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Amadinen in der Ueber die Fortpflanzung einiger 6efangenschaft. Von Dr. Carl Belle. Die Amadinen sind, wie man weiss, eine aus ziemlieh zahlreichen Species bestehende Gruppe der grossen Fringillenfamilie, die aussehliess- lich auf die Tropenliinder der alten Welt beschrfinkt ist, yon der sieh aber mehre Arten, in Menge nach Europa gebracht, unserer Beobachtung als Stubenv~gel darbieten. Ieh will hier hauptsfiehlieh nur yon drei Species reden, die nach einem gemeinsamen Typus gebildet, in Ki~rper- gestalt, Lebensweise and Stimme vine sehr grosse Uebereinstimmung zeigen. Es sind dies Amadina cantans~ malabarica und /asciata. Ira System miiehte die Stelle dieser Yiigel am Passendsten zwisdlen den Sperlingen and Kernbeissern gesueht werden. Die, al]erdings sehwii- ehere, Sehnabelbildnng reiht sie mehr diesen; der namentlieh dureh vine horizontale Haltung des Leibes and kurze Beinehen bedingte Habitus, Nistweise and grosse Liebe zur Geselligkeit mehr jenen an. Swain~on and Hartlaub plaeiren sie in die Unterfamilie tier Coccothraustinae. lhnen eigenthiimliehe Charaetere sind: ein keilfiirmiger Sehwanz dessen beide ]Ylittelfedern meist deutlich verlangert erseheinen and ein ganz be- sonderer, anhaltender had leiser, bei gesehlossenem Schnabel wie aus tiefster Kehle hervorgegurgelter Gesang. Das Gelieder liegt knapp und schmuck an. lhr Benehmen ist ein Muster yon Friedfertigkeit und Ziirt- liehkeit der Individuen gegen einander. Was die Nahrung betrill't, so geniessen sie vorzugsweis mehlige Siimereien und seheinen daher in ihrem Vaterlande am meisten auf die so unendlieh zahlreiehen Hirse- griiser (Panicum), wohl aneh auf die Amaranthus-Arten, der heissen Zone angewiesen zu sein. lhre Difit in der Voliere besteht aus Hirse und Canariensamen, mit gelegentliehem Zusatz yon etwas Griinem; an tiliges Gesfime, wie Hanf and Mohn gehen sie nieht leieht. Die Amadinen erfl'eaen uns nieht nur dareh ihr sehmuekes, ver- triigliehes Wesen und bleiben, bei nur wenig kostspieligem Futter und einigermaassen sorgsamer Pflege, viele Jahre hindureh nnsere treuen Stubenkameraden; sie pflanzen sieh aueh in dem Klima des ntirdliehen Dentsehlands fort und wiiren, meiner Meinung naeh, mit der griissten Leiehtigkeit vollstiindig zu domestieiren. Wie seltsam, dass bisher der Canarienvogel der einzige Singvogel geblieben ist, dessert dauernde Er- oberung der ~)Ienseh gemaeht hat! Hier sind andre --zwar an Virtuositiit des Gesanges jenem weit naehstehende -- sonst abet nieht minder seh0ne

Ueber die Fortpflanzung einiger Amadinen in der Gefangenschaft

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Amadinen in der Ueber die Fortpflanzung einiger 6efangenschaft.

Von

Dr. Carl Belle.

Die Amadinen sind, wie man weiss, eine aus ziemlieh zahlreichen Species bestehende Gruppe der grossen Fringillenfamilie, die aussehliess- lich auf die Tropenliinder der alten Welt beschrfinkt ist, yon der sieh aber mehre Arten, in Menge nach Europa gebracht, unserer Beobachtung als Stubenv~gel darbieten. Ieh will hier hauptsfiehlieh nur yon drei Species reden, die nach einem gemeinsamen Typus gebildet, in Ki~rper- gestalt, Lebensweise and Stimme vine sehr grosse Uebereinstimmung zeigen. Es sind dies Amadina cantans~ malabarica und /asciata.

