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Über die Bestimmung der elektrischen Reduktions-Oxydations-Potentiale und ihre Anwendung in der Lebensmittelchemie

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54. Band 1927.] J. T i 11 m a n s, Reduktions-Oxydations-Potentiale. 33 Jnli-August

Ich m6chte meine Ausfithrungen mit dem Ausbliek schliel~eu, dal] heutzutage ke'ine Ersch0pfung der Grundwasserschatze mehr beftirchtet zu werden braucht. Es ist vielmehr unter Ausnutzung der Fortsehritte in der chemischen Behandlung des Wassers und vor allem in der Klartechnik - - auf die ich hier nicht nigher eingehen konnte - - m0glich, Oberflachenwasser in beliebigen Mengen so welt zu reinigen, wie es den Bedarfnissen tier Industrie und der Gemeinwesen entspricht. Der Chemiker und namentlich der Kolloidchemiker sind berufen, an der Entwickelung dieser M~ethoden und an ihrer wissenschaftlichen Durchdringung Hand in Hand mit dem Ingenieur zu arbeiten.

V o r s i t z e n d e r : Ich richte nun an die Yersammlnng die Frage, ob an den Herrn Vortragenden Fragen zu stellen sind.

Dies ist nieht der .Fall. Es bleibt mir dann abrig, lhnen Herr Prof. I - Iaupt den aufrichtigsten Dank far Ihren interessanten Yortrag zu sagen und auch besonders daftir, da6 Sie unsere Bestrebungen, auf dem Gebiet der Wasseruntersuchungen und Wasseranalyse ti~tig zu sein, so eifrig unterstiitzt haben.

Prof . Dr. H a u p t : Ich babe nur meine Pflicht getan und werde reich bemtiheni dies auch welter zu tun.

V o r s i t z e n d e r : Ich gebe danu das Wort Herrn Kollegen Dr. T i l l m a n s zu seinem Vortrag ,,Uber die Bestimmung der elektrischen Potentiale und ihre Anwendung in der Lebensmittelcliemie".

Uber die Bestimmung der eIektrischen Reduktions, Oxydations-Potentiale und ihre Anwendung in der

Lebensmittelchemie. Yon

J . T i l l m a n s .

M i t t e i l u n g aus dem U n i v e r s i t ~ t s - I n s t i t n t ffir iN~ahrungsmit telchemie zu F r a n k f u r t a. M.

Yiele Lebensmittel sind biologische Fltissigkeiten. Wenn man dariiber nachdenkt, welche allgemeinen Eigenschaften den Charakter einer biologischen Fltissigkeit bedingen, so treten vor allem zweierlei Reaktionen hervor: einmal d i e acidimetrisehe Reaktion, der Umstand, ob die Fltissigkeit einen mehr oder weniger stark sauren oder alka- lischen Charakter besitzt. Der zweite Umstand, der den Charakter einer biologischen Fltissigkeit in ebenso hohem, vielleicht noeh h0herem Marie bestimmt als die acidi- metrische Reaktion ist die reduzierende oder oxydierende Eigenschaft der Fltissigkeit. Je nachdem, ob infolge der Anwesenheit bestimmter K0rper die Flassigkeit den Charakter eines sthrkeren oder schwi~cheren Reduktions- bezw. 0xydationsmittels besitzt, mu~ sie ganz verschiedene Eigensehaften zeigen.

Die acidimetrische Reaktion, welche ihren quantitativen Ausdruck in der Wasser- stoffionenkonzentration findet, ist seit ~ielen Jahren bei allen biologischen Vorgi~ngen und auch bei Lebensmitteln ausftihrlich stndiert worden. Th. P a u l .ist h ier bahn- brechend vorgegangen. Dagegen fi~llt es auf, dal] ~ber die H6he d e r 0xydations- bezw. Rednktions-Eigenschaften yon biologischen Fltissigkeiten und Lebensmittein

L. 27, 3

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34 24. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelehemiker. [Zeitschr, f. Untersuchuag [ tier ,Lebonsmittel.

kaum Untersuehungen vorliegen. Far die Bestimmung der p~ 'besitzen wir drei ver- schiedene gut brauehbare, zum Teil recht einfache Verfahren, n~mlich die elektro- metrische Kettenmessung, die Zuckerinversionsmethode, welche auch in die neuen amtlichen Weinhntersuchungsvorschriften aufgenommen ist, und vor allem die meist leicht ausftthrbare Indicatorenmetbode. Jeder Indicator ~ndert bekanntlich seine Farbe in einem ganz bestimmten Bereiche der p•. Wir verft~gen heute t~ber eine grol]e Zahl der verschiedensten acidimetrischen Indicatoren, sodag wir mit Hilfe kttnstlicher u welche ein konstantes PH dauen~d festhalten, und passender Indicatoren colorimetrisch leicht und genau die p~ zu bestimmen vermBgen.

Bei weitem nicht so gut fundiert ist die Messung der oxydierenden oder redu- zierenden Kr~fte. Man kann zwar bei vielen, insbesondere anorganischen Systemen~ durch Bestimmung des elektrischen Potentia]es an der Kette den reduzierenden oder oxydierenden Charakter eines Systems quantitativ bestimmen. Indessen versagt diese Kettenmessung infolge ~on Reaktionshemmungen, die aus uns unbekannten'Griinden auftreten bei vielen Systemen, insbesondere bei organischen. Diese sind es aber gerade, welche uns fQr die Lebensmittelchemie in erster Linie interessieren.

