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drr schwefiigen Shre a$ Zirikrnethyl. 291 eine Saure S3C4H505, so wirft Hobson die Fragc anf, ob die Verbindungen von Zink mit noch hoheren Alkoholradicalen bei der Einwirkung auf schweflige Saure in demselben Vcr- haltnik vorschreitcnd schwefel- und sauerstoffreichere Saurcn geben, das Zinkamyl z. U. die Sauro SsCloH1lO1~. Er beai)- sichtigt, diese Fragc durch die Anstellung wcilerer Unlcr- suchungen zu entscheiden. Ueber die Chloride des Schwefels; yon L. Cariuus. Die Untersuchungen uber das Verhalten anorganischer Chloride haben, obwohl sie seit der Entdeckung der Chloride organischer Saureradicaie durch C a h o u r s so mannigfach rind mil so grofsern Erfolge gefiihrt sind , docli fast allcin das Vcrhalten der Chloride des Phosphors mit grorserer Ge- nauigkeit und Ausfuhrlichkeit kennen gelehrt. Der Grund liegt ohne Zwrift.1 darin, dals die Reactionen dieser Korper fast ohne Ausnahme sich in ihren Producten lcichter ver- folgen lassen, als diek bei anderen Chloriden und besonders bei denen des Schwefels stattfindet. Es schien mir indcssen von Interesse, die Reactionen der letzteren mil Genauigkeil zu verfolgen, theils weil sie Chloride eiries Eletnentcs sind, welches der Reprasentant einer natiirlichen Gruppe von K6r- pern ist, wie der Phosphor als Reprasentant t:iner anderen Gruppe dasteht; theils aber auch, urn iiber die walrrschein- liche moleculare Constitution dieser beiden Chloride eineri Schlufs zu gewinnen. Diese Untersuchung mufsle nothwendig damit begonnen werden , die Verbitidungen des Chlors niit dem Schwefel in 19 *

Ueber die Chloride des Schwefels

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drr schwefiigen Shre a$ Zirikrnethyl. 291

eine Saure S3C4H505, so wirft H o b s o n die Fragc anf, ob die Verbindungen von Zink mit noch hoheren Alkoholradicalen bei der Einwirkung a u f schweflige Saure in demselben Vcr- haltnik vorschreitcnd schwefel- und sauerstoffreichere Saurcn geben, das Zinkamyl z. U. die Sauro SsCloH1lO1~. Er beai)- sichtigt, diese Fragc durch die Anstellung wcilerer Unlcr- suchungen zu entscheiden.

Ueber die Chloride des Schwefels;

yon L. Cariuus.

Die Untersuchungen uber das Verhalten anorganischer Chloride haben, obwohl sie seit der Entdeckung der Chloride organischer Saureradicaie durch C a h o u r s so mannigfach rind mil so grofsern Erfolge gefiihrt sind , docli fast allcin das Vcrhalten der Chloride des Phosphors mit grorserer Ge- nauigkeit und Ausfuhrlichkeit kennen gelehrt. Der Grund liegt ohne Zwrift.1 darin, dals die Reactionen dieser Korper fast ohne Ausnahme sich in ihren Producten lcichter ver- folgen lassen, als diek bei anderen Chloriden und besonders bei denen des Schwefels stattfindet. Es schien mir indcssen von Interesse, die Reactionen der letzteren mil Genauigkeil zu verfolgen, theils weil sie Chloride eiries Eletnentcs sind, welches der Reprasentant einer natiirlichen Gruppe von K6r- pern ist, wie der Phosphor als Reprasentant t:iner anderen Gruppe dasteht; theils aber auch, urn iiber die walrrschein- liche moleculare Constitution dieser beiden Chloride eineri Schlufs zu gewinnen.

Diese Untersuchung mufsle nothwendig damit begonnen werden , die Verbitidungen des Chlors ni i t dem Schwefel in

19 *

292 Car ius , ilhnr die Chloride

reinem Zustande darzustcllen , um d a m die Eigenschaften derselben zu priifen ; denn die Untersuchungen , welche in dieser Richtung friiher gefuhrt wurden , haben Zuni Theil widersprechende Resultale gegeben , wie die folgenden An- gaben zeigen mogen.

Nach den zuerst von B u c h h o l z und H. D a v y ausge- fiihrten Analysen existiren zwei bestimmte Verbindungen v on Chlor und Schwefel, von denen die ers te nach der Analyse von B u c h h o l z 47,4 pC. Schwefel. enthalt und der soge- nannte Halbchlorschwefel ist , wahrend die andere nach H. Da v y’s Analyse 30 pC. Schwefel enthllt, welche Analyse durch D u m a s spater bestatigt wurde. H. R o s e uritersuchte diese Verbindungen darauf zit wiederholten Malen *); er er- hielt die Verbindung von 47,6 pC. Schwefelgehall, und bei langem Durchleiten von Chlorgas und nachheriger Destillation eine Verbindung von 32,5 pC. Schwefel, spricht sich indessen dahin aus, dafs letztere nicht als eine chcmische Verbindung zu betrachten sei , obwohl ihre Zusa~n~nensetzung sehr nahe die Formel CIS verlangt. D u m a s **) dagegen nirnmt die Existenz dieser Verbindung a n , die tiach seinen Versuchen granatroth is t , den Siedepunkt 64O C. und die Dampfdichte 3,67 hat. In einer Abhandiung iiber das Verhalten der Srhwefelmelalle in Chlorgas theilt H. R o s e **++) die Ansicht init, die beiden Chlorschwefel seien nur Auflosungen von Schwefel in einer noch ungekannten Chlorverbindung , die in ihrer Zusammensetzung der schwefligen Saure entsprache. Darauf hat M i l l o n f ) noch eine andere Verbindung be- schrieben , einen kr%ystallisirten Einfach - Chlorschwefel , der

*) Pogg. Ann. XXI, 431 u. XXVII, 107. **) Ann. de chim. et de phys. XLIX, 204.

*I*) Pogg. Ann. XLII, 517. j.) Journ. de pkarm. VI, 413.

des Srhwefels. 283

durch langes Hindurchleiten trockenen Chlorgasrs durch schori niit Chlor gesattiglen Chlorschwefel entstehen SOH. Dieselbe wurde spater von M a r c h a n d #) ebenfalls darge- stellt, und von ihm auch eine Bestimmung ihres Schwefel- yehaltes ausgefuhrt, wobei 30,93 pC. Schwefel erhalten wur- den, was fast genau der Zusammensetzung CIS enlspriclit ; M a r e h a n d schliefst auch hieraus , dafs diese Verbindung der reine Einfach - Chlorschwefel sei , wahrend die flussigc rothe Verbindung noch nicht genugend Chlor enthielte.

Ueber die Darstellung des Halbchlorschwefels bedarf es keiner weiteren Angabe, als dafs ich zu den spater zu be- schreibenden Versuclien ein bei 138 bis 139O C. rectificirtes Product benutzte. Der zu den Versuchen verwandte Einfach- Chlorschwefel wurde bereitet durch vollstlndige Sattigung solchen Halbchlorschwtefels mit durch Schwefelsaure sorg- falligst getaocknetem Chlorgase bei einer Temperatur von Oo bis hochstens + 4 O C.

Durch die oben citirten Untersuchungen von H. Rose und M a r c h a n d ist bekannt , dafs der zweite Chlorschwefel in flussiger Form nicht von der Zusammensetzung CIS er- halten werderi kann, indeni die Flussigkeit je nach der Tem- peratur, bei welcher man sic mit Chlor behandelt, mehr oder weniger van diesem aufnimmt , wahrend durch Destillation der mit Chlor gesatligten Flussigkeit ein vie1 weniger Chlor enthaltendes Prodact entsteht. Ich versuchte daher, den von Mi 11 o n und M a r c h a n d beschriebenen krystallisirten Einfach- Chlorschwefel darzustellen , dessen feste Form ohne Zweifel grofssere Gewiihr f i r eine constante Zusammensetzung bieten wurde. Da ich bei fruheren Darstellungen des Chlorschwefels mehrfach beobachtet hatte, dars bei nicht vollstlindigem Trock- nen des Chlorgases, oder wenn die feuchte atmospharische

*] Journ. f. pract. Chem. XXII, 507.

294 C a r i u s . iibpr dde Chloride

Lnft zum Chlorschwefel zutreten konnte , Krystalle des von M I I 1 o II ’+) heschriebenen Schwefeloxychlorids entstanden , SO

hielt ich fur nolhig, hier ganz hesondere Sorgfalt auf das Trocknen des Ciilorgases zu verwenden, und das uberschus- sige Chlorgas durch ein Trockenrohr entweichen zu lassen.

Ich wandte zu dem Versuche etwa 200 Grm. schon bei + 1 his 3 O Knit Chlor gesattigten Chlorschwefel an, der beirn Herausnehmen aus der K#ltemischung sofort anter Abgabe von Chlorgas zu kochen anfing. Die denselben enthaltende Flasche wurde wahrend der ersten zwei Stunden mi t ge- stofsenem Eise abgekiihlt , und als sich nach Verlauf dieser Zeit , wahrend von Anfang an nlit Chlorschwefeldampf gc- mengtes Chlorgas entwich, lieine Krystalle gebildet hatten, eine Eismischung von Mochsalz nnd Schnee angewandt, WO-

durch die Temperatur der Flussigkeit wiihrend zwei Stunden auf - So bis - 14O C. erhalten wurde. Auch hierbei bil- deten sich keinerlei Krystalle, und das mtweichcnde Chlorgas gab rnit Wasser geschuttelt einen bedeutenden Niederschlag von Schwefel, zuni Beweise, dafs selbst bei dieser niederen Ternperatur Chlorschwefel n i t abdunstete.

Ich glaube, dafs es durch diesen mit aller Sorgfalt aus- gefuhrtcn Versuch wohl als erwiesen xu betrachkn ist, dais

”) Ann. de cliim. et de ptiys. [3] XXIX, 237. Illillon fiihrt iro Ein- gange der Ahharidlring an., er hahe den von ilitn friiher darge- stellkn hrystallisirten Einfncb -Clilorschwefel nicht wieder erhalten Ironnen, wohl aber bildcten sicti Krystalle von der neuen Substanz, sobald man d;is Cblor feuclit anwende, und er planhe daher, die frblier erhaltenen Krystalle seien el,enfalls das Oxych!orid gewesen, den1 er die Forniel C&03 giebt. Da aber Marc h a n d sogar eine genau stiminende Analyse des Irr ystallisirten Einfach-Chlorschwelels anfiilirt, nnd die Existenz tlieser Verbindung in den neuesten Auf- lagen von B e r z e l i u s ’ und G m e l i n ’ s Lehrbuchern noch angepe- ben wird, so stellte i rh die obipen Versuche an, derem Resultate zur l3es1a1igung der Ansicliten N i l l o n’s dienen.

des Schwrfds. 295

die von M a rcli a n d fiir Einfach- Chlorschwefel gehalterie krystallisirte Substanz nichts ist , als die von M i I 1 o n be- schriebiwt: Verbindung CI2S2O3, welche sich sehr reichlicti bildete, aIs ich das Chlorgas nicht rnehr durch Schwefelsaurc get r o ckn e t an w A n d t e .

Gs stimnien aufsserdem alle Eigenschaften des Oxychloritls mit den voii 31 a r c h a n d fur den krystallisirten Einfach- Chlorschwefel angegebenen iibereiri ; die Krystalle zersetzen sich rr i i t Wasser heftig tinter Bildung vori Chlorwasserstoif, Schwefelsiiuro , schwefliger und geringer Mengen unter- schwefliger Siiure untl Absatz von etwas Scliwefel*), untl h e n sich beim Erwiirmen mit Halbclrlorschwefel auf, indem sie denselben dunkeler fiirben. Da M a r c l i a n d bei der Analyse 30,9 pC. Schwefel fanti, wlllreiid die Formel CI2SBO3 nur 25,2 pC. Schwefel verlangt, so hat er sehr waiirschein- licli ein mit Chlorschwefel veruareinigtes Product untersucht.

Um lteineri Weg zu versiiumen, ein Product von con- stanter Zusamniensetzung zu erhaltcn, so versuchle ich nun, durch frabtionirte Destillation hierzu zu gelangen , wie diefs schon durch die genannten friiheren Beobachter geschehen war. Zu diesem Zweck wurden etwa 2 Pfuntl bei 0" mil Chlor gesiitt igten Chlorschwefels in eiiien langhalsigen Kollien gebracht, eiii P)estillatic)nsrohr so aufgesetzt , d d s die Iirrgel des Thermometers sich dicht **) unterhalb des Abflursrohrs fur die Dlinpfe hefand , und die durch Eis abgekiilille Vor- lage durch Aiifugen eines Trockenrohres vor dcm Zutritt, von Feuchtigkeit geschutzt. Die F1Ussigkt:it \vurde in uri-

*) I)er Schwefel untl die unterschweflige SSore riihren von den norh heigeioengten ltleinen llengeti Chlorschwefel her.

