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(Aus dem Anatomischen Institut der Universit~t Freiburg i. Br.) ~BER DIE ARCHITEKTUR DES SCHMELZES 1 Von WmH~M Si~ss. Mit 25 Textabbfldungen. (Eingegangen am 27. Oktober 1939.) Naehdem wit dutch eine vorige Untersuchung (F~EIB1~m~) aus der Einstellung der sog. Arkaden (Abb. 12) in den Schliffpr/~paraten die Verlaufsriehtung der Sehmelzprismen zu bestimmen und in Schliff- serien zu verfolgen wissen, haben wit im folgenden nun zum ersten Male versueht, Rekonstruktionen yon der Anordnung der Sehmelzprismen, d.h. yon der Architektur des Schmelzes herzustellen. Wir haben uns also bemfiht, systematisch, wie es den bisherigen Untersuchern (LE~R, PLE~K, SC~AF~TR, TOMS und vielen anderen) nieht m6glieh war, die Architektur des Schmelzes nach allen drei Dimensionen des Raumes zu bestimmen. Methode und Material. Wie bei FREIBERG genauer beschrieben ist, wurden ganze Zahnkronen oder Stticke yon solchen methodisch aufgeschliffen. Prinzip: ~tzung jeder Schlifffl~che der in lauter parallelen Ebenen aufgeschliffenen Zahnkr0nen mit verdfinnter HN03, dann H~matoxylin, Ultropak, Photo. Resultat: Fotoserien wie bei Abb. 2, 3, 7, 8, 9, 10 usw. Um mSglichst fibersichtliche Pr~parate zu erhalten, benutzten wir, ahnlieh wie FREIBERG, Z~hne yore Hunde. Hier sind die Schmelzs~ulen verh~ltnism~flig grofl und besitzen regelm~Big prismatische Form (Abb. 22). Man kann hier die Anordnung der Arkaden, die, wie FR~.ISF_~G gezeigt hat, im Seh]iff entstehen, sehon bei 300facher VergrSBerung gut bestimmen (Abb, 22). Um dabei eine r~umliche Vorstellung yon der Anordnung der Schmelzprismen zu gewinnen, stellten wir Photogramme yon Schliffserien her, die in allen drei Ebenen des Raumes gewonnen waren. -- Wir schliffen an verschiedenen Stellen der Sehmelzkappe ein- real l~ngs zum Zahn, dann quer und schlieBlieh tangential zum Zahn. Beziiglich der Bildteehnik heben wir hervor, dab alle Photographien, die im folgenden den Schmelz zeigen, nur bei auffallendem Licht her- gestellt worden sind. Hierbei erscheinen diejenigen Stellen, die das H~ma- toxylin besonders stark angenommen haben, besonders dunkel (s. z. B. Abb. 5) ~. 1 Die vorliegende Untersuchung wurde auf Anregung yon Dozent Dr. BL]~CH- SCHMIDT ausgefiihrt. Diinnschliffe, wie sie zur Untersuchung im durchfallenden Licht benutzt werden, wurden bei unserer Untersuchung nicht verwandt.

Über die Architektur des Schmelzes

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Page 1: Über die Architektur des Schmelzes

(Aus dem Anatomischen Institut der Universit~t Freiburg i. Br.)

~ B E R DIE ARCHITEKTUR DES SCHMELZES 1

Von

WmH~M Si~ss.

Mit 25 Textabbfldungen.

(Eingegangen am 27. Oktober 1939.)

Naehdem wit dutch eine vorige Untersuchung (F~EIB1~m~) aus der Einstellung der sog. Arkaden (Abb. 12) in den Schliffpr/~paraten die Verlaufsriehtung der Sehmelzprismen zu bestimmen und in Schliff- serien zu verfolgen wissen, haben wit im folgenden nun zum ersten Male versueht, Rekonstruktionen yon der Anordnung der Sehmelzprismen, d .h . yon der Architektur des Schmelzes herzustellen. Wir haben uns also bemfiht, systematisch, wie es den bisherigen Untersuchern ( L E ~ R , PLE~K, SC~AF~TR, TOMS und vielen anderen) nieht m6glieh war, die Architektur des Schmelzes nach allen drei Dimensionen des Raumes zu bestimmen.

Methode und Material. Wie bei FREIBERG genauer beschrieben ist, wurden ganze Zahnkronen

oder Stticke yon solchen methodisch aufgeschliffen. Prinzip: ~tzung jeder Schlifffl~che der in lauter parallelen Ebenen aufgeschliffenen Zahnkr0nen mit verdfinnter HN03, dann H~matoxylin, Ultropak, Photo. Resultat: Fotoserien wie bei Abb. 2, 3, 7, 8, 9, 10 usw.

Um mSglichst fibersichtliche Pr~parate zu erhalten, benutzten wir, ahnlieh wie FREIBERG, Z~hne yore Hunde. Hier sind die Schmelzs~ulen verh~ltnism~flig grofl und besitzen regelm~Big prismatische Form (Abb. 22). Man kann hier die Anordnung der Arkaden, die, wie FR~.ISF_~G gezeigt hat, im Seh]iff entstehen, sehon bei 300facher VergrSBerung gut bestimmen (Abb, 22). Um dabei eine r~umliche Vorstellung yon der Anordnung der Schmelzprismen zu gewinnen, stellten wir Photogramme yon Schliffserien her, die in allen drei Ebenen des Raumes gewonnen waren. - - Wir schliffen an verschiedenen Stellen der Sehmelzkappe ein- real l~ngs zum Zahn, dann quer und schlieBlieh tangential zum Zahn.

Beziiglich der Bildteehnik heben wir hervor, dab alle Photographien, die im folgenden den Schmelz zeigen, nur bei auffallendem Licht her- gestellt worden sind. Hierbei erscheinen diejenigen Stellen, die das H~ma- toxylin besonders stark angenommen haben, besonders dunkel (s. z. B. Abb. 5) ~.

1 Die vorliegende Untersuchung wurde auf Anregung yon Dozent Dr. BL]~CH- SCHMIDT ausgefiihrt.

Diinnschliffe, wie sie zur Untersuchung im durchfallenden Licht benutzt werden, wurden bei unserer Untersuchung nicht verwandt.

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172 Wilhelm Stiff:

Die gewonnenen Photogramme wurden zu graphischen Rekonstruk- tionen (Cellophanpapier), zur Herstellung yon Tonmodellen u./t. benutzt.

Aus Grfinden, die wit erst sp/~ter auseinandersetzen werden, wurde auBerdem ein AbguB yon einem Eckzahn mit feinstem Hartgips (Moldano) hergestellt. Ein solcher AbguB wurde von demselben Zahn nach Ent- fernung der Schmelzkappe wiederholt. - - Dieses Entfernen der Schmelz- kappe wurde durch vorsichtiges Entkalken vorgenommen. Durch Fi~r- bung konnte kontrolliert werden, in welchem Moment eben die Schmelz- dentingrenze erreieht wurde. Es wurde Sorge getragen, dal3 das Dentin nicht angegriffen wurde. - - Die so gewonnenen Modelle wurden schicht- weise abgeschliffen und die jeweils neue Schlifffl/s des Modellstumpfes (Abb. 1) bei 15facher VergrSBerung gezeichnet. Die Dieke der einzelnen abgeschliffenen Schichten betrug mSglichst genau 400 #. Sie wurde je- wefts mit Hilfe der Mikrometerschraube mikroskopisch gemessen. Das sehichtweise Abschleifen der beiden Modelle erlaubte eine Wachsplatten- rekonstruktion eines Zahnes mit und ohne Schmelzkappe (s. hierzu Abb. 21). Dadureh gelang eine F1/~chenmessung der inneren und/~ul3eren Oberfl/~che der Sehmelzkappe. Die Messung selbst wurde durch Bekleben der Wachs- modelle mit einem geeigneten (schweren) Papier und nachfolgendes Aus- w/~gen vorgenommen. Eine solche F1/~chenmessung ist praktisch mit be- liebiger Genauigkeit ausffihrbar.

Bezeichnungen. Wir unterscheiden L/~ngsschliffe durch einen Zahn, Querschliffe und

Tangentialschliffe. An solchen Schliffen nennen wir Verbi~nde von Schmelzprismen, die sich in einheitlicher Anordnung durch die ganze Dicke des Schmelzes verfolgen lassen, eine ,,Schmelzschicht" (s. Abb. 19). Wenn Teile solcher Schmelzschichten wie in Abb. 19 dutch eine Uber gangszone miteinander verbunden sind, so nennen wit dieses ganze ein ,,Schmelzschichtenband" oder kurz ein ,,Schmelzband". Charakteristisch ffir ein solches Schmelzband ist der schichtweise entgegengesetzte Verlauf der Prismen (Abb. 19). Wenn diese Prismen in einer Sehmelzschicht quer durchschnitten oder quer angeschliffen werden, so entsteht unserer Meinung nach dasjenige Bild, das im Schrifttum mi$verstandenerweise als Diazonie bezeichnet wird. Werden dieselben Prismen einer solchen Schicht dagegen 1/ings getroffen, so liegt eine Parazonie des Schrifttums vor. Parazonien und Diazonien im Sinne des Schrifttums (A-bb. 20) gibt es, wie wit noch sehen werden, nicht.