DaB die reduzierenden und oxydierenden Krafte yon biologischen Systemen sehr viel weniger behandelt worden sind als die Wasserstoffionenkonzentration, liegt an dem Fehlen yon geeigneten Mel~methoden. Jede weitere Methode zur Messung solcher Krhfte, insbesondere eine solche, die einfach in der Ausfiihrung is L mug also sehr erwanseht sein. Es magte aber grundshtzlich mSglich sein~ diese Kr~fte in ~hn- licher Weise wie die p~ mit Indieatoren zu messen, vorausgesetzt, dab es sich um reversible .Reaktionen handelt, was in vielen F~llen der Fall ist. Wir kennen nhmlich Farbstoffe, welche durch Redaktion 'in die ungef~rbten Verbindungen aber- gehen und durch 0xydation wieder in die gef~rbte u ~berzufahren sind. Der bekannteste Farbstoff dieser Art ist das Methylenblau. Hier liegen offenbar Gleieh- gewichte vor, welche yon der Sthrke der Reduktions- oder Oxydationswirkung ab- h~ngig sind.

Im Frankfurter Universit~ts-Institut far !Nahrungsmittelchemie haben wir uns mit dieser Frage besch~ftigt, und am Beispiel des Methylenblaus haben Dr. H i r s c h und Dr. R a t e r 1) untersucht, ob und in welcher Weise man mit derartigen leicht reduzierbaren und wieder oxydierbaren Farbstoffen alas Reduktions- bezw. 0xydations- potential einer Flassigkeit zu messen vermag.

Im vorstehenden wurde die acidimetrisehe Reaktion in Parallele gestellt zu der 0xydations-Reduktionsreaktion. Es sei zun~chst gezeigt, daft zwischen diesen beiden Reaktionen auch elektrochemisch ein naher Zusammenhang besteht.

Eine SAure definiert man als einen Stoff, welcher befhhigt ist, Wasserstoffionen abzuspalten; eine Base spaltet Hydroxylionen ab. Die Abspaltung yon OH-Ionen ist aber tier Aufnahme yon H-Ionen acidimetrisch vSllig gleichwertig; denn zwischen den Spaltungsprodukten des Wassers, den H- und 0H-Ionen herrscht nach dem Massen- wirkungsgesetz die Beziehung

kw kw [H'] = [ ~ ] ] oder [ 0 I t ' ] - [H']

~) Zeitschr. analyt. Chem. 1926, 69, 193. - - Siehe auch: Inaugural-Dissertation yon 1~ u d o 1 f R iit e r ,Eine eolorimetrische Methode zur Bestimmung yon Reduktions-Oxydations- Potentialen, deren Bedeutung und analytische Verwertung". Frankfurt a. M. 1925, Natur- wissenschaftl. Fakult~t tier Universit~t.

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54. Band. 1 ,~. T i l l m a n s , Reduktions-0xydat ions-Potent ia le . 35 Juli-August 1927.J

Die H- und 0H-Ionenkonzentrationen sind also in jeder whsserigen Fl~issigkeit einander umgekehrt proportional, u n d durch die Wasserkonstante ist [OH'] bei be- stimmtem [H'] quantitativ eindeutig bcstlmmt oder umgekehrt. B r 0 n s t e d t 1) definiert deshalb die Basen als Stoffe , die Wasserstoffionen anznlagern verm0gen. Far die be- kanntesten Laugen~ mit denen der Chemiker am meisten zu tun ha L Natronlauge und Ammoniak, hat man sich die Anlagerung von Wasserstoffionen in folgender Weise vorzustellen :

Na0H + H" ---- NH 8 + It" ~ Nt~ 4"

Im ersteren Falle wird also ein hydratisiertes iNatrium-Ion entstehen. Diese Annahme hat nichts Auffallendes. Man nimmt auch aus anderen Grtinden hydratisierte Ionen an. So wird z. B. die Tatsache, dal~ die Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen nicht dem Atomgewicht proportional ist, mit verschiedenen Hydratisierungsgraden der Ionen erklhrt. Im zweiten Falle bildet sich das in allen ammoniaksalzhaltigen L~sungen stets vorhandene Ammonium-Ion.

Far eine 0xydations-Rcduktions-Reaktion betrachten wir eine L0sung~ welche Ferro-Ionen bezw. Ferri-Ionen enth~lt. Wenn Bin Ferroion durch 0xydation in Ferriion tibergeh L so gibt es ein negatives Elektron ab und erhMt dadurch eine dritte positive Ladung. Wenn ein Ferriion dutch Reduktion in Ferroion tibergeht, so nimmt es ein negatives Elektron auf, welches eine yon den vorhandenen drei positiven Ladungen neutralisiert, womit Ferriion in nurmehr zweifach positiv geladenes Ferro- ion abergeht:

Fe|174 - - G ~--- Fe|174174 Fe | + =

Nun ist nach dem R n t h e r f o r t - B o h r ' s c h e n Atommodell das Wasserstoffion nichts anderes als der Trhger des Atoms der positiven Elektrizitat, des positiven Elementarquantums. Das negative Elektr0n ist aber das Atom der negativen Elek- trizit~t.

Gemhl~ diesen Betrachtungen is t d e m n a c h e ine B a s e o d e r S ~ u r e ein S to f f , d e r i m s t a n d e i s t , das A t o m de r p o s i t i v e n E l e k t r i z i t h t au f - z u n e h m e n o d e r a b z u g e b e n . D a h i n g e g e n c h a r a k t e r i s i e r t s i ch Bin R e - d u k t i o n s - bezw. 0 x y d a t i o n s m i t t e l d a h i n , dal] es i m s t a n d e i s t , das A tom de r n e g a t i v e n E l e k t r i z i t ~ t a b z u g e b e n o d e r a u f z u n e h m e n .

