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414. Theodor Curtius: Ueber die Einwirkung von salpetriger Sl[ure auf s&aauren Glycoaollilther l). ~orl&ufige Mittheilung aus dem chem. Laboratorium der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Miinchen.] (Eingegangcn am 15. August.) Versetzt man eine concentrirte wassrige Liisung von salzsaurem Glycocollathylather mit salpetrigsaiirem Natron, so scheidet sich sehr bald in betrachtlicber Menge ein gelbes Oel ab, welches der Fliissig- keit durch Aether entzogen werden kann. Eine genauere Untersuchung hat ergeben, dass der bei dieser Reaktion entatehende KBrper, welcher den Aethylather einer stickstoffreichen, chlorfrcien Saure repriisentirt, in seinem Verhalten Aehnlichkeit rnit aromatischen Diazorerbindungen zeigt. Lasst man das Oel einige Zeit rnit Barytwasser stehen und destillirt hierauf mit Wasserdampf, so geht in den ersten Augenblicken ein Theil der Verbindung unzersetzt iiber. Dieser wurde in Aether aufgefangeii, uber Chlorcalcium getrocknet, auf dem Wasserbade vor- eichtig bis 950 C. erhitzt und alsdann zu den Untersiichungen ver- wendet. Das auf diesem Wege rein erhaltene Produkt stellt eine gold- gelbe, vollkommen neutral reagirende Fliissigkeit dar von hiichst eigen- thiimlichem, starkem Geruch, welche rnit Aether oder Alkohol in jedem Verhaltnisse mischbar, in Wasser dagegen kaum loslich ist. Der Luft ausgesetzt verfluchtigt sie sich in kurzer Zeit vollstandig. Beirn Erhitzen tritt gegen 1100 C. unter gewaltiger Whmeentwicklung plotzlich rnit grosser Heftigkeit Zersetzung ein. Charakteristisch ist fiir diese Verbindung, welche gegen Alkalien verhaltnissmassig grosse Bestiindigkeit zeigt , dass sie , mit Sluren, Wasser oder Alkohol in Beriihrung gebracht, ihren Gehalt an Stick- stoff nahezu quantitativ als Stickstoff abspaltet. Tropft man das Oel in kalte, concentrirte Salzsaure, so entweicht linter starker Erwarmung der Fliissigkeit der Stickstoff mit explosions- artiger Heftigkeit (auf diese Weise wurden 21.5 bis 22 pCt. Stickstoff gefunden,’ wiihrend die Verbrennung 24.5 pCt. ergab), und es entsteht Monochloressigather. Durch Kochen rnit Wasser zerfdlt die Ver- bindung in Glycolsaureather resp. Glycolsaure, Alkohol und Stickstoff schon auf Zusatz von kaltem Wasser wird Stickstoff. ausgetrieben. Durch Kochen mit absolutem Alkohol erhiilt man unter Stickstoff- entwickluug Aethylglycolsaureather, indem aiich der Hydroxylwasserstoff des Glycolsiiureiithers lthylirt wird. I) Diese Berichte XVI, 754. Anm. a).

Ueber die Einwirkung von salpetriger Säure auf salzsauren Glycocolläther

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Page 1: Ueber die Einwirkung von salpetriger Säure auf salzsauren Glycocolläther

414. Theodor Curtius: Ueber die Einwirkung von salpetriger Sl[ure auf s&aauren Glycoaollilther l).

~orl&ufige Mittheilung aus dem chem. Laboratorium der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Miinchen.]

(Eingegangcn am 15. August.)

Versetzt man eine concentrirte wassrige Liisung von salzsaurem Glycocollathylather mit salpetrigsaiirem Natron, so scheidet sich sehr bald in betrachtlicber Menge ein gelbes Oel ab, welches der Fliissig- keit durch Aether entzogen werden kann. Eine genauere Untersuchung hat ergeben, dass der bei dieser Reaktion entatehende KBrper, welcher den Aethylather einer stickstoffreichen, chlorfrcien Saure repriisentirt, i n seinem Verhalten Aehnlichkeit rnit aromatischen Diazorerbindungen zeigt.

Lasst man das Oel einige Zeit rnit Barytwasser stehen und destillirt hierauf mit Wasserdampf, so geht in den ersten Augenblicken ein Theil der Verbindung unzersetzt iiber. Dieser wurde in Aether aufgefangeii, uber Chlorcalcium getrocknet, auf dem Wasserbade vor- eichtig bis 950 C. erhitzt und alsdann zu den Untersiichungen ver- wendet.