**) Die Kenritnifs der groten Vorzuge, welche eioe derartige Stellung des Thermometers hei der fractionirten Destillation hat sowie des fur diesen Zweclt construirten Destillationsrohres c 7 Fig. 1, Taf. I, vcrdanke ich einer Mittheilung des Helm Ii. Pu l l er in London.

296 C a r i t i s , iiber die Chloride

unterbrochenem gelindem Sieden erhalten. Im Anfange der Destillation entwickelte sich ein dunkel gefarbtes Gas, welches mit Wasser geschiittelt eine von Schwefel getriibte Liisung von Schwefelsaure , Chlorwasserstoff und freiem Chlorgas gab. Diese Gasentwickelung hort , wenn das Thermometer 206 zeigt, fast ganz auf, und es destillirt unter fortwahren- dem allmaligem Steigen des Siedepunktes eine braune Flus- sigkeit. Nach den Versuchen yon M a r c h a n d sol1 der Siedepunkt bei 780 C. constant bleiben und bei dieser Tem- peratur eine Fliissigkeit von 37,73 pC. Schwefelgehalt destil- h e n . Ich fand indessen, dafs, wenn nur die Destillation langsam genug betrieben wird, die Temperatur bei 78O nicht constant bleibt, sondern sich der Siedepunkt noch immer er- hijht, bis die letzten Antheile constant bei 138 bis 139O sic- den, und die immer heller werdende Farbe des Destillatcs nun in die dunkelgelbe des Halbchlorschwefels ubergegan- gen ist.

Der zwischen 20 bis 30° ubergegangene Theil des ersten Destillates entwickelte bei nochmaliger Destillation im Anfange wieder etwas Gas, welches Ziingere Zeit mit Wasser geschuttelt unter Abscheidung von Schwefel eine Losung gab, die schwach nach Chlor roch und Schwefelsaure enthielt. Das gleiche Resultat >*) g a b eine kleine ICleng-e Flussigkcit vom Siedepunkte 20 bis 30°, die ich durch wiederholtes Fractio- niren aus dem bci 45 bis 70° u n d 70 bis 80" destillirtcn An- theile von dem ersten Yersuche erhalten hatte.

Ganz ahnlich wie bei der Destillation verhiilt sich d r r rothe Cblorschwefel , wenn durch densclben bei e iwr all- malig erhohten, aber stets unlerhalb des Siedepunktes blei-

*) In allen diesen P'dllen wurde das freie Chlor auch norh dadurch nachgewiesen, dafs in der filtrirteu Fliissigkeit etwas StArkeldsung und Jodlcaliutn eine starke blaue Flrbuog gab.

des Schwefels. 297

hendcn Temperatur ein langsamer Strom trockener Lufl hin- durchgeleitet wird. Ich stellte den Versuch in der Art an, d a k vermittelst eines Aspirators Luft , welche erst durch mehrere Troclienapparate slreichen mufste , durch den in einem Kolben entlialtenen braunen Chlorschwefel geleitet wurde wahrend die Tcmperatur allmiilig auf 100° erhoht wurde der Chlorschwefel aber nie zum Kochen kam. Der hraune Chlorschwefel verwandelte sich dabei schon nach einigen Stunden in e ine gelbe Flussigkeit, welche nun alle Eigenschaften des Halbchlorschwefels hesafs.

Nach diesen Versuchen ist es wohl schon keinem Zweifcl mehr unlerworfen, dafs der sogenannte Einfach-Chlorschwcfel sowohl, als auch der bei 78O destillirle Chlorschwefel M a r - c h a n d ’ s , Gemenge sind.

Ein Volumen fliissigen Halbchlorschwefels bedarf, um in eine Substanz von der Zusammensetzung CIS uberzugehen, 278,27 Volumina ChlOrgdS ; ein Verhaltnifs , welches, wenn wir den Einfach - Chlorschwefel als durch blofse Absorption yon Chlorgas entstanden d e n k e n , nicht auffallen kann, da noch grofsere AbsorptionscoGfficienteD bekannt sind. In Dampfgestalt betrachtel wurde ein Gemenge von 1 Vol. Halb- chlorschwefeldampf = 4,6728 und 1 Ydl. Chlorgas = 2,4543 2 Vol. Danipf von der Zhsammensetzmg CIS entsprechen, daher die Dichtigkeit eiries solchsen Gernenges = 3,5635 sein; eine Zafil , die mit der von D u m a s beobachteten 3,67 genugend ubereinstimmt da die letztere fur eine offenbar an Halbchlorschwefel reichere Snbstanz (ihr Siedepunkt war 64O C.) gilt. Nach allem diesern lafst sich iridessen noch immer nicht mit Sicherheit schliefsen , d a k der sogenannte Einfach-Chlorschwefel in fliissiger Form ebenfalls ein Gemenge von Halbchlorschwefel und Chlorgas s e i , denn er konnte eben so gut ein Gemenge vun Halbchlorschwefel mit einer hoheren Clilorverbindung des Schwefels sein , welche beim

298 C a r i u s , i ihw die Chloride

Erwarrnen in Chlorgas und Halbchlorschwefel zerfiele, und diese letztere Ansicht findet eine Beskdtigung in dern Ver- halten des braunen ChlorscltwefcIs gegen Salze und Alkohole.

Die Untersuchung uber das Verhaltcn des Chlorschwefels gpgen andere Kiirper begann ich niit einer Wiedeiliolung der von H e i nt z +') angestellten Versuche uber Einwirlinng des braunen Chlorschwefels auf essigsaure und benzoesaurc Salze. H e i n t z schliefst aus seinen Versuchen, d a b bei Eiriwirkung vori Einfach- Chlorschwefel auf essigsaure Salze die Zerlegung s l r t s nach folgender Gleichung staltfinde : 4[C4H303+ NaO), 3 (CIS) = CINa, SO3 +NaO, 2 S, 4 (C4H303], wlhrend e r noch die Bildung hleiner Mengen einer schwefel- haltigen Flussigkeit beobachtete, die er fur Schwefelacetjl halt. Ich ging bei meinen Versuchen von der Ansicht aua, die Chlorschwefel stehen beide in nahcr Beziehung zur schwefligen Saure; da dieselben nkmlich beirn Zusammen- bringen mit Wasser fast nur unterschweflige Sdure unii

Chlorwasserstoff neben ausgeschiedenem Schwefel geben , so hielt icli fur moglich, sie seien als Liisungen von Schwefeel in dem noch unbekannten, der schwefligen Saure entspre- chenden Chlorschwefel zu betrachten. [Aehnliche Ansichten theilte schon H. R o s e mit **).J Ware diese Ansicht richtig, so ware es wahrscheinlich , dafs bei der Urnlegung der Chlorschwefel mit essigsaurcn Salzen entweder Chloracetyl oder wasserfreie Essigsaure neben schwefliger Saure oder dem derselben entsprechenden Oxychlorid und Chlormetall enfstehe.

Einen ersten Versuch stcllte ich in der Art a n , dars in einem langhalsigen Kolben 3 Theile Chlorschwefel ni i t 2 Thei- len geschniolzenem und noch warm fein geriebenem essig-

*) Pogg. Ann. XCVIII, 458. **) Daselbat XLII, 517.

des Schwefels. 299

saurem Natron in sehr kleinen Portionen versetzt, ein Destil- lationsrohr angefiigt , welches am Ende niit einem Trockrn- rohr verbnnden war, und nun der Apparat sich selbst uber- lassen wurde. Die am anderen Tage ausgefiihrte Destillation lieferte eine gelbe Fiiissigbeit, die sich als ein Gemenge von €Ialbchlorschwefel u n d wasserfreier Essigstiure zu erkennen gab, welche wegen ihres so nahe liegenden Siedepunktes nur schwierig getrennt werden konnen. Da indessen die sammt- liche Fliissigkeit bei 120 bis 140° destillirte, so glaube ich annehmen zu diirfen, dafs wedcr Chloracetyl noch eine an- dere Substanz beigemengt war. Der Ruckstand irii Destil- lationsgefars bestand aus schwefelsaurem Natron und Chlor- natrium.

Es gab also dieser Yersuch mit essigsaurem Natron dasselbe Resultat, wie schon H e i n t z es erhalten hatte , nur erhielt ich nicht die schwefelhaltige Substanz , was indessen im Folgenden seine Erkliirung findet; ebcn SO fa:!d ich das gleiche Rcsuftat wie He in t z , als ich braunen ChIorschwefel auf wasserfreies benzotsaures Natron einwirken l ie t . Es bildete sich Chlorbenzoyl *), Halbchlorschwefel , schwefel- saures Natron und Chlornatrium. Das so erhaltene Chlor- benzoyl ist indessen selbst nach wiederholtem Rectificiren schwach gelblich gefarbt, welche gelbe Farbe wahrscheinlich yon der Beimengung einer geringen Menge einer schwefel- haltigen organischen Substanz herriihrt , da die Flussigkeit mit Wasser gescliiittelt , bis der Geruch nach Chlorbenzoyl verschwunden ist, schwach nach Schwefelwasserstoff riecht und Bleipapier schwach hraunt. Die Menge dieser Substanz kann indessen nur selir klein sein, denn es ist mir bis jetzt

*) Hein t z hat das Chlorhenzoyl nur durch den Gerirch erlrannt und nicht weiter abgeschieden , sondern statt desseo waseerhcie Ben- zoes8nre dargestellt.

300 C a r i u s , Gber die Chloride

nicht gelungen, dieselbe zu isoliren ; ich hoffe auf anderem Wege hierzu zu gelangen, und vermulhe , d a b dieselbe Schwefelbenzoyl CzsHloOQSz ist.

Icli untersuchte nun die Einwirkung des Halbchlorschwe- fels auf benzoesaures Natron. Die Versuche wurden in ganz ahnlicher Weise unter Anwendung von 2 Theilen Halbchlor- schwefel auf 1 Theil benzoesaures Natron angestellt , und besonders darauf gesehen , dafs die Temperatur, welche im Anfange betrachtlich steigt, rnoglich niedrig blieb. Die Re- sultate waren im Wesentlichen dieselben , wie bei der An- wendung des Einfach-Chlorschwefels; es bildeten sich Chlor- bonzoyl , Chlornatrium und schwefelsaures Natron , wahrend zugleich Schwefel ausgeschieden wird , und das erhaltenc Chlorbenzoyl hat auch hier wieder, und zwar in weit hoherem Grade als bei dem Versuche mit Einfach- Chlorschwefel, die Eigenschaft , rnit Wasser geschuttelt Schwefelwasserstoff zii

entwickeln. Sehr bernerkenswerth schien mir bei dieseni letzten Versuch, dafs die Menge des schwefelsauren Natrons geringer war, und ich versuchte $her die Bild-ung desselben ganx zu vermeiden, indem ich die Reaction noch mehr ver- langsamte. Zu diesem Zweck mischte ich den Halbchlor- schwefel niit seinem gleiohen Volum Schwefelkohlenstoff, gegen welche Subslanz beide Chlorschwefel sich ganz in- different verhalten, und fullte. zu dieser gemengten Fliissigkeit das benzoesaure Natron in kleinen Mengen ein, wahrend das Gefafs in Bis stand. D6r Kolben wurde wie bei den frii- heren Versuchen mit dem Destillationsrohr verbunden , und nach zweitagiger Digestion sein Inhalt der fractionirten Destillation unterworfen. Im Beginn der Destillation ent- wickelte sich ein Gas, welches durch seinen Geruch und die Entfarbung von feuchtern Jodstarkepapier als schweflige Saure erkannt wurde. Es destillirte darauf der Schwefel- kohlenstoff, dann bei 139O Halbchlorschwefel, und bei weiterem

des Schzoefels. 30.1

jetzt allmaligem Steigen des Siedepunktes eine gelhe Flus- sigkeit, deren grorster Thcil bei 196O uberging. Es gelang nicht, durch Fractioniren ein Product aufser den genannten Kiirpern von constantem Siedepunkte zu isoliren , das zulelzt destillirte Chlorhenzoyl zeigte indessen die Sehwcfelwassrr- stoffentwickelung heim Zersetzen mit warmem Wasser writ deutlicher, als das fruher erhaltene. Der Ruckstand i n der Retorte bestand fast ganz aus Chlornatrium und Scfiwefel, aber imyer noch niit schwefelsaurem Natron gemengt.