Man sieht, daft sich bei elektrochemischer Betrachtung dieser so verschieden anmutenden Reaktionen eine ganz ~iberraschende Analogie ergibt.

Bevor ich nun auf die am Methylenblau ausgefahrten Messungen und ihre theoretische Auswertung eingehe, ist es wohl zweckmhl~ig, zuvor kurz den P o t e n t i a l - b e g r i f f zu erlhutern:

Ein Becherglas enthalte eine Ferrosalzl0sung, ein anderes eine Ferrisalz- 15sung. Taucht man in beide L0sungen je eine unangreifbare Elektrode aus Platin oder Gold, so stellt sick auf beiden Drhhten ein elektrischer Spannungszustand ein, den man das Potential nennt. Die Ursaehe dieses Spannnngszustandes ist das Bestreben der F e r r o - o d e r Ferriionen, sich zu oxydiercn oder sich zu reduzieren. Die Ferroionen in der ersten L6sung haben das Bestreben~ sich zu oxydieren (Elek- tronen abzugeben), die Ferriionen im zweiten Gef~l~ haben das entgegengesetzte

~) Rec. Tray. chim. Pays-Bas 1923, 4~, 718.

3*

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36 2~. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelchemiker. [Zeitschrzf.Untersuchnng ' k u e r ~ e o e n s m l s ~ e l .

Bestreben, sich zu reduzieren (Elektronen aufzunehmen). Das beiderseitige Bestreben kann erst Befriedigung finden, wenn man die beiden Elektroden dureh einen Draht verbindet, und auch die Flassigkeiten miteinander in Kontakt bringt. Dann flie~en durch den Draht die negativen Elektronen solange zu der FerrilSsung im zweiten Gefgl~ hinaber, bis beide Gefgl3e die gleiche Menge an Ferr0- und Ferriionen ent• halten.

Denken wir uns nun ein Gemisch yon Ferro- und Ferrisalzl0sung in einem einzigen Gefgl~ vereinigt, und tauchen wir wieder eine unangreifbare Elektrone ein, so besitzt diese Elektrode wiederum einen Spannungszustand, ein Potential, welches abh~ngig ist yon dem Verh~ltnis der vorhandenen Ferro- und Ferriionen. Es gibt kein Mitt@ solche Potentiale direkt zu messen. Messen kann man nur den. Unter- schied yon zwei Potentialen, die sog. P o t e n t i a l d i f f e r e n z . Man mul3 also wieder far das Fliel3en eines Stromes sorgen, indem man eine zweite Elektrode, d e r e n Potential dauernd konstant und bekannt ist, mit der Mischung yon Ferro-Ferrisalz dureh eine in diese L6sung eintauchende unangreifbare Elektrode (Gold, Platin t in leitende Yer- bindung bringt und ferner auch die beiden Fl8Ssigkeiten miteinander in ilassigen Kontakt bringt. Mil~t man nun mit geeigneten Apparaten die Spannung des ent- stehenden Stromes, so ist dies. die Potentialdifferenz der beiden Potentiale. Zieht man also das Potential der Bezugselektrode yon tier Potentialdifferenz ah, so erh~lt man das gesuchte Potential. Man draekt far diesen Zweck die Spannungen oder Potentiale stets in 1000-stel u in Millivolt, aus und erh~lt in diesen Zahlen einen quantitativen Ausdruck far die dem Ferro-Ferri-System oder allgemein anderen Re- duktions-Oxydations-Systemen innewohnende Oxydations- bezw. Reduktionskraft. Man benutzt die verschiedensten derartigen konstanten Bezugselektroden. Am einfachsten kann man die Verh~ltnisse Mar machen, wenn man sich die Normalwasserstoffelektrode als Bezugselektrode gegen die zu messende LSsnng gesehaltet denkt. Dies ist eine mit Platinsehwamm aberzogene Elektrode, die dauernd mit Wasserstoff gesgttigt ist und ge= wissermal~en als eine Elektrode aus metallischem Wasserstoff wirkt. Sie taucht ein in eine LOsung, welehe an Wasserstoffionen normal ist (also z. B. eine etwas mehr als normale Salzsgure). Das Potential, welches diese Elektrode konstant zeigt~ hat man willkarlich gleich Null gesetzt. Es rahrt her yon dem Bestreben des molekularen Wasserstoffes in Ionen aberzugehen, bezw. tier Wasserstoffionen, sich unter Aufnahme yon negativen Elektronen als moleknlarer Wasserstoff an der Elektrode abzuscheiden. Schaltet man nun eine derartige Elektrode gegen'die zu messende Flassigkeit, z.B. das Ferro-Ferri- Salzgemiseh, und fliei3en bei dieser Schaltung die negativen Elektronen yon der zu untersuchenden L~)sung zur Bezugselektrode, so hat die Ferro-Ferri-SalzlOsung ein negatives Potential. FlieBen umgekehrt die negativen Elektronen aus der Nullelektrode zur Ferro-Ferri-SalzlSsung heraber, so h a t die zu messende: L6sung ein positives Potential. Die gemessene elektromotorische Kraft: des entstandenen 8tromes gibt in diesem Falle gleich die H6he des Potentials an. Man sagt also yon solchen Reduktions- Oxydations-Systemen, sic haben, gegen die Wasserstoffelektr0de gemessen, ein Potential yon m !00, - - 200 Millivolt usw. oder ein solches Potential yon + 50, + 150 Milli- volt usw. Diese Zahlenangaben mit ihrem Vorzeichen charakterisieren nun quantitativ ein Oxydations-Reduktions-System. Ein je h~heres - - -Potential vorliegt, um so gr0i~er ist d ie reduzierende, ein je gr61~eres -4- -Potential vorliegt, um so gr~lger ist die oxydierende Kraft der L6sung.

