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(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Genealogie und Demographie der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie in Miinchen.) Uber die M6glichkeit des Auftretens yon Kinderreihen mit Sehizophrenen unter der Nachkommenschaft Schizophrener. Von Bruno Schulz, Assistent des Institutes. (Eingegangen am 18. Februar 1938.) Gerade in der letzten Zeit sind wieder mehrere Ver6ffentlichungen erschienen, die sich mit der Frage nach dem Erbgang der Schizophrenie befassen 1. So sehr auch die folgenden (~berlegungen in die N~he jenes Problems fiihren, haben sie doch in keiner Weise die Annahme eines be- stimmten Erbganges zur Voraussetzung. Ganz allein auf Grund empirisch erhobener Befunde und der Wahrscheinlichkeitsrechnung soll hier die Frage erSrtert werden: In wieviel Prozent der F~lle diirfte nach den bisher vorliegenden Untersuchungen bei fruchtbaren Verbindungen zwischen einem Schizophrenen und einem Nichtschizophrenen die Be- schaffenheit eines solchen Elternpaares derartig sein, dab unter Um- sti~nden ein schizophrenes Kind entstehen kSnnte ? Allerdings wird im folgenden auch noch die Annahme gemacht, dab das Krank- heitsbild der Schizophrenie eine ~tiologische -- erbbiologische -- Einheit sei. Aber diese Annahme liegt ja aueh allen bisher angestellten empirisch erbprogno- stischen Untersuchungen die Schizophrenie betreffend, bzw. den Schliissen aus ihnen zugrunde, ja wohl auch der Mehrzahl der sonstigen die Sehizophrenie be- treffenden genealogischen Untersuchungen und den entsprechenden Untersuchungen an Zwillingsserien, wenn auch bei allen jenen Untersuchungen wohl meist -- wie ja auch hier -- nicht in dem Sinne, dal3 man yon der erbbiologisehen Einheitlichkeit des Krankheitsbildes iiberzeugt sein miil~te, sondern in dem Sinne, dai] gefragt wird, welche Schliisse sich ziehen lassen, wenn man beim Sammeln des Unter- suchungsmaterials und bei der Deutung der an ihm erhobenen Befunde so vorgeht, als ob das Krankheitsbild der Schizophrenie eine erbbiologische Einheit darstellt. Und wenn mir diese Einheit auch nicht als gesichert erscheint, so mSchte ich doch keineswegs bestreiten, dab wir gut tun, in der Praxis mit der Schizophrenie als mit einer Einheit zu rechnen; ich halte es vor allem bisher noch nicht fiir mSg- lich, eine ihrer etwaigen Gruppen mit grSBerem Recht als eine erbbiologische Einheit anzusehen 2. 1 Lenz: Z. Abstammgslehre 83 (1937). -- Luxenburger: Bemerkungen zu dem Vor - trag yon Lenz, dortselbst, und Lenz, Schlul~wort, dortselbst. -- I, uxenburger: Fortschr. Erbpath. usw. 1 (1937). -- Ziehen: Arch. f. Psychol. 1{)7 (1937). -- Patzig: Vortr. 3. Jahresversl. Ges. dtsch. ,Neut. u. Psychiatr. Miinchen 1937.- Lenz: Erbarzt 4, 154 (1937). So bediirfen auch die genealogischen Befunde, die JLeonhard an der Gruppe seiner typischen Schizophrenien einerseits und der seiner atypischen andererseits erhob, nach Leonhards eigener Ansicht noch der Nachpriifung. (Vgl. Leonhard: Die defektschizophrenen Krankheitsbilder usw. Leipzig 1936.)

Über die Möglichkeit des Auftretens von Kinderreihen mit Schizophrenen unter der Nachkommenschaft Schizophrener

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Page 1: Über die Möglichkeit des Auftretens von Kinderreihen mit Schizophrenen unter der Nachkommenschaft Schizophrener

(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut fiir Genealogie und Demographie der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie in Miinchen.)

Uber die M6glichkeit des Auftretens yon Kinderreihen mit Sehizophrenen

unter der Nachkommenschaft Schizophrener. Von

Bruno Schulz, Assistent des Institutes.

(Eingegangen am 18. Februar 1938.)

Gerade in der l e t z t en Zei t sind wieder mehrere Ver6f fen t l i chungen erschienen, die sich mi t der F rage nach dem Erbgang der Schizophren ie befassen 1. So sehr auch die folgenden (~berlegungen in die N~he jenes Prob lems f i ihren, h a b e n sie doch in keiner Weise die A n n a h m e eines be- s t i m m t e n E r b g a n g e s zur Vorausse tzung. Ganz al lein auf G r u n d empi r i sch e rhobener Befunde u n d der Wahrsche in l i chke i t s rechnung soll h ier die F rage e rSr te r t w e r d e n : I n wievie l P rozen t der F~lle d i i r f te nach den bisher vor l i egenden U n t e r s u c h u n g e n bei f ruch tba ren V e rb indungen zwischen e inem Sch izophrenen und e inem Nich t sch izophrenen die Be- schaffenhei t eines so lchen E l t e rnpaa re s derar t ig sein, dab u n t e r U m - sti~nden ein sch izophrenes K i n d en t s t ehen kSnnte ?

Allerdings wird im folgenden auch noch die Annahme gemacht, dab das Krank- heitsbild der Schizophrenie eine ~tiologische - - erbbiologische - - Einheit sei. Aber diese Annahme liegt ja aueh allen bisher angestellten empirisch erbprogno- stischen Untersuchungen die Schizophrenie betreffend, bzw. den Schliissen aus ihnen zugrunde, ja wohl auch der Mehrzahl der sonstigen die Sehizophrenie be- treffenden genealogischen Untersuchungen und den entsprechenden Untersuchungen an Zwillingsserien, wenn auch bei allen jenen Untersuchungen wohl meist - - wie ja auch hier - - nicht in dem Sinne, dal3 man yon der erbbiologisehen Einheitlichkeit des Krankheitsbildes iiberzeugt sein miil~te, sondern in dem Sinne, dai] gefragt wird, welche Schliisse sich ziehen lassen, wenn man beim Sammeln des Unter- suchungsmaterials und bei der Deutung der an ihm erhobenen Befunde so vorgeht, als ob das Krankheitsbild der Schizophrenie eine erbbiologische Einheit darstellt. Und wenn mir diese Einheit auch nicht als gesichert erscheint, so mSchte ich doch keineswegs bestreiten, dab wir gut tun, in der Praxis mit der Schizophrenie als mit einer Einheit zu rechnen; ich halte es vor allem bisher noch nicht fiir mSg- lich, eine ihrer etwaigen Gruppen mit grSBerem Recht als eine erbbiologische Einheit anzusehen 2.

1 Lenz: Z. Abstammgslehre 83 (1937). - - Luxenburger: Bemerkungen zu dem Vor - trag yon Lenz, dortselbst, und Lenz, Schlul~wort, dortselbst. - - I, uxenburger: Fortschr. Erbpath. usw. 1 (1937). - - Ziehen: Arch. f. Psychol. 1{)7 (1937). - - Patzig: Vortr. 3. Jahresversl. Ges. dtsch. ,Neut. u. Psychiatr. Miinchen 1 9 3 7 . - Lenz: Erbarzt 4, 154 (1937).

So bediirfen auch die genealogischen Befunde, die JLeonhard an der Gruppe seiner typischen Schizophrenien einerseits und der seiner atypischen andererseits erhob, nach Leonhards eigener Ansicht noch der Nachpriifung. (Vgl. Leonhard: Die defektschizophrenen Krankheitsbilder usw. Leipzig 1936.)

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328 Bruno Schulz: ~ber die M6glichkeit des Auftretens yon Kinderreihen

Die Beantwortung der am Ende des ersten Absatzes gestellten Frage scheint mir nun abgesehen von ihrer mittelbar oder unmittelbar erbtheoretischen Be- deutung auch rein praktisch - - so etwa im Hinblick auf das Eherecht 1 - - wichtig; beides ist sie allerdings wohl vor allem unter der Bcdingung, dab wir gleichzeitig gewisse Kenntnisse dariiber besitzen, inwieweit die durchschnittliche Beschaffenheit der Ehepartner Schizophrener mit der durchschnittlichen Beschaffenheit yon Ehe- partnern tiberhaupt in bezug auf das BefMlensein oder die Belastung mit psychischen AnomMien iibereinstimmt. Die im gleichen Bande dieser Zeitschrift verSffentlichten Untersuchungen Leistenschneiders berechtigen uns nun zwar noch durchaus nicht, mit Sicherheit anzunehmen, dab Ehegatten Schizophrener durchschnittlich der Gesamtheit der Ehegatten fiberhaupt in dem genannten Sinne glcichzusetzen sind. So wurden ja von Leistenschneider beinahe ausschlieBlich nur die Ehepartner (und deren n/~here Verwandte) von solchen Schizophrenen untersucht, die erst nach der EheschlieBung schizophren geworden waren; und auch ffir diese Sondergruppe miiBten die Befunde an grSBerem Material und untcr tteranziehung eines ge- eigneteren VergleichsmateriMs nachgeprtift werden, wie Zeistenschneider selbst be- felts betont hat. Das Material Leistenschneiders dfirfte z. B. nicht nur Mlgemein region/~r bedingte Besonderheiten, sondern besonders auch solche sozialer und wirtschaftlicher Art aufweisen.

W~hrend wir jedoch bis dahin vSllig im Unklaren dariiber waren, wieweit die genotypische Beschaffenheit der Ehepartner Schizophrener der yon Durchschnitts- ehepartnern entspricht, lassen es die Befunde Leistenschneiders zun/~chst einmal ala das Wahrscheinlichste ansehen, dab die Ehepartner solcher Schizophrener, die erst nach ihrer I-Ieirat erkranken, in ihrem Durchschnitt hinsichtlich ihrer psychischen Beschaffenheit und Belastung und somit auch hinsichtlich ihrer Anlagen bzw. Teilanlagen zu Geisteskrankheiten (Schizophrenic) dem Durchschnitt der Ehegatten der GesamtbevSlkerung entsprechen. Es scheint mir jedenfalls nicht nur berechtigt, sondern auch wiinschenswert, die Sachlage einmal unter der Voraussetzung zu betrachten, dab wir die durch Leistenschneiders Untersuchungen nahegelegten Befunde als gesichert annehmen.

I n AnschluB a n die Ans ich t Luxenburgers, der die F r e u n d l i c h k e i t ha t t e , mich nach Durchsicht des Manusk r ip t e s der vor l iegenden Arbe i t auf seine VerSffentl ichung ,,Zur Methodik der mediz in ischen Erbprognose in der Psychia t r ie" 2, hinzuweisen, ha l t e ich es fiir angezeigt , vor Dar- l egung meiner eigenen B e t r a e h t u n g e n m i t wenigen W o r t e n auf jene VerSffent l ichung einzugehen, da der Verfasser i n ihr die auch in der vor- l i egenden Arbei t verwendete Bernoullische F o r m e l (s. S. 331, FuBno te 1) als A u s g a n g s p u n k t seiner B e t r a c h t u n g e n gew/ihlt hat . Luxenburger legte dor t zun/~chst dar, dab jede Zeugung eines e inze lnen I n d i v i d u u m s in biologisch bes t immt de te rmin ie r t en Geschwis ter re ihen als e in Versueh im Sinne der Wahrsche in l i chke i t s rechnung u n d jedes A uf t r e t e n eines Merkmals (dort yon Sehizophrenie) als e in Ere ignis im Sinne der Wahr - schein l ichkei t s rechnung anzusehen sei. I m wei te ren Verlaufe k a m er d a n n zu den Frages te l lungen: 1. Wie oft is t zu e rwar ten , dab in e iner K i nde r - reihe yon n K6pfen ein Schizophrener gerade r -mal auf t r i t t , also iiber- h a u p t au f t r i t t ? 2. Wie groB is t die Auss icht , dab eine Kinde r re ihe y o n der Kopfzahl n yon Schizophrenie frei b le ibt ? Der Verfasser er. r eehne te un te r Zugrunde legung der eben g e n a n n t e n Vorausse tzungen Erwar tungsz i f fe rn ffir das Auf t r e t en yon K i n d e r r e i h e n (yon b e s t i m m t e r

1 Vgl. Luxenburger: Z. psych. Hyg. l0 (1938). - - ~ Z. Neur. 117 (1928).

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Gr6Be) m i t r Sch izophrenen ; yon den E l t e m p a a r e n d ieser K i n d e r r e i h e n war de r e ine P a r t n e r jewei ls schizophren , de r andere n i c h t s c h i z oph re n , a b e r yon im f ibr igen u n b e k a n n t e r geno typ i s che r Beschaf fenhe i t . Die E r k r a n k u n g s w a h r s c h e i n l i c h k e i t i n s g e s a m t n a h m Luxenburger ffir d ie a u s d iesen K r e u z u n g e n h e r v o r g e g a n g e n e n K i n d e r auf Grund de r d a m a l i g e n Befunde (Ho//manns) m i t 9,1% a n ; den versch iedenen A l t e r s a u f b a u suchte er du rch e ine s u m m a r i s c h e Berf icks icht igung de r ~ b e r l e b e n s - wah r sche in l i chke i t ffir d ie Mi t t e de r Gef~hrdungsper iode zu berf ick- s icht igen. Die g runds~ tz l i che Versch iedenhe i t der F rages t e l l ung u n d d e r A r t des Vorgehens in d e r A r b e i t Luxenburgers einersei ts u n d de r vor- l i egenden A r b e i t ande re r se i t s df i r f te s ich aus e inem Vergle ich b e i d e r A r b e i t e n ohne wei te res e rgeben .

B i she r l iegen h in r e i chend ausff ihr l iche Ver6f fen t l i chungen f iber d r e i .ausleseffeie U n t e r s u c h u n g e n a n K i n d e r n sch izophrener P r o b a n d e n vor . Es h a n d e l t s ich u m die A r b e i t e n yon Ho//mann, Oppler und Gengnagel 1 l~ber eine v ie r te , d ie umfangre ichs t e , d ie Kallmann v o r g e n o m m e n ha t , i s t b i she r n u r e in kurze r , ffir unsere Zwecke n ich t gee igne te r B e r i c h t ve r6 f fen t l i ch t 2. I c h k o m m e auf d iese Un te r suchung sp~ te r zur i ick. Die 3 e r s t g e n a n n t e n A r b e i t e n be r i ch t en f iber die K i n d e r yon 204 schizo- p h r e n e n P r o b a n d e n , u n d zwar die Ho//manns fiber die yon 51, die Opplers f iber die y o n 109, die Gengnagels f iber die yon 44. Al le rd ings e rg ib t sich aus e iner D u r c h s i c h t de r A r b e i t Ho//manns, sowie e iner D urc hs i c h t d e r von Oppler a u n d Gengnagel v e r w e n d e t e n Verwand t scha f t s t a fe ]n , dal] d iese 204 P r o b a n d e n i n s g e s a m t ve rmu t l i ch 222, v ie l le ich t auch n u r 219 f r u c h t b a r e V e r b i n d u n g e n e ingegangen w a r e n (die Ho//manns 53, d ie Opplers 118; v ie l le ich t auch n u r 115, die Gengnagels 51), wobe i w i r u n t e r f r u c h t b a r e r V e r b i n d u n g eine solche ve r s tehen , aus denen m i n d e s t e n s e in K i n d h e r v o r g e g a n g e n ist , da s e in A l t e r yon fiber 16 J a h r e n e r r e i ch t ha t . W i r we rden i m fo lgenden m i t 222 f r u c h t b a r e n Verb indungen rechnen .

Bei den schizophrenen Probanden Ho//manns, Opplers und Gengnagels diirfte es sich in der Hauptsache um paranoide Schizophrene handeln, also um ein ~hn- liches Material, wie es der erw~hnten Untersuchung Leistenschneiders zugrunde liegt, wir werden daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen k6nnen, dai3, wenn die Schizophrenen, deren Ehegatten nebst Verwandtschaft Leisten- schneider untersuchte, hinreichend zahlreiche Kinder in einem hinreichend hohen Lebensalter h~tten - - begreiflicherweise ist das nicht der Fall - - , wit unter dieser Kinderschaft ~hnliche Verh~ltnisse linden wiirden wie unter der Kinderschaft der Probanden der drei anderen Forscher.

Es f i nden sich n u n u n t e r den 222 K inde r r e ihen , die Ho//mann, Oppler u n d Gengnagel u n t e r s u c h t e n , 37 m i t e inem oder mehre ren s c h i z o p h r e n e n K i n d e r n (bei Ho//mann 7, bei Oppler22, bei Gengnagel 8). I n j e d e r

1 Ho//mann: Monographien Neur. 26 (1921). - - Oppler: Z. Neur. 141 (1932). - - Gengnagel: Z. Neur. 145 (1933). - - ~ Kallmann: Allg. Z. Psychiatr. 1()4 (1936),

a Fiir diese I)urchsicht der Opplerschen Verwandtschaftstafeln sei Herrn Kol. legen Oberreuter (Brieg) herzlichst gedankt, ebenso ihm und Herrn Kollegen JBaege (Bunzlau) fiir die ~bermitt lung yon 22 yon mir ben6tigten Verwandtschaftstafeln des Opplerschen Materials.

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330 Bruno Schulz: l~ber die M6glichkeit des Auftretens yon Kinderreihen

e inzelnen dieser 37 Verb indungen (das ist in 16,6% der G e s a m t h e i t 222) muB also der E h e p a r t n e r des P r o b a n d e n unbed ing t so beschaffen gewesen sein, daB ein Schizophrener m i t i h m ein schizophrenes K i n d zeugen konnte . Es l eueh te t aber ein, dab dem n ieh t nur in diesen 37 F/~llen so gewesen sein kann. N ich t al le der u n t e r s u c h t e n K i n d e r h a t t e n das fiir den Ausbruch der Schizophrenic in B e t r a c h t k o m m e n d e Lebensa l t e r berei ts i iberschr i t ten ; m a n e h e z . B . wa ren vor dieser Zei t ve rs to rben . Es is t somit anzunehmen , daB noch in e inigen we i t e ren K i n d e r r e i h e n sehizophrene K inde r au fge t r e t en w/~ren, w e n n alle K i n d e r das erforder- l iche hShere Lebensa l te r e r re i ch t h a b e n wiirden. W i r we rden darauf noch n~her eingehen. Wesen t l i che r aber di i r f te es sein, dal~ nach der Wahrsehe in l i ehke i t s rechnung a n g e n o m m e n werden muB, dab in e iner ganzen Anzahl yon F/s in denen die Beschaf fenhe i t der E l t e r n es e rmSgl ich t h/~tte, dab K i n d e r gezeugt w/~ren, die im e n t s p r e e h e n d e n Al t e r schizophren geworden w/s solche dennoch n ieh t gezeug t wurden, woraus umgekehr t zu schlieBen ist, dab in unse rem Fa l le in m e h r als 16,6% (siehe oben) die genann te Beschaf fenhe i t der E l t e r n p a a r e vor- gelegen haben muB.

Es sei das nigher ausgeffihrt: Werfen wir 2 Mfinzen hoch, so haben wir die 4 MSgliehkeiten, Wappen-Wappen oder Wappen-Zahl oder Zahl-Wappen oder Zahl- Zahl zu werfen, and zwar besteht ftir das Auftreten jeder dieser 4 MSglichkeiten die gleiehe Wahrscheinlichkeit. Es wiirde also bei einer hinreiehend groBen Anzahl yon Wiirfen in einem Viertel der Falle (ira Falle Zahl-Zahl) kein Wappen auftreten. Dennoeh ist auch in jenem Viertel zwar nicht die Gesamtheit der Vorbedingungen zum Werfen yon Wappen gegeben (sonst hatte ja Wappen geworfen werden miissen), aber doch jener Teil der Vorbedingungen, der auf der Beschaffenheit der geworfenen Gegenst/~nde selbst beruht. Diejenigen Vorg/~nge, die dazu ftihren, dab die eine Zahlseite and eine Wappenseite aufweisenden Mtinzen bald auf die eine bald auf die andere Seite fallen, vermSgen wir nicht im einzelnen ihrer Art nach anzugeben : wir vermSgen nur vermittels der Wahrseheinlichkeitsrechnung die Haufigkeit an- zugeben, mit der die Bedingungen fiir das Werfen der einen MSglichkeit und die fiir das Werfen der anderen MSglichkeit vorgelegen haben miissen. (Und um- gekehrt kann man behaupten, dab man mit 2 Miinzen, mit denen mar sowohl

Wappen-Wappen, wie Wappen-Zahl, wie Zahl-Wappen geworfen hat, Schema 1. auch Zahl-Zahl werfen kann.)

a a a DaB es sieh gerade um ein Viertel der F~lle handelt, bei dem a a b das Auftreten von Zahl-Zahl anzunehmen ist, kommt daher, dab a b a einerseits gerade 2 Miinzen geworfen wurden und dab andererseits b a a das Auftreten des Wappens an sich genau so wahrseheinlieh war wie a b b das der Zahl. Aus dem nebenstehenden Schema 1, in dem wir, um b a b unser Beispiel mehr zu verallgemeinern, statt Wappen and Zahl b b a a und b gesetzt haben, ergibt sich, daB, wenn es sieh um 3 statt b b b um 2 Miinzen handelt (oder um Kinderreihen yon je 3 statt yon je

2 Mitgliedern), in einer der 8 M6gliehkeiten, also in 1/s der F/~lle, kein a in einer Reihe auftreten wtirde, wenn wiederum das Auftreten yon a und b jeweils gleieh wahrscheinlich ist. Aus Schema 2 ergibt sich, dab bei Kinderreihen yon je 2 Mitgliedern in 9 Reihen unter 16, also in 9/1 ~der F/~lle, kein a auftritt, wenn die Wahrseheinlichkeit fiir das Auftreten yon a jeweils 1/4 betr~gt und die ftir das Auftreten yon ,,nicht a" (also yon b, c o d e r d) dementsprechend 8/4.

Ganz allgemein gesagt ist die Wahrseheinlichkeit W des Auftretens der jeweils yon a freien Reihen gleieh ( l --p) n, wobei p die Wahrscheinliehkeit des Auftretens

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mit Sehizophrenen unter der Nachkommenschaft Sehizophrener. 3 3 l

yon a t iberhaupt bedeutet (p ist also in dem Beispiel mit den Mtinzen wie in dem in Schema ] dargestell ten Beispiel gleich 1/2 , in dem in Schema 2 dargestellten gleich 1/4), und n die Gr6Be der Reihe 1. Wir er- halten nach dieser Formel bei den in Schema i dar- Schema 2. gcstellten Verh/~ltnissen (I/2)a -- 1/s und bei den in Schema 2 dargestell ten Verh/~ltnissen (a/4)2= 9/18, a a b a c a d a also die gleichen Ergebnisse wie jeweils durch Aus- a b b b c b d b z/~hlen an dem Schema selbst (vgl. vorigen Absatz). a c b c c c d c Wit kehren zu unserem SchizophreniemateriM a d b d c d d d zurtick.

U m f e s t z u s t e l l e n , w i e v i e l e de r 222 E l t e r n p a a r e n u r , ,zuf/~llig" bzw. a u f G r u n d d e r W a h r s c h e i n l i c h k e i t s v e r t e i l u n g - - o b w o h l a l so a u c h be i i h n e n d ie B e s c h a f f e n h e i t d e r E l t e r n die Z e u g u n g s c h i z o p h r e n w e r d e n d e r K i n d e r e r m S g l i c h t h / ~ t t e - k e i n s c h i z o p h r e n e s K i n d g e z e u g t h a b e n df i r f ten , w i r d m a n , w ie aus d e m i m l e t z t e n A b s a t z G e s a g t e n h e r v o r g e h t , w i s sen mf i s sen , m i t K i n d e r r e i h e n w e l c h e r G r 6 g e m a n es zu t u n h a t , u n d wie g roB d o r t , wo i i b e r h a u p t d ie B e s c h a f f e n h e i t des E l t e r n p a a r e s das A u f t r e t e n y o n s c h i z o p h r e n e n K i n d e r n e r m 6 g l i c h t h/~tte, die W a h r - s c h e i n l i c h k e i t d e s A u f t r e t e n s s c h i z o p h r e n e r K i n d e r i n s g e s a m t ist . W i r mf issen , u m d ie i m v o r i g e n A b s a t z erw/~hnte F o r m e l W ~ (1 _ _ p ) n a n w e n d e n zu k 6 n n e n , f e s t s t e l l en , wie groB in u n s e r e m k o n k r e t e n F a l l e n u n d p s i n d ; d a n n l~Bt s ich die W a h r s c h e i n l i c h k e i t W des A u f t r e t e n s d e r a r t i g e r n u r zufi~llig s c h i z o p h r e n i e f f e i e r K i n d e r r e i h e n e r r e c h n e n .

] )as e b e n e rw/~hnte p k a n n n u t a n H a n d y o n s o l c h e n K i n d e r r e i h e n b e r e c h n e t w e r d e n , in d e n e n s ich i i b e r h a u p t s c h i z o p h r e n e K i n d e r l i n d e n , in u n s e r e m F a l l e a l so n u r a n H a n d d e r be re i t s e rw/~hn ten 37 K i n d e r - r e i h e n ; d e n n n u r y o n d i e s e n 37 K i n d e r r e i h e n wissen wir , d a b j edes i h r e r 37 E l t e r n p a a r e d ie V o r b e d i n g u n g e n z u r Z e u g u n g y o n sp/~ter s c h i z o p h r e n w e r d e n d e n K i n d e r n besaB. J a , i m G r u n d e i s t s o g a r be i d i e s e n 37 K i n d e r - r e i h e n d ie l % r m e l W = (1 - - lO) n n u r d a n n a n z u w e n d e n , w e n n w i r wi iB ten , d a b sie a l le E l t e r n k r e u z u n g e n g l e i che r A r t e n t s t a m m t e n , o d e r d o c h s o l c h e n E l t e r n k r e u z u n g e n , y o n d e r e n K i n d e r n d u r c h s c h n i t t l i c h s t e t s d e r g l e i che P r o z e n t s a t z e r k r a n k t 2. D a s i s t y o n v o r n e h e r e i n k e i n e s w e g s s icher . N e h m e n

1 Es handel t sich bei der Formel W -- ( l - -p ) n u m cinen Sonderfall der bekanntcn

= (n) p X ( l _ _ p ) n - x (vgl. z. Formel W B. meine Methodik der medizinisehen

Erbforschung, Leipzig 1936, S. 113); wenn dort n/~mlieh x (d. i. die Zahl der Merk- malstrgger in denjenigen Geschwisterreihen, yon denen die Wahrseheinliehkeit ihres Auftretens festgestell t werden s o l l ) = 0.

2 Auch die Anwendung der apriorisehen oder Geschwister- (Probanden-) Methode (s. u.) ist s t renggenommen nur unter dieser Voraussetzung mSglieh. Man stelle sich etwa das Sehema 2 um die Kinderreihen aa, ~b, ba, bb vermehr t vor. Sie m6gen einer anderen El ternkreuzung entstammen. Is t uns dies abet nieht bekannt, und be- handeln wir die 20 Kinderreihen des erweiterten Schemas 2 als einheitlich, so er- halten wir nach aprioriseher wie Gesehwistermethode (s.u.) p = 33%, w~hrend sieh tatsi~ehlich 12 a, d . i . 30%, unter den 40Personen des erweiterten Schemas linden. (Entspreehend erhalten wit am erweiterten Sehema 2 dureh Ausz~ihlen 10 leere Kinderreihen, also 50?;, wghrend wir naeh der Formel W = (1 - - p ) n nur 44% erhalten.)

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332 Bruno Schulz: Uber die M6glichkeit des Auftretens yon Kinderreihen

wir recessiven Erbgang an, so mfiBte der P roband zwar stets ein mani- festiertes RR-Ind iv iduum sein, der angeheiratete Pa r tne r jedoch k6nnte sowohl ein DR-, wie ein nicht manifestiertes RR- Ind iv iduum sein. Nehmen wir dominanten Erbgang an, so k6nnte der P roband ein DR- wie ein DD-Individuum, der Par tner ein RR- oder ein nichtmanifcst iertes Dl~- oder DD-Indiv iduum sein. Besteht nun die Gruppe der Kinderreihen mit mindestens eincm Schizophrenen aus in dem eben dargelegten Sinne uneinheitlichem Material, so erh/~lt man beim Rechnen mit der genannten Formel eine geringcre Zahl zuf/~llig leerer Kinderreihen, als den Tatsachen entspricht, bzw. als beim Ausz/~hlen an einem entsprechenden Schema. Diesen Umstand rechnerisch zu berficksichtigen, sehe ich, wcnigstens bei dem hier vorliegenden Material, keine M6glichkeit. Wir werden uns daher im folgenden seiner nur bewuBt bleiben, im. fibrigen aber so vor- gehen, als ob die 37 Kinderreihen ein gleichartig zusammengesetztes Material darstellten.

Wir nehmen die Berechnung von p an den 37 Kinderreihen vermit tels der yon Weinberg angegebenen Probanden- bzw. Geschwistermethode vor. (Da s/~mtliche 222 Kinderreihen genau auf das Vorkommen yon schizo- phrenen Kindern untersucht sind, also kein Sehizophrener in diesen Kinderreihen erst fiber sein schizophrenes Geschwister erfaBt wurde, k6nnen wir jeden Schizophrcncn in ihnen ffir unseren Zweck als Probanden betrachten. Damit die so ffir diese Berechnung als Probanden zu be- t rachtenden schizophrenen Kinder nicht mi t den 204 schizophrenen El tern verwechselt werden, die die P robanden der Untcrsuchungen Ho//manns, Opplers und Gengnagels waren, k6nnte man iibrigens in der vorliegenden Arbeit diese 204 schizophrenen El te rn El ternprobanden, die unter ihren Kindern gefundenen Schizophrenen dagegen Kinderprobanden nennen.) Die Probanden- bzw. Geschwistermethode wird als bekannt vorausgesetzt . Sie gestat te t beispielsweise aus den oben erw/~hnten Wfirfen: Wappen-Wappen, Wappen-Zahl , Zah l -Wappen (unter denen also die Wurfar t Zahl-Zahl fehlt) dennoeh das richtige Verh/iltnis von Wappen zu Zahl gleich 1:1, oder Wappen zur Gesamthei t gleich 1:2 zu berechnen.

Wie erw/~hnt, haben wir 37 Kinderreihen mi t Schizophrenen (Kinder- probanden). Aus den erw/s Arbei ten Ho//manns (dort S. 86/89), Opplers (dort S. 562) und Gengnagels (dort S. 58/59) 1/~Bt sich entnehmen, dab es sich bei den 37 Kinderreihen um 32 Kinderre ihen mit je einem Schizophrencn, 4 mit jc 2 und 1 Kinderreihe mi t 3 Schizophrenen handelt . Es liefern nun, wenn wir in diesen Kinderreihen nach der Geschwister- methode ausz/~hlen, die Kinderreihe mi t 3 Schizophrenen 6 schizophrene Kinder, die 4 Kinderreihen mit je 2 Schizophrenen insgesamt 8 schizo- phrene Kinder, alles in allem erhielten wit also 14 schizophrene Kinder. Diese 14 Sekund/~rf/~lle mfil]ten zur Gesamtzahl aller ebenfalls nach der Geschwistermethode ausgez/s Kinder der 37 (vielmehr richtiger, da

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mit Schizophrenen unter der Nachkommenschaft Schizophrener. 333

wir j a nach der Geschwis te rmethode ausz/~hlen, 43) K i n d e r r e i h e n in Beziehung gesetzt werden.

Als eine solche Gesamtzah l der K inde r fanden sich auf G r u n d e iner derar t igen Ausz/s die wieder fiir das Mater ia l Ho//ma•ns a n H a n d seiner Arbei t , ffir das Mater ia l Opplers und Gengnagels a n H a n d der Verwandtschaf t s t a fe ln v o r g e n o m m e n wurde, 30 Geschwister im Al te r yon 16 ~9 J a h r e n u n d 77 im Al te r yon fiber 40 Jahren . Ohne Berficksich- t igung des Alters l i n d e n sich somit 14 Schizophrene u n t e r 107 Pe r sonen f iberhaupt , d . i . 13,1%. W e n n wir das Alter berf icksichtigen wollen, so k 6 n n e n wir das in der Weise tun , dab wir die 30 u n t e r 40 J a h r e a l t en K i n d e r nu r ha lb in R e c h n u n g setzen. ])ieses yon Weinberg angegebene sog. abgekfirzte Ver fah ren liefert, wie die E r f ah rung gezeigt ha t , so grob es ist, gerade bei der Schizophrenie im al lgemeinen h in re i chend genaue Werte . I n u n s e r e m Fal le e rh ie l ten wir so eine Sch izophren ieerwar tung yon 15,2%.

W/~hrend also be im Beispiel mi t den Mfinzen p, d. i. die Wahrsche in - l ichkei t des Auf t r e t ens y o n W a p p e n oder Zahl insgesamt , bzw. bei jeder e inzelnen Mfinze, 1/2 oder 0,5 betrug, w/ihrend ferner in Schema 2 das Auf t re ten yon a i m m e r h i n 1/4 oder 0,25 betrug, betr/ igt die Wahrsche in - l ichkei t des Auf t r e t ens schizophrener Kinde r je nachdem, ob wir n u n das Alter berf icksicht igen oder nicht , 13,1% bzw. 15,2% oder, e twas anders geschrieben, 0,131 bzw. 0,152 1.

An dieser Stelle sei mir eine Bemerkung gestattet, die mit dem eigentlichen Thema dieser Arbeit nichts zu tun hat. Bei Gelegenheit einer friiheren Untersuchung war mir aufgefallen, dab die Schizophrenieerwartung unter den Geschwistern solcher schizophrener Probanden, deren einer Elter schizophren war, sich nur um ein geringes h6her zeigte, als diejenige unter den Geschwistern yon solchen schizophrenen Pro- banden, die yon schizophreniefreien Eltern stammten. Ich hielt es ftir mSglich, dal~ die Kleinheit des Unterschiedes darauf beruhen k6nnte, dab bei den Eltern der schizophrenen Probanden nicht mit der gleichen Genauigkeit wie bei den Probanden selbst die Diagnose schizophren oder schizophreniefrei hatte gestellt werden k6nnen. Hier sehen wir uns nun in der Lage, jenen Gedanken zu tiber- priifen. Die Eltern der Kinderprobanden der vorliegenden Untersuchung sind ja die ursprfinglichen Probanden Ho//manns, Opplers und Gengnagels, konnten also yon diesen Forschern mit der gleichen Sicherheit als Schizophrene diagnostiziert werden, mit der in meiner friiheren Arbeit yon mir meine Probanden als schizophren diagnostiziert werden konnten, die ich dort auf Eltern und Geschwistern unter- suchte. Ich land dort 6,7% bzw. (bei Einbeziehung auch der fraglichen F/~lle)

1 Es sei bemerkt, dab ein Errechnen yon p nach der apriorischen Methode (vgl. FuBnote 1, S. 336) die gleichen Werte ergibt wie das Errechnen nach der Ge- schwistermethode. Wir erhalten beim Rechnen mit p ~ 0,131, wenn wir fiir jede Geschwisterreihengr613e getrennt die Erwartung errechnen, eine Krankenerwartungs- ziffer yon 43,1; rechnen wir mit einer durchschnittlichen Geschwisterreihengr6Be, so erhalten wir eine Krankenerwartungsziffer yon 43,2. Die entsprechenden Ziffern fiir p = 0,152 lauten 42,7 und 42,4. Also alles Ziffern, die der Kranken- erfahrungsziffer yon 43 sehr nahe liegen. Die Unsicherheit yon p, yon der im folgenden mehrfach die Rede sein wird, ist also nicht etwa darauf zurtickzufiihren, dal] p nun gerade vermittels der Geschwistermethode berechnet wurde.

Page 8: Über die Möglichkeit des Auftretens von Kinderreihen mit Schizophrenen unter der Nachkommenschaft Schizophrener

334 Bruno Schulz: Uber die M6glichkeit des Auftretens yon Kinderreihen

8,2% als Ziffer der Schizophrenieerwartung unter den Geschwistern aller meiner Probanden und nur 7,2 % bzw. 12,6 % als Ziffer der Schizophrenieerwartung unter den Geschwistern derjenigen meiner Probanden, deren einer Elter schizophren war 1. Aus den 3 Arbeiten yon Ho[]mann, Oppler und Gengnagel ergibt sich nun fiir die diejenigen Geschwister yon Schizophrenen, die yon einem schizophrenen Elter stammen, als Schizophrenieerwartung, wie wir sahen, die Ziffer yon 15,2%, und zwar bei Beriicksichtigung nur der sicheren Schizophrenen. Die Ziffer ist also an- n~hernd doppelt so hoch wie die entsprechende yon mir erhobene yon 7,2%. Sie liegt auch deutlich fiber der Ziffer, die sich bei Ho//mann, Oppler und Gengnagel ffir die Gesamtheit der Kinder ihrer Probanden als Schizophrenieerwartung er- rechnen 1/~l~t (bei Ho//mann 8,2%, bei Oppler 9,7%, bei Gengnagel 8,3%). Dieser Befund ist geeignet, meine damalige Vermutung his zu einem gewissen Grade zu sttitzen. Abet natfirlich ist das Material, an dem die Ziffer 15,2% errechnet ist, viel zu klein. Wir kehren hiermit zum eigentlichen Thema der vorliegenden Arbeit zurfick.

Wi r haben , wenn wir die Anzah l der ,,zufi~llig leeren" K i n d e r r e i h e n be rechnen wollen, uns n u n nu r noch da r i ibe r k lar zu werden, welche Zahl wir ffir n , die Gr61~e der Kinder re ihen , bei dieser Berechnung a n z u n e h m e n haben . Die durchschni t t l iche Gr6i~e dieser Kinde r re ihen , das sei hier ausdrficklich bemerkt , ist n icht e twa gleich 107:43 oder 92:43, wie m a n viel le icht auf Grund der Angaben S. 332 u n t e n u n d S. 333 oben zun/~chst v e r m u t e n kSnnte . Vielmehr s ind j a die Ziffern 107 bzw. 92 n a c h der Geschwis termethode gewonnen, w/~hrend wir die Ziffern, u m die es uns j e t z t zu t u n ist, nu r in der Weise g e w i n n e n k6nnen , dal3 wir (ohne An- w e n d u n g der Geschwistermethode) en twede r e infach alle fiber 16 J a h r e a l t en K i n d e r der 37 Kinder re ihen , in d e n e n Schizophrene v o r k o m m e n , zs und zwar einschlief31ich dieser Schizophrenen, oder dal3 wir im fibrigen in gleicher Weise vorgehen, jedoch die u n t e r 40 Jah re alter/ K i n d e r bei der Z/~hlung nu r halb rechnen . Die auf die erste Weise ge- wonnene Kinderreihengr613e wfirde, da bei ihr das Alter n ich t berfick- s icht ig t ist, dem oben erw/~hnten p yon 13,1% en t sp rechen ; die auf die zweite Weise, d. h. un t e r Berf icksicht igung des Alters durch H a l b r e c h n e n der u n t e r 40 Jah re a l ten K inde r gewonnene , wfirde dem oben e rw~hn ten p yon 15,2% entsprechen. I s t es uns u m eine durchschni t t l iche Kinde r - reihengr613e zu tun , so erha l ten wir ffir n i m ers ten Fal le 120:37 ~ 3,24, im zwei ten Fal le 102,5 : 37 ~ 2,77.

N u n m e h r s ind wir in der Lage, in unse re Fo rme l W ~ ( 1 - p)n die Wer t e ~fir p u n d n einzusetzen. Die R e c h n u n g sowohl im ers ten wie im zwei ten Falle, also sowohl (1--0,131)a, 24 wie (1--0,152) 2,77, e rg ib t e twa 0,63, d . h . yon der Gesamthe i t al ler in Be t r ach t k o m m e n d e n K i nde r - re ihen wfirden der Wahrschein l ichkei t n a c h jeweils 63 % lediglich nach der Wahrsche in l ichkei t sver te i lung kein schizophrenes K i n d aufweisen. Be- ze ichnen wir die Gesamthei t mi t 1, so k o m m e n in ihr auf 0,37 Kinde r - re ihen mi t e inem oder mehreren sch izophrenen K i n d e r n noch 0,63 ohne solche. Da wir in unserem konk re t en Fa l le (zufi~llig gerade) 37 K i nde r .

1Z. Neur. 143, 255 (1932).

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mit Schizophrenen unter der Nachkommenschaft Schizophrener. �9 335

re ihen haben , in denen sch izophrene K i n d e r v o r k o m m e n , wt i rden au f sie 63 , , leere" K i n d e r r e i h e n k o m m e n . Von den im ganzen 222 f r u c h t b a r e n V e r b i n d u n g e n d e r Sch izophrenen mi iBten also de r W a h r s c h e i n l i e h k e i t nach (37 + 63 = ) 100 d. i. 45% die Vorbed ingungen aufweisen, d a b aus ihnen u n t e r Umst i~nden ein sch izophrenes K i n d he rvo rgehen k 6 n n t e . Es muB indes sofor t h inzugef t ig t werden , d a b das R e c h n e n m i t e i n e r d u r e h s c h n i t t l i e h e n Geschwis ter re ihengr6Be gerade in e inem F a l l e wie d e m vor l i egenden , be i d e m es uns auf die Be reehnung der A n z a h l d e r Gesehwis te r re ihen e ine r b e s t i m m t e n Beschaf fenhe i t a n k o m m t , zu k e i n e m r ieh t igen E r g e b n i s ff ihrt .

Es sei das, da dieser Umstand yon groBem EinfluB auf den Ausfall unserer Berechnungen ist, an einem schematisehen Beispiel dargelegt. In Schema 3 sind 8 Geschwisterreihen yon je einem Mitglied und 8 yon je 3 Mitgliedern dargestellt. a soil in beiden Gruppen von Geschwisterreihen mit der gleichen H~tufigkeit auftreten wie b. Der Wahrscheinlichkeit nach finden Schema 3. sich unter den insgesamt 16 Geschwisterreihen 5 = 31,25 %, in denen a a a a kein a auftrit t . Bilden wir dagegen eine durchschnittliche Ge- b a a b schwisterreihengrSBe yon 2, so erhalten wir auf 4 Geschwisterreihen a a b a je eine, also nur 25,0%, die kein a enth~lt, b b a a

W i r be rechnen d a h e r im fo lgenden fiir j ede Gr6Bc e ine r a a b b K i n d e r r e i h e , wiev ie l , , leere" K i n d e r r e i h e n auf j ede befal lene b b a b K i n d e r r e i h e de r be t r e f fenden GrSBe zu e r w a r t e n sind. a b b a b b b b Bevor wi r die B e r e c h n u n g se lbs t vo rnehmen , sei j edoch die F r a g e e r6 r t e r t , ob es bei e iner Be rechnung wie de r vo r l i egenden k o r r e k t e r is t , m i t ode r ohne Al t e r sbe r i i cks i ch t igung zu rechnen. W i r b e t r a c h t e n u n s e r S c h e m a 2. W i r wollen annehmen , d a b nu r d e s h a l b e r s t 1/4 e r k r a n k t i s t (alle a), well a l le Pe r sonen des Schemas noch i m Gef/~hrdungsal ter s tehen . E r k r a n k e n nun m i t i i b e r s t a n d e n e m Gef/ihr- dungsa l t e r auch noch al le b, so i s t zwar die Zahl de r be fa l l enen K i n d e r r e i h e n von 7 auf 12 gest iegen, Diese 12 K i n d e r r e i h e n s ind a b e r nunmehr , d a be i i hnen m i t p = 1/2 zu r echnen ist, nach de r F o r m e l W = ( 1 - p)n n u r auf 16 K i n d e r r e i h e n zu v e r m e h r e n , a lso auf d ie gleiche Zahl , au f die sich die nur 7 bere i t s w/~hrend de r Gef/~hrdungs- zei t be fa l l enen v e r m e h r e n lieBen, da d o r t mi t p ~ 1/4 ge rechne t w e r d e n muBte. M a n k 6 n n t e d e m n a c h meinen , d a b eine Ber i i cks ich t igung des j ugend l i chen A l t e r s n i ch t e r forder l ich ist . Doch i s t dem gegeni iber d a r a u f h inzuweisen, d a b bei d e m soeben Ausgef t ih r ten die A n n a h m e g e m a c h t wurde , d a b die K i n d e r r e i h e n sich re in zufallsm~tBig h ins i ch t l i ch i h re s L e b e n s a l t e r s zu sammense t zen . Es d i i r f te d a h e r an u n d fiir s ieh e in H a l b r e e h n e n de r j i i nge ren Pe r sonen e x a k t e r e W e r t e l iefern. A n d e r e r - sei ts sche inen mi r gegen e in H a l b r e c h n e n ge rade fiir den vo r l i e ge nde n Zweck wiede r gewisse B e d e n k e n zu bes tehen. I c h m6ch te sic h i e r an - f i ihren.

A n g e n o m m e n , wir r echnen alle Pe r sonen in Schema 2 nu r ha lb , so e r h a l t e n wi r d o r t als W a h r s c h e i n l i c h k e i t de r , , leeren" K i n d e r r e i h e n

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336 Bruno Schulz: ~ber die MSglichkeit des Auftretens yon Kinderreihen

W ---- (1 - - p)n = (1 - - 1/2 ) z, d. h. es s ieht aus, als ob auf 7 K i n d e r r e i h e n 7 hinzugez~hl t werden mfi~ten. Tats~chl ich mi iBten aber , wie das Schema zeigt, 9 hinzugez~hlt werden. (Da~ in der T a t in Schema 2, wenn jede Person halb gerechnet wird, p = 1/2 , e rg ib t sich aus der A n w e n d u n g der P robandenmethode . Wi r e rha l t en dor t 2 K r a n k e [die K r a n k e n werden, als ro l l beobachte t , ja s tets ganz gez~hlt] u n d 8 Geschwis ter f iberhaupt , die jedoeh halb gerechnet werden. Wi r e r h a l t e n d e m n a c h 2 : 4 = 50%1.)

(Es ~ei gestattet hinzuzufiigen, dab es nicht m6glich ist, dann, wenn wir jede Person nur halb reehneu, p = z/4 zu setzen, d. h. nur mit einer kleineren Geschwister- reihengr6Be zu reehnen, jedoeh p unver~ndert zu lassen. Wir erhielten dann naeh der Formel W = 3/4, mfil3ten also auf jede befallene Kinderreihe noch 3 leere hin- zurechnen, auf die 7 befallenen des Schemas 2 also start der 9, wie man sie im Schema sieht, 21, was offensiehtlich falsch ist.)

Man k6nn te fragen, wcshalb so e ingehend e r6 r t e r t wird, ob mi t oder ohne Altersberf icksicht igung zu r echnen ist, da doch das Ergebnis i n be iden Fi~llen ~ das gleiche war. Es is t jedoeh n i c h t i m m e r das gleiche, so nicht , wenn wir im folgenden das W zun~chs t ffir jede Kinder re ihen- gr6Be ge t r enn t berechnen. U n d so seien dor t d e n n aueh beide Berech- n u n g s a r t e n durchgeffihrt , e inmal ohne Berf icksicht igung des Alters der K i n d e r (Tabelle 1; dor~ ist also jedes fiber 16 J a h r e a l te K i n d ganz ge- rechnet) , ein zweites Mal (Tabelle 2; dor t s ind n u r die fiber 40 J a h r e a l t en K i n d e r ganz gerechnet , die im Al te r yon 16 40 J a h r e n halb) u n t e r Berficksichtigung des Alters. I n be iden Tabe l l en geben die beiden e rs ten Spal ten an, wieviel , ,befallene" K i n d e r r e i h e n jeder GrSBe das Mater ia l Ho]/manns, Opplers u n d Gengnagels aufweist , p is t ffir Tabel le 1 wieder m i t 0,131, ffir Tabel le 2 wieder m i t 0,152 a n g e n o m m e n , n is t in jeder der waagerechten Re ihen der Tabel le verschieden. Die Summe der Spal te 6 der Tabc l len g ib t an, welche Zah l zu den 37 befa l lenen Kinde r r e ihen nach der Wahrsche in l ichke i t h i n z u z u r e c h n e n wi~re, da mi t wir die Gesamtzahl al ler der jenigen V e r b i n d u n g e n e rha l ten , bei denen das E l t e r n p a a r selbst so beschaffen ist, daft i h n e n u n t e r U m s t s e in schizophrenes K i n d geboren werden kSnnte . Diese Gesamtzah l dfirfte

z l~brigens sei gesagt, dal3 bei dem Rechnen mit halben Personcn auch nur die Probandenmethode einen richtigen Wert fiir p ergibt (siehe oben), nicht dagegen etwa die a priorische Methode. Bei ihr wird bekanntlieh untersucht, ob die Zahl der im urztersuchten Material gefundenen Kranken derjenigen Zahl der Kranken entspricht, die man unter Voraussetzung eines bestimmten Erbgangs zu erwarten hatte. Entspricht sie ihr tats~chlich, so gilt der vermutete Erbgang (das ver- mutete p) als richtig. Man errechnet die erwartungsgemal3e Zahl der Kranken ftir

eine Geschwisterreihe nach der Formel n w - n p , in der q = 1- -p . Setzt man 1 - - q n

im obigen Falle (vgl. wieder Schema 2) n = 1 (da ja jede Person halb zi~hlt) und p = 1/2, so crh~lt man n w ~ 1 ; d.h. auf eine befallene Geschwisterreihe h~tte man einen Kranken zu erwarten, auf die 7 befallenen des Schemas 2 also 7 Kranke. Das Schema zeigt aber 8. Praktisch wirkt sich das allerdings (vgl. z. B. die in der FuBnote zu Seite 333 angegebenen Erwartungsziffern) im allgemeinen nicht sehr aus.

2 Vgl. S. 334 letzter Absatz.

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mit Sehizophrenen unter der Nachkommenschaft Sehizophrener. 337

also nach der in Tabelle 1 durchgefiihrten Rechnung 37 + 96,58 ---- 133,58 betragen, und nach der in Tabelle 2 durchgefiihrten Rechnung 37 + 109,5 ---- 146,5. Es wgre demnaeh anzunehmen, dab entweder in 133,58 yon 222, das ist in 60,17 % aller Verbindungen, oder in 146,5 yon 222, das ist

Tabelle 1. (p = 0,131.)

1

A n z a h l d e r K i n d e r ~

r e i h e n

5 12 9 2 2 4 2 1

37

2 Gr6De d e r

K i n d e r - I r e i h e n

(n)

3

(1 - - p)n

5 i 6 4

1 - - (1 - - p)~'

1 0,869 0,131 2 0,755 0,245 3 0,656 0,344 4 0,570 0,430 5 0,495 0,505 6 0,431 0,569 7 0,374 0,626 8 i 0,325 0,675

S p a l t e 3 : S p a l t e 4 ! S p a l t e 5 �9 S p a l t e 1

6,63 33,15 3,08 36,96 1,91 17,19 1,33 2,66 0,98 1,96 0,75 3,00 0,59 1,18 0,48 0,48

96,58

Tabelle 2. (p = 0,152.) 1

A n z a h l d e r K i n d e r -

r e i h e n

37

2 Gr6•e d e r

K i n d e r - r r e i h e n

(n)

3

(1 - - p )"

4

1 - - (1 - - p)"

0,5 0,921 1,0 0,848 1,5 0,781 2,0 0,719 2,5 i 0,662 3,0 0,610 3,5 0,561 4,0 0,517 5,0 0,438 5,5 i 0,404 6,0 0,372 6,5 i 0,342

5 6

S p a l t e 3 : S p a l t e 4 S p a l t e 5 �9 S p a l t e 1

0,079 11,65 0,152 5,57 0,219 3,56 0,281 2,55 0,338 1,95 0,390 1,56 0,439 1,27 0,483 1,07 0,562 0,78 0,596 0,67 0,628 0,59 0,658 0,51

23,30 27,85 21,36 17,85 5,85 4,68 1,27 2,14 1,56 2,01 0,59 1,02

109,48

in 65,99% der Verbindungen, die MSglichkeit gegeben sein muBte, dab unter Umst/~nden ein schizophrenes Kind erzeugt werden konnte.

Ich habe jedoch noch eine weitere ~berlegung angestellt. Die 37 be- fallenen Kinderreihen haben - - wir rechnen hier zungchst jedes iiber 16 Jahre alte Kind ganz - - eine durchschnittliche Gr6Be yon 3,24. Die 222- -37- - - -185Kinder re ihen , in denen kein Schizophrener auftr i t t , haben eine durehschnittliche Gr6Be yon 2,57. DaB die Durchnittsgr6Be der zweiten Gruppe geringer ist, entspricht der Erwar tung; es wird naturgemgB leichter in eine groBe Kinderreihe ein Schizophrener hinein- fallen als in eine kleine.

Z . f . d . g . N e u r . u . P s y c h . 162. 2 2

Page 12: Über die Möglichkeit des Auftretens von Kinderreihen mit Schizophrenen unter der Nachkommenschaft Schizophrener

338 Bruno Schulz: Ober die MSglichkeit des Auftretens yon Kinderreihen

Im Grunde sagten nun aber unsere Berechnungen, dab innerhalb jeder KinderreihengrSBe zu einer bestimmten Zahl yon befallenen Kinder- reihen noch eine bestimmte Zahl leerer (aber yon gleicher Gr50e) zu erwarten sei. So zeigt Schema 1, dab auf 7 befallene Kinderreihen yon 3 Mitgliedern noch eine leere yon 3 Mitgliedern zu erwarten ist. Wiirden wir start der einen leeren yon 3 Mitgliedern deren 3 linden, so wiirden wir (wenn Zuf~lligkeiten der kleinen Zahl ausgeschlossen w~ren) sagen kSnnen, dab nur ein Drittel der leeren Kinderreihen auf Grund der gleichen MSglichkeiten entstanden sei wie die 7 befallenen, die anderen zwei Drittel der leeren Kinderreihen aber nicht; man wird fiir diese zwei Drittel, sei es nun eine andere Elternkombination annehmen, oder andere Umweltverh~ltnisse als ftir die 8 iibrigen Kinderreihen. Das wird man aber nicht mit der gleichen Sicherheit behaupten kSnnen, wenn das ge- samte zur Untersuchung stehende Material, also in dem eben dargestellten erdachten Falle die 10 Kinderreihen (die den 222 Kinderreihen des tat- s~chlich untersuchten Gesamtmateria]s entsprechen), nicht alles Kinder- reihen gleicher GrSBe sind, sondern wenn das Material etwa aus 7 yon a befallenen Kinderreihen (die nach der Geschwistermethode p ---- 1/2 er- rechnen lassen) yon je 3 Mitgliedern besteht und aus 3 yon a freien Kinderreihen, die jedoch jede nut ein Mitglied umfassen. Man wird in einem solchen Falle vermuten, dab die Zahl der yon a leeren Kinder- reihen nur deshalb so groB ist, weil sie eine jede nur ein Mitglied umfassen, und daB, wenn sie umfangreicher w~ren, auch in einer Anzahl yon ihnen ein a auftreten wfirde.

Man kSnnte nun auf den Gedanken kommen, dab sich ~hnliche Ver- h~ltnlsse auch bei unseren 222 Kinderreihen vorfinden, da ja bei ihnen, wie wir im vorletzten Absatz sahen, die 185 schizophreniefreien Kinder- reihen durchschnittlich nur 2,57 Mitglieder umfassen, die 37 befallenen dagegen 3,24. Man kSnnte weiter meinen, dab man diesen Unterschied beriicksichtigen und ihn rechnerisch ausgleichen miiBte, etwa in der Weise, dab man die Kinder der 185 schizophreniefreien Kinderreihen (es sind im ganzen 185.2,57 ---- 475; yon ihnen sind iibrigens 213 im Alter yon unter 40 Jahren) so umordnet, dab man 475 : 3,24 = 146 als Zahl der schizo- phreniefreien Reihen erhi~lt. Und man kSnnte weiter vermuten, daB, da diese 146 Reihen nun die gleiche DurchschnittsgrSBe haben wie die 37 befallenen, ein Rechnen mit ihnen erst das richtige Ergebnis liefern wiirde. Man wiirde also so rechnen, als ob in Wahrhei t nicht 222, sondern 37 ~- 146 = 183 Kinderreihen vorhanden wi~ren. Von ihnen wiirden die 133,6 Kinderreihen, bei denen nach unseren friiheren Berechnungen die in der Beschaffenheit der Eltern gegebenen Vorbedingungcn zum Auftreten yon schizophrenen Kindern vorliegen mfissen, 73 % betragen. Bei Beriick- sichtigung des Alters (Berechnung nach Tabelle 2, sowie unter Halbrech- nung der 213 unter 40 Jahre alten Kinder der insgesamt 475 Kinder in den schizophreniefreien l~eihen) wiirden sich stat t der 73 % sogar 86 % ergeben.

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mit Schizophrenen unter der Nachkommenschaft Sehizophrener. 339

Die im letzten Absatz angestellten l~berlegungen und Berechnungen sind jedoch unzul/issig. Eben well, wie S. 337 unten gesagt wurde, naturgemi~B in eine groBe Kinderreihe leichter als in eine kleine ein Schizophrener f/illt, wird gerade bei Verteilungen, die vSllig der Wahr- seheinlichkeit entspreehen, die Durehschnittsgr6Be befallener Kinderreihen stets gr6Ber sein als die leerer. Man darf diese also nicht, um sie den befallenen anzugleichen, in der oben dargestellten Weise kiinsthch ver- gr6Bern (und dabei ihre Anzahl verkleinern). Da mir jedoch die Gefahr eines derart igen ~ehlschlusses nahezuliegen scheint - - ieh selbst beging ihn zun/~ehst - - , Melt ieh es nieht fiir iiberfliissig, ihn hier als solchen zu kennzeichnen. Die S. 338 am Ende des ersten Absatzes erw/~hnte M6g- lichkeit diirfte selten eine Rolle spielen.

Dennoch liegt es mir fern, reich nun etwa auf die Ziffer 65,99% (vgl. S. 337) festzulegen. [eh betonte sehon, daB besonders die Berech- hung von p sich auf ein viel zu kleines Material stfitzt. Aber aueh im iibrigen ist das Material zu klein, als dab man an ihm siehere Ergebnisse erheben k6nnte. Vor allem wies ieh ja auch auf S. 331 auf die M6glichkeit hin, dab die 37 Kinderre ihen dennoeh Elternkreuzungen verschiedener Art en t s t ammen k6nnten, wodureh bedingt sein wiirde, dab die Anwendung der Formel W = (1 - - p ) n zu niedrige Werte lieferte. Eine rechnerische Beriicksiehtigung dieses Umstandes schien mir nicht m6glich. Ffir die l~berlegung, die wir nunmehr anstellen werden, scheint mir das gleiche zu gelten. Es handel t sich um folgendes:

Wir haben bisher die Frage nieht er6rtert , ob e twa deshalb fiir p nur ein so niedriger Wef t gefunden wurde, weil die Anlage zur Sehizo- phrenie s tarkenManifes ta t ionssehwankungen unterworfenis t . (Wiefiblich, sprechen wir hier yon Manifestationsschwankungen in bezug auf Sehizo- phrenie dann, wenn j emand entweder hinsiehtlich der Gesamthei t seiner Erbanlagen oder hinsichtlich der spezifischen Erbanlage zur Sehizophrenie so beschaffen ist, dab er, soweit diese Erbanlage oder seine Erbanlagen insgesamt in Be t rach t kommen, schizophren werden kSnnte, aber doch - - und zwar s e l b s t dann, wenn er das betreffende Gef/~hrdungsalter durehlebt h a t - nur in einem Bruchteil der l~ l le e rkrankt . In einem allgemeineren Sinne stellt allerdings auch der Ums tand eine Mani- festat ionssehwankung dar, dab bei den jugendlichen Personen das Leiden noch nicht so h/Lufig manifest ier t ist wie bei den /~lteren.) Unsere Aus- ffihrungen gerade in bezug auf die Altersberiicksichtigung (S. 335) zeigten aber, dab wir die Manifestat ionsschwankungen' in der Ta t aueh nur dann zu berficksichtigen brauehten, wenn sie sieh nieht gleichm~Big nach den Regeln der Wahrseheinliehkeitsrechnung fiber das Material verteilen. Verteilen sie sich gleiehm/~13ig, so wiirde bei vollsti~ndigerer Manifestation zwar p steigen und somit W sinken, abe t gleiehzeitig w/~re aueh die Zahl der bereits befallenen Kinderreihen ehtsprechend angewaehsen, so dab die Beantwortung unserer Haupt f rage : , ,Wieviel

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340 Bruno Schulz: (~ber die MSglichkeit des Auftretens yon Kinderreihen

Prozent der Elternpaare eines bestimmten Gesamtmaterials zeigen eine bestimmte Beschaffenheit in bezug darauf, daB sie unter Umst~nden Nachkommen bestimmter Art erzeugen kSnnten 7" dadurch nicht be- riihrt wiirde.

DaB die mit dem Lebensalter in Zusammenhang stehende Mani- festationsschwankung sich nicht gleichm~Big fiber das Material verteilt, war anzunehmen. Es erschien daher zweekm~Big, diesen Tell der Mani- festationsschwankung rechnerisch besonders zu beriicksichtigen. Wieweit auch bei der Manifestationsschwankung im eigentlichen Sinne mit einer ungleichm~6igen Verteilung zu rechnen ist, wage ich nicht zu sagen. DaB sie sich in einer Weise fiber das Material verteilen sollte, dal~ mehrere Sehizophrenieffille seltener in einer Kinderreihe zusammentreffen, als es der Wahrschein]ichkeit entspricht, mSchte ieh nieht denken. Eher halte ich den umgekehrten Fall ffir mSglich. Liegt dieser aber vor, so wfirde eine grSl~ere Prozentzahl der Elternpaare so beschaffen sein, dab sie unter Umst~nden ein schizophrenes Kind zeugen kSnnten, als es nach der yon uns angewendeten Berechnungsart, die (abgesehen yon der Alters- berficksichtigung) Manifestationsschwankungen nicht berficksichtigte oder - - was das gleiche ist - - ihre gleichm~Bige Verteilung annahm, sich ergibt 1. ~ber die GrSBe der hierdurch etwa bedingten ErhShung der Prozentzahlen wage ich nichts zu vermuten. Ich wage daher auch nicht zu behaupten, dab darm, wenn eine etwa bestehende ungleichm~Bige Verteilung der (eigentlichen) Manifestationsschwankungen, wie auch die S. 331 erw~hnte MSglichkeit, dab die 37 Kinderreihen mit mindestens einem Schizophrenen Elternkreuzungen verschiedener Art entstammten, rechnerisch berficksichtigt werden kSnnte und gleichzeitig unsere Ziffern den Zufallsschwankungen enthoben wi~ren, die sich dann ergebende Prozentziffer derjenigen Elternpaare in unserem Material, die unter Um- st~nden zum Zeugen genotypisch schizophrener Kinder imstande wi~ren, nun etwa 100% betragen wfirde, woran man bei genotypischer Zusammen- gehSrigkeit der 204 Probanden und bei Annahmee ines rein dominanten Erbgangs ja denken wfirde. Allerdings sei auch nochmals auf die ]~ber- legungen S. 336 oben hingewiesen, die es wahrscheinlich machen, dal~ die in Tabelle 2 dargestellte Berechnung schon als solche ein zu niedriges Ergebnis liefern diirfte. Jedenfalls geht aus allen hier angestellten Be- t rachtungen doch soviel hervor, daB wir unter den fruchtbaren Ver- bindungen zwischen einem Schizophrenen und einem 1Nichtschizophrenen mit einer recht hohen Prozentzahl yon F~llen rechnen mfissen, bei denen, soweit die Beschaffenheit der Eltern in Betracht kommt, die MSglich- keit besteht, dab ein schizophrenes Kind gezeugt wird.

1 Man stelle sich etwa in Schema 2 vor, dab auf Grund ihrer Anlagen alle a und b (also 16 Personen des Schemas) befallen werden kSrmten, dal3 jedoch auf Grund yon Manifes~ationsschwankungen nur 8 yon ihnen befallen sind, etwa die hier kursiv gedruckten a und b in folgenden 6 Kinderreihen des Schemas 2: aa, ab, ae, ha, bb, bc.

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mit Schizophrenen unter der Nachkommenschaft Schizophrener. 341

Hoffentlich ges ta t te t uns das bisher noch nicht verSffentlichte grol3e Material Kallmanns auch in bezug auf die hier behandelten Fragen zu etwas gesicherteren Ergebnissen zu gelangen. Insbesondere wird sieh sein Material ja vermutl ich auch in solche F/Llle aufteilen lassen, bei denen der schizophrene Par tne r des El ternpaares vor der Hei ra t e rk rank t ist. und in solche, bei denen er naeh der Heira t erkrankt ist, und wiederum in solche F/ille, in denen der schizophrene Par tner der hebephrenen bzw. ka ta tonen Gruppe, und in solche, in denen er der paranoiden Gruppe der Schizophrenie angehSrt usw. Da sich fiber den Zei tpunkt der Ver- 5ffentlichung des Kallmannschen Materials jedoch noch nichts bes t immtes sagen 1/iflt, ersehien es mir angezeigt, die vorstehenden l~berlegungen doeh schon je tz t im Ansehlufl an die Arbeit Leistenschneiders wieder- zugeben. Dal3 der Umstand, da~ ich iiber die korrekte Berechnungsar t noeh nicht zur vollen Klarhei t gelangt bin, mieh yon einer VerSffent- lichung h/~tte abhal ten sollen, glaube ich nicht. Vielmehr mSehte ich hoffen, dab gerade durch diese VerSffentlichung erreicht wird, dab j emand eine korrekte Methode zur Bereehnung der Prozentzahl der nur zuf/s merkmalsfreien Kinderreihen angibt.

Zusammenfassung. Es wurde versucht, allein auf Grund der bisher vorliegenden rein

empirisehen Untersuehungen und auf Grund der Wahrscheinlichkeits- rechnung zu einer Vorstellung darfiber zu kommen, in ann/~hernd wieviel Prozent der f ruchtbaren Verbindungen eines Schizophrenen mi t einem Nichtschizophrenen das El te rnpaar so besehaffen sein wird, dal3 unter den Kindern unter Umst/~nden ein Schizophrener auf t re ten kSnnte.

An auslesefreien Untersuchungen fiber die Kinder von Schizophrenen liegen bisher die Untersuchungen an insgesamt 222 f ruchtbaren Ver- bindungen zwischen einem Schizophrenen mit einem Nichtschizophrenen vor. 37 dieser 222 Kinderreihen, d . i . 16,6%o, wiesen Schizophrene auf. Zweifellos werden in dem untersuchten Material bei mehr Verbindungen als bei diesen 37 die El te rnpaare so beschaffen sein, dal3 unter ihren Kin- dern unter Umst/ inden ein Sehizophrener auftreten kSnnte, so wie ja auch etwa beim Werfen mi t einer Miinze durchschnittlieh ungef/~hr in der H/~lfte aller Wiirfe , ,Zahl" geworfen werden wird, obwohl von vorn- herein, wie bei jedem Wurf, so auch bei dieser H/~lfte, die MSglichkeit gegeben war, daI3 , ,Wappen" geworfen wurde.

Da die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Schizophrenen unter der gesamten Kinderschaft , die aus solehen Verbindungen hervorging, deren einer Par tne r schizophren ist und bei denen f iberhaupt mi t der MSglichkeit, dal3 aus ihnen ein schizophrenes Kind hervorgeht , gerechnet werden kann, viel geringer ist als die Wahrscheinlichkeit, W a p p e n bzw. Zahl zu werfen, - - diese ist 1/2 , bzw. 0,5; jene dagegen wurde von uns an einem allerdings recht kleinen Material als 0,131 bzw. 0,152 errechnet - -

Z. f. d. g. N e u r . u . P s y c h . ] 62. 22a

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342 Bruno Schulz: M6ghchkeit des Auftretens yon Kinderreihen mit Schizophrenen.

wird es nicht wundernehmen, daft die Zahl der zu den 37 befallenen Kinderreihen hinzuzuz~hlenden Kinderreihen, die nur auf Grund der Wahrscheinlichkeitsverteilung ,,leer" geblieben waren, bei denen aber auf Grund der Beschaffenheit der El tern die MSglichkeit des Auftretens eines Schizophrenen ebenfalls gegeben gewesen w/~re, recht hoch ist.

Sie l~tftt sich naeh der Formel W ~ (1 - - p ) n erreehnen, und betr~gt e twa 96 bzw. 109, so da6 yon allen 222 f ruchtbaren Verbindungen, deren Kinder die drei Autoren HoHmann, Oppler und Gengnagel untersuchten, bei 37-4-96 bzw. bei 37-~ 109, also insgesamt bei 133 bzw. 146 die Vorbedingungen ffir das etwaige Auft re ten eines Sehizophrenen unter den Kindern gegeben gewesen sein mfiftten, also bei etwa 60% bzw. 66% aller 222 Verbindungen.

Aueh diese Prozentzahlen dfirften noch zu niedrig sein, wenn wir die MSglichkeit ungleichm~ftig fiber das Material vertei l ter Manifestations- schwankungen in Betracht ziehen und es uns darauf ankommt , festzu- stellen, in wieviel Prozent der F~lle die Beschaffenheit des El ternpaares die Zeugung tines genotypiseh schizophrenen Kindes ges ta t ten wfirde. Ja , wenn wir mit der MSglichkeit reehnen, daft die 37 Kinderreihen mi t mindestens einem Sehizophrenen El ternkreuzungen verschiedener Ar t en ts tammen, dfirften noeh hShere Ziffern anzunehmen sein, wenn ieh auch andererseits allein auf Grund der Wahrscheinlichkeitsreehnung und der empirischen Ziffern nicht zu behaupten wage, dab 100% er- reicht wiirden.

Sollte sich der Befund, den Leistenschneider bei seinen Untersuehungen fiber die Ehegat ten (nach der Heira t erkrankter) Schizophrener und deren Verwandtschaft erhoben hat, best~tigen, so wfirde auf Grund unserer l~berlegungen sogar anzunehmen sein, daft entsprechend hohe Prozent- s/~tze der DurchschnittsbevSlkerung - - genauer gesagt, der Ehega t t en f iberhaupt - - so beschaffen sind, daft sie mit einem Schizophrenen unterUmst/~nden ein schizophrenesKind zeugen kSnnten. Untersuchungen an weiterem Material, sowohl im Sinne der Untersuehungen Leisten- schneiders, wie solehe fiber die Kinderreihen Schizophrener, bleiben allerdings abzuwarten.