Durch diesen Versurh wird deutlich genug bewiesen, dak die Bildung des schwefelsanren Salzrs, eine secundare Reaction ist , herbeigefuhrt wahrscheinlicb :rlurch die Heftig- keit der Einwirkung des Halhchlorschwefels. Da die Ein- wirkung des Halhchlorschwefels auf Benzogsaurehydrat weit weniger energisch ist , so hoffte ich durch Untersuchung derselben noch hesser dariiher entschriden zu konnen. Vollkommrn trockenes und reines BenzoEsaurehydrat wird bei gewohnlicher Temperatur von Halbchlorschwefel gar nicht angegriffen, beim Erwarmen auf etwa 20 his 30° lost es sich darin auf, und krystallisirt beirn Erltalten scheinbar ganz unverandert wieder aus. Erwarmt man noch etwas starker, so entsteht eine rasche Gasentwickelung ; das entwickelte Gas ist farblos, raucht an der Luft, wird vom Wasser sehr leicht absorhirt, und die erhaltene Losung gieht durch die Reaclion mit salpetersaurem Silher die Grgenwart von Chlor- wasserstoff, durch den Geruch, die Entfarbung von Jodlosung, und die Fallung von schwefelsaurein Baryt aus der mit Jod- losung versetzten FIussigkeit die Gegenwart der schwefiigen Saure zu erkennen. Die Gasentwickelung hort endlich auf, und bei weiterem Erwarmen destillirt dann zuerst der uher- schussig angewandte Chlorschwefel und darauf hei 196O das Chlorbenzoyl, w i d e r von der gelben Farbe, und bci der

302 Carius, Uber die Chloride

mehrfach erwahnten Probe noch mehr als h i m vorigen Ver- such Schwefelwassersloff entwickclnd.

Ganz ahnlich wie der Halbchlorschwefc1 verhalt sich gegen Bcnzo&aurehydrat auch der Einfach-Chlorschwefel, aber die Reaction ist weit energisches und tritt schon bei gewohnlicher Teniperatur ein. Sorgt man dabci, dafs die Mischung sich nicht zu sehr erwiirmt, so hort die Reaction auf, sobald die rothe Farbe des Einfach - Chlorschwefels in die gelbe des Halbclilorscliwefels ubergegangen ist , und fangt erst beim Erwarmen wieder an. Dieser Umstand scheint darauf zu deuten , dafs der Einfach - Chlorschwefcl zuerst in Halb- chlorschwefel nnd den dcr schwefligen Saure enlsprechenden Chlorschwefel gespalten wird, vicllcicht nach dcr Gleichung :

wobci Cl4SZ etwa nach der Gleichung : (CIZS~)~ = CI& CIzS4,

c,,n,o, == (ciil>2 CICIjHF;Oy $. OdS2 cl& + ( 0 2 H 2

auf die BenzoEsaure einwirkte. Ob diese Reaction wirklich stattfindet , wiirde sich entschciden lassen, wenn man die Producte derselben trennen lronntc, ohnc d a t der entstan- dene Halbchlorschwefel eine weitere Einwirkung hervor- brachte. Diefs gelingt indessen nicht, da die Trennung wegcn der gleichen Liislichkeit dcr Producte in Schwefel- kohlenstofl oder Bcnzol nur durch Fractioniren moglich ist. Es schien rnir miiglich, aucli noch auf die Weise zur Ent- scheidung dicser Frage ZLI gelangcn, dafs inan das Verhalt- nirs dcs Chlorschwefels zur Benzoksaurc so vcrmehrte, dafs diese Ietztcrc nur zur Zerlcgung des der schwefligen Saure entsprechcnden Chlorschwefels ausreicht , den man sich im sogenanntcn Einfach-Chlorschwcfel vorhanden denkcn kann. D a m mufsste auf 3 (ClgS,) -- 31 Theile nur 1 Mol. Ben- zogsaurehydrat = 12,2 Theile angewandt rverden. Ich stellte den Versuch an , indern ich nur etwas rnchr als halb so vie1

des Schwefels. 303

Benzoeslure in den rnit seinem gleichen Volum Schwefel- kohlenstoff gemischten und kalt gehallenen Chlorschwefel cintrug. Die rothe Farbe verschwand hier nach Ilngerem Stehen nicbt vollstandig , die Flussigkeit wnrde am anderen Tage fractionirt , und dabei Chlorbenzoyl erhalten , welches nach nochmaliger Destillation fast ganz farblos war, und rnit warmem Wasser geschiitlelt keine wahrnehinbare Mcnge Schwefelwasscrstoff bildete. Jedenfalls ist also hiernach die Eritstehung der schwefelhaltigen Verbindung, welche das Chlorbenzoyl bei den andereli Versuchen beigemengt ent- hielt , ein Product der Einwirlrnng des Nalbchlorschwefels auf Benzoesaurehydrat oder benzoksaure Salze. Die viillige Rcinheit des erhaltenen Chlorbenzoyls lrabe ich auch durch cine Analyse constatirt, ausgefuhrt durch Verbrennen mit Kupferoxyd bei vorgelegtem metallischem Kupfer , welchcs vorher im Luftstrom oberfllchlich oxydirt und in Wasser- stoffgas wieder reducirt war. Die Resultate dieser Analyse sind folgende :

Angewandt . . . . . 0,3475 Grin. Erhaltene Kohlensaure . 0,7606 ,,

., Wasser. . . 0.1157 ,,

Iiohleristoff . . 59,W 59,79 Wasserstoff . . 3,70 3,56

gefiinden berechnet

Das Chlorbenzoyl war also vollkonimen rein. Da ohne Zweifel auch das Auftreten der schwefligen

Saure nur Folge einer secundiiren Reaction ist, so war es niiiglich, dafs sich neben dieser auch noch das derselben enlsprecheiide Oxychlorid gebildet habcn kijnnte. S ch i f f at)

gicbt an, diesen Korper, den er Clilortliionyl nennt, mit nur wenig Phosphoroxychlorid gemengt vom Siedepunkie 82O C.

*J Uiese Annalcn CII, 111.

304 C a r i u s , iiber die Chloride

erhalten zu haben. Ich versuchte daher, aus den1 bei der ersten Destillation zwischen 50 und 100° iibergegangenen Theile durch wiederholtes Fractioniren dieses Oxychlorid zu gewinnen ; in- dessen die Quantitat dieser Flussigkeit war nicht grofs und vor- auszusehen, dafs eine Trenriung durch Destillation sehr schwierig sein wurde, da die Flussigkeit zum grofsten Theil aus braunem Chlorschwefel bestand, desseri Siedepurikt gerade bei allmaliger Destillation meinen Versuchen zufolge fortwiihrend bis 139O steigt. Trotz dieser Schwierigkeit hielt ich es der Muhe werth, die zuletzt bei 78 bis 83O destillirte kleine Menge Fliissigkeit naher zu untersuchen. Sie war durch Chlorschwefel, aus dem sie ohne Zweifel zum grofsten Theil bestand, dunkel gefarbt, rauchte an der Luft, und erhitzte sich mit Wasscr, worin sie in Gestalt schwerer Tropfen zuerst untersank, wahrend sich unter Abscheidung von Schwefel ziemlich be- deutende Mengen schwefliger Saure entwickelten , so dafs man dieselbe sofort deutlich riechen konnte, was bei reinem Chlorschwefel bekanntlich nicht der Fall ist. Hierdurch in der Vermnthung bestarkt, die Fliissigkeit enthalte Cblorthio- nyl, stellte ich eine Analyse damit an. Die Substanz wurde in einem zugeschmolzenen Glaskiigelchen abgewogen , und mit cinem Gemenge von vollkommen von Chlor und Schwe- felsatire freiem kohlensaurem Natron und Quecksilberoxyd verbrannt , in der in Wasser gelosten filtrirten Fliissigkeit nach dem Ansauern mit Salpetersaure zunachst das Chlor durch Fallung mit salpetersaurem Silberoxyd, und darauf nach Entfernungdes ubmchussigen Silbers die Schwefelsaure durch Fallen mit Chlorbaryum bestimmt. Die Resultate dieser Ana- lyse sind folgende :

Angewandt . . . . . . . 0,2456 Grm. Erhaltenes Chlorsilber . . . 0,5848 ,,

,, metallisches Silber . 0,0052 ,, ,, schwefelsaurerBaryt 0,6585

des Schwefels. 305

Daraus folgt, wenn m6n den Verlust als Sauerstoff be- rechnet, und annimmt, der so gefundene Sauerstoff sei in Form von Chlorthionyl in der Suhstanz enthalten gewesen, dafs dieser Gehalt 26,33 pC. hetrug, wahrend der Ueberschufs von Chlor und Schwefel 74,67 pC. Chlorschwefel entspricht , der sehr nahe die Znsammensetzung haben wurde, wie sie von M a r c ha ri d fur den bei 78O destillirten Chlorschwefel gefunden wurde; die folgenden Zahlen mogen Diefs veranschaulichen :

Gefunden

Chlor . . 59,64 i5,7ij

i Schwefel . 36,82 7,08 Sauerstoff 3,54 3,54

Chlor . . . 43,931 Schwefel . 29,74

100,oo

100,oo

= 26,33 pC. Chlorthionyl.

= 73,67 pC. Chlorschwefel.

Ein letzter Versuch wurde mit schwefelsauren Salzen angestellt. Ich hoffte hier eher zu einem bestimmten Re- sultate gelangen zu konnen, da die Einwirkung der beiden Chlorschwefel erst in hoherer Temperatur stattfindet. Ich wandte schwach gegluhtes schwefelsaures Kali oder schwefel- saures Bleioxyd an, von denen das letztere Salz den Vorzug verdient, da es bei weitem leichter , von Einfach - Chlor- schwefel schon wenig iiher 1000 zerlegt wird, als das schwe- felsaure Kali, bei dem man bis zur vollstandigen Zerlegung mehrere Stunden lang auf 150 bis 160° erhitzen rnufs. Auch hier ist die Einwirkung des Halhchlorschwefels vie1 langsamer, so dafs man selbst nnter Anwendung yon schwe- felsaurem Bleioxyd stundenlang auf 150° erhitzen mufs. Die Untersuchung der Producte dieser Reactionen ist eine sehr beschwerliche, da bei denselben eine grofse Menge schwef- liger Saure gebildet wird. Man findet nur wenige Glas- rohren, welche der aukerordentlichen Tension der auf

20 A11t1al. d. Cueluis u. Pnanu. CVI. Bd. 3. Heft.

306 C a r i u s , uber die Chloride

150 bis 160" erhitzten flussigen schwefligen Saure widerstehen konnen. Durch diesen Uebelstand ist man geniithigt , ziem- lich enge dickwandige Iialiglasrohren anzuwenden , so dafs man hochstens 10 bis 15 Grm. Mischung in einer Rohre erhitzen kann; es versteht sich von selbst, dars die Rohre zu einer Capillarrohre mit sehr dicken Wanden ausgezogen werden mufs, damit die schweflige Saure beim OeEnen der Rohre nicht den ganzen Inhalt derselben mit wegschleudert. Ich habe gefunden, dafs die Gefahr der Zertrummerung des Apparates bei weitem nicht so grok ist, wenn man einen grofsen Ueberschufs von Chlorschwefel anwendet. Der Grwnd dieser Thatsache scheint mir in der grofsen Absorptions- fahigkeit des Chlorschwefels fur schweflige Saure zu liegen, und es scheint mir dieser Umstand auch bei anderen Ver- suchen Beachtung zu verdienen, wo ein Gas bei hoherem Druck oder eine Fliissigkeit von niederem Siedepunkt in verschlossenen Gefafsen einer hiiheren Temperatur ausgesetzt wird.

