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Uber die Primaroxydtheorie der Oxydationsprozesse. VOU ANTON SKRABAL. &lit 6 Figuren im Text. Im Jahre 1900 hat LUTEER die Stoffe mit niehreren Oxydations- stufen untersucht. Er karn zu dem Resultat, dafs eine mittlere Oxydationsstufe, welche unter den Versuchsbedingungen freiwillig in die beiden aulseren zerfallt, ein starkeyes Oxydationsmittel als die hochste und ein stirkeres Reduktionsmittel als die tiefste Oxy- dationsstufe ist. ,.Man kann also durch Oxydation ein stBrkeres Beduktionsmittel erhalten, urid durch Reduktion ein starkeres Oxy- dationsmittel." Ich fiihre als Beispiel einige derartige mittlere Oxy dationsstufen an : Anrochloricl -+ Gold + Anrichlorid, Kuprosalz -+ Kupfer + Kuprisalz, Hypochlorit -+ Chlorid + Chlorat, Chlorat -+ Clilorid + Perchlorat, Perchlorat -+ Chlorid + Sauerstoff, Hydroperoxyd -+ Wasser + Sauerstoff, Schwefelige Saure -+ Scliwefel + Schwefelsaure, Mangansaure -+ Mangansnperoxyd + Permangansaure, Salpetrige Saure -+ Stickoxyd + Sticlrstoffdioxyd, Aldehyd -+ Alkohol -+ Saure, Oxalsaure -+ Kohlenoxyd + Kohlensaure, Oxalsaure -+ Ameisensiiure + Kohlensaure.

Über die Primäroxydtheorie der Oxydationsprozesse

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Uber die Primaroxydtheorie der Oxydationsprozesse. VOU

ANTON SKRABAL.

&lit 6 Figuren im Text.

Im Jahre 1900 hat LUTEER die Stoffe mit niehreren Oxydations- stufen untersucht. Er karn zu dem Resultat, dafs eine mittlere Oxydationsstufe, welche unter den Versuchsbedingungen freiwillig in die beiden aulseren zerfallt, ein starkeyes Oxydationsmittel als die hochste und ein stirkeres Reduktionsmittel als die tiefste Oxy- dationsstufe ist. ,.Man kann also durch Oxydation ein stBrkeres Beduktionsmittel erhalten, urid durch Reduktion ein starkeres Oxy- dationsmittel." Ich fiihre als Beispiel einige derartige mittlere Oxy dationsstufen an :

Anrochloricl -+ Gold + Anrichlorid, Kuprosalz -+ Kupfer + Kuprisalz, Hypochlorit -+ Chlorid + Chlorat, Chlorat -+ Clilorid + Perchlorat, Perchlorat -+ Chlorid + Sauerstoff, Hydroperoxyd -+ Wasser + Sauerstoff, Schwefelige Saure -+ Scliwefel + Schwefelsaure, Mangansaure -+ Mangansnperoxyd + Permangansaure, Salpetrige Saure -+ Stickoxyd + Sticlrstoffdioxyd, Aldehyd -+ Alkohol -+ Saure, Oxalsaure -+ Kohlenoxyd + Kohlensaure, Oxalsaure -+ Ameisensiiure + Kohlensaure.

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Es ist auffallend, dafs bei Oxydationsprozessen gerade jene mittleren Oxydationsstnfen ,,zunachst" oder ,,prirnarl' entstehen. Letztere sollen aus diesem Crunde ,,Primaroxyde" genannt werden.

Sollte einmal wahrend eines Oxydationsvorganges die Bildung eines Primaroxydverbindung nicht beobachtet werden, so werden wir im Sinne des Reaktionsstufengesetzes annehmen konnen , dals die Reaktion zwar uber ein Primaroxyd vor sich ging, dals aber der Zerfall desselben in demselben Malse erfolgte wie dessen Bildung. Ob nun eine Primaroxydverbindung mehr oder weniger rasch zerfillt, oder ob umgekehrt aus zwei aulseren Oxydationsstufen die Bilduiig einer Primaroxydverbindung erfolgt, ist yon den elektrolytischen Dissoziationsverhiiltnissen abhiingig. So ist in der Reaktion

2Cu' 72 c u + cu-

das Gleichgewicht stark auf der rechten Seite der Gleichung ge- legene3 Die Reaktion veslauft aber auch umgekehrt, wenn das Kupferoxydul in Form wenigdissoziierter Verbindungen oder kom- pleser Ionen4 (CuCl,', CuCl,") auftreten kann. U n s e r e Gle ich- gewich te bez iehen s i ch d e m n a c h a u f d i e e l e m e n t a r e n Ionen .

0 x y d a t i o n f i v or g a n g en P r i m ar o x y d i on e n n a c h e inem Gle ichgewichte e n t s t e h e n u n d n a c h e inem a n d e r e n wieder zer fa l len ode r i n komplexe Verb indungen i ibergehen , s o konnen wir a u s den Qle ichgewichtsverha l t - n i ssen auf d i e r e l a t ive Geschwindig l ie i t d e r i n B e t r a c h t k o m m end en Z w i s ch e n r e a k t i o n en s c h l i e l s en.

An einigen Beispielen sol1 dieser Satz besprochen werden. Betrachten mir die Bildung von Kuprosalz aus Kuprichlorid, Salz- skure und Kupfer, so handelt es sich urn folgende Renktionen:

D a n u n b e i

2CU' TI? c u + cum* (1) Cu'+ 3c1' ,If CUC1," (2)

Sowohl in (1) als auch in (2) ist das Gleichgewicht stark auf der rechten Seite der Gleichung gelegen. Nach der kinetischen

1 Dars die ,,Prirnaroxyde" als die unter den gegebenen Umstgnden am wenigsten besttindigen Oxpdationsstufen zunachst entstehen, steht im Einklange mit dem OSTWALDSCheII Reaktionsstufengesetz. Zeitschr. phys. @mn. 2 2 , 306.

Die Bedeutung der Primiiroxyde fur die Oxydationsprozesse hat LUTHER zuerst erkannt. Vergl. Zeitschr. phys. Chem. 36, 393, Fubnote 1.

RODL~NDER und STOHBECK, Z. anorg. Chem. 31 (1902), 1 u. 458. Wir wollen unter einem komplexen Ion im weiteren Sinne aueh jedes

sauerstoffhaltige Anion verstehen.

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Auffasssung des chemischen Gleichgewichtes miissen mir annehmen , dafs beide Vorgange im Sinne des oberen Pfeiles ungleich rascher erfolgen als im entgegengesetzten Sinne. Setzen wir voraus, dafs unsere Reaktion mit mefsbarer Geschwindigkeit verliiuft, so kommt letztere dem Vorgang

c u + C U " ---f 2Cu'

zu, wahrend die Zwischenaktion

CU' + 3C1' ~~ f CUC1,"

ungleich rascher erfolgt. lc'och anschaulicher wird das Reaktionsbild, wenn wir die ,,freie

Energie" der hylotropen Formeri, welche unser System durchlauft, auf einer vertikalen Geraden auftragen. Bezeichnen wir der Kiirzc

haiber die Formen Cu + Cu" + 6 Cl', 2 Cu' + 6 Cl' und 2 CuCl," mit A , B und C, so zeigt uns Fig. 1 deren freier Energie und die beiden Pfeile den Weg, den unser System zuriiclilegt. Kachdem B -+ A

-cu + cu.. + 6cl, und B --+ C freiwillig erfolgt, so niufs sowohl A als auch C tiefer

-2 CUCI," G als B liegen, und da ferner A ---f C freiwillig vor sich geht, so mufs A hoher als C gelegen sein. Es bildet sich zufolge des Gleich-

' -2 CU' 4- 6 Cl'

A

Fig. 1.

gewichtes A qrf B eine Spur B. Letztere geht fast vollstandig in C iiber. Dadurch wird dns Gleichgewicht A ~f 3 gestort, und es mufs sich wieder etwas Bnachbilden u. s. w. hus unserem Schema ist nun zu ersehen, dais, wenn der Vorgang A --+ C mit mefsbarer Geschwindigkeit verlauft, letztere dem clurch den aufsteigenden Pfeil angedeuteten Vorgang A ----f B zukommt, wiihrend der durch den sinkenden Pfeil angezeigte Vorgang B --f C unmekbar rasch erfolgt.

Wie wir noch sehen werden, scheinen die Verhaltnisse bei a l le i i Oxydationsprozessen , gleichgiiltig ob dieselben mefsbar, unmefsbar rasch oder unmefsbar langsam verlaufen, stets so zu liegen, dals der Zerfall der elementaren Primaroxydionen in zwei aulsere Stufen oder deren eberfiihrung in komplexe Ionen oder undissoziierte Ver- bindungen ungleich rascher erfolgt ah die entgegengesetzten Vor- gange, zufolge deren sie sich bilden.

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Ein anderes Beispiel bietet die Einwirkung von Clilor auf Wasser. Arbeitet man bei grofserer OK-Ionenkonzentration , also 111 allialischer Losung, so gehen die Priiniiroxydionen in komplexe Anionen iiber und zerfallen in diesem Zustande nur allmahlich in zwei aufsere Oxydationsstufen:

3C10’ ---f 2421’ + C10,’ 4 C10,’ --f Cl’ + 3 C10,’ 3C10,’ -+ 3Cl’ + 60, .

