6
595 Theoiie der von mir studirten Erscheinungen einhiillt, und der Wunsch, einiges Licht auf sie zu werfen, mogen meine Dreistigkeit entschuldigen. -- VI. Uebvr die Cripillnritci’t ; con Hrn. W. Wertheim. (Compt. rend. T. XLZT’, p. 1022.) D i e Theorie der Capillaritat beruht auf der Hypothese, dafs das Volum der Fliissigkeit, welche sich iiber das Ni- veau erhebt, proportional sey dem Umfang des Querschnitts der starreu Wand, welche Krummung auch der Urnfang haben m6ge. Diese von L a p l a c e aufgestellte Hypothese, welche mit der von Yo ung zusarnmenfdlt, dient als Aus- gangspunkt fur die Entwickelung aller besonderen Falle und andrerseits fur die .Erhebung zum Studiuin der Mole- cularkrafte. Sie kann daher nicht sorgfaltig genug gepruft werden; leider hat sich die Integration der fundamentalen Differentialgleichung nur in einigen besonderen Fallen be- werkstelligen lassen kbnnen , und die experimentelle Pru- fung ist daher zwischen sehr enge Granzen eingeschlossen. Um diese Priifung anf eine allgemeine Weise vorzu- nehmen, verfuhr ich wie folgt. Ich begann die asympto- tische Curve, die Generatrix der Oberflache des durch eine Ebene gehobenen Meniscus zu beobachten , und, nachdem fiir sehr nahe an einander liegende Abscissen dio entspre- chenden Werthe der Ordinaten uber detn Nveau gemes- sen worden, construirte ich diese Curve durch Puukte und bestimmte experimentell den Flachenraum und die Lage des Schwerpunkts der zwischen dieser Curve und den bei- den Axen begriffenen Flache. Dieselben Bestimmungen lnachte ich bei den Menisken, die durch eine grofse An- zatl convexer Cylinder von verschiedenem Durchmesser 38 *

Ueber die Capillarität

Embed Size (px)

Citation preview

595

Theoiie der von mir studirten Erscheinungen einhiillt, und der Wunsch, einiges Licht auf sie zu werfen, mogen meine Dreistigkeit entschuldigen.

--

VI. Uebvr die Cripillnritci’t ; con Hrn. W. W e r t h e i m .

( C o m p t . rend. T. XLZT’, p. 1022.)

D i e Theorie der Capillaritat beruht auf der Hypothese, dafs das Volum der Fliissigkeit, welche sich iiber das Ni- veau erhebt, proportional sey dem Umfang des Querschnitts der starreu Wand, welche Krummung auch der Urnfang haben m6ge. Diese von L a p l a c e aufgestellte Hypothese, welche mit der von Y o ung zusarnmenfdlt, dient als Aus- gangspunkt fur die Entwickelung aller besonderen Falle und andrerseits fur die .Erhebung zum Studiuin der Mole- cularkrafte. Sie kann daher nicht sorgfaltig genug gepruft werden; leider hat sich die Integration der fundamentalen Differentialgleichung nur in einigen besonderen Fallen be- werkstelligen lassen kbnnen , und die experimentelle Pru- fung ist daher zwischen sehr enge Granzen eingeschlossen.

Um diese Priifung anf eine allgemeine Weise vorzu- nehmen, verfuhr ich wie folgt. Ich begann die asympto- tische Curve, die Generatrix der Oberflache des durch eine Ebene gehobenen Meniscus zu beobachten , und, nachdem fiir sehr nahe an einander liegende Abscissen dio entspre- chenden Werthe der Ordinaten uber detn Nveau gemes- sen worden, construirte ich diese Curve durch Puukte und bestimmte experimentell den Flachenraum und die Lage des Schwerpunkts der zwischen dieser Curve und den bei- den Axen begriffenen Flache. Dieselben Bestimmungen lnachte ich bei den Menisken, die durch eine grofse An- zatl convexer Cylinder von verschiedenem Durchmesser

