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Zeitschrift fiir Zellforschung 52, 712 714 (1960) Aus dem Pathologischen Institut der Universit~t Bonn (Direktor: Prof. Dr. H. HAMPERL) UBER DIE FORM DER MITOCHONDRIEN IN ELEKTRONEN- MIKROSKOPISCHEN BILDERN Von W. WESS:EL Mit 4 Textabbildungen (Eingegangen am 27. Juni 1960) Bei einem Vergleich der phasenkontrast- und elektronenmikroskopischen Bildern desselben Zellmaterials fgllt immer wieder auf, dal~ die Mitochondrien in den Phasenkontrastaufnahmen fadenf6rmige Gestalt besitzen, wghrend sie im Elektronenmikro- skop rund bis oval erscheinen. Es soil Gegenstand der fotgenden Betrachtung sein, die M6glich- keiten aufzuzeigen, die zu diesen Differenzen in der Form der Mitochondrien ffihren k6nnten. Zungchst liegt der Gedanke nahe, dab die in vivo sichtbaren ,,Fadenmitochondrien" durch die elektronenmikroskopischen Pr/~parationsmethoden eine Frag- mentation erleiden. Es stellt sich abet heraus, dab bei osmium- fixierten und in Methacrylat ein- gebetteten Zellen die Mitochon- drien in ihrer Fadenform ph~sen- kontrastmikroskopisch noch sichtbar sind (BoRYSKO) und durch die Einbettung in ihrer Abb. 1. Tell eines Fibroblasten aus ciner Gcwebekultur Form und Kontinuit~tt nicht l~ait ,,fa4enfSrmigen" Mitochondrien. Phascnkontrast- aufllahmc. Vcrgr. 2100fach* veriindert werden. Es kSnnte abet aueh sein, dab die Faden- mitochondrien aus zahlreichen runden oder ovalen Elementen bestehen, die sich kettenartig aneinandergelegt haben, etwa nach Art der Streptokokken. ])adurch mill]ten sie im Elektronenmikroskop fast ausschliel31ich rund oder oval er- scheinen, Dagegen sprechen aber die Befunde im Phasenkontrastmikroskop, wofiir die Abb. 1 als Beispiel dienen soll. Auch elektronenmikroskopisch mfif3te eine solche Aneinanderreihung yon kugelf6rmigen Gebilden bei Lgngs- schnitten yon Mi~ochondrien irgendwann einmal sichtbar werden. Doch auch hier fin(let sich kein Anhalt ffir derartige Strukturen. * Herrn Dr. GROPr danke ich fiir die l~berlassung dieser Aufnahme.

Über die Form der Mitochondrien in elektronenmikroskopischen Bildern

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Page 1: Über die Form der Mitochondrien in elektronenmikroskopischen Bildern

Zeitschrift fiir Zellforschung 52, 712 714 (1960)

Aus dem Pathologischen Institut der Universit~t Bonn (Direktor: Prof. Dr. H. HAMPERL)

UBER DIE FORM DER MITOCHONDRIEN IN ELEKTRONEN- MIKROSKOPISCHEN BILDERN

Von

W. WESS:EL

Mit 4 Textabbildungen

(Eingegangen am 27. Juni 1960)

Bei einem Vergleich der phasenkontrast- und elektronenmikroskopischen Bildern desselben Zellmaterials fgllt immer wieder auf, dal~ die Mitochondrien

in den Phasenkontrastaufnahmen fadenf6rmige Gestalt besitzen, wghrend sie im Elektronenmikro- skop rund bis oval erscheinen. Es soil Gegenstand der fotgenden Betrachtung sein, die M6glich- keiten aufzuzeigen, die zu diesen Differenzen in der Form der Mitochondrien ffihren k6nnten.

Zungchst liegt der Gedanke nahe, dab die in vivo sichtbaren ,,Fadenmitochondrien" durch die elektronenmikroskopischen Pr/~parationsmethoden eine Frag- mentation erleiden. Es stellt sich abet heraus, dab bei osmium- fixierten und in Methacrylat ein- gebetteten Zellen die Mitochon- drien in ihrer Fadenform ph~sen- kontrastmikroskopisch noch sichtbar sind (BoRYSKO) und durch die Einbettung in ihrer

