achsencylindern tier noch sparsam vorhandenen markhaltigen Nerven- rhhren, und wenn man letztere in die kranl~e Partio hinein verfolgt, we ihre i~'Iarkzone' allm~ilig an Breite abnimmt und zuletzt versehwindet, so glaubt man deutlieh einen Uebergang zwisehen Markfasern und jenen spgrliehen Gebilden wahrzunehmen, die man, zngleieh auf einige Befunde des Lgngsschnittes sieh stiitzend, vielfaeh und his jetzt ohne Widerspruch a]s n aek to Aehseneylinder bezeichnet hat. Wenn ieh such gegen des Adjeotiv n aek t maneherlei Beden- ken erheben mhehte, so scheint mir ihre Naturals Aehseneylinder so welt be- wiesen, Ms iiberhanpt des blos optische Bild beweisen t~ann. Wenn man nun bet Atelel~tasie an sehr diinnen mit Carmin schwaeh gefih'bten odor ungefgrb- ten Sohnltten des Markes innerhalb der schmalwandigen, oft sehr sohwer zu sehenden Maschen nur mit Mfihe wenige Dnrehsehnitte yon Lgngsfibrillen, fast den ganzen Raum hingegen mit jenen diekeren gesohilderten Ringen er- fiillt sieht, deren Uebergangsbilder zu marl~haltigen Fasern bier an den geeig- neten Stelten noch viol deutlieher als bei Tubes sieh aufdrgngen, so darf man bier, auf die eben erwghnte, allgemein als gfiltig betrachtete Analogie sioh bern%rid, die Wahrsoheinlichl~eit aufstellen, class die gauze marMose Pa.rtie w e s e n t l i c h yon sogenannten ,naekten" Aehsenoylindern erfiillt ist. Und diese Wahrscheinliehkeit ist wenigstens eben so bereehtigt, wie die allgemein g/iltige Annahme des Vorkommens ,naokter ~ Aohsencylinder an einzelnen Punkten tier grau degenerirten Rfickenmarl{sstrgnge. Ja sic gewinnt noeh mehr Boden dutch die Untersuohnng des hgngsschnittes~ und besonders dutch die hler miigliehe und gebotene Vergleichung mit dem Aussehen tier Quer- sehnitte beim F6tus. Indem ich aUf diese Weise des Mark zwar verwundeter, abet sonst gesunder Thiere nntersuchte, und beim Nenschen die yon mir be- stgtigten Resultate tier Untersuchung yon F r i e d r e i o h deutete, glaube ieh wahrscheinlich gemaeht zu hubert; dass zwischen Tubes und tier sogenannten Atelectasie, d. h. tier mangelnden odor sehr unvollstiindigen Ausdehnung der Riihren dutch Nervenmark, ein wesentlieher Untersehied bestehe, der sich in tier go 5~usserst verschiedenen quantit~tiven Vertheilung der Elemonte aus- sprieht, obwohl diese in q u a I i t a t i v e r Beziehung wesentlieh dioselben sind. Ferner glaube ieh die Analogie zwisehen f6talem und atelectatisshem Mark gezeigt zu ha,ben.

Diese Versehiedenheit und selbst diese Analogie zugegeben, l~6nnte man immer noeh fragen, warum ich die Atelectasie geradezu als eine t t e m m u n g s - bildung bezeiehne und so die MiJgliohkeit einer dureh irgendwelche Ursaehen bedingten Riiel~kehr aus dem normalen zum f6talen Zustande fiir diese F~ille geradezu yon mir weise. Indem ieh dieses thu% habe ieh besonders im Auge, class eine regressive Metamorphose doeh irgendwie des Product einer Krank- heir sein und ihrerseits wieder wahrscheinlich krankhafte ErsohNnungen be-

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dingen miisse. :Nun waren meine Hundo vor der Operation, so welt ich ur- theilen konnte, allo gesund und boron auch naeh der experimentellon Operation keine wesentlich anderen Erscheinungen dar, als andere normale eben so ope- rifle Hunde. Zudem wurden einige derselben zu schnell naeh der Operation getSdtet, als dass man etwa einen Einfiuss dieser letzteren vermuthen dfirfLe, wenn ich selbst den Fall nicht in Betraeht ziehe, in welchem sieh ein nicht operirter Hund ateleetatiseh erwies. Ein Untersehied am Marke oberhalb und unterhalb tier Operationsstelle trat nicht horror.

