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389 10. cber die Eathodenstrahlem des Radiums; voln F. Paschen. In einer friiheren Notiz habe ich gezeigt, dafi die y-Strahlen des Radiums negative Elektrizitat mit sich fiihren, also als Kathodenstrahlen aufzufassen sind, nicht aber, wie man bisher annahm, eine Art von Rantgenstrahlen sind. Die y-Strahlen waren dabei gekennzeichnet als diejenigen Strahlen des Radiums, welche dicke Schichten Blei durchdringen. Der kleine aber konstante fur Blei gefundene Grenzwert der Absorptions- konstanten liefi auf eine hohe konstante Grenzgeschwindigkeit schliefien. Aufier durch grofie Durchdringlichkeit sind die y-Strahlen dndurch gekennzeichnet, daB sie bisher durch magnetische und elektrische Krafte nicht beeinflufit werden konnten. Diese Eigenschaft wiirde der von mir behaupteten Natur der y-Strahlen entsprechen, falls nur die Geschwindigkeit der Elek- trizitat in diesen Strahlen und ihre scheinbare Tragheit ge- niigend hohe Werte haben. Verhalt sich dies so, so miifiten die durchdringenden Kathodenstrahlen meiner fruheren Ver- suche in denjenigen magnetischen Feldern unbeeinflufit bleiben, welche auf die sogenannten #?-Strahlen in der Weise einwirken, wie es von den Herren Dornl), Becquerela) und besonders eingehend W. Kaufmanns) festgestellt ist. Ich habe mir die allgemeinere Frage vorgelegt, welche Geschwindigkeiten unter den negative Elektrizitat fuhrenden Strahlen des Radiums vor- kommen. Zu ihrer Beantwortung habe ich eine Art magne- tischen Geschwindigkeitsspektrums dieser Kathodenstrahlen in folgender Weise erzeugt und untersucht (Fig. 1). 1) E. Dorn, Abh. Naturf. Gesellsch. eu Halle 22. p. 44. 1900. 2) E. Becquerel, Compt. rend. 130. p. 819. 1900. 3) W. Kaufmann, Uotting. Nachr. Heft 2. 1901; Heft 5. 1902; Heft 3. 1903.

Über die Kathodenstrahlen des Radiums

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10. c b e r d i e Eathodenstrahlem des Radiums; voln F. Paschen.

I n einer friiheren Notiz habe ich gezeigt, dafi die y-Strahlen des Radiums negative Elektrizitat mit sich fiihren, also als Kathodenstrahlen aufzufassen sind, nicht aber, wie man bisher annahm, eine Art von Rantgenstrahlen sind. Die y-Strahlen waren dabei gekennzeichnet als diejenigen Strahlen des Radiums, welche dicke Schichten Blei durchdringen. Der kleine aber konstante fur Blei gefundene Grenzwert der Absorptions- konstanten liefi auf eine hohe konstante Grenzgeschwindigkeit schliefien.

Aufier durch grofie Durchdringlichkeit sind die y-Strahlen dndurch gekennzeichnet, daB sie bisher durch magnetische und elektrische Krafte nicht beeinflufit werden konnten. Diese Eigenschaft wiirde der von mir behaupteten Natur der y-Strahlen entsprechen, falls nur die Geschwindigkeit der Elek- trizitat in diesen Strahlen und ihre scheinbare Tragheit ge- niigend hohe Werte haben. Verhalt sich dies so, so miifiten die durchdringenden Kathodenstrahlen meiner fruheren Ver- suche in denjenigen magnetischen Feldern unbeeinflufit bleiben, welche auf die sogenannten #?-Strahlen in der Weise einwirken, wie es von den Herren Dornl ) , Becquere la ) und besonders eingehend W. Kaufmanns) festgestellt ist. Ich habe mir die allgemeinere Frage vorgelegt, welche Geschwindigkeiten unter den negative Elektrizitat fuhrenden Strahlen des Radiums vor- kommen. Zu ihrer Beantwortung habe ich eine Art magne- tischen Geschwindigkeitsspektrums dieser Kathodenstrahlen in folgender Weise erzeugt und untersucht (Fig. 1).

1) E. Dorn, Abh. Naturf. Gesellsch. eu Halle 22. p. 44. 1900. 2) E. B e c q u e r e l , Compt. rend. 130. p. 819. 1900. 3) W. K a u f m a n n , Uotting. Nachr. Heft 2. 1901; Heft 5. 1902;

Heft 3. 1903.