Abb . 1. Tel l e ines F i b r o b l a s t e n aus c iner G c w e b e k u l t u r Form und Kontinuit~tt nicht l~ait , , f a 4 e n f S r m i g e n " M i t o c h o n d r i e n . P h a s c n k o n t r a s t -

a u f l l a h m c . Vcrgr . 2 1 0 0 f a c h * veriindert werden. Es kSnnte abet aueh sein, dab die Faden-

mitochondrien aus zahlreichen runden oder ovalen Elementen bestehen, die sich kettenartig aneinandergelegt haben, etwa nach Art der Streptokokken. ])adurch mill]ten sie im Elektronenmikroskop fast ausschliel31ich rund oder oval er- scheinen, Dagegen sprechen aber die Befunde im Phasenkontrastmikroskop, wofiir die Abb. 1 als Beispiel dienen soll. Auch elektronenmikroskopisch mfif3te eine solche Aneinanderreihung yon kugelf6rmigen Gebilden bei Lgngs- schnitten yon Mi~ochondrien irgendwann einmal sichtbar werden. Doch auch hier fin(let sich kein Anhalt ffir derartige Strukturen.

* Herrn Dr. GROPr danke ich fiir die l~berlassung dieser Aufnahme.

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Form der Mitochondrien 713

Nach Ausschlug dieser M6glichkeiten kann die Differenz nur schnitt- bzw. projektionsbedingt sein. Wie grog ist nun die Wahrseheinlichkeit, daft ein , ,Fadenmitoehondrium" im elektronenmikroskopischen Bild langgestreekt er- seheint und in welehem Prozentsatz hat es eine runde oder ovale Form ?

Das Urteil fiber die Form der Mitoehondrien, also,,lang- gestreekt bzw. fadenf6rmig" oder ,,fund bzw. oval" hs ab von dem im Bild siehtbaren Verh~ltnis vom Quer- zum L~ngsdurehmesser. I s t das Verh~ltnis gleich 1, d .h . sind beide Durchmesser gleieh grog, so erscheint es ,,rund". Lie kleiner der Bruch wird, der

Abb. 2, Schema eines ausges t reckten , ,Fadenmi tochon- dr iuras" , Dars te l lung der Schnittverhi~ltnisse. ~Vahrer L/~ngs- durchmesser d, ; wahre r Querdurchmesser d ; scheinbarer L~i.ngsdurchm6ss~r d~ ; Schni t tebene S; Schnl t twinkel

dieses Verh/~ltnis darstellt, desto 1/~nger ist das Bild des Mitochondriums. Bis zu einer Gr6Be yon 1 : 3 k6nnte man das Mitochondriumbfld vielleicht noeh als ,,oval" bezeichnen, wird der Bruch noch kleiner, so mug man schon von ,,langgestreekt" oder gar , Iadenf6rmig" sprechen.

Um nun die Schnittverh~,ltnisse klarzum~ehen, bedienen wir uns eines Modells (Abb. 2), indem wir annehmen, dab ein , ,Fadenmitoehondrium" die ideale Form eines Zyhnders habe. Es sind alle Anschnittwinkel mSglich und einander gleichbereehtigt, da auch die Mitochondrien keine bevorzugte Richtung in der Zelle haben. Bei dem angeschnittenen Mitochondrium ist nun zu unter- scheiden zwisehen dem wahren Querdurchmesser d, dem wahren L~ngsdurch- messer d~ un& dem scheinbaren L~ngsdurehmesser d~. Der scheinbare Ls durchmesser ist eine Funktion des Schnittwinkels d~ = d/sin ~. Die Schnittdieke yon 300--400 A spielt in diesem Fall wohl keine Rolle. Die Abhs des Verh/iltnisses d/dl vom Schnittwinkel ist in Form einer Kurve graphisch dar- gestellt (Abb. 3). Unter der Abszisse sind die , ,Form-Urteile" lang oder ,,fadenfSr- mig" und ,,oval oder fund" aufgetragen. Man erkennt, daft der Winkel sehr klein sein mug, um den Ansehnitt eines solehen gestreckten , ,Fadenmitoehondriums" lang oder fadenfSrmig erseheinen zu lassen. Der Sehnittwinkel miigte dann, wenn man ein Verh/iltnis yon d :d I ~-1/s noeh als ,,oval" bezeiehnet, unter 19,30 liegen. Da jeder Sehnittwinkel gleieh m6glieh ist und 19,30 den 4,6. Tell yon 900 darstellt, warden also ungef/~hr nur 1/5 aller Mitochondrien-Durehsehnitte ,,lang oder fadenfSrmig" und fast 4/5 ,,rund bis oval" aussehen. Rechnet man gar die Wahrseheiniiehkeit aus, dab ein solehes Mitoehondrium mit einem Dureh- messerverh&ltnis d:d~ = 1/10 in 3/4 seiner Gesamtl/inge im Sehnitt erseheinen wfirde, so erh/ilt man einen Wert yon 1:49. Man sieht daraus, dab selbst unter den idealen Bedingungen des ausgestreekten Mitoehondriums die Wahrsehein- liehkeit eines 1/s Ansehnitts reeht gering ist.