Diesen komplexen Formen licgen die elementaren Primaroxydionen, CP, Cl****. und Cl.**..*. zugrunde. Unterlafst inan den Alkalizusatz, so kann zufolge der im Lauf der Reaktion sich bildenden + A 1-12H,0 + 12c1f + 12c1. 6, Wasserstoffionen die Komplex- 1

vor sicli gehen, und nachdein’ die elementaren Primaroxyd- ionen rascher zerfallen wiirclen, als sie entstehen kijnnen, so Fig. 2.

werden wir ihre Rildung nicht beobachten. Wir haben demnach fur die Zersetzung des Chlor- wassers folgendes Schema (Fig. 2): A -+ B -+ C -+ D -+ E

1 /-12EI,0 + 2oc1j + 4cI. ... bildung nur in geringem Mafse ’ 1 ~-12H1,O + 21C1‘ + 3C1””‘.’ n

4 i-~2H,0 + 12C1, A I-24H + 24C1’ + SO, I3

Die Bruttoreaktion il -+ E verlauft in folgenden Stufen:

A -+- B (melsbar)

(unmelsbar rasch.) D -+ E

Die Ergebnisse von WITTWER stimmen mit diesen Schema iiberein.

Wesentlich anders gestaltet sich der Verlauf, wenn, wie bei Gegenwart von Alkali, die Bedingungen fur die Rildung komplexer Verbindungen der Primiiroxyde giinstig liegen. Die Gleichgewichte,

Uber die Berechtigung der Annahme derartiger viclwertiger Ionen vergl. OSTWALD, GrundriCs, 3. Aufl., (1899), S. 441. Speziell uber Halogen- kationen vergl.: JAKOWEIN, Zeitschr. phys. Cherr~. 29 (ItiSS), 613. - STIEQLITZ, Jozlrn. Am. Chem. Soc. 23 (1901), 797. - R-oms und LPON, Journ. Am. Chenz. SOC. 23 (1901), 460. - WALDEN, Zeitsclzr. phys. Chem. 43 (1903), 385.

Vergl. ferner: BUNSEN und XOSCOE, Pogg. Ann. 96 (1855), 373. - POPPER, I k b . Ann. 227 (1885), 161.

I ’ q g . Ann. 94 (1855), 598.

64 --

$c A

welche zwischen den einzelnen hylotropen Pormen unseres Systems (Fig. 3) bestehen, konnen durch folgendes Schema dargestellt werden :

--240H‘ + 12c1r + 12c1. Iangsam, dafs wir ihn nicht ab- ,

-* } (sehr rasch). C - t G

+ 2ocl’ + 4c1’..’ warten konnen. Es ist dies jene allgemeine Erscheinung, /--840H’ + 21 cl’ + 3c1 :. ..

I +

I

~

Y

-24OH’ + 12CIg A dafs die aiifangs so rasch yer-

liche Gleichgewichtslage vie1 spiiter erreichen.

-12H20 + 12Cl’ + 12C10’ E’ Aus E’igur 3 lalst sich

laufenden Vorgange ihre end-

64 --

welche zwischen den einzelnen hylotropen Pormen unseres Systems (Fig. 3) bestehen, konnen durch folgendes Schema dargestellt werden :

A 72 B ~f C +:+ D c? E 'A l i IA

Y l Y l G 'yl B €I

So verlauft der unmefsbar rasche Vorgang B --f F nach folgendem Schema:

A --f B (weniger rasch), B --f P (sehr rasch).

WBhrend nun die Reaktion bis zur Bildung von P (in der Warme bis zur Bildung von G) fast momentan verlauft, gestaltet sich von

- 2 4 0 H t. 12C1' f 12C1' -24 O H + 20 c1' + 4 Cl-'*' -24 O H + 21 Cl' + 3 CI'.'.'.' -24OH' + 12CIg

-12HgO + 12Cl' + 12C10'

-12H,O + 20C1' + 4C10,' -12H,O + 2lCI' + BC10,'

-12HZO + 24C1' + SO,

Fig. 3.

B C D A

E'

0 H E

da ab der Reaktionsverlauf so Iangsam, dafs wir ihn nicht ab- warten konnen. Es ist dies jene allgemeine Erscheinung, dafs die aiifangs so rasch yer- laufenden Vorgange ihre end- liche Gleichgewichtslage vie1 spiiter erreichen.

Aus E'igur 3 lalst sich herauslesen, was geschieht,wenn wir den hylotropeii Formen E , G und H, etwa dem Chlorat, Salzsiiure , welclie ionisierend wirkt, zusetzen. Fls wird sich in diesem Falle aus G (Fig. 3)

mit mefsbarer Geschwindigkeit C (Fig. 2 ) bilden. Letztere Form wird aber nur zum ganz geringen Teil iiber D nach E gehen, sondern weiter rascher iiber B die weniger bestandige Form A er- reichen. 1st erst alles G (Big. 3) in A (Fig. 2) ubergefiihrt, so wird nun der bei der Zersetzung des Chlorwassers beschriebene langsame Vorgang eintreten.

Fiir die Bildung von Chlorat aus Hypochlorit wiirde sich nach Fig. 3 folgendes Reaktionsschema ergeben:

F -+ B (weniger rasch),

-* } (sehr rasch). C - t G

F u r alle anderen Vorgiinge lafst sich auf die gleiche Art ein Iteaktionsbild gewinnen.

Bei Besprechung des Gleichgewichtes 2Cu’ 72 Cu + Cu” haben wir gesehen, dab, je nach den Versuchsbedingungen, die Reaktion sowohl in dem einen als auch in dem anderen Sinne verlaufen kann. Ebenso entspricht auch die Reaktion

GI, f, c1’+ C1’

einem Ionengleichgewichte, welches fast ganz auf der linken Seite der Gleichung gelegeri ist, denn Hypochlorite geben mit Salzsaure Chlor. Wir konnen aber die Reaktion auch im entgegengesetzten Sinne verlaufen lassen, wenn wir das Primaroxydion Ck durch Zusatz von Alkali in die komplese Form C 1 0 iiberfuhren.

Fast man diese Erscheinungen zusammen, so kann man sagen: D u r c h A n d e r u n g d e r V e r s u c h s b e d i n g u n g e n k i jnnen P r i m a r - o x y d e n a c h d e r s e l b e n G l e i c h u n g , n a c h w e l c h e r s i e s i c h b i l d e n , a u c h w i e d e r z e r f a l l e n , u n d u m g e k e h r t k a n n i h r e B i l d u n g w i e d e r n a c h e i n e r Z e r f a l l s g l e i c h u n g v o r s i c h gehen.

Nach diesen Erlauterungen mehr allgemeiner Natur sol1 die Primaroxydation der Elemente Mangan, Eisen und Chrom eingehender besprochen werden.

W-as zunachst das Nangan anbelangt, so zeigen zwei Oxydations- stufen , die Mangansaure und das Manganioxyd, den Charakter der Primaroxyde, denn beide Oxydationsstufen sind sehr unbestandig und geneigt, in zwei auhere Stufen zu zerfallen:

3Mn0, --f SInO, + Mn,O, Mn,O, --f MnO + MnO,.

Es wird uns demnach die Darstellung nur solcher Verbindungen dieser Primkoxyde gelingen, welche entweder schwerliislich, wenig dissoziiert oder stark komplex sind. Da MnO, ein Oxyd mit stark sauren Ejgenscliaften ist, so liegt es nahe, dieses in Form eines sauerstoffhiiltigen Anions zu gewinnen. Ein solches Anion ist das- jenige der Mangansaure MnO,”.

Es ist bekannt, dafs bei oxydierenden Schmelzen zunachst Xanganate entstehen. Ferner bildet sich bei der Einwirkung von Hydroperoxyd anf Braanstein und Schwefelsiure MnO, primair:

Vergl. A. SEEABAL, &err. Chem. Zeitg. 1903, 533. MABCBOT, Lieb. Ann. 326 (1902), 93.

7.. anorg. Chem. Bd. 42. 5

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MnO, + H,O, --f MnO, + H,O. NnO, -F Mi10 + 0,

In Summe: MnO, + H,O, --f MnO + H,O + 0,.

Weit haufiger entsteht durch Oxydation von Manganosalzen primar Manganisalz. Es gelingt die Herstellung der schwerlijslichen Verbindungen des dreiwertigen Mangans wie Mn,O, und dessen Hydrate , Manganiortophosphat NnPO, + H,O, saures Mangani- pyrophosphat MnHP,O,, Kaliummanganipyrophospat MnKP,O, und Manganimetaphosphat Mn(P0,)3.2 Andererseits sind Manganisalze in Ldsung nur dann geniigend bestandig, wenn sie entweder stark komplex sind, wie etwa Kaliummaganicyanid, oder wenn, wie loei Gegenwart von konzentrierter Essigsaure, Oxalsaure, Phosphorsaure, Schwefelsaure u. s. w., durch die grofse Saureanionenlronzentration die elektrolytische Dissoziation der Manganisalze zuriickgedrangt wird.