Ira System miiehte die Stelle dieser Yiigel am Passendsten zwisdlen den Sperlingen and Kernbeissern gesueht werden. Die, al]erdings sehwii- ehere, Sehnabelbildnng reiht sie mehr diesen; der namentlieh dureh vine horizontale Haltung des Leibes and kurze Beinehen bedingte Habitus, Nistweise and grosse Liebe zur Geselligkeit mehr jenen an. Swain~on and Hartlaub plaeiren sie in die Unterfamilie tier Coccothraustinae. lhnen eigenthiimliehe Charaetere sind: ein keilfiirmiger Sehwanz dessen beide ]Ylittelfedern meist deutlich verlangert erseheinen and ein ganz be- sonderer, anhaltender had leiser, bei gesehlossenem Schnabel wie aus tiefster Kehle hervorgegurgelter Gesang. Das Gelieder liegt knapp und schmuck an. lhr Benehmen ist ein Muster yon Friedfertigkeit und Ziirt- liehkeit der Individuen gegen einander. Was die Nahrung betrill't, so geniessen sie vorzugsweis mehlige Siimereien und seheinen daher in ihrem Vaterlande am meisten auf die so unendlieh zahlreiehen Hirse- griiser (Panicum), wohl aneh auf die Amaranthus-Arten, der heissen Zone angewiesen zu sein. lhre Difit in der Voliere besteht aus Hirse und Canariensamen, mit gelegentliehem Zusatz yon etwas Griinem; an tiliges Gesfime, wie Hanf and Mohn gehen sie nieht leieht.

Die Amadinen erfl'eaen uns nieht nur dareh ihr sehmuekes, ver- triigliehes Wesen und bleiben, bei nur wenig kostspieligem Futter und einigermaassen sorgsamer Pflege, viele Jahre hindureh nnsere treuen Stubenkameraden; sie pflanzen sieh aueh in dem Klima des ntirdliehen Dentsehlands fort und wiiren, meiner Meinung naeh, mit der griissten Leiehtigkeit vollstiindig zu domestieiren. Wie seltsam, dass bisher der Canarienvogel der einzige Singvogel geblieben ist, dessert dauernde Er- oberung der ~)Ienseh gemaeht hat! Hier sind andre - - z w a r an Virtuositiit des Gesanges jenem weit naehstehende - - sonst abet nieht minder seh0ne

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und liebenswfirdige Finken, die nur darauf warten~ sieh uns anzusehlies- sen, um ein "Paar Naturlaute der Tropenwihlniss an unseren nordisehen Heerd zu tragen. Jetzt zwar liefert sie uns der Handel so leieht und zahlreich, dass das Bedtirfniss, sie selbst zu ziehen, weniger fiihlbar wird. Aber darin kOnnen Aenderungen eintreten. Sind wir sehon fiber alle Ge- fahr eines Krieges hinaus'? Kann die Eifersueht der Seem~ichte gegen- einander nieht einmal aufs Neue - - wer weiss auf wie lango - - die Hfifen dem fiberseeisehen Verkehr sehliessen'? Immer noeh der ltleinste Uebelstand unter vielen wtire es, wenn dann keine exotisehen VOgel mehr zu uns gelangten. Dennoeh hat Vieillot, und sieher nieht er allein, zur Zeit der Continentalsperre darUber geseufzt und die Zeit- genossen Biiffons, die sie ein halbes Jahrhundert friiher in Menge be- sassen, ihrelwegen beneidet.