Verls man abet das Modell und wendet sich den Gegebenheiten in der Zelle zu, so ist zu berfieksiehtigen, dab die Mitoehondrien nieht gerade, sondern gewunden verlaufen. Dadureh ist es mSglieh, dab ein , ,Fadenmitoehondrium" drei oder viermal angesehnitten wird, wobei jeder Ansehnitt als ein eigenes rundes oder ovales Mitoehondrium betraehtet wird. Auf diese Weise wird das Verh/~ltnis

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in unkontroll ierbarer Weise zugunsten der ovalen und runden Formen ver- schoben, so dab die Wahrscheinlichkeit, ein langgestrecktes Mitochondrium im Schnitt zu finden, welt geringer wird als 1:5. Auch die Tatsache, dab man phasenkontrastoptisch nur einige wenige fadenfSrmige Mitochondrien in der ganzen Zelle finder, w/ihrend elektronenmikroskopisch in den dfinnen Schnitten sehr viel mehr Mitochondrien sichtbar sind, spricht daffir, dab hier im Durch-

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schnit t jedes Mitochondrium mehrfach angesehnitten wird. Damit wird auch verst/indlich, warum man in Zellen, dig phasenkontrastmikroskopisch nur Faden- mitochondrien besitzen,elektronenmikro- skopisch fast ausschlieBlich runde oder

A b b . 4 A b b . 3. G r a p h i s c h e D a r s t e l l u n g des Z u s a m m e n h a n g s v o n S c h n i t t w i n k c l (~) u n d d e m V c r h a l t n i s y o n Q u e r - z u s c h e i n b a r c m L ~ n g s d u r c h m e s s e r (d:d~). E n t s p r e c h e n d wtu 'de a u f d e r A b s z i s s c d e r W i n k e l u n d a u f d e r O r d i n a t e d a s V e r h ~ l t n i s d :d, a u f g e t r a g e n . U n t e r d e r A b s z i s s e s i n d die F o r m e n d e r y o r e S c h n i t t w i n k e l a b h ~ n g i g e n , , F o r m - U r t e i l e " d e r F a d e n m i t o c h o n d r i e n , a lso , ,ova l b i s r u n d " u n d , , l ang

o d e r f a d e n f S r m i g " , a u f g e f f i h r t

A b b . 4. Z w e i d i c h t n e b e n e i n a n d e r l i e g e n d c , s c h r ~ g a n g e s c h n i t t e n c M i t o c h o n d r i e n (MCa 1-Asc i tes - t u m o r ) , d e r e n S c h n i t t b i l d b i e r o v a l e r s c h e i n t . A n d e n v e r w a s c h e n e n B e g r e n z u n g e n d e r P o l e e r k e n n t m a i l , d a b es s i eh b i e r n m e i n e n s c h r ~ g e n A n s c h n i t t h a n d e l t . D ie B r e i t e d e r D o p p e l m e m b r a n a n d i e s e n S te l ] en g i b t e i n e n ~ m g e f ~ h r e n A n h a l t f f i r d e n W i n k e l , u n t e r d e m die M i t o c h o n d r i e n g e s c h n i t t e n w u r d e n

ovale Formen sieht. F indet man also im elektronenmikroskopischen Bild nur einige wenige langgestreckte Mitochondrien, so darf man ohne weiteres vermuten, dab dig Zellen , ,Fadenmitochondrien" besitzen und die ovalen Formen grSl~tem tells Anschnit te derselben darstellen.

Es ist aber mit Itilfe des Verh~ltnisses d : d 1 nieh~ nur m6glieh, etwas fiber den Schnittwinkel auszusagen (Abb. 3), sondern man kann diesen aueh dureh die Breite der i~uBeren Doppelmembran ungef~hr bestimmen, die sich bei Quer- schnitten als zwei seharfe Linien und bei Sehrs als eine verwaschene os- miophile Zone darstel l t (Abb. 4). Ffir exakte Messungen eignet sieh dieses Verfahren j edoch nicht, da in der Gr6Benordnung der Doppelmembran bereits die Schnittdicke zu berficksiehtigen ist.

Literatur B O R Y S K O , E . , and P. SAPRANAUSKAS: A new technique for comparative phase contrast and

electron microscope studies of cells grown in tissue culture, with an evalution of the technique by means of the timelapse cinematography. Bull. Johns Hopk. Hosp. 95, 68--79 (1954)�9

Dr. W. WESSEL, Pathologisches Institut der Universit/~t Bonn a. Rh., Venusberg