Nach N e r n s t- P e t e r s ist das Reduktions-Oxydations-Potential einer. Fltissigkeit

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54. Band. l J. Ti l lmans , Reduktions~0xydations-I)otentiale. 3 7 JUli-August 1927.J

dutch folgende Gleichung ads der Konzentration des 0xydations- und Reduktions- mittels zu berechnen:

nw , [0xyd.] E = Eo + ~-~ • in [ ~ ] .

RT E ist das gesuchte Potential, ~-~ sind Konstanten, und zwar R die Gaskonstante,

T die Temperat.ur in absoluter Zahlung, n die Wertigkeit und F die elektrische Aqui- valentladung (1 Faraday = 96 500 Coulomb). Was E o is L sieht man leich L wenn man Oxydans und Reductans gleich werden l~l~t~ wenn also yon dem Reduktions- und 0xydationsmittel je 50% vorhanden sind; dann ist der Wert Oxydans: Reductans = I. Der Logarithmus yon 1 ist aber 0. Mithin erhalten wit E ~ Eo, d.h. E o ist dasjenige Potential: welches sich in einer L0sung einstellt, die gleiche Mengen yon 0xydations- nnd Rednktionsmittel 6nthi~lt. Man nennt dieses Potential das Normalpotential. Es ist, sonst gleiche Verhaltnisse vorausgesetz L far alle Systeme eine jeweils konstante und charakteristische Gr(~lJe. Die obige Gleichnng zeigt weiter, da~ es ftir das Potential nicht auf die absoluten Mengen yon vorhandenem Oxydans und Reductans ankommt, sondern auf ihr Verhi~ltnis. Es is t bei einer Ferro-Ferri-Salzl(isung z.B. gleichgaltig, ob eine normale L0sung oder eine 0,1-normale L6sung beider Bestandteile vorliegt. Das Yerhi~Itnis ist in beiden Fallen dasselbe i damit ist auch das Potential dasselbe.

H i r s c h und R a t e r k0nnten nun zeigen, daft die obige Formel aueh far das System Methylenblau-Leukomethylenblau gilt. Es liegt bei einem solchen Farbstoff, der teilweise entfi~rbt ist, ebenso wie bei einem Gemisch yon Ferro- und Ferrisalz ein System yon Oxydans und Reductans vor. Jedem Verhi~ltnis yon Methylenblau zu Leukomethylenblau mu~ also ein bestimmtes Potential zukommen. Dieses Farbstoff- system ist aber ferner im Gegensatz zum Ferro-Ferri-System auch abhi~ngig yon der Wasserstoffionenkonzentration. Die obige Formel ftir das Potential hndert sich far die Anwendung auf Systeme, bei denen die H-Ionen mitwirken, folgendermal]en urn:

RT R T M E = E ~ • nF ' ln -~- .

N o + RT • In H m ist nun der Ausdruck ftir das Normalpotential bei einer

bestimmten Wasserstoffionenkonzentration. E o erh~lt also far andere wie normale Wasserstoffionenkonzentrationen einen Korrektionsfaktor. M gibt die Menge des in der gefi~rbten Form vorhandenen Methylenblaues, L die Menge des Leukomethylen- blaues an. = Die t~brigen Zeichen bedeuten dasselbe wie oben.

Die Messungen der Normalpotentiale des Methylenblaus geschahen in folgender Weise: Mischungen yon Ferri-Ferro-Oxalat und yon Cupro-Cupri-Salz wurden in der oben erlauterten Weise elektrometrisch auf die HOhe ihres Potentials nntersucht. Diese 'anorganisehen Systeme stellen an der Kette ihr Potential gut Dud richtig ein, ohne dab Reaktionshemmungen auftreten. Nun wurde zu einem anderen Toil tier L0sung eine bestimmte Menge Methylenblaufarbstoff zugegeben und durch Colorimetrie der Grad der Entfarbnng bestimmt. Hierdurch erfi~hrt man ohne weiteres das Ver- hMtnis yon Methylenblau zu Leukomethylenblau. In einer LSsung, die in Mischung Oxydans-Reductans euthi~lt, muB ein hinzngeft~gter Farbstoff: wie Methylenblau~ sich durch teilweise Entfi~rbung auf dasselbe Potential einstellen, wenn das vorhandene

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�9 �9 Z e i t s c h r f U n t e r s u o h u u g 38 24. Haup~versammlung Deutscher Nahrun~smlttelehemlker. [ ~ ~ : .....

Potential innerhalb der Entfi~rbungszone liegt. Dabei ist vorausgesetzt, daft keine andersartigen Umsetzungen des Farbstoffes oder Lenkofarbstoffes mit dem 0xydans- Reductans erfolgen, die eine Yerschiebung des Potentials bedingen. Zwei L~sungen n~mlich, welche das gleiche Potential besitzen~ behalten nach dem ZusammengieBen dasselbe Potential, vorausgesetzt, da$ keine anderen Umsetzungen erfolgen. Aus diesen Angaben konnten nun aus der l ~ e r n s t - P e t e r ' s c h e n Gleichung far eine bestimmte Temperatur das zu jedem p~ zugehSrige ~ormalpotential ermittelt werden. Kennt man aber far jedes pH die ~ormalpotentiale, so kann man far alle in einer LSsung unbekannten Potentials vorliegenden und durch Colorimetrie leicht zu ermittelnden Verhi~ltnisse yon M zu L jedes zugeh0rige Potential berechnen.

Die erhaltenen Resultate ergaben bei der graphisehen Auftragung innerhalb des untersuchten pg-Bereiches eine gerade Linie. Das Normalpotential~ also das Potential einer zur Hi~lfte entfi~rbten Methylenblaul0sung (gleiche Mengen Reductans- Oxydans) ist far angegeben.