Verdiinnen wir eine derartige starksaure LSsung eines Man- ganisalzes , so tritt einerseits Hydrolyse und Ausscheidung von Manganihydroxyd ein, nndererseits zerfallt das Manganisalz in Man- ganosalz und Manganhyperoxyd. Wir haben es dernnach mit folgen- den Reaktionen, bei welchen das Gleichgewicht auf der rechten Seite der Gleichungen gelegen ist, zu tun:

2 Mn.., + -f Ivlii.' + &In'.'.

&In... + 3 9 ' 7-f NnA,. (1)

(2)

A bedeutet ein einwertiges Anion. Versuchen wir durch Ver- diinnung mit Wasser das Gleichgewicht (2) zugunsten des Mangani- ions zu verschieben, so wird letzteres wieder im Sinne der Reaktion (1) in Manganoion und Manganhyperoxyd, welches hydrolytisch gefallt wird, zerfallen. Es liegen hier die Verhaltnisse genau so, wie bei dem bereits besprochenen Fall:

2 C U ' cf cu + cu- 2CU' + 4c1' GI+ 2CUC1,'.

Es sol1 nun gezeigt werclen, dafs bei der Oxydation eines Man- ganosalzes tatsachlich Manganiverbindungen primar entstehen. Setzt man eine salmiakammoniakalische Manganosalzlosung der Luft aus,

CHRISTENSEN, Oversigt over dcs Kong. Vidensk. Selsk. Forh. 1896, S. 94.

CHRISTENSEN, Journ. pmkt . C7zem. [21 31 (1855), 163. ' SCHJEBXINO, Journ. prakt. Chem. [S] 46 (1892), 515.

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so oxydiert der Sauerstoff derselben das Manganosalz zu Mangani- hydroxyd. Ferner entsteht Manganiacetat bei der Oxydation von Manganoacetat durch FEHLwasche Losung unter Ausscheidung von Kupferoxydul.

I n saurer Losung erzeugen dagegen Oxydationsmittel eine Fallung von Mangansuperoxyd, Letzteres entsteht aber nicht primar, sondern durch Zerfall des Manganiions:

Mn** + Oxydrtns -+ &In'*' &In'.' -+ Mn** + Nangansuperoxyd.

Sorgen wir aber dafiir, d a b eine reichliche Menge von Anionen, welche mit Manganiion komplexe oder wenig dissoziierte Verbin- dungen liefern, zugegen ist, so erhalten wir Manganisalz. Als Oxy- dationsmittel konnen wir Permanganat, a Salpetersaure, Persulfate, Caaosche Saure oder die anodische Oxydation wahlen.

Ferner entsteht bei der Reduktion von Braunstein durch Sauren:

Rho, + 4HC1 --+ MnCI, + 2H,O + C1, 2Mn0, + 2H,SO, - j 2NnS0, + 2H,O + 0,

Manganiion als Zwischenprodukt. Verwenden wir an Stelle der verdunnten Sauren konzentrierte, so erhalten wir Manganisalze. Letzterc zerfallen im Sinne der Reaktionen :

Xanganichlorid -+ Nanganochlorid + Chlor Manganisulfat -+ Manganosulfat + Sauerstoff

in die beiden aulseren Oxydationstufen Manganosalz und Chlor resp. Sauerstoff. Da obige Reaktionen Ionenreaktionen sind z. B.

2 Mn*-' + 2 C1' = 2 Mn** + CI,,

so werden sie urn so rascher vor sich gehen, j e gunstiger die Be- dingungen fur die Bildung von Manganiion liegen. Eine Vermehrung der Chlorionen kann zufolge des Gleichgewichtes

%In'-' + 5C1' G? MnC1,"

auch eine Verzogerung des Zerfalls herbeifihren.

* CHKISTEKSEN, Oversigt over det Kong. Vidensk. Selsk. Forh. 1896, S. 94. CHRISTENSEN, Oversigt over det Kong. Vidensk. Selsk. Forh. 1896, S. 94. CHRISTENSEN, Jou+n. prukt. Chern. [a] 28 (1883), 1. BAEYER iind VILLIGER, Ber. deutsch. &ern. ffes. 33 (1900), 2488. CHRISTENSEN, Oversigt over det Kong. Vidensk. Selsk. Forh. 1896, S. 94. NEUNANN, Nonalshefte 16 (18941, 489.

5 *

68 -

Selbst bei der Reduktion des Braunsteins durch schweflige Saure zu Mangandithionat bildet sich nach JULIUS MEYER primar das aufserst unbestandige Manganisulfit:

2M110, + 3H,SO, -+ Mn2~S0.J3 + 3H,O + 0 ItIn,(SO,), --+- MnSO, + XnS,0,.

D a die Reaktion

Manganisalz + Chlorion f- Manganosalz + Chlor

einem Ionengleichgewichte entspricht, so folgt daraus, dafs m m um- gekehrt aus Chlor und Manganosalz dann Manganichlorid herstellen kann, wenn man durcll reichlichen Zusatz von Anionen dafiir sorgt , d d s die Konzentration der Manganiionen zuriickgeht. Es kommt dies abermals einer Bestatigiing des Satzes gleich, dafs die Primaroxyde nach derselben Reaktion , nach welcher sie zerfallen, auch entstehen kiinnen, wenn man eine zweckentsprechende Anderung der elektrolytischen Dissoziationsverhaltnisse herbeifuhrt. Selbst die Reaktion

&ln*.’ + J’ &In** + J

kann man umkehren, d. h. im Sinne des unteren Pfeiles verlauferi lassen, wenn man durcli Zusatz von Fluorionen, etwa nach der Gleichung :

&In.*. + 5F’ -2 MnF,”

die Konzentration der ManganiioneIi verringert. Versetzt man eine Losung von Ammoniumhydrofluorid mit Dilangansulfat und etwas Flulssaure, so verschwindet nach Zusatz von Jodliisung und Starke- kleister, wenn auch langsam, rascher im Sonnenlichte, die blaue Farbe der Jodstarke. Nach einem Zeitraum von einigen Stunden ist auf diese Art das Jod von 1 ccin einer 10 n. Jodlosung ver- schwunden. Setzt man zu der erhaltenen Losung etwas Schwefel- saure, so erscheint infolge Bildung von Nanganiion und Zuruck- drangung der Fluorionenkonzentration - Fluorwasserstoff ist be- lranntlich wenig dissoziiert -- sofort wieder die blaue Farbe der J o d s t arke .

Ebenso wie bei der Reaktion Manganisalz-Halogenid sind auch bei der Reaktion:

Nanganisalz -+ iUanganosalz + Sauerstoff ___ ~~

Be?. deutsch. chem. Qes. 31 (1901), 3606.

69 - -

Andeutungen vorhanden, daf3 dieselbe reversibel verlauft. Die Um- kehrbarkeit der Reaktion wird bei Erhohung der Konzentration der 3Ianganoionen und der Anionen, zufolge der Moglichkeit der Bildung unclissoziiertcr Nanganisalze, zunehmen. Das sind aber die Beding- ungen , wie sie bei konzentrierten 8Iangansalzlosungen vorliegen. Konzentrierte Xanganosalzlosungen und die aus ihnen entstehenden Kristalle der festen Salze werden demnach eine rosenrote Farbe hesitzen. Die schon sehr alte Annxhme, dafs die rote Farbe der Manganosalse von hoheren Oxyclationsstufen, von Spuren von Manganisalz herriihrt, gewinnt hiermit an Wahrscheinlichlieit. Unterstiitzt wird diese Annahme d u d die Tatsache, dafs bei der Rednktion yon Nanganisalzen, seien sie wie immer gefarbt, durch iiberschussige Oxalsaure oder andere Reduktionsmittel vor der voll- standigen Entfiirbung jener, den Manganosalzen eigene, rosenrote Farbenton auftritt. So zeigt das von KEHRMANN dargestellte Doppel- salz K,Mn(C,O,), + 3H,O, welches fast schwarze Kristalle bildet, hei seiner iIn Sonnenlichte eintretenden Zersetzung

Mn,(C,O,), -9 2iMnC,O, + 2 C 0 ,

die Hildung des rosenroten Manganooxalats. Endlich wird die Umkehrung der Realition praktisch eine vollstandige, wenn, wie dies bereits erwahnt wurde, das Manganosalz etwa in salmiakammoniaka- lischer LGsung vorliegt.

Beziiglich der Kmetik der Reaktionen:

MnO, + Saure -+ Manganosalz + Sauerstoff M n 0 , + Salzsaure -+ Manganosalz + Chlor und

ist zu bemerken, dafs sich die Verhaltnisse so iihnlich gestalten wie hei der niiher untersuchten Reaktion:

2C1, + 2H,O -+ 4HC1+ 0,.

Reide Reaktionen verlaufen iiber die Primaroxydstufen Mu'.' lesp. Cl., C1.**** u. s. w. Die Konzentration derselben erreicht aber iiur dann einen melsbaren Betrag, wenn sie in Form komplexer Ionen oder schwach dissoziierter Verbindungen wie NnPO,, MnCl," resp. ClO', C10," u. Y. w. auftreten konnen. 1st letzteres aber der Fall, so verlauft von da ab bis zur schlielslichen Gleichgewichtslage

Ber. deutsoh. &em. Cfes. 'LO [1887), 1594.

70 - -

die Reaktion nur mehr sehr gehemmt und in der Weise, dafs sich im Sinne des Gleichgewichtes :

MnC15” +-? Mn... + 5C1’

mit mefsbarer Geschwindigkeit eine Spur des elementaren Primar- oxydions bildet, welch letztere d a m praktipch niomentan nach der Gleichung :

2Mn’m’ + 2 Cl‘ --f 2 3111- + C1, weiter reagiert.