38 *

596

gehoben worden waren, und berechnete mittelst des G u l - din'schen Theorems, die Volume der durch die Umdre- hung dieser Flachen urn die Axen ihrer Cylinder erzeug- ten Korper. Auf gleiche Weise verzeichnete ich die kapillare Flache der Flussigkeit, welclie zwischen zwei ebenen und in verschiedenen Abstanden ( 2 a) befiudlichen Ebenen be- griffeii war; seyen A die Hohe des tiefsten Puuktes dieser Curve uber dem Niveau, b der Flachenraum des Quer- schnitts des halben Meniskus und 2 die Breite eiuer Ebene, so wird 2 Z ( h a t b ) das gehobene Volum der Flussigkeit seyn.

Die Quotienten aller fur eine selbe Flussigkeit und bei derselben Temperatur gefundenen Volume , dividirt durch die entsprechenden Umfange der starren Korper, inussen unter sich gleich seyu, wenn die Hypothese richtig ist, und

sie musseii unterschiedslos die Capillarconstante 5 sin cp

liefern (wo cp das Complement des Winkels bezeichnet, den das letzte Element der Curve mit der Wand bildet).

Diefs Verfahreu pafst nicht auf concave Cy1inderfl;i- chen; inan kann dabei our die Erhebung A des tiefsten Punkts der Flache beobachten. Diefs habe ich fur eine groCse Aiizahl Rohreii von sehr kleinelv und sehr grofsein Durchmesser gethan ; in diesen beiden Granzfallen ergiebt sich die Constante aus dem einzigen Werthe von A mit- telst der bekannten Formeln von P o i s s o n .

Um endlich nicht ganz entblofst zu seyn von Daten iiber Rohren voii mittlerer Weite, lieL ich mehre aus Zink ziehen, und, nachdem sie iuwendig mit Wachs iiberzogen worden, tauchte ich sie mit eiiieln Eude in eine Schale voll geschmolzeiien Wachses, welches in einer etwas ho- heren Temperatur als die der Schmelzung gehalten wurde. Es fand ein Aufsteigen statt und iiach dem Erkalten hatte die innere Saule ihre anf;ingliche Hbhe und der Meniskus seine anfiingliche Gestalt sehr nahe hehalten, so dafs, nach- dem die Wand in verdunnter Schwefelsaure aufgelost wor+ den, ein Wachscylinder iibrig blieb, der oben durch jeuen

a'

597

Meniskus und unten durcli eine Ebene begranzt war, deren Lage gegen das Niveau zuvor hestimmt worden war. Man maafs hierauf h und bestiinmte den W e r t h von 6 an einem durch die Axe gehenden verticalen Durchschnitt. Die fo-1- gende Tafel enthalt die Mittelwerthe aller vou inir erhalte- nen Kesultate.

Volume (Cubikrnillirneter) getragen von eioem Millimeter Umfaoge bei loo bis 1 5 O (das Wachs ausgenommeo).

Inn. Durclr messer

O,l5 bis l,! rnrn

2,104 5,246 5,510 6,244

12 bis 30

Abstand

9,740 7,930 6,344 3,940 2,640 1,332 0,882 0,394 0,236

Aenfserer Durchrness

34,25 22,03 14,92 10,09 4,86 3,02 1,648 1,032 0,676 0,332

Desti,,irtcs Gssatt. 15- sung von Ei- Olivenol Wachs Alhohol :;$:; 1 senchloriir 1 1 1 1