Amadina cantans (Loxia L. et Gruel. Uroloncha Cab.) ist jenes bewegliche, oben gelbbraune, unten hellere V0gelehen mit dem blfiu- lichen Sehnabel, das die Hiindler bei uns ,Silberbekehen c' oder ,Silber- fasiinchen", die Franzosen ,Bee de plomb '~ nennen, und das yon der West- kiiste Afrikas, namentlich aus Senegambien, in nieht unbedeutender~Ienge zu uns gebracht wird. Sein Vaterland scheint fiber einen grossen Theft des iiquatorialen Afrikas ausgedehnt. Alfl'ed Brehm fand es in den grasreiehen Steppen des 5stlichen Sudans, w o e s - - ein neuer Beweis seiner Zutraulichkeit gegen den Mensehen - - die N~ihe der INomaden- lager aufsueht. Cantans, das Singend% hat es Yater Linnd wohl weni- ger des Wohlklanges und der Stiirke, als der langanhaltenden Dauer seines mit ungemeinem Fleisse vorgetragenen Liedchens wegen genan~, das leis nnd zwitschernd, die gleichfalls zwitsehernden hiiufig ausge- stossenen Locktfine des Vogels unterbrieht. Die Thierehen lieben es~ paarweis oder zu Mehren, dicht aneinander gcschmiegt auf der Stange oder dem Aste zu sitzen. Ihre kurzen Fliigel gestatten ihnen in tier Heimath wohl keinen weiten oder besonders hohen Flug: dafiir schlfipfen sie mit der Behendigkeit eiaer Maus dutch das Gezweig. Am Boden werden sie mit schief naeh oben gerichtetem Sehw~inzehen hiipfend ge- sehn. ~Ian kann die Geschlechter und Altersstufen nur sehwer yon einander unterseheiden: selbst dass die M~innchen eine gelbere Kehle nnd Vorderbrust haben sollen, ist ein oft triigliches Kennzeichen. Nicht nur die Gepaarten, aneh einander ganz Fremde und sogar Vi~gel gleiehen Geschlechts schliessen sich eng an einander an und scheinen vom ersten Augenbliek ihres Beisammenseins unzertrennlieh. Auseinandergethan, rufen sie sieh mit tingstlich zirpenden, zuletzt scharf und ungedu]dig klingenden Ttinea. Sie degorgiren nieht; haben aber eine eigenthiimliehe Weise sieh za

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sehn~ibeln, die der'derTauben gleieht; putzen sieh unter einander aueh, ganz wie diese, best~indig alas Gefieder, zumal am lfopfe. In dem Mo- mente, der der h0chsten Extase vorangeht, hebt sich das H~ihnchen mehr- reals auf den Tarsen senkreeht in die Hi, he und fiillt ebenso schnell wieder in seine gew0hnliche Stellung znriiek: es knikst so zu sagen Es ist dies ein h0chst origineller Paarungsgestus, den die Amadinen vor allen anttern V0geln voraus zu baben scheinen. Die Begattung wird dann ent- weder auf einem Aste oder, haufiger noch, im Innern des Nestes, voll- zogen. ,,Die W/irme unsrer Sommer, sagt Yieillot in seinen ,Oiseanx ehanteurs" geniigt zu ihrer ¥ermehrung in Europa; da sie abet oft schon Ende Winters zu legen anfangen, so thut man, um sicher zn gehen, wohl, die Bruten bis zum Mai hinans zu schieben. Sie nisten yore Februar bis August."

Bei einer anzulegenden Hecke dieser VOgel hat man darauf Riick- sicht zu nehmen, dass es e n t s e h i e d e n e H O h l e n b r t i t e r sind. Sie bauen sowohl in HOhlungen mit sehr weitem Eingang, als auch in Brutk~istchen mit ffanz engem Loche und tibernaehten, wenn man ihnen, was stets geschehen sollte, dergleichen hinh~ingt, viel lieber darin, als dass sie auf einer Sprosse sitzend schliefen. Nichts ist reizender, als ein gemeinsames Lager solcher Thierchen zu belauschen und sie ihre Kfipfe neugierig aus einem Astloche hervorstrecken zu sehen. Die re- spective Mittheilnng der animalischen W~irme in einem geschlossenen Raume erleichtert ihnen, abgesehen 'davon, dass sie ihrer Natur gem~iss ist, auch das Ertragen kiihlerer N~ichte. Einen ganz besonders merk- wtirdigen Umstand erblieke ich darin, dass allein das Mannchen der Baumeister ist: hie babe ich das Weibchen auch nut einen Hahn zu- tragen sehen! Es begniigt sieh damit, passiv im Neste oder vor dem- selben sitzend, die Huldigungen seiner fleissigeren H~ilfte entgegen zu nehmen. Diese Eigenthiimlichkeit stellt die drei uns hier bescMftigen- den Amadinen in psyehischer Hinsieht auf die h0chste Stufe unter den Fringillen; denn nirgend tritt das Gefiihl der elterlichen Liebe so stark und fiirsorglich bei einem Geschlechte auf, welches es sonst mit den ehelichen Pfliehten leichter zu nehmen pflegt.