Mit der Erkenntnis eines Ionengleichgewichtes von der Gestalt :

2Mn’.’ fr Mn” + &In’*’.

ist auch die alte Streitfrage gelost, ob das Mn,O, als wahres Ses- quioxyd analog den Verbindungen A1,0,, Fe,O, und Cr,O, aufzu- fassen ist, welche Ansicht von CHRISTEATSEN vertreten wird, oder ob das Mn,O, als eine Verbindung von Manganoxydul mit Mangan- superoxyd, entsprechend der Formel MnO.MnO,, betrachtet werden mufs, eine Annahme, welche von FRANKE gemacht wurde. Die Streit- frage ist dahin zu beantworten, dals zwischen diesen beiden Formen in Losung ein Gleichgewicht existiert und dafs, je nach den Be- dingungen, bald die eine, bald die andere Form vorherrschend erscheint, wir es demnach mit einer Art Tautomerie zu tun haben.

Wir haben bereits gesehen, daB durch Oxydation eines Mangano- salzes mit Permanganat nach der Gleichung:

4Mn(OH), + Mn(OH), = 5Mn(OH),

Manganisalz primar entsteht. Wie in allen iibrigen Fallen m u k auch diese Reaktion einem Gleichgewichte entsprechen, und da sich die rechte Seite der Gleichung auf die elementaren Ionen bezieht, so mufs es sich auch die linke, und wir erhalten:

4 Mn” + Mn.***.*’ f- 5 &In.*. . Da ferner Nn... ein Primaroxyd ist und das Gleichgewicht dom-

nach zum griikten Teil auf der linken Seite der Gleichurig gelegen ist, so kann, mit Berucksichtigung der bereits besprochenen Zerfalls- gleichung, der Zerfall des Primaroxyds nach folgenden zwei Reak- tionen vor sich gehen:

(1) ( 2 )

581n*-* --t 4Mn‘. + Mn..*.*.* f-

2’iMn.a‘ 7’ Mn.. + &In**.. .

-- 71

auswahlender Katalysator ist unter - anderem Silbersalz.

-Mn'.' B

als Basis fur die volumetrische Bestimmung des Nangans. Es mnls daher die freie Energie der Form C tiefer liegen wie diejenige der Form A. Im Sinne des Gleichgewichtes (1) bildet sich zunachst eine Spur der Form B, letztere geht nahezu vollstandig in C uber. Das nach diesem Vorgang gebildete und clas noch vorhandene Jlsnganoxydul- salz gibt mit dem uberschiissigen Permanganat neuerdings etwas Manganiion, welches wieder in C umgesetzt wird u. s. w., bis schliefs- lich alles DiIanganoxydul zu Superoxyd oxydiert ist.

Nachdem unter den Versuchsbedingungen die Reaktion

Manganosalz + Permanganat -+ Mangansuperoxyd

unmefsbar rasch verlauft, so konnen wir iiber die Geschwindigkeit der Teilvorgange folgendes aussagen:

A -+ B mornentan aber langsamer wie B -+ c' B-+ c 19 ,, rascher ,, A -+ B.

Vergl. OSTWALD, Zeitschr. phys. Chem. 40, 120, Vergl. MAESHALL, Chew. News 53 (1901), 76. - WALTERS, Chem. News

Auf die stGchiometrischen Beziehungen sol1 der Einfachheit halber in 84 (1902), 239.

unseren Schemen nicht mehr Riieksicht genommen werden.

-- 71

Von den Versuchsbedingungen h h g t es nun ab, ob der Zerfall mehr nach (1) oder mehr nach Reaktion (2) erfolgt. Ferner konnen durch die Gegenwart von Katalysatoren die beiden Vargange in verschiedenem Mahe beschleunigt werden. Wir haben es demnach haufig mit der ,,ausw&hlenden Katalyse" zu tun. Ein derartiger, die Reaktion (1) beschleunigender,

anderem Silbersalz. Neben der Geschwindigkeit ist

aber auch die ,,freie Energie" der einzelnen hylotropen Formen unseres Systemes mafsgebend fur den Verlauf der mtjglichen Reak- tionen. Zeichnen mir uns die letzteren wieder in ein Schema (Fig. 4)3 ein, so gelangen wir zu folgenden Erwiigungen.

auswahlender Katalysator ist unter Mn'.' B

Mn" + Bln(OH), A

Mn" + Mn(OH), C

Fig. 4.

Belianntlich dient die Reaktion

SMnSO, + 2KXn0, + 2H,O = 5Mn0, + K,SO, + 2H,SO,

als Basis fur die volumetrische Bestimmung des Nangans. Es mnls daher die freie Energie der Form C tiefer liegen wie diejenige der Form A. Im Sinne des Gleichgewichtes (1) bildet sich zunachst eine Spur der Form B, letztere geht nahezu vollstandig in C uber. Das nach diesem Vorgang gebildete und clas noch vorhandene Jlsnganoxydul- salz gibt mit dem uberschiissigen Permanganat neuerdings etwas Manganiion, welches wieder in C umgesetzt wird u. s. w., bis schliefs- lich alles DiIanganoxydul zu Superoxyd oxydiert ist.

Nachdem unter den Versuchsbedingungen die Reaktion

Manganosalz + Permanganat -+ Mangansuperoxyd

unmefsbar rasch verlauft, so konnen wir iiber die Geschwindigkeit der Teilvorgange folgendes aussagen:

A -+ B mornentan aber langsamer wie B -+ c' B-+ c 19 ,, rascher ,, A -+ B.

Vergl. OSTWALD, Zeitschr. phys. Chem. 40, 120, Vergl. MAESHALL, Chew. News 53 (1901), 76. - WALTERS, Chem. News

Auf die stGchiometrischen Beziehungen sol1 der Einfachheit halber in 84 (1902), 239.

unseren Schemen nicht mehr Riieksicht genommen werden.

72 -

- -

Das nach diesem Verfahren erhaltene Mangansuperoxyd ist nicht ganz frei von niederen Oxydationsstufen. Die anfangs neutrale Losung, in welcher die Titration vorgenommen wird, wird trotz der. bei der Reaktion frei werdenden Saure blofs schwach sauer reagieren und das Primaroxyd Mn,O, kann demnach hydrolytisch gefallt werden. Ein yon Haus aus vorgenommener Saurezusatz wird die hydrolytische Pallung vermindern. Salpetersaure , welche kaum

I imstande ist , komplexe oder - I -Mn'.' schmach dissoziierte llanganisalze

--Mn(OH), + Mn(OH), C --?iln(OH), i- Mn(OH), D den Umsatz nach:

2iMn'*' -+ hln" + &In**.. E

, noch dadurch begunstigen, d a k Fig. 5.

man dem &In'.'* durch die Gegen- wart von Zinksalzen noch Gelegenheit bietet, als Zinlrmanganit aus dem Gleichgewichte auszutreten. Auf diesen Prinzipien beruht das von VOLHARD 1 durch Zusatz von Salpeterskure und Zinksulfat modifizierte Verfahren der (;oYaRnschen &ngantitration.

Wir wollen nun an Stelle des Permanganats ein anderes Oxy- dationsmittel, etwa Persulfat, zur Oxydation der sauren Slangano- salzlosung verwenden. I n diesem Falle bildet sich aus d (Fig. 5) zunachst etwas R. Liegen die Bedingungen fur die Bildung kom- plexer oder schwerloslicher Manganisalze, wie etwa bei Gegenwart uon vie1 Phosphorsaure, giinstig, so geht das Manganiion zum grofsten Teil in E iiber und wir erhalten Manganiphospliat. I m anderen Balle bildet sich aus B sowohl C als auch D. Solange aber noch die Konzentration des llanganosalzes erheblich ist, wird nach dem, im Anschluls an Fig. 4 beschriebenen Vorgang das intermediar gebildete G uber B nach B ubergehen. Die Reaktion erreicht erst mit der vollstandigen Oxydation des Manganoxyduls zu Superoxycl ein Ende. 1st dagegen die Konzentration des Manganosalzes eine geringe, so wird der Verlauf C -+ B -+ D nicht mehr stattfinden konnen. Demnach kann bei allen Oxydationsprozessen, gleichgultig ob dieselben zu Manganisalz oder zu Mangansuperoxyd fuhren, gegen Ende die rote Farbe der Ubermangansaure nuftreten. Auch be1

' Lieb. Ann. 198, 318. Bull. soc. ch,im. l'aris [2] 1, 8s.

der Elektrolyse der Nangansalzl6sungen entsteht an der Anode aus den primsir gebildeten Manganiion in konzentrierteren Losungen Man- gansuperoxyd, in verdiinnteren Ubermangansaure.