Befunde. Liingsschliffe. Die Abb. 2 und 3 zeigen uns zwei Beispiele aus

Limgsschliffserien, die wit mit immer wieder sehr/ihnlichem Aussehen an verschiedenen Z~hnen gewonnen haben. Die Abb. 2 und 3 betreffen einen Bezirk der Schmelzkappe, der etwa aus halber H6he der Krone entnommen

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ist. Die untersuchten Originalphotogramme, die unserer Untersuchung zugrunde liegen, haben im Vergleich zu den in der Reproduktion wieder- gegebenen etwa die 6faehe VergrSBerung, so da~ wir im einzelnen genauere Aussagen maehen diirfen, als es die vorliegenden Reproduktionen alleine erlaubten.

Abb. 3 vor allem zeigt uns zun~chst eine auff~llige Periodizit~t in der Helligkeitsverteilung entsprechend den verschieden intensiv gef~rbten Schmelzarealen, die wir hier im Auflieht be- t rachtet photographiert haben. Nament- lieh im unteren Zweidrittel der Abbildu~g sieht man regelm~6ig dunkle mit hellen Feldern wechseln. Wir kSnnen sehwarz erscheinende ( S c h . ) und grau erscheinende (G) Schichten voneinander unterscheiden, die jeweils dutch helle, grSt~tenteils be- sonders schmale (H) Zonen, ziemlich schaff gegeneinander abgesetzt sind. Keiner dieser dureh Farbverschiedenheit bzw. Helligkeitsverschiedenheit hervor- gehobenen Bezirke reicht genau his an die Schmelzdentingrenze heran, sondern endet noeh vor ihr mit einem stumpf abgerundeten, manehmal wenig kolben- fSrmig erseheinenden Ende. Hier am basalen Ende sind die schwarzen Felder besonders dunkel. Nach der Schmelz- obeffl~che bin nimmt diese Dunkelf~r. bung allm~hlieh ab, macht manchmal fleekenfSrmigen Bezirken Platz, um

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Abb. 1. Abgu• eines E c k z a h n e s vom Hund in Hartgips (Moldanogips). Das Modell i s t yon der Spitze angeschlif- fen. Die Markierun~gspunkte betreffen die Stellen, an denen jewel ls die Dicke der Prismen in der Nahe der &ul~eren Schmelzoberfl~che und nahe der

Schmelzdentingrenze gemessen wurde. S. Abschnitt Besprechung

der Befunde.

sehlieBlieh in der N~he der freien Sehmelzoberfl~ehe mehr oder weniger zu zerflie~en. An Sehliffen, die nicht genau l~ngs liegen, sind nieht alle schwarzen oder grauen Felder gleich breit. Namentlieh dort, wo ein solcher Bezirk dann beispielsweise besonders schmal erscheint, finden sich in der n~heren Umgebung eines solehen Feldes auch Absehnitte, die besonders breit sind (nieht abgebildet). In solchen Gebieten, die zun~ehst sehr unregelm~Big strukturiert erseheinen, finden sich alle ~berg~nge zu Bildern, wie sie typiseh nut an Quersehliffen anzutreffen sind, und die wit daher zweekm~fligerweiseerst dort bespreehen (Abb. 14). Wodieschwarzen und grauen Felder jeweits beide in ziemlich gleicher Breite angetroffen werden - - dieser Fall interessiert uns zunAchst alleine - - (Abb. 3 neben der Klammer), ist regelm~Big jedes schwarze Feld beiderseits fast symme- triseh yon einem grauen flankiert und umgekehrt. Man sieht dann die sehwarzen und die grauen Felder fast ihrer ganzen L~nge nach durch eine sehmale ,,weiBe Zone" wie dureh eine Kittlinie miteinander verbunden.

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174 Wilhelm 8fi13 :

Vergleicht man einzelne, jeweils gleichgef~rbte schwarze oder graue Felder in ihrer Gestalt miteinander, so 1/~Bt sich folgendes feststellen: Nur ausnahmsweise erscheint ein solches Feld ziemlich gerade gestreckt (neben der Klammer in Abb. 3). Die meisten zeigen eine schwache s- fSrmige Krtimmung und sind bald mehr nach der einen, bald mehr nach der anderen Richtung geneigt. Nur wenn diese s-fSrmigen Kriimmungen deutlich hervortreten, sind die weil3en Zonen, die sich zwischen den grauen und schwarzen Feldern befinden, verbreitert (Abb. 3, a). Die

Abb. 2 und 3. Stiick einer Zahnkronc in i ibereinanderlicgendcn Paran~lebenen abgeschliffen (Eckzahn, Hund) . Auszug aus einer Pho tog rammser i e (Ultropak). VergrSilerung 60fach. Zwisehen abweehselnd schwarz und g rau e r s che inenden , ,Schme lz sch i ch t en" i s t jeweils eine helle Zone zu sehen. Schwarze Schmelzschicht Sch.; graue Schmelzschicht G; IIelle Zone , ,~be rgangszone" H ; Dent in D; Schmelz S. Die dunklen Stellen haben das H a m a t o x y l i n

s t a rke r angenommen .

genannte Verbreiterung kann so hochgradig sein, daft eine weil3e Zone sogar eine breitere F1/~che einnimmt, als ein graues oder schwarzes Feld (vgl. a in Abb. 3 mit b in Abb. 2).

Alle diese charakteristischen Eigenschaften eines L/~ngsschliffes er- lauben uns folgenden Schlufl: Jedes einzelne Fe ld ist in dem Naehbar- sehliff einer Schliffserie immer nur einem einzelnen so/~hnlich, dab man eine Spezifit~t der Architektur des ganzen Schmelzes annehmen muff. Der Vergleich der mit der Klammer versehenen Stellen in den beiden ver- sehiedenen Schliffen (Abb. 2 und 3) gibt ffir die Richtigkeit dieser Annahme wohl einen ausreiehenden Beleg. Worin nun diese Spezifit/~t besteht, werden wir im fo|genden zu untersuehen haben.

Die gegenseitige ~hnliehkeit der Schliffbilder reicht aus, um sehon an Hand einer Auszugss~rie yon unseren Pr~paraten eine graphische Rekon- struktion ausffihren zu kSnnen. In Abb. 4 ist deswegen absichtlieh auf eine Wiedergabe aller bei dieser Rekonstruktion benutzten Schliffe

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verzichtet worden. Wir kSnnen schon an drei beliebig gew~hlten, bei etwa 300facher VergrSBerung gepausten Photogrammen eine r~umliche Vorstellung yon unseren Befunden an L~ngsschliffen gewinnen: Die schraffierten Bezirke in der L~ngsschliffrekonstruktion entsprechen den cbengenannten schwarzen Feldern der Abb. 2 und 3, die nichtschraf- fierten entsprechen dagegen den grauen. Die mit gestrichelten Linien und einzelnen Punkten umgrenzten Abschnitte sind ieweils in tiefer gelegenen Schliffebenen zu denken, als die mit fortlaufenden Linien umgrenzten Be- zirke. Die zwischen den zungenfSrmigen Feldern nichtschraffierten Bezirke stel- len die oben sog. weii3en Zonen dar. Die Horizontallinien am linken Rand der Abbildung entsprechen der Schmelz- dentingrenze. Die vorliegende Rekon- struktion, die als Fortsetzung der oben abgebildeten Schliffserie in eine tiefere Schmelzlage vorzustellen ist, l~Bt uns nun erkennen, dab die periodisch ver- teilten Felder in den einzelnen L/~ngs- schliffen in Wirklichkeit Schichten dar- stellen, die man als ,,Schmelzschichten" bezeichnen kann. Vergleichen wir den unteren Bildabschnitt in Abb. 3 mit der Fortsetzung dieses Bezirkes in der tiefe- ren Ebene (Abb. 4), so bemerken wir, dal3 sich die Lagen dieser Schmelz- schichten in den Ebenen der einzelnen Schliffe verschieden einstellen. In den Schliffebenen der Rekonstruktion bei Abb. 4 sind die Schmelzschichten, in

Abb. i . ,~uszug aus einer g raph i sehen Rekonstrukt ion yon au,einande~folgen- den Pho t o g r a m m e n yon L&ngsschliffen. Obere Schteht schwarz ausgezeiehnet, mit t le re Schlcht ges t r i che l t , t iefe Schich t punkt ie r t . A b s t a n d dere inzel - nen S c h i c h t e n e t w a 30 ~. Zwischen den drel dunkel erscheinenden Feldern sind zwei hell erschelnende Fe]der (., Graue Fe lder" ) zu sehen. Bel x is t ein as t - a r t ige r Ausl~ufer der u n t e n abgebilde- ten Schmelzschicht n i ch t gezelehnet.