Ist die H~hle welt, so wird sie mit eiuem enormen Wust yon Nist- material angeft~llt. Alles ist dem Vogel dazn recht: Hen, Moos, Baum- wolle, Zwirn, Papierstiiekehen, ja selbst rrisches Griin, wie ich ihn denn mehrmals mit Vogelmiere bauen sah. Fallt zu viel Licht hinein oder war das Nest in einem nnr dutch Gitterwerk geschlossenen Harzer Banerchen angelegt~ so wird es iiberw~lbt und nut vorn und olJen eine ganz kleine Oeffnung zum Hineinschliipfen gelassen. In einem Nist-

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kiistchen mit engem Eingange wird dagegen nur der Boden mit miJg- iichst weichen Stoffen gepolstert und die Oeffnung ein wenig verbaut. Die Arbeit des Bauens begleitet der Vogel mit einem ganz eignen, immerw~ihrenden Gezwitseher. Die Durehsehnittszahl der kleinen und l~inglichen, schneeweissen Eier bctrfigt vier. Diese werden 10--11 Tage bebl'titet und jetzt spielt das Weibehen nicl~t mehr die Rolle der Emaa- cipirten, sondern bedeekt sie abweehselnd mit dem M~inaehen. Beijedem lauten Ger[iuseh streiehen sie yore Neste~ um bald darauf vorsiehtig aaf dasselbv zuriiekzukehren.

Ieh hatte bereits 1855 ein Cantans-P~rehen bei meinem Freunde, dem Dr. L. Tiehy in Berliq nisten sehen. Es war zwisehen Winter nnd FrUhling. Man hatte ihnen ein mit Tannenzweigen ausgeschmtiektes Bauer am Fenster eines geheizteu Zimmers angewiesen; aber, mit ihrer Eigenschaft als HOhlenbrUter unbekannt, ihnen nur offne K6rbchen ge- gebea. Diese suehten sie so viel als mt~glieh zu iiberw01ben; bauetea woehenlang; vertausehten dana, unzufrieden, das eine Nest mit dem andern und zuletzt ward, naeh Legung des ersten Eis~ das Weibehen todt auf demselben gefunden.

Ira Sommer 1858 ist mir, der ieh zum ersten Male diese VOgel beisammen hielt, tier Versueh gegliiekt. Sie batten yore April an drei- real vergeblieh gebaut und Eier gelegt. Diese Eier versehwanden pl0tz- lieh oder wurden zertrUmmert vorgefunden. Ieh babe eine die Yoliere mit ihnen zugleich bewohnende Fringillct nitens in starkem Verdaeht der Eierfresser gewesen zu sein. Die gelungene Brut ward in einem Nistk~istehen, das ihnen vor andern VOgeln Ruhe gew~ihrte, zu Ende geftihrt. Vou Sehwiiehe oder Kranksein des Weibehens naeh dem mehr- maligen Legen war keine Rede gewesen. Die Jungen sind anfangs fast ganz kahl und sehr hiisslieh: sehwiirzlieh roth mit kleinem, breitem Selmabel und weiter Mund0ffnung, in der eine gleiehfalls breite, gelb- ges~iumte Zunge liegt. Aueh die Mundwinkel sind gelb. Diese Thier- ehen sperren fortwiihrend und werden yon den Eltern aus dem Kropfe mit geseh~ilter Hirse gefUttert, deren K0rnehen man bei den Heran- waehsenden in dem durchsiehtigen Kropfe liegen sieht..Die ersten andert- halb Woehen ihres Lebens entwiekeln sie sieh langsam; naehher um so sehneller. Mit zunehmendem Alter, nehmen sie, die lange naekt bleiben, eine bliiuliehe F~irbung an: man mOehte sie dann eher fur kleine ekel- hafte Amphibien als fur V/Jgelehen ansehen. Anfangs halten die Alten das Nest rein: bald jedoeh wiiehst ihnen diese Arbeit tiber den Kopf. Es wird dann yon den gr~isserwerdenden Jungen in eine wahre Cloake verwandelt und riecht so abseheulieh wie die verrufene Nisthiihle des