Zum qualitativen Nachweis von Jblangan verwendet man nach WALTER CRUM die Oxydation des Manganosalzes zu Ubermangan- saure durch das heifse Bleisuperoxyd-Salpeterskuregemisch. Nach obigen Auseinandersetzungen ist es erklkrlich, dafs die CRuMsche Keaktion Lei konzentrierteren Manganlosungen versagt, und dafs Mangansuperoxyd dieselbe uberhaupt nicht gibt. Die mitunter ver- tretene Annahme, dafs bei jener Reaktioii aus ManganosalL primar Ubermangansaure entsteht, ist aus folgenden Grunden nicht stich- haltig: 1. 1st Ubermangansaure viel zu bestandig um primar ent- stehen zu kiinnen. 2. Miifste in diesem Falle auch Mangansuper- oxyd die Reaktion zeigen. 3. Tritt auch bei der ,,umgekehrten Reaktion", d. h. beim Eingielsen der Manganosalzlosung in das heilse Rleisuperoxyd-Salpetersiiuregemisch, die Bildung der Ubermangan- s iure dann nicht auf, wenn, wie bei Gegenwart yon viel Phosphorsiiure, die Bedingungen fur die Bildung bestandiger Nangdniverbindungen giinstig liegen. 4. Entsteht nach CHRISTEN SEN^ in einem ganz analogen Fall, bei der Oxydation von Manganosalz rnit essigsaurem Bleihj peroxyd ehenfalls ein Manganisalz, das Xanganiacetat.

Dann ware noch der Fal l zu hesprechen, dafs ein Reduktions- mittel, welches von dem intermediar gebildeten Primiiroxyd oxydiert werden kann, zugegen ist. Ein

Oxalsaure, nennen wir nach ENGLER solches Reduktionsmittel, wie z. B. I -bin- + c,o;~ B

Akzeptor. Wir wollen nun den -i--Mn(~lO,)p D Vorgang der Bildung von Nnngani- -~-hln(0H)2 + ~ 0 , E

- -Mn(0H), $. btn(oH), + Caopr( A

s d z BUS Manganosalz und Per- I

manganat bei Gegenwart von I i e l Oxalsaure betrachten. (Figur 6.)

permanganat, so bildet sich zanachst etwas Manganiion :

Fig. 6.

Setzen wir zur L6sung von Mangansulfat und Oxalsiiure Kalium-

Mn(OH), + KMnO, -+ Mn'.' + . . . Letzteres w i d auf zwei Arten reagieren konnen. Ein Teil wird

Oxalsaure zu Kohlensaure oxydieren:

&In'.' + C,O,H, -+ IVIn(OH), + CO,

I 1. c.

74

Ein anderer Teil wird mit Oxalsaure komplexe Manganioxal- saure, etwa nach der Gleichung:

Mn',' + 3C,O," -+ Mn(C,O,),"'l

bilden. Mit Beriicksichtigung der Gleichgewichtsverhaltnisse und des Umstandes, dals die Bildung des komplexen Manganisalzes prak- tisch momentan erfolgt, wahrend die Zersetzung des gebildeten Komplexes mefsbar langsam vor sich geht, erhalten wir folgendes kinetisches Eeaktionsschema :

Mn(OH), + &(OH), -+ Mn'.' (weniger rasch) Mn*.* + C,O,H, -+ Mn(OH), + CO, (sehr rasch) Mn... + C,O,H, -+ Komplex (sehr rasch)

Komplex -+ Mn'.' + C,O,H, (mefsbar langsam)

1 1. Periode, in

[ ~ ~ ~ ~ ~ r ~ ~ ~ ~ ~ . -

2. Periode, mefs- Mn'.' + C,O,H, -+ Mn(OH), + CO, (sehr rasch) I bar verlaufend.

Der ganze Prozefs zerfallt deutlich in zwei Teile. Im ersten, sehr rasch velrlaufenden Teil wird sowohl Oxalsaure oxydiert als auch Manganioxalat gebildet. I m zweiten Teil wird das gebildete Monganioxalat mefsbar langsam zersetzt. Aus dem Reaktionsschema ist zu ersehen, dak dieser Vorgang nach der ,,ersten Ordnung" ver- laufen muls, was die Versuche von HARCOURT und ESSON hestatigen.

Addieren wir die drei Gleichungen des unmelsbar rasch ver- laufenden Teiles unseres Prozesses, so erhalten wir:

Manganosalz + Oxalsaure + Permanganat --+ -+ Manganisalz + Manganosalz + Kohlenshre.

Diese Gleichung konnen wir nun in zwei andere zerlegen :

Manganosalz + Permanganat -+ Manganisalz (1)

Oxalsiiure + Permanganat --+ Manganosalz + Kohlensaure (2)

Ton diesen beiden Vorgangen ist der erste freiwillig und sehr rasch verlanfend, wahrend der zweite zwar auch freiwillig aber iiur mit sehr geringer Geschwindigkeit vor sich geht. Nach Reaktion (2) wird aber selbst innerhslb der kurzen Zeit des Verlaufes der Reak- tion (1) dann ein mefssbarer Umsatz erfolgen, wenn die beiden Reaktionen, wie dies in unserem Schema zum Ausdruck kommt,

KEHRMANN, 1. c. - SOUCHAY und LENSSEN, Lieb. Ann. 106 (1858), 254. Phil. ITraizs. Roy. SOC. London 166 (1866), 193.

mit einander ,,gekoppelt" sind. Nach KESSLER~ nennt man der- artige Reaktionen auch ,,induziert". Nun bestehen zwei Moglich- keiten. In dem einen Falle ist die induzierte Reaktion n i c h t frei- willig verlaufend, in dem anderen Falle aber geht die induzierte Reaktion zwar freiwillig, fur sich allein jedoch sehr langsam vor sich. Es handelt sich also in letzterem E'alle blols um eine kata- lytische Beschleunigung, fur welche ich seinerzeit die Bezeichnung ,,Katalyse zweiter Ordnung<' vorgeschlagen habe.

Nach SCHILOW~ nennen wir Mangansalz den I n d u k t o r (iden- tisch mit HABERS Autoxydator). Oxalsaure den A k z e p t o r und Per- manganat den A k t o r . Die folgende Tabelle gibt eine Ubersicht:

Primare, freiwillige, indu- zierende resp. bes chleun jgend e

Sekundare, erzwungene, indu- zierte resp. beschleunigte

Reaktion: Reaktion : Induktor- Aktor Akzeptor-Aktor

z. B. Manganosalz-Permanganat Oxalsaure-Permanganat.

Die Beschleunigung oder die Induktion der Reaktion Oxalsaure- Permanganat durch die Reaktion 3langanosalz-Permanganat findet nun tatsachlich statt. 5 1st bei der Einwirkung von Permanganat auf Oxalsaure nicht geniigend Manganosalz zugegen oder die Nenge des letzteren zu gering, und ist schliel'slich auch noch die Konzen- tration der Wasserstoffionen erheblich, so wird, wie in der voran- gehenden Abhandlung gezeigt aurde, das Reaktionsschema noch komplizierter.

SCHILOW nennt den Quotienten:

umgesetztes Ayuivalent des Akzeptom - n. FALL umgesetztes Lquivalent des Induktors

~ ~- - _.

nz Find, ' wo 3' die Elektrizitatsmenge von 96540 Coulombs, d. 11. die oxydi- metrische Einheit ('/% 0) bedeutet, den ,,Induktionsfaktor-'. Aus unserem Reaktionsschema ist ersichtlich, d a k letzterer um so kleiner

OSTWALD, Zeitschr. phys. Uzem. 34 (1900), 248. Pogg. Ann. 95, 224; 96, 332; 113, 142: 118, G O ; 119, 216.

Zcilschr. phys. C1ie.m. 48 (1903), 64I. Vergl. LUTHER und SCHILOW,

Vergl. SCHILOW, Ber. deutsch. eliein. Ges. 36 (1903), 2735. 1. c.

a A. SKRAXAL, 2. anal@. Chem. 43 (1903), 359.

Zeitsclzr. phys. t h m . 46 (1904), 177.

76

wird, je gunstiger fiir das Primaroxgdion die Bedingungen zur Kom- plexbildung liegen.

Ganz analog wie die Reaktion Oxalsaure-Permanganst wird anch die Reaktion Salzsaure-Permanganat durch die Xeaktion Man- ganosalz-Permaiiganat -+ Manganisalz induziert. Versetzen wir eine Losung von Manganochlorid und vie1 konzentrierter SalzsHure mit Permanganat , so finden folgende zwei Teilvorgange nachein- xnder statt:

Erste Periode der Reaktion oder Induktionsperiode, unmefsbar rasch. AIn" + Rln(OH), -+ Ah..' (weniger rasch) Iln" + C1' -+ Mti- + C1, (sehr rasch) &In'.' + HCl -+ Kornplex (sehr rasch).

Zweite Periode der Reaktion, melsbar verlaufend. Manganisalzsaureltomplex -+ 3In'.' (mefsbar langsam) &In'*' + CI' -+ &In" + C1, (sehr rasch).

1st die Konzentration der Salzsiiure sehr erheblich und hindert n ~ n das entstehende Chlor an seiiiem Entweichen, so fuhrt die zweite Periode der Reaktion, wie bereits erwahnt wurde, zii

einem im Mefsbaren liegenden Gleicbgewichte. Auf einen Umstand sol1 an dieser Ytelie besonders hingewiesen

werden. Der Induktionsfaktor ist von der Konzentration der einzelnen Agentien in hohem Make abh8ngig. Da aber in unseren Beispielen die Znduktionsdauer ungemein kurz ist, d. h. die Induktion praktisch momentan vor sich geht, wiihrend der Gorgang des Mischens nicht inomentan vorgenonimen werrien kann, so werclen die gegenseitigen Konzentrntionsverhaltnisse und niit ihnen die GrGIse des schliei'slicli gefundenen Induktionsfaktors yon der Reilienfolge, in welcher die Mischung vorgenommeii wurde, und von der Art und Weise, wie dieselbe erfolgte (langsamer oder rascher, tropfenweise unter fort- wiihrendem Riiliren oder erst Riihren gegen §clduls des Mischens u. s.w.) in hohem Grade nbhbgig sein.