Die Ausfuhrung der Versuche mit braunem Chlorschwe- fel geschah so, dafs ein grofser Ueberschuk von Chlor- schwefel angewandt und die Rohren im Lnftbade auf 160" erhitzt wurden. Nach Beendigung des Versuches stellte ich die Rohren in eine Kiiltemischung, hrach die Spitze ab, und liefs die schweflige Same bei moglichst niederer Temperatur abkochen , worauf die noch riickslandige riithliche Flussig- keit abdestillirt wurde. Das in der Rohre Riickstandige erwies sich als Chlormetall gewohnlich noch gemengt mit kleinen Mengen von schwefelsaurem Salx , welches der Zer- legung entgangen war. Die Flussigkeit der fractionirten Deslillation unterworfen lieferte ein Destillat , welches von rother Farbe unter 100° ubergieng, und ein zweites, welches sich durch seine Farbe, sein Verhalten gegen Wasser , und seinen bei 139" iiegenden Siedepunkt als Halbchlorschwefel

des Schwefels. 307

auswies. Der unter 1000 iibergehende Antheil des Destilla- tes nochmals fractionirt, gab eine kleine Menge einer bei 70 bis 76O destillirenden Fliissigkeit, von immer noch roth- licher Farbe, welche in Wasser zuerst untersinkend , sich damit unter Abscheidung von Schwefel und Bildung von Chlorwasserstoff und Schwefelsaure zerlegte ; zugleich ent- hielt das mit der Flussigkeit geschiittelte Wasser kleine Mengen von uiiterschwefliger Saure , indem beim Erwarmen oder langerem Stehen daraus Schwefel abgeschieden wurde und sich durch den Geruch schweflige Saure erkennen liefs. Hiernach verhielt sich die Flussigkeit also wie ein Gemenge von Chlorsulfuryl , dessen Entstehung von vornherein zu vermuthen war, und Chlorschwefel, welche Zusammensetzung ich durch die Analyse zu bestatigen suchte. Die Analyse wurde in ganz ahnlicher Weise durch Verbrennung mit Quecksilberoxyd und kohlensaurem Natron ausgefiihrt, wie die oben angefuhrte Analyse des Gemenges von Chlorthionyl und Chlorschwefel; die erhaltenen Resultate sind folgende :

Angewandt . . . . . . . . . 0,2865 Grm. Erhaltenes Chlorsilber . . . . . 0,6258 ,,

met. Silber . . . . . 0,0042 ,, Erhaltener schwefelsaurcr Baryt . 0,5908 ,,

Setzt man voraus, der Verlust sei Sauerstoff und letz- terer sammtlich in Form von Chlorsulfuryl in der Substanz vorhanden gewesen, so wiirde sie bestehen aus einem Ge- menge von 72,56 pC. Chlorsulfuryl*j mit 27,44 pC. Chlor-

*) Als die zweelrinltigste Darstellungsweise von reinem Chlorsulfuryl liabe ich die gefunden, ein inniges Gemenge von Phosphorsuper- chlorid uud scbwefelsaurem Uleioxyd in einern langhalsigen, mit aufsteigendcin Kuhlrohr versehenen IloIben einigo Stunden hei I 0 0 0 zu erhalten, und dann zu destilliren. Man wendet dabei zweclr- mafsig einen lrleinen Ueherschufs von schwefelsaurem Salz an; es bildet sich dann durch Einvvirlrung des Phosphoroxychlorides phos- phorsaures Salz und Chlorsulfuryl.

20 OC

308 C a r i u s , iiber die Chloride

schwefel , fast genau von der Zusarnmensetzung wie die Verbindung von M a r c h and. Die folgende Zusamrnenstellung mag diefs verdeutlichen :

Gefunden ---L--

Schwefel . 28,32 17,20 72,56 pC. Chlorsulfuryl Chlor . . 54,48 3t3,16

Sauersloff 17,20 17,20 i 1 00,00

Chlor . . Schwefel . 27,44 pc. Chlorschwefel.

100,oo Wenn bei dem oben beschriebenen Versuche zugleich

Chlorthionyl gebildet ware, so m u t t e dieses hauptsachlich in dem bei etwa 80° destillirenden Antheile der Flussigkeit enthalten gewesen sein ; derselbe gab jedoch beim Schutteln mit kaZtem Wasser nu r wenig schweflige Saure, woraus ich schliefse, dafs hochstens sehr kleine Mengen von Chlorthio- nyl gebildet waren.

Die Entstehung des Chlorsulfuryls lafst sieh besser beob- achten bei Anwendung des Halbchlorschwefels, da der Siede- punkt desselben hoch genug liegt, um eine vollstandige Trennung des bei 73O siedenden Chlorsulfuryls vornehmen zu konnen. Ich stellte den Versuch mit schwefelsaurem Bleioxyd an, welches mit einem Ueberschufs von Kalbchlor- schwefel in Rohren eingeschmolzen auf 150 bis 160° erhitzt wurde. Beim Oeffnen der Rohren entwichen Strome von schwefliger Saure; aus dem Ruckstande wurde eine gelbe Flussigkeit abdestillirt, wahrend der dabei bleibende Ruck- stand avs Chlorblei gemengt mit Schwefel und etwas unzer- setztem schwefelsaurem Bleioxyd bestand. Die erhaltene gelbe Fliissigkeit nochmals fractionirt gab eine kleine Menge einer bei 70 bis 75O siedenden Flussigkeit, deren Verhalten sie als Chlorsulfuryl erkennen liefs. Zur Bestatigung, dafs wirklich diese Substanz im reinen Zustande vorliege , fiihrte

des Schwcfels. 309

ich eine Analyse am, indem eine kleine Menge der Flussig- keit in einem zugeschmolzenen Glaskugelchen gewogen und das letztere in einer etwa Liter Wasser fassenden Flasche mit eingeriebenem Glasstopsel mit destillirtem Wasser bis zur Zertriimmerung der Glaskugel und vollstandigen Auf- losung der Flussigkeit geschiittelt wurde. Die erhaltene Flussigkeit von den feinen Glassplittern abfiltrirt , gab bei der Fallung des Chlors als Chlorsilber und, nach Entfer- nung des uberschiissigen Silbers , der Schwefelsaure durch Chlorbaryum folgende Resultate :

Angewandt . . . . . . . . . 0,3155 Grm. Erhaltenes Chlorsilber . . . . . 0,6705 ,,

,, metallisches Silber . . 0,0038 ,, Erhaltener schwefelsaurer Baryt . 0,5425 ,,

Daraus folgt die Zusarnmensetziing : Berechnet iiach der Formel

Gefunden Cf2S@4 Chlor 52,93 52,39 Schwefel 23,62 23,70 Sauerstoff - 23,70

100,00. Aus dem Mitgetheilten gelit hervor, daL der sogenannte

Einfach - Chlorschwefel bei Einwirkung auf Salze stets unter Bildung von Halbchlorschwefel zerfallt, und dafs die Einwir- kung aufhort , sobald nur noch letztere Verbindung vorhan- den ist , wenn nicht die Temperaturgrenze iiberschritten wurde , iiber der auch der Halbchlorschwefel in Umsetzung eintritt. Ich erwahnte oben, man konne den Einfach-Chlor- schwefel als durch blofse Absorption von Chlorgas in Halb- chlorschwefel entstanden denken ; wenn diefs wirklich der Fall ware, so wiirde bei der Einwirkung desselben auf Salze oder die sogenannten Saurehydrate wahrscheinlich eine Spal- tung desselben stattfinden und das freie Chlor und der Halbchlorschwefel gesondert einwirken. Die Producte der

C o r i u s , iiber die Chloride

Einwirkung der beiden Chlorschwefel waren besonders darin verschieden, dars bei der des Halbchlorschwefels stets ge- ringe Mengen schwefelhaltiger Korper auftraten und Schwefel abgeschieden wurde. Man konnte nun diese Verschiedenheil durch die Annahme erkllren , der Einfach-Chlorschwefel zer- falle in Hdlbchlarschwefel und Chlorgas, und wahrend ersterer mit dem angewandten Sale oder Saurehydrat in Umsetzung trete, bilde das Chlorgas mit dem bei dicser letzten Reaction abgeschicdenen Schwefel wieder Halbchlorschwefel und zerstore zugleich die schwefelhaltige organische Verbindung. Diese An- nahme scheint mir aber defshalb nicht zulassig ZLI sein, weil der Halbchlorschwefel weit weniger energisch einwirkt, als der Einfach- Chlorschwefel , wahrend man doch auch erwarten sollte, dak bei der so raschen Gasentwickelung, die bei Ein- wirkung letzterer Substanz auf Benzoesaure stattfindet , nicht unbedeutende Mengen Chlorgas mit fortgefuhrt wurden , die sich dann dadurch zu erkennen geben miifsten, dafs das mit dem Gase geschuttelte Wasser Schwefelsiiure enthielte , was in keilzenz Falle stattfand. Wenn diese Thatsachen nun auch gegen die eben erwiihnte Annahme sprechen, so wird da- dureh doch auch noch keineswegs erwiesen, dafs der Einfach- Chlorschwefel in flussiger Form den der schwefligen Saurt: entsprechenden Chlorschwefel enthalte, obgleich sich unter letzterer Annahme alle mitgetheilten Resultate befriedigend erldaren. Wiirde bei der beschriehenen Reaction Chlorgas abgeschieden, so konnte dasselbe aufser zur Erzeugung von Halbchlorschwefel auch noch eur Bildung von Substitutions- producten des Chlors verwandt werden; wenn nun auch hiergegen die vollstandige Reinheit des mit uberschussigem brauneiri Chlorschwefel erhaltenen Chlorbenzoyls , sowie der von H e i n t z erhaltenen wasserfreien Benzoesaure spricht, so ist sie doch kein Beweis gegen das Auftrelen von freiem Chlor. Wohl aber glaube ich einen solchen darin sehen zu

des Schwefels. 31 1

durfen, wenn bei der Einwirkung des braunen Chlorschwe- fels auf solche Korper , die sehr leicht Substitutionsproducte des Chlors geben, diese Korper nicht auftreten. DieD ver- anlarste mich, die Einwirkung des braunen Chlorschwefels auf Alkohol naher zu prufen, deren Resultate ich hier noch mittheile.

Aus den Versuchen von E b e l m e n und B o u q u e t * ) ist bekannt, dafs bei Einwirkung von Alkohol auf Chlor- schwefel schwefligsaures Aethyl gebildet wird , nach ihrer Angabe unter Enlwickelung grorser Mengen von Salzsaure und Abscheidung von Schwefel. Da die Einwirkung unter gewohnlichen Umstanden bei Anwendung von braunem Chlor- schwefel aufserst heftig ist, so murste es zunlchst meine Aufgabe sein, die Reaction so zu makigen, d a k keine Er- hitzung mehr stattfinden konnte, um die Entstehung secun- darer Producte moglichst zu vermeiden. Nach einigen vor- laufigen Versuchen fand ich fur diesen und ahnliche Zyecke eine Vorrichtung fur so vortheilhaft, d a b ich dieselbe hier kurz beschreiben will und eine Zeichnung davon (Fig. 1 auf Taf. I) gegeben habe.

Zur Aufnahrne des Chlorschwefels diente ein langhalsi- ger Kolben a Fig. 1, Taf. I; auf denselben ist ein Destilla- tionsrohr c aufgesetzt und mit einem KiihIapparate verbunden, welcher am anderen Ende mit einem in einer Kalteinischung stehenden URohr verbunden wurde, an dessen zweite Mun- dung ein Trockenrohr angefugt war. Auf das Destiliations- rohr c wird das GefaTs 6 , welches zur Aufnahrne des Alkohols bestimmt war, gesetzt ; dasselbe besteht aus einem weiten Glasrohr , an welches eine langere Abflufsrohre rnit einer capillaren Spitze versehen angeIiitliet ist ; ain oberen Ende ist

*) Ann. de chim. et de pbys. [3] XVII, 66.

322 C a r i u s , iiber die Chloride

das Gefak ebenfalls verengt und tragt ein mit einer Klemm- schraube versehenes Caoutchouc. Durch Oeffiien und Schliefsen der Klemmschraube kann man die in dem Gefafs b enthaltene Flussigkeit nach Belieben zutropfen oder in feinem Strahl zuflieQen lassen, wahrend der Zutritt von Feuchtigkeit voll- konimen abgehalten wird, und der Beobachter vor etwa sich entwickelnden Diimpfen geschutzt ist.

Um sicherer alle Producte der Reaction untersuchen zu kcnnen, stellte ich diese Versuche in etwas grofsem Mafs- stabe an, und versuchte zugleich die Mengenverhaltnisse der gebildeten Producte so vie1 als moglich zu controliren. Der zu den Versuchen benutzte Alkohol wurde bereitet, indern der kaufliche sogenannte absolute Alkohol zweimal uber Aetzkalk rectificirt und dann kalt einige Tage mit entwas- sertem Blutlaugensalz stehen gelassen und durch Abselzen geklart wurde; der Chlorschwefel war bei + 6 bis 8O mit Chlorgas vollkommen gesattigt. Wenn dieser Chlorschwefel wirklich die Zusammensetzung CIS hatte, und bei der Ein- wirkung desselben auf Alkohol gerade auf in die der schwef- ligen Saure entsprechende Verbindung und in Halbchlor- schwefel zerfiele und hierbei zunachst nur der der schwef- ligen Saure entsprechende Chlorschwefel einwirkte , indem Chlorwasserstoff, Chlorathyl und Chlorthionyl erzeugt wur- den, so miifsten 309 Grm. Chlorschwefel auf 46 Grm. Al- kohol angewandt werden, wobei 135 Grm. Halbchlorschwefel zuruckbleiben miifsten. Ich wandte das Doppelte dieser Mengenverhaltnisse an , liel's den Alkohol langsam, tropfen- weise zu dem ofters bewegten Chlorschwefel hinzutreten, der durch eine Kaltemischung abgekuhlt wurde , und erhielt so eine vollkommen klare rothlichgelbe Flussigkeit. Wahrend der Mischung entwichen Strome von Salzsaure, der auch noch schweflige Saure beigemengt war, wie sich ieicht durch den Geruch und die Entfarbung von Jodstarkepapier nach-

des Schwefels. 313

weisen liefs; mit dem Gase geschutteltes Wasser enthielt keine Schwefelsiiure.