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Wiedehopfs. Sieh selbst aber bewahren nichts destoweniger die Klei- nen vollkommen sauber. Um dies zu bewirken, sitzen sie mit senkreeht naeh oben gekehrtem Hinterleibe und perpendikulfirem oder etwas vorn iibergebogenem Schw~inzchen in der allerseltsamsten Positur, auf Brust und Kehle ruhend, im Neste und vermeiden so eine jede Bertihrung mit den yon Schmutz starrenden W~inden, gegen welehe sie ihre Exkremente hoeh naeh oben schleudern. Mit eben dem Erfolge beweisen Vater und Mutter die Wahrheit des Wahlspruehs: Purls omnia pura. Sobald sie hineinsehliipfen~ um zu fiittern, erhebt sich drinnen ein Gezwitscher, wie yon jungen Sperlingen. Ameiseneier, die sie sonst wohl fressen, wurden behufs der Fiitterung der Jungen ganz versehm~iht; desgleichen Griines. Man kann daher Cantans und seine Yettern zu den aussehliess- liehsten K6rnerfressern unter den Finken ziihlen, yon denen die meisten wenigstens ihre kleinen Jungen mit Inseetenkost atzen.

Meine Silberbekchen waren am 11. Juli, 19 Tage alt, fast fliigge. Zwei Tage darauf, am ~1., verliess das Aelteste das Nest, kehrte jedoch bald wieder dahin zuriiek~ urn noeh einen Tag lane mit seinen Ge- schwistern darin sitzend zu verharren. Dann flogen Alle auf einmal aus, jedoch nicht, ohne sieh in den n~ichstfolgenden Tagen noeh t~glich stnndenlang in ihre GeburtshiShle oder, nachdem ich diese zum Zweeke griindlieher Reinigung weggenommen, in eine andre ihr ~ihnliehe zuriiek- zuziehen und darin, wenn man sie 6ffuete, ebenso lest, wie vor dem Fliiggewerden, liegen zu bleiben. Sie nestelten sieh dann, wie junge gaunk/3nige eng zusammen. Die Ausgeflogenen sitzen gleieh aufmar- schirten kleinen Soldaten neben einander auf der Stange und fordern unter lautem Zirpen, yon Zeit zu Zeit mit aufgesperrtem Schnabel, ihre Nahrung yon den Alten. Jedes sueht den Mittelplatz zu gewinnen uud springt deshalb mitunter den Andern auf den Riieken. Vater und Mutter fUttern gleieh eifrig: ersterer, wie mir sehien, noeh etwas emsiger als die sehon wieder dem VorgefUhl einer neuen Brut lebende Gattin. Sehr niedlieh sieht es aus, wenn eins der Eltern hoehaufgerichtet tiber die Front macheuden Jungen hinweglangt, um aueh dem Letzten am entgegengesetzteu Ende seiuen Antheil einzustopfen. Fiinf und zwanzig ]'age air, sah ieh sie zum ersteumal allein fressen und zwar gleich Hirse uud Canariensamen. Von weiehem Futter nahmen sie gar keine Notiz.

Beide Gatten w~irden, naeh der erwiihnten~ wahrseheinlich noeh vine Brut vet der Mauser gemaeht haben, hiitte nicht vine unaufsehiebbare Reise ihnen ravine pflegende Gegenwart entzogen.

Ieh hatte vorher schon, ehe ieh wusste~ wie gut sie brLiten, ver- sueht ihre Eier CanarienvOgeln unterzulegen; erzielte jedoch keine giin-

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stigen Resullate. Die Jungen kamen zwar aus; ich land sic aber schon am zweiten Tage von ihrer zu schweren Pflegemutter erdrtiekt. ~lit glticklieherem Ausgange dUff re dies Experiment mit Eiern der grSsseren Amadina fasciata wiederhol| werden.

Amadina cantans nistet in K~fiehen yon mittlerer GrOsse ebenso gern als in fliegenden Hecken. Da sic sehr vertriiglich gegen andre VOgel sind und ihrerseits yon diesen in ihren Troglodyten-Wohnungen kaum ]e beunruhigt werden, so kann man sic den CanarienviJgeln als Stubenbiirsehehen ohne Sehaden zugesellen. Die einzelne Brut auf 35 Tage bereehnet, wtirden sie unter gtinstigen Umstfinden jahrlieh fUnf Bruten zu erziehen im Stande sein.