13H

2

3

4 5 6

7

einige verschiedene p~-Stufen in der nachstehenden Ubersicht

Normalpotential

+ 350 + 275 + 187 Millivolt, bezogen auf die

--~ 100 Wasserstoffelektrode = 0 + 4S - - 5

Man sieht hieraus, dab man mit Methylenblau Systeme messen kann, deren Iqormalpotential ftir ioH = 2 - - 7 zwischen etwa -~- 350 bis 0 Millivolt liegt. Ftir andere starker oder schw~eher reduzierende oder oxydierende Systeme ist dieser Farbstoff nicht brauchbar. Ebenso wie man far die colorimetrische p~-Messung mit e i n e m Farbstoff, z. B. Phenolphthalein, nur pg-Stufen yon etwa 8 - -10 messen kann, nieht dagegen sauerere oder alkalischere Stnfen, kann man auch mit Methylenblau nur bestimmte • aus den m6glichen Potentialbereiehen messen. Um alle mSg- lichen Reduktions-0xydations-Potentiale messen zu kSnnen, bedarf es weiterer Farb- stoffe, deren Normalpotential in anderer t i the liegt.

Um nun in einer beliebigen biologischen Fliissigkeit das vorhandene Potential colorimetrisch zu messen, mufi zuni~chst PH bekannt oder auf eine bestimmte H~he gebracht sein. Dann gibt man zu der Fltissigkeit MethylenblaulSsung hinzn nnd 5estimmt durch colorimetrische Messung den Grad der eintretenden Enff~rbnng. u far die Anwendbarkeit gerade des Farbstoffes Methylenblau ist nattirlich, dab das Potential des zu messenden Systems tiberhaupt im Bereiche der Entf~rbung des Methylenblaufarbstoffes liegt, gi~lt man die Temperatur yon 20 ~ fest, so nehmen die K0nstanten der obigen Formel einen bestimmten konstanten Zahlenwert an.. Ver- einigt man mit diesem Wert den Umrechnungsmodul des nattirlichen Logarithmus in den dekadischen, so ist der Konstantenwert 29. Hat man nun beispielsweise die Stufe 5 vorliegen, so ist das Normalpotential + 100 Millivolt. Diesen Wert setzt man in die obige Gleichung ein find erhi~lt Somit

M E ~ -3 I- 100 -~- 29 log ~---

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54. Band. ] J. T i l l m a n s , Reduktions-Oxydations-Potentiale. 39 Juli-August 1927.]

Ffir 60 %-ige Entfhrbung ware z. B. M 40 40 L - - 60; log ~ ~ Z/s ---- - - 0:17. Also

E ~--- ~ - 1 0 0 - - 4 , 9 ~ 95,1.

In dieser Weise ist es leicht mSglich, mit Methylenblau bezw. irgendeinem anderen Farbstoffe, dessert Normalpotentiale map far die verschiedenen Wasserstoffstufen kennt, ein reversibles Reduktions-Oxydations-System auf die H0he seines Potentials in einfacher Weise durch Colorimetrie zu untersuchen.

Als die Arbeit van I I i r s c h nnd R a t e r schon beendet war, fiel uns ein amerikanisches Bach, betitelt ,,The Determination of H'Ions, Baltimore 1922" van Prof. Dr. M. W. C l a r k in die IIand, in welchem in einem bestimmten Kapitel ahnliche Gedankengi~nge ausgesprochen waren~ wie sie I I i r s c h and R tit e r entwickelt hatten and anf eine entsprechende Arbeit des Autors hingewiesen war. Diese Arbeit datierte schon aus dem Jahre 1920. In der dentschen Literatur fanden wir hierfiber nichts. Nut im Technischen Teile des Chemischen Zentralblattes steht Bin kurzes Referat, aus welchem, wenn w i r e s vor Beginn unserer Arbeit gefunden hatten, nur zu entnehmen gewesen wi~re~ dab C l a r k Potentiale van Mischungen van gefi~rbtem und ungefi~rbtem Methylenblau und Indigo gemessen hat. Ich wandte reich deshalb schriftlich an IIerrn Prof. C l a r k , der Direktor der Chemischen Abteilung des hygie- nischen Laboratoriums des Staatlichen Gesundheitsamtes in Washington ist. Er hatte die Freundliehkeit~ mir nicht nur den gewanschten~ sondern noch eine Reihe weiterer Sonderabdriicke seiner Arbeiten zu fibermitteln. Sie stammen mit Ausnahme der schon genannten aus ' den Jahren 1923/257 d. i. etwa dieselbe Zeit, in der t I i r s c h und R t i t e r ihre Arbeit ausgeffihrt haben.

Ein eingehendes Stadium dieser h0ehst bedeutsamen Arbeiten van Prof. C l a r k zeigte uns nun, dal~ C l a r k dasselbe Ziel verfolgte wie wir, eine Colorimetrische Methode zu schaffen ffir die Messung van Potentialen, dal~ er aber dieses Ziel schon zn einem sehr wesentlichen Teile verwirklicht hat. Er entwiekelt ahnliche theoretische Gedankengange und ist bei seinen Arbeiten ebenfalls van Methylenblau ausgegangen. Es war uns nun erfreulich and interessant~ dal~, trotzdem C l a r k v61lig andere Oxydations-Reduktions-Systeme anwandte, trotzdem er nicht Colorimetriseh, sondern tritrimetrisch das reduzierte ~ethylenblau gemessen hat," zu • des Methylenblaus i'fir die verschiedenen Stnfen kommt, die fast dieselben sind wie die van H i r s c h und R a t e r gemessenen. Die kleinen Abweichungen erklaren sich leicht aus der van C l a r k angewandten anderen Temperatur (30 ~ gegen Zimmer- temperatur bei uns. Vor allem hat aber C l a r k sehon eine ganze Anzahl weiterer Farbstoffe in ahnlieher Weise untersucht, und wir verffigen deshalb dank dieser sehOnen Arbeiten C l a r k ' s und seiner Schaler fiber eine betrachtliche Anzahl van Indicatoren, deren Mei~bereich schon ziemlich betrachtliche Potentialstrecken nmfal~t. In der nachstehenden Tabelle gebe ich eine Znsammenstellung einiger charakteristischer Farbstoffe, die van C l a r k nntersucht wurden mit dem zugehOrigen ungef~hren Normal- potential far verschiedene Wasserstoffstufen an. Die Liste ist keineswegs vollstandig. C l a r k hat noeh eine Reihe weiterer Farbstoffe untersueht; indessen sind hier die wichtigsten ausgesucht.

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40 24. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelchemiker. [Zeitschr. f. Untersuchung I_ der Lebensmittel.

No r m a l p o t e n t i a l e (N i l l i vo l t ) be i 300

Name der Farbstoffe

Benzidin . . . . . . . . . . . . O-Tolidin . . . . . . . . . . . . p-Amino dim ethylanilin . . . . . . . 2,6 Dichlorophenolindophenol . . . . 1-Naphthol-2- sulfo s~iureind oph enol. Methylenblau . . . . . . . . . . Indigotetrasulfos/s . . . . . . . . IndigotrisulfosSure . . . . . . . . Indigodisulfos~ure . . . . . . . . . Indigomonosulfo siiure . . . . . . .

4

-+- 700 + 66o + 54o

+ 3o~ + 1so --~ 120 -4- 90 + 45

-4- ~5

+ 650 + 630 + 480 @ 365 + 2~o

90 + 6o + 30 - - 1 5

- - 4 5

pt~-Stufe

6 7

+ 600 -4- 550 + 425 + 3so + 295 + 220 + 18o + 12o + 2 5 ' - - 7

0 - - 50 - - 30 : - - 85 - - 8 0 ] - - 130 - - i 0 7 ! - - 1 7 0

+ ~9o + ~ 3 o - @ 155 -t- 60 - - 4 0 - - 85 - - 1 2 5

- - 160 - - 205

Vergleichsweise betri~gt das Normalpotential far Fer ro-Fer r i -Sys teme (gleiche Mengen), welches yon p• nnabhi~ngig ist, + 755 Millivolt. ])as System Ferro-Ferri- Cyankalium hat das NormalpotentiM -a t- 424 Millivolt zwischen den Stufen 4 - - 8 . Durch das erste System warden ulle obenstehenden Farbstoffe oxydiert werden, also wenn sie in gefi~rbter Form vorliegen~ unbeeinfiugt bleiben, durch das zweite System alle Farbstoffe his auf die drei ersten.

Unsere ursprtingliche Absicht, nach weiteren ftir die Messung, geeigneten In- dicatoren zu suchen, haben wit angesichts des durch C l a r k ' s Arbeiten schon vor- l iegemen ~aterials vorl~ufig fallen lassen und nun zuni~chst einmal versucht, was mit diesen Farbstoffen in der Lebensmittelchemie anzufangen ist.

Wie die biologischen Flassigkeiten yon Natur aus ein wenig schwankendes p~ aufweisen, welches nicht weit yon der Neutralstufe abweicht, so ist auch ftir das Reduk- tions-0xydations-Potential ~hnliches zu erwarten. In den Lebensmitteln, wie sie uns die Natur liefert, wird man also kaum hoch positiv oder hoch negativ liegende PotentiaIe zu er- warren haben. Am meisten Aussicht hat es also, auf schwache Oxydations- und Rednktions- wirkungen zu untersuchen. Die drei in der obigen Tabelle zuerst genannten Farbstoffe sind erst bei hohen -]- -Potentialen Farbstoffe, bei niedrigeren Potentialen ungefarbte Yerbindungen. Sie werden deshalb vermutlich durch kein Lebensmittel in Farbstoffe verwandelt werden, weil dazu unwahrscheinlich hohe Potentiale geh6ren warden. Zur Prttfung yon Lebensmitteln ist dagegen das 2,6-Dichlorophenolindophen01 besonders geeignet. Es hat yon allen Farbstoffen (mit Ausnahme der schon genannten) alas am meisten positiv liegende Potential, wird demnach auf die gelindesten Reduktions- mittel durch Entfi~rbung ansprechen. Sein Potential liegt noch wesentlich positi~er als alas auch in den Lebensmitteln far ,mrschiedene Prafungen viel verwendete Methylenblau. Wo Methylenblau keine Entfi~rbung mehr gibt, kann dieser Farbstoff auf gelindere Reduktionsmittel durch Entfi~rbung noch ansprechen. Wird dagegen dieser Farbstoff durch ein Lebensmittel nicht entfi~rbt, so kbnnen auch alle hinter ihm stehenden anderen Farbstoffe der obigen Tabelle nicht entfi~rbt werden, well sie ja alle ein negativeres Potential haben, d. h. zur Entf~rbung st~rkerer Reduktionsmittel bed~trfen. C l a r k hat zwar noch zwei Farbstoffe hergestellt, deren Potential noch etwas positiver liegt als das des 2,6-Dichlorophenolindophenols. Indessen ist letzterer

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54. Band. ] J. T i l l m a n s , Reduktions-0xydations-Potentiale. 41 Juli-August 1927.J

Farbstoff der haltbarste and am leiehtesten zug~ngliche. Aus allen diesen Grandeh haben wir das Verhalten dieses Farbstoffes gegen die verschiedenen Lebens- mittel geprfift.

Natfirlich mugten wir uns den Farbstoif selbst herstellen. Nan geht dazu yore p-Nitrophenol aus, in das man mit Salzs~ure und KaliumChlorat zwei Chloratome in 2,6- Stellung einffihrt. Dutch Zinn Bud Salzs~ure wird das entstandene 2,6 Dichloro-p-nitro- phenol reduziert zu 2,6 Dichloroaminophenol. Dieses wird mit Chlorkalk oxydiert zu 2,6 Dichlorochinonehlorimin. Dieser KSrper wird dann mit Phenol gekuppelt zu 2,6 Dichlorophenolindophenol. Bei der Reduktion werden zwei Wasserstoffatome an- gelagert, und unter Aufhebung der chinoiden Bindung entsteht der Leukofarbstoff. Nacb- stehende Formeln erl~utern das Gesagte:

o:<-Z_?-o, p - ~ i t r o p h e n o l .

C1 Salzs~ure + Kaliumchlorat : NO2- (--~/~ -- OH

N ~

C1 2,6 D i c h l o r o - p - n i t r o p h enoL

C1

Zinn -j- Salzs~ure : NH~ / - - - - \ = OH - \ J

Cl

2,6 Dieh lo roaminopheno l . C1

ChlorkMk: NC1 ~ ~ / - ~ = 0

C1 2,6 Dich lo r o chino nclJ 1~, rimin.

C1

Mit Phenol gekuppelt: OH-- . J - - ~ ~ , T _ , / ~ \ ~_ 0 \ -/- ~, _ \ ~ /

Cl

Farbstoff. C1

og \ ~ - - / - - [ - v ~ r - ~ / - OH

H Leukofarbstoff.

Der Farbstoff ist in neutraler und alkalischer L~sung fief blau. I n schwach saurer L6sung ist er rot bis rosa gef~rbt. In stark saurer Lt)sung f~llt er unl6slich aus.

Die Prt~fung der verschiedensten Lebensmittel mit diesem Farbstoff ist yon Herrn E. Re in s hag e n ausgefahrt worden, der fiber das Ergebnis der Untersuehungen in seiner Dissertation demnaehst ausfahrlieh beriehten wird.

Zungehst wurde die Mi l ch naeh versehiedenen Gesiehtspunkten geprfift. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, will ich hier nur kurz bemerken, dal3 dabei nicht viel Neues oder praktiseh Brauehbares herauskam.

Interessanteres wurde sehon beobaehtet bei der Untersuehung des F1 eis eh es. Im Fleisehsaft seheint ein Ktirper von sehwaeh reduzierendem Charakter vorzuliegen, welcher beim Kochen vollsti~ndig besti~ndig ist. Stets wurde ni~mlieh festgestellt,, daft

Page 10: Über die Bestimmung der elektrischen Reduktions-Oxydations-Potentiale und ihre Anwendung in der Lebensmittelchemie

4:2 24:. Hauptversammlung Deutscher ~Nahrungsmittelchemiker. Zeitschr. f. Unte~uchung der Lebensmi~t~l.

durch einen Fleischanszug der Farbstoff partiell entfi~rbt wurde. Dieser reduzierende K6rper kann aber im Fleichsaft nur in verhi~ltnismi~Big geringer Menge vorliegen. Die Hoffnung, daft in Ausziigen yon Schweinefleisch, Rindfleisch, Pferdefleisch ver- schiedene Potentiale vorliegen wtirden~ verwirklichte sich nicht. Es wurden bei den verschiedenen Fleischarten keine wesentlichen Unterschiede im Grade der Entfi~rbung gefunden. Auch die beginnende Fleischfi~ulnis brachte nur geringe Verhnderungen des Potentials hervor.

Auf h~chst interessante Dinge sind wir aber bei 0 b s t , insbesondere bei Citronen- and Apfelsinenshften, gestofien. C l a r k selbst gibt schon an, dal~ der Farbstoff yon alien lebenden Geweben sowie Citronensaft nnd Ham reduziert wtirde. Nach unseren Beobaehtungen reduzieren andere Fruchts~fte sehr versehieden, Apfelsaft z. B. nieht oder nur in geringem Ma~e. Dagegen reduzieren stets das Apfelgewebe und anderes Fruchtgewebe. Der Befund, dal~ die Fltissigkeit nicht, das Gewebe dagegen reduziert, wtirde wohl so zu deuten sein, dal3 der reduzierende K6rper in wasserunlC)slicher Form im Gewebe vorliegt.

C i t r o n e n s a ft und 0 r a n g e n s a f t haben eine ganz besonders starke Reduktions- wirkung gegen den Farbstoff. Diese Eigenschaft haben wir zu einer einfachen Methode der Unterscheidung yon kilnstlichem oder natarlichem Citronensaft ausbauen kOnnen. Man neutralisiert 10 ccm des Fruchtsaftes zuni~chst mit Natronlauge gegen Lackmus (Tiipfeln) und macht dann mit wenig Shure wieder ganz schwach sauer. Darauf setzt man einige Tropfen einer 200-stel molaren L0sung des Farbstoffes (0,1345 g in 100 ccm Phos- phatpufferlOsung der Stufe 71) zu and schiittelt urn. Liegt ein kanstlicher Saft vor, so wird sofort die Fltissigkeit bleibend blau gef~rbt. Bei natarliehem Salt dagegen verschwindet die Farbung sofort wieder, und man mul~ etwa 17 ccm, bisweilen etwas mehr, bisweilen weniger Farbstofflbsung zugeben, his die Fi~rbung dauernd bestehen bleibt. In echten, zersetzten Citronenshften ist die Reduktionskraft stark herabgesetzt.

Welcher I~atur der reduzierende K0rper ist, den man in echtem Citronensaft bisher vOllig iibersehen zu haben scheint, wissen wir noch nicht. Die Forsehungen in dieser Richtung sind anfgenommen.. Sicher ist bis jetzt nur, dab alle bekannten Bestandteile des Citronensaftes Citronensi~ure, Citronen61, Zucker, Alkohol, Glycerin, ebensowenig eine Reduktion ergeben~ als die Ameisensi~ure, welche vielfach z u r Konserviernng dieser Erzeugnisse Verwendung finder. Orangensaft enthi~lt den KSrper in i~hnlich groBen Mengen wie Citronensaft.

Die HShe des Potentials konnte bisher nicht genau ermittelt werden, weil ja der Farbstoff dureh den Citronensaft vOllig entf~rbt wird, eine Potentialbestimmung aber nur m0glich ist, wenn er nur teilweise entf~rbt wird. Da Citronensaft Methylen- blau nieht enffi~rbt, so kann man vorli~ufig ~ber die H(~he des Potentials nur angeben, dab das Potential des KOrpers zwischen den Normalpotentialen yon 2,6 Dichlorophenol- indophenol and yon Methylenblau liegen mu~, far die Stufe 7 also z. B. zwischen -Jr-220 b i s - 5. Eine genaue Potentialbestimmung werden wir noch nachzuholen versuchen.

Wir arbeiten mit diesen Farbstoffen jetzt nach verschiedenen anderen Richtungen hin weiter und hoffen, dal~ dabei noch mancherlei Brauchbares ftir die Lebensmittel- chemie erhalten werden wird.

Mol Mol KH 1) 62 ccm - ~ - Na~HP04 �9 2 H,O -4- 38 ccm - ~ 2P04.

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54. Band. ] Juli-August 1927.] K. T~iufel, Acidit~tsbegriffe in der Lebensmittelchemie. 43

u Da das Wort nicht gewanscht wird, m8chte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege T i l h n a n s den aufrichtigsten Dank far Ihren Yortrag sagen. Sie haben schon so hi~ufig die neueren Forschungen der physikalischen Chemie erfolg- reich fiir die Nahrungsmittelchemie nutzbar gemacht; ich begltickwfinsche Sie zu Ihrem neuen Erfolg.

Ich erteile nunmehr das Wort Herrn Dr. T ~ u f e l zu seinem u

Die Begriffe potentielle Aciditiit, aktuelle Acidit~it, Pufferungskapazit~it und ihre Bedeutung ffir die

Lebensmittelchemie. Von

Kurt TKufel.

M i t t e i l u n g aus der D e u t s c h e n F o r s c h u n g s a n s t a l t ftir L e b e n s m i t t e l c h e m i e in Mtinchen.

Die Erfahrung hat gelehr L daft i~hnlich wie in anderen Zweigen der Chemie~ insbesondere der chemischen Physiologie und Biologie, auch auf dem Gebiete der Lebensmittelchemie die blol~e Kenntnis der beteiligten Stoffe nicht ausreichend ist, um sich fiber die bei der Gewinnung~ Herstellung~ Haltbarmachung und Zubereitung der Lebensmittel in Betracht kommenden chemischen Vorgi~nge ein Urteil zu bilden. Hierbei spielen vielmehr vor allem der Z u s t a n d der Stoffe~ das ~Milieu"~ in dem diese miteinander in Wechselwirkung treten, eine bedeutsame Rolle. Daraus ergibt sich die Folgerung, nicht nur Anfang und Ende einer Umsetzung~ sondern darfiber hinaus das Werden des Vorganges und die Bedingungen kennen zu lernen, unter denen er abli~uft. Die Heranziehung physikalisch-chemischer Untersuchungsverfahren, deren Ziel das Studium des Reaktionsverlaufes ist, hat daher die Lebensmittelchemie auf vielen Gebieten befruchtet. Dies gilt insbesondere ffir die bei der Beurteilung der Lebensmittel und ihrem Verhalten so wichtigen ,Aciditi~tsfragen" 1).

I. Potentie l le AciditKt~ aktuel le AciditKt und Pufferungskapaziti it .

Nach dem heutigen Stand der physikalischen Chemie sind es im wesentlichen 3 GrSl~en~ die die gesamten sauren (bezw. basischen) Eigenschaften eines Systems ausmachen.

1. Der nach den Methoden der Acidimetrie bestimmbare Gehalt an Si~ure, die sog. T i t r i e r - oder p o t e n t i e l l e A ci d i t ~ t. Hierfiir ist in der Lebensmittelchemie auch die Bezeichnung S a u r e g r a d bezw. S ~ u r e z a h l fiblich (z. B. bei Milch; Mehl~ Fetten und 01en)~ die angibt, wieviel Kubikzentimeter einer als Mai~fliissigkeit be- nutzten Alkalilauge yon bestimmter Normaliti~t zur Absi~ttigung der in 100 g oder 100 ccm des Nahrungsmittels enthaltenen Menge Si~ure erforderlich sind. Je nach der Natur tier einzelnen Lebensmittel ist das zur Bestimmung seines Gehaltes an Saure benutzte Titrierverfahren den besonderen VerhMtnissen angepa]t.

1) Die experimentellen und theoretischen Grundlagen ffir die folgenden Ausffihrungen sind in einigen in Gemeinschaft mit Dr. C. W a g n e r verSffentlichten Arbeiten niedergelegt, die an entsprechender Stelle nachstehend angeffihrt sind.