Der Kolben wurde aus der Kaltemischung herausgenom- men und an die Stelle des Alkoholgefafses ein Thermometer eingesenkt, so dal's die Kugel desselben etwas unterhalb der Miindung des DestilIationsrohres sich befaud. Bei der all- maligen Erwarmung der Flussigkeit, die bald durch eine kleine Gasflamme unterstutzt wurde, begann die Entwicke- lung von Chlorwasserstoffgas aufs Neue, und ich fuhr daher mit der Erwarmung fort, bis dieselbe fast ganz aufhorte und das Thermometer im Halse des Kolbens 20° zeigte. Die Flussigkeit war jetzt hellgelb geworden und wurde der fractionirten Destillation unterworfen , indem einfach das Destillationsrohr c umgekehrt auf den Kolben gesetzt wurde, so dafs der Destillationsapparat jetzt abwarts anstatt aufwarts gerichtet war. Das Thermometer stieg bestandig bis 139O, bei welcher Temperatur Halbchlorschwefel iiberdestillirte unter Zurucklassung von etwas Schwefel. Durch wiederholtes Frac- tioniren lieD sich aus dem unter 100° iibergegangenen Destil- late noch eine nicht unbedeutende Menge Walbchlorschwefel abtrennen, und es wurden aufserdem zwei Fliissigkeiten, die eine von bis zu 504 die andere von 50 bis l l O o aufgefangen. Beide Flussigkeiten waren hellgelb gefarbt, sehr dunnflussig, und besonders die von hoherem Siedepunkt rauchte an der Luft. Diese letztere sank in kaltem Wasser zuerst in Tropfen unter, mischte sich dann damit unter starker Erwarmung, Ab- scheidung von Schwefel und Bildung von schwefliger und Chlorwasserstoffsaure ; sie wurde nochmals fractionirt und nur das zwischen 79 und 85O Uebergehende aufgefangen. Die kleine Menge des noch immer gelben Destillates benutzte ich zur Anstellung einer Analyse durch Verbrennung mit Quecksilberoxyd und kohlensaurem Natron , deren Resultate folgende sind :

314 C a r i t i s , iiber die Chloride

Angewandt . . . . . . . 0,3476 Grm. Erhaltenes Chlorsilber . . . 0,7695 ,,

,, metallisches Silber 0,0066 ,, ErhaItener schwefels. Baryt 0,9975 ,,

Nimmt man a n , der Sauerstoff sei in Form von Chor- thionyl i n der Flussigkeit vorhanden gewesen, so enthllt diese 39,49 pC. von dem Oxychlorid, und einen Ueberschufs von Chlor und Schwefel, die sehr genau 60,51 Halbchlor- schwefel entsprechen :

Gefunden

Chlor 55,35 23,56 1 Schwefel 39,34 10,62 39,49 pC. Chlorthionyl. Sauerstoff 5,31 5,31

100,oo

31779 1 Halbchlorschwefel. Chlor Schwefel 28,72

100,oo

Die his zu 50° uberdestillirte Flussigkeit sank in Wasser ebenfalls zuerst in Tropfen unter , beim Schutteln bildeten sic11 Chlorwasserstoff, schweflige nnd unterschweflige Saure unter Abscheidung yon Schwefel, wahrend gleichzeitig fast das gleichevolum der angewandten a n einer farblosen sehr fluch- tigen Flussigkeit von atherischem Geruch auf dem Wasser schwimmend zuruckblieb. Ich hielt sie fur Chlorathyl, ge- mengt mit Chlorschwefel und Chlorthionyl , behandelte sie daher mit kalter Kalkmilch, und destillirte bei hijchstens 30° aus dem Wasserbade ab. Die erhaltene farblose Fiiissig- keit wurde iiber Chlorcalcium rectificirt und so etwa 50 Grm. einer Fliissigkeit erhalten , die sich durch ihren Siedepunkt, ihren Geruch und die Farbung der Flamme als reines Chlor- athyl zu erkennen gab. Die Ausbeute a n Chlorathyl ist also so bedeutend, d a b man dic beschriebene Reaction zur Dar-

des Schwefels. 315

stellung desselben benutzen kiinnte, wenn nicht ein so urn- startdlicher Apparat und SO vielfache Reinigung dazu erfor- derlich waren. Alle noch vorhandenen Flussigkeiten mit Ausnahme des Halbchlorschwefels wurden unter Vermeidung von starker Erwarmung mit Kalkmilch versetzt und darauf ein Theil der Flussigkeit abdestiliirt. Das Destillat war ge- ruchlos und reines Wasser, es hatten sich also wahrschein- lich gar keine Producte der Einwirkung von freiem ChIor auf Alkohol oder Chlorithyl gebildet. Die ganze Menge des erhaltenen Halbchlorschwefels betrug nahezu 200 Grm., wah- rend, wenn bci der Sammlung desselben aller Verlust ver- rnieden ware, und die Reaction allein in der erwahnten Weise stattgefunden hatte, 270 Grm. Halbchlorschwefel er- halten worden sein miifsten ; das Auftreten uon schwefliger Saure und der im Ruckstand bleibende Schwefel beweisen aber zu deutlich, dak noch eine secundare Reaction stattfand, was auch schon daraus hervorgeht, dafs die Menge des er- haltenen Chlorthionyls so sehr klein war.

Es bleibt mir nun noch ubrig, auch die Resultate der mit Alkohol und Halbchlorschwefel angestellten Versuche zu beschreiben. Bei zwei Versuchen, welche in dieser Richtung in lrleinerem Mal'sstabe angestellt wurden, hatte ich gefunden, dafs Halbchlorschwefel auf absoluten Alkohol bei gewohn- licher Temperatur ebenfalls stark, aber doch bei weitem nicht so heftig einwirkt, als der braune Chlorschwefel; dars man ferner, wenn alle Erwarmung vermieden wird, bis zu einem gewissen Punkte Alkohol zu dem Halbchlorschwefel hinzusetzen kann , ohne dafs eine Trubung dcr Fliissigkeit stattfindet; von dieseni Punkte an dagegen trennte sich bei weiterem allmilligem Zusatz die Fliissigkeit in zwei Schich- ten, eine schwere dickflussige und eine atherartige, beide von hellgelber Farbe. Diese Farbe verschwand erst bei Zu- satz eines groben Ueberschusses von Alkohol , wobei sich

316 Carius , &ber die Chloride

dann eine grofse Menge Schwefel abschied, der aber immei noch weich und chlorhaltig ist. Wahrend der ganzen Dauer des Versuches entwickeln sich Strotne von Chlorwasserstoff und schwefliger Saure. Hort man mit dem Alkoholzusatz auf, wenn die Flussigkeit sich zu truben beginnt und sich in zwei Schichten trcnnt, so fangt die Entwicklung von Chlorwasserstoff und schwsfliger Saure beim Erwarnien und Durchschiitteln der Flussigkeit wieder an , und fahrt man hiermit langere Zeit fort, so wird die obere dunne Fliissig- keit endlich farblos, die untere dagegen verhalt sich, wie geschmolzener Schwefel, der aber nach dem Erkalten noch weich bleibt. Die obere dunne farblose Flussigkeit verhalt sich, wie ich nachher zeigen werde, wie ein Gemenge von Chlorathyl , Alkohol , schwefligsaurem Aethyl und kleinen Mengen von Mercaptan, welches sich sehr leicht durch den Geruch zu erkennen giebt. Der Punkt, wo sich die Flussig- lieit in zwei Schichten trennt , scheint spater einzutreten, wenn die Temperatur niedriger gehalten wird, wahrscheinlich weil dann die Reaction weniger rasch und energisch statt- findet ; in jedem Fall ist ein Ueberschufs von Alkohol zu seinem Eintritt erforderlich, da ich stets Alkohol irn Destillate fand. Hort man mit dem Alkoholzusatz fruher auf, so entfarbt sich die dunne Flussigkeit nicht , der ruckstandige Schwefel ist weicher, und in der Flussigkeit lafst sich nach dem Schiit- teln mit etwas Kalkmilch kein Mercaptan durch Geruch den er- kennen, wohl aber bildet sie mit Wasser nicht unbedeutende Mengen yon schwefliger Saure.

Ich stellte nun zwei Versuche in grofserem Mafsstabe an, den einen unter Anwendung eines Ueberschusses von Alko- hol , wobei ich hoffte, das Mercaptan, welches ich bis dahin nur durch den Geruch erkannt hatte, abscheiden und seine Bil- dung so feststellen zu kiinnen; den andern unter Anwendung von so vie1 Alkohol, dafs die Trennung der Flussigkeit in

des Schzoefels. 317

zwei Schichten noch nicht stattfand; ich wandle auf 400 Grm. Halbchlorschwefel 100 Grm. absoluten Alkohol an. Beide Ver- suche wurden in dem oben beschriebenen Apparate ganz ahnlich wie der Versuch mit Einfach - Chlorschwefel ausge- fiihrt, die gemischte Flussigkeit noch so lange im Apparat digerirt , bis sie kein Chlorwasserstoff- und Schwefligslure- gas mehr ausgab und dann destillirt, bis nur noch Schwefel zuruckblieb, der sich bei fernerem Erhitzen indessen unter Ausstofsung saurer Dampfe grau farbte, wie ich glaube, weil er athylschweflige Saure beigemengt enthielt, deren beslimmte Nachweisung mir jedoch nicht gelang.

Das bei dem ersten Versuche, wo der Alkohol nicht im Ueberschufs angewandt war, erhaltene Destillat wurde durch Fractioniren in vier Theile getrennt. Der bis 45O uberge- gangene Antheil war wie die anderen Fliissigkeiten von gelber Farbe, diinnfliissig, bildete in Wasser gebracht schwef- lige Saure und Ctilorwasserstoff , wahrend Schwefel abge- schieden wurde und auf dem Wasser eine nach langerem Schijtteln farblose atherartige Fliissigkeit schwamm. Ich be- handelte daher die ganze Fliissigkeit mit kalter Kalkmilch, und erhielt so eine nicht unbedeutende Menge reines Chlor- athyl, welches durch seinen niederen Siedepunkt, seinen Ge- ruch und die Farbe der Fliissigkeit geniigend characterisirt wird. Die zweife, zwischen 60 bis 90° destillirende, freilich nur kIeine Portion Fliissigkeit wurde vom Wasser, worin sie erst in schweren Tropfen untewank, unter Abscheidung von Schwefel und Bildung von schwefliger, etwas unterschwef- liger Saure und Chlorwasserstoff zerlegt. Die Menge der- selben war zu gering, als dars ich hatte hoffen diirfen , das darin vermuthete Chlorthionyl durch Fractioniren in reinem Zustande darstellen zu konnen, und ich stellte daher sofort eine Analyse durch Verbrennung mit kohlensaurern Natron und Quecksilberoxyd damit a n , deren Resultate die folgen- den sind :

318 Car ius , iiber die Chloride

Angewandt . . . . . . . . . 0,3455 Grm. Erhaltenes Chlorsilber . . . , . 0,7556 ,,

,, metallisches Silber . . 0,0097 ,, Erhaltener schwefelsaurer Baryt . 1,0193 ,,

Nimmt man a n , der als Sauerstoff berechnete Verlust sei in Form von Chlorthionyl in der Substanz enthalten gewesen, so findet man, dafs der Gehalt der Flussigkeit an demselben 34,73 pC. betrug, wahrend der Ueberschufs an Chlor und Schwefel fast genau der Zusamrnensetzung von 65,27 pC. Halbchlorschwefel entspricht; die folgende Zusam- menstellung mag diefs verdeutlichen :

Chlor . . 54,81 20,Y2\ Schwefel . 40,52 9,34 34,173 pC. Chlorthionyl.

Gefunden Ic-^----h

Sauerstoff 4,67 4,671 100,oo

Chlor * 3470gi Halbchlorschwefel. Schwefel 31,18 - 1

100,OO

Die dritte von 100 bis 1400 destillirende Flussigkeit war Halbchlorschwefel, wahrend endlich die letzte Portion durch nochmaliges Fractioniren etwa 20 Grm. einer bei 160° destil- Pirenden Flussigkeit von dem Geruch des schwefligsauren Aethyls gab, deren Analyse ich fur iiberflussig hielt, da ja schon bekannt ist, d a t diese Substanz ein Product der Ein- wirkung von Alkohol auf Chlorschwefel ist.