Nicht iminer brauchen die Verhaltnisse so zu liegen, d a h der erste Teil cler Reaktion, die Induktionsperiode , unmefsbar rasch und der zweite Teil der Xeaktion inefsbar langsam erfolgt, sondern es sind hier alle moglichen Variationen denkbsr. I n vielen Fallen, urid wir werden m f solche noch zu sprechen kommen, geht der eine Teil in den anderen anf. Verwenden wir Oxalsaure als Akzeptor,

Vergl. die voraogchende Abtiandlung.

- 77

Mangansalz als Induktor und an Stelle von Permanganat Sauer- stoff als Bktor, so haben wir es blols mit folgenden Teilreaktionen zu tun:

Mn'.' + C,O,H, -+ Mn(OH), + GO, (momentan) 1 bar langsam. Mn(OH), + 0, -+ &In.-* (melsbar langsam) in Summe mefs-

Von diesen beiden Reaktionen muls die erste, wie wir bereits geseheri haberi , bis zur Herstellung eines Gleichgewichtes , welches allerdings fast ganz auf der linlien Seite der Gleichung gelegen ist, erfolgen. Das gebildete Nanganiioii wird aber nahezu momentan von der Oxalsiiure reduziert werden. Dadurch wird das Gleichge- wicht gestor t , und es mufs neuerdings Nangailiion nachgebildet werden. Der Prozeb erreicht erst mit der Oxydation der Oxal- saure ein Ende. Addieren wir die beiden Gleichungen, so fallt z u beiden Seiten PUIn(OH), und Mn... weg, und wir erhalten:

2C,O,H, + 0, -+ 4CO, + 2H,O.

Es ist dies die freiwillig verlaufencle Reaktion der Oxalsaure- verbrennung, und das Ivfanganosalz hat blols die Rolle eines Be- schleunigers gespielt. Fur jene Katalysen , bei welchen der Kata- lysator kein Reaktionsgemisch ist , welches nach Herstellung des Gleichgewichtes seine katalytische Wirksamkeit verliert , sondern ein einziger KBrper , der immer wieder zuriickgebildet wird und daher an seiner Wirksamkeit niemnls Kinbufse erleidet , habe ich seiner- zeit die Bezeichnung ,,Katalyse erster Ordiiung" vorgeschlagen. Wir kommen auf Grund dieser Uberlegung zur Uberzeugung, dafs Man- ganosalze die Oxalsgure-Sauerstoffreaktion beschleunigen m u s s en. So fand JOFXSSEN, ,,dafs nicht nur die Oxydationsgeschwindigkeit von Oxslsaurelosungen im Lichte durch Hinzufugen von Mangan- sulfat zunimmt, sondern auch, dafs die Oxydation, welche im Dunkeln nicht stattfindet oder wenigstens praktisch nicht erkeiinbar ist. in Gegenwart yon Mangansulfat niit wahrnehmbarer Geschwindigkeit verlauftc'.

Aus dern Schema, das den Reaktionsmechanismus darstellt, ist zu ersehen, d d s wir in unserem Falle nicht die Oxydationsgeschwin- digkeit der Oxalsaure , sondern die Geschwindigkeit der Primar- oxydation des Mangansalzes messen. Jene beiden Keaktionen konnen aber von gariz verschiedener Ordnung seiri, und zum Unterschiede

JORISSEN urrd REICHER, Zcitsehr. phys. Chem. 31 (18991, 142.

- 7s --

von den ,,reinen KatalyseniL,l bei denen der Katalysator blols die Geschwindigkeit iindert, wird bei Osydationsvorgangen die Moglich- keit bestehen, dals durch Hinznfiigung eines Katalysators nicht nur die Geschwindigkeit , sondern auch die Ordnung der Reaktion ge- andert wird. In letzterem Falle haben wir es sicher mit einer Katalyse durch Zwischenresktioncn oder ,,Ubertragungskatalyse"Z zu tun.

Man kann fragen, warum bei der Oxalsaure-Mangansalz-Sauer- stoffreaktion eine analoge Induktionserscheinung wie bei der Oxal- saure-Mangansalz-Permsnganatreaktiori nicht zu beobachten ist. Fande eine solche statt, so wiirde sie nach dem gleichen Schema vor sich gehen:

Mn(OH), +O, -+ &In'.. (1)

ilfn... + C,O,H, -+ Komplex Mn*** + C,O,H, -.+ Mn(OH), + CO, (2) } Erste Priode.

(3) J (4) } Zweite Periode. (5)

Komplex -+ Mn'.' + C,O,H, Mn'.' + C,O,H, -+ Mn(OH), + CO,

Ein derartiger Verlauf ware aber nur dann denkbar, menn die Reaktionen der ersten Periode in Summe ungleich rascher verlnufen wurden wie diejenigen der zweiten Periode. Dies trifft aber in unserem Falle nicht zu. Die Konzentration des Manganioxalats wird, wie die Erfahrung lehrt, niemals erheblich, und der Manganioxal- saurekomplex kann nach Gleichung (1) und (3) nicht so rasch ent- stehen, als er nach Realition (4) und (5) zersetzt wird. Prinzipiell ist aber die Induktion denkbar. Addieren wir dann die drei Gleich- ungen der ersten Periode, so konnen wir die resultierende Gleichung wie folgt zerlegen :

Oxalsaure + Sauerstoff -+ Kohlensaure Manganosalz + Sauerstoff -+ Manganisalz

(1) (2)

Von diesen beiden Reaktionen ist die erste freiwillig verlaufend, nicht aber die zweite. Sol1 letztere aber trotzdem vor sich gehen. so mufs, wie bei allen gekoppelten Vorgangen. die hierfiir notige Energie vou der freiwillig verlaufenden und induzierend wirlrenden Reaktion geliefert werden. Wenn nun auch eine derartige Induktion aus den bereits erwiihnten Griinden nicht stattfindet, so entsprechen

RRODE, Zeitschr. phys. Chem. 37 (19C1), 257. ' FEDERLIN, .%tSChr. phyS. Chem. 41 (1902), 565.

79

die folgenden analogen gekoppelten Vorgange den tatsachlichen Wshrnehmungen:

Freiwillige Reaktion : Erzwungene Reaktion:

CZO4H2 + 0 2 -+ CO,

p + 0, -+ p,o,

H,O + 0, -+ H,o,l

0, -+ OZS P b + H2S04 + 0, -+ PbSO, H,O + 0, -+ H20,'

Der Mechanismus dieser gekoppelten Reaktionen ist ein ganz ahnlicher, z. B.

J h t e Periode. Blei + Sauerstoff -+ Bleiprimaroxyd

Primaroxyd + Schwefelsaure + Wasser -+ Bleisulfat + Hydroperoxyd.

Zweite Periode. Hydroperoxyd -+ Wasser + Sauerstoff.

Der Vorgang der zweiten Periode verlauft ungleich langsamer wie die Reaktionen der ersten. Durch Addition und Zerlegung der beiden ersten Gleichungen erhalt man die gekoppelten Vorgange :

2Pb + 2H,S04 + 0, = 2PbS04 + 2H,O 2H,O + 0, = 2H,O,.

Wir kommen nun zur Besprechung der Primaroxydation der Eisensalze. Nach den Untersucliungen und der Zusarnmenstellung von MANCHOT und WILHELMS zeigen folgende Oxydationsstufen den Charakter der Primaroxyde: PeO,, Fe,O, und FeO,.

Man kann zunachst die Frage aufwerfen, ob es moglich ist, die Geschwindigkeit des Zerfalles der Primaroxyde durch Uber- fuhrung der Primaroxydionen in komplexe oder wenig dissozierte Verbindungen so weit zu verringern, um ihrer durch eine mefsbare Zeit hahhaft zu werden. Da FeO, als hijheres Oxyd stark saure Eigenschaften besitzen mufs, so liegt es nahe, dasselbe als kom- plexes Sauerstoffion zu fixieren. In der Tat ist das FeO, in al- kalischer Losung als Anion der Eisensaure FeO," oder a19 Ferrat

RICHARDSON, Journ. Clzem. SOC. 65 (1894), 460. - JORRISSEN, Zeitschr.

SCHGNBEIN, Jouriz. prukt. Chem. 93 (1864), 24. EWAN, Zeilsehr. plays. Chem. 16 (1895), 315. - OSTWALD, Zeitschr.phys.

Lid. Antz. 326 (1902), 105.

ungew. Ghem. 1899, 521.

Chem. 34 (1900), 248.

- 80

geniigend bestkntlig. Bekanntlich geben die Oxydationsstufen FeO und Fe,O, mit Blausgure die ungemein stark komplexen Ferro- und Ferricyanwasserstoffsauren. Eine analoge Verbindung der Stufe FeO,, das Superferricyankaliuin K,Fe(CN),, wurde von SKRAUP dar- gestellt. Yerner ist es wahrscheinlich, dafs in der blutroten Liisung, welche MANOHOT durch Zusatz von Soda zu einer Liisung von Eisen- chlorid , Natriumpyrophosphat und Hydroperoxyd erhielt, eine Ver- bindung der Stufe E'e,O, vorhanden ist.