Richtung zur freien Schmelzobeffl~che verfolgt, sehr~g naeh unten geneigt, in dem vor oder hinter diesen Schliffebenen angrenzenden Gebiet dagegen schr~g nach oben. Die genauere Untersuchung solcher l%ekonstruktionen zeigt auch hier wieder einen Rhythmus: Die einzelnen Schmelzschichten schwingen nitmlich, und zwar alle gemeinsam in der- selben Weise, um eine Ruhelage, die etwa senkrecht zur freien Schmelz- oberfl/~che steht (Abb. 19). (Sie sind also wellenfSrmig.) Charakteristi- scherweise ist der Ausschlag dieser Wellen nahe der freien Schmelzober. fl~che grSl]er als nahe der Schmelzdentingrenze (Abb. 19).

Betrachten wit auf Abb 5 z. B. die mit Klammer bezeiehnete Stelle bei st~rkerer VergrSBerung, so zeigt sich, dab die Felderung in unseren L~ngs. schliffen durch eine gleichm~flige Verlaufsrichtung der Schmelzprismen in den einzelnen Schichten bedingt ist. Dort, wo die Prismen quer

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176 Wilhelm Sti6:

oder nur wenig schr~g in der Schliffebene getroffen liegen, sehen wir viel interprismatische Substanz bzw. ,,Arkaden" oder (nach ge- eigneter _~tzung) iiberhaupt bestimmte Au6enfl/~chen der Prismen auf engem Raume zusammengedr/~ngt einen dunklen Abschnitt in der Bild- ebene bilden. Wo die Prismen, die eine Schmelzschicht ausmachen, da- gegen mehr der L/inge nach getroffen sind, erscheint die Schliffebene hell (grau). Wir kSnnen also bei den angeschliffenen (mit WEmERTschem H/~matoxylin gef/irbten) und im auffallendem Licht (Ultropak) betrach-

teten Schmelz die Farb- intensit~t, d. h. also in der Photographie den Grad der Schw~rzung im we- sentlichen als ein MaB fiir die Schr/~gstellung der Prismen (relativ zur Schliffebene gerechnet) betrachten. Die Hellig- keitsdifferenzen sind also in der Photographie we- sentlich ein Ausdruck von

Richtungsdifferenzen. Wir dtirfen uns daher nicht vorstellen, dab die Schliffe allein ihrem Ma- terial nach mehr oder

Abb . 5. l ~ n g s s c h l i f f , , S c h m e l z s c h i c h t e n " bei st~trkerer weniger H~matoxylin ge- Vergr6•erung. D e n t i n D ; Schmelz S ; VergrSf le rung f~rbt, also in der Photo- 170fach . Die d u n k l e n Ste l len h a b e n das ~I t tmatoxyl ln graphie schwarz oder

st~trker a n g e n o m m e n . grau erscheinen. Eine

Identifizierung bestimmter Prismengruppen allein auf Grund ihres f~rbe- rischen Verhaltens in einer bestimmten Sehliffebene, ohne Zuhilfenahme yon Schliffen verschiedenster Schliffrichtung, w~re bei unserer Methode nicht zul~ssig. Die genauere Betrachtung yon Abb. 5 ergibt: In dem Gebiete der drei mit Klammer markierten Felder reichen die PrisInen, deren angeschliffene Enden den reehten Rand der dunklen oder grauen Felder bilden, ohne Unterhrechung bis an die freie Schmelzoberfl~che heran. Wenn wir also diese drei Felder auf Grund unserer Rekonstruk- tionen (vgl. Ahb. 4) als Querschliffe ganzer Schiehten yon Sehmelz- prismen erkannten, so miissen wir jetzt noch klarer feststellen, daft eine solche Schieht aus zusammengehSrigen Prismen besteht die bis an die freie Schmelzoberfl~che heranreichen. Das n~mliche l~flt sich bei stiirkerer Vergr66erung aueh fiir das basale Ende eines solchen Feldes feststellen. Die Durchsicht unserer Serien hat gezeigt, dab dieser Befund iiberhaupt fiir jedes Feld unserer L/~ngssehliffe gilt. Nur diese ganzen

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Schichten wollen wir daher in Zukunft ,,die Schmelzschichten" nennen und uns dann daran erinnern, dab diese Schichten in der ganzen Dicke der Schmelzkappe halskrausenartig das Dentin rings umgeben (Abb. 19).

In ieder solchen Schmelzschicht steigen nun die Prismen, ]eweils zu einem einheitlichen Verbande zusammengeschlossen, bald einen Wellen- kamm hinauf, bald senken sie sich in ein Wellental hinab, ws sie sich gleichzeitig v o n d e r Schmelzdentingrenze entfernen, um dann in allms l~ichtungss schlieBlich in mehr steilem Verlaufe die ~uBere Sehmelzoberfl~che zu er- reichen (SchemaAbb. 19). Dabei ist in den schwarz und grau er- scheinenden Schmelzschichten die Ausrichtung der Prismen offenbar gegenl~ufig, das soll heiBen, die Prismen z.B. eines schwarzen Feldes, steigen schr~g aus der Bildebene heraus, da- gegen die des grauen senken sich schr~g in die Bildebene hinein. Wenn man n~.mlich die Schliff- ebene in Abb. 5 um eine vertikale Ahb. 6. Eekzahnsp i t ze . Bei x zeigcn die Schmclz-

A c h s e neigt (nicht abgebildet), sch ich ten nu r auBen einen K o n t r a s t y o n hell u n d dunkel . Die Sehmelzsch ieh ten s ind hier

SO ~ndert sich gesetzm~l~ig die nich t deu t l ich bis zur Schmelzden t ingrenze zu

Helligkeit der einzelnen Felder vcrfolgen. HNO.,; Hamatoxylln; Ultropak; VergrhBerung 60faeh.

mehr und mehr derart , dab der Kontrast zwischen den bisher sog. schwarzen und grauen Feldern in weiB bzw. schwarz ein Maximum oder umgekehrt in einem gleich- ms Grau ein Minimum erreicht. In letzterem Falle liegt often- bar die Richtung der Prismen in allen Schme|zschichten symmetrisch zur Schliffebene. Wenn dagegen die Felder, an denen wir die einzelnen Schmelzschichten erkannten, in einem L~ngsschliff alternierend bald schwarz, bald weiB erscheinen, dann liegt die Sehliffebene nahezu parallel zu den Prismenziigen, die sich z. B. in der geradezahligen Reihe der Schmelzsehichten befinden, dagegen senkreeht zu denjenigen in der ungeradezahligen Reihe. MEYER hat in der Abb. 30 seiner Zahnhisto- logie einen solehen Fall abgebildet, merkwiirdigerweise aber nicht erkannt, dab dieser Befund allein schon sich unmhglich mit der herkhmmliehen und bei ihm noch vertretenen Auffassung vertr~gt, dab die Schmelzprismen an ihrem Anfang und an ihrem Ende lange Strecken radii~r zur L~ngs- achse des Zahnes stehen und dabei nur ein kurzes Zwischenstiick zwischen ihrem Anfang und Ende (Abb. 20) sozusagen vorfibergehend ausbiegen. Wir teilen demnach die schematische Auffassung vonde r Anordnung der Sehmelzprismen, die wir zum Vergleich mit unseren Pr~paraten nach dem herkhmmlichen Schema in unserer Abb. 20 wiedergeben, nieht, werden

Z. f. Zel l forsehung, Aht . A. 30, Bd. 12

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178 Wilhelm Still:

aber im folgenden noeh zu erkl/~ren haben, auf welchen sehr wohl ver- st/~ndlichen, aber frfiher miBdeuteten Befunden diese irrttimliche Vor- stellung beruht.

Charakteristisch fiir Li~ngsschliffe ist im besonderen noch folgendes: In der N/ihe der Schmelzdentingrenze sind alle Prismen zur Wurzelspitze hin abgebogen. Diese Gesetzm~tBigkeit ist bei st~trkerer VergrSBerung unschwer an jeder beliebigen Stelle zu sehen (die oben benutzten Ver- gr6Berungen sind zur Demonstration dieses Befundes zu klein, so dab wir das Gemeinte nut in der Abb. 5 unten, wenigstens einigermaI~en er- kennen k6nnen). Am Pr/tparate 1/iBt sich entsprechend dieser Abbiegung in jedem L/ingssehliff leieht entscheiden, wo sein okklusales und wo sein apikales Ende liegt, wenn man nur eine gentigende Vergr6Berung benutzt.