Der Versuch hatte also gezeigt, dafs wenn Alkohol mit Halbchlorschwefel in stetem Ueberschuh des letzteren zu- sammenkommt , dabei unter Abscheidung von Schwefel und Entwickelung von schwefliger Saure und Chlorwasserstoff, Chlorlthyl, Chlorthionyl und schwefligsaures Aethyl gebildet wird.

des Schmefels. 319

Der letzte Versuch wurde endlich unter Anwendung yon so vie1 AIItohol angestellt, dafs sich die Fliissigkeit in xwei Schichten trennte. Nachdem die obere nach llngerer Digestion in oben beschriebener Wcise farblos geworden war, gofs ich dieselbe vom ausgeschiedenen Schwefel ab und trennte sie durch Fractioniren. Zunachst wurde durch Destillation aus dem Wasserbade, dessen Temperatur ich 40° nicht ubersteigen b e t , das Chlorathyl abdestillirt, welches sich leicht durch Weschen mit Wasser und Rectification iiber Chlor- calcium rein erhalten liek. Bei fernerer Destillation der riick- standigen Flussigkeit stieg das Thermometer, nachdem die Temperatur 80° erreicht war, sehr rasch auf 160°, bei weI- cher Temperatur es wieder constant blieb, his fast auf den letzten Tropfen der Flussigkeit. Die Menge des so erhalte- nen schwefligsauren Aethyls war in diesem Falle bei An- wendung von uberschussigem Alkohol weit grofser, als im ersten Falle, wo die Flussigkeit noch Chiorthionyl enthielt, welches hier wegen der Anwesenheit von uberschussigem Alkohol und Mer- captan nicht mehr vorhanden sein konnte. Um die Reinheit des schwefligsauren Aethyls sicher zu stellen, wurde noch eine Verbrennung mit Kupferoxyd damit ausgefuhrt, wobei zwischen das Chlorcalciumrohr iind den Kaliapparat ein Rohrchen rnit Bleisuperoxyd eingeschaltet war, urn die schweflige Saure zuruckzuhalten. Die Resultate dieser Analyse sind folgende :

Angewandt . . . . . 0,2875 Grm. Erhaltene Kohlensaure 0,3677 ,, ErhaltenesWasser . . 0,1865 ))

Kohlenstoff 34,88 34,78 Wasserstoff 7,21 7,25 Sauerstoff - - Schwefel - -

Gefunden Berechnet

100,oo 100,oo.

C a r i u s , Cber die Chloride

Die zwischen 40 und 80° uberdeslillirte Flussigkeit mufste das Mercaptan enthalten, sie enthielt aber aufserdem noch vie1 Chlorwasserstoff und schweflige Saure absorbirt , so d a b der Geruch nach Mercaptan direct nicht wahrnehmbar war. Sie mischte sich mit Wasser unter geringer Erwarmung und gab eine opalisirende Losung, in der salpetersaures Silber- oxyd eine starke Fiillung von Chlorsilber hervorbrachte und die nach schwefliger SIure roch. Der Geruch nach Mer- captan trat erst deutlich hervor, nachdem die Flussigkeit mit Kalkhydrat geschiittelt war ; sie mischte sich dann ebenfalls unter Bildung einer opalisirenden Losung mit Wasser und brannte angeziindet mit einer Weingeistflamme ; ferner gab diese Losung mit Quecksilberchlorid eine flockige Fallung, die nach langerem Stehen sich in ltrystallinische Blattchen verwandelte. Sie bestand also zum grofsten Theil aus dem bei dem Versuche iiberschussig zugesetzten Alkohol, und die Menge des in ihr enthaltenen Mercaptans konnte nur klein sein, da sich auf der Oberflache der opalisirenden wasserigen Losung nur ein Hiiutchen ansammelte. Um das Mercaptan dennoch bestimmt nachweisen zu konnen , schiittelte ich sammtiiche Flussigkeit mit Kallrhydrat und wenig Wasser, und destillirte, nachdem die saure Reaction und der Geruch nach schwefliger Saure verschwunden waren , ein Dritttheil der Flussigkeit ab ; das noch Ueberdestillirende roch nicht mehr nach Mercaptan, sondern verhielt sich wie Alkohol. Das er- erhaltene Destillat wurde mit feingeschliimmtem Quecksilber- oxyd Iangere Zeit geschuttelt , im Wasserbade zur Trockne verdampft , der Ruckstand mit absolutem Alkohol ausgekocht und heirs filtrirt. Beim Efrkalten bildeten sich weifse sehr glanzende Blattchen, aber leider in so geringer Menge, dafs sie zur Ausfuhrung einer Analyse nicht ausreichten ; ich ver- wandte sie nach dem Trocknen zu einigen Versuchen, um dadurch die Identitat mit Quecksilbermercaptid zu bestatigen.

des Schwefels. 32 i

Sie wurden auf einem Uhrschalchen in ein Luftbad gesetzt, welches ich aus einem Becherglase, von dem der Boden abgesprengt war, construirte, und schmolzen bei allmiiliger Erwarmung, als das Thermometer 89O zeigte +), zu Tropfen, die beim Erkalten krystallinisch erstarrten. Ein Theil dieser ersiarrten Masse starker erhitzt gab einen die Augen rei- zenden Dampf, ein anderer Theil, mit concentrirter Chlor- wasserstoffsaure erwarmt , loste sich darin und die klare Losuiig gab mit Natron eine milchige Flussigkeit. Man darf also nicht zweifeln, dars hier wirkIich Mercaptan und keine andere Substanz vorlag.

Im Folgenden gebe ich eine Zusammenstellung der Re- sultate der mitgetheilten Untersuchungen.

Aus den Versuchen zur Darstellung eines Einfach-Chlor- schwefels von constanter Zusammensetzung geht hervor, d a L die von M i l l o n zuerst dargestellte, von M a r c h a n d unter- suchte krystallisirte Verbindung von Chlor und Schwefel die- selbe Verbindung ist, welche M i l l o n spater als Chlorunter- schwefelsaure beschrieben hat ; denn es bilden sich keinerlei Krystalle, wenn man das Chlor zur Sattigung des Chlor- schwefels vollkommen trocken anwendet , wlhrend die Ent- stehungsweise und die Eigenschaften der von M a r c ha n d untersuchten krystallisirten Verbindung mit dern Oxychlorid von M i l l o n bis auf den grokeren Schwefelgehalt der er- steren iibereinstirnmen, welcher Umstand sich genugend durch die Annahme erklart, dafs M a r c h a n d ein mit Chlorschwefel verunreinigtes Product untersuchte.

Das Verhalten des braunen Chlorschwefels bei der Destil- lation und beim Hindurchleiten von troclrener Luft unterhalb des Siedepunktes der Flussigkeit beweist ferner , daL der sogenannte Einfach - Chlorschwefel keine chemische Verbin-

*) Das Queclrsilhermercaptid echmilzt bei 85 bis 87O C.

Auual. d. Chem. u. Pharm. CVI. Bd. 3. Heft. 21

322 Cavius, iiber die Chloride

dung, sondern nur ein Gemenge von Chlorgas oder ciner hoheren Chlorverbindung mit Halbchlorschwefel ist. D a t diese Zerlegung so schwierig vor sich geht, und daher friiher van Dunla s und Anderen der braune Chlorschwefel fur eine selbststandige Verbindung gehalten wurde , erklart sich ge- riugend aus detn Umstande, dafs alle Chloride, das Phospbor- oxychlorid , Chlorthionyl , Chlorbenzoyl , Halbchlorschwefcl, schon weit unterhalb der Temperatur, bei welcher ihr Siede- punkt constant bleibt , zu sieden anfangen und Gemenge dieser Kiirper selbst bei grokeren Differenzen itn Siedepunkte sich nur schwierig trennen lassen.

Da sich bei sammtlichen Versuclien der Einwirkung des Einfach - Chlorschwefels weder das Auftreten von freiem Chlorgas, noch die Bildung von Substitulionsproducten er- kennen liefs, so hake ich , unter Berucksichtigung des schon fruher Mitgetheilten, die Annahme, der braune Chlorschwefel sei als durch eine bloke Absorption von freiem Chlorgas ent- standen zu betrachten, fiir weniger wahrscheinlich , als die, wonach e r im flussigen Zustande ein Gemenge von dem der schwefligen Slure entsprechenden Chlorschwefel niit Ilalb- chlorschwefel sein wurde. Diese Ansicht kann indessen nur eine auf das Verhalten des braunen Chlorschwefels bei che- mischen Umlegungen gesliitzte Hypothcse sein, da sie leider nicht durch eine directe Isolirung und Untersuchung des der schwefligen Saure correspondirenden Chlorschwefels bewieseti werden konnte. Indessen ist an der Existenz dieser Verbin- dung wohl kauin zu zweifeln; abgesehen von den1 Verhalten des braunen Chlorschwefels spricht dafiir die Exislenz des correspondirenden Oxychlorides, sowie auch der Unistand, dak vom Selen, dem dern Schwefel so nahe stehenden Ele- mente, die entsprechende Verbindung besteht. Von letzterer Verbindung, dem sogenanriteri Zweifach - Chlorsclen, ist be- ziiglich ihrer chemischen Reactioncn aus den Untersuchungcn

dcs Schwefeb. 323

von Berze l iu s" ) nur bekannt, dak sie mit Wasser selenige Saure und Chlorwasserstoff bildet. Es ist mir bis jetzt leider unmiiglich gewesen, Versuche mit dem Selen anzustellen , da ich nicht im Besitze einer hinreichenden Menge dieser kost- baren Substanz bin; ohne Zweifel wird das Selen und viel- leicht auch das Tellur ein dern Chlorthionyl correspondirendes Oxychlorid bilden. Das Verhaltnifs dieser eben betrachteten Verbindungen zu veranschaiilichen , ist die folgende Zusarn- menstellung beslimmt :

Ci&3 Cl,Se% 8 S 8 O s e e .

Unter dieser Annahme, der braune Chlorschwefel ent- halte im flussigen Zustande die der schwefligen Saure ent- sprechende Verbindung, erklart sich d a n n die Einwirkung des ersteren auf Salze oder Saurehydrate, z. B. die der Benzoe- slure nach der Gleichung :

Diese Reaction wird indessen nieist verdeckt , indem secundiire Producte auftreten ; bei Benzo&+aurehydrat z. B. nach der folgenden Gleichung :

Bci benzoEsauren Salzen ist die Reaction noch dadurch complicirter , dafs neben der schwefligen Saure oder auch ohne dieselbe aufser Chlormetall noch schwefelsaures Sale

*) Ann. de chim. et de phys. IX , 225. **) Jlie Dichtiglreit des Waeserstoffgases gleich 1 angenornmen. llier

und im Folgenden ist t)=l6, S=32, &=80, und €=42 gesetzt.

21 *

324 C n r i u s , uber die Chloride

erzeiigt wird. Die beobachtete Reaction mit schwefelsaurer~ Salzen 1abt sich in folgender Gleichung ausdrucken :

Ich glaiibe, dafs hierniit die Art der Einwirkung von hraunem Chlorschwefel auf Salze und Hydrate ein- oder niehrbasischer Sauren vollstandig bezeichnet ist. Ganz analog derselben ist auch die auf Aethylalkohol und wohl auch auf andere Alkohole. Die beobachteten Erscheinungen sind voll- standig wiedergegeben in den beiden Gleichungen :

Erste Periode der Umlegung :

Zweite Periode :

Die Producte der Einwirkung des Halbchlorschwefels auf Salze sind, sobald derselbe im Ueberschufs angewandt wurde, ganz ahnlich wie die des braunen Chlorschwefels, nur dars Schwefel abgeschieden und bei Anwendung von Alkohol stets auch schwefligsaures Aethyl gebildet wird. Die Schwefel- abscheidung liefse sich einfach durch die Annahme erkliiren, auch der Halbchlorschwefel zerfalle unter diesen Urnstiinden in die hypothetische hohere Verbindung und in Schwefel. Diese Annahmc erklart aber durchaus nicht das stete Auf- treten von Kiirpern, in deren Zusammensetzung der Schwefel eine analoge Function iiherninimt , wie der Sauerstoff im Wasser, denn ein solcher ist das Mercaptan und sind sehr wahrscheinlich die schwefelhaltigen Kiirper, die schon H e i n tz bei der mit Chlorschwefel dargestellten wasserfreien Essig- slure beobachtete, und die schwefclhaltige Substanz ~ welche bei meinen Versuchen das Chlorbenzoyl verunreinigte. Be- trachtungen der Art veranlakten mich, den Halbchlorschwefel

di*s Schwefels. 325

als eine dem Phosphorsulfochlorid analog constituirte Verbin- dung zu betrachten, welche Annahme mir durch das Ver- halten des Chlorthionyls bestatigt wurde.