Enge Rijhrcn

7,537 I 6,182 I 3,720 I 3,507

3,362 3,146 1 1 I 3,158 3,221

5 , 8 , >5,6 I<5, >3,7 I 3,7 I 3,366

5,148 I 3,264 I 3,457 I 3,470

Mittlere Rohrcn

W e i t e Rohren

Eioe Ebene

5,18i 5,196 5,179 5,272 5,142 5,088 5,133 5,197 5,192

5,071 4,819 4,727 4,500 3,953 3,800 3,057 1,948 1,988 1,464

Zwei

3,329 3,340 3,532

3,432 3,361

3,345

3,597 3,554

rallele Ebenen

3,779 3,623 3,952 3,833 3,899 3,927 3,80i 3,776 3,821

2,915 2,578 2,615 2,450 2,187 2,353 2,262 1,912 1,674 0,784

Convexe Cylinder

3,397 3,170 2,778 2,794 2,753 2,861 2,451 2,017 1,564 1,218

2,926

3,477 2,691 2,555 2,089 2,075 1,590 2,289

3,072 2,6 18

3,1 I

3,169 I

3,264 3,277 3,178 2,979 3,088 3,133 3,185 3,170 3,272

3,021 2,956 2,764 2,799 2,730 2,281 1,732 1,642 1,398 0,774

2,673 2,672 2,649 2,542 2,505 2,692 2,703 2,622 2,732

2,296 2,371 2,185 2,470 2,212

598

Aus den Zahlen dieser Tafel lassen sicb uachstehende Schliisse ziehen :

1. Zwei parallele Ebenen heben ein constantes Volum, wie auch ihr Abstand seyn mbge, selbst wenn dieser u11- endlich grofs ist.

W a s das Wasser betrifft, so stimlnt die Curve, die ich fur eine einzige Ebene gefunden habe, selir gut iiberein init der, die Hr. H a g e n beobachtet hat; eben so weichen die Wertlie von h zwischen zwei Ebeneu wenig ab V O ~ de- nen, die S i m o n (von Metz) gefunden, nur dafs letzterer Phgsiker mit Unrecht ein Gesetz auf alle Abstlnde an- wenden wollte, welches die Mathematiker niemals anders als angenahert richtig fur sehr kleine Abstande aufgestellt haben.

Berechnet aus den mit engen Rohren angestellteii Versuchen, ist die Constante bei gewissen Flussigkeiten eben so grofs, und bei anderen vie1 gr6fser als die mit- telst zweier Ebenen bestiminte Constante. Es ist Zufall dafs beiin Wasser das Verhsltnifs zwischen diesen beiden Werthen beinahe gleich $TC ist, wie schon Si rnoi i be- rnerkt hat. Dasselbe Verhaltnifs ist beim Chlorur beinahe 2 und bei unscren tibrigen Flussigkeiten 1.

3. Die weiten Rohren geben einen W e r t h , der zwi- schen den vorhergehenden Werthen liegt, wenn diese ver- schieden sind, und der ihnen gleich ist, wenu sie ziisam- menfallcn. Diefs findet beiin Alkohol statt, und deshalb hat der einzige Prufungs-Versuch, auf den sich L a p l a c e und P o i s s o n berufen, ein mit der Forinel vollkoinmen ti b ere i us t im in e ii d es Res id t a t g eg e b cn . D e in a b e r ware n i ch t also fiewesen, IiRtte G a y - L u s s a c statt des Alkohols Wasscr geiiommen; man begreift auch, weshalb Hr. F r a n - k e n he i in den Versuch im Widerspruch mit der Formel fand, selbst wenn er sich Rohren yon 14 Mllm. innerein Durchmesser bediente I ) .

4. In dern Maafse wie die Radien der convexen Cy- linder abnehmen, von der Ebene aus , bei der dieser Ra-

2.

1) P o g g . Ann. Bd. LXXII, S 191.

dius unendlicb grofs ist, riiinmt das gehobene Voliilri fort- wahrend ab bei den beiden ersten Flussigkeiten; bei den iibrigen beginnt diese Abnabme bei einer gewissen Kriim- mungsgranze, w%cbst allmahlich wid, wie es scheint, ins Unendliche. Unter den von mir untersuchten Flussig- keiten zeigt der Aether das constauteste Voluni; leider sind nur die Versuche mit ihm weniger genau als die iibri- gen, trotz der Sorgfalt, die ich getroffen hatte, die Ver- dampfung wahrend des Versuchs zu verringern. Und jeden- falls ist es iiicht die Abwesenlieit der Schleimigkeit, der man diese Constaoz zuschreiben mufs, denn vergleichende Versuche mit reineni Wasser und Gummiwasser habeii mir gezeigt, dafs die Schleimigkeit wolil den Moment des Eintritts des Gleichgewichts verzbgert, aber keiiien merk- lichen Eiufluis auf den Endzustand ausiibt.