Ausserdem stiitze ich reich auf einen Satz yon R in d f l c i s c h (Patholog. Gewebslehre p. 595), der wohl allgemeine Zustimmung finden dfirfte, and wonaeh der Schwund der ]Nervenfasern in der grauen Degeneration im gera- den Verh~ltniss steht zu tier fortsehreitenden Ausbildung des nicht ner~'6sen Gewobes. Wie stark miisste das interstitielle Gewebe entwiekelt sein, were3 hier d u r c h seinen Einfisuss ein Schwund des Markes stattgefnndon hiitte. Nun ist hier be ide r Alelectasie das fibrill~ro Gewebe in v i e l e n Fi~llen, aber nicht einmal in allen bei Hunden, e t w a s und relativ starker entwiekelt als im normalen Zustande, aber bei weitem nicht ann~hernd wie in tier Tabes bei Menschen. Ich sage, nieht bei allen, well ieh F~lle yon Atelectasie des Sei- tonstranges gesehen babe, we alas interstitielle Gowebo auffallend schwach vertreten war.

E ine n Umstand kSnnte man ffir die pathologische Entstehnng der Ate- lectasie odor wenigstens des analogen Zustandes der Hinterstriingo bei F rio d- re ieh ' scher Tabes geltend machen. Ich meine das Vorkommen fiberaus zahlreicher Amyloidk6rperchen. Wenn ich auch in den yon mir gefertigten Schnitten aus i i l t e ren Pr~paraten diese K6rporehen nieht mehr deutlieh wie- derfindo, so kann ihr Vorkommen an den jiingeren frischeren Pr~paraten, we sie F r i e d r e i c h iiberaus zahlreich gefund en, nach der Aussage dieses bew~hr- ten Forschers nicht dora mindesten Zweifel unterliegen. Man sieht sie ja so oft an eonservirten Pritparaten versehwinden. Bis aber die Zweifel, welche einst der vielerfahrene S t i l l i n g in Betreff der pathologisehen 5Tatur der Ent- stehung der AmyloidkSrper in dem Riickenmark ge~ussert, ihre Erledigung gefunden, bis fiberhaupt ihre Genesis gerade in den CenLraltheilen welter anfgeklitrt ist, halto ieh es fiir bedenklieh, auf ihre Anwesenheit weitero Schlfisse zu bauen. Z a h n und F a v r e haben in neuester Zeit ihre nieht pa- thologische Natur fiir manche Organe deutlieh dargelegt. Es ist ja noeh nieht bewiesen, dass L e b e r ' s neuere Studien fiber diese Genesis flit alle mSg- lieherweise sehr verschiedenartige Amyloidk6rper und fiir alle Organe Go!- tung haben.

Uebrigens ist racine Ansioht gar nicht einmal so neu, wie ich zur Zei~ annahm, als ich racine Studien in P f l f i g e r ' s Archly verSffentliehte. Seitdem habe ich durch die Gfite des Verfassers die dort naeh einem Auszuge citirte Arl~eit yon P i c k Ueber die neuropathisehe Disposition (Berl. klinisehe Woehen- sehrift 1879 ~o. 10) erhalten und finde anf Seite 5 des Separatabdr., dass dieser Forscher bei einem vierzehn Monate alton Kinde mit ttemiatrophia ce- rebralis gefunden, dass die Pyramidenbahnen bis in die Medulla oblongata

Archiv s Psychiatric, XI. I. Hen. 19

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betr~chtlich in der Markscheidenbildung zurfiokgeblieben, ,, j a z u m g r o s s e n T h e i l e f iberhauiot noeh koine Markscho iden sich a n g e b i l d e t h a t t o n ".

Wie sohr clio Zahl solcher Fifllo sich vermehren kSnnte, wenn Mutual die Befundo 4or angebtich nur sehr v e r f e i n e r t e n Norvonfaserbiindel mit dem Polarisationsapparat studirt warden, ist oben sehon angodeutet.