Meiner Annahme gemafs ist der Halbchlorschwefel zu betrachten als das Chlorid eines Radicals, welches da ein At. S enthalt, wo das Clilorthionyl ein At. 0 enthalt, und verhalt sich also zum Chlorthionyl, wie das Phosphorsulfo- chlorid zum Phosphoroxychlorid , es ist das der schwefligen Saure entsprechende Sulfochlorid des Schwefels. Diese An- sicht wird durch die folgenden Formeln am besten deullich werden :

C13PC12 C12SCI~ C13P43 c1,se ClBPS CIBSS.

1st diese Betrachtungsweise des Halbchlorschwefels die richtige, S O mufs der Halbchlorschwefel sich in analoger Weise bilden lassen, wie das Phosphorsulfochlorid. Letzteres entsteht, wenn man Phosphorsuperchlorid auf Schwefelwasser- stoil‘+:’) oder Schwefel*+*) einwirken Iafst. Da der sogenannte Einfach- Chlorschwefel sich bei seinen Reactionen wie ein Geinenge von Halhchlorschwefel und der der schwefligen Saure entsprechenden Chlorverbindung verhalt , so ltann man die Ueberfuhrung des braunen Chlorschwefels in Halbchlorschwe- fel durch Behandlung mit Schwefel oder Schwefelwasserstoff als die der Entstehung des Phosphorsulfochlorids analoge Bildungsweise des Schwefelsulfochlorids betrachten. hides- sen auch der Halbchlorschwefel wird , wie schon Ro s e zeigte, von Schwefelwasserstoff unter Entwickelung yon Chlor- wasserstoff und Abscheidung von Schwefel zerlegt , wlhrend

*) S e r u l l a s , Ann, de chim. et de phys. XLII, 25. **) Traite de chintie organique p. C h. Ger h ar d t, 1856, T. IV, p. 823,

Anmerlrung.

326 C n r i I I s . uber die Chhride

die Existrnz der der schwefligen Saure entsprechenden Ver- bindnng in dern braunen Chlorschwefel selbst iiur eine wahr- scheinliche Hypothese ist , und daher sind beide Thatsachen nicht beweiselid.

Mit vie1 grofserer Bestimnitheit wurde sich die Fragc entscheiden lassen, wenn es gelange, in dem Phosphoroxy- chlorid den Sauerstoff durch Schwefel zu substituiren und dieselbe Reaction mit dem Chlorthionyl liervorgebracht wer- den konnte. I n der That gelingt nun diese Substilution des Sauerstoffs der Oxychloride durch Schwefel niit Hulfe von Phosphorsupersulfid. Uebergiefst inan feingeriehenes Phos- phorsupersulfid rnit Phosphoroxychlorid , so ti itt selbst bei lkngereni liochen keine merkliche Reaction ein , menn inan a b t r in zugeschmolzenen Riihren auf 150° erhitzt, so ent- steht Phosphoisulfochlorid und Phosphorsaure.

Ich wandte das Phosphoroxychlorid im Verhaltnil's von 5 Mol. (14 Thl.) auf 1 Mol. (22 Thl.) Phosphorsupersulfid an ; da letzteres indessen etwas iiberschussigcn Schwefel enthielt, so nahm ich von diescm 30 anstatt 22 Thl., um jedenfalls alles Phosphoroxychlorid in das Pliosphorsulfochlorid uberfiihren zu kiinnen. Die Riihre enthielt nach dem Er- kaiten eine gclbe Flussigkeit , welche rnit cineni Haufwerk yon ftxinen , facherartig gestreiften langen Blsttchen voti auherordentlich geringer Dicke erfiillt war, wahrend am Bo- den der Rohre das iiberschlssige Phosphorsupeisnlfid pulver- formig zuriickgeblieben war. Die Masse der lirystallisirten Substanz, welche wegen ihrer eigenthiiinlichen Form sehr grofs zu sein schien, war sehr gering. Nachdetn die gellte Flussigkeit aus der Rohre in ein Destillationsgcfafs abge- gossen war, wurden die Krystalle herausgezogen, rnit etwas Phosphoroxychlorid abgcwaschen und zwischen Papier Be- prefst. Sie veranderten sich weder an der Luft noch im Wasser, waren iiufsserst diinn und zerbrechlich und verhielten

des Schzaefe1.s. 327

sich beini Erhitzen an der Luft, sowie bei Rehandlung Init concentrirter Salpetersaure wie reiner Schwefel *).

Die aus dem Rohr ahgegossene Flussigkeit wurde destillirt; sie fing bei 120@ an zu sieden und destillirte zum grofsten Theil bei 125O iiber, wiihrend der Siedepunkt gegen Ende auf 130° stieg. Das Destillat war farhlos, wahrend im Destil- lalionsgefafs eine kleine Menge Schwefel zuriickgetlieben war; ich stellte eine Analyse des Destillates durch Verbren- nung mit Qnecksilberoxyd und kolilensaurem Natron an, deren Restiltate die folgenden sind :

Angewandt . . . . . . . 0,1984 Grm. Erhaltenes Chlorsilber . . . 0,5012

,) metallisches Silber 0,0052 ,, Erhaltener schwefels. Baryt 0,2700 ,, Erhaltene phosphors. Magnesia 0,1270 ,,

Ilurch die beistehende Vergleichung der gefundenen Re- sultate mit der nach der Formel CI3PS berechncten Zusam- mensetzung ergiebt sich, dafs die Substanz reines Phosphor- sulfochlorid war.

Gefunden Berechnet Chlor 63,31 132,83 Phosphor 17,88 18,29 Schwefel 18,69 18,88

99,88 100,OO.

Die Rohren, in denen der Versuch ausgefiihrt war, ent- hielteri aalser dern iiberschiissigen Phosphorsulfochlorid aucli noch eine glasartige Masse von Phosphorsaure, die sich beim Erwarnien niit Wasser aufloste, und durch die gewohnlichen Refigentien als gewohnliche drcibasische Phosphorsaure er-

*) Ich werde bald Gelegenheit iiehmen, diese Prystalla wilier zu he- schreiben.

328 C a r i t i s , uber die Chloride

kannt wurde; ein Theil der Phosphorsiiure war auch in der Fliissigkeit aufgeschlammt gewesen.

Es handelte sich nun darum, diesen Versuch mit Chlor- thionyl anzustellen, um zu sehen, ob bei Einwirkung des- selben auf Phosphorsupersulfid unter Bildung von Phosphor- saure Halbchlorschwefel entstande. Zu diesem Zweclr war vor Allem nothig , reines Chlorthionyl darzustellen , und ich nehrne daher die Gelegenheit wahr, in dcr Kiirze meine Er- fahrungen iiber die Darstellung dieser Substanz mitzutheilen. Wie schon im Eingang der Abhandlung erwahnt, wurde das Chlorthionyl zuerst von H. S c hi f f , aber nicht frei von Phos- phoroxychlorid erhalten , durch fractionirte Destillation der durch Einwirkung von wasserfreier schwefliger Saure auf Phosphorsuperchlorid entstehenden Fliissigkeit , welche man friiher fur schwefligsaures Phosphorsuperchlorid gehalten hatte. Es ist indessen sehr schwer, aus dieser Fliissigkeit durch Fractioniren reines Chlorthionyl zu bekommen, urid wohl nur inoglich , wenn man sehr bedeutende Quantitaten Phosphor- superchlorid anwendet.

Urn leichter hierzu zu gelangen, versuchte ich die Ein- wirkung von Phosphorsuperchlorid und Phosphoroxychlorid auf schwefligsaure Salze, in der Hoffnung, hier als Producte phosphorsaures Salz, Chlormetall und Chlorthionyl zu bekom- men. Ich wandte zu diesem Zweck vollig wasserfreien schwefligsauren Kalk a n , welchem Salze ich nach wiedcr- holten Versuchen defshalb den Vorzug vor den Kali-, Na- tron- und Magnesiasalzen gebe, weil es sich allein leicht und sicher ohne Zersetzung wasserfrei erhalten lalst '6).

*) Ich mub daran zweifeln, dafs die schwefligsauren Salze fruher {iberhaupt in reinem Zustande wasserfrei erhalten rvurden, da ich nirgends angegeben finde, mit welchen Schwieriglieiten d i e t ver- bunden ist. Es gelingt meinen Versuchen zufolge nur beim schwef- ligsauren Kallr leicht, und bei diesem auch nur durch stundenlanges Erhitzen auf 150" im Strome yon reinem Wasserstoffgas.

des Schwefets. 329

Phosphorsuperchlorid wirkt bei gewohnlicher Temperatur auf schwefligsaure Salze nicht ein , bei langerem Erhitzen in zugeschmolzenen Rohren auf 120° indessen findet Um- setzung statt.

Ich wandte schwefligsauren KaIk und Phosphorsuper- chlorid im Verhlltnifs von 1 Mol. des ersteren auf 2 Mol. des letzteren an, und erhielt durch Destillation aus den Rohren eine farblose Fliissigkeit, die durch Fractioniren sich auffallender Weise weit leichter trennen l i d s , als die niit schwefliger Saure erlialtene, obgleich sie ohne Zweifel die- selbe Zusammensetzung besafs, wie diese letztere, denn der Rucksland in den Rohren war nur noch Chlormetall. Indes- sen auch die hier erhaltene kleine Menge Fliissigkeit, welche bei etwa SOo siedete, enthielt noch Phosphoroxychlorid "1 ; sie war farblos, stark lichtbrechend , zersetzte sich iait Wasser, in dem sie zuerst untersank, mit grofier Hef- tigkeit zu schwefliger Saure und Chlorwasserstoff, und wenn warmes Wasser oder nur etwa das gIeiche Volurn Wasser angewandt wnrde, schied sich dabei unter heftigem Aufkocheri etwas Schwefel ab, wahrend die Losung in diesem Falle neben der schwefligen Saure auch noch Schwefelsaure enthielt ; dieses letzteren Verhaltens erwahnt H. S c h i f f nicht.

Ich versuchte nun die Einwirkung des Phosphoroxy- chlorids auf schwefligsauren Kalk ; da ich hierbei die Bildung yon schwefliger Saure vermutliete, so wandte ich einen Ueberschufs des Phosphoroxychlorids an, und schlofs in ein starkes Rohr von gutem Glase ein. Ich erhitzte zuerst Ian- gere Zeit auf 120° C., bei welcher Temperatur indessen noch keine Einwirkung stattfand; es hatte sich noch kein Chlor-

*) Nach einem Versuche, durch Titrirung der durch Zersetzung niit luftfreiem Wasser erhaltenen LBsung von schwefliger Saure, ent- hielt die Flussiglreit noch etwa 5 pC. Phosphoroxychlorid.

330 C a r i u s , iiher d i p Chloride

thionyl ond nur eine kleine Menge schwefliger S5iure ge- hildet. Bei einem neuen Versuche wurde auf 150° erhitzt, dcr Apparat wurde aber , nachdem dime Temperatur erreicht war, rnit hcftigem Knall zerschniet,lert. l h c h inehrere Ver- suche in kleinerem PliIarsslabe habe ich endlich ermittclt, dds diese Bildung von schwefliger Satire fast gar nicht stattfindet, wenn man auf 3 Mol. schwefligsauren Kalk anstatt 2 niin- destens 3 Mol. Phosphoroxychlorid anwendet , wobei man dann neben pIiosplrors;~urem Iialk eine Fliissigkeit erhglt, die etwa zu zwei Dritttheil aus Chlorthionyl besteht, und aus der sich leicht ein voii Phosphoroxychlorid freies Destillat ge- winner1 liifsst. Dicses letztere destillirt his zu 80° C. voll- standig iiber, sein wahrer Siedeponltl*) lie@ aber oline Zweifel noch 1 bis 2 O niedriger: es ist 'uesonders dadurch charac- terisirt, dafs es mit warinem Wasser oder wenig Wasser rasch gemischt unter Abscheidung von Schwefel nebcn der schwefligen SIure und Chlorwasserstoff auch etwas Schwefel- saure bildet , wiihrend diese Trubung der Flussigkeit und Schwefelsaurehildung nicht stattfindet , wenn die starke Er- hitzung verinieden w i d . Anstatt des Phosphoroxychlorids kann nian endlich auch die aus Phosphorsuperchloriil und schwefliger SIure erhaltene Fliissigkeit anwenden , obgleich diese noch vie1 leichter scliweflige Siiure entwickelt.