Wie ein yon mir im vergangnen Sommer angestellter Versueh beweist, ist nichts leiehter als z wisehen A. cantans und malabarica L. Bastarde zu ziehen. Beide VOgel sind an Gr0sse, 6estalt, Farbe und Stimme einander so ahnlich, dass sic yon Unkundigen, aueh yon den meisten Vogelhandlern, ftir ein und dieselbe Art angesehen werden, um so mehr, da aueh ihre Sitten fast vollkommen fibereinstimmen. ]lalabarica crsetzt die afrikanisehe Cantans in Ostindien. Damit man die seltner ]ebend zu uns gelangende malabarica, die sogar in Museen Ofter un- riehtig bestimmt steht, yon der bekannteren Species unterseheiden kiJnne, will ieh ihre Besehreibung hiehersetzen. Der Vogel ist yon gleieher Gr~sse oder um einen Gedanken sttirker als cantans: am Oberkt}rper ehocoladenbraun, am Oberkopf mehr braun. Der Btirzel ist w e i s s ; der ganze Unterleib nebst den beim Silberbekehen mit Kehle und Ober- brust dunkel isabellgelben Baeken, weisslieh, an den Seiten mit zarten chamois ~Iondfleekchen. Sehwingen und Sehwanz sind sehwarzlieh: letz- refer mit sehi~n purpurnem Sehimmer. Die zwei mittelsten Sehwanz- federn sind, wie bei cantans, pfeilfOrmig verlangert und tiberragen die Uebrigen sehr siehtlieh: Kennzeichen der Gattung Uroloncha Cabanis. Der Sehnabel ist blaulieh; die Fasse sind blfiulieh fleisehfarben. In Sitten, Nahrung und Gesang identifieirt sieh dieser Vogel fast mit dem vorigen. Aueh gesellt er sieh zu V0geln jener Art mit derselben Leiehtigkeit und nieht minder z~irtlieh, wie zu seines Gleichen.

Die Bastarde, die ieh erhielt, waren im Nestkleide oben ehoeoladen- braun mit sehwfirzlieh gesehupptem Oberkopfe. Der weisse BiJrzel fehlte ihnen; auch verriethen Kehle, Brust und Halsseiten dureh gelbere Far- bung ihre miitterliehe Abstammufig. Der Sehnabel war bleigrau, die Fiisse zart tleisehfarb, l(urze Zeit naeh der Brut starb das Weibehen wfihrend meiner Abwesenheit. l)as Mannehen und die Jungen besitze ieh noeh. Letztere sind jetzt dem Vat er sehr ahnlieh, zeiehnen sich

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jedoch vor ihm immer noch dutch einen gelben Anllug an Kehle und Oberbrust, hauptsiiehlieh aber durch einen s e h w a r z u n d w e i s s g e- s c h e c k t e n Bfirzel aus, an dem jede einzelne Feder sehwarz mit langer, weisser Spitze ist. Bei zwei von ihnen tragen hOehst merkwtirdiger Weise ausserdem noch die hintersten etwas verl~ingerten Biirzelfedern deutlich rosenrothe Spitzen.