Ich muss fibrigens jetzt schon zuffigen, dass ich keineswegs alle Atelee- tasen dos Riiokenmarks als Hemmungsbildung ansohen kann. Dies gilt nur fiir diejenigen, welche zuf~llig bei relativ gesunden Individuen gefunden war- den. Es sell abet, hoffontlich noah im Laufe dieses Jahres, gezeigt werden, dass man ohne directen traumatisehen Eingriff Atelectasien, die sich fiber die gauze L~nge einos Narkstrangos orstrecken, gel jedem beliebigon TMore (Hand, Igel, Wandorratte, Meerschweinohen, Frosch) experimentoll e r z e u g e n kann. Wenn dioso Studien vollendeg sind, wird sieh jeder Experimontator die versehiedenen Entwiokolungsstadion vein nermalen his zum vSllig atelec~a- ~isohen Norvon, die wit hior blos aus dem Nebeneinander ersohlossen, auch n a e h o i n a n d o r vorfiihron kSnnea und manchu tier in diesen Zeilen und in meiner frfiheren Arbeit enthaltenen Andeutungen wird dann erst naehdrfiok- lich und klar in ihrem wahren Lichte erscheinen.

Den Verdaoht W o s t p h a l ' s , es solon die Bilder, die meinen Besohrei- bungen zu Grunde liegen, dutch die Erhiir~ung in Weingeist entstanden, kann ich aus mehreren Grfinden nicht theilon. Dass ich reich nicht auf Weingeist- prgparate alloin verliess, geht fiir den aufmerksamon Loser schen aus einer Anmerkung Soite 337 in P f l i i ge r ' s Archly Bd. 21 hervor, we ieh eine 5frets gemachto Beobachtung deshalb als zweifolhaften Ausdruck der wirkliehen Thatsaehon hinstello, weil sic sich a l l e i n auf Woingeistprgparate stiitzte, ohno vorhorige Anwendung ehromsanren Salzes. Soitdem ich voranlasst war, geihen yon mi k r o s k o p i s c h e n Untersuohungen am Riickenmark zu machen, habo ich, wie viele Andere ver mir, die Naohtheilo dor blossen Woingeist- erh[irtung eingesehon und bin wiedor zum doppeltohromsauren Kali zur[iek- gekohrt. Ieh lasso es dahingestellt, glaube ks abet nioht, dass der Weingoist wirklich den Anschein yon Atoleotasien erzougen kann, we keine vorhanden sin& Es seheint mir aber jetzt vial wahrschoinlioher, was ich in der Arbeit fiber Ateloctasie fragweiso als mOglich andeutete, dass der Weingeist die sehr diinnen abet noah markhalgigen Uebergangsfasern z. B. am game ateloota- tischer Stellen ihres Markes berauben kann, so class diose Stellen dann g r S s s e r orsoheinen, als sie wirklioh sind. Ieh brauehe hierauf nicht waiter einzugehen, denn es geniigt zu bomerken, dass ich die Ateleetasie, in allen ihren Formen, anch in Priiparaten gofunden habe, die nieht in Weingeist go- h~rtet waren, und each in solchen, die nut w~hrond tier kurzdauerndon Ent- ws dos fertigon Solmittes, also manohmaI wenigor als I/2 Stunde, mit Weingeist in Beriihrung waren. Und zwar waren diese PrS.parate in Be- zug auf den ganzen Habitus denen yen F r i ed re i eh ' s che r Ataxie nech ghn- lioher, als die Weingeistlorgparate. Wenn ich also kurzweg Mlo in Wein- foist geh~rteten Pr54oarate uusser Betracht lasso, bleiben meine Ergobnisse

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Uebcr die Anwendung des Polorisa~ionsapparates ets. 291

wesentlieh u n g e~ n d e r t , nur mass ich bei dorBesohreibungin P l i ig o r ' s Arch. I. c. p. 337 start ,, rund" ,,rundlich-zackig" sagen. Die Pr~parate, auf die ich reich jetzt allein stiitzen kann, sind in Kalibichromat mehrere Wochen lung (einige mehrere Monate) erhgrtet. Wenn sie durchaus erh~rte~ waren, habe ich die m e i s t e n derselben, abet nicht alle, in mgssig starken Wcingeist gebrachL um sic his zur Verarbeitung aufzuheben. Nach tier vSttigen Erhgr~ tung im chromsauren Salze 16st der kaIte Weingeist anch keine Spur yon Myelin mehr auf. Einige tier atelectatischen StCieke blieben aber stets in chrom- snarer LSsung aufbewahrt. Dies Verfahren verlangt eine sorgf~ltigere Ueber- wachung, wenn man Ueberhgrtung vermeiden will.