Das Chlorthionyl auf andere Weise leichter zu gewin- nen, scheint nicht miiglich zi i scin. Ich stellte einen Ver- such aii , dasselbe durch Behandlung von schwefligsaurem Kalk rnit Chlorschwefel zu erhalten; cs bildete sich aber unter Ahscheidung von Schwefel nehen Chlorrnetall fast nur schweflige Siiure. Schwcfliye Siiure tnit Chlorschwefeldiimpf

*) Ich bin dnmit beschiifiigt , die physikalischcn Eigenschafteii diescr Substanz mit Genanigkeit zu untersuchcn.

durrh ein gliihendes Rolir geleitet , wirken nicht auf ein- ander e in; eben so wenig erhalt man Chlorthionyl durch Hindurchleiten von Sauerstoff oder atmosphiirischer Luft und Clilorschwefeldampf durch gluhende Riihren. Der Chlor- achwefel brennl dabei niit blaiigruner Flanime, und es ent- wickelt sich ein Genienge von schwefliger Saure untl Chlor gas, waltrend in der durch eine Kaltrmiscliung abgckiihlten "or- lage sich nicht unbedentendc Mengen von zarten nadelfor- migcn Krystallen anhatifen ; letztere liisen sicli unter Zischen in Wasser auf, r,iuchen sehr stark an der Luft und verltal- ten sich ganz wie wasserfreie Schwefelskure. Der Chlor- schuvefel wird also beim starken Erhitzcn niit Sauerstoff in schwcflige Saure, Schwefelskure und Chlorgas vcrwandelt.

Das bci den eben mitgethcilten Vcrsuchen crhaltene Chlorlhionyl verwanrlte ich zu einer Reaction auf Phosphor- supersulfid. Diese Verbindungcn scheinen ers t bei ziemlich holier Ternperatur auf einandrr einzurvirken , und wurden daher in zrigeschmolzenen Rohren auf 150° Idngere Zeib er- hitzt, wobei ich nicht ganz 1 Mol. Phosphorsulfid auf 5 Mol. Chlorthionyl anwandte , urn die gebildete Phospliorsaiire frei von Phosphorsupersulfid zu erhallen. Die nach dem Erkaltcri von etwas auslirystallisirtem Schcvefel und einer flockigen Substanz abgegossene gdbe Flussigkeit destillirte zuerst bci etwa SOo, bei welcher Temperatur das ubcrschussige Chlor- Ihionyl, aber schon durch Chlorschwefel gelb gefarbt , iiber- ging ; der Siedepunkt stieg rasch auf 138O, bei welcher Ternperatur die ganze Flbssigkeit destillirte. Der Siedrpunkt, ihr Verhalten gegen Wasser , ilir Geruch und die neben- steheiide Analyse, ausgefuhrt durch Verbrennen rnit kohlen- saiirem Natron und Queclisilberoxyd, beweisen, dals die Flhs- sigkeit reiner Halbchlorschwoft~l war.

332 Cara’uo. fiber die Chloride

Angewandt . . . . . . . 0,3452 Grm. Erhaltenes Chlorsilher . . . 0,7305 ,,

)) metallisches Silber 0,0040 Erhaltener schwefels. Baryt 1,1902 ,,

Gefunden Berechnet Chlor 52;68 52,59 Schwefel 47,35 47,41

1oo;03 100,oo. Der Ruckstand in den Riihren und im Destillationsgefiils

wurde niit Wasser erwlrrnt , die Liisung vom Schwefel ah- filtrirt, und darin durch die gewiihnlichen Reagentien drei- basische PhosphorsBure nachgewiesen, wahrend keine andere Phosphorshure aufgefunden werden konnte.

Nach diesen Resultaten unterliegt es wohl keinem Zweifel mehr , dafs wir den Halbchlorscliwefel analog rlem Phosphor- sulfochlorid als das Sulfochlorid dcs Schwefels zu betrachten haben. Ohne Zweifd existircn Bhnliche Verbindungen auch von den Radicalen organischer Sauren, und ich hoffe, die- selben in analoger Weise , darch Behandlung der Chloride rnit Phosphorsupersulfid , zu erhalten. Diese Verbindungen warden sich dem l’l~osphorsiilfochlorid elwa wie in folgender Zusammenstellung anschliefsen *).

C13PO C131’S C1pSG CI&S Cl€2H& CIGJ13S CIG,H88 Cl€THGS.

*) Sehr wahrscheinlich gehiirt in dieselbe Reihe von Verbindnngen auch der yon W’ 6 h ler und K o I h e dai gestelltc sogennnnte Chlorschwe- felliohlenstoff, dessen Verhllinifs zur Kohlensiiure und dem Schwe- felltohlenstoff wiedergegehen sein Iviir.de durch die Formeln :

@GO SCW C l p G 8 ClpGS.

Es bedarf diefs jedoch erst noeh weiterer Untersuchungen.

des Schwefels. 333

Die eben beschriebene Entsteliung des Phosphorsulfo- chlorides und des Halbchlorschwefels wiirde stattfinden nach der Gleichung :

PZS5 + 5 (-Cl,SS) = P'&s + 5 (C1,ff). Machen wir die oben erwiihnte Annahme uber die Con-

stitution des Halbchlorschwefels, so erkliiren sich nun alle bekannten Keaclionen dieses Kiirpers , das Verhalten gegen Wasser, gegen Sake und Alkohol allseitig ; die Bildung der schwefelhaltigen Iiiirper bei Anwendung von essigsaurem und benzoesauretn Nalron , des Mercaptans bei Anwendung von Allrohol. Man kiinnte indessen noch einwerfen, die ge- ringe Menge der auftretenden schwefelhaltigen Stoffe deute darauf hin, dds ihre Bildung nicht wesentlich sei; wie mich ein zu diesem Zweck angestellter Versuch lebrte, wirkt aber das Chlorthionyl, welches nach meiner Aiinahme nothwendig entstehen mul's , aul'serordentlich heftig auf Mercaptan ein. Eine niihere Untersuchung der entstehenden Producte war mir leider iiicht nioglich, da ich nur iiber eine sehr kleine Menge Mercaptan zu verfugen lialte; nur SO vie1 kann ich hier daruber sagen, dafs der Geruch nach Mercaptan vollig verschwindet , BUS der entstandenen gelben Flussigkeit nach dein Erkallen Schwefel auskrystallisirt und beim Vermischen mit Wasser eine schwere Flussigkeit in Tropfen zu Boden sinkt, die ich fiir schwefligsauresAethy1 halte. Es kann also hiernach gar keine griirsere Menge von Mercaptan unzer- setzt Bleiben, und die kleine Menge , welche der Zersetzung entgeht, nur dadurch davor bewahrt werden, dafs die Reaction bei niederer Temperatur, also nioglichst langsam vor sich geht und ein Ueberschufs von Alkohol zugesetzt wird.

Die folgenden Glrichungen iniigen die Reactionen dcs Halbchlorschwefels ~Sulfochlorihionyls) wiedergeben.

1) Auf die Sake oder sogenannten Hydrate einbasischer Sauren, z. B. der Benzoesaure :

334 C a r i u s , Bber die Chloride

Das Chlorthionyl wirlrt aber sofort aul die Schwefelver- bindungen eiii, riacti der Gleichung :

Letztere Reaction firidet besonders bei Saurehydraten statt wahrend bei Anwendung von Salzcn das Schwefel- metall sich mit dem Chlorthionyl in Chlormelall und schwe- felsaures Salz urYiIegt , wahrend ebenfalls Schwefel ahge- schieden wird und unter Urnstanden auch noch schweflige Saure auflritt. Ganz dieser Reaction analog werden sich die Salze und Hydrate mehrbasischrr Sauren verhalten, nur verandert durch die verschiedene Basicitat.

2) Auf Alkohole, z. B. den Aethylalkohol :

Das Chlorthionyl wirkt aber auch hier sofort anf das Mercaplan und wohl auch auf neuen Alkohol ein, und erzeuzt Chlorwasserstoff, schweflige Saure, Schwefel, schwefligsaures Aethyl *), Chlorathyl und vielleicht auch Bthylschweflige Saure ; etwa nach den Gleichuiigcn :

") Da bei der Reaction des braunen Chlorschwefels auf Alkohol nicht eher schwefligsaures Aethyl entsteht , als bis aller vorhanden zu denliende, der schwefligen Siiure entsprechende Clilorschwefel zerlegt wurde, und bei dieser Zcrlegung aiich unter gewijhnlichen Urnstanden wohl nur sehr ltleine Mengen oder gar liein Chlorthioriyi erzeugt wird, so ist hiernach die vortlieilhaftcste Darstellungsweise des schwefligsauren Aethyls , in olmn beschriebener \I'eise abso- luten Allroliol iin C%.berschuf. an€ Halbchlorschwefel einwirlcen zu lassen. Ich habe bei dein oben beschriebenen Versuch, der mit 500 Gmi . Halbchlorschmcfel angestellt wnrde, iiher 100 Grm. reines schwefligsaures bethyl erhalten, wahrend nach der gegebenen Gleichung 138 Grrt . entstehen miil'sten.

des Schwefeis. 33 5

3) Die Emvirkung des Halbchlorschwefels auf Wasser und Hydrate der Allialien nnd Erden findet belianntlich s te ts so statt , dals uriter Sshwefelabscheidung sich untcrschweflige Saure oder deren Sa!ze oder auch Pentathionsaure neben Chlorwasserstoff oder Chlornietall bilden. Wenn die oben gegebenen Betrachtungen auch hier anwrndbar s ind, so lniifste dabci neben Chlorwasserstoff oder Chlormetall, Chlor- lhionyl oder schweflige Saure und Schwefelwasserstoff ent- stehen. Schwefelwasserstoff u n d schweflige Saure kiinnen aber nicht neben eiriander in derselben Fliissigkeit bestehen, sondern sie zersetzen sich stets unter Bildung von unter- schwefliger oder Pentathionsaure, welche auch beim Ver- mischen von Halbchlorschwefel mit Wasser sich bilden. Diese bciden Sauren zerfallcn aber wiedcr unter Abgabe von Schwefel in schweflige Saure, und daher kanii, wenn auch brim Vermischrn von Halbchlorschwefel rnit Wasser sich Schwe- felwasscrstoff bildete, dieser nie beobachtet werden. Daraus glaube ich schliefsen zu diirfen, cler Halbchlorschwefel ver- halte sich gegen Wasser analog der Reaction auf Alkohol, und die Entstehung der unterschwefligen oder Pentathion- saure werde erst durch das Zusamrnenwirken von Schwefel- wasserstoff und schwefliger Satire bedingt, welche durch fol- gende Reaction entslanden :

(8HZ)Z + CI&3S == SHZ + (CIH):! + 8 0 2 .

lndem ich hierrnit diese Abhandlung schliefse , bemerke ich noch, dafs ich rnit dor Fortsetzung der Versuche iiher Einwirkung der EI~lbchIorschwefels und des Chlorthionyls auf Alkohole bcschafiigt bin itrid chen so das Vertialtrra

336 Lieb e n , iiber die Einwirkung

des Phosphorsupersulfids gegen die Chloride organischer Saureradicale, wie Chlorbenzoyl u. s. w., naher priifcn wcrde.

H e i d c l b c r g , den 5. April 1858.

Ueber die Einwirkung des Chlorwasserstoffs auf Aldeliyd ;

von A. Liebelz *>.

Bci dcm Einleiten von trockencm Chlorwasserstoffgas in reines Aldchyd, das von einer Kaltemischung umgcben war, trat Absorption und Volunivermehrung ein. Zugleich schied sich die Fiussigkeit in zwci farblose Schichtcn. Nach be- endigter Einwirkung wurden dicse sogleich von einander ge- trennt, denn sie wirken auf einander cin und zersctzen sich, wcnn man sie in verschlossenen Gefiifsen zusammen lafst.

Die untere Schichte betrug dem Volum nach nahezu ein Dritttheil von dcm dcr oberen. Sic besteht a w einer ge- sattigten wasscrigen Aufliisung von Chlorwasscrstoff und halt auch immer eine kleine Dlenge der oberen Fliissigkcit zuruck, die sie triibe macht und sich bci langerem Aufbewahren braunen Ial'st. l)a der zum Vcrsuch angcwendete Chlor- wasserstoff wie auch das Aldchyd wasserfrei waren , kann die Bildung dcs Wassers nur auf Zersctzung des Aldehyds durch die reducirende Vl'irkung dcs Chlorwasserstoffs be- ruhcn.

*) Compt. rend. XLVI, 662.