Die dritte Amadina, der wir bier Aufmerksamkeit widmen, ist A. fasciata Hartl.; Loxia Gmel.; Fringilla detruncata Lieht.; der Blut- hals oder Bandvogel; Beehsteins gebtinderter Kernbeisser; die Gorge- couple oder Collerette der Franzosen; ein bedeutend grOsserer Vogel als die beiden Vorigen, gedrungen, ja eher etwas plump gebaut~ aber dureh die sehuppige Zeiehnung des zimmtfarbnen Gefieders, die beim M~inn- chert yon einem blutrothen Kehlband und einem rothbraunen, an das des Rebhuhns erinnerndem Brustschild gehoben wird, nichtsdestoweniger eine geffillige Erscheinung. Wer sie zuerst sieht, wird unwillkiihrlich an eine durchschnittene frisch blatende Kehle gemahnt; fast wie einst bei der vollendeten Schiinheit Anna Boleyn blutrothes Geiider um den zarten Hals das bevorstehende tragische Schicksal dieser ungliickliehen KOnigin voraus- gesagt haben sell. - - Es ist dies, nach dem Reisvoge], vielleicht der verbreitetste Exot in den europliischen Volieren: man trifft iha tier im Binnenlande, wie ieh ihn u. a. selbst in Siiddeutsehland and auf dem Vogelmarkte yon ]ffailand s a h . . E r bildet auch in der That ein Haupt- kontingent zu jenem unsehuldigen Sklavenhandel~ der yon der afrikani- sehen Westktiste ausgeht und muss, der zu uns gebraehten ludividuen- zahl naeh zu urtheilen, einer der hiiufigsten Senegalfinken sein. In 51". O. Afrika erreieht er den 14. Grad 51.. Br. Zwar w i rde r unter den Viigeln des Sudan-Urwaldes sowohl als der Steppe mit aufgefiihrt; doeh dtirfte er vielleieht an gewissen Loealitiiten aueh in den Wohnungen des Men- sehen angesiedelt gefunden werden, und namentlieh, wenn anders wit es wagen kSnnen, ein Citat Barths auf ihn zu beziehen, selbst das Inure der so lange m~'steri0s gebliebenen Hauptstiidte Agades und Timbuetu freiwillig bewohnen. Der beriihmte Reisende sagt:

,Ieh erfreute mieh der Gesellsehaft einer kleinen uiedliehen Art yon Finken, welehe in grosser Anzahl alle Zimmer in Agades heim- suehen und dort ihre Nester baueu, ganz ebenso wie in dem, in allen Beziehungen Agades so sehwesterlieh zur Seile stehenden Timbuetu. Namentlieh ist das 2ff/innehen mit seinem r o t h e n H a l s e fiberaus uied- lieh. Die Jungen wurden Eude October gerade fliigge." Diese kurze Charakteristik seheint mir weniger auf die zaunktinighaft kleine Estrelda minima, den verbreitetsten sudanisehen Hausastrild, als auf Amadina

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fasciata zu passen. Ond ist doch auch minima zugleich in den nie- deren, dornigen Gebiischen der Urw~ilder und in Geb~iuden heimisch.

Sitten und Nahrung kommeu mit denen des Silberbekchens iiberein, nur sind bier die knicksenden Bewegungen des H~ihnchens w~ihrend der Liebesperiode Iebhafter und yon noch groteskerer Grazie. Dieses singt sein gutturales, dem der Rauehschwalbe ~hnelndes Lied, nicht nut bei Tage, sondern auch fleissig Abends~ sobald nut ein matter Lichtstrahl das Pliitzchen, welches es einnimmt, erheIlt. Der beidea Geschlechtern gemeinsame Leckruf ist last der des Haussperlings, nur etwas schw~icher. Auch bei dieser Species zeigen die Gatten eine musterhafte Anh~ing- lichkeit aneinander; aach bier begegnen wit derselben Uazertrennlich- keit, dense/ben Liebkosungen und dem gleich, exclusiven Bautriebe des Miinnchens; aber ein leidenschaftlicheres Temperament und die Heftig- keit yon oft niehts weniger als platonischen Wallungen verleitet den Bluthals nicht selten ~lazu, seinem Weibchen ttbel zu begegnen, wenn dasselbe sich den Anforderungen seiner Sinnlichkeit nicht unbedingt fUgen will. Ieh sah ihn demselben Gewalt anthun, zu einer Zeit~ we es, kriinkelnd~ sieh nur nach Ruhe sehnte. Ueber den votlstiindigen Verlauf der Fortpflanzung dieses Vogels besitze ich weniger genaue Erfahrungen. Es steht jedoch lest, dass seine Heckzeit sich auf den gr~ssten Theil des Jahres erstreckt : ia sie erleidet, bei gehOriger Wiirme, eigentlich nur durch die im August stattfindende Mauser eine Unter- brechung. Ich sah Bluth~ilse auf den canarischen Inseln sich mit der grOssten Leichtigkeit in der Gefangens~haft vermehren; auch in Deutsch- land ist ihr Hang hierzu ein fast unwiderstehlicher. Beim NI~innchen manifestirt er sieh vorzugsweise. Dies sitzt, lauge vor dem Weibchen, stundenlang in der Nisth/)hl% die einen recht eagen Eingang haben muss, der sp~iter inwendig so viel als m0glich versehlossen wird. Innen h~iuft dann das H~ihnchen ein aus trocknen Halmen und Pflanzenstengeln, hie aus weiehen und warmen Stoffen gebildetes, schlichtes Lager an, auf welches 3 - 4 weisse Eier gelegt werden. Die Weibchen dieser Species scheinen mir weniger emsige Briiterinaen, als die von cantans zu sein; vielleieht, weft sie beim Legen mehr leiden. Wenn man ihnen nicht reeht reichlich I£alk und Eierschaalen in den Kfifig wirft, bringen sie leicht Fliesseier zur Welt, die dann stets die Wehen zu einer lebens- gef~ihrlichen Krise maehen. ~lir sind mehre Weibchen nach einaader in Folge sehweren Legens zu Grunde gegangen oder haben das NI~nn- chen beim Briiten spfiter nicht ausdauernd genug unterstiitzen k~nnen. Die verwittwet.en mfinnlichen Bluth~ilse gerathen durch den Verlust ihrer Gattinneu ausser sich. Sie~ die sonst im besten Einverst~indniss mit