Nachdem die qualitativen und quantitativen Versuche die Tat- sache der Primaroxydation der Ferrosalze ergeben haben und nach- clem gezeigt worden ist, dal's die Verbindungen der Primaroxyde nur clam in mefsbarer Konzentration zu erhalten sind, wenn die Be- dingungen fur die Komplexbildung giinstig liegen, so folgt daraus mit Notwendigkeit, dafs die Reaktion

Ferrosalz + Oxydans t- Primaroxyd

einem Ionengleichgewichte entpricht, und dah in letzterem das Gleichgewicht ganz auf der linken Seite der Gleichung gelegen ist. Die geringe Menge des nach dem Bleichgewichte gebildeten Primair- oxydions werden nun in komplexe Verbindungen iibergehen oder ent- sprechend der Reaktion

Primaroxyd -+ Eisenoxyd + Sauerstofi'

in zwei Bulkere Oxydationsstufen zerfallen konnen, der Hauptanteil cles gebildeten Primaroxydions wird aber von dem im oberschufs vorhandenen Ferrosalz (Selbstakzeptor) ungemein rasch reduziert werden, z. B.

Fe'.'.' + 2 Fe" -+ 3 Fe..'.

1st gleichzeitig ein Reduktionsmittel (Akzeptor) zugegen, so wird auch dieses von dem intermediar gebildeten Primaroxydion oxydiert und zwar energischer wie durch das Oxydans, durch dessen Wirkung das Primairoxyd entstanden ist.

Ganz gleichgultig, ob die Oxydatjon des E'errosalzes melsbar oder unmefsbar rasch erfolgt, wird die Reaktion

Ferrosalz + Oxydans -+ Ferrisalz

kinetisch wie folgt formuliert werdcn konnen :

L i e b . Ann. 189, 375; vergl. S T ~ E L E R , Lieb. Ann. 161, 22.

-- 81 - Ferrosalz + Oxydans -+ Eisenprimaroxydion (weniger rasch)

Eisenprimiiroxydion + Ferrosalz --3 Perrisalz (praktisch momentan).

>Ian kann fragen, ob die Oxydation der Ferrosalze quantitativ nach diesem Schema verlauft, oder ob nicht auch gleichzeitig die direkte Reaktion Ferrosalz + Osydans -+ Ferrisalz mit einer er- heblichen Geschwindigkeit vor sich geht. Zur Benntwortung dieser Frage gehen wir yon der Uberlegung aus, dafs sich im Sinne von Ionengleichgewichten die ersten Spuren der elementaren Ionen aller nur denkbaren Oxyclationsstufen, also auch Fee.', mit unwidersteh- licher Qewdt bilden werden. Wiihrend nun die derart entstandenen Spuren von Ferriion keiner weiteren Reaktion unterworfen sind, werden die geringen Mengen des Prim%rosytlions dnrch Zerfttll in zwei W s e r e Oxydationsstufen oder durch die sehr rasch erfolgende weitere Reduktioii aus dem Ionengleichgewichte austreten und rdit unwiderstehlicher Gewalt nachgebildet werden miissen. Wir kommen demnach dem Tatsachlichen sehr nahe, wenn wir annehmen, d a k siim t - l i e h e s Ferrosalz primaroxydiert wird. Mit dieser Annahme stimmeri auch die Ergebnisse der quantitativen Akzeptationsversuche iiberein.

Auf Qrund unserer Betrachtungen kiinnen wir nun fur die Oxy- dation von Ferrosalzen folgendes, allgemein giiltiges Reaktionsschema aufstellen :

Erste Periode. Ferrosalz + Oxydans -+ Primaroxydion (weniger rasch) (1)

Primaroxydion + Ferrosalze -+ Ferrisalz (rasch) (2) Primaroxydion --+ Ferrisalz + Sauerstoff (rasch) (3)

Primaroxydion + Akzeptor -+ Ferrisalz + Oxydp. d. Akz. (rasch) (4) Primiiroxydion --+ Komplex (rasch) (5)

Zweite Periode. Koupiex - j Primaroxydion (weniger rasch) (6)

Primaroxydion + Ferrosalz -+ Fcrrisalz (rasch) (7) Primiiroxydion -+ Ferrisalz + Sauerstoff (rasch) (8)

Primaroxydion + Akz. -+ Ferrisalz + Osydp. d. Akz. (rasch) (9).

Aus der Diskussion dieses Schemas crgeben sich alle hierhw gehorigen Erscheinungen. Wie bereits erwghnt wurde, wirtl nur 111

den allerseltensten Piillen der Zerfall eiaes Eisenprimaroxydkom- plexes im Sinne der Reaktion (6) so langsain erfolgen, dafs der Ver- lauf der zweiten Periode eine mefsbaro Zeit in Anspruch nimmt. In der Regel werden die Reaktionen dieser Periode in Summe prali-

L. anorc. Chem. Ed. 42. 6

82 -

tisch momentan verlauferi, mit anderen Worten, es wird die Kon- zentration des Primaroxyds wiihrend des ganzen Oxydationsvorganges niernals eine erheblicbe sein. Dagegen kann der Verlauf der ersten Periode bald mefsbar, bald unmekbar rasch erfolgen. In ersterem Falle wird dann die Geschwindigkeit der Beaktion (1) gemessen werden. Das nach Reaktion (1) entstandene Kation des Eisenprimar- oxyds wird im Sinne der Gleichungen ( 2 ) , (d), (4) und (5) weiter reagieren. Obwohl alle diese Reaktionen praktisch momentan er- folgen , werden ihre Geschwindigkeiten relativ verschieden sein konnen. Am wenigsten rasch verlauft die Reaktion (3). Nur wenn fur ihren Verlauf die Bedingungen sehr giinstig liegen - dies trifft zu, wenn man, wie MANCHOT gezeigt hat, zu einer konzeiitrierten schwefelsauren Permanganat- oder Chromsaurelosung Ferrosulfat allmahlich eintropfen lalst - erreicht die Menge des entwickelten Sauerstoffs einen lnebbaren Betrag. Fur gewohnlich werden air aber von dem Umsatz nach Reaktion (3) und (8) absehen kijnnen. Relativ wohl am schnellsten erfolgt der Zerfall der Primaroxydionen nach (2) und (7). 1st ein Akzeptor zugegen, so wird auch der Um- satz nacli Reaktion (4) und (9) mehr oder weniger in Betracht ge- zogen werden miissen. Durch Addition der Gleichungen und Zer- legung erhalten wir dann die gekoppelten Vorgange :

Ferrosalz + Oxydans -+ Ferrisalz Akzeptor + Oxydans -+ Oxydp. des Akz.

1st von diesen beiden Vorgangen der zweite zwar freiwillig, aber blofs langsam verlaufend, so liegt eine ,,Katalyse zweiter Ord- nungcr vor, z. B.

Induktor-Aktor : Akzeptor-Aktor :

Ferrosalz-Sauerstoff ; Arsenige Saure-Sauerstoff; Ferrosalz-Hy droperoxyd ; Ferrosalz - Permanganat ; Salzsaure-Permanganat.

Jodwasserstoff-Hydroperoxy d ;

Ein Fall verdient noch der besonderen Erwahnung. Lafst man bei konstanter Ferrosalzkonzentration die Konzentration des Ak- zeptors wachsen, so wird die Geschwindigkeit des Zerfalles des Primaroxyds nach Reaktion (4) zunehmen, wahrend der Verlauf der Reaktion (2) immer weniger moglich wird. Der Induktionsfaktor wird bei dieser Operation immer gr6fser werden, jedoch mit der Zunahme der Konzentration des Akzeptors nicht Schritk halten,

83 -

sondern sich einem Grenzwerte von der Form alb, worin a und b ganze, rationale und kleine Zahlen sind, nahern. Bus jenem Grenz- werte lafst sich nun die Oxydationsstufe des Primaroxyds berechnen.

Die Existenz eines ,,maximalen Induktionsfaktors" bedingt einen wesentlichen Unterschied zwischen der Katalyse erster und zweiter Ordnung. Bei der ersteren steht die Menge des Kataly- sators und der Betrag der Umwandlung in keinern stijchiometrischen Verhaltnisse. Letzteres wird aber bei der Katalyse zweiter Ordnung mit dem maximalen Induktionsfaktor erreicht.

Wahrend nun fur gewohnlich der Induktionsfaktor mit zu- nehmender Konzentration des Akzeptors seinem Grenzwerte sich nahert, wird letzteres n i c h t der Fall sein, wenn der Akzeptor im- stande ist, mit dem Primaroxydion einen Komplex zu bilden. Eine solche Komplesbildung ist zwischen dem Eisenprimaroxydion und der Salzsaure moglich. Titriert man daher eine salzsaure Ferro- salzlosung mit Permanganat , so wird mit zunehmender Salzsaure- konzentration der Induktionsfaktor anfangs zunehmen und dann wieder abnehmen, ohne inzwischen dem stochiometrischen Grenzwert nahe gekommen zu sein.a Es verhiilt sich also das Ion Fe'...' gegen- iiber Chloranionen ahnlich dem Primaroxydkation &In* * des Mangans. Lafst sich der maximale Induktionsfaktor durch zunehmende Kon- zentration des Akzeptors nicht erreichen, so besteht noch die Miig- lichkeit, letzterem durch abnehmende Konzentration des Induktors nahezukommen.