3 Y O 3’. Paschen.

Ein Bleizylinderring a von 5,5 mm Wandstarke, 23 mm Hohe und 37 mm innerem Durchmesser wird mit seiner Achse parallel zu den Kraftlinien eines magnetischen Feldes verander- licher Starke im Vakuum aufgehangt. Er tragt ein Elektroskop E und hiingt isoliert an einem Quarzstabe. Genau in dem Mittel- punkte seiner Achse befinden sich 15 mg reinstes Radium- bromid, eingeschmolzen in einem au6en versilberten Glas- kiigelchen 6 von 5,7 mm auBerem Purchmesser, so daB das

Radium im Innern einen Kugel- raum von etwa 3 mm Durch- messer einnimmt. I n das Innere der Glaskugel fuhrt ein Platin- draht, der die Kristalle be- riihrt. Das Radiumglas be- findet sich in der Mitte der Achse einer Art Windmuhlen- fliigel aus Blei c, das Platin mit dem Blei i n metallischer Be- riihrung. Diese Bleiflugel sitzen im Innern eines Zylinderraumes von 22 mm Lange und 20 mm Durchmesser und sind durch Quarz i wohl isoliert von dem konzentrischen augeren Zylinder- ring, aber doch starr mit ihm verbunden. Das Radium zu- sammen mit den Bleifliigeln wird zur Erde geleitet, ebenso die innere Versilberung des

VakuumgefaBes, in welchem die beschriebene Anordnung hangt. Das VakuumgefiiB triigt noch Schliffe mit eingeschmolzenen Platindrahten , welche den Bleizylinder und die Hiille auf verschiedene elektrische Potentiale zu bringen und ersteren dann zu isolieren gestatten. Das Magnetfeld ist erzeugt mit einem sehr groBen Elektromagneten (Durchmesser des Eisens der Schenkel 24 cm), zwischen dessen Polschuhen ein Raum von 5 cm Lange und 4 x 4 cm2 Querschnitt ziemlich gleich- ma6ig rnit den Kraftlinien ausgefiillt war. I n diesem hing der Zylinder.

Fig. 1.

Kathodenstmhlen des Badiums. 39 I

Der auBere Bleizylinder erhalt vom Radium pro Zeiteinheit eine gemisse Anzahl Quanten negativer I) Elektrizitat, welche durch die Zunalime eines ihm mitgeteilten negativen oder die Abnahme eines ihm mitgeteilten gleichen positiven Potentiales mit der Zeit bestimmt merden. Man miOt beides, da unter den Strdilen solche vorkommcn, welche die Gnsreste des Vakuuins ionisieren, so claB eiii Isolationsfehler entsteht. Das Mittel der beiden beobachteten Potentialanderungen ist vom Isolations- fehler frei. Ihre Differenz ergibt den Isolationsfehler. Die Strahlen, welche ihre Energie in der Ionisierung des Gases erschopfen, gelangen naturlich nicht mit zur Messung.

Sobald der Elektromagnet erregt mird, treten die magne- tischen Feldkrafte in Wechselmirkung mit den magnetischen Feldern der bewegten Elektrizitatsniengen und biegen die vorher geradlinigen Bahnen derselben in kreisformige bez. spiralformige um. Die durch den gleichen Wert von e l m (Elektrizitatsmenge der Quante dividiert durch ihre elektro- magnetische Tragheit) und der senkrecht zu den Kraftlinien 11 vorhandenen Geschwindigkeitskompoiienten vo charakterisierten Strahlen haben alle denselben Radius ro der Kreis- oder Spiralbahnen, gemiiB der Beziehung :

112 . To = -.

e . H

Diese Bahnen sitzen also samtlich auf der Zylinderachse auf, in deren Mitte das Radium liegt und reichen samtlich nur bis zii einer dem Bleizylinder konzentrischen, die Kreisbahnen einhiillenden kreiszylindrischen Plache.

Sobald 2 r0 kleiner geworden ist, als der innere Radius R des Blcizylinders, gelangt lreiner dieser Strahlen mehr zum letzteren hin. Von diesen Strahlen also tragt keiner inehr zur Ladung desselben bei. Zur Absorption dieser Strahlen dient das Blei der Windmuhlentlugel, in dessen Mitte dlts Radium sitzt, und welches abgeleitet ist.

Solange 2r0 groBer ist, als der innere Radius R des Blei- zylinders, konnen die Bahnen die Hiille treffen. Ob sie ihn treffen, hangt von der Ganghohe der schraubenformigen Bahncn unci der Anordnung in einer naher zu diskutierenden Weise ab.

1) Die positiven durchdringen die Glashulle nicht.

39 2 F. Paschen.

Ich schreibe Gleichung (1):

(1 a) ro = c vo , c andert sich fur dieselbe Geschwindigkeit umgekehrt pro- portional mit H.

Analog gel ten : (1 b) r1 = c u l l (1 c) T = c v , r1 ist der Radius derjenigen Kreisbahn, den die den Kraft- linien parallele Geschwindigkeitskomponente haben wurde, falls sie zu den Kraftlinien senkrecht stunde. Ebenso ist r der Radius der Geschwindigkeit v selber, falls sie senkrecht zu den Kraftlinien verliefe. Diese matliematische Beschreibung der Geschwindigkeiten und ihrer Komponenten vereinfacht die Be- trachtung bedeutend.

Ein Teilchen durchlauft den Weg s = r0 I$ in der Kreis- bahn und braucht dam die Zeit T o . rp/v,. Diese ist nach (1 a) gleich ccp.

In derselben Zeit gelangt dieses Teilchen parallel den Kraftlinien (axial) vorwarts urn die Strecke a

a = c ~ x v l = T l l p .

Auf dern Kreiswege hat es sich von der Achse entfernt urn cp 2

2 ro sin -

Es trifft also die Hulle, sobald: cp 2

2 yo sin - = R geworden ist, und solange zugleich a 7 s (halbe Lange des Zylinders), also zugleich:

ist. Treffen der Hulle:

T 1 M T S

Die Elimination von sp fiihrt zu der Bedingung fur das

Diese Beziehung ist transzendent , falls die Geschwindigkeiteri und ihre Richtungen eingefiihrt werden, so daB es nicht moglich ist, mittels Integration dnrch einen einfachen Ausdruck die auffallende Quantenmenge als Funktion von e l m , H , der Appnrat-

Kathodenstrahlen des Rndiums. 393

konstanten und der Geschwindigkeitskomponenten darznstellen. Ich habe sie daher durch numerische Berechnung untersucht.

Ich untersuche denselben Strahl, fur den sich nach ( la) , (1 b) und ( lc ) mit steigendem Felde r,,, r l , r um gleiche pro- zentische Betrage vermindern. Die Gr6Ben R / 2 ro und s / 2 r1 erfahren dann also Zunahmen um gleiche prozentische Betrage. Dn der sinus sich aber langsamer l) andert, als sein Argument (nur fur sehr kleiiie Argumente ebenso schnell), so bleibt zwar die Ungleichheit:

bei jedem hoheren Felde bestehen, wenn sie fur ein Feld gilt. Dagegen muB die Ungleichheit :

__ < sin S 2 ro 2 r, R

mit steigendem Felde immer iibergehen in cliejenige (24 . Dies geschieht bei einem bestimmten Felde H a , fur welches gilt:

Und zwar muB dies mit jedem Strahl einer bestimmten Ge- schwindigkeit geschehen, der ohne Feld die Hulle triEt, wobei die verschiedenen Strahlen durch verschiedene Werte von ro und r1 charakterisiert sind; d. h.: auch schnellere Strahlen ver- lassen die Hiille, bevor 2 ro < R ist, also in einem schwacheren Felde Ha als dasjenige Feld He, welches den letzten Rest der Strahlen der betrachteten Geschwindigkeit fortschafft. D a Bl2 ro dabei jeden Wert zwischen 0 und 1 haben kann, werden Strahlen einer bestimmten Geschwindigkeit bei jedem Felde zwischen 0 und He beseitigt. Ers t wenn He erreicht ist, sind wir sicher, da6 diese Geschwindigkeit nicht mehr unter den Strahlen vorkommen kann, welche die Hulle erreichen. Zwischen welchen Feldern wird die Hauptmenge der Strahlen einer be- stimmten Geschwindigkeit beseitigt? Wie viele dieser Strahlen werden bei 2, 3, . . . ma1 schwacheren Feldern beseitigt?

Wann ein bestimmter Strahl beseitigt wird, ergibt sich so: Man setze fur R / 2 ro in (2c) irgend einen Wert zwischen 0 und 1

1) Fur Argumente zwischen 0 und m , welche ttllein in Betracht kommen.

394 P. Paschen.

ein, berechne ro und rl, also die Richtung des Strahles r l / r o , und r = l r i + r i . R / 2 r gibt das Verhiiltnisl) des Feldes Ha, bei dem dieser Strahl nach (2c) beseitigt wird, zum Beseitigungs- felde He der letzten Reste der Geschwindigkeit r. Wir mussen dazu die Dimensionen des Apparates einfuhren : R = 18,5 mm, s = 113 mm.

Beispiel: S

~ = 0,2531 , denn sin 0,2531 = +, 2 rl

11,5 m m , 2r,=-- = 45,15 m m ,

18 5 r - - - - = 3 7 O - 2 x f 0,2531

r, = 22,57. r: = 5 1 1 , r i = 1369,

r9 = 1369 + 5 1 1 , r = 43,3 mm , = 4 , 6 8 . R

Bei einem 4,68 ma1 kleineren Felde als Be wird also ein Strahl beseitigt, der die Richtung r1 /I.,, = 11,285/ 18,5 hat. Da der Rand des Zylindprs in der Richtung 11,5/18,5 liegt, so verlauft der berechnete Strahl sehr nahe dem Rande. So lranii man fur jeden Strahl berechnen, bei welchem Bruchteil des Feldes Be er beseitigt wird. Sobald dabei R / 2 r 0 den Wert Eins erreicht hat, obwohl 3 1 2 r den Wert Eins noch nicht erreicht hat, berechnet man so, daB man die Ge- schwindigkeit r immer in eine Komponente ro = R / 2 zerlegt. Die Komponente r1 bleibt dann stets so klein, daD der Strahl bei kleineren Feldern als lia die Hulle erreicht und sie erst bei dem zu r gehijrigen Pelde Ha gerade verlaBt. Der durch die Richtung r1 /To charakterisierte Strahl tut dieses.

Fur meine Anordnung ergeben sich so folgende zusammen- gehorige Werte von He/Ha und 2 rl , wobei 2 ro = 18,5 mm gesetzt wird.

T a b e l l e I. He/Ha 1,OO 1,014 1,04 1,06 1,07 1 , l O 1,203 1,23 2 r , 0,OO 3,32 5,12 6,48 7,32 8,OO 9,00 9,25mm

H e / H a 1,41 1,93 2,33 4,7 co 2 r , 9,75 10,7 11,O 11,29 11,5 mm

~~

1) Denn cs ist nach (l), (la), ( l b ) , (Ic) 2 r . H a = RH,, weil im Feld He 2 r = R werden mu6, und da m . o l e ungeandert bleibt.

liathodenstrahbn des Radiums. 395

Fig. 2 veranschaulicht dies. 0 ist Ort des Radiums, P ist Mitte der Zylinderwand, L ist Rand des Bleizylinders. Der Randstrahl 05 wird schon beim kleinsten Feld fort- gebracht. Langs P L sind die Werte %/Ha eingetragen. Der Strahl von 0 nach 1,20 wird beseitigt bei einern 1,20 ma1 so kleinen Feld Ha als das Feld Be, welches erst den nach P gerichteten Strahl beseitigt etc.

Wir konstruieren jetzt eine Kugelflache von O P = 18,5 mm Radius urn 0 als Zentrum. Die Bogen P M und P N mussen urn die Achse O Q rotierend gedacht werden. Sie iiber- streichen dabei Flachen (Kugelzonen), deren Gr6- Benverhaltnis gleich dem Verhaltnis der Strecken m und n ist. Wir sehen, daB z. B. (m - n ) / m ein MaB bildet fur das Ver- hiiltnis der MengeStrahlen, welche bei einem urn mehr als 20 Proz. niederen Felde beseitigt wird zu der Menge Strahlen. welche von der-

s-u’smm ,

Fig. 2.

selben Geschwindigkeit iiberhaupt vorhanden sind , und von denen der grofite Teil, namlich n l m , zwischen zwei Feld- s tkken beseitigt wird, welche sich hochstens um 20 Proz. unter- scheiden. Es ist:

m = 9,80 mm, n = 8,lO mm, also

=--- 1970 - = 17,35 Proz., 112 - 12

m 9,ao 100

12

rn - = 82,65 Proz.

Also 82,6 Proz. Strahlen einer Geschwindigkeit werden bei

396 F! PaselLen.

derjenigen Feldsteigerung von 20 Proz. beseitigt , welclie die letzten Strahlen dieser Geschwindigkeit fortschafft. Nur sehr wenig Strahlen derselben Geschwindigkeit werden bei betracht- lioh niederen Feldern beseitigt.

Die Unreinheit des erzeugten Spektrums ist geringer als diejenige, welche in einem mit einem Sylvinprisma entworfenen bolometrischen Energiespektrum, wie es oft benutzt ist, in Kauf genommen wird. Die Unreinheit sinkt, wenn der Auf- fangering schmaler gewahlt wird. l) Ein sehr schmaler Ring aber bewirkt, daB die zu bestimmende GroBe klein ist gegen- uber dem Isolationsfehler. Immerhin wird man in einem guten Vakuum mit erheblich schmaleren Ringen arbeiten kbnnen, als ich es bei meinen ersten Versuchen dieser Art tat. Das Hauptziel meiner Versuche, die Isolierung der y-Strahlen, wird durch diese Eigenschaft der Anordnung nur gefordert , indem von den ablenkbaren Strahlen schon ein Teil bei kleineren Feldern beseitigt wid , als dem Grenzfelde He entspricht und bei starkeren Feldern mit Sicherheit alles fortgeschafft ist. 2,

Diejenigen Strahlen, welche den Bleizylinder noch nicht ver- lassen, aber durch die Steigerung des Feldes schon eine erheb- liche Kriimmung bekomrnen haben, konnen jetzt im Blei rangere Strecken durchlaufen als bei schwacheren Feldern , in denen sie weniger gekriimmt sind. Sie werden also eine vermehrte Absorption erfahren, d. h. eine Zunahme der Ladungsgeschwindig- keit des Bleizylinders bewirken, so daB also die zu beobachtende Abnahme einer kleineren Geschwindigkeit hierdurch vermindert. erschiene. Durch diesen Umstand konnen meine Beobachtungen aber bei den ,!l-Strahlen nicht gefilscht sein, da die ablenkbaren

1) Obwohl auch dann bei jedem niederen Felde Ha Strahlen einer erst bei He viillig verschwindenden Geschwindigkeit beseitigt werden, ist doch die Menge der bei niederen Feldern beseitigten kleiner im Ver- hiiltnis zur vorhandenen Menge Strahlen der betrachteten Geschwindig- keit. Wenn s statt 11,5, 3- 11,5 mm hei meiner Anordnung wird, so werden bei dejenigen Feldsteigeruog um 11 Proz., welche die betrachtete Ge- schwindigkeit ganz beseitigt, 82,6 Proc. Quanten dieser Geschwindigkeit beseitigt, wilhrend die hierzu nStige Feldstcigerung bei s = 11,5 mm 20 Proz. betrilgt.

2) Ebenso sind die Bleifliigel e Fig. 1 der Isolierung der y-Strahleu giinstig, beeintrachtigen dagegen etwas die Reinheit des Spektrums Fig. 5, sind also besser fortzulassen (Anm. bei der Korrektur).

_ _ ~ _ _

Kathodenstrahlen des Radiums. 397

Strahlen, deren Abnahme beobachtet wurde, ziemlich vollstandig schon in der geringsten Bleidicke von 5,5 mm absorbiert werden. Was an unablenkbaren Strahlen als ubrigbleibender Rest zu erwnrten ist, ware urn einen gewissen aus der Bleidicke und dem Absorptionsvermogen zu berechnenden Betrag noch zu vermehren (vgl. p. 400).

Die Dimensionen der Apparate waren so gewahlt, daB noch starkere Felder beobachtet werden konnten, als notig war, urn die schnellsten von Kaufrnann gemessenen Strahlen vom Bleizylinder vollstandig fortzulenken. I n der Tab. I1 sind die dazu erforderlichen Felder He angefuhrt.

T a b e l l e 11. cm e Coul. sec nz

2, x 10-10- ~ x 10-6- Crarnrn He crn’h g’h sec -1

S. Simon’) 0,7 1,865 442 2,12 2,90

W. Kaufrnann3 1,33 0,692

1875 4931

Das Elektroskop zur Messung der Ladungsgeschwindigkeit war ein an einem Messingbande herunterhangendes Streifchen Aluminiumfolie. Ich las seine Stellung mittels eines Mikroskops an einer Okularskale a b und beobachtete stets die Zeit, inner- halb welcher immer dasselbe Potential die gleiche Anderung (von 13 Volt) erfuhr.

Die Magnetfelder sind mit einer geeichten Wismutspirale gemessen und sind, da eine von Hrn. F a r b e r Y ) fur diese Spirale bestimmte Korrektion angebracht wurde, sicher bis auf einige Prozent.

Beispie l e iner Beobachtung.

Strom des Elektromagneten 12,65 Amp. Feld 4033 C G.S.-Einh. Ein positives Potential von 136 Volt fallt urn 13Volt in 140,4” ,, negatives ,, ,, 123 ,, steigt ,, 13 ,, ,, 185,7”

Dn die Potentialaiiderung stets 13 Volt war, und stets in der Nahe von 130 Volt beobachtet wurde, habe ich sie gleich Eins gesetzt und berechne:

~.

1) S. Simon, Wied. Ann. 69. p. 589. 1899. 2) Mme. Cur ie , Radioaktive Substanzen, p. 55. Brrtunschweig 1904. 3) A. F l r b e r , Ann. d. Phys. 9. p. 886. 1902.

398 P. Paschen.

2 cc ist ein MaB der Anzahl Quanten, welche ihre Ladung an den Bleiring abgeben.

2 /? ist ein Ma6 der lonisierung der Gasreste. Vier solcher Messungen bei denselben Feldern an verschiedenen Tagen, an denen auch die Beschaffenheit des Vakuums kaum vollig gleich war, ergaben :

Die schnellsten Strahlen von Kaufmanns Messungen sind bei meiner Anordnung gerade vijllig beseitigt in dem Felde von 4930. Da die obigen Messungen bis zum Felde 7080 reichen, so entsprechen die zwischen 4930 und 7080 beseitigten Strahlen noch gro6erer Geschwindigkeit , als der- jenigen der Kaufmannschen schnellsten Strahlen. Sie er- scheinen aber trotz der gro6eren Geschwindigkeit immer noch

1) Vgl. p. 402.

hra/liodenslra?ilen des Kadiums. 399

ablenkbar l), weil sie beseitigt werden bei Zunahme des Feldes. Die Abnahme der Quanten ist zwar langsamer geworden. Sie muBte aber Null werden, falls die y-Strahlen vijllig unablenk- bare Iiathodenstrahlen sind. Da der Elektromagnet starkere Felder der beschriebenen Dimension in seiner zur Verfiigung stehenden Anordnung nicht zu erreichen gestattete, habe ich i n folgender Weise iiber die BeschaEenheit der noch ubrigen schnellen Kathodenstrahlen AufschluB zu erlangen versucht.

Das Radium a befindet sich (Fig. 3) in Luft im unteren Bereiche des oben beschriebenen Magnetfeldes in einem Blei- behalter C mit oberer Off- nung. 5cm iiber ihm ist in einem Vakuum eine 12 mm dicke Bleikugelkalotte 6 von 4cm Durchrnesser an Quarz isoliert und mit einem Elek- troskop A' versehen ange- bracht. Ein Teil der Ka- thodenstrahlen fallt also aus Luft ins Vakuum und gibt an die Bleiknlotte ihre Elek- trizitat ab. Hierbei ist ihr Weg von 1,7 cma) der friihe- ren Anordnung auf 5cm er- hijht. Dafur ist aber ihre

hIenge ganz betrachtlich herabgesetzt. Wahrend friiher ca. 2 3 I s 7 der gesamten vom Radium fortgeschleuderten Quauten fur die Messung zur Verfiigung waren , sind es liier nur ca. 1/z5. AuBerdem ist der Isolationsfehler im

Fig. 3.

Vergleich zu der zu messenden GroBe nicht mehr klein, so- bald nur uoch die y-Strahlen ubrig sind. Daher erhalt die

1) Die Spaltblcnde K a u f r n a n n s a i r d nicht dick genug gewesen

2) Der Radius des Ringes war 1,85cm. Das Radium bildet einen Der W e e des Strahles also = 1,7 cm.

seiti, urn diese Geschwindigkeiten als Strahlen abzubilden.

Kugelraum voii 0,15 cin Radius.

400 P. Paschen.

notwendig uber eine langere Zeit zu beobachtende Potential- anderung nicht mehr den Grad der Genauigkeit wie bei der friiheren Messung. Ich habe darum nur bei einem einzigen starken Felde eine moglichst sorgfAltig angestellte und durch wiederholte Versuche kontrollierte Messung vorgenommen, deren Resultat ich ausfiihrlich angeben zu miissen glaube.

I. Ohne Magnetfeld.

Eine postive Ladung nahm bei 130 Volt ab um 0,635 ~ - - Volt Min.

,, negative ,, 9 , 97 130 ,1 zu 1, 0,488 9 ,

0,635 + 0,489 Volt 2 Min.

Radiumstrahlung ci = ~ = 0,562

0,635 - 0,488 2 Isolationsfehler (I = ~ = 0,073 7,

11. Magnetfeld von 4100 cm’/a g’h sec- 1. Volt Eine positive Ladung nahm bei 130 Volt a b um 0,0954 ~

Min. ,, negative ,, ,- ,, 130 ,, ab ,! 0,03155 ,,

Volt Radiumstrshlung 01 = - - 0,0319 __

2 Min. --

0,0954 -1- 0,03155 = o,0635 Isolationsfehler (I = 2 7,

Obwohl also der Isolationsfehler bei diesem Versuche die Radiumstrahlung ubertrifft, ergibt sich diese Strahlung doch mit Deutlichkeit.

Nehmen wir an, daB die im Magnetfeld beobachtete Radiumstrahlung den Absorptionskoeffizient fur Blei hat, der in meiner friiheren Arbeitl) zu 1,27 bestimmt ist, so durch- dringt die Bleikalotte von 1,2 cm Dicke unabsorbiert und daher unbeobachtet der Teil J

J = Jo e- 1,2i x 1,2

wiihrend Jo - J zur Beobachtung gelangt ist. werte Betrag J, ergibt sich:

Der wissens-

0,0408 ist 1/ 13,8 der Anft+ngsstrahlung 0,562 Volt/ Min. (ohne Feld).

1) F. P a s c h c n , Ann. d. Phys. 14. p. 164. 1904.

Kathodenstrahlen des Radiums. 40 1

Nach meinen Absorptionsmessungen der friiheren Arbeit treten aus 1,92 cm Blei 2,435 x 10-14 Amp. in Form von Ka- thodenstrahlen heraus. Ihre Anfangsintensitat ist

J, = 2,436 x 10-14e1@X1,27 = 27,9 x 10-14 Amp.

Dies ist 1/15,3 von 426,3 x 10-14 Amp., der Menge Kathoden- strahlen , welche das Radiumglas der friiheren Versuche ver- IieEen, wenn dieses nicht mit Blei umgeben war.

Bei dem jetzigen Versuch ist die Strahlung ohne Feld notwendig geringer, als bei dem Versuche meiner friiheren Arbeit, bei dem das Radiiimglas im Vakuum hing, weil erstens die Glashiille des Vakuumapparates Strahlen absorbiert , und zweitens die Strahlen, welche die Luft von Atmospharendruck awischen Radium und Apparat ionisieren, verloren gehen. Ohne diese Verluste wiirde die Anfangsstrahlung noch hoher gemessen werden und der Betrag der unabgelenkten Strahlen kleiner als 1/13,8 herauskommen, also dem friiher ermittelten Betrag 1/15,3 wohl naher rucken.

Ans der such ohne diese Korrektionen genugenden Uber- einstimmung schlieBe ich, daB die magnetisch isolierten Strithleii dieselben sind wie die friiher durch die Absorptionsversuche isolierten. Die in der Einleitung ausgesprochene Erwartung hat sich erfiillt. Die negative Ladung trotz fehlender (oder sehr kleiner) magnetischer Ablenkung ist hier direkt bewiesen, weil zur Messung benutzt. Die beiden Kennzeichen, die Durch- dringlichkeit wie die fehlende Ahlenkung, welche fur die y-Strahlen charakteristisch sind, sind beide vorhanden, auger- dem aber die negative Ladung, so daB wohl kein Zweifel mehr daruber bestehen kann , daB die y-Strahlen Kathodenstrahlen sehr hoher Geschwindigkeit sind. Wir schlieBen das Resultat des letzten Versuches an die Zahlen der ersten MeBreihe an: Bei den zwei Anordnungen dieser Arbeit verhalten sich die Entfernungen vom Radium zur Hiille wie 5 cm zu 1,7 cm. Die Strahlen, welche bei 5 cm Entfernung durch das Feld H gerade beseitigt sind, werden bei 1,7 cm Entfernung durch das Feld

H x Wir wiirden demnach bei

der fruheren Anordnung (1 , 7 cm) mit dem Felde

oder rund 8 H beseitigt. 197

4100 x 3 = 12300 C.G.S.-Einh. Annalen der Physik. IV. Folge. 14. 26

402 J! Pascken.

dasselbe Resultat erhalten haben, \vie bei der letzten (5 cm) im Felde 4100 C.G.S.-Einh. Umgerechnet auf die Anfangs- intensitat 0,0302 der Tab. 111 ergibt sich also bei H= 12 300 die Intensitat

0 0302 0,562 0,0408 x 2- = 0,0022.

Diese Zahl ist sowohl der Tabelle angehangt, wie auch in der Fig. 4 eingetragen. Diese Fig. 4 enthalt die Werte 2 a der Tab. 111 als Funktion des Feldes. Der sehr wahrscheinliche, wenn auch infolge mmgelnder Hilfsmittel noch nicht direkt beobachtete gestrichelte Verlsuf der Kurve zeigt,, daJ3 die un-

Figg. 4 u. 5.

abgelenkte konstante Strahlung der y-Strahlen wahrscheinlich schon bei einer kleineren Feldstarke als 12 300 erreicht ist.

Fig. 5 enthalt die Differenzenquotienten der Kurve Fig. 4 als Funktion des Feldes, also die Menge der durch gleiche Feldanderungen beseitigten Quanten als Funktion des Feldes. Diese Fig. 5 stellt also mit Berucksichtigung der bei der Ver- suchsanordnung diskutierten Unreinheit dar, wie die Beschwindig-

Kathodenstrahlen des Radiums. 403

keiten I) auf die Kathodenstrahlen des Radiums verteilt sind. Fig. 6 enthalt den Isolationsfehler 2 j3 als Funktion des Feldes dargestellt. Der konstante Betrag vom Felde 1000 an wird durch die Diffusion der ionisierten Gase vom Radiumglase fort verursacht sein.

Aus der Tab. 111 und den Kurven ergibt sich folgendes: Die Kathodenstrahlen des Radiums enthalten Strahlen aller Geschwindigkeiten, langsamere als die von Hrn. S. S imon gemessenen Kathodenstrahlen, vor allem aber noch schnellere als die von Kaufmann untersuchten. Die langsamen, deren Menge recht betrhhtlich erscheint, werden solche sein, wie sie Hr. L e n a r d mit ultraviolettem Lichte erzeugt hat. Sie zeichnen sich durch sehr hohes Ionisationsvermogen aus , wie aus Fig. 6 hervorgeht. lDo

Das ist in Uberein- stimmung mit der starken Absorption, $ welche solche Strah- $. len nach L e n a r d in 50

ziemlich verdunnten Gasen erfahren. Bei Atmospharendruck

werden diese Strah- len die starke Ioni- 0 1 2 3 4 ~0 6 7000

sierung der Luft in der Nahe eines Ra- diumylases besorgen. Uiese langsamen Strahlen konnen inner- halb der Glashulle nicht eine ebenso kleine Geschwindigkeit gehabt haben, weil sie damit die Glasdicke von etwa 0,2 mm nicht hatten durchdringen konnen. Sie werden wohl mit groi3erer Geschwindigkeit vom Radium fortgeschleudert sein und in der Glashulle eine Verzogerung erfahren haben. Vielleicht siud dies die in Fig. 5 zwischen den Feldern 600 und 1500 fehlen-

T ----+E

Fig. 6.

1) Wobei allerdings von etwa H = 2000 an die Dispersion sehr schnell mit der Geschwindigkeit wiichst, weil sie von hier an nacL Kaufmann und Abraham gr6Btenteils durch die Anderung der elektro- magnetischen Triigheit bewirkt wird. Die Geschwindigkeit der y-Strahlen k h n t e daher nur urn 3 Proz. die der schnellsten Strahlen Kaufmanns iibertreffen. Dann ware es die Lichtgeschwindigkeit.

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40 4 .Z? Paschen.

den Strahlen. Ob die induzierte Radioaktivitat der inneren Glaswand des geschlossenen Radiumglaskugelchens mitwirken kann, ware ebenfalls in Betracht zu 2iehen.l) Jedenfalls scheint mir die Tatsache erwiesen, daB eine betrachtliche Menge lang- samer Strahlen auSerhalb der Glashulle existiert, welche bereits durch Felder von 600 cm'lz g'h sec-1 vollig beseitigt werden, wie aus Figg. 5 u. 6 ubereinstimmend hervorgeht. In Luft von Atmospharendruck werden diese Strahlen nur eine groBe Ionisierung hervorbringen, ohne sonst bemerkbar zu sein , da sie bereits wenige Millimeter vom Radiumglase entfernt ab- sorbiert sein mussen.

Der Verlauf der Kurve Fig. 4 bei hohen Feldstarken ist in Ubereinstimmung mit meinem aus dem Verlaufe der Absorption in verschieden dicken Bleischichten gezogenen Schliisse, da8 die y- Strahlen Kathodenstrahlen einer hohen konstanten Grenzgeschwindigkeit sind. Dieser Punkt ladet um so mehr zu weiterer Forschung ein, als bekanntlich die Theorien iiber das Verhalten einer mit Lichtgeschwindigkeit bewegten Elektrizitatsmenge noch wenig aussagen zu kiinnen scheinen. Die Mehrzahl der Theorien miichte solche Vorgange sogar fur unmiiglich erklaren. Die Erorterungen des Hrn. P. Her tza) zeigen dagegen, daS diese Erscheinungen nicht uii-

moglich sind, sagen aber uber die Eigenschaften solcher Strahlen noch wenig aus.

Ich habe in der Fig. 5 angegeben, auf welche Bereiche der Kathodenstrahlgeschwindigkeiten sich die Arbeiten fruherer Forscher beziehen. Die Diskontinuitaten der Fig. 5 halte ich fur reell, weil sie nicht durch Beobachtungsfehler entstanden sein konnen. Es ist besonders stark eiii Gebiet kleiner Ge- schwindigkeiten und das von K a u f m a n n gemessene Ge- schwindigkeitsgebiet vertreten, in welch letzterem zwei be- sondere Maxima herrortreten. Sie ruhren entweder von einer selektiven Absorption der Glaswande und einer Geschwindig- keitsveranderung durch diese (vgl. p. 403) her, oder sie be- weisen, daB das Radium eine selektive Emission von Kathoden-

1) Die laugsamsten dieser Strahlen werdeu ubrigens durch das Me&

2) P. H e r t z , Physik. Zeitschr. 6 . p. 109. 1904. potential von f 130 Volt beschleunigt resp. verlangsamt emheinen.

Kuthodenstrahlen des Radiums. 405

strahlen bevorzugter Geschwindigkeiten zeigt. In letzterem E’alle wiirde diese Erscheinung Ruckschliisse auf den Mechanis- mus der Kathodenstrahlerzeugung im Radium erlauben.

Da ich beabsichtige, meine Hilfsmittel zur weiteren Er- forschung dieser Erscheinungen, vor allem den Elektromagneten, erst so giinstig wie moglich zu gestalten, und da dies langere Zeit in Anspruch nehmen wird, so habe ich geglaubt, die bis- herigen Resultate veroffentlichen zu sollen, obwohl letztere gewiB in vielen Punkten noch sehr verbesserungsbediirftig sind.

(Eingegangen 15. April 1904.)