Wenn ich yon allen in Weingcist gehgzteten PrS~paraten Abstand nehme, und also auch yon denjenigen, welche nach der Vorschrift yon Betz nur die ersten 5 bis 8 Tage his zur vorlgufigen Hiirtung in jodhaltigem Weingeist verweilten und dann in ehromsaures gali /ibertragen wnrden, so muss ioh freilich vorlgufig darauf verzichten, sehon den strengen experimentellen Bo- wels goliefert zu haben, dass atelectatische Markstrgnge noeh normal thS~tig sein kennen.

Wie man sich erinnert, wurde dieser Beweis dadurch gef/ihrt, dass bei vier ttunden, bei denen die Durehschneidung der Hinterstrg~nge die gewehn- lichen Folgen butte, diese ttinterstr~nge spiiter ateleeta~isch gefunden~wur- den. Die Narl~prgl)arate waren bier in Weingeis~ geh~rtet. Aber dieser strenge Bewcis, den ich Nr die e r we r b erie Atelcctasis sparer ztt geben mir vorsetze, ist f/it meine wesentliche Folgerung keineswegs unumgiinglieh nSthig. Es ist w a h r s e h e i n l i c h , dass die atelectatischen Stellen noch normal fun- girten, well bei meinen Thieren, di% wie ich sehon angab, bei itlrer Ankunft im Laboratorium genan untersncht wurden, die Symptome nieht bemerkt wur- den, welehe man durch partielle Riickenmarksdurchschneidung erzengen kann. Aber die Durchschneidung wurde bei keinem der atclec~atischen Hnnde, de- ten 5Iark sogleich in chromsaures Kali kam, nut auf die tlinterstrgnge be- schr~inkt.

Ich war n.atCirlich bestrebt, eine i s o l i t t c Liihmung der HinterstrS~nge, deren Folgen doch jetzt, his zum Froseh herab, gen[igend bekannt sind, so viel als miJglich zu vermeiden. Doch besitze ich einen u veto December 1875, tier b e i n a h e den Fordernngen, wie ich sic jetzt zu stellen veranlasst bin, entsprochen h~te. Die Hinterstrgnge waren dnrchschnitten, die gleich- zeitig beabsichtigte Verletzung der grauen Substanz war wieder meinen Willen auf ein ~Iinimum reducirt. Es waren nnr die gewShnlichen Symptome yon mangclndem Tastgef/ihl (Ataxie beim Sf~ehen und langsamen Gehen) aufg'e- treten. Das R/ickenmark wurde bis 1878 in einer 21/~proc. L6sung yon Kalibichrom. erh~Lrtet, dann in Weingcist gebracht, we es his zur Priiparation verweilte. In der ganzen L~;nge des untersuchten Markstiicks war Atelectasie tier Hinterstrgngc and einiger Punkte des an letztere stossenden Absclmitts der Seitens~rgnge bis in's Gebiet der Proeessus retieulares vorhanden. Dazwi- sehen noch viele, aber einzeln stehende normale Nervenfasern und die Ueber-

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292 Prof. M. Sehiff,

g~ngsformen. Die atelectatischo Partie lag wit ein dickos Semicolon mi~ starkom Kopfe in dem Mittelfold der beiden Hintorstriinge, hauptsS, ehlich de- ren i n n e r e n Abschnitt einnehmend. Die R~ndor, selbst ein schmaler Rand gegen die hintere Mittellinie zu, waren fret, so dass die verS.nderte Pattie jeder Ilinterstrangh~ilfte yon dor andoren Seite dureh ein normales Mittel- band getrennt war. Das Semicolon streokte ~uf der rechten Seito sein schmales Endo welt in die ~ussore flachero hbtheilung des ttinterstrangos hinein, aber auf dor linken Soito war die ~ussere hbtheilung (bandelette ra- dieulaire) loider fast ganz fret nnd enthielt blos einen kleinen Antheil des spitzen nach aussen und hinten gekehrten Schw~nzes tier ateloctatischen Zone. Naeh einer j etzt in Frankreich ~ngenommenen Lohre yon C h a r co t i s t e s ~ber nur dieso zone radienlaire, die bet tier Ataxie in Betracht kommt und nicht die mittlere Abtheilung der Hinterstri~nge, und yon den beiden zones radicu- laires war bier nur d ie e ine atelectatisch, die andere nicht. Und. ich bin sehr geneigt, die erw~ihnte Lehre yon C h a r c o t , die auch in Deutschland durch eino Beobaehtung yon E i s e n l o h r gestiitzt ist, fiir richtig zu halten, ich empfinde ffir sic sogar eine Ar t vgterlicher Zuneigung. Denn lunge eho V u l p i a n und C h a r t e r daran dachten, das reiehe Material der Salpdtri~re zu wissenschaftlichen Forschungen zu benutzen, wollte ieh~ noeh als Professor in Bern, nntersuohen, wie die Hinterstr~nge des Markes in die Medulla oblon- gata iiborgehon. Nur in der N~he der letztoron, etwa tiber dem vierten Cer- vicalnerven, ist die i~ussere und die innerr hbtheilung der beiden ttinter- stri~ngr bei Thioren reeht sichtbar gesondert, so dass man hier jedo f/ir sich durchschneiden kann. hls ich diese gesonderte Durchschnoidung (resp. tlei- zung) ausfiihrte, fund ich die innere (mittlere) Abtheilung dor Hinterstriinge an dieser Stolle unempfindlieh. Die Durehschneidung zeigt nicht die Sym- ptomo, welche voriibergehend (ttyporgsthesie) odor bleibend (Ataxie, Mangol tier Boriihrungsempfindung) mit dor vollstiindigen Durchtronnung der Hinter- strgnge weiter nach domThorax hin verlmfipft sind. Jo welter nach oben hin, um so broiter ist die Zone, die man ohne sichtbare Folgen durchtrennen kann. Reizt odor durchschneidot man aber die jotzt sogenannten Bandelettes oxtor- nes, so hat man alle die charal~teristisolaon Folgon der gewShnlichen Ouroh- schnoidung der Hinterstriinge. Diese Resultafe~ eine Vorausbestgtigung der Lehre yon C h a r c o t , habe ieh dann aueh 1858 in ihren wesentlichsten Ze- gen in meinem Lehrbueh tier Muskel- und Nervenphysiologie Seite 301 nie- dergelegt. Diose ldoine historisohe Notiz scheint alien denen entgangen zu sein, die sich bis jetzt mit diesem Gegenstande beseh~ftigten.

W e s t p h a l fin(let, dass ich weitgehende Folgernngen fiir die mensch- liche Pathologie ziehe. Ich weiss es nicht, und lasse gerne die ,,weitgehen- den" Folgerungon auf sieh boruhen. Sehr nah e gelogt scheinen mir abet als tlesultat meiner Forsehungen nut eine Folgernng und eine Bitte.

Ich fo 1 ge r e, dass, abgesehen yon alien anderen Gesichtspunkten, wit veto S t a n d p u n k t e der A n a t o m i e a u s nicht g e z w u n g e n sind, i nde r F r i e d r o i c h ' schen Tubes die Function der Hinterstriinge als ganz odor theiI-

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weise verloron zu betrachten. Hierbei will ich nicht einmal behaupten, class fiir j ede andere nicht F r i ed re ich ' sche Tabesform eine solche NS~higung wirklich vorliego.

Ich b i t t e meine klinischen Collegen~ bei der H~irtung pathologischer Nervencentra yon der reinen Chroms~ure ganz abzustehen und sich ~rotz des grSssoron Zeitaufwandes, wie Viele bereits Chun, dos doppettchromsauron Kali zu bedienen. Denn, wie man auch jetzt denken mSge, kSnnte sich doch bald einmal das lebhafte Bediirfniss einstellen, die mikroskopischen Pr~parate zur Controle auch mit dem Polarisationsapparat uu prfifen. Chroms~uro macht eine solche Priifung nicht gerade unmSglich, schw~icht aber die Lebhaftigkeit

�9 der Bilder.

Genf, im M~rz 1880.