Urn diese Thatsachen zu erklaren, konnte man versiicht seyn, anzunehmen, dais der Contingenzwinkel wit der Kriiminung d r r W a n d variire, allein man kann beweisen, dafs den1 niclit so ist. Betracliten wir namlich blofs die Meuisken des Wassers uiid des Eisenchlorurs, gelioben von einer Ebeiie, fur welche man schon hatte sp < YOo. D e r Flaclienraum des Querschuitts ware :

A = :a2 sin sp und die griifste Ordinate

H = a1/2 sin 4 sp > a Vsin 9 wabrend der Versuch bestandig giebt

~

1/33 > H. Icb beweise auch, dafs fur y=90", die Coordinaten

des Schwerpunkts siiid:

in dem Maafse als qj abnimint entfernt sich der Schrver- punkt von der Ordinateoaxe, wghrend er in Wirklichkeit ihr naher liegt, als e r nach dieser Forinel liegen wiirde.

Mail liiufs also eine andere Hypothese zu Hiilfe ziehen und wie ich glaube, die veranderliche Dicke der dein star- ren Korper auhaftenden flussigen Schicht oder Scheide in

5, =$H; y r =-$H-+:Ij2.H=0,19525H

600

Rechnuug nehmen. Auf diese Hypothese kam ich durch eine Reihe von Versuchen, die ich iiber die Hebung einer Losung oon Eisenchlorur zwischen zwei an den Polen des R u h m k o r f f’schen Elektromagnets hefestigten parallelen Eisenplatten anstellte; die unteren Enden dieser Platten tauchten in die Losung, fur die mau die Wer the ~ 0 1 1 h und b bei verschiedenen Abstanden 2cc schon kannte. Nun l ids man durch den Apparat einen Strom gehen, den man laiigsam verstarkte und dessen Iutensitat man maafs; da sah man diese magnetische Flussigkcit zwischen den beiden Ebenen sich bis zum Doppelten und Dreifachen ihrer ur- sprunglichen H6he erheben ond die Oberflache die dieser neuen Hahe zukommende Krummung annehmen; allein bei jeder Intensitat der Magnetisiruiig blieb das gehobene Vo- lum beiiiahe constant, welchen Abstand auch die Platten haben mochten; mit eiiiein W o r t der Vorgang war so, wie wenn die Capillarcoustante verdoppelt oder verdrei- facht worden ware. W i r wissen iudefs durch die Ver- suche der HH. B r u n n e r und M O U S S O I I , dafs die hnzie- hung der Flussigkeit auf sich selbst nicht durch die Mag- netisirung dieser geandert wird, und andrerseits beweist die Kleinheit der Gestaltveranderung, welche die Flussig- keit erleidet, wenn die Polflachen uicht darin eintauchen, so wie die Thatsache der Uuabhangigkeit der Zuuahme des gehobenen V O ~ U N S von d e n Abstande der Platten, dafs es sich hier iiiclit urn einen in die Ferne aasgeiibten Ef- fect magnetischer Anziehung handelt. Ich glaube also, dafs diese Thatsnchen nur durclr cine Zunabuie der Dicke der anhaftenden Schicht. erklart werden kounen, eine Zuuahme, die sich direct errveisen lalst.

Man begreift ubrigens, dafs , da jede Temperaturver- iiriderung diese Dicke veranderii kanu, der Einflufs der Temperatur sehr abweichen kaun von dem, welchen die Theorie bei blofser Beriicksichtigung der Ausdehnuug der Fliissigkeit vorausgesehen hat.