Das auf diesem Wege rein erhaltene Produkt stellt eine gold- gelbe, vollkommen neutral reagirende Fliissigkeit dar von hiichst eigen- thiimlichem, starkem Geruch, welche rnit Aether oder Alkohol in jedem Verhaltnisse mischbar, in Wasser dagegen kaum loslich ist. Der Luft ausgesetzt verfluchtigt sie sich in kurzer Zeit vollstandig. Beirn Erhitzen tritt gegen 1100 C. unter gewaltiger Whmeentwicklung plotzlich rnit grosser Heftigkeit Zersetzung ein.

Charakteristisch ist fiir diese Verbindung, welche gegen Alkalien verhaltnissmassig grosse Bestiindigkeit zeigt , dass sie , mit Sluren, Wasser oder Alkohol in Beriihrung gebracht, ihren Gehalt an Stick- stoff nahezu quantitativ als Stickstoff abspaltet.

Tropft man das Oel in kalte, concentrirte Salzsaure, so entweicht linter starker Erwarmung der Fliissigkeit der Stickstoff mit explosions- artiger Heftigkeit (auf diese Weise wurden 21.5 bis 22 pCt. Stickstoff gefunden,’ wiihrend die Verbrennung 24.5 pCt. ergab), und es entsteht Monochloressigather. Durch Kochen rnit Wasser zerfdlt die Ver- bindung in Glycolsaureather resp. Glycolsaure, Alkohol und Stickstoff schon auf Zusatz von kaltem Wasser wird Stickstoff. ausgetrieben. Durch Kochen mit absolutem Alkohol erhiilt man unter Stickstoff- entwickluug Aethylglycolsaureather, indem aiich der Hydroxylwasserstoff des Glycolsiiureiithers lthylirt wird.

I) Diese Berichte XVI, 754. Anm. a).

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Man hiitte nach diesen Zersetzungserscheinungen erwarten miissen, dass das Produkt der Einwirkung von salpetriger saure auf Glycocoll- ather Diazoessigiither wiire und f i r dasselbe analog der hypothetiechen Zusammensetzung des im freien Zustande unbekannten Diazobenzols die Zusammensetzung CHa NNO H C 0 0 Ca Hs postuliren diirfen. Die Analysen haben aber zu der empirischen Formel Cr&Na09 gefiihrt und demnach gelehrt, dass die Verbindung noch ein Molekiil Wasser weniger enthdt, also die Zusammensetzung CH N N C 0 0 C& H5 besitzt. Es folgt daraus, dass bei der Umwandlung des Kiirpers in Glycol- d u r e oder Chloressigsgure Wasser resp. Salzslure wieder aufge- nommen wird.

Man kann sich die Bildung einer Diazoverbindung von der Zu- sammensetzung C H N N C 0 0 Ca H5 aus GlycocoUther der Art vor- stellen, dass zunachst salpetrigsaurer GlycocolUther entsteht und diesem zwei Molekiile Wasser entzogen werden.

CHaNHaCOO(&HbHCl+ NOONa .NOOH

= CHaNH2COOCaH5 + NaC1, salpetrigsaurer Glycocollt%ther.

C H ~ N H S C O O C ~ H J - Ha0 = CHaNNOHCOOGH5,

CHaNNOHCOOC2€& - Ha0 = CHNNCOOGH,, analysirte Verbindung.

,NOOH

Diazoesei&ther.

Die Existenz und das Verhalten dieses Kiirpers lassen erwarten, t h ~ s Diazo- und sehr wahrscheinlich auch Diazoamidoverbindungen von fetten Sliuren iiberhaupt bestehen kiinnen, sobald es gelingt die Einwirkung freier Siuren auf derartige Verbindungen im Augenblicke ihres Entstehens auszuschliessen. Versuche, die allgemeine Giiltigkeit der besprochenen Reaktion festzustellen, sind bereits in Angriff ge- nommen worden. Eine erneute vorliiufige Untersuchung iiber die Einwirkung von salpetriger Saure auf salzsaures Aethylamin unter den angedeuteten Vorsichtsmaassregeln hat gelehrt, dass hierbei voriiber- gehend ebenfalls eine Verbindung entsteht, welche sich der durch Einwirkung von salpetriger Saure auf salzsauren Glycocollather er- haltenen analog verhiilt.

Ich miichte mir das Studium dieser Reaktionen eine Zeit lang vorbehalten.

Bericbto d. D. ehem. Gesellsehnft. Jahrg. X V I . I45