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ViJgeln andrer Art lebten, werden vereinsamt, plOtzlieh so bissig und unleidlieh, dass man genOthigt ist, sie allein zu sperren.

Wer auf die Vermehrung dieses Vogels im Zimmer bedaeht ist, versehe sieh daher mit einer grSsseren Zahl Weibehen als M~innehen, um etwaige Verluste ohne Z~gerung ersetzea zu kOnnen. Auch bemiihe man sieh, den nistenden Bluthfilsen eine m0gliehst hohe Temperatur zu versehaffen. Nur unsre wiirmsten Sommermonate diirften sie ihnen geniigend darbieten; leiehter wohl noeh im Winter die unmittelbare N~ihe des Ofens. VornJanuar an," kann man mit Sieherheit aufLust zumNisten ihrerseits reehnen. Diese iiussert sich selbst in ganz kleinen K~ifigen, wenn nur ein Nistloeh darin angebraeht werden kann.

Noeh eine Amadine, die sieh ebenfalls ohne grosse Hindernisse als Stubenvogel vermehren soil, ist A. erythrocephala L., Loxia bra- siliana Gruel., asehgrau-sehuppig mit seharlaehrothem Kopfe, dem Typus der Paroaria's analog gef~irbt. Da dieselbe jedoeh nur hSehst selten lebend zu uns kommt, tibergehe ieh sie. Man wird sie -- einen Vogel Angola's - - in Lissabon, wo ieh sie allein sah~ besser kennen~ als in Berlin.

Die Zucht der Amadinen diirfte dutch die verhfiltnissmiissig gerin- gea Sehwierigkeiten, welehe sie darbietet, wohl dazu auffordern~ allge- meiner und in griisserem Maassstabe betrieben zu werden. Abgesehen yon dem Vergniigen, welches sie gew~ihrt, kiinnte dieselbe, bei der grossen Naehfrage naeh den beliebten Vtige]ehen, deren Preis fiir das Paar ietzt zwisehen 3 und 4 Thlrn. schwankt~ firmeren, an das Hans ge- fesselten Personen einen nieht unbedeutenden kleinen Nebenverd[enst abwerfen, der nieht, wie bei den Canarienv~Jgeln dutch die Kostspielig- keit des Eierfidters der Jungen gesehmiilert wiirde.

Berlin, am 30. November 1858.

L l t e r a r i s c h e B e r i c h t e .

D e n k w t i r d i g k e i t e n e i n e r R e i s e naeh dem r u s s i s e h e n A m e r i k a , n a e h M i k r o n e s i e n und du reh K a m t s e h a t k a yon F. H. yon K i t t l i t z . Go tha 1 8 5 8 .

Ira Jahre 1825 verliess ein junger preussiseher 0ffieier die gliin- zende Carriere der Waffen, um sieh als Naturforseher einer yon Russ- land ausgehenden Expedition anzusehliessen, die ira Begriff stand, eine Reise um die Welt anzutreten. 0rnithologie war yon jeher das Lieb-