Vergleieht man L/ingssehliffe aus den mehr apikal und den mehr okklu- salw/trts gelegenen Gebieten der Krone miteinander (Abb. 3 und 6), so zeigt sich eine Besonderheit im Aufbau des Schmelzes an der Zahnspitze. Hier an der Zahnspitze ist der Kontrast der ,,schwarzen" und ,,weiBen" Folder nur in den/~ulleren Sehmelzschichten kr/fftig, dagegen in tieferen Lagen der Sehmelzkappe nur sehr schwach. Die Verh/fltnisse liegen also hier umgekehrt wie in den mehr apikalwarts gelegenen Gebieten des Sehmelzes.

Tangentiaisehliffe. Eine erste Aufkl~rung der obigen Befunde bringen uns Serien,

die durch Flachschleifen in einer Ebene tangential zur Oberfl~che der Sehmelzkappe gewonnen sin& Wir bilden hierzu aus einer fortlaufenden Serie die Photogramme 7--10 ab. Die erste Abbildung yon dieser Serie (Abb. 7) zeigt uns einen Schliff, der die Prismen dicht unter der freien Sehmelzoberfl~ehe trifft. Der folgende Schliff (Abb. 8) liegt 80 p tiefer als der bei Abb. 7, ebenso liegt wieder der n~chste (Abb. 9) um weitere 80~ tiefer als der bei Abb. 8. Der Schliff (Abb. 10) jedoch liegt nur um eine Schieht yon 40/~ yon dem letztgenannten entfernt und be- findet sich sehon in etwa 30/~ N~he yon dot Schmelzdentingrenze. In den hier in Frage stehenden Sehliffebenen, in denen wir in den Abb. 7 his l0 die Prismen zeigen, sind die Schmelzprismen jetzt regelm~Big viol mehr quer getroffen als in den bisherigen Schliffen (Abb. 2, 3, 5, 6). Bei den sehwach vergrSBerten ~bersichten yon Flaehschliffen (60faeh), die wir in Abb. 7--10 jetzt betrachten, erscheinen die Arkaden am Rande der Prismen fast nur als Punkte. Die Prismen selbst, die eine Dicke yon etwa 4p besitzen, sind bier eben als kleinste weiBe Folder erkennbar (Abb. 7).

Das Charakteristisehe der T~ngentialschliffe besteht in den regel- m~fligerr,,Wellen", die rings um den Zahn, also quer zu dessen L/~ngsaehse, verlaufen (Abb. 7): In der genannten Abbildung verlaufen diese Wellen der Orientierung des Bildes entsprechend horizontal. Die einzelnen Wellen, yon denen in den Abbildungen drei beliebige jeweils mit den

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l~ber die Architektur des Schmelzes. 179

Buchstaben a, b, c markiert sind, erseheinen in der Photographie an dem linken und rechten Rande der Abbildung abgeschnitten. Zwischen diesen offenbar zuf~lligen Grenzen verlaufen die einzelnen Wellen offenbar sehr regelmgl3ig. Sie sind deutlich phasengleich fibereinander gesehichtet. Trotz dieser fast schematisch erscheinenden RegelmgBigkeit dieser Wellen ist es nicht ganz leicht, ein und dieselbe Welle yon dem einen Rande der Abbildung his zu dem anderen zu verfolgen. Denn betrachtet man z. B. die Welle a in der N~he des rechten Bildrandes, so erscheint sie hier durch eine satte, schwarze F~rbung aus ihrer Umgebung hervorgehoben. Links

Abb. 7 u n d 8. Zwei a u f e i n a n d e r f o l g e n d e Bi lder e iner Sel~e m i t Schl i f febenen , die t a n g e n t i a zu r Zahnobe r f l l t che l iegen. Die que r g e t r o f f e n e n S c h m e l z p r i s m e n sind eben n o c h a ls P u n k t e

z u sehen . HNOa; H ~ m a t o x y l i n ; U l t r o p a k ; Verg r6Berung 60 fach .

im Bride dagegen sehen wir dieselbe Wetle jedoch deutlich weiB. Je tiefer die Schliffebene liegt, die uns die einzelnen Wellen zeigt, desto deutlieher erscheint gesetzmgBig dieser Farb- bzw. Helligkeitseffekt. In der tiefsten Sehicht (Abb. 10) zeigen die Helligkeitsunterschiede ihr Maximum. Hier entstehen extreme Kontraste. Die hier iibereinanderliegenden Schmelz- schiehten erscheinen dabei abwechselnd sehr dunkel oder sehr hell.

Nach unseren obigen Beobachtungen an Lgngssehliffen ist die Natur dieses Befundes hier an den Tangentialschliffen leicht zu beurteilen. Wenn man ngmlieh einen Flachschliff (z. B. in der Gegend des Schnittpunktes zwischen den beiden Pfeilen in Abb. 7) mit stgrkerer Vergr61lerung betrachtet (Abb. 12), so sieht man, dall jede Welle jeweils durch eine einheitliche Anordnung gleichgerichteter Arkaden gekennzeichnet ist. Wir haben in der Abb. 12 am linken Bildrande die Hauptrichtung dieser Arkaden durch Pfeile angegeben. Diese Pfeile veransehaulichen, dab gesetzmgBig in den einander benaehbarten Wellen stets die Rich- tungen der Arkaden einander entgegengesetzt sind. Aus dieser Gegen- s~tzliehkeit erklgrt sich das Alternieren des Farbtons bei den sehwarzen und grauen Feldern, die wir oben in unseren Lgngsschliffen kennenlernten.

12"

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180 Wilhelm SiiB:

Offenbar sind unsere Wellen, die wir in den Tangentialschliffen sehen, dasselbe, was wit in unseren L~ngsschliffen (Abb. 5) schwarze oder graue Felder nannten und dort in der Rekonstruktion als Schmelzschichten erkannten. Wenn eine solche Schmelzschicht tangential zur Oberfl~che der Sehmelzkappe angeschliffen wird, erscheint dasselbe Prismensystem, das eine Schmelzschicht aufbaut, nahe dem rechten Bildrande offenbar mehr quergeschliffen, nahe dem linken Bildrande dagegen mehr l~ngsgetroffen oder umgekehrt. Die Prismensysteme schneiden so in zwei aneinander- grenzenden Sehmelzschichten die Meridianebenen des Zahnes nur in

2Lbb. 9 und 10. _~us derselben Serie wle Abb. 7 u n d 8, F o r t s e t z u n g . Die Schl i f febenen bei 2Lbb. 7 - -10 ~olgen e inander yon au0en n a c h innen in der Reihenfo lge der Numer i e rung .

VgL die Stellen x in den Abb. 7- -10.

spiegelbildlich einander entgegengesetzten Richtungen. Das Verhalten der Prismen in Abb. 7--10 wird damit sofort verst~ndlich, wenn man weil~, dal~ in diesen Abbildungen jeweils eine Meridianebene des Zahnes vertikal durch die Mitte des Brides geht, w~hrend alle anderen Meridianebenen symmetrisch dazu naeh links oder nach rechts hin geneigt sind. Man muB also hier beachten, dab in der rechten Bildh~lfte bei Abb. 7--10 die Radien des Zahnes mit einer Neigung nach rechts aus der Bildebene herausragen, in der linken Bildh~lfte dagegen mit einer Neigung nach links. Die Verb~nde yon Schmelzprismen, die in jeder Schmelzschicht einen bestimmten Neigungswinkel zu den Meridianebenen bilden, schnei- den entlang diesen Radi~rrichtungen des Zahnes die Bildebene naeh dem linken und rechten Bildrande hin bald mehr in steilem, bald mehr in flaehem Verlauf zur Bildebene, je naehdem, ob sie in einer Sehmelz- sehieht in positiven oder negativen Winkeln zu den Meridianebenen liegen. Dementsprechend ist der Kontrast zwischen wei[~ und schwarz immer an dem linken und rechten Bildrande eines Flachschliffs am grSBten. An diesen Stellen erkennt man daher die symmetrisch gegens~ttzliche Ver-

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laufsrichtung der Sehmelzprismen in den einander benachbarten Sehmelz- schiehten am besten (Abb. 10). Diese Verlaufsrichtung der Sehmelz- prismen bezeichnen wir als bogenfSrmige ,,Schr~griehtung". Wir be- merken dabei, daB die Symmetrie dieser Schr~grichtung am sichersten beim Wellenkamm oder ganz unten im Wellental relativ zu Meridian- ebenen zu bestimmen ist (Abb. 19). Die hiermit klargestellte Einheit- liehkeit in der Riehtung der Schmelzprismen war aus den L~ngsschliffen noch nicht so deutlich zu ersehen, da die Prismen dort nicht unmittelbar erkennen lieBen, ob sie mehr am Seheitel oder mehr im Tale einer Welle getroffen sind. Wenn ein L~ngsschliff wie in Abb. 5 nur wenig um eine horizontale Achse geneigt liegt, so mfissen in den verschiedenen schwarz

,u 11. Cel lophanrekons t rukt ion der Schmelzschichten a, b, c yon Abb. 7--10. Oberfl~tch- l ichste Schliffebene schwarz , mi t t l e re gestr ichel t , t iefe punkt ie r t . Abb. 8 ist in der Rekon- s t ruk t ion n ich t eingezeichnet . A b s t a n d der Schliffebene 7 - -8 und 8 - -9 jeweils 80 ~. A b s t a n d

9- -10 40 ~. Schliff 10 l iegt e t w a 40/~ yon der Schme!zdent ingrenze en t fe rn t .

oder grau erscheinenden Feldern jeweils Wellenberge und Wellent~ler angetroffen werden, so dab in solchen Schliffen Verb~nde yon Schmelz- prismen mit deutlich verschiedener Schr~griehtung erscheinen.

Im besonderen zeigen die Flachschliffe noch folgende Einzelheiten: 1. Die ]~bergangszonen, die wir schon in Abb. 5 zwisehen den grauen

und schwarzen Feldern fanden, sind hier zum ersten Male fibersicht- lich zu sehen. Man sieht sie jetzt in den mittleren Bezirken eines Tangentialstiftes an der Grenze zwischen zwei einander benachbarten Sehmelzschichten als gleichm~Big schmale, schwarze S~ume (Abb. 9 und 10). Ein jeder Saum sieht hier bei st~rkerer VergrSl3erung (Abb. 12) gleichm~13ig grau aus. Er erweist sieh hier als eine arkadenfreie Zone (Abb. 12A), in der man bei geeigneter Optik regelmgBig eine scharf gezeichnete Wabenstruktur, die yon quer getroffenen Prismen herrfihrt, nachweisen kann (nieht abgebildet). Wenn eine solche Zone yon Sehmelz- prismen auf einem Lgngssehliff am ~bergang yon einem Wellental in einen Wellenberg getroffen wird (benutze hierzu Abb. 19), dann trifft man diese Obergangszone zwischen den beiden hier aneinandergrenzenden Schmelzschiehten im Flachschliff (Abb. 5 rechts unten). In einer Meridian- ebene des Zahnes gesehliffen erscheinen solche Zonen nattirlieh dann dfinn und well3 (Abb. 5 neben dem oberen Teil der Klammer). Der lineare auf allen Tangentialschliffen gleiehartige Verlauf eines schwarzen Saumes, an dem wir hier die l~bergangszone (Abb. 19 ~) erkannten,

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]82 Wilhelm SiiB :

beweist, dal~ es sich auch hier jeweils um eine Schicht von Prismen mit einheitlichem Verlauf handelt. Die Einheitlichkeit des Verlaufes dieser Prismen besteht gem~B Abb. 12 in einer vorwiegend radi~ren (sog. arka- denfreien) Einstellung. Diesseits und jenseits, also fiber oder unter dieser ~bergangszone, befindet sich dann jeweils in ziemlich scharfem Winkel gegen die Prismen der Ubergangszone abgesetzt das Prismensystem der ,,Schmelzschichten", deren spiegelbildliche Orientierung uns die Abb. 19 bereits zeigte. Diese beiden der Anordnung ihrer Prismen nach also von- einander differenten Schmelzschichten sind demnach durch die l~ber- gangszone immer wieder miteinander verbunden. Es liegt anscheinend eine dreigliedrige Einheit vor. Diese Struktureinheit des Schmelzes kann man als ein Schmelzschichtenband oder kurz als ein Schmelzband be- zeichnen (Abb. 19). BLECHSCHMIDT hat neuerdings der Dreigliedrigkeit derartiger Systeme ein allgemeinere Bedeutung zugeschrieben (1938).

2. Verfolgen wir nun die einzelnen Wellen, durch die sich die Schmelz- schichten in den Flachschliffen offenbarten, durch die ganze Reihe unserer Serien (Abb. 7--10), so f~llt auf, dab auch hier wieder, ~hnlich wie in den Li~ngsschliffen an jeder einzelnen Welle soviel charakteristische Merkmale festzustellen sind, dab es unschwer gelingt, auch in den Dimen- sionen der Flachschliffe die Spezifit~t in der Anordnung der Prismen zu finden. Es ist unschwer z. B. die Welle, die in Abb. 7 mit x markiert ist, bis in alle folgenden Schliffe zu verfolgen. Es bietet auch keine Schwie- rigkeit, z. B. die Wellen a, b und c, auch wenn sie nur in einer Auszugsserie abgebildet sind, graphisch zu rekonstruieren (Abb. 11). Hier erkennt man dann deutlich, daB, jeder einzelnen Welle entsprechend, jeweils eine be- st immte Schmelzschicht yon der Dentingrenze bis zur freien Schmelz- oberfl/~che verl~uft. Ich habe reich auch an Flachschliffen, die hier nicht abgebildet sind, immer wieder gut davon fiberzeugen k6nnen, dal] w~th- rend dieses Verlaufes der Schmelzschichten die Amplituden der Wellen gesetzm/~Big in der N~he der Schmelzdentingrenze am geringsten sind, hier aber niemals bis auf Null absinken (vgl. z. B. die Abb. 10, die uns einen Schliff aus der Gegend der Schmelzdentingrenze zeigt, mit Abb. 7, die uns einen Bezirk in der NiChe der freien Schmelzoberfl/iche zeigt). Es muB also jede ,,Welle" an ihrem Scheitel gesetzm/iBig einen langen Wellenkamm besitzen, der yon der Schmelzdentingrenze bis an die freie Schmelzoberfl/~che reicht (Abb. 19). Wie die Abb. 7--10 erkennen lassen, liegen alle Wellenk/~mme regelm/~Big ziemlich in Meridianebenen etwa parallel fibereinander.

Wenn man in den einzelnen Schmelzschichten die Richtungen verschie- dener Wettenk/~mme miteinander vergleicht, so ist zu beobachten, dab diese im allgemeinen nahezu radi/~r zur L~ngsachse des Zahnes eingestellt sind. Nur an der Zahnspitze erscheinen die Wellenk/~mme leicht gebogen und zwar so, dab sie mit der Konkavseite ihrer Biegung okklusalw/~rts zeigen (Abb. 19 links).

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~ber die Architektur des Schmelzes. 183

3. Eine besondere Eigenttimliehkeit zeigen die Wellen in der N~he der Schmelzdentingrenze (Abb. 10). Hier sieht man auff~llige ,,astfSr- mige Bildungen" in spitzem Winkel yon den einzelnen Sehmelzschichten abgehen und sich in die jeweils angrenzende Schmelzschieht fortsetzen. In Abb. 10 ist ein solches astfSrmiges Gebilde mit dem Buchstaben x markiert. Die hiermit bezeichneten Prismen sind aueh in Abb. l l, und zwar dort an der mittleren Schmelzsehicht, zu sehen (Abb. 11 rechts).

Abb. 12. Ausschnitt aus -~bb. 7 bei stfirkerer VergrSBerung. Die Pfeile zeigen die Richtung der Arkaden an. ,,Schmelzschicht" Sch.

Verfolgt man den gemeinten Abschnitt von Abb. 10 an in eine Schmelz- lage, die sich etwas weiter auBen in der Schmelzkappe befindet (Abb. 9), so trifft man ihn auch dort noch an. Noch weiter auBen dagegen (Abb. 8) linden wir nur noch einen kleinen Rest dieses Prismenbezirkes. In Abb. 7 ist bei x dieser Bezirk nicht mehr zu sehen. Die Ausbiegung der Sehmelzschicht, welche als Wellental diesen Anhang, dieses astfSrmige Gebilde trug, l~dt hier besonders tief nach unten aus. Ich konnte mich an meinen Serien davon fiberzeugen, dab solehe Anhangsgebilde niemals bis an die freie Sehmelzoberfl~che zu verfolgen sind vielmehr stets in den Schmelzschichten, welchen sie angehSren, schon in tieferen Lagen enden. Dort, wo sie krs ausgebildet sind, das ist nahe der Schmelzdentln- gre~ze, zeigen die astf5rmigen Gebilde gleichgef~trbter Schmelzschichten stets nach derselben Richtung, also entweder naeh dem rechten oder nach dem linken Rande des Bildes. Nach meinen Rekonstruktionen muB ich diese Gebilde fiir Falten halten. In Abb. 19 sind drei solcher Falten

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184 Wilhelm SfiB:

schematisch abgebildet. Die Regelm~Bigkeit der Falten ist hier etwas fibertrieben. Wir dfirfen uns also im Gegensatz zu dem Schema in Wirk- lichkeit nicht vorstellen, dab jede Welle eine gleich deutliche Falte be- sitzt, wie irgendeine andere Welle sie aufweist. Es gibt Schmelzschichten, die ihre Falten an den Wellenbergen tragen und andere, die sie nur an den Wellent/~lern besitzen. Jedes Sehmelzband seheint gesetzm/~Big jede dieser beiden Arten yon Schmelzschichten, jeweils an seiner unteren bzw. oberen Seite, zu besitzen.

Quersehliffe. Seheinbar vSllig andere Befunde geben Serien, deren Sehliffebene

transversal zur L~ngsaehse des Zahnes liegt. Auf solchen Sehliffen sind zun~chst nieht einmal die schwarzen und grauen Felder zu diagnosti- zieren, noeh weniger die einander gegenl~ufigen Richtungen der Prismen. Sieht man aber genauer zu (Abb. 13), so f~llt doch sehr bald auf, dab aueh hier in immer wieder bestimmten Absts n~mlich in den Entfernun- gen von etwa 150---200/u immer wieder ~hnliche Abschnitte von Prismen- verb~nden auftreten. Wenn wir die Abst~nde der Prismenverb~nde etwa nahe der freien Schmelzoberfl~tche fiber den beiden schwarz linierten oder fiber den beiden punktiert gezeiehneten Pfeilen in Abb. 13 miteinander vergleiehen, oder die einander gleiehgeriehteten Prismenzfige unter den Marken 1---4, so sehen wir auch hier sofort, dab wieder dieselbe Gesetz- m~il]igkeit zum Vorschein kommt, die wir schon oben fanden: Die Wellen. Die Xhnlichkeit der beiden dunklen y-fSrmigen Felder fiber dem linken und mittleren Pfeil erkl~rt sich wieder aus unseren Wellen. Der Abstand der beiden y-fSrmigen Prismenbezirke miBt yon links nach rechts etwa 1/10 m m und entspricht damit der Ls jener aus 4 7 Prismenreihen bestehenden Wellen, die wir oben bei Abb. 12 sahen. Es bedarf wohl keiner besonderen Erkl~rung, dab diese y-fSrmigen Figuren Tangential- schliffe durch Wellenk~mme sind.

Dementsprechend gehSren die Prismenfelder unter den Marken 1 4 in Abb. 13 jeweils zu ein und derselben Schmelzschicht. Dies geht nicht nur aus ihrem gegenseitigen Abstand, sondern auch sehon aus der Gleichartigkeit der Verlaufsrichtung ihrer Prismen hervor. Die mit Marken 1--4 bezeichneten Felder zeigen Prismen, die alle in nahezu demselben Niveau dieselbe Verlaufsrichtung besitzen. Nach unseren obigeu Befunden ist diese Gruppierung der Prismen selbstverst~ndlich, da im Transversalschliff eine einzelne Schmelzschicht niemals in ganzer Ausdehnung, vielmehr stets nur lfiekenhaft angetroffen werden kann. Wir haben in der Cellophanrekonstruktion (Abb. 15 bzw. 16) einen Ansehliff yon einer Sehmelzschieht gepaust. Die Richtung der hier ge- troffenen Prismen ist in den beiden Abbildungen dureh Sehraffierung dargestellt. Man sieht hier die Fortsetzung eines solchen Anschliffes yon einer Schmelzschieht in den jeweils ns Schliff der Bildserie

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~ber die Architektur des Schmelzes. 185

durch Punktierung angedeutet. Sowohl in den mit Rechtsschraffur als aueh in den mit Linkssehraffur versehenen Feldern haben alle Prismen, wie zu erwarten war, in der ganzen Rekonstruktion jeweils spiegelbild- lich einander entgegengerichteten Verlauf (vgl. die Rekonstruktion mit Abb. 19). Die Rekonstruktion (Abb. 15 und 16) zeigt offenbar Schmelz- prismen, die sich in zwei einander benachbarten Schmelzschiehten be- finden.

Jetzt erst sind wir in der Lage, jene angeblich komplizierten Ver- biegungen der Prismen, die die Schemata der Lehrbiieher zeigen (Abb. 20),

Abb. 13. Aus einer Serie m i t Schliffebenen quer z u m Zahn. Die m i t Pfeilen mark i e r t en Stellen zeigen Stellen derselben , ,Schmelzsch ich t " an, HNO3; ~Ifimatoxylin;

60 la the VergrSflerung.

Abb. 14. Aus derselben Serie wl~ Abb. 13.

in ihrer wahren Architektur zu erkennen. Denn betrachten wir eine solche Verbiegung in einer bestimmten Schliffebene (Abb. 17, Gegend zwischen den Pfeilen und der Klammer) und verfolgen diese in die n~chste Schliffebene (Abb. 18), so sehen wir, dab jene komplizierte Ver- biegung in Wirklichkeit nur auf einer Ineinanderprojektion verschiedener Schmelzschichten beruht. Die Prismen zwischen den oberen Pfeilen der Klammer in Abb. 17 setzen sich offenbar in der Schlfffebene bei Abb. 18. in fast geradelinigem Verlaufe fort (s. die Bezirke zwischen dem unteren Pfeil und der Klammer). ~hnliche Beobachtungen lassen sich an be- liebigen Stellen anstellen. Also auch die Transversalschliffe ergeben, dab eine Anordnung yon Prismen, so, wie sie die Figuren der Abb. 20 vorstellen lassen, nicht existiert, dab es sich vielmehr im Aufbau der Sehmelzmasse um ,,schr~ggerichtete" Prismen (schr~g zu den Meridian- ebenen des Zahnes) handelt (Abb. 18 und 19).

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186 Wilhehn SiiI3 :

Zusammenfassend halten wir also fest, dal3 die Prismen in den einzelnen Schmelzschichten durchgehend schr~g yon der Schmelz* dentingrenze bis zur freien Schmelzoberflhche ziehen. Wir halten als Charakteristikum ~fir einen Querschliff die Prismen etwa bei der Marke 3 oder die Prismen fiber dem linken, punktiert gezeichneten Pfeil in Abb. 13 lest. In dieser Schr~grichtung zeigen die Prismen

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A b b . 15.

A b b . 16. ~ b b . 15 u n d 16. A u s e ine r Se r i e m i t S c h l i f f e b e n e n q u e r z u m Z a h n , C e l l o p h a n r e k o n s t r u k t i o n y o n F e l d e r n e in und d e r s e l b e n , , S c h m e l z s c h i c h t " . D i e s c h w a r z e n u n d die p u n k t i e r t e n F e l d e r s t a m m e n a u s z w e i a u f e i n a n d e r - f o l g e n d e n S c h l i f f e n . A b b . 15 u n d 16 s i n d l i n k s in d e r Z i c k z a c k l i n i e z u r D e c k u n g z u b r i n g e n . D i e s c h w a r z a u s g e z e i c h n e t e n l i n d d ie p u n k t i e r t e n L i n i e n l i egcn in

b e l d e n A b b i l d u n g e n j ewe i l s i m s e l b e n N i v e a u .

in den einander benach- barten Schmelzschichten einen einander spiegelbild- lich entgegengesetzten Ver- lauf (Abb. 19).

Bei genauerem Zusehen bemerkt man, dal~ hierbei die Prismen in der NiChe der freien Schmelzober- fl~che noch ein wenig zu dieser Oberfl~che hin ab- biegen (Abb. 5 und Schema. Abb. 19). Hier in dieser Gegend gleichen sich die Prismen in ihrer Richtung den wenigen mit fast ra- di~rer Hauptrichtung ver- laufenden Prismen in der l~bergangszone an (Abb. 19, 22). In der Gegend der Zahnspitze scheint diese Steilstellung geringer oder umgekehrt die Schr~g- stellung starker zu sein (nicht abgebildet). Auf diese ]etzte Beobachtung kommen wir weiter unten noch zurfick.

Bespreehung der Befunde. Naehdem wir im obigen Kapitel eine Reihe von Tatsachen festge-

stellt und dureh Abbildungen belegt haben, ist es jetzt nachtr~glich viel- leieht am Platze, noch einiges fiber das Grunds~tzliehe, das uns bei der vorliegenden Untersuchungen besehi~ftigt hat, vorzutragen. Wohl in den meisten eingehenderen Darstellungen der Zahnhistologie ist die Be- merkung zu finden: die Schmelzprismen mfiflten naeh der freien Ober- flhche der Schmelzkappe hin allm~hlich dicker werden, d .h . an Ober- fli~che zunehmen, da ja die Sehmelzkappe bei ihrem Wachstum an

Page 17: Über die Architektur des Schmelzes

~ber die Architektur des Schmelzes. 187

Oberf l i iche z u n i m m t . So unbeg r i i nde t diese Auf fas sung ist, so sehr

v e r s t e c k t sich in ihr e in pr inzip ie l les P r o b l e m . I s t es i i b e r h a u p t vors te l l - bar , dab die Oberfl/~che der S c h m e l z p r i s m e n n a c h d e m s e l b e n Gese tze

w/s n a c h d e m auch die ganze S c h m e l z k a p p e w/~chst ? Mir sche in t es wahrsche in l i che r , dab das W a e h s t u m des g a n z e n Sys tems , das aus o rgan i schen B a u e l e m e n t e n a u f g e b a u t wird, sich nach ande ren Gese tzen als sie bei d iesen E l e m e n t e n se l ten vol lz ieh t .

Ein Beispiel kann das Gemeinte erlitutern: Schon vor etwa 40 Jahren habcn Lewis und Bttrdeen an sorgf~ltigen Rekonstruktionen von embryonalen Gliedmallen

Abb. 17. Aus einer Serie mit Schliffebenen quer zum Zahn. Das Prismenfeld zwischen den Pfeilen und der Klammer setzt sich in die entspreehend markierte Stelle bei Abb. 18 fort.

VergrfBerung 200fach. Abb, 18. Fortsetzung zur Abbo 17. VergriiBerung ebenfalls 200faeh.

gezeigt, dab schon beim Embryo yon 20 mm KSrperl~nge fast alle Muskeln vor- handen sind, die sich sp~ter bcim Erwachsenen vorfinden. Man kann bereits bci kleinen Embryonen, z .B. den M. deltoides, den M. biceps brachii usw. unschwer schon aus seiner Form erkennen (s. Abbildungen bei Ll~wis). Vergleicht man die Gestalt dieser Muskeln beim Embryo und beim Erwachsenen miteinander, so zeigt sich, dab diese Muskeln, bezeichnenderweise ohne ihre Anzahl zu vermehren, im Laufe dcr Entwicklung nur etwas schlanker werden, d .h . in ihrer L~nge relativ etwas mehr zunehmen als in ihrer Dicke. Ganz anders vollzieht sich die Entwick- lung der einzelnen Muskelfasern, aus denen diese Muskeln aufgebaut sind. Ich habe reich an Schnittserien, die mir zur Priifung ihrer Struktur- und Formverhiilt- nisse zur Verfiigung gestellt waren, sehr leieht davon iiberzeugen kSnnen, dab die Gestalt der Muskel/asern im Laufe der Entwicklung einem vSllig anderen Formenwandel als er ftir die ganzen Muskeln gilt nnterliegt. Die einzelnen Muskel- fasern weisen in demselben Muskel, den sie seit ihrer ersten Entstehung aufbauen, eine sehr erheblichc Vermehrung auf. Dabei nehmen sie gesetzmallig an Li~nge um

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188 Wilhelm Sfill :

ein Vielfaehes mehr zu als an Dieke. BL]~CHSCHmDT hat aus den genannten Pr~t- paraten (1938) zum ersten Male den SchluB gezogen, dal3 sehon beim embryonalen Waehstum im Inneren der Muskeln aneinander gleitende Verschiebungen der Mus- kelfasern stattfinden, ahnlich denjenigen, die bisher bei der sog. Kontraktion bzw. bei der Ersehlaffung yon Muskeln yon BE~I~GHOFF und FE)r~.IS beobachtet und namentlieh yon GO]~RTTL~R und seinen Sehfilern in sehr versehiedenen Riehtungen untersucht worden sind. BLECHSCHYlIDT hat aus der )~hnliehkeit, die zwisehen der

el

Abb . 19. S c h e m a vines , , S c h m e l z b a n d e s . " Die V e r l a u f s r i c h t u n g der P r i s m e n in de r obe ren , , S c h m e l z s c h i c h t " i s t d u t c h f o r t l a u f e n d e Linien, die de r u n t e r e n d u r c h S t r i c h e l u n g ange- d e u t e t . A p i k a l e r Tell e iner S c h m e l z s c h i c h t S ; S c h m e l z s c h i c h t e n b a n d ode r S c h m e l z b a n d B ; ~ b e r g a n g s z o n e ~ . (Die f r e i e Oberf l i tche de r S c h m e l z k a p p e i s t im V o r d e r g r u n d z u denken ,

Schme lz -Den t ing renzv t m H i n t e r g r u n d ) .

sog. wachstumsfunktioneUen und der sog. betriebsfunktionellen Arehitektur ge- funden werden kann, gefolgert, dab es demnach eine Funktionsentwicklung gibt. ])as Nahere hierfiber soil sparer in der bereits angekfindigten Arbeit fiber die wachs- tumsmeehanische Leistung der Muskulatur und des Skelets bei BLECHSCHMIDT mitgeteilt werden. Was uns bier an den genannten Praparaten im Augenbliek allein interessiert, ist der Grundsatz, dab also das Bauelement eines organisehen Systems wesentlieh andere Eigensehaften, wir meinen damit andere ,,Funktionen" als das

Abb . 20, S c h e m a yo re Ve r l au f de r S c h m e l z p r i s m e n n a c h MEYER. I Jeh rbuch d e r n o r m a l e n Hi s to log i e

de r Z~thne. Mi inchen : J . F. L e h m a n n 1932.

ganze System 1 besitzt [vgl. hiermit FOHRERS (1939)].

Mit der eingangs beschrie- benen Methode (Abb. 1 und 21) l~Bt sich feststellen, dag die freie Schmelzoberfl/~che in ihrem F1/ichenausmaB e twa das 1,3fache yon dem betr/~gt, was

die Oberfl/iche der Schmelzkappe an der Schmelzdent ingrenze mill t . (Ich habe vine Zahl yon 1,317 gefunden.) Dieses Zahlenverh/~ltnis g i l t nun ffir den Quot ienten der Oberfl/iche, welche die Enden der Schmelzpr ismen an der freien Schmelzoberfl/ tche und an der Schmelzdent ingrenze besitzen, nicht . Wi r haben an zahlreiehen Flachschl i ffen (durch Ausz~hlen einer grSBeren

1 So wenig es irgendwo wirkliehe Dinge ohne Eigensehaften gibt, ebensowenig gibt es im lebendigen Organismus echte Systeme, die ohne Funktionen shad. Dies kommt daher, dab ,,Funktionen" nichts anderes als Eigensehaften sind. BL~CH- SCH~DT ist der Ansieht, dab fiberhaupt die einzigen Eigensehaften, durch die der lebendige Organismus unter den jeweils gegebenen Umst~nden selbst in seiner Urn- welt in Erscheinung tritt, nur seine Funktionen, d. h. seine Leistungen sind. ])as gem gebrauchte aber sehr versehieden gemeinte Schlagwort ,,Funktionelles System" kann hier sehr miBverst~ndlich sein.

Page 19: Über die Architektur des Schmelzes

l~ber die Architektur des Schmelzes. 189

Anzahl quergetroffener Prismen und nachfolgende Fl~chenmessung ihres Querschliffs fiir die Enden der Prismen an der freien Schmelzoberflhche bzw. an der Schmelzdentingrenze) das durchschnittliche Dickenverh~tltnis der Prismen niemals gr6Ber als 1,12 gefunden. Bei Ausz/~hlung yon jeweils 100 Prismen habe ich in drei verschiedenen Messungen Durchschnittswerte yon 1,107, 1,112 und 1,118 gefunden. Die Abb. 22 und 23, die aus einer extrem an der Oberfl~che gelegenen bzw. nitchst der Schmelzdentingrenze befindlichen Schliffebene gewonnen sind, geben hierzu einen anschau- lichen Beleg. Man ist an solchen Pr~i- paraten charakteristischerweise nach AugenmaB gar nicht in der Lage zu bemerken, ob die Prismen nahe ihrem freien, oder nahe ihrem an der Schmelzdentingrenze gelegenen Ende getroffen sind. Nut wenn man die Prismen l~tngsgeschliffen unter- sucht, entsteht der Anschein, als ob die Prismen nach auBen betr~chtlich dicker wtirden, weil dann durch die immerhin grSBere H~ufigkeit, mit welcher einzelne Kanten yon Prismen in der Schliffebene erscheinen, die sichtbaren gegenseitigen Grenzen der Prismen relativ enger stehen. Man kann aber aus dem Abstand, in dem die Grenzen eines 1/~ngsgetroffenen Abb'21"~'Vachsplattenrck~176

Eckzahnes (Hund) nach Serienschliffen Prismas erscheinen, keine unmittel- eines Gipsabgusses Abl~. 1 hergcste]lt .

baren Schliisse auf die Dicke dieses )IodellhShe 36 cm.

Prismas ziehen. Solche Schliffe sind fiir Dickenmessungen ungeeignet. Man muB sich nun bei unseren Befunden fragen, wie es die Prismen

erreichen k6nnen, daB die Schmelzoberfl~che, die nach auBen doch immer- hin um 30 % grSBer wird, ausgefiillt, und dab damit das nach auBen zu- nehmende Volumen der Schmelzkappe vollst~ndig yon Prismen, die mit- einander verkittet sind, eingenommen werden kann. Hier werden die ge- fundenen Biegungen der Prismen (Abb. 19) yon Interesse. Da wit ge- funden haben, dab die Prismen bei ihrem Verlauf nach auBen zun~chst eine zunehmende Krfimmung aufweisen (schwarze und punktierte Linien in Abb. 19) und erst dann, wenn ihre Dickenzunahme meBbar deutlich wird, also in den ituBeren Zonen der Schmelzkappe sich steiler stellen, kann nicht gut ein Zweifel darfiber bestehen, dab die Schmelzarchitektur tats~chlich einen Ausgleich zwischen dem Fl~chenwachstum der Prismen und der ganzen Schmelzkappe gew~hrleistet: Denn durch Zunahme des schr/~gen Verlaufes verm6gen die Prismen mit Li~ngenwachstum

Page 20: Über die Architektur des Schmelzes

190 Wilhelm Siil~:

zu ersetzen, was sie an Dickenwachstum nicht aufzubringen vermSgen. Je sparer ein einzelnes Prisma bei zunehmendem Schr~gverlauf die freie Schmelzoberfl~che erreicht, desto mehr kann es zur Volumenver- grSferung des ganzen Volumens der Schmelzkappe beitragen. Man kann sich an einfachen Modellversuchen mittels Schniiren oder Dr~hten leicht von diesem Konstruktionsprinzip iiberzeugen. Das Wesentliche

ist, da f durch diese bogige Konstruk- tion die Schmelzkappe in der Lage ist, mit ein und demselben Baumaterial (den prismenbildenden Ameloblasten) Kronen verschiedenster Form und ver- schiedenster Volumens zu bauen. Hier diirfte die vergleichende Anatomie der Architektur des Schmelzes von Interesse sein.

Abb . 22. T a n g e n t i a l e r 2Lnschliff e iner SehluBfolgerung. S c h m e l z k a p p e (Hund) . Die Schmelz- p r i s m e n s ind n a h e a n i h r e m aul3eren Zuletzt dfirfen wir vielleicht noch Endegetroffen;VergrS13erung440fach. eine Vermutung aussprechen, wie sich

die gefundene Architektur des Schmelzes entwickeln kann. Man kann sich die Frage stellen, wie die einzelnen Prismen veranlaf t sind, in den verschiedenen Schichten des Schmelzes in verschiede- ner Richtung zu wachsen. Man kSnnte sich vorstellen, da f die einzelnen Prismen in sich selbst schon die Fahigkeiten tragen, jeweils eine bestimmte Rich-

Abb. 23. Tangential geschliffene tung w~hrend ihres Wachstums einzu- S c h m e l z k a p p e (Hund) . Die Schmelz- prismen sind nahe der Schmelzdentin- schlagen. Man kann sich aber auch den- grenzc getroffen. VergrSflerlmg wie in ken, daft die Prismen erst infolge einer

.~bb. 22; 440fach . vitalen Beantwortung von l~eizen, die

sie aus ihrer Umgebung empfangen, ihre jeweils verschiedene Wachstums- richtung einschlagen. Da wir fiir die Annahme ausschlieflich erblich ablaufender Wachstumsvorgange bisher iiberhaupt keine Beweise, ja nicht einmal sichere Anhaltspunkte haben, so scheint uns nur die letzte Annahme mSglich. Dazu paflt nun folgende Beobachtung: Man kann s daft zur Zeit der Ents tehung des ersten Schmelzes die Ameloblasten senkrecht zur Schmelzdentingrenze stehen (Abb. 24). Ich kann mir hiernach nicht anders vorstellen, als da f auch die ersten Stiimpfe der Schmelzprismen senkrecht auf der Schmelzdentin- grenze stehen (geeignetes Untersuchungsmaterial mi i f te diese An- nahme beweisen). St immt diese Annahme, dann muff die Schragstellung der Schmelzprismen erst im Laufe der Entwicklung, also nachtraglich

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~ber die Architektur des Schmelzes. 191

entstanden sein. Da wir nun feststellen konnten, da0 die Schmelzprismen (namentlich in der N/ihe des Halses) in Richtung zur Wurzelspitze bin abgebogen sind, so ist folgende Vermutung m5glich: Da der ganze

Abb . 24. S e n k r e c h t e r D u r c h s c h n i t t d u r c h t i n junges S c h m e l z o r g a n (Hired) .

Hals- und Wurzelabschnitt des Zahnes gegeniiber der eben erst angelegten Zahnspitze ein Zuwachsgebiet darstellt, welches relativ zur Krone in derselben Richtung zur Wurzelspitze hin w/ichst, so kSnnte das

- B

Abb . 25. S c h e m a z u r E n ~ s t e h u n g de r Sehmelzbl~nder . ~,Iitte e lner S e h m e l z s e h t e h t ~eh. ; S e h m e l z s e h i e h t e n b a n d o d e r S e h m e l z b a n d B.

Wachstum des Dentins eine der Ursachen ffir die Schr/igstetlung der Prismen sein.

Hypothese. Die angelegten Prismenstiimpfe stehen zun~chst in einer zirkul/~r den Zahn umschlie~enden Reihe senkreeht zur Schmelzdentin- grenze. Nun w/ichst das Dentin an Umfang (Pfeile in Abb. 25 links oben).

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192 Wilhelm Siifl:

Was muB die Folge sein ? W/~hrend die Ameloblastenreihe einer be- stimmten Generation auBen ihren Zusammenhang beibeh~lt, riicken die basalen Enden der angelegten Prismenstiimpfe in dieser Reihe ein wenig auseinander, es rutscht ihnen sozusagen der Boden unter den FiiBen weg. Ein weiteres Waehstum zun~chst biegsamer aber nicht stauchungsf/ihiger Schmelzprismen gegen ~uBeren Widerstand ist jetzt nur durch Ver- windung der Prismen (Schr/igstellung) mSglich. Es treten Drehbewegun- gen im Sinne der Pfeile (Abb. 25 rechts oben) auf. Stellen wir uns eine solche Drehbewegung in Aufsicht auf die /iuBeren Prismenenden dargestellt vor (Abb. 25 unten), so ist eine solche Drehbewegung fiir eine kleine Gruppe yon Prismen, die sich in einer Reihe befinden, jeweils durch die Bewegung in einer Ellipse darstellbar. Ein Ausgleich zwischen diesen elliptischen Bewegungen in den einander benachbarten Amelo- blastengruppen ist nun nur in einem Feld von Bewegungen m6glich, wie es in dem Schema Abb. 25 unten dargestellt ist. Wie man hier sieht, ergibt sich aus dem gemeinten Bewegungsablauf der an dem Dentin angehefteten, wohl in Gruppen auseinandergerissenen Prismen, yon selbst, dab nun eine wellenf6rmige Anordnung von gleichgerichteten Prismen entsteht. Wie die Pfeile am linken Rande der unteren Ab- bildung zeigen, erhalten dabei die Prismen von selbst in den ein- ander benachbarten Schmelzschichten einander spiegelbildlich ent- gegengesetzte Richtungen. Das Wesentliche ist: Es kann vermutet werden, dab das Dentin zur Zeit der Entstehung des ersten Schmelzes noch ein wenig an Umfang w~chst.

Zusammenfassung. Durch quantitativ genau dosiertes systematisches Schleifen yon

Zahnkronen (Hund) gelingt es in der vorliegenden Untersuehung zum ersten Male Rekonstruktionen herzustellen, welche die seit Jahr- zehnten umstrittene Architektur des Schmelzes in allen drei Dimen- sionen des Raumes bestimmen lassen (Abb. 3, 7 und 13). Hierbei wird neben einer Reihe yon neuen Tatsachen vor allem folgendes fest- gestellt.

Der Schmelz (Hund) wird aus bestimmten wellenf6rmigen ,,Schmelz- b~ndern" aufgebaut (Abb. 12 und 19). Jedes einzelne solehe Sehmelz- band besteht jeweils aus zwei bestimmten Teilen yon sog. ,,Sehmelz- schichten", die durch eine ,,~bergangszone" miteinander verbunden sind (S bzw. ~ in Abb. 19). Eine scharfe Grenze zwischen den einzelnen Schmelzb~ndern bzw. Schmelzschietiten besteht nicht (s. Abschnitt SehluBfolgerung). In jeder Schmelzschicht, die nur etwa 5---8Prismen breit ist, zeigen die einzelnen Schmelzprismen stets einen gesetz- m~Big bogenf6rmigen Verlauf in bestimmten wellenf6rmigen Fl~chen (Abb. 19).

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(~ber die Arehitektur des Schmelzes. 193

Die vorliegende Unte r suchung er laubt gewisse Schliisse fiber die Bedeu tung und fiber die Ursachen der gefundenen Archi tektur (s. Text zu Abb. 25).

Sehril'ttum.

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