Bus unserem Schema ist zu ersehen, dals die Rildung des Primkoxydions ungleich langsamer erfolgt wie dessen weiterer Zer- fall. Trotzdem wird von der relativen Geschwindigkeit der Reak- tionen (2), (3), (4) und (5) die Geschwindigkeit der Reaktion (1) im hohen Xafse abhiingig sein. Dieser Umstand macht es erkllrlich, dals neutrale oder schwach saure Ferrosalzliisungen an der Luft rascher oxydieren als stark saure. Es handelt sich in diesem Falle urn folgende Reaktionen:

Erste Periode, (mefsbar)

Zweite Periode. (unmelsbar rasch,.

1 Fe"+ 0, -+ l?e*.'* (mebbar langsam) (1) Fe'-'* + Fe" -+ Fee*' (rasch) (2) Fe.... -+ Fe(OH), (rasch) (3) Fe(OH), -+ Fe'.'. (weniger rasch) (4) Fe....+ Fe" -+ Fe'.' (rasch) (5)

VergI. SCHILOW, 1. c.; LUTHER und GOHILOW, 1. c. ' Vergl. SKRABAL, Zeztschr. aaalyt. Chem. 45 (1903), 359.

6 *

84

Fe(OH), bedeutet das Produkt der Hjdrolyse des Eisenprimar- oxydsalzes. Die Reaktionen cler zweiten Periode miiken unmelsbar rasch erfolgen , denn zu einer erheblichen Primaroxyd konzentration kommt es wahrend der ganzen Dauer des Vorgauges erfahrungs- gemah nicht. Das Hydrat des Primaroxyds wird also ebenso wie frisch gefiilltes Mangansuper- oder Mangansesquioxyd von Ferro- salzlijsungen praktisch momentan reduziert. Die Geschwindigkeit der Oxydation des Ferrosalzes wird demnach nur von der Geschwin- digkeit der Reaktionen der ersten Periode ahhangen. Von letzteren verlauft blol's (1) melsbar langsam. Die Primaroxydionbildung wird aber um so rascher erfolgen, je relativ grol'ser die Geschwindig- keit der praktisch momentan verlaulenden Realrtioneu (2) und (3) ist. Der Umsatz nach Realition (31, die Hyclrolyse des Primiirosyd- salzes , wird aber clurch Verringerung der TVasserstoffionenkonzen- tration erhoht werdeii konnen. Demzufolge wirtl such die Eisen- vitriollosung durch Luftsauerstoff in neutraler Losung rsscher oxy- diert werden als in ssurer. Khenso erfolgt in dem System H,YO, + K J + H,O, die Jodausscheidung durch Zugabe von Ferrosalz dann energischer, wenri i m n vorher durch Zusat.z von Natiumacetat die Aziditat verringert hat.

Weiter oben haben wir auf die Moglichkeit des Zerfalles des Primaroxyds in Ferrisalz und Sauerstoff hingewiesen. Letztere Reaktion wird auch im geringen Mahe reversibel sein :

Primaroxyd qp* Ferrisalz + Sauerstoff.

Nit anderen Worten: Ferrisalze werden ebenfalls durch Oxy- dationsmittel primiir oxydiert werden, wenn auch mit geringerer Geschwindigkeit wie die Ferrosalze. Da in unserer Reaktion das Glcichgewicht zum grijl'sten Teile auf der rechten Seite gelegen ist, so wird dieser Umstand keine weiteren Folgen baben. Ganz anders liegen die Verhaltnisse, wenn ein Reduktionsmittel, ein hkzeptor, zu- gegen ist. Letzterer wird durch das Primaroxyd rascher oxydiert werden wie durch Sauerstoff oder einem anderen Oxydationsmittel, dadurch wird aber das Gleichgewicht gestort und. das Primiiroxyd des Eisens mufs nachgebildet werden. Die Folge dieser Wechsel- wirkung ist die katalytische Beschleunigung der Oxydations- und Reduktionsprozesse durch Ferrisalze. do vollzieht sich die kataly- tische Beschleunigung der Oxalsaureoxgdation durch Ferrisalze ge- nau so \vie die durch Nanganosalz.1

Joxxsspn wid REICHEIS, 1. c.

Wir haben gesehen, dais bei der Oxydation von Ferrosalzen zunachst Primnroxyd entsteht:

Ferrosalz + Oxydans -2 Primaroxydion.

I m Sinne der Primaroxydtheorie mul's diese Reaktion fast vollstandig von rechts nach links verlaufen. Weit rascher geht aber der Vorgang

Primaroxydion -+ Ferrisalz + Oxydans

vor sich. Somit wird in der Regel die Bildung und der Zerfall des Primaroxydions

Ferrosalz + Oxydans +- Primaroxydion t- Ferrisalz + Oxydans

im Sinne des gefiederten Pfeiles verlaufen. Dagegen wird die Richtung des Vorganges dann geandert werden, wenn die Beding- ungen fur die Bildung eines komplexen oder schmerliislichen Ferro- salzes giinstig liegen. Dies trifft nun bei Gegenwart yon Ferricyan- wasserstoff zufolge der Miiglichkeit der Bildung des schwerloslichen Ferroferricyanids ein. Versetzen wir eine Liisung von Eisenchlorid und rotem Blutlaugensalz mit Hydroperoxyd, so erhalten wir unter Sauerstoffentwickelung Ber1inerblau.l

Endlich sol1 noch der PrimSiroxydation der Chromsalze mit einigen Worten gedacht werden. Den Ferrosalzen ganz analog ver- halten sich die Chromosalze. Ebenso wie die ersteren geben auch die Verbindungen des zweiwertigen Chroms, wie die Versuche MAN- CHOTS urd WILHELMS~ zeigten, mit Sauerstoff als Aktor die primare Stufe CrO,.

Ferner entspricht die bei der Oxydation von Chrornsaure mit Hydroperoxyd entstehende Uberchromsaure einer Prirnaroxydstufe. Der weitere Zerfall derselben lal'st sich durch Ausschiitteln mit Ather, vermutlich zufolge Bildung einer weniger dissoziierten Verbindung, bedeutend verlangsamern. Ebenso wie aus allen Oxydationsstufen zunachst Primaroxyde entstehen, werden umgekehrt letztere in alle miiglichen niederen und hiiheren Stufen zerfallen kiinnen:

f -~ ~

Uberchromsaure f - CrO + Oxydans (1) Uberchromsaure + -t C?1;0, + Oxydans (2) Uberchromsaure + -f (k0, + Oxydans (3).

SCH~NBEIN, Jourm. yrakt. Chem. 79, 67. Lieb. Ann. 325, 125.

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J e nach den Versuchsbedingungen werden diese drei Reaktionen mit verschiedener Geschwindigkeit verlttufen. Die blaue atherische UberchromsLurelosung zerfallt deshalb mit Alkalien, zufolge Bildung des Anions CrO," nach (3) und mit Sauren in die in saurer Liisnng bestandige Chromistufe. Auf Zusatz von essigsaurem Natrium wird zufolge der Schwerloslichkeit des Chromoacetats die Reaktion (1) am schnellsten vor sich gehen.l Analog entsteht bei der Oxgdation des Phosphors an der Luft durch Zerfali des Primaroxyds unter ent- sprechenden Bedingungen ein starkes Reduktionsmittel, die Unter- phosphorsaure.

Zuni Schlusse dieser Ausfiihrungen sollen die erhaltenen Resul- tate wie folgt zusammengestellt werden :

Bei Oxydations- und. Reduktionsprozessen entstehen zuniichst Primaroxy dionen.

Die letzteren sind dadurch gekennzeichnet, dals sie unter den Qer- suchsbedingungen in zwei aulsere Oxydationsstufen zerfallen kiinnen.

Alle Oxydationsprozesse lassen sich in ,,Priniarreaktionen" zer- legen. Gleichgiiltig ob ein Oxydatibnsvorgang melsbar ! unmelsbar rasch oder unmefsbar langsam verlauft, wird die Reduktion der Primaroxydionen durch Akzeptoren und der Zerfall der Primaroxyd- ionen in zwei adsere Stufen oder deren Uberfiihrungin komplexe oder undissoziierte Verbindungen ungleich rascher vor sich gehen als wie die entgegengesetzten Primarreaktionen, denen zufolge sich die Primaroxydionen bilclen.

Bei Aufsteilung ohiger Satze hatten als Ausgangspunkt gedient : 1. Das OsTwaLDsche Gesetz der Reaktionsstufen. 2. Die von LUTHER angestellten, die Stoffe mit mehreren Oxy-

dationsstufen betreffenden, energetischen Ableitungen. 3. Die Annahme, dals alle Reaktionen mehr oder weniger Ionen-

reaktionen sincl. 4. Die kinetische Auffassung des chemischen Gleichgewichtes. 5 . Die bei Oxydationsvorgangen beobachteten uiid untersuchten

mannigfaltigen Ersc.heinungen.

HARRISON EASTMANN PATTEN, Am. Che'hem. Jozwn. 29 (1903), 385. Der Autor gibt fur die Entstehung des Chromosalzes eine andere, unwahrschein- liche Erklxrung.

Wien, Laborato&m f i i y alzalytische Chemie an der k. k. lechn. Hoch- schub, im N a i 1904.

Bei der Redaktion eingegangen am